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Step Into My World

von

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Step Three... Life

Du kannst dein Leben nicht verlängern, noch verbreitern, nur vertiefen.
 

Gorch Fock
 

May Godai
 


 

Ich schüttelte nur genervt den Kopf, während ich neben Yosuke herging. Wie konnte der so früh morgens schon so ne gute Laune haben?

Sein Grinsen ekelte mich an, ich verstand sowieso nicht, warum wir morgens um halb acht schon unterwegs waren. Schließlich begannen unsere Vorlesungen erst um neun oder zehn Uhr.

„Sagst du mir bitte, was wir hier machen?“

Ich zupfte an seiner Jacke und ließ mich von ihm ziehen.

„Was denkste denn? Hier in meiner Hand halte ich eine Brötchentüte und in meinem Kopf schwirrt ne tolle Story, die ich meinem besten Kumpel erzählen muss.“

„Mamoru wird uns töten! Außerdem vielleicht ist er ja gar nicht da“, gab ich murrend von mir. „Und was deine Story angeht, die in deinem Kopf ist. Die will keiner hören. Ich glaube, Mamoru interessiert es überhaupt nicht, dass du denkst, dass du dich verknallt hast. Außerdem tut mir Minako schon jetzt Leid, wenn ich daran denke, wie schnell du das Interesse an Frauen verlierst.“

„Diesmal ist es anders... ich spüre es.“ Er klang richtig theatralisch.

„Ich spüre es auch... man nennt es Würgreiz!“

„Witzig. Mit so einer Einstellung wird dir nie die wahre Liebe begegnen.“

„Ich kann sie sehen, die rosa Herzen, die um dich herum springen und singen. Wenn ich dann ebenso dösig werde wie du, kann ich darauf verzichten.“ Ich schlurfte missmutig hinterher und wollte erst einmal einen Kaffee, alles Weitere würde sich dann ergeben.

„Sie ist so toll. Wie eine Göttin.“

Mir wurde schlecht, so gesülzt hatte er noch nie.

„Da fällt mir diese Werbung ein. ‚Venus Devine, wecke die Göttin in dir’. Glaubst du, sie benutzt den Rasierer? Das würde alles erklären, damit wird jede zur Göttin.“

Ich mochte Minako. Auch wenn ich sie vorgestern erst kennen gelernt hatte, war sie mir auf Anhieb sympathisch gewesen. Etwas quirlig, aber das war toll. Außerdem hatte sie einen tollen Klamottengeschmack. Aber dass Yosuke jetzt so abdrehte, war mir zu blöde.

Plötzlich blieb ich stehen und seufzte.

Ich zupfte an meinem T-Shirt herum und sah Yosuke fragend an, als dieser auch stehen blieb und sich zu mir umdrehte.

„Was – was sagen wir ihm wegen der Uni?“

Zögerlich sah ich ihn an, er wusste, was ich meinte und strich sich durch die braunen Haare.

„Ich denke, wir warten ab und hoffen, dass er es uns zuerst sagt.“

Er schmunzelte etwas und rückte seine Brille zurecht.

„Es nützt nichts, wenn wir ihn damit überfallen. Er würde uns dann erst recht nichts sagen. Ich würde nur zu gerne wissen, warum er es uns nicht gesagt hat.“

Ich zuckte mit den Schultern und sah in den blauen Himmel.

„Was wohl in seinem Kopf vorgeht?“ Diese Frage stellte ich mir selber und erwartete keine Antwort.

Wir sahen uns kurz an und gingen dann wortlos weiter. Dass man sich auch immer solche Sorgen um ihn machen musste. Das war schon früher so gewesen und irgendwie änderte sich daran nichts.

Es dauerte keine zehn Minuten mehr, da standen wir schon vor dem Gebäude, in dem Mamoru wohnte. Als wir vor seiner Tür standen, sah ich Yosuke an, der mit Dauerklingeln auf sich aufmerksam machte.

„Er wird dich töten und du hast es auch verdient“, zischte ich leise. In dem Moment wurde die Tür auch schon aufgerissen.

Vor uns stand Mamoru, er trug einen Bademantel und sein nasses Haar ließ erkennen, dass er unter der Dusche gewesen war.

„Guten Morgen! Persönlicher Brötchendienst. Dürfen wir uns bei Ihnen einen Kaffee schnorren?“ Yosuke drängte sich an Mamoru vorbei und wartete eine Antwort erst gar nicht ab.

„Klar, Yosuke, komm doch rein.“ Ich grinste auf Mamorus sarkastische Bemerkung nur und wartete. „Komm schon rein, May.“

„Ich bin wenigstens anständig und warte, bis du es mir erlaubst“, gab ich lächelnd zurück, als ich die Tür hinter mir schloss. Aus der Küche hörte ich schon Yosukes Gequake.

„Sag mal, Maru-chan, wo steht der Kaffee? Und hast du deinen Kühlschrank schon mal gesehen? Der verhungert ja...“

„Hast du ihm die kleinen blauen Pillen heute morgen nicht gegeben?“ Mamoru begann sich die Haare trocken zu rubbeln, als er ins Zimmer trat und sich auf die Couch setzte.

„Ich glaube, er hat zu viele genommen und das in der Kombination mit seinen aufwirbelnden Hormonen und den kleinen rosa Plüschherzen. Tja, das geht nicht gut.“

„Rosa Plüschherzen?“ Mamoru sah mich fragend an. „Warte, ich will es nicht wissen“, entgegnete er dann schnell, doch es war schon zu spät. Yosuke platzte herein und ließ sich in einer oskarreifen Szene auf das Bett fallen.

„Sie ist ein Engel...“, begann er seine Erzählung.

„Oh, sie wurde hinuntergestuft. Vorhin war sie noch ne Göttin“, flüsterte ich zu Mamoru, welcher nur den Kopf schüttelte und schmunzelte.

„Sei still! Sie ist einzigartig und sooooo toll. Unsere Kinder werden so hübsch werden.“

„Er hat Hallus! Lass uns einen Kaffee trinken, dann kann Yosuke versuchen, wieder festen Boden zu bekommen.“ Mit diesen Worten stand ich auf und machte mich auf den Weg in die Küche. Einen Kaffee, mehr wollte ich erst mal nicht. Das war für einen Morgen doch recht wenig und nicht zu viel verlangt.

Mamoru folgte mir und musste sich von Yosuke die unglaubliche Geschichte von seiner Herzensdame anhören. Dass Mamoru überhaupt diese Ruhe hatte, sich so ein stumpfes Gelaber anzuhören, fand ich immer wieder bemerkenswert.

Ich setzte mich an den Küchentisch und nippte an meinem schwarzen Kaffee.

„Herrlich! Und es gibt wirklich Menschen, die hassen Kaffee?“

Ich lehnte mich zurück und entspannte, aber das war nicht leicht, wenn Yosukes Stimme sich in die Gehörgänge einnistete.

<Manchmal würde ich ihn gerne umbringen!>, schoss es mir durch den Kopf.

Ich sah wieder zu meinen beiden Männern und schmunzelte, Yosuke hatte sich auf die Arbeitsfläche gesetzt und unterstrich seine Erzählungen mit wilden Gestikulationen. Mamoru indes nickte nur und deckte den Tisch. Es war ein Bild zum wegschreien, auch wenn ich fand, dass Mamoru blass aussah.

Ich lächelte ihn an, als er zu mir sah.

Er erwiderte es zwar, aber wirklich ehrlich sah es nicht aus.

Was war eigentlich passiert?

Wann hatten wir aufgehört, in der gleichen Welt zu leben?

Wann hatten wir uns aus der Welt des Anderen ausgesperrt?

Manchmal, wenn ich Fotos von uns Dreien fand, dann sah ich dort drei Kinder, die nicht wir sein konnten. Aber wir waren es, damals.

Wenn ich uns heute sah, dann lag ein seltsamer Schatten über jedem von uns.

Irgendwann hatte die Realität uns eingeholt und wir hatten begriffen, dass wir, egal wie viele Freunde wir hatten, egal wen wir liebten, immer alleine bleiben würden.

„Was ist los?“ Mamoru sah mich an, ich hatte gar nicht bemerkt, dass er sich auch gesetzt hatte. Über den Rand seiner Tasse sah er mich fragend an.

„Nichts. Nostalgische Erinnerungen.“

Er sagte nichts und plötzlich war Yosukes Stimme schrecklich weit entfernt und ich hätte ihn am liebsten gefragt, warum er die Uni geschmissen hatte.

Warum er keine Zeit mehr für uns hatte.

Warum wir nicht mehr die waren, die wir damals waren.

Doch ich schwieg und nippte an meinem Kaffee.

„Also, was sagste, Maru-chan? Schließlich kennst du Minako schon länger. Glaubst du, ich bin ihr Typ?“ Hibbelig, wie Yosuke sein konnte, sah er Mamoru erwartungsvoll an.

Dieser verdrehte nur die Augen und warf Yosuke einen abschätzenden Blick zu.

„Ich finde, ihr Beiden passt super zusammen. Ihr seid beide extrem flatterhaft.“

„Jaha! Ich wusste es...“

„Er hat es nicht verstanden“, flüsterte ich.

„Wundert dich das?“ Mamoru grinste und nahm sich eines der Brötchen.

Ich schüttelte den Kopf und tat es Mamoru gleich.

Während wir frühstückten, sagten wir nichts, wir redeten über belanglose Themen. Aber Mamoru erwähnte kein einziges Mal die Uni oder andere Dinge, die ihn privat beschäftigten.

Ich ertrug das nicht mehr.

Warum konnten wir denn nicht über alles reden?

Ja, ich war typisch Frau. Ich wollte über so was reden, was war daran denn falsch? Früher ging das auch. Als wir noch Kinder waren, da haben wir auch über alles geredet und keiner hatte ein Geheimnis vor den Anderen. Aber nun bestand unsere Freundschaft nur noch aus oberflächlichem Gerede.

„Ihr seid so blöde Kerle“, entfuhr es mir plötzlich.

Beide sahen mich erschrocken an.

„Wir sitzen hier und reden über total unwichtige Dinge und dabei machen wir uns doch Sorgen um dich, Mamoru. Ich meine, du hast einfach die Uni geschmissen und du redest mit uns nicht darüber. Du machst einfach weiter und wir stehen im Dunklen. Früher wäre das nie passiert!“ Ich war total aufgebracht und verstand auch nicht, warum Yosuke leicht den Kopf schüttelte. Ich strich mir durch die Haare und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

„Jeder von uns lebt sein eigenes Leben. Wir sind keine Kinder mehr und das hier ist nicht mehr das Waisenhaus.“ Mamoru klang schrecklich ernst.

Ich sah auf und schniefte.

Warum war das für ihn so selbstverständlich?

„Ich sehe das anders“, wisperte ich nur.

„Was May sagen will ist, dass wir gestern in deiner Uni waren, wir wollten dich abholen und was zusammen unternehmen. Da hat uns einer deiner Mitstudenten gesagt, dass du dieses Semester aussetzten würdest. Wir haben uns Sorgen gemacht, dass dir was Ernstes fehlt. Du weißt doch, wie May ist, sie übertreibt gerne.“ Yosuke redete Unsinn, aber er wusste irgendwie immer, wie er Sachen so verpackte, dass Mamoru sie annahm.

Auch dieses Mal war es wieder so. Mamoru seufzte und nickte dann.

„Mir geht es gut, ich brauchte halt eine Auszeit.“ Damit war das Thema für ihn vom Tisch, er nippte an seinem Kaffe und schwieg.

Yosuke warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, dem ich auswich.

„Dann hast du ja Zeit, mir etwas zu helfen. Ich meine, für eine Semesterarbeit. Ich könnte deinen Rat als Fast-Mediziner gebrauchen.“

Mamoru setzte ein Schmunzeln auf.

„Selbst, wenn ich Zeit hätte, würde ich dir nicht helfen. Deine Semesterarbeiten kenne ich. Da hat man spätestens nach vier Wochen selber ne Therapie nötig. Ich verstehe auch bis heute nicht, wieso sie so was Geisteskrankes wie dich zu einem Psychologiestudium zugelassen haben!“

„Witzig! Echt, ich lach mich tot!“ Yosuke boxte Mamoru in die Seite und grinste.

„Nein, mal ernsthaft. Ich würde dir gerne helfen. Aber ich habe seit gestern einen neuen Job und da habe ich keine Zeit dafür.“ Er nahm den letzten Schluck aus seiner Tasse und stand auf.

„Ich geh mich anziehen.“ Mit diesen Worten verschwand er aus der Küche.
 

„Gut gemacht, May. Musstest du so nen Terz machen? Du weißt doch, wie er ist.“ Yoskues Vorwürfe prallten an mir ab.

„Ich sag wenigstens, wie es ist und schmücke es nicht mit Blümchen. Was ist so schlimm daran, dass ich wissen will, warum wir nicht mehr so mit einander umgehen wie früher?“ Meine Stimme klang gereizt, obwohl ich eher deprimiert war.

„Das will ich auch. Aber je mehr du ihn drängst, umso mehr wird er uns meiden.“ Yosuke nahm meine Hand und setzte sein bekanntes Smiley-Gesicht auf. Ich lächelte und nickte.

„Du bist trotzdem doof!“, gab ich gespielt böse von mir.

„Aber ich sehe gut aus, das ist also okay.“ Wir lachten und ich versuchte zu vergessen, dass es früher immer so war. Ich sehnte mich nach der alten Zeit zurück.
 


 

Mamoru Chiba
 


 

Ich verstand May nur zu gut. Mir wäre es auch lieber gewesen, wenn alles so wie früher wäre, aber das ging nun mal nicht so einfach.

Damals waren wir noch Kinder, es war einfacher als jetzt.

Vielleicht machte ich es mir aber auch nur schwerer, aber so war ich nun mal. Irgendwann hatte ich angefangen, mich um mich selbst zu kümmern.
 

Ich nahm mir ein frisches Hemd aus dem Schrank und zog es mir über, jedoch war meine Suche nach einer schwarzen Hose nicht so erfolgreich.

Eigentlich war ich mir sicher, dass sie hier liegen musste, aber dem war so nicht. Wahrscheinlich lag sie bei den Schmutzsachen, also musste Plan B her. Dieser sah einfach aus, zurückgreifen auf eine gute Jeanshose.

Dies war schnell geschehen, meine Haare waren noch immer etwas feucht, aber aufs Fönen hatte ich nun wirklich keinen Bock. Alleine der Gedanke an diesen Kotzbrocken von Chef machte die Tagesaussicht trübe.

Wenn ich daran dachte, dass heute erst Dienstag war, hatte ich keine Lust mehr. Ich konnte nur hoffen, dass es besser werden würde.

Aber eigentlich waren meine Gedanken noch immer bei May und dem, was sie gesagt hatte.

Und ich wusste, dass das, was sie gesagt hatte, nur auf mich zutraf. Es war meine Schuld, dass unser Verhältnis nicht mehr dasselbe war wie früher.

Doch ich wollte und konnte ihnen nicht sagen, warum dies so war.

Sie hätten es wahrscheinlich nicht wirklich verstanden oder sich Vorwürfe gemacht und das wollte ich nicht.

Es war nicht so, dass ich nicht gerne mit ihnen zusammen war, aber – irgendwie hatte ich immer einen faden Beigeschmack, wenn wir etwas miteinander unternahmen.

„Du bist einfach nur ein sturer Bock!“ Ich sah mein Spiegelbild an und seufzte.
 

Nachdenklich verließ ich das Badezimmer und betrat die Küche, wo Yosuke gerade den Tisch abräumte. May indes trank ihren Kaffee aus und lächelte, als sie mich sah.

„Na, du hast dich ja in Schale geworfen.“ Kam es von Yosuke.

„Deinen spöttischen Unterton kannste behalten. Außerdem spricht da nur der Neid, du brauchst nämlich das Dreifache an Zeit, um wenigstens einigermaßen gut auszusehen. Mir dagegen ist das in die Wiege gelegt.“

Er verdrehte die Augen und zeigte mir die kalte Schulter.

„Hörst du das? Das waren meine Gefühle, die zerbrochen sind.“

Ich fasste mir an den Kopf.

„Du solltest nicht Therapeut werden, sondern Schauspieler.“ May nickte auf meine Aussage nur und klatschte in die Hände.

„Ein wahres Wort.“ Sie hielt Yosuke die Tasse hin und grinste.

„Darf ich fragen, wo du jetzt hin musst?“ Ich sah, dass May nur zögerlich fragte und ich bereute schon fast, vorhin so gemein auf ihren Ausspruch reagiert zu haben.

„Nach Shinjuku. Also, dieselbe Strecke wie früher.“ Entgegnete ich und tippte ihr gegen die Stirn, damit sie wieder lächelte.

„Lach mal.“ Ich mochte es nicht, wenn sie traurig war. Ihr Blick wich meinem aus, als sie an mir vorbei ging.

„Wieso? Du lachst ja auch nicht mehr.“

Ich schwieg und biss mir auf die Lippe. Dass sie das so mitnahm, hätte ich früher nie gedacht. Wahrscheinlich waren die beiden die Einzigen, die wussten, dass ein Lachen bei mir meistens nur aus Höflichkeit erfolgte und nicht, weil ich gut gelaunt war.

Selbst Bunny konnte diesen Unterschied nicht sehen und fast hatte ich vergessen, dass meine besten Freunde es konnten.

Ich griff nach Mays Handgelenk und zog sie an mich.

„Tut mir Leid. Ich bin halt ein Miesepeter“, flüsterte ich. Yosuke sah mich an und legte seinen Kopf an meinen.

„Wissen wir schon, aber wir mögen dich trotzdem.“
 

Wir verließen etwas später zusammen meine Wohnung. Unsere Wege trennten sich erst am Bahnhof, da ich mit einem anderen Zug fuhr als die Beiden. Vorher jedoch musste ich ihnen noch versprechen, dass wir uns am Samstagabend treffen und zusammen einen Film schauen würden. Ich willigte ein, nachdem May ihren Hundeblick aufsetzte und fast anfing zu weinen.

Sie konnte sehr überzeugend sein und außerdem konnte ich Frauen nicht weinen sehen. Manchmal war das schon eine blöde Marotte meinerseits, besonders, wenn die Frauen das wussten.
 

Ich war schon fast an der Firma angekommen, als mir einfiel, dass ich noch diesen Kaffee kaufen musste.

Es war Punkt neun Uhr, als ich mit einer Tüte und diesem Kaffeebecher in der Hand in den Fahrstuhl stieg.

Jedoch schien meine Glücksgöttin nicht so gut gelaunt zu sein, wie ich gehofft hatte. Denn schon auf der zehnten Etage spürte ich wieder diesen Pestatem. Die Tür öffnete sich und wer trat in den Fahrstuhl?

Mein Chef und neuer bester Freund.

Sein Blick fiel auf den Becher und die Tüte, dann auf mich.

„Hattest du keine schwarze Hose im Schrank?“ Welcher Hohn doch in diesen Worten lag.

„Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen.“ Ich wollte mich erst gar nicht auf seine Stufe hinab begeben und ignorierte das Gesagte.

„Oder kann man sich als ehemaliger Student nur Secondhand-Sachen leisten?“

„Freut mich, dass Ihnen die Präsentation zugesagt hat.“ Ich rümpfte die Nase und sah ihn aus den Augenwinkeln an. Doch er schien ebenso stur zu sein wie ich, also machten wir so weiter.

„Außerdem gibt es eine Berufsgruppe, die nennt sich Friseur.“

„Ja, stimmt, der Job scheint etwas stressig, aber ich denke, das wird schon. Man wächst ja an seinen Aufgaben.“ Mein Blick fiel auf die Etagenanzeige im Fahrstuhl, noch zwanzig Etagen, dass konnte lustig werden.

„Früher bekamen Männer alle einen Drei-Millimeter-Schnitt, da sah man nicht aus wie ein Hippie. Außerdem solltest du dir mal eine Uhr zulegen, schließlich beginnst du um neun Uhr.“ Er setzte ein zynisches Lächeln auf, sah mich aber nicht an, nicht direkt.

„Den Kaffee? Oh, den ich habe gerne für Sie geholt. Ich finde auch, dass unsere Zusammenarbeit nur besser werden kann. Und ich gebe Ihnen so Recht, Ihre Schuhe sehen wirklich scheiße aus.“

Bei diesen Worten machte es ‚bing’ und die Fahrstuhltür öffnete sich.

„Das sind Prada-Schuhe, die sind mehr wert als deine Seele!“

Ich verließ den Fahrstuhl als Erster und äffte ihn leise nach.

‚Das sind Prada-Schuhe, die sind mehr wert als deine Seele!’ Wie können Sie wissen, was eine Seele wert ist, wenn Sie keine haben? Kotzbrocken!“

Dass er direkt hinter mir war, bemerkte ich erst, als ich seine Silhouette in der Glastür sah.

Schweigen.

Anscheinend fanden wir einander ätzend, warum er mich nicht hinauswarf, wunderte mich schon. Aber vielleicht fand er so was amüsant, oder hatte sonst irgendein perverses Vergnügen daran. Wer wusste schon, wie solche Leute tickten?

„Oh, warte, ich öffne dir die Tür.“ Er zog die Tür auf und sah mich an, und in seinem Blick lag etwas Hinterhältiges. Aber da ich keine Hand frei hatte, nahm ich diese Höflichkeit an.

Ich hätte es sein lassen sollen.

In dem Moment, wo ich an ihm vorbei gehen wollte, schlug er unter den Becher mit dem Espresso. Der Becherinhalt entleerte sich auf dem Boden und auf meinem Hemd.

Völlig perplex sah ich ihn an.

Er jedoch ging an mir vorbei und trat in das Büro von Frau Midori.

„Arme Jugend. Der kleine Bürojunge kann nicht mal einen Kaffee tragen. Zeigen Sie ihm, wo die Putzkammer ist, dann hat er erst mal ne Beschäftigung. Wie sieht das denn aus, wenn Kunden kommen, und der Boden voller Kaffee ist.“

Sprachlos sah ich ihm hinterher.

Es gab gerade nur zwei Dinge, an die ich denken konnte, erstens, dass ich diesen Mann umbringen würde und zweitens, dass ich dankbar dafür war, dass der Kaffee nicht mehr kochend heiß gewesen war.

Frau Midori kam auf mich zu.

„Er ist ja so ein...“ Frau Midori sah mich an und versuchte wohl, ein paar aufmunternde Worte zu finden.

„Ja, ich verstehe Sie. Er ist wirklich sehr liebenswert.“ Ich hob den leeren Becher auf und schmiss ihn in den nächsten Papierkorb.

„Warten Sie kurz hier.“ Sie ging an mir vorbei. In der Zeit legte ich meine Tasche auf den Schreibtisch und überlegte mir, wie denn der perfekte Mord aussehen könnte.

Wie schaffte es dieser Kerl bloß, so ein Arschloch zu sein?

Es gab also doch Menschen, die nichts Gutes in sich hatten. Bunny würde diese Erkenntnis zwar erschüttern, aber hier war der lebende Beweis dafür.

Dass so ein Mensch eine Mutter hatte! Wie konnte man denn so ein Kind lieben? Früher hatte man so was im Fluss ertränkt. Ich atmete tief durch und versuchte mich zu beruhigen.

<So was sollte man keinem wünschen, auch nicht aus Wut!> Meine innere Stimme sprach zu mir. Jedoch fand ich sie gerade nicht sehr überzeugend.

In dem Moment kam Frau Midori wieder, ich sah hinter ihr einen Mann, der die Uniform eines Reinigungsdienstes trug.

Ich wollte gerade etwas sagen, als sie abwinkte.

„Es war ja nicht Ihre Schuld. Also, warum sollen Sie es dann weg machen?“ Sie sah mich an und stemmte die Hände in die Hüfte, was bei ihr mit ihrem hochschwangeren Bauch sehr lustig aussah. „Und jetzt zu Ihrem Hemd.“

Mit diesen Worten betrat sie einfach das Büro von Herrn Lenjier. Dieser schaute auf und sah mich an und dann Frau Midori, die ohne etwas zu sagen an einen kleinen Schrank ging.

„Was wird das, wenn’s fertig ist?“

„Schweigen Sie bloß. Sie sind wie ein kleines verzogenes Kind. Es ist Ihre Schuld, dass Mamoru sein Hemd versaut hat und außerdem hätte er sich erbärmlich verbrühen können. Das hätte dann ne Klage gegen Sie gegeben. Also seien Sie still und starren Sie weiter auf Ihren PC.“ Mit diesen Worten nahm sie ein Hemd aus dem Schrank und kam wieder zurück. Mit einem lauten Knall schlug sie die Tür zu und atmete kurz laut durch.

„So, das war mal wieder überfällig.“ Sie lächelte und reichte mir das blaue Hemd. „Es ist sicherlich zu groß, aber das ist nicht schlimm, für heute reicht es. Haben Sie sich auch nicht verbrüht?“

Ich schüttelte den Kopf und hatte etwas Angst vor dieser Frau, oder besser sehr großen Respekt. Dass die so mit diesem Mann redete, fand ich bewundernswert, aber wahrscheinlich verstand er nur diese Sprache.

„Am Ende des Flures ist eine Toilette. Und das Hemd was Sie tragen, das bringen Sie mir. Ich gebe es auf unsere Rechnung in die Reinigung.“

„Das ist nicht nötig, ich wasche...“

„Keine Widerrede. Das wäre ja noch schöner, der Herr Lenjier soll ruhig sehen, was er davon hat.“ Sie zwinkerte mir zu und ich wusste, dass eine weitere Diskussion deswegen sinnlos war. Außerdem empfand ich es als genugtuend, dass dieser Kerl sein Fett wegbekam.
 

Auf der Toilette zog ich mein Hemd aus und atmete tief durch, dieser Job würde mich wirklich noch Nerven kosten. Außerdem nahm ich mir ab jetzt vor, immer ein Ersatzhemd dabei zu haben. Die kleineren Flecken auf meiner Jeans sah man Gott sei Dank nicht so sehr, da diese recht dunkel war.

Ich knöpfte das andere Hemd auf und sah mir das Schild im Nacken an.

„Dior.“ Man kannte diese Designer, zwar nur aus dem Fernsehen oder hinter Schaufenstern, aber der Name war mir ein Begriff.

Ich streifte es über und musste zugeben, dass die Qualität schon eine andere war, als wie bei meinen Hemden.

„Das wird wohl das Teuerste sein, was du je tragen wirst.“

Aus den Augenwinkeln heraus sah ich Massanorie Lenjier. Er schloss die Tür leise hinter sich und sah mich an.

„Sie sind selbst schuld“, kam es nur neutral von mir.

„Weißt du, wie viel dieses Hemd kostet?“ Ohne eine Vorwarnung, packte er meinen Arm und zog mich an sich heran.

Er schob meine Hand beiseite und knöpfte mir das Hemd zu.

„Dieses Hemd kostet ungefähr 55.000 Yen (circa 400 Euro, Autor: das ist kein Scherz, die kosten wirklich so viel)!“

Ich schluckte und versuchte mir gerade vorzustellen, dass Geld für diesen Mann keinerlei Bedeutung hatte.

Das teuerste Kleidungsstück in meinem Schrank kostete vielleicht 12.000 Yen (circa 81 Euro) und selbst da war ich damals am hadern gewesen.

Es war klar, dass mir sein Hemd zu groß war. Was hatte er wohl für eine Größe?

Seine Statur war kräftig, nicht dick, sondern muskulös, breite Schultern, circa 190 Zentimeter groß, er würde sicherlich XL, wenn nicht sogar XXL tragen.

Wenn ich daran dachte, dass ich gerade mal L trug. Das war ja doch ein Unterschied.

„An mir sieht es besser aus, aber ich werde deinen Anblick heute wohl in dieser Art ertragen müssen.“ Er trat einen Schritt von mir zurück und nahm sich eine Zigarette aus seiner Schachtel.

„Ist ja schließlich Ihre Schuld, dass ich es tragen muss.“ Ich wandte mich von ihm ab und sah in den Spiegel. Das Hemd war wirklich zu groß, aber es war okay.

Mit einem seitlichen Blick sah ich ihn an. Doch er machte keine Anstalten, zu gehen. Ich hatte eher das Gefühl, dass er auf etwas wartete.

Ich atmete tief durch, drehte mich um, ging in eine der Kabinen und schloss die Tür. Ich steckte mir das Hemd in die Hose und dachte darüber nach, warum dieser Kerl, mir immer so auf die Pelle rücken musste.

Diese penetrante Art legte ich unter ‚auf den Geist gehen’ ab und beließ es dabei.

Als ich die Tür wieder öffnete, stand er immer noch da, er sah kurz auf und musterte mich nun von oben bis unten.

„Da du dank meines Einsatzes nun besser aussiehst als vorher, kannst du losgehen und mir einen neuen Kaffe holen.“

Ich sah ihn an und lächelte.

„Ganz sicher nicht. Sie hatten ja schon einen, ich kann Ihnen den aus dem Wischeimer ja wieder in den Pappbecher schütten, den ich wieder aus den Mülleimer heraushole.“

Mit einer schnellen Handbewegung, knöpfte ich die Hemdsärmel auf und wusch mir die Hände. Seine Schritte waren trotz des Fliesenbodens kaum zu hören.

Als ich aufsah, konnte ich sein Gesicht im Spiegel sehen. Er stand nun direkt hinter mir.

Seine Hände drapierten sich links und rechts von mir auf das Becken, vor dem ich stand. Er berührte mich nicht, aber trotzdem konnte ich nun nicht weg.

Mich interessierte das wenig.

Ich griff nach links und nahm mir zwei Papierhandtücher.

„Du und ich, Mamoru, leben zwei vollkommen verschiedene Leben. Ich habe alles, was man sich mit Geld kaufen kann und du – du hast nichts. Deine Welt ist klein und vollkommen unbedeutend, meine dagegen groß und schillernd. Ich sage dir nun etwas, ich – bekomme – immer – was – ich – will!“

Ich sah ihn an und aus einem nicht zu definierenden Grund tat er mir fast Leid.

„Kann schon sein. Aber wenn ich mal sterbe, dann werden sich Menschen an mich erinnern. Nicht, weil meine Welt groß oder schillernd war, sondern weil ich sie mit Anderen geteilt habe. Was ist mit Ihnen? Gibt es Menschen, die sich an Sie erinnern werden, weil Sie Ihre Welt geteilt haben?“

Ich drehte mich um und sah ihm in die Augen.

Plötzlich nahm er seine Hände weg und ging. Er sagte nichts mehr und obwohl ich dieses Mal gewonnen hatte, fühlte ich mich nicht so.

Dieser Mann war echt nicht zu beneiden und tauschen wollte ich auch nicht mit ihm.

Auch, wenn mein Leben anders war als seins, so war es sicherlich das bessere.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  SenseiSasuNaru
2018-06-18T08:11:45+00:00 18.06.2018 10:11
Wie lieb sie doch mit einander um gehen herrlich. Klasse Kapitel
Von:  Teru_Mikami
2013-03-03T12:45:13+00:00 03.03.2013 13:45
Vavavavoom...Der Massanorie ist ja vielleicht einer (*_*)

<3 ....Awwwww bin schon neugierig wie es weitergeht

Finde beide so knuffig (^_^)
Von:  theDraco
2008-10-20T14:28:40+00:00 20.10.2008 16:28
Bemerkenswert, dass Maru die Geduld hat, Yosukes Gelaber über sich ergehen zu lassen. XDDDDDDD
Besonders, da er ja nix Neues dabei hört. ^^ Schließlich kennt er Minako, und das sogar schon sehr viel länger als Yosuke. X3

Ich glaube, wenn so ein Chef wie Massanorie im zehnten Stock zu mir in den Fahrstuhl gestiegen wäre, ich wäre genau dort im zehnten Stock raus und hätte auf nen andren Fahrstuhl gewartet. Dann wär das mit dem Kaffee auch nicht passiert. ^^ Was ich denn so plötzlich im zehnten Stock zu suchen gehabt hätte ... nun, eine Ausrede lässt sich bestimmt schnell finden. ^___^

Ich wundere mich BTW, dass Massanorie seiner Sekretärin so viel durchgehen lässt. XDDD Die hat ihn ja voll unter Kontrolle. Luchst ihm einfach n Hemd ab! Aber die Frau hat echt Power. ^___^

Eine Winzigkeit, die mir gerade aufgefallen ist, die zwar nicht direkt was mit der Geschichte zu tun hat, die ich aber dennoch mal in nem kleinen Gedanken äußern wollte: Maru ist so groß wie ich, trägt aber Kleidergröße M? Ich trage ja schon L. X3
..... hmm, oder sind japanische M-Größen größer? ._.° Glaub ich fast nicht... egal, ich wollte es ja auch nur erwähnen... ^^°

Dass Massanorie zum Schluss Maru so nahe gekommen ist, würde mich an Marus Stelle echt stören. :( Aber gut, ich reagiere vll auch heftiger auf Nähe als er. ^^° Aber hey, wenn sich jemand so hinter mich stellen und mich bei diesem Waschbecken so "umzingeln" würde ... ich würd um mich schlagen. Das geht doch volle Hacke gegen die Privatsphäre. -.-°
Aber diesem "Aber wenn ich mal sterbe, dann werden sich Menschen an mich erinnern" stimme ich absolut zu. ^^ô Super Konter!
Von:  Nadi
2008-10-19T22:29:19+00:00 20.10.2008 00:29
Ist wieder ein super Kapitel geworden, bin sehr gespannt wies weiter geht.

Irgendwie mag ich Massanorie (aber Frauen stehen ja immer auf Arschlöcher)

Lg Nadi


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