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Die Legende von Karon Eisenhand

von

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Vaterglück

Vaterglück
 

Karon wanderte nun schon einen ganzen Tag durch seit er das kleine Dorf Waldbrünnlein, in dem die Ereignisse mit den wilden Schwarzorks geschehen war, verlassen hatte. Vor ein paar Stunden hatte er auch das Wäldchen hinter sich gelassen, in dem der Ort lag. Und nun wanderte er dem Gebirge entgegen, das sich grau und lebendig direkt vor ihm in den hellblauen Himmel erstreckte. Das Wetter war an diesem Tag sehr schön. Kaum ein Wölkchen war am Himmel zu sehen und die Sonne lies warme Strahlen auf die Erde nieder, die auf Karons brauner Haut wohlig prickelten.

Der Nornelf hatte einen leichten Trab angenommen. Vorher hatte er sich regelrecht durch den Wald geschlagen und in einer irren Geschwindigkeit eine Schneise der Zerstörung hinter sich gelassen. Hätte er Verfolger auf seiner Spur, hätten sie keine Anstrengungen ihn zu finden. Ausgerissene Bäume und umgepflügte Walderde hätten es ihnen leicht gemacht, den Standort des Hünen herauszufinden.

Doch als Karon den Waldrand erreicht hatte, merkte er, dass er tierischen Hunger hatte. Und deshalb hatte er sich kurzerhand noch einmal umgedreht und in einer kleinen Mittagspause zwei erlegte Hirsche bis auf die Knochen abgegessen.

Das war auch einer der Gründe, warum er nun nicht mehr so durch die Gegend preschte, denn das Fleisch lag noch schwer unter seinen abnormalen Bauchmuskeln. Doch mit jedem Schritt verwandelte es sich weiter in reine Energie.

Der zweite Grund war schlicht, das Karon seine Freiheit genießen wollte. Bevor er die Gebirge erklimmen konnte, musste er nämlich noch eine riesige Steppe überwinden. Mit all seiner Kraft hätte er die Strecke in einer sehr kurzen Zeit geschafft, doch genoss er nun im Trab das weiche, frische Gras unter seinen nackten Füßen, den kühlen Wind, der ihm bei der Geschwindigkeit entgegenkam und die Sonne. Seit er Mia im Norden verlassen hatte, waren diese Situationen einfach viel zu selten gewesen. Er war immerhin ein Nornelf und somit mit der Natur verbunden.

Obwohl er seine Geschwindigkeit zügelte, kamen die Gebirge schnell näher und es dauerte nicht lange, da bohrten sich seine breiten Füße nicht mehr in das weiche Gras, sondern in hartes Gestein. Karon bremste nach einer Weile ab, ein Kraftakt, der im Boden ein paar unschöne Risse hinterließ.

Der Nornelf blickte sich um und suchte nach einem Anhaltspunkt. Er war hierhergekommen um Karz Rudolf zu finden, ein Priester der Sechsgötter und der Bruder des Kauz Bruno aus Waldbrünnlein. Angeblich konnte dieser ihm nämlich beibringen, wie er die ungeheuren Energien, die in Karons Körper Tag und Nacht wirbelten und unaufhörlich aus seinen Hautporen wichen, kontrollieren konnte. Doch es war nichts zu sehen. Keine Hütte, kein Mensch oder gar ein Lager. Hier war nur völlige Wildnis.

Karon drehte sich nun dem Berg zu, der sich einige hundert Meter vor ihm in die Höhe streckte. „Dann muss ich wohl von oben gucken.“ ,murmelte er in seinen Bart. Karon spannte nun seine Beinmuskeln an, die zu beeindruckenden, stahlharten Gebilden wurden und preschte los. Die Distanz zum Fuß des Berges war innerhalb weniger Sekunden überwunden und der Nornelf fing sofort an, zu klettern. Seine Fingerkuppen bohrten sich in den Felsen, als bestünde er nur aus weicher Butter und mit schnellen, kräftigen Bewegungen hievte er seinen kolossalen Körper die steile Felswand hoch, in einer Geschwindigkeit, die die besten Bergsteiger nie im Leben erreichen könnten.

Schon nach wenigen Minuten war der Gipfel in greifbare Nähe gekommen. Karons Muskeln trugen den Hünen ohne Anstrengung unermüdlich weiter. Es wurde immer kälter, je weiter er nach oben kam, doch der kalte Wind erreichte seine Haut nicht. Die unaufhörlich ausströmende Körperenergie hüllte Karon in eine wohlig warme Aura, die die Kälte nicht durchließ.

Ein letzter Sprung und Karon hatte ein kleines Plateau erreicht, das fast auf Höhe des Gipfels lag. Hier hielt er erneut inne um sich umzublicken. Die Aussicht war fantastisch. Karon war in ein paar Minuten die Strecke geklettert, für die erfahrende Bergsteiger ein paar Tage gebraucht hätten und das ohne jegliche Erschöpfung.

Vor ihm erstreckte sich die Steppe, die von dem Gebirge umgeben war wie eine gigantische Klamm. In weiter Ferne, an der gebirgsfreien Seite, sah Karon den Wald, in dessen Mitte sich irgendwo das Dorf Waldbrünnlein befinden musste. Karon hatte in einem Tag eine Strecke abgelaufen, für die ein normaler Mensch eine einwöchige Reise bedeutet hätte.

Karon grinste und lobte sich insgeheim selber für diese Leistung. Doch jetzt war nicht die richtige Zeit, sich selbstverliebt zu verhalten. Also schaute er sich nun in den benachbarten Gebirgen um. Und tatsächlich entdeckte er etwas weiter westlich hinter zwei etwas niedriger liegenden Gipfeln eine sehr dünne Rauchfahne, die sich in den blauen Himmel kräuselte und sich dort irgendwann in Nichts auflöste. „Da könnte er sein.“ ,stellte Karon zufrieden fest. Der Nornelf trat ein paar Schritte zurück.

