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Ayslant

Dunkelheit über Nordmark
von

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Burg Nordmark

Die Sonne berührte bereits den Horizont und der Himmel färbte sich orange-rot, als der Krieger mit seinem Pferd das Flüchtlingslager Nordmark betrat.
 

Es war ein riesiges Lager, das um die Burg Nordmark errichtet war. Würde man mit einem Drachen oder als Vogel verwandelt über das Lager fliegen, könnte man gut erkennen, dass das Lager die Struktur einer Zwiebel hatte. Man konnte ringförmige Bereiche, die alle komplett um die Burg herum führten. Diese Bereiche waren mit einfachen Palisaden untereinander abgegrenzt, was praktisch unnütz war, denn man fand sich in keinem Bereich zurecht. In der Theorie würde das System nämlich so funktionieren, dass jeder Bereich eine Straße besaß, die ringförmig um die Burg führte und an deren Seiten sich jeweils eine Reihe Holzhütten befanden. Es war für den Fall geplant, dass Gruppen oder Einzelmenschen, die vermisste, im Lager gemeldeten Personen suchten, sie leichter finden konnten. Doch spätestens nach dem zweiten der vielen Ringe wurden den verantwortlichen Beamten klar, dass das System nicht funktionierte. Oft lag es daran, dass der Bauplatz nicht schnell genug eingetragen werden konnte, da zu viele Flüchtlinge aller Rassen kamen. Auch wurde der zugeteilte Platz nicht eingehalten und es wurde eine viel größere Fläche bebaut. Somit war das ganze System gescheitert und das Lager wuchs unkontrolliert in alle Richtungen.

Doch der Platz, der auch nicht unbegrenzt war, denn der Sumpf war nur noch etwa zwei Meilen von der äußersten Palisade entfernt, war das geringste Problem, mit dem die Ritter der Burg zu kämpfen hatten. Als die Burg ein Flüchtlingslager wurde, da die Front längst wo anders tobte und sie zu klein war um militärisch interessant zu sein, dachten die Ritter und Kommandanten, dass auch die anderen kleinen Burgen in der Umgebung dies tun würden. Später warf man den Rittern Blauäugigkeit vor, als man merkte, dass keiner der anderen Burgherren in Nordmark bereit war, seine Burg für die zahllosen Flüchtlinge aus der Gegend zu öffnen.

So dauerte es nicht lange, bis die ersten Flüchtlinge von außerhalb kamen. Damals waren es noch überschaubare Zahlen, da viele den Weg trotz des Krieges noch für zu riskant hielten. Doch als der Krieg immer länger wütete und daher immer mehr Landstriche vernichtete, zogen auch immer mehr Flüchtlinge, zunächst Frauen,Alte und Kinder, in die Richtung der Burg Nordmark. Bald darauf verbreitete sich die Nachricht, dass in den Lagern nicht rekrutiert wurde, sodass nun auch die gefährlichste Gruppe an Flüchtlingen in das Lager strömte: junge Männer jeder Rasse. Sie waren besonders gefürchtet, denn ein geordnetes Leben war nicht mehr möglich. Frauen und Kinder wurden vergewaltigt wie es ihnen passte, Sklaverei wurde Alltag und Banden regierten das Lager indem sie Schutzgeld von den Hilflosen und Schwachen forderten und damit die wenigen Lagerwachen bestachen. Die wenigen Menschen, die sich gegen diese Anarchie wehrten, wurden schnell beseitigt. Zudem konnten die Banden über die Nahrungsvorräte, die von den Bauernhöfe der Umgebung kamen, regieren, sodass die Flüchtlinge noch mehr in die Abhängigkeit der Banden rutschten.

Selbst die Truppen des Königs konnten nicht für Ordnung und Recht sorgen, sie wurden oft aufgeknöpft gefunden. Die letzte Instanz, die noch für Ordnung im Lager sorgen könnte, der Tempel, reagierte zu spät. Seine Kräfte wurden von der Sekte, der Pest und der Verteidigung der Ordnung in den Städten so überdehnt, dass sie wenige Zeit später zusammenbrachen und nur noch das Nötigste machen konnten. Jetzt herrschte Anarchie, das Gesetz des Stärkeren, im Lager. Die Macht war bei ein paar Banden gebündelt, die sich oft bis aufs Blut bekriegten.

