Sag es!
„Was willst du hier?“
Als Shishido Ryoh eben durch die milchige Glasscheibe seiner Haustür gelinst hatte, dachte er seine Mutter wäre vom Einkaufen zurück und klingelte nur, weil sie ihren Schlüssel vergessen hatte.
Doch dass Atobe Keigo fast den gleichen hässlich weißen Kunstfellmantel – obwohl es bei ihm auch problemlos Echtfell sein könnte - besaß hatte er nun wirklich nicht erwartet.
Mal davon abgesehen, dass Atobe nie vor seiner Tür stand und klingelte.
Normalerweise kam ein Anruf ala 'Ore-sama beehrt dich in genau einer Stunde mit seiner Anwesenheit, lass die Tür offen und räume deine Sachen weg.'
Was nicht hieß das Shishido auch wirklich aufräumte, geschweige den öffnete.
„Reden.“ Bekam er als knappe Antwort.
Atobe lief einfach an ihm vorbei in das große Haus, streifte sich den Mantel von den Schultern und legte ihn sorgsam auf die Kommode am Eingang.
Na großartig, jetzt war sein Tag vollkommen ruiniert.
Shishido hatte sich vorhin schon eine Standpauke von seinem Vater anhören dürfen. Er hatte weder Lust, Zeit noch Nerven dazu sich von dem Grauhaarigen voll quatschen zu lassen.
Jener schien sowieso immer nur ihn mit seinen Problemen zu zutexten.
„Oshitari hat mir eine Karte für seinen Auftritt heute gegeben.“
Warum bedachte ihn das Schicksal generell immer mit dem schrecklichsten Szenario? Das absolut Schlimmste womit Atobe so gut wie jedem auf die Nerven gehen konnte, waren seine nicht vorhandenen Beziehungsprobleme.
Ernsthaft.
Konnte er nicht Mukahi damit belasten?
Der hatte schließlich seit sie auf der Mittelschule waren eine Beziehung.
Gut, seine Beziehungspartner wechselten im Durchschnitt alle zwei Wochen, aber das war dennoch einiges mehr an Erfahrung als Shishido mit seinen null Beziehungen.
Er konnte sowieso nicht verstehen warum alle so einen Wirbel darum machten. Verdammt sie waren 13!
In ihrem Alter gab es deutlich wichtigere Dinge als eine feste Beziehung oder Sex. Und sobald dem Langhaarigen etwas Überzeugendes einfiel würde er das Atobe an den Kopf werfen, zusammen mit irgendeinem schweren Objekt aus der näheren Umgebung.
„Warum gehst du nicht einfach hin?“
„Wenn das so einfach wäre.“
Es WAR doch einfach, oder hatte er die neuesten Entwicklungen mal wieder nicht mitbekommen?
Atobe wollte Oshitari und anders rum genauso.
Weshalb die beiden nicht schon seit Oshitaris erstem Schultag was miteinander hatten war ihm sowieso ein Rätsel.
Zugegeben, er hatte selbst ewig gebraucht um herauszufinden was los war. Mukahis Aussage 'Ich hab noch nie bemerkt, dass sich Atobe wie eine rollige Katze aufführen kann.' war dabei sehr hilfreich.
Anfangs hatte er den Eindruck Atobe wollte den Blauhaarigen nur fürs Tennisteam anwerben.
Da Oshitari so einen 'mysteriösen' Eindruck machte (sollte Shishido jemals den Kerl finden der so einen kitschigen scheiß im Team verbreitet hatte, durfte der anschließend ganz 'mysteriös' seinen Eltern erklären woher die gebrochene Nase kam), hatten Mukahi - und unerklärlicherweise auch Taki - die Gerüchteküche leer geräumt.
Natürlich mussten sie sofort jedem damit auf die Nerven gehen und überall herum erzählen, dass Oshitari früher sehr gern, viel und vor allem GUT mit seinem Cousin Doppel gespielt hatte.