Er nahm Anlauf, spannte seine Beine an und legte all seine Kraft in diesen Sprung. Als er sich abdrückte, brach das Plateau unter der Wucht des Sprunges in Stücke und stürzte polternd und Staub aufwirbelnd in die Tiefe. Karon selbst hatte seinen schweren Körper in die Luft erhoben und sein Sprung kam schon eher einem Flug gleich. Der erste Gipfel rauschte einfach unter ihm vorbei, doch um den zweiten Gipfel zu überqueren reichte dieser Sprung nicht.

Karon kam der massiven Steinwand mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit entgegen. Der Nornelf zögerte keine Sekunde, ballte die rechte Faust und spannte seine monströsen Armmuskeln an. Als sein Körper auf die Wand traf, gab es eine Explosion, die den Berggipfel erschütterte.

Karons Körper bohrte sich wie ein Komet aus Fleisch und Blut in den massiven Stein. Ein ohrenbetäubender Krach entstand und Steinbrocken und eine riesige Staubwolke stoben aus dem Einschussloch. Für viele Sekunden regnete es um Karon herum mannsgroße Steinbrocken, die an seinem Körper abprallten, ohne irgendeinen Schaden zu hinterlassen. Karon lag für einen Moment unter den Trümmern des eingebrochenen Berggipfels, doch er hatte sich auch sehr schnell daraus befreit, indem er die tonnenschweren Steine einfach zur Seite schob.

Als er oben auf dem neuen, nun etwas tiefer gelegenen Gipfel des Berges stand, klopfte er sich erst einmal den Staub von seinem Körper und blickte sich um. Tatsächlich konnte er von hier sehen, woher die Rauchfahne gekommen war.

In einem winzigen Tal vor ihm brannte ein großes Lagerfeuer vor einer Höhle. An der Steinwand neben der Höhe standen allerlei Werkzeuge, wie sie im Alltag gebraucht wurden. Haken, Hämmer, Sägen und sogar ein kleiner Webrahmen stand etwas weiter ab vom Höhleneingang unter einem selbst gebautem Blätterdach. Etwas weiter entfernt im Tal mähte eine kleine Herde von Schafen und einen bebauten Acker konnte Karon auch erkennen.

Vor dem Höhleneingang standen zwei Gestalten, die eindeutig in seine Richtung blickten. „Das könnte er sein.“ ,sagte Karon sich.

Karon sprang etwas ungeschickt den Gipfel hinab in das Tal. Als er unten ankam, erbebte kurz die Erde und er hinterließ ein kleines Loch im Gestein. Dann rannte er erneut los und stand ein paar Sekunden später vor den zwei Gestalten.

„Guten Tag, Karon.“ ,begrüßte ihn der Größere von den Zweien. Er war ein Mann mittleren Alters und hatte ein ernstes, aber freundliches Gesicht, in dem ein buschiger, brauner Bart und lange, wilde Haare hingen. Er hatte für einen Menschen beeindruckend mächtige Muskeln, über denen sich eine braun gebrannte Haut spannte. Er trug selbstgewebte, weite Kleidung, die entfernt an die eines Geistlichen erinnerten.

Der Zweite von den Beiden war kein Mensch. Er war kleiner als ein Kind und hatte einen hässlichen, kahlen Schrumpelkopf in dessen Gesicht eine überdimensionale Hakennase lag. In seinem breiten Mund lagen unzählige kleine nadelspitze Zähne und er hatte lange und spitz zulaufende Ohren. Sein kleiner buckeliger Körper war mit einer dunkelgrünen Haut umspannt. Zwei rotglühende, große Augen starrten Karon grimmig an. Dieser Knabe trug ähnliche Kleidung wie der Große und gehörte dem Volk der Goblins an. In seiner rechten Hand hielt er einen für ihn zu großen Wanderstab aus grauweißen Knochen.

„Hallo.“ ,antwortete der Nornelf knapp, nachdem er die beiden gemustert hatte. „Seid Ihr Karz Rudolf?“ ,fragte er dann. Der Mann nickte lächelnd und wies mit einer ausladenden Geste auf den Goblin. „Ganz recht, der bin ich. Und das hier ist mein Schüler Geedgak.“ Karon musste grinsen und beugte sich zu Geedgak dem Goblin herunter, nur um festzustellen, das er selbst so noch drei Köpfe größer war. Er streckte dem grünen Knaben seine riesige Pranke hin. „Dann muss ich dir dafür danken, das du Ciyan und mich so großartig geheilt hast.“ ,stellte Karon freundlich fest. Die großen roten Augen des Goblin verengten sich zu verächtlichen Schlitzen. „Schon gut, ich bin mir noch nicht sicher, ob das ein Fehler war.“ ,krächzte er mit einer ziemlich unangenehmen Stimme, die für Goblins aber üblich war. Dabei nahm er Karons Geste des Händeschüttelns nicht an.

Karon zog eine Grimasse und erhob sich wieder. Karz Rudolf war neben ihn getreten und blicke an ihm hinauf. Dann fasste er seine Brust an, tastete sie ab und ging weiter über seinen Körper. Karon lies ihn gewähren, denn das war wohl seine Analyse der Kampfkraft. Mia hatte am Anfang ihres Trainings etwas Ähnliches gemacht. Lachend schlug er dem Nornelfen schließlich auf den Oberschenkel, was tatsächlich einen leichten Schmerz herbeiführte, wie Karon verwundert feststellte.

„Du hast für einen Ungläubigen einen sehr imposanten Körper. Geedgak hat nicht übertrieben, als er dich beschrieben hat.“ ,stellte er dann lächelnd fest. „Hör mir zu, Karon, wir haben nicht viel Zeit. Du darfst es dir hier auf keinen Fall gemütlich machen, denn dann ist Waldbrünnlein dem Untergang geweiht. Du hast den Anführer der Schwarzorks schwer verletzt, doch sobald es ihm besser geht, werden sie wiederkehren und sich rächen und dann werden die Dorfbewohner zu Mojo-Sklaven oder müssen sterben. Du hast eine Verantwortung.“ ,erklärte Karz Rudolf ohne weitere Einführungen. „Greif mich an“ ,forderte er dann.

Karon war verwirrt. Diese Erklärung und die Aufforderung zum Kampf kam etwas sehr plötzlich, so dass er ein paar Sekunden brauchte, in denen er ein reichlich dummen Gesichtsausdruck aufsetzte. Dann hatte er diese Gedanken aber geordnet und wollte zu einer Frage ansetzen. „Dafür haben wir keine Zeit. Greif an.“ ,unterbrach Karz Rudolf ihn. Karon starrte ihn einen weiteren Moment verdutzt an, doch dann zuckte er mit den Schultern und ballte seine Fäuste. Die ohnehin beeindruckenden Muskeln schwollen zu monströsen Gebilden an, wie üblich.

„Sei bereit.“ ,sagte Karon sicherheitshalber, denn Karz Rudolf machte keine Anstalten, zurückzuweichen. Karon zögerte noch kurz, doch dann schlug er zu. Seine Faust durchbohrte blitzschnell und mit der Wucht einer Kanonenkugel die Luft. Karz Rudolf hob in der gleichen Zeit seine Hand, fing den Schlag mit dem Handrücken ab und lenkte die gewaltige Kraft so geschickt um, dass Karons Faust wirkungslos ins Leere traf.

Karon war verdutzt und hielt für eine Sekunde inne. Das konnte doch nicht sein? Ein Mensch konnte dieser Wucht doch nicht einfach widerstehen? Doch die nächsten dutzend Schläge von Karon wurden mit der gleichen Technik abgewehrt. Ein Zufall war es also nicht. Karon biss die Zähne zusammen, spannte seine Muskeln noch weiter an und schlug mit noch mehr Geschwindigkeit zu, doch seinem Gegner schien es nicht einmal Mühe zu machen, die Schläge abzuleiten. Der Nornelf hatte eine ähnliche Technik schon einmal erlebt, damals, als er im Norden mit Nuima Mornedhel gekämpft hatte.

„Nun greife ich an.“ ,sagte Karz Rudolf auf einmal. Er ballte seine Faust und schlug zu. Er zielte direkt auf Karons Bauch. Der Nornelf machte keine Anstalten auszuweichen oder abzublocken. Sicher, Karz Rudolf hatte einen für Menschen mächtigen Körper, doch ein normaler Fausthieb konnte den übermächtigen nornelfischen Körper doch nichts anhaben.

Die Faust des Mannes schien diesen Fakt aber einfach zu ignorieren. Die Faust bohrte sich tief in Karons Magen und ein Schmerz durchzuckte seinen Körper, den der Nornelf noch nie gespürt hatte.

Die Wucht dieses Schlages beförderte den massigen Nornelfen in die Luft und lies ihn durch die Gegend fliegen, wie es für gewöhnlich seine Gegner machten. Einige Meter weiter krachte er unsanft auf den steinharten Boden.

In Karons Kopf drehte sich alles und es dauerte einige Momente, bis er sich wieder gefangen hatte. Sein Magen schmerzte immer noch höllisch und er musste alle Willenskraft aufbringen um die Reste des Hirschbratens in seinem Inneren zu behalten. Dann stand er langsam wieder auf und hielt sich die Stelle zwischen seinen Bauchmuskeln, die knallrot geworden war und vor Schmerz regelrecht pulsierte.

„Du bist ja schwach.“ ,stellte Karz Rudolf höhnisch fest und lachte dabei dreckig auf. „So könntest du nicht einmal meinen Schüler besiegen.“ Nun lachte auch der kleine Goblin schäbig auf.

Karon biss die Zähne zusammen. Wie üblich lies er sich nicht gerne verhöhnen oder beleidigen, so das sofort die Wut in seinem Körper die Kontrolle übernahm. Dicke Adern pressten das Blut durch seine mächtigen Muskeln, die sich wölbten und zusammenzogen, als würden sie atmen. „Ihr solltet mich nicht wütend machen.“ ,grunzte er angestrengt.

„Warum nicht? Du kannst eh nichts ausrichten, egal wie sehr du dich aufblähst.“ ,lachte Karz Rudolf ihm verächtlich entgegen.

Der Schmerz in seinem Magen war völlig vergessen. Sein Körper spielte wieder mal verrückt, wie er es in letzter Zeit öfter tat. Die Energien, die in ihm wohnten, brachen aus und wirbelten wie ein Sturm in seinen Zellen und suchten einen Weg nach draußen. Es sah fast aus, als würden Karons Muskeln dampfen.

„Jetzt…habt…ihr…ein…Problem…“, presste Karon aus. Er konnte kaum sprechen, so heftig waren die Energien in seinem Körper. Er fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren.
 

„Er kann sie tatsächlich nicht kontrollieren, wie du schon sagtest. Er hat eine beeindruckende Menge an Energie. Mehr noch als ich selbst. Er ist wahrlich von Grum gesegnet.“ ,sagte Karz Rudolf leise zu Geedgak, der alle Mühe hatte bei dem Anblick, der sich ihnen bot, nicht einfach davonzulaufen. „Und, Meister, ist meine Diagnose richtig?“ ,fragte er dann krächzend. „Ich hoffe doch, sonst sind wir vielleicht in wenigen Augenblicken tot.“ Karz Rudolf musste seinen Schüler angrinsen.

„Geedgak, ich sagte dir doch, das du nicht zweifeln sollst. Deine Diagnose war richtig und der Zeitpunkt für deine Heilung ist gekommen. Beeile dich, sonst verdampfen wir an seinen Energien.“ Der Goblin seufzte erleichtert und hüpfte los. Trotz seiner krummen, dünnen Beinchen war er sehr flink und Karon merkte in seinem Rausch nicht, wie der Goblin plötzlich vor ihm stand und sich gegen die Energiewellen stemmte.

Geedgak holte mit seinem Knochenstock aus und versetzte dem Nornelfen sechs gezielte Schläge auf verschiedene Körperstellen.

Ein Ruck ging durch Karons Körper und die Energiewellen versiegten so schnell, wie sie gekommen waren. Der Körper des Nornelfen beruhigte sich langsam.
 

Karons Wut war nicht verschwunden, doch war sie sehr abgeflaut, als ein grandioses Gefühl seinen Körper durchglitt. Die Energien, die seit Wochen seinen Körper in Aufruhr versetzten, verliefen mit einem Mal glatte Bahnen. Er konnte sie kontrollieren, so als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Und nun, da diese Energien seinen Körper ideal versorgten, fühlte er sich ganz anders.

Sein Körper, der fast eine halbe Tonne wog, fühlte sich für ihn an wie eine Feder. Der Boden unter seinen Füßen schmiegte sich an seine Haut, als wäre er aus weichen Matratzen und nicht aus hartem Stein. Seine Bewegungen waren völlig mühelos. Und es kam ihm vor, als könnte er jeder einzelne Zelle seines Körpers spüren und kontrollieren.

„Das wäre geschafft.“ ,seufzte Geedgak erleichtert und setzte sich auf den Boden vor Karon. „Was…hast du gemacht?“ ,sagte Karon erstaunt und blickte in seine breiten Handflächen, als wären sie nicht seine. Durch seinen Körper strömte die Kraft wie eine berauschende Droge. Karz Rudolf hatte sein falsches, hämisches Grinsen abgelegt und kam nun mit einem gütigen Lächeln auf Karon zu.

„Lass mich erklären, mein Freund. Geedgak hat deine Energien in die richtigen Bahnen gelenkt, so dass dein Körper endlich sein volles Potential entfalten kann. Entschuldige, dass wir dich provoziert haben, doch ich musste feststellen, ob die Diagnose meines Schülers richtig war, dass du deine Energien nicht richtig kontrollieren kannst. Das war nur im Zustand möglich, mit dem du auch Waldbrünnlein erschüttert hattest. Nach Geedgaks Behandlung wirst du dieses Problem nicht mehr haben.“ ,erklärte der Mensch. „Heißt das, diese ungewöhnliche Kraft, die ich jetzt spüre, hatte ich schon immer?“ ,fragte Karon verdutzt. Karz Rudolf nickte geduldig, wohl wissend, das Karon nicht der Schnellste war, was solche Dinge anging. „Ja, durch deine wilden Energien war diese Kraft aber deutlich zurückgeschraubt. Deswegen konnte ich dich an Kraft auch übertreffen, obwohl du den mächtigeren Körper hast. Nun hätte ich keine Chance mehr gegen dich. Jetzt solltest du keine Probleme mehr haben deine Energien richtig zu nutzen. Und deshalb bitte ich dich, gehe zurück und helfe meinem Bruder in Waldbrünnlein. Beeile dich, denn die Schwarzorks werden nicht lange auf sich warten lassen.“
 

Karon kam nicht einmal dazu, sich zu bedanken, so sehr drängte Karz Rudolf ihn, wieder zurück zum Dorf zu gehen. Er war noch keine halbe Stunde hier gewesen und schon sollte er sich wieder auf den Rückweg machen. Und trotzdem hatte das kurze Treffen seine Kraft um einiges erhöht.

„Geedgak, du wirst ihn begleiten, sollte es bei dem bevorstehenden Kampf Verletzte geben. Ich muss leider hierbleiben, das hat bestimmte Gründe, die ich euch nicht nennen kann.“ Der Goblin nickte nur. „Setze dich auf Karons Rücken. Wenn ihr jetzt loslauft, erreicht ihr das Dorf gegen Abend. Lauft los.“ Geedgak kletterte geschickt auf Karons Rücken, wobei er die Zwischenräume der Muskeln wie eine Leiter benutzte. Das zusätzliche Gewicht spürte Karon nicht einmal.

Der Nornelf wollte gerade zum Sprint ansetzen, als Karz Rudolf ihn doch noch ansprach. „Karon, wenn du im Sinn hast, noch stärker zu werden, dann solltest du den Orden der Erdbrüder aufsuchen, der viele Meilen weiter im Süden liegt. Mit ihren Methoden könntest du vielleicht noch mächtiger werden, denn ich habe erkannt, das in dir noch Potential steckt, auch wenn das eine reichlich gruselige Vorstellung ist angesichts der Kraft, die du ohnehin schon besitzt.“ Der Nornelf starrte ihn ungläubig an.

Mia hatte ihm damals gesagt, das was er jetzt hätte, wäre das höchste aller Gefühle, das Optimum an Kraft, das man aus seinem Körperanlagen rauskitzeln konnte. Doch wenn Karz Rudolf Recht hatte, konnte er diese Grenzen vielleicht doch noch sprengen. Ein Grinsen legte sich auf sein Gesicht und eine schöne Vorfreude an das harte Training machte sich in ihm breit.

„Ich danke euch für alles, Karz Rudolf“ ,sagte Karon und wandte sich zum zweiten Mal zum Gehen zu. Gerade als er loslaufen wollte, wurde Karon wieder aufgehalten. Eine unbekannte Stimme mischte sich ein und rief: „Stopp! Ich werde euch nicht gehen lassen.“ Karon blickte in die Richtung, aus der die Stimme kam.

Sie gehörte einem jungen Mann mit schulterlangen, glatten und pechschwarzen Haaren. Sein schmächtiger Körper war in einen schwarzen Fließmantel gehüllt, der im kalten Wind wehte. Sein Gesicht war jugendlich und makellos. Seine schwarzen Augen blickten dem Nornelfen hämisch entgegen. Obwohl er eine etwas düstere Art hatte, schien keine sonderlich große Bedrohung von ihm auszugehen. Doch nur weil er schmächtig war, sollte das nicht heißen, dass man ihn unterschätzen sollte, wie Karon im Kampf gegen Janus festgestellt hatte. Der Kerl stand auf dem zerstörten Gipfel.

„Wer bist du?“ ,rief Karon ihm entgegen, „Und was fällt dir ein, uns aufzuhalten?“ Der Knabe verbeugte sich tief und rief ihm dann die gewünschten Informationen zu. „Mein Name ist Fred und ich bin dir seit diesem Zwischenfall in dem Dorf gefolgt. Ich hab dich auf halbem Weg zwar verloren, doch du hinterlässt ja Spuren, die man nicht übersehen kann.“ Dabei deutete er auf die zerstörte Bergspitze, auf der er stand. „Und ich halte dich nur auf, weil ich dich zum Kampf herausfordern möchte. Ich liebe es, mich mit starken Gegnern zu messen und du bist ein angemessener Gegner. Und nach der Schande, von einer Frau besiegt worden und fast getötet worden zu sein, werde ich mich mit deinem Blut wieder reinwaschen!“ Karon packte Geedgak, der sofort anfing zu meckern, und setzte ihn auf den Boden ab.

„Ich werde mich erst um diesen Kerl kümmern müssen, sonst bereitet er uns nur zusätzliche Schwierigkeiten.“ ,sagte Karon und Karz Rudolf stimmte ihm zu. „Aber sei vorsichtig. Er konnte relativ gut mit dir Schritt halten und ist kein bisschen erschöpft, obwohl du eine weite Strecke gekommen bist. Er ist nicht so schwach, wie er aussieht.“ ,warnte der Mann mit einem ernsten Funkeln in den Augen.

„Ich weiß.“ ,sagte der Nornelf und drehte sich dann seinem Gegner zu. „Du redest wirres Zeug, mein Freund!“ ,rief er Fred entgegen und erhob seine rechte Hand. Mit der Handfläche zielte er direkt auf seinen neuen Gegner. Jetzt, da er seine Energien kontrollieren konnte, war seine Technik nicht mehr schwer zu beherrschen. Er bündelte einen Teil seiner Energie in der Handfläche und entlud sie in einem schmalen Strahl, der blitzschnell auf Fred zuschoss.

Geedgak japste vor Überraschung auf und auch Karz Rudolf klappte bei diesem Anblick der Mund auf.

Fred schien für einen Bruchteil einer Sekunde auch zu überrascht um auszuweichen, doch dann machte er einen geschickten Schritt zur Seite, so dass sich der Energiestrahl wirkungslos an ihm vorbei in den Himmel bohrte. Fred blickte ihm hinterher.

Diesen Moment der Ablenkung nutzte Karon aus. Seine neuen Kräfte trugen ihn so schnell und leichtfüßig, das er innerhalb einer Sekunde neben Fred stand, die Faust ballte und zuschlug. Doch obwohl Karon diese unmenschliche Geschwindigkeit an den Tag legte, bemerkte Fred ihn und versuchte auszuweichen. Tatsächlich streifte der Faustschlag nur die Seite des Knaben, doch die Wucht reichte trotzdem aus, ihn weit weg zu schleudern. Fred lies einen Schmerzensschrei ertönen, während er auf den steinharten Boden zuflog. Im letzten Augenblick machte er einen Rückwärtssalto und landete geschickt auf seinen Füßen. Sein linker Arm baumelte gebrochen und nutzlos von seinem Körper herab.

„Verfluchter Nornelf!“ ,presste er durch seine zusammengebissenen Zähne heraus. Doch der verfluchte Nornelf ließ ihm keine Pause um kurz nach Luft zu schnappen. Karon stand auf der zerstörten Spitze, klaubte die tonnenschweren Steine auf, als seien es Säcke voller Federn, und warf mit ihnen nach seinem Gegner. Kaum hatten die Brocken Karons kräftige Hand verlassen, nahmen sie die Energie seiner Muskeln auf und schossen wie Kometen auf den schmalen Jüngling zu.

Fred lies allerlei Flüche ertönen, während er den Wurfgeschoßen geschickt auswich. Er war schnell, schnell genug, um Karons Angriffen einfach zu entgehen ohne irgendeinen Schaden zu nehmen. Doch mit bloßer Verteidigung lässt sich bekanntlich kein Kampf gewinnen. Fred griff mit der rechten, unverletzten Hand unter seinen Mantel und zog im Laufen sein blankes Schwert hervor.

Nun bremste er ab, wirbelte herum und spaltete den Felsbrocken, der auf ihn zukam, mit einem kraftvollen Schwertschwung. Der Stein teilte sich glatt in zwei Teile, die seitlich an Fred vorbeirauschten und hinter ihm eine Schneise der Verwüstung hinterließen. Zwei weitere Kometen verfehlten den jungen Mann, dann hörte Karon auf zu werfen, denn über diesen Konter war er mehr als erstaunt.

In diesem Jungen steckten unheimliche Kräfte. Er war immerhin stark genug die Felsen mit einem Schwert abzuwehren. Ein normaler Mensch war Karons Gegner mit Sicherheit nicht. „Beeindruckend.“ ,gab Karon gelassen zu und grinste Fred an, „Du scheinst wirklich was drauf zu haben.“

„Hör auf zu reden, Fettsack!“ ,brüllte Fred nur hämisch grinsend zurück. Karon lachte laut auf, denn diese Beleidigung konnte er nicht ernst nehmen. Trotzdem setzte er nun wieder zum Angriff an. Karon spannte seine Muskeln an, bückte sich und vergrub die Finger ohne Probleme in den Boden unter sich. „Das sind alles Muskeln!“ ,gab er grinsend zur Antwort und zog. Der Boden unter ihm bekam Risse, während Karons Muskeln sich auf ihr äußerstes anspannten. Zwei große Risse bildeten sich, die jeweils links und rechts von ihm weg verliefen und ein großflächiges Gebiet des Gebirges umrandeten, unter anderem auch die Stelle, auf der Fred stand.

„Verdammt!“ ,brüllte dieser nur erschrocken, als Karon den halben Berg wegbrach und mit einem Schnauben in die Luft stemmte. Die gigantische Platte, auf der ein kleineres Dorf Platz gefunden hätte, lag schwankend in den beiden kräftigen Händen des kolossalen Karon. Und Fred stand direkt darauf und versuchte ungläubig sein Gleichgewicht zu halten.

Der Nornelf nahm nun all die Kraft, die sein Körper zu bieten hatte, zusammen. Adern traten auf seine Muskeln, die bis auf das äußerte angespannt waren und unter ihrer eigenen Kraft zu platzen drohten. Er nahm so gut Schwung wie er konnte, dann schleuderte er die Platte samt Fred davon in die Richtung, in der die Steppe lag. Für ein paar Sekunden sah es aus, als würde in der Ferne eine fliegende Insel durch den Himmel kreuzen. Doch dann stürzte sie ab, krachte auf den Boden und hinterließ sowohl einen ohrenbetäubenden Krach in der Ferne, als auch ein kleines Erdbeben, das sogar das Gebirge erschütterte.

Karon stand in gebückter Haltung da. Sein Atem ging schwer, hatte er doch einen Großteil der Energie in diese Aktion gesteckt. Seine baumstammdicken Arme baumelten kraftlos nach unten und brannten. Dicke Schweißperlen standen auf seinem ganzen Körper. Einer der Eisenriemen seines Kakku war beim Anspannen seiner mächtigen Muskeln doch tatsächlich einfach abgeplatzt. Doch mit jedem Atemzug kam die Kraft wieder zurück und als der Nornelf realisierte, was er gerade geschafft hatte, lief ihm ein wohliger Schauer über den Rücken. Was für eine Macht.

Nach einigen Minuten waren seine Kräfte wieder zurückgekehrt. Zwar hatte er eine Menge Energie verbraucht, doch für den Weg nach Waldbrünnlein und den Kampf gegen die Schwarzorks würde es noch reichen.

Er wollte Geedgak abholen, als er in der Ferne einen kleinen Schatten sah, der immer näher kam und größer wurde. Mit einer irrwitzigen Geschwindigkeit schoss ein Ungetüm der schlimmsten Sorte durch die Luft auf ihn zu, bremste kurz vor seinem Ziel ab und landete mit einem dumpfen Geräusch ein paar Meter vor Karon.

„Du bist unglaublich!“ ,knurrte die Kreatur, die direkt aus der Hölle entstiegen zu sein schien. Sie war gut zwei Meter groß, mit mächtigen Muskeln bepackt und mit einem harten, rotbraunen Schuppenpanzer bedeckt. Der Kopf ähnelte einem sehr breiten Totenschädel mit zwei mächtigen Hörnern. Auf dem Rücken hatte das Ungetüm zwei große, lederne Dämonenflügel. Der linke Arm baumelte kraftlos herunter, während das Monster in der Rechten Freds Schwert hielt, welches in der Pranke lächerlich klein wirkte.

„Bist du etwa…Fred?“ ,fragte Karon ungläubig. Das Monster antwortete nicht, doch der Nornelf kannte die Antwort sowieso. Deshalb hatte der schmale Knabe so große Kraft. In Wirklichkeit gehört er einem Dämonenstamm an und nun hatte er seine wahre Gestalt gezeigt. Karon biss die Zähne zusammen.

Ein Dämon war doch noch ein anderes Kaliber. Vielleicht hatte er, wie schon so oft, seinen Gegner einfach unterschätzt. Vielleicht war die Aktion mit dem gigantischen Kraftakt nicht das Klügste gewesen. Vielleicht fehlten ihm jetzt die nötigen Energien um noch zu gewinnen. Aber Fred war auch geschwächt.

„Du hast vielleicht die Kraft einen Berg zu spalten, aber glaub deshalb nicht, dass du automatisch gewonnen hast!“ ,knurrte der Dämon mit einer unheilvollen Stimme. Dann stieß er sich vom Boden ab und sauste durch die Luft auf den Nornelfen zu. Fred holte mit der Klinge weit aus und lies sie mit aller Kraft auf Karon niedergehen. Dieser spannte seinen Arm zu einem stahlharten Gebilde an und versuchte damit zur parieren.
 

Der glänzende Stahl schnitt sauber durch Karons harte Haut in den Muskel. Ein stechender Schmerz durchfuhr den Hünen. Er riss sich los und stolperte einige Schritte zurück. Dieser Fred hatte doch tatsächlich seinen Muskelpanzer durchbrochen.

Der Dämon gönnte ihm keine Pause und holte erneut aus. Mit einem lauten Brüllen sauste das todbringende Schwert direkt auf Karons Brust zu. Diesmal packte Karon in den Steinboden und riss ein riesiges Stück heraus, um es zwischen sich und die Klinge zu halten. Freds Waffe bohrte sich sauber in den harten Stein und brachte das harte Material zum Platzen.

Wieder holte Fred aus und drückte den Nornelfen immer weiter in Bedrängnis. Doch Karon riskierte einen weiteren Teil seiner kostbaren Energie. Er bündelte sie im Mund und bevor der Dämon einen weiteren Schwertstrich ausführen konnte, feuerte Karon den Energiestrahl ab. Fred war zu nah, als dass er hätte ausweichen können. Der Strahl erfasste seinen breiten Oberkörper und schleuderte den Dämon davon.

Karon atmete tief durch, denn der Energiestrahl hatte weitere Energiereserven verbraucht und ihn weiter an den Rand der Erschöpfung getrieben. Die unglaublichen Muskeln seines Körpers waren zum einem ein Segen, doch manchmal verfluchte Karon sie auch für ihren immensen Energieverbrauch.

Karon wusste nicht, wie er Fred beikommen konnte. Er war schnell und gleichzeitig sehr stark. Sicher war er in beidem dem Nornelfen unterlegen, doch wusste der Dämon exzellent mit seiner Waffe umzugehen, was ihm einen großen Vorteil einbrachte. Karon konnte sich ihm nicht nähern, ohne dass das Schwert in seinem Herz stecken würde.

„Verdammt!“ ,brüllte Karon und packte dabei einen der zahlreichen Steinbrocken, die um ihn herum lagen. Mit aller Kraft warf er sie in Freds Richtung, der sich von dem Schlag schon längst erholt hatte und sich für einen neuen Angriff bereit machte. Aus lauter Verzweiflung und weil ihm nichts Besseres einfiel wiederholte Karon einfach den Steinschlagangriff. Doch diesmal zerplatzten die Steine in der Luft wie bizarre Ballons, und das lange bevor sie ihr Ziel erreichten. Als Karon in seinem Angriff anhielt, hörte er ein surrendes Geräusch, das von den Wurfmessern kam, die die Luft zerschnitten und sich einen Bruchteil einer Sekunde später in die Brust und in den Bauch des Nornelfen bohrten.

Karon gurgelte vor Schmerz und zog sich die Messer dann mit der bloßen Hand wieder raus, was allerdings nur mehr Schmerzen und Blut zur Folge hatte. Währenddessen erhob sich Fred lachend in die Lüfte. Seine Klinge blitzte im schwachen Licht der Sonne.

Der Dämon kreiste eine Weile über dem angeschlagenen Nornelfen, ehe er zum Sturzflug ansetzte. Karon nutzte diese Zeit. Er hatte einen neuen Weg gefunden, wie er gewinnen konnte und Fred selbst hatte ihm die Lösung praktisch entgegen geworfen. Die geflügelte Bestie stieß ein letztes Mal mit ihren kräftigen Flügeln und holte mit ihrem Schwert zu einem tödlichen Hieb aus.

Kurz bevor Fred auf Karon traf, startete der Nornelf seinen Überraschungsangriff. Mit aller Kraft wuchtete er die Waffe herum, nicht mehr als eine sporadisch scharfe Eisenstange, die Karon aus den Wurfmessern gebastelt hatte, die in seiner Brust gesteckt hatten. Er hatte das Eisen der vielen kleinen Messer, die in seinen Händen so biegsam wie Wachs waren, zu einer festen Eisenstange verknotet.

Freds Schwert und Karons Wurfmessereisenstange klirrten Funken stiebend aufeinander. Jetzt zählte, wer die meiste Kraft in den Schlag gelegt hatte. Und Karon war in Punkto Kraft jedem überlegen. Das Schwert verbog sich und wurde davon geschleudert. Die Wucht erfasste auch Freds rechte Seite. Die Knochen seines Armes brachen und die Sehnen und Muskeln rissen. Fred heulte auf, als er nach diesem Überraschungsangriff kraftlos zu Boden rollte.

Karon kam sofort heran, packte den Dämonen im Nacken und hob ihn hoch. „Jämmerliche Kreatur.“ ,spie er aus, ballte seine freie Faust und lies sie mit aller Kraft in den Rücken das Dämonen fahren. Fred verlor sofort das Bewusstsein und sackte zusammen. Langsam verwandelte er sich wieder in den schmalen Jungen zurück und Karon lies ihn auf den Steinboden fallen.
 

Der Nornelf machte sich auf, in das Tal zurückzuklettern, doch Geedgak und Karz Rudolf kamen ihn auf halben Weg entgegen. „Ist es vorbei?“ ,fragte der Mann, obwohl der bewusstlose Fred wohl Antwort genug war. Karon nickte und schaute etwas betrübt drein. Mit dem Rest seiner Kräfte konnte er unmöglich gegen sechs ausgewachsene Schwarzorks kämpfen, sollten sie inzwischen das Dorf erreicht haben.

„Meine Kraft ist verschwunden.“ ,gab er schließlich zu, „Wie soll ich jetzt noch das Dorf retten?“ Geedgak versetzte ihm kurzerhand einen Schlag mit seinem Stock. „Jammer nicht rum, ich stelle deine Energie schon wieder her, während du nach Waldbrünnlein läufst.“ ,krächzte der Goblin grob und missbrauchte die Muskeln des Nornelfen abermals als Leiter, um auf seiner breiten Schulter aufzusetzen. „Das kannst du auch?“ ,fragte Karon erstaunt. „Natürlich, eine meiner leichtesten Übungen.“ ,knurrte Geedgak mürrisch.

Er legte seine kleine, grüne Hand auf Karons breite Schultern und hielt sich mit der anderen Hand am Haarschopf fest. Dann fing sein kleiner Körper an in einem leicht blauen Licht zu leuchten. Karon merkte sofort, das seine Energiereserven ganz leicht anfingen zu wachsen. Die Magie des kleinen Goblins war wunderbar wohltuend, auch wenn Karon, der jede Magie verabscheute, es ungern zugab. Doch diesmal ließ er es zu.

„Nun beeilt euch und Viel Erfolg.“ ,wünschte Karz Rudolf und Karon drehte sich endlich um und preschte los. Mit Leichtigkeit übersprang er die Gebirge in einer Geschwindigkeit, die geradezu berauschend war. Geedgak krallte sich in seine Haare und hatte alle Mühe, dass seine Magie nicht einfach abbrach bei einem solchen Rodeoritt.

Karon erreichte den Rand des Gebirges in Windeseile. Unter ihm lag nun der Steilhang, der mehrere hundert Meter nach unten führte. Karon entschloss sich, den kürzesten Weg zu nehmen, ganz zum Leid des Goblins. Wieder nahm er Anlauf und drückte sich schließlich mit aller Kraft vom Boden ab, was eine mittelgroße Steinlawine zur Folge hatte. Doch das war nun nicht mehr Karons Sorge, denn sein Körper entfernte sich mit rasender Geschwindigkeit von der Steilwand. Weit unter ihm rauschte die Steppe an ihm vorbei. Sie sah aus wie ein grünes Meer und Karon war wie eine Möwe, die es überflog.

Während der Nornelf den Flug genoss, sich umschaute und dabei unter anderem einen riesigen Krater entdeckte, in den sich ein gigantischer Stein gebohrt hatte, kreischte Geedgak wild umher, da er Angst um sein Leben hatte. Erstaunlicherweise hielt er den Wiederherstellungszauber trotzdem durch.

Schließlich sank Karon immer tiefer und schon bald landete er auf dem Rasen, wobei sein schwerer Körper in Kombination mit der Gravitation einen weiteren Krater verursachte. Doch der Nornelf stand aufrecht auf seinen Beinen. Seine Muskeln waren mächtig genug gewesen, diesen Aufprall unbeschadet abzufedern. Geedgak war etwas durchgeschüttelt und fing an sich zu beschweren, doch als der Nornelf schließlich weiterpreschte, verschlug es ihm dank des Fahrtwinds wieder die Sprache.

Der Waldrand war schnell erreicht und Karon sprang ohne zu Bremsen hinein. Bäume, Büsche und Steine, die das Unglück hatten ihm im Weg zu stehen, wurden von dem Nornelfen kurzerhand einfach im Laufen zermalmt. Geedgak schluckte und duckte sich hin und wieder, damit er nicht von umher fliegenden Holzsplittern oder Steinstücken getroffen wurde.
 

Obwohl Karon so rasend schnell war, erreichten die beiden Waldbrünnlein zu spät. Der Nornelf bremste auf dem Dorfplatz ab und konnte nicht fassen, was er dort sah. Die Schwarzorks waren tatsächlich eingefallen und noch mitten in ihrem Wutrausch. Die sechs Bestien waren gerade dabei die Häuser auseinanderzunehmen. Zahlreiche Leichen und schwerverletzte Leute lagen in den Trümmern und vor Karon auf dem Dorfplatz. Gringok, der Anführer der Bande, drehte sich um, als er Karons Anwesenheit spürte.

„Ah Karon, da bäste ja. Ich hab mich schon gefragt wode bäst!“ ,grummelte er. Der Schwarzork war notdürftig zusammengeflickt. Sein gewaltiger Körper war noch sichtbar beschädigt. Karon hatte damals gut zugeschlagen.

Karon antwortete nicht. Er setzte Geedgak ab, bedankte sich für die Energieherstellung, die definitiv für den Sieg über diese Monster reichen würde, und wies den Goblin an, so viele Menschenleben zu retten, wie ihm möglich war.

Dann drehte er sich ruckartig um, schoss auf Gringok zu und packte ihn an seiner breiten Kehle. Ein beißender Mundgeruch wehte Karon entgegen, als der Schwarzork, überrascht von Karons übermächtiger Kraft, röchelnd ausatmete. Mit der freien Hand packte Karon einen der langen Hauer in Gringoks Gesicht. Eine ruckartige Bewegung reichte, um das durch Muskeln und Fett eigentlich gut gepanzerte Genick des Schwarzorks zu brechen. Der Nornelf lies den leblosen, überaus hässlichen Körper des Schwarzorks zu Boden sinken.

Die anderen Fünf hatten ihn inzwischen auch bemerkt und die ganze Szene mit angesehen. Einer von ihnen heulte auf und rannte auf Karon zu, die anderen folgten ihm. Die fünf Schwarzorks griffen gleichzeitig an.

Karon war es unmöglich, allen Schlägen auszuweichen. Zehn starke Fäuste, die sogar Karon durch seine Panzerhaut spürte, drangen auf ihn ein. Trotzdem gelang es ihm, in dem Gerangel gezielte Treffer zu landen. Der erste Schwarzork verlor schnell das Bewusstsein und fiel reglos auf den Boden. Die nächsten Beiden folgten ihm nur einige Augenblicke später. Nun waren nur noch zwei Schwarzorks übrig, die in ihrem Angriff inne hielten und Karon entsetzt anstarrten.

Dieser Mann war ihr Tod.

Als sie das begriffen, drehten sie sich um und versuchten zu fliehen. Doch Karon lies sie nicht gewähren. Er legte zum Sprint an, packte im Laufen ihre Hinterköpfe und drückte sie mit den Gesichtern voran zu Boden. Die Wucht war erschütternd, einer der beiden Schwarzorks starb auf der Stelle, während der andere lediglich sein Bewusstsein verlor. Karon erhob sich und atmete tief ein. Dann blickte er über die Schulter zurück auf das Desaster, das die Schwarzorks angerichtet hatten. Die ersten Dorfbewohner standen, durch Geedgaks Heilung, wieder auf und irrten weinend und bitter schreiend über den Kampfplatz. Andere versammelten sich um die Schwarzorks. Einer von ihnen erhob gerade seine große Axt und trieb sie in die Kehle eines der bewusstlosen Ungeheuer.

Karon erkannte in diesem Mann Kuno, den Leibwächter des Bürgermeisters. Nach und nach lies der Krieger seine Wut an den besiegten Schwarzorks aus und beendete damit endgültig ihre Leben. Karon lies ihn wortlos gewähren.

Als Kuno die Schwarzorks auf dem Kampfplatz getötet hatte, kam er auf den Nornelfen zu, vermutlich um sich auch um die letzten beiden hinter dessen Rücken zu kümmern. „Ich gebe es ungern zu, aber du hast gute Arbeit geleistet.“ ,knurrte der Krieger, als er vor Karon stand. „Du bist allerdings auch ein Monster, