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Mosaik

von

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Tot

Huhu :-)!

Hier ist das neue Kapitel und ich hoffe, Ihr habt wieder ein bisschen was zu lachen und zu schmachten :-).

Ich arme Sau bin vor kurzem ungezogen - was mich allerdings unheimlich glücklich macht :-D - aber dafür habe ich jetzt erstmal eine Weile weder Internet noch Telefon.

Im Moment sitze ich bei meiner lieben Freundin Julie am Computer und weil sie allein es ist, die mir das Hochladen ermöglicht...

Widmung: Meiner Julie, weil sie mir ihr Internet leiht und überhaupt ganz großartig ist :-)!

Und jetzt viel Spaß beim Lesen :-)!

Liebste Grüße,

BlueMoon

__________________________________________________________________
 

Kurze Zeit später, als er hinter Sascha den Zivi-Bereich betrat, wurde David noch etwas ganz Anderes klar: In der Küche war auf Dings definitiv Verlass.

Nicht nur, dass er sich frühstückstechnisch wieder ordentlich ins Zeug gelegt hatte, er hatte außerdem alle Schmutzspuren vom vergangenen Abend beseitigt, sodass sich die Zivi-Küche nun in einem fast erschreckend tadellosen Zustand befand – jedenfalls...soweit die in die Jahre gekommene, wild zusammen gewürfelte und zur Hälfte schrottplatzreife Küche des Tierschutzzentrums das vermochte...

Das ganze benutzte Geschirr von gestern war abgewaschen, abgetrocknet und weggeräumt worden. Alle Arbeitsflächen waren abgewischt, der Herd entfettet, die Spüle geschrubbt worden. Was nicht glänzte, schimmerte immerhin.

Stocksteif blieb David im Türrahmen stehen.
 

„Wow...,“ sagte er beeindruckt und betrachtete den ungewohnten Anblick, „Du warst aber fleißig...,“ er wandte sich zu Dings um und sein Magen bestrafte ihn sogleich mit einem jähen Salto, „D... Du hättest das nicht alles alleine machen müssen. Ich hätte dir geholf–,“

„Ach, Papperlapapp!“, unterbrach Mr. Kolumna ihn brüsk und machte eine wegwerfende Handbewegung, „Du hast Nachtschicht und wahrlich genug zu tun. Das war kein Problem. Und jeeetzt...,“ fügte er gedehnt hinzu und wies strahlend auf den reich gedeckten Tisch, „Setz dich hin, mein Liebling, und iss was. Der Tag heute wird anstrengend und du brauchst Kraft.“

„Das muss ein Nicht-Frühstücker wie du gerade sagen,“ erwiderte David spöttisch und schob sich in die Sitzbank, „Dabei arbeitest du heute wieder länger als...ich...,“

Sascha war ihm in die Sitzbank gefolgt und auf der Stelle hatte Davids Herzschlag sein Tempo verdoppelt. Ihm wurde leicht schwindelig. Wenn Dings ihm zu nah kam... Oh je... Er könnte sich gezwungen fühlen, ihn auf die Tischplatte zu werfen und abzuknutschen. Das wäre wirklich schade um das Frühstück...

Hastig bewegte er sich weiter von ihm fort.
 

„Das stimmt zwar, aber ich schaffe das schon,“ erklärte Dings, der offenbar nichts von Davids Rückreaktion bemerkt hatte, gerade munter, „Ich bin schließlich eine Kämpfernatur.“

David schnaubte und das Schwindelgefühl verflog.

„Nix da!“, entgegnete er dann streng und begann Brötchen auf Saschas Teller zu häufen, „Du wirst heute auch was essen, basta. Meine Mutter sagt immer: `Wenn man schon nicht schläft, muss man wenigstens essen!´,“

Sascha beobachtete ihn verblüfft. Dann gluckste er und lächelte ihn an. Davids Körper reagierte augenblicklich auf die übliche Weise, sodass er für einen Moment die Rückenlehne der Sitzbank in Anspruch nehmen musste.

„Deine Mutter ist wirklich eine weise Frau.“

„Nicht wahr...?“, antwortete David matt und dann energischer, „Also, keine Widerrede: Iss!“

Mr. Kämpfernatur salutierte.

„Jawohl, Sir! Sofort, Sir! Alles, was Sie wünschen, Sir!“

Sie kicherten vergnügt und alles in David schmachtete.
 

Zwanzig Minuten später hatten sie sämtliche Horrorgeschichten von ihren ehemaligen Lehrern ausgetauscht, sich köstlich amüsiert und nebenher je zwei Brötchen und einen Apfel vertilgt. Außerdem hatte jeder von ihnen solche Unmengen Kaffee getankt, dass David sich inzwischen wie eine alte und halb vergessene Bombe fühlte – vielleicht aus dem zweiten Weltkrieg –, die nun mit einem Mal kurz vor der Detonation stand. Allerdings...könnte dieses Gefühl eventuell auch einen anderen Ursprung haben...

Dieser eventuelle Ursprung saß neben ihm und berührte seit einiger Zeit und trotz des Sicherheitsabstands, den David in weiser Voraussicht konsequent einhielt, alle paar Minuten sein Knie, was ihm immer dann die Bildung eines vollständigen Satzes erheblich erschwerte. Bei jeder dieser kleinen Berührungen schien ein eigentümlicher Wärmestrom zwischen ihren Knien zu wechseln, der die Kraft hatte, sowohl Davids Herz als auch seine Zunge aus dem Takt zu bringen. Er kam sich vor wie eine Bandansage mit Wackelkontakt.
 

„D...Du ma... machst das mit Absicht, oder?“, brummte er holprig nach dem neunten Kniestupser.

„Was denn?“, fragte Dings und plinkerte unschuldig mit den Wimpern.

„Na, das hier!“, erwiderte David knurrend und versetzte Saschas Knie mit seinem eigenen einen heftigen Stoß.

Überrascht zuckte Mr. Kniequäler zusammen, was David ziemlich befriedigte. Einen Moment später begann der Dreckskerl jedoch ausgelassen zu kichern und das Triumphgefühl in David verpuffte wieder.

„Ach das...,“ schnurrte Sascha und dann – zu Davids grenzenlosem Entsetzen – breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. Ein Grinsen, das David auf der Stelle erkannte. Nicht irgendein Grinsen, oh nein. Es war DAS Grinsen. Das schreckliche, grausame, todbringende Sexgrinsen.
 

Innerhalb von wenigen Nanosekunden stieg Davids Körpertemperatur auf das Zehnfache an. Sein Herz beschleunigte seinen Schlag besorgniserregend drastisch und in seinem Magen begann sein Frühstück zu rumoren. In einem verzweifelten Versuch das Unvermeidliche zu vermeiden, lehnte er sich zurück, um den Abstand zwischen ihnen zu erhöhen, doch er kam nicht weit – Sascha legte ihm eine Hand in den Nacken und kam immer näher.

„Was bleibt mir denn anderes übrig...?“, wisperte er kummervoll und hauchte seinen warmen Atem auf Davids Lippen, „Wo doch alles in mir nach Körperkontakt verlangt, aber du mich die ganze Zeit auf Distanz hältst.“

David öffnete den Mund, um zu antworten, doch kein Laut verließ seine Kehle. Alles an und in ihm kribbelte. In seinem Kopf drehte es sich. Überdeutlich spürte er Dings’ Hand in seinem Nacken.
 

„Du hast ja keine Ahnung, wie furchtbar es ist, dich nur ansehen zu dürfen...,“ hauchte Mr. Aphrodisiakum theatralisch und ließ seine Finger federleicht über Davids Gesicht streicheln, „Ich kann das kaum ertragen...,“

David versuchte zu schlucken. Saschas Berührungen brannten wie Feuer auf seiner Haut. Sein betörender Geruch ließ Davids Gedanken erlahmen und sein Blut kochen. Er konnte nicht mehr...

Er wusste, dass er sterben würde. Qualvoll. Außer...dieser Vollidiot kam verdammt noch mal endlich in die Gänge!

Sein Temperament verlieh ihm Kraft. David öffnete erneut den Mund, um etwas unglaublich Intelligentes und Weises zu sagen, und – Trommelwirbel bitte – diesmal schaffte er es.

„Du nervst!“, blaffte er.
 

Sascha, der gerade angesetzt hatte, weiter Süßholz zu raspeln, erstarrte. Irritiert musterte er David, der mehr tot als lebendig vor ihm in der Sitzbank hing.

„Was hast du gesagt?“, fragte er verdutzt und der schmachtende Unterton war gänzlich aus seiner Stimme verschwunden.

„Ich sagte: Du nervst!“, wiederholte David mit widerspenstiger Zunge und erwiderte Dings’ verblüfften Blick verklärt und böse zugleich, „Entweder du hörst jetzt endlich auf zu quatschen und küsst mich oder ich gehe.“

Sascha starrte ihn mit offenem Mund an. Allerdings währte seine Fassungslosigkeit nicht lange. Keine drei Sekunden, um genau zu sein.

„Du bist so toll!“, stieß er begeistert hervor, strahlte über das ganze Gesicht und tat dann das, worauf David schon die ganze Zeit gewartet hatte: Er küsste ihn. Endlich.
 

Hätte David gestanden, wäre er vermutlich an Ort und Stelle in sich zusammen gesackt. Doch zum Glück saß er bereits. Daher war es nicht weiter schlimm, als seine Beine bebend ihren Geist aufgaben, während seine Arme sich wie von selbst um Saschas Körper schlangen. Automatisch klappten seine Augen zu.

Grundgütiger. Wie hatte er das nur überlebt? Wie hatte er fast vierundzwanzig Stunden lang ohne dieses Gefühl atmen können? Unbegreiflich.

Unaufgefordert öffnete er seine Lippen und seufzte hingerissen in den Kuss hinein, als Sascha sein Tasten sofort erwiderte und sich ihre Zungen wiedersehensselig aneinander schmiegten.

Feuer rauschte durch Davids Adern und füllte seinen Atem mit Hitze. Er zitterte und Sascha zitterte mit ihm. Sein Herz pochte, so schnell, als wolle es abheben und davon fliegen – und im selben Takt spürte er Saschas Herz schlagen. Er spürte dessen Finger, wie sie verlangend über seinen Rücken strichen und trotz all dem Stoff, der seine Haut von ihnen trennte, eine prickelnde Spur auf ihr hinterließen. Leise seufzend vergrub er seine Finger in Saschas braunen Haaren.

Dies fühlte sich so unheimlich gut an. Wenn es doch nie enden würde...
 

David hatte das Denken schon längst eingestellt. Aber Denken war sowieso unnötig. Kein Gedanke war es wert, diesen Augenblick, diesen Kuss in der sauberen Zivi-Küche, vor dem dreckigen Frühstückstisch zu stören, zu verderben. Außer...einer vielleicht...:

Ähm... Schließt da grad jemand die Tür auf?

David riss die Augen auf und lauschte.

Tatsächlich. Da waren Geräusche. An der Tür zum Hof. Jemand war drauf und dran herein zu kommen und – sie zu sehen.

Innerhalb von drei rasenden Herzschlägen verflog jegliche Romantik aus Davids Geist. Voller Grauen stemmte er seine Arme gegen Saschas Brust und presste ihn ruckartig von sich fort.

„Wa–,“ keuchte Mr. Ich-Hab-Nix-Mitbekommen entgeistert.

„Da kommt wer!“, zischte David panisch, drehte sich von ihm weg und da waren sie schon: zielstrebige Schritte auf dem Flur.
 

„Morgen!“, raunzte Heiko in seinem üblichen Ton und schmiss die Bildzeitung ziellos Richtung Tisch, wo sie klatschend zwischen Zuckerdose und Kaffeekanne landete.

„Morgen...!“, erwiderten David und Sascha im Chor, während David sich mehrmals fieberhaft über den Mund wischte und Sascha sich eilig bemühte, sein Haar zu glätten.

Der Tierpfleger, der schon halb durch die Tür zum Seminarraum war, blieb plötzlich abrupt stehen und musterte sie argwöhnisch.

„Was ist los...?“, fragte er lauernd, „Habt ihr was ausgefressen?“

David starb tausend Tode.

„Nein!“, stießen er und Dings hastig hervor.

Heiko runzelte die Stirn und seine Augen bohrten sich in die ihren.

David wusste, dass es Menschen gab, denen man auf zehn Meter Entfernung ansehen konnte, dass sie vor Verlegenheit fast vergingen. Und an diesem Mittwoch erkannte er innerhalb weniger Sekundenbruchteile, dass er zu diesen Menschen gehörte.

Diese Erkenntnis trug nicht gerade dazu bei, dass sich sein hochroter Kopf entfärbte oder sich sein angestrengter Atem entspannte.
 

Doch Heiko schien mit seinen Gedanken glücklicherweise schon wieder woanders zu sein. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte er sich auf dem Absatz um, entschwand durch die Seminarrraumtür und polterte einen Moment später die Treppe zu den Büros hoch.

Ächzend vergrub David seinen Kopf in den Armen.

„Oh, Gott... Ich sterbe...,“ wehklagte er dumpf durch seinen Kopfschutz hindurch.

„Ach, was...,“ hörte er Sascha unbekümmert neben sich antworten.

David schnaubte, hob den Kopf und blinzelte ungläubig zu Dings empor, der sich munter eine weitere Tasse Kaffee eingoss.

„Wie kann dich das so kalt lassen?“, fragte er vorwurfsvoll, während grässliche Versionen vor seinem inneren Auge vorbei zogen, „Er hätte uns fast beim...beim...,“ er schluckte krampfhaft, „Er hätte uns fast gesehen! Was, wenn er jetzt was ahnt?!“

„Ach, was!“, wiederholte Mr. Unerträglich-Unbeschwert und schüttete großzügig Zucker in seinen Kaffee, „Du machst dir viel zu viele Sorgen, Schatz.“

David wimmerte.
 

Hätte Bettina ihn nicht um kurz vor elf gerettet, hätte David den Vormittag eventuell nicht überlebt. Das hatte zwei elementare Gründe: Erstens, er hatte die ganze Nacht nicht geschlafen und trotz des akuten Kaffeekonsums machte sich dies nun langsam, aber sicher bemerkbar. Zweitens, immer, wenn ihm Sascha über den Weg lief, und dabei war es gleich, wo, wann und wie, erlitt er einen heftigen Herzklabaster, der ihn jedes Mal an den Rand des Freitods brachte.

Diese Tatsache lag nicht etwa an Dings’ verführerischem Äußeren – jedenfalls...nicht nur –, sondern an seinem unmöglichen Verhalten. Würde Mr. Herzattacke einfach nur still und starr an ihm vorbei gehen, wäre das alles nur halb so schlimm. Aber nein, natürlich musste Sascha ihn bei jeder Begegnung strahlend anlächeln und im Vorbeigehen auch noch Davids Hand mit seiner eigenen berühren, sodass der jedes Mal fast tot umfiel und obendrein vergaß, weshalb er die Greifvogelquarantäne überhaupt verlassen hatte.

Tod und Teufel.
 

Doch zum Glück wurde gegen halb elf die verletzte Waldschnepfe eingeliefert und da auf dem Speiseplan dieser Vogelart unter Anderem Regenwürmer stand, schickte Bettina ihn mit einer kleinen Schaufel und einer violetten Plastikschüssel bewaffnet auf das Gelände. Unter anderen Umständen hätte David seine Chefin nach einer solchen Anweisung gern in die begehbare Kühltruhe eingesperrt, doch unter diesen tödlichen Vorraussetzungen war er ihr sogar dankbar. So entging er nicht nur Saschas lebensgefährlichen Attentaten, sondern dank der kühlen Luft und des unerschöpflichen Nieselregens auch der bleiernen Müdigkeit.

Gemeinsam mit Linda, die ihm bei dieser eher unerfreulichen Aufgabe freiwillig Gesellschaft leistete, hockte er sich in Regenjacke auf einen großen, schlammigen Erdhaufen in die Nähe der Außenterrarien und buddelte im Dreck.

„Was ist eigentlich mit dir und Sascha los?“, erkundigte sich die kleine Praktikantin, nachdem sie mit vereinten Kräften und wie Kleinkinder giggelnd einen erstaunlich langen Wurm ans Licht der Welt gezogen hatten.
 

Bei dieser Frage verdoppelte sich Davids Herzschlag augenblicklich und er stieß beinahe die Wurmschüssel um. War es tatsächlich so offensichtlich? Das wäre eine...eine...eine Katastrophe!

„W...Was meinst du?“, fragte er betont locker und vermied ihren Blick.

„Ihr gähnt die ganze Zeit und eure Augenringe...,“

Die Erleichterung durchfloss ihn wie heißen Tee.

„Ach, so...,“ murmelte er und atmete beruhigend ein und aus, „Na ja, wir waren die ganze Nacht wach.“

Sie sah ihn mit großen Augen an.

„Die ganze Nacht? Wieso das denn?“

„Wir...,“ David dachte an Mr. Wachhalter und die Erinnerung zauberte ihm ein Lächeln auf das Gesicht, „Wir haben die ganze Nacht geredet und so...,“

Er hob den Kopf und sah sie an. Sie lächelte ebenfalls.

„Wie süß!“, flüsterte sie.
 

David spürte, wie er errötete und wandte das Gesicht hastig wieder ab.

„Ach, was!“, murrte er und köpfte um ein Haar einen weiteren Wurm.

Er zögerte. Mit einem Mal verspürte er den bohrenden Wunsch, Linda alles zu erzählen. Von der vergangenen Nacht und von Sascha und von den Küssen und von Sascha und von dem Glück, das so hell und warm in seiner Brust leuchtete.

Doch...nein. Entschlossen schluckte er den Drang hinunter. Das ging niemanden etwas an, niemanden außer ihn und Sascha. Niemand sollte wissen, was zwischen ihnen geschehen war und noch immer geschah. Niemand. Noch nicht. Er konnte es ja selbst kaum glauben.

Er begann wieder zu schaufeln. Um das plötzliche Schweigen zu durchbrechen, sagte er:

„Kennst du eigentlich dieses Lied?“

„Welches Lied?“, fragte Linda zurück und warf einen faustgroßen Stein, den sie soeben ausgegraben hatte, ins Gesträuch.

„Das mit den hustenden Regenwürmern?“

„Na klar!“
 

...Regenwürmer husten...?

...dunkles Erdreich ziehen...?

...winden...verschwinden...

...Nimmernimmerwiedersehen...

„David?“

...waren...Loch, Loch, Loch...

...wiederkommen...noch, noch, noch...

„David!“

...husten...?

...ziehen...?

...schwinden...

...sehen...

„Wach auf!“

David fuhr aus dem Schlaf und das Lied in seinen Ohren verklang. Wild sah er sich um und erkannte Linda, die neben seinem Bett hockte und ihn anschaute.
 

„W... Was?“, stieß er hervor und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Sein Gehirn arbeitete im Schneckentempo. Es dauerte, bis er begriff, was um ihn herum geschah.

„Was ist...,“ keuchte er und schüttelte den Kopf, um diese mörderische Mattigkeit aus sich zu vertreiben, „Wie... Wie spät ist es?“

„Kurz vor fünf,“ antwortete die Praktikantin und schmunzelte leicht, „Tut mir Leid, dass ich dich wecken musste, aber Bettina ist noch da und...du solltest dich vielleicht kurz in der Futterküche blicken lassen. Sobald sie weg ist, kannst du wieder ins Bett gehen. Sascha, Jessika und ich haben soweit alles fertig.“

David ächzte leise. In seinen Schläfen pochte ein bohrender Schmerz. Sein ganzer Körper tat weh. Vor Erschöpfung konnte er kaum denken, geschweige denn artikuliert sprechen.
 

„Ich bin tot...,“ krächzte er nur und zwang sich, sich aufzusetzen.

„Das hat Sascha auch schon gesagt,“ antwortete Linda lächelnd und wandte sich zum Gehen, „Aber du kannst ja bald weiter schlafen. Bis gleich dann.“

„Okay, danke...,“ brachte David hervor, winkte ihr kraftlos und raufte sich die Haare, sobald sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er sich so sterbenselend gefühlt. Nicht mal nach der letzten Silvesterfeier, wo Kenji ihm literweise von dieser grässlichen Wodkamischung eingeflößt hatte...

Vielleicht hätte ich nach meinem Schichtende nicht schlafen gehen sollen..., überlegte er sehr langsam, während er sich mühsam aufrappelte und seine Klamotten zusammen sammelte. Doch nachdem er gegen zwölf etwas gegessen und dann heiß geduscht und sich aufgewärmt hatte, war die Müdigkeit so unerbittlich zurück gekommen, dass er kaum mehr hatte aufrecht stehen können.

Jetzt allerdings...fühlte er sich noch miserabler als vor den paar Stunden Schlaf. Wie eine lebende Leiche. Ein...Untoter.
 

Als David fünf Minuten später in die Futterküche geschlurft kam, gelang es seinem Herz tatsächlich leicht zu schwirren, als sein Blick auf Sascha fiel, was ihn prompt ein wenig wacher machte. Mr. Zombie hatte sich an den Kühlschrank gelehnt, die Augen geschlossen und schlief offenbar im Stehen. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe und er war blasser als sonst. Er sah so müde aus, wie David sich fühlte.

Abgesehen von ihm und Linda, die am Waschbecken stand und sich die Hände wusch, befanden sich noch Eric und Ben in der Futterküche und unterhielten sich; Jessika war offenbar schon gegangen. Als David eintrat, unterbrachen die beiden ihr Gespräch und wandten sich zu ihm um.

„Guten Morgen,“ begrüßte Eric ihn grinsend, „Gut geschlafen?“

„Geht so...,“ erwiderte David und unterdrückte ein Todesgähnen.

Beim Klang seiner Stimme erwachte Dings zum Leben. Er regte sich, klappte die Augen auf und lächelte ihn zärtlich an. Allein der Augenkontakt reichte, um Davids Atem stocken zu lassen. Automatisch verzog sich auch sein Mund zu einem Lächeln.
 

„So, jetzt wo du da bist, können wir uns ja vom Acker machen,“ meinte Ben und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, „Morgen habe ich frei. Noch jemand?“

Sascha hob schweigend seinen Arm.

„Ich...,“ sagte er lahm und legte den Arm auf seinem Kopf ab, als wäre er zu müde um ihn zu halten, „Gott sei Dank...,“

Davids Miene verdunkelte sich leicht. Richtig, Dings hatte frei. Er erinnerte sich daran. Er hatte es auf dem Dienstplan gelesen.

Mann, das Leben war so ungerecht...

„Dann kannst du dich morgen ja ordentlich ausschlafen,“ grinste Linda.

„Und das werde ich auch...,“ murmelte Sascha, „Darauf könnt ihr Gift nehmen...,“

„Schwächling!“, frotzelte Ben schmunzelnd.

Während Ben und Eric den erschöpften Sascha ein wenig piesackten, brachte Linda David in Sachen Neuankömmlinge und Abgänge schnell auf den neuesten Stand und erklärte ihm, was noch gemacht werden musste. Doch er hörte ihr nur mit halbem Ohr zu.
 

Das lag daran, dass die Müdigkeit sowohl seinen Gehörgang, als auch den größten Teil seines Gehirns lähmte. Und das Stück Gehirn, das inzwischen einigermaßen aktiv war, konnte nur darüber nachdenken, dass Dings wegen seiner Unverschämtheit – er hatte frei, David nicht – kräftig getreten gehörte. Anschließend hätte David eigentlich nichts gegen einen halbstündigen Kuss einzuwenden. Oder wenigstens eine halbstündige Umarmung. Oh ja, eine Umarmung. Eine von diesen warmen, weichen, duftenden, perfekten Umarmungen.

Immer vorausgesetzt, sie beide würden eine solche Anstrengung überleben...

„So, ich muss dann,“ sagte Linda mit einem Blick auf die digitale Anzeige des Radioweckers, der auf einem der Regale stand und sechs Minuten nach ging, „Schlaft gut, ihr beiden Nachtwächter. Wir sehen uns morgen, David?“

David nickte, schenkte ihr ein Lächeln und winkte Ben und Eric beiläufig zum Abschied. Hinter den Dreien fiel die Tür ins Schloss.
 

David starrte die Tür an und schluckte. Er spürte, wie sich das Blut in seinen Adern zu erhitzen und sein Herzschlag sich prompt zu beschleunigen begann.

Er war jetzt allein mit Sascha. Ganz allein. Ganz, ganz allein. Ganz, ganz, ganz...

Einen Moment später hörte er hinter sich ein leises Seufzen und hektisch drehte er sich um, als erwarte er, Mr. Hinterhältig würde ihm jeden Augenblick in den Nacken springen, was – Hand aufs Herz – gar nicht so unwahrscheinlich war. Doch Sascha stand noch immer durch und durch unschuldig am Kühlschrank und betrachtete David lediglich verschwommen lächelnd. Dessen Herz überschlug sich intuitiv und seine Kehle produzierte ebenfalls einen von diesen Seufzern, die Prinzessinnen beim Anblick ihres Prinzen ausstießen.

Oder...nein! Dieser Vergleich hinkte ganz eindeutig.

David unterrückte den Seufzer und räusperte sich stattdessen.

„Also...,“ sagte Dings schwach und gähnte hinter vorgehaltener Hand so sehr, dass ihm Tränen in die Augen schossen, „Was möchtest du heute Abend essen?“
 

David starrte ihn an. Hatte er gerade richtig gehört? Sascha wollte für ihn kochen? Wo er doch so tot aussah, dass David sich fragte, ob er nicht ernsthaft in Lebensgefahr schwebte.

„Wie bitte?“, fragte er entsetzt, „Du kochst mir heute Abend doch nix! In dem Zustand fackelst du noch das ganze Zentrum ab.“

Mr. Lebensmüde gluckste und rieb sich die Augen wie ein übermüdetes Kind. Davids Herz schmolz bei diesem entzückenden Anblick und schwappte wehrlos über den Boden.

„David?“, flüsterte Sascha und blinzelte ihn matt an.

„Mhm?“

„Du bist so unheimlich süß...,“

David schnaubte und spürte, wie ihm im Gesicht ein wenig wärmer wurde. Schmachtend begann seine Herzpfütze am Boden zu blubbern.

„Unsinn!“, erwiderte er grob und verfluchte sein Herz für dessen Verrat, „Und jetzt ab ins Bett mit dir! Du fängst ja schon an zu–,“
 

Doch bevor er sich ausdenken konnte, womit genau Dings schon anfing, hatte dieser die Futterküche durchquert und sich mit einem Laut der Begeisterung auf ihn gestürzt.

„Mein Schatz!“, jauchzte er David ins Ohr und drückte ihn so fest an sich, dass David sekundenlang die Luft ausging, „Du bist so wunderbar!“

David ächzte, während sein Magen prickelnde Saltos schlug und sich sein ohnehin müdes Gehirn zufrieden gurgelnd hinter einem rosaroten Nebel verkroch.

„Schon gut...,“ reibeiste er mühsam und bemerkte milde verdutzt, dass sich seine eigenen Arme schon längst um Saschas Körper gelegt hatten. Der seufzte abermals auf, vergrub sein Gesicht an Davids Hals und seine Finger in dessen Pullover.

Da war sie, die Umarmung, die er sich gewünscht hatte. Und in der Realität war sie noch viel schöner als in Gedanken. Tödlich schön...

„Ich bin so tot...,“ wisperte Mr. Schmusetiger gegen Davids Haut, sodass ihm kalte und heiße Schauer über den Rücken regneten.

David schluckte trocken.

„Dann geh endlich ins Bett...,“ krächzte er.

„Noch nich...,“ murmelte Dings und schmiegte sich noch enger an ihn.

David starb.



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von: abgemeldet
2009-09-01T17:07:22+00:00 01.09.2009 19:07
Ich warne dich vor: Der Kommentar wird nicht sehr geistreich. Ich fühl mich gerade wie erschlagen und bin tot :D Also auch ziemlich müde.

Insbesondere gefällt das Kapitel mir, weil hier die Entwicklung der Beziehung zwischen Dings und Bums deutlich wird und die sie auch wirklich schön beschreibst. Davids Herzrasen und das ganze Up’n Down seiner Gefühle, sozusagen. Auch Saschas Verhalten seinem Schatz gegenüber. Es ist süß, wie sie sich gegenseitig immer sticheln und wie heftig David teilweise reagiert. Ich denke dabei an diese Knie-Geschichte :D

Außerdem finde ich es gut, dass du (wie auch schon in vielen Kapitel) das Motiv des Titels durch das gesamte Kapitel ziehst. Abgesehen davon mag ich Davids Ironie und seinen Sarkasmus.

Natürlich gibt es auch ein paar Lieblingssätze:

→ „Jawohl, Sir! Sofort, Sir! Alles, was Sie wünschen, Sir!“
Zum Schießen :D Aye, aye, Sir! Sir, darf ich Sie küssen, Sir!? xD

→ Das schreckliche, grausame, todbringende Sexgrinsen.
Erbitterte Gedankenkontrolle erforderlich. Mein Hirn hat sich schon wieder in die Sektion »FSK 18« verabschiedet …

→ „Wo doch alles in mir nach Körperkontakt verlangt, aber du mich die ganze Zeit auf Distanz hältst.“
s.o.

→ „Morgen...!“, erwiderten David und Sascha im Chor, während David sich mehrmals fieberhaft über den Mund wischte und Sascha sich eilig bemühte, sein Haar zu glätten.
Ohne Worte XDDDD

→ Mr. Unerträglich-Unbeschwert
Eine wunderschöne Alliteration :D

→ Waldschnepfe eingeliefert
Ich dachte zuerst, Jessica hätte sich wehgetan … o_O

→ Und das Stück Gehirn, das inzwischen einigermaßen aktiv war, konnte nur darüber nachdenken, dass Dings wegen seiner Unverschämtheit – er hatte frei, David nicht – kräftig getreten gehörte. Anschließend hätte David eigentlich nichts gegen einen halbstündigen Kuss einzuwenden.
David, eh xDDD So ein Spinner :>
<3

→ seine Kehle produzierte ebenfalls einen von diesen Seufzern, die Prinzessinnen beim Anblick ihres Prinzen ausstießen.
Lang lebe die Prinzessin. Leider hat dein Prinz dich nicht wachgeküsst, aber das kommt vielleicht noch :D

So. Fertig. xX’
> < Ich versuche, dass die nächsten Kommentare besser werden!

Von:  Seme-Aoi-chan
2009-07-03T19:25:04+00:00 03.07.2009 21:25
im nöchsten Kapitel!
ich weiß es ganz genau! dann kommt das,...ich liebe dich!...ich bin mir sicher!
*schmacht*
*sabber*
ei war das süß!
aber das er noch so viel empfinden kann, obwohl er tot ist!xD
du hast auf jeden fall die gefühle super rüber gebracht!^^
mach weiter so etc. ich freu mich!
Von:  shot_coloured
2009-06-04T20:56:15+00:00 04.06.2009 22:56
Awwwwwwwwwwwwwwwwwwww. :D
Toll toll toll! Ich mag den Running Gag mit Mr.Ich-bekomm-immer-irgendwelche-Namen-von-David. XD
Und die geschnittenen Küken tun mir immer noch leid... ;_____;
Klasse Kapitel! Uhh, ich meine natürlich auch alle anderen Kapitel, ich hab nämlich heute alle gelesen. ;) *Schmacht*
<3
sho_co
Von:  bacino
2009-05-11T17:23:21+00:00 11.05.2009 19:23
das kapitel is sooooooooooooooooooooooooooo süß, ganz ehrlich. ich wette das hab ich schon 1000mal geschrieben aber die kapitel übertreffen sich in der kategorie einfach immer wieder^^ die szene mit dem knie fand ich am besten. ich glaub jeder kennt diese "zufälligen" berührungen, bei denen mal selber ins koma fallen könnte und der andere immer total lässig bleibt. das hast du sehr schön und witzig beschrieben.
freu mich mal wieder darauf wie es weitergeht.
lg:)
Von: abgemeldet
2009-05-11T16:52:46+00:00 11.05.2009 18:52
woah war das zucker! *_*
wobei ich beim kapitel titel erst einmal LEICHT erschrocken war XD
und der kuss in der küche..hach nee war das schöööööööön >.< xD
naja was soll ich sagen es war wie immer ein tolles chap.
und nochmal sorry dass ich erst jetzt meinen denf zu geb...ich hab das iwie voll verpeilt ><
nja freu mich aufs nächste ^^
lg
Jules
Von:  AliceWunderlich
2009-05-10T17:00:24+00:00 10.05.2009 19:00
So toll!
<3
Man muss nicht mehr sagen. =)

<3333

Van
Von:  Klein_Ryu
2009-05-10T16:18:33+00:00 10.05.2009 18:18
♥__♥
Von:  Kampf-Teddy
2009-05-09T03:02:18+00:00 09.05.2009 05:02
Also ich muss gestehen als ich den Kapitelnamen gelesen habe habe ich schon schlimmes befürchtet aber es handelt sich ja hier zum Glück um den sogenannten süßen Tod (vorsicht: schlechtes wortspiel).
Ich musste bei dem du nervst satz sehr lachen und habe bei den Regenwürmern fröhlich mitgesungen und dann wie paperflower dummerweise ebenfalls einen Ohrwurm davon gehabt.
Naja schreib so gut weiter es macht echt freude deine Geschichte zu lesen.

Mfg Teddy
Von:  Avrora
2009-05-08T18:47:45+00:00 08.05.2009 20:47
och goettche die sind ja so so so so suesssssssssssssss^^
Von:  Ur
2009-05-08T18:16:03+00:00 08.05.2009 20:16
Huhu~

Damit du mal einen anständigen Kommentar bekommst, der nicht nur aus einem absolut nichtssagenden Smily besteht... oO" schreib ich dir jetzt was.

Das Kapitel war sehr niedlich ;) Wie David seine Verfassung mit der Müdigkeit/ dem übermäßigen Kaffeekonsum rechtfertig und nur ganz am Rande in Betracht zieht, dass es eventuell mit Sascha zusammenhängt, sit so typisch für ihn :D

Und 'Du nervst!' war das absolute Highlight *lach*

Ich hatte nach dem Kapitel eine halbe Stunde lang einen Ohrwurm von 'Hörst du die Regenwürmer husten' *g*

Besonders schön finde ich übrigens die Metapher mit dem geschmolzenen Herz, dass dann auf dem Küchenboden anfängt, schmachtend zu blubbern *kicher* Der letzte Satz ist toll ;)

Ich hab schon mal konstruktivere Sachen geschrieben, aber dieser Smily hat mich so aufgregt o___O"

I <3 U


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