Unter dem Vorwand, dass Atobes Team nächstes Jahr nur aus den Besten der Besten bestehen soll, schlich er konsequent den ganzen lieben langen Tag um den Blauhaarigen herum.(JEDER wusste, dass er nächstes Jahr Buchou werden würde. Naja, jeder außer dem jetzigen Buchou)
In dieser Phase hatte Oshitari Shishido sogar etwas Leid getan, schließlich hatte er an seinem ersten Tag deutlich gemacht, dass er keinem Club beitreten wollte.
Das Fünkchen Mitleid war allerdings schnell wieder erloschen als er mitbekam, dass er sich DOCH ins Tennisteam eingetragen hatte.
Eigentlich hatte Shishido erwartet, dass sich Atobe wieder 'normal' benehmen würde, aber im Gegenteil: Es wurde schlimmer!
„Hast du deswegen Glitzer am Hals?“ Der Kerl war doch echt die Höhe! Jungs hatten sich nicht zu schminken, geschweige den GLITZER irgendwohin zu schmieren.
„Muss vom Mantel sein.“
Während Shishido sich auf die Lippe biss um seine nächste Frage runter zu schlucken, sah er dabei zu wie Atobe sein Sofa mit dem Glitzerzeugs von seinem Hals 'verzierte'.
Er WOLLTE gar nicht wissen wieso der Mantel Glitzer brauchte, außerdem warnte ihn eine Art Schutzreflex davor, dass ihm die Antwort ohnehin nicht gefallen würde.
„Warum willst du gerade während Oshitaris Auftritt reden?“
Atobe bedachte ihn mit einem abschätzenden Blick bevor er antwortete.
„Ore-sama würde gern ein paar Dinge von dir erfahren. Das Konzert beginnt erst in einer Stunde.“
Er hätte ihm die Tür einfach vor der Nase zuschlagen sollen, als er die Chance dazu hatte.
Wenn er so darüber nachdachte war es klar gewesen, dass dieses Gespräch entstehen würde.
Als sich Oshitari vor wenigen Wochen ins Team eingetragen hatte, wollte Shishido ihn eigentlich nur vor Mukahi als Doppelpartner warnen. Dessen eigentlicher Doppelpartner wurde nämlich erst kürzlich von ihrem Buchou aus dem Team geschmissen und Taki weigerte sich strickt mit dem roten Zwerggrashüpfer zu spielen.
Und da er wegen Atobes ständigem Paarungstanzes sowieso ein bisschen Mitleid für Oshitari empfand, wollte er ihn vor der Tratschtante Nummer 1 bewahren.
Dass sie sich bei diesem kurzen Gespräch allerdings so gut verstanden, und der Langhaarige ihn sogar ein wenig sympathisch fand, war nicht geplant gewesen. Es dauerte nicht sonderlich lang, da waren sie irgendwie so was wie 'Kumpel' geworden.
„Frag ihn selbst!“
Woher hätte er denn wissen sollen, dass man mit Oshitari einigermaßen zivilisierte Gespräche führen konnte?
WIESO waren eigentlich alle seine Freunde, die er sich selbst aussuchte Doppelspieler? Atobe zählte nicht wirklich als Freund, und selbst ausgesucht schon gar nicht, der Kerl hatte sich eher aufgezwungen!
Doppel spielen war seiner Meinung nach was für Luschen die nicht allein auf dem Court stehen konnten. Als er das vor ein paar Tagen Oshitari erzählt hatte, hatte dieser nur oberschlau gemeint: 'Du hast es wohl noch nie ausprobiert'.
Wozu sollte er das auch tun?
Wenn Atobe nächstes Jahr wirklich Buchou werden würde standen seine Chancen ohnehin nicht schlecht einen Regular-Singels Platz zu bekommen.
„Hat er mal nach mir gefragt?“ wollte Atobe wissen, überhörte dabei gekonnt genau das was er nicht hören wollte.
„Nein!“ fuhr er ihn deutlich aggressiver an als zuvor.
Okay, eigentlich doch.
Aber nur weil Atobe in den letzten zwei Monaten seine schüchterne Seite entdeckte hatte, spielte er nicht gleich Amor!
Dass diese größenwahnsinnige Diva überhaupt Zweifel daran hatte, dass es jemanden gab der ihn NICHT haben wollte, zeigte eigentlich nur, wie ernst es ihm war. Dennoch fand es Shishido stark übertrieben sich so sehr zurückzuhalten.
Oshitari hatte immer so unauffällig Fragen über alle Mitglieder des Teams gestellt, dass es schon wieder auffällig war, wie oft darunter nach dem zukünftigen Buchou gefragt wurde.
Eigentlich war der Blauhaarige auch kein sonderlich zurückhaltender Mensch, aber Liebe sollte ja angeblich komische Sachen mit einem anstellen. Er selbst würde sich auf jeden Fall niemals von jemandem maßregeln, oder so bescheuert zurückhaltend aufführen, nur weil er ein wenig verknallt war.
Oh Mist, Atobe machte wieder dieses Gesicht. Jenes das er immer dann aufsetzte, wenn er irgendeine Rede schwang die eh keiner so genau verstand, er hinterher aber alles bekam was er wollte.
Ohne ihn, da machte er nicht mit!
„Du gehst jetzt - was weiß ich wohin – fragst ihn selbst was er von dir hält und solltest du wirklich abgewiesen werden kannst du wieder kommen und dich ausheulen.“
Na ja, theoretisch zumindest.
Sobald Shishido den Grauhaarigen aus seinem Haus hatte, würde er sämtliche Fenster und Eingangstüren verbarrikadieren.
Er warf ihm einen mehr als feindseligen Blick zu, ging zielstrebig zur Haustür und öffnete diese.
Als er diesen grässlichen, weißen Glitzermantel packte, konnte er aus dem Augenwinkel sehen wie dessen Besitzer ihn gerade milde schockiert anstarrte – und dann seinem Mantel hinterher blickte, der gerade aus der Haustür segelte.
Zu Shishidos großer Zufriedenheit flog ein Ärmel direkt in eine Schneepfütze.
„Ich schick dir die Rechnung.“ schimpfte Atobe als er an ihm vorbei nach draußen stapfte.
Sollte er das doch machen!
Am besten morgen in der Schule, damit er sie vor Takis entsetztem Gesichtsausdruck zerreißen, und Mukahi für sein dümmliches Kichern in den Hals stecken konnte.
Wow, so schnell hatte er Atobe schon lange nicht mehr aus seinem Haus bekommen.
Game and Match: Shishido!
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Der einzige Grund warum Atobe wirklich so schnell und ohne großen Widerstand gegangen war, bestand in den kleinen Details die er aus dem Verhalten und den Antworten des Langhaarigen heraus gefiltert hatte.
Jene schrieen gerade zu: Oshitari will dich auch!
Warum sich dieser nicht traute ihm das zu sagen konnte der Grauhaarige allerdings nicht ganz nachfühlen.
Ihm waren schon genug Leute hinterhergelaufen mit Sätzen wie 'Ich liebe dich über alles!', 'Heirate mich!' oder 'Ich will ein Kind von dir!'.
Oshitari schien kein sonderlich schüchterner Mensch zu sein, also warum zierte er sich so?
Atobe saß bereits in seiner Limo und fuhr zu der Konzerthalle, in der der Blauhaarige zusammen mit ein paar anderen Violinisten eine Art 'Vorgruppe' bilden würde.
Die ganze Fahrt schon hatte er so ein merkwürdiges Gefühl im Bauch.
Er würde es gerne auf den nassen Ärmel - dank Shishido - schieben, aber ihn beschlich das Gefühl, dass es einen anderen Grund hatte.
Mittlerweile dürfte Oshitari doch aufgefallen sein, dass sich Atobe für ihn deutlich mehr interessierte als für alle anderen aus dem Team, also WESHALB sagte er ihm nicht einfach was er für ihn fühlte?
Shishidos Aussage, er solle doch den ersten Schritt machen, klang in seinen Ohren absurd. Er hatte schon so einige Beziehungen gehabt, jedoch musste er bei KEINER den ersten Schritt machen. Geschweige denn überhaupt etwas tun. Die Auserwählten waren meistens so glücklich darüber mit ihm zusammen sein zu dürfen, dass sie ihn rund um die Uhr von vorn bis hinten bedienten.
Um ehrlich zu sein fühlte sich der Grauhaarige vom Schicksal gerade ein bisschen ungerecht behandelt. Da wollte er einmal jemanden WIRKLICH haben und dann stellte sich diese Person als zurückhaltend und unsicher heraus!
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Wenig später genoss Atobe Keigo leider nicht die Vorzüge der ersten Reihe. Aber dafür, dass Oshitari nur einer von mehreren aus der Vorgruppe war, konnte er sich über einen Platz in der dritten Reihe doch nur kleinlaut und für sich selbst beschweren.
Er kannte die Halle bereits. Dort hatte er schon oft genug Musikern bei Konzerten gelauscht. Deshalb wusste er auch, wie die Halle aufgebaut, beziehungsweise wie das Licht fallen würde.
Keinesfalls wollte Atobe, dass Oshitari versuchte ihn mit einer zweitklassigen Vorstellung zu beeindrucken, weshalb er auch seinen Mantel mit dem Glitzer versehen hatte.
Der schwache Lichtstrahl, der von der Bühne aus gerade noch zu seinem Platz vordrang, war ausreichend um das Glitzer noch zu reflektieren. Zu schwach um zufällig von jemandem bemerkt zu werden, dennoch stark genug um erkannt zu werden, wenn man darauf aus war jemanden im Publikum zu finden.
Aus reiner Höflichkeit blieb Atobe, auch nachdem die Vorgruppe bereits fertig war, noch sitzen. Soweit er es beurteilen konnte verdiente der 'Main Event' des Abends diesen Titel absolut nicht, wobei er aber nicht auf dieses Urteil schwören würde.
Sonderlich viel mitbekommen hatte er nämlich nicht davon.
Er gestand es sich äußerst ungern ein.
Die ganze Zeit über hatte er schon so ein mulmiges Gefühl in der Magengegend und mit jedem langsamen Schritt Richtung Backstagebereich wurde es stärker.
Langsam beschlich Atobe der Gedanke das Liebe nicht wirklich zu den Gefühlen gehörte, die es Wert waren mit solchen Nebenwirkungen ausgestattet zu sein.
Genau in diesem Moment trat ein älterer Herr zur Seite und gab den Blick auf Oshitari frei. Jener trug den schwarzen Frack mit soviel Eleganz und Anmut, dass sich der Butler bei Atobe zu Hause ruhig etwas von dieser Würde abschauen konnte.
Auch Oshitari bemerkte ihn und sie überbrückten den freien Raum zwischen ihnen. Der Grauhaarige besah sich erst kurz die schönen Augen hinter den Brillengläsern, wartete einen weiteren Moment bis sich das mulmige Gefühl in ein angenehmes Kribbeln gewandelt hatte.
„Du hast äußerst gut gespielt.“ Was er nicht nur behauptete, weil er Hals über Kopf in ihn verknallt war.
Dafür, dass er erst seit kurzem mit den anderen Violinisten zusammenspielte klang es fantastisch.
Oshitari Augen leuchteten bei diesem Satz kurz freudig auf, nahmen aber nach kurzem Warten einen leicht enttäuschten Ausdruck an.
„Bist du nur gekommen um mir das zu sagen?“ meinte er, während er sich die Brille zurechtrückte.
„Sicher das DU Ore-sama nicht etwas sagen willst?“ gab Atobe möglichst gelassen zurück.
Stolz war doch ein gemeines Biest. Beide wussten was der andere hören wollte, wagten es jedoch nicht es auszusprechen. Der Grauhaarige winkte ab.
„Vielleicht sollten wie diesen Teil einfach überspringen.“, meinte er, wobei das mehr einem Befehl als einem Vorschlag gleichkam.
Oshitari allerdings erwiderte das mit einem Lächeln, trat einen weiteren Schritt auf ihn zu und meinte leise: „Wartest du noch bis ich fertig bin?“
„Liebend gern.“
Und mit diesen Worten gab er dem Größeren einen flüchtigen Kuss auf die Lippen.
Manchmal sagten Taten doch um einiges mehr als Worte.
Das Ende ist irgendwie seltsam geworden und für die Thematik 'Passion Pair' war recht wenig von den beiden zu lesen. Verzeihung!! >_<
Jahna