Doch es waren nicht die Hütten, die in Flammen aufgingen, auch nicht die Toten, die an Galgen vor dem Lager baumelten und jeden warnten, die die größte Gefahr darstellten. Es waren die Sekte und SIE, die der Angst im Lager immer wieder neuen Brennstoff gaben. Sobald Gerüchte über die Pest im Lager kursierten oder neue, angeblich garantiert echte Augenzeugenberichte über die Gräueltaten der Sekte auftauchten, geriet mindestens ein Bereich des Lagers in eine Art Massenpanik, bei der die wenig Ordnung, die durch die Banden entstand, vollkommen verschwand. Dann hatten selbst die Oberhäupter der Banden keine andere Möglichkeit, als mit Waffengewalt vorzugehen. Es waren dann vorwiegend Drachen, die diese Drecksarbeit leisteten, denn ihr Feuer war billig und von großer Reichweite. Somit war es nicht abnormal, wenn man in einer großen Hütte, die oft aus Stein war, einen Drachen erblicken konnte, der sich mit seiner Bezahlung vergnügte, welche aus Gold, Schmuck, Edelsteinen und Sklaven jedes Geschlechts bestand.

Wenn man durch die langen Gassen ging, stellte jeder sofort fest, dass die ersten Dinge, die aus dem Lager verschwanden, Moral und Ethik waren. In den Augen der Tempelpriester -und ebenfalls der Sektenpriester- stand das Lager Nordmark für den schlimmsten Sündenpfuhl, den es zu dieser Zeit gibt. Selbst in den Gossen der Großstädte war das Leben geregelter als hier, obwohl ihm Lager nur zehntausende Wesen lebten, während es ihn den Städten trotz der Pest noch an die Millionen Individuen gab. Ayslantstadt zählte vor dem Krieg gut anderthalb Millionen Wesen und trotz des Krieges konnten die Beamten offiziell keinen nennenswerten Rückgang bemerken.

Historiker schrieben schon jetzt in ihre Bücher, dass das Lager Nordmark „eine Pestbeule mit dem Durchmesser von zehn Meilen“ sei. Es ist wichtig zu wissen, dass die Burg Nordmark etwa sieben Meilen zu jeder Seite hatte, bis der große Sumpf kam. Doch jetzt lebten viele Arten und Rassen um die Burg herum und zehrten das Land aus.
 

An einem für das Lager bereits gewöhnlichen Tag mit chaotischen Zuständen traf auch der Tempelkrieger ein. Aus der ehemaligen einzigen Straße zur Burg, welche praktisch kaum noch zu sehen ist, wurde jetzt der größte Markt des Lagers, sodass sich dem entsprechend viele Wesen auf der Straßen aufhielten. Es waren Zwerge, Elfen, Menschen, Trolle, Drachen und viele weitere Rassen zu sehen, die alle oft nur Nahrung kaufen wollten, welche zu Wucherpreisen angeboten wird.

So musste sich der erschöpfte und hungrige Krieger einen Weg durch die Massen bahnen, was nicht einfach war, denn jeder hatte Angst, dass er seinen Platz in einer der Schlangen vor den Ständen verlieren würde sobald er einen Reiter oder einen Fußgänger vorbei lässt. „Macht doch mal Platz, Volk von Nordmark!“ schrie der Mann verärgert in die Menge, in der Hoffnung, dass dies etwas bringen würde. Doch diese Hoffnung war vergebens. „Ich bin ihm Auftrag des Tempels hier! Es ist eure Pflicht, mir Platz zu machen!“ Auch dieses Argument war vergebens, sodass es dem Krieger nicht anders möglich war, als das schwarze Stofftuch von seiner Rüstung zu reißen und sich offiziell als Tempelkrieger preis zu geben.

Die Rüstung war komplett schwarz, jedoch war mit roter Farbe das Zeichen des Tempels in das Metall eingearbeitet, ein gleichmäßiger achteckiger Stern, bei dem jeder Zackenpunkt mit jedem anderen verbunden ist, ausgenommen direkt nebeneinander liegende Punkte. Das Ganze wurde von einem Kreis eingeschlossen, der jeder Spitze berührte. Durch die Farbwahl zeigte man seine Zugehörigkeit zu einem Gott. Dabei stand die Kombination des Krieger für die Unterstützung des Gottes des Todes und Terrors. Seine Krieger waren gefürchtet, gingen sie doch mit größter Härte gegen die Feinde des Tempels vor und setzten seine Regeln und Gesetze am strengsten um. Wer ihnen zum Opfer fiel oder sich gegen ihre Befehle, Anweisungen oder Regeln verhielt, hatte oft keine rosigen Aussichten, ohne Schaden irgendeiner Art zu entkommen.

Aufgrund dieser Tatsache öffneten sich auch sofort die Reihen der Menschen und ließen den Krieger durch. Es waren einige Geschichten über das Lager in der Runde, die besagten, dass die Schwarze Legion -wie die Tempelkrieger des Gottes des Todes und Terrors inoffiziell hießen- einst Massaker an der Bevölkerung im Lager veranstaltet hat, um die Situation im Lager wieder unter Kontrolle zu bekommen. Nur durch eine Abkommandierung zur Hauptstadt konnte dieses Ziel nicht erreicht werden. Man erzählte sich darauf hin, dass der Leiter des Kommandos der Schwarzen Legion so zornig über diesen Befehl gewesen war, dass er einem gefangenen Drachen mit einen Schwerthieb aus eigener Kraft den Kopf vom Leib getrennt hatte.

„Na endlich!“ schrie der Legionär erleichtert. „Und erzählt ruhig auch weiter, dass die Schwarze Legion nun wieder im Lager ist. Es wird sich hier einiges andern!“ Ob sich etwas ändern wird, bezweifele ich. Es ist nicht mein Auftrag, hier für Ordnung zu sorgen. Aber ich kenne die Hohepriester und weiß, dass in der Hauptstadt ein Spezialkommando gebildet wurde, um dem Tempel zur Macht zurück zu helfen. Würde mich nicht wundern, wenn ich während meines Auftrags hier ein paar Männer meiner Sorte mehr sehe. Verärgert über seinen drastischen Schritt, aber erleichtert darüber, dass er jetzt weiter zu Burg reiten konnte, machte sich der Mann auf den Weg zur Burg.

Die Burg war offiziell die Verwaltungstation für das Lager, inoffiziell nur noch Schmuckwerk. Die Beamten des Königs hatten es längst aufgegeben, Ordnung in das Lager zu bringen. Jetzt befanden sich nur noch Soldaten, Ritter und ein paar Priester in der Burg, sowie ein Richtplatz, der jedoch nur von den Banden genutzt wurde. Den Kommandanten der Burg war es egal, was im Lager passierte, solang sie ihre wöchentlichen Rationen an Gold, Nahrung und Frauen bekamen. Zwar gab es in der Burg auch Priester der unterschiedlichen Götter, die immer wieder gegen die Unzucht, das götterlästige Leben und gegen Ungerechtigkeit vorgehen wollten, doch sie hatten keine Soldaten an ihrer Seite. Und mit Magie kann man sich gegen solch viele Wesen nicht wehren. So waren sie wider ihres Willen an die Burg gefesselt und mussten von den Früchten der Dinge leben, die sie so verachteten.

Am Eingang standen zwar etwa zehn gut ausgerüstete Wachen, doch sie hatten praktisch nur noch einen psychologischen Effekt. Jeder konnte den Burghof besuchen wie es ihm passte, nur in die Burgräume konnte kein Mensch ohne Erlaubnis eintreten. Sie waren von den Priestern magisch gesichert worden, da sich hier auch ein paar höchst brisante Schriften von Gelehrten und Priestern befanden, die nicht in den Umlauf kommen sollten.
 

„HALT!“ brüllte die Wache den Krieger an, der erschrocken sein Pferd stoppte.

„Was gibt es, Wache?“ erwiderte der Krieger und machte keine Anstalten, seine Stimme zu senken. „Ich weiß nicht wer ihr seid und ihr seht verdächtig aus.“ erklärte die Wache und hielt den Krieger mit einer Pike auf Distanz.

„WAS??!! Das ist doch die größte Unverschämtheit, die ich je gehört habe!“ brüllte der Reiter. „Ich bin Krieger der Schwarzen Legion des Tempels!“

„Ich kenne keine schwarze Legion.“ meinte die Wache nur. „Jedenfalls keine, die existiert. Ich glaube nicht daran, dass der Tempel hier jemals ein Massaker veranstaltet hat. Der Tempel besteht doch nur aus ein paar Priester, die doch eh alle Schlappschwänze sind. Wo sind die Götter, wenn man sie braucht? Verstecken sie sich unter meinem Bett? Oder im Wandschrank?“

„EGOR! Stopp, du weißt nicht, wen du vor dir hast! Sei jetzt besser still!“ schrie eine Stimme entsetzt aus dem Hintergrund.

„Recht hat der Mann. Bitte um Entschuldigung, und ich werde dieses Gespräch vergessen. Ansonsten wird es dein Tod sein.“

„Pah, ich werde doch keinem einfachen Bauern, der sich eine Rüstung gekauft hat und mit einem Zeichen versehen hat, um Entschuldigung bitten. Wo kommen wir denn sonst hin?“ meinte die Wache trotzig und hielt die Pike weiterhin auf den Krieger gerichtet.

„EGOR! Willst du, dass ich deinem Vater erklären muss, dass sein Sohn die Götter und ihre Gesandten nicht achtete und daher sterben musste? Ich kenne deinen Vater, er ist immer sehr gläubig gewesen. Er würde dir dies nie verzeihen, du würdest aus der Geschichte deiner Familie verschwinden.“ meine ein älterer Mann mit beginnender Weißfärbung der Haare und des Bartes.

„Mein Vater ist ein Taugenichts gewesen. Er hat nichts erreicht. Ich wüsste nicht, warum ich mich wegen dem von meiner Meinung abbringen lassen soll.“ antwortete der junge Soldat trotzig. Trotzdem behielt er den Reiter weiter in den Augen, sodass dieser nichts machen konnte.

„Dein Vater hat hier in Nordmark um die Minen gekämpft. Er wurde in den Bergen eingekesselt. Nur durch seine Hoffnung und Gebete hat seine Einheit in einer waghalsigen Aktion ihn durchbrechen können. Unter hohen Opfern! Dieser Entschluss war ein kriegsentscheidendes Ereignis, hat es doch die Herzen der jungen Männer an der Front wieder mit Hoffnung genährt und so den letzten Gegenschlag gebracht! Bitte, er hat schon so viele Freunde und Kameraden an der Front verloren. Die Hälfte seiner Töchter und Söhne ist dem Krieg und seinen Folgen zum Opfer gefallen. Bitte lass ihn nicht noch den Sohn verlieren, von dem er so viele Hoffnungen hatte.“ erzählte der Wachsoldat mit den grauen Haaren und blickte dabei den Tempelkrieger an, in der Hoffnung, dass dieser dem jungen Soldaten verzeihen würde.

„Hör zu Junge. Du lässt mich jetzt einfach in die Burg und die Sache ist vergessen. Es wurden von mir andere schon wegen geringerer Dinge erschlagen. Also sei klug und höre auf den Mann.“ meinte der Krieger. Er wollte den jungen Mann eigentlich nicht töten, durfte sich in dieser Situation vor den Massen keine Blöße geben, da seine Mission sonst gescheitert wäre. „Außerdem gibt es bestimmt noch andere, böser Menschen, die du mit deiner Pike von der Burg fernhalten kannst.“

„Aber ich habe doch meine Befehle von oben, keine Verdächtigen in die Burg zu lassen...“ warf die junge Wache ein.

„Sehe ich aus, als sei ich verdächtig? Schau, ich habe sogar das Beweisstück, dass ich vom Tempel bin.“ fragte der Tempelkrieger und holte das Erkennungszeichen hervor, welches er dann auch sogleich dem Wachsoldat gab. „Und das mit den Göttern und den Priestern habe ich noch einmal überhört, schließlich sind diese Fragen an diesem Ort nicht abnormal. Nur solltest du dich wirklich fragen, ob dein Vater wirklich ein Taugenichts ist oder ob der Alte dahinten doch Recht hat und dein Vater ein Kriegsheld ist.“ Eine gute Frage. Wo sind die Götter? Sie scheinen diesen Ort verlassen zu haben. Nur ER walltet noch. ER, der Herr über den Tod, ER, der die Seelen dieser Wesen foltert und quält. Selbst die Priester wissen nicht, wo die Götter sind. Sie existieren, das ist außer Frage. WO ist die Frage? Jahrtausende habe sie den Wesen dieser Welt geholfen zu leben. Doch nun, wo sind sie?

„Oh... Es tut mir Leid... Ich habe meine Freundin erst vor kurzem durch SIE verloren... Jetzt habe ich meinen Glauben verloren und bin außer mir gewesen... Ich bitte um Vergebung mein Herr...“ erklärte der junge Soldat mit schwerer Stimme, bevor er in Tränen ausbrach.

„Dir sei vergeben. Doch an deiner Stelle würde ich einen Priester besuchen und mit ihm reden, vielleicht kann er dir helfen. Doch lass dir noch etwas zu deinem Verhalten sagen: Die Schwarze Legion ist in solchen Sachen nicht sehr tolerant, aber sie wissen um die Dinge der Zeit. Doch andere sind es vielleicht nicht, sei hier besser etwas großzügiger mit den Einlässen und höre öfter auf den alten Mann da hinten.“ Der Tempelkrieger zeigte auf den Wächter mit den grauen Haaren. Dann ritt er langsam durch das Tor.
 

„Passt auf ihn auf, alter Mann. Ich befürchte, dass die Zeiten noch härter werden.“ erklärte der Krieger dem Wächter, der seinen jungen Kollegen zur Vernunft brachte bevor es zur Katastrophe kam.

„Das werde ich. Jedoch befürchte ich, dass ich nicht mehr viel Zeit habe. Es passieren merkwürdige Dinge. Ihr werdet hier auf viel Gegenwehr und Hass stoßen, Krieger des Todes und Terrors. Seid gewarnt. Die Menschen verlieren ihren Glauben und der Tempel kann nichts dagegen unternehmen. Wer weiß, was noch alles passiert? Es würde mich nicht wundern, wenn jetzt noch die Ernten der Bauern wegen Plagen ausbleiben, wenn die Fischer keine Fische mehr fangen und schließlich der offene Krieg zurückkehrt. Es wäre das Ende von Ayslant.“ prophezeite der alte Wächter.

„Ihr habt den Krieg in voller Härte erlebt, alter Mann.“ kommentierte der Krieger. Er wusste, dass das, was ihm der Alte prophezeit hat, nicht unwahrscheinlich ist. Ratten und andere Nagetiere haben ihn diesen Zeiten leichte Beute und genügend Nahrung um sich explosionsartig zu vermehren. Erste Berichte über Plagen waren schon an sein Gehör gedrungen.

„Ja, die Schlacht um Wates im Westen habe ich komplett mit angesehen. Ich habe gesehen, wie die Drachen von den gut versteckten Bogenschützen vom Himmel geholt wurden. Die Schreie meiner Kameraden und der Opfer der anderen Seite werde ich nie vergessen. Sie suchen mich noch heute heim, lassen mich nicht schlafen. Es ist fast so, als würde etwas verhindern, dass die Seelen ihre Ruhe bekommen.“ erzählte der alte Mann und der Krieger bemerkte das Gesicht des Wächters. Es sah nicht wie das eines Menschen aus. Mehr nach einem, der dem Tod schon mehr als einmal die Stirn geboten hatte und so viel seiner Lebenskraft eingebüßt hatte. Die Falten waren tief und um die Augen lagen dunkle Augenringe. Dieser Mann wartet nur noch auf den ewigen Schlaf. Ich hoffe, er darf sich schnell zur ewigen Ruhe begeben.

„Wates... Eine grausame Schlacht... Ich habe selbst nur die letzten fünf Tage mitbekommen und wurde doch für den Rest meines Lebens gezeichnet. Viele meiner damaligen Kameraden sind tot. Nicht SIE hat sie umgebracht, nicht die Waffen der anderen, nicht ihre Wunden am Körper. Es waren die Wunden im Geist und an der Seele, die sie ausbluten ließen. Die meisten begingen Selbstmord.“ schilderte der Krieger. Er versuchte seine Gefühle zu unterdrücken, doch sie kamen wieder auf. Die Wut, Trauer, der Zorn. Alles, was mit der Schlacht zu tun hatte erschien vor seinem inneren Augen. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Eine schreckliche Schlacht. Ich hoffe, ihre Geister ruhen in Frieden.

„Ja. Auch ich kämpfe jeden Tag gegen das Verlangen mit meinem Leben aufzuhören. Ich habe meinem Kameraden geschworen auf seinen Sohn aufzupassen. Und das tue ich nun. Wäre ich nicht gewesen, würde jetzt ein Toter mehr auf ihre Kante kommen.“ erklärte der Kriegsveteran und zeigte auf den jungen Wächter, der sich mittlerweile wieder gefasst hatte und mit seinen Kameraden auf einem Fass Karten spielte.

„Wer zählt im Krieg schon die Toten?“ fragte der Krieger. Er wusste, dass viele Menschen auf seine Befehle und Taten hin ihr Leben ließen.

„Niemand...“ antwortete der Wächter nur und fügte hinzu: „Lassen wir dieses Gespräch sein. Es reißt nur alte wunden auf, was jetzt nicht sein muss. Guten Tag noch, Tempelkrieger.“

Der Reiter verabschiedete sich kurz und ritt dann in die Burg, um mit dem dortigen Priester seinen Auftrag zu besprechen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-09-01T20:32:33+00:00 01.09.2008 22:32
*sich dem obigen Kommi nur voll und ganz anschließen kann*
Wirklich toll geworden. XD

MfG
okami-san
*salute*
Von:  Ubeka
2008-08-31T16:04:53+00:00 31.08.2008 18:04
Wirklich cooles Kapitel, du hast die Situation im Lager sehr realistisch dargestellt (kein Wunder, wenn du "Im Westen nichts neues" gesehen hast). Ich fand das Gespräch zwischen dem Tempelkrieger un dem alten Wachmann sehr interessant, wird sicher noch viel spannender deine Geschichte - nur weiter so!


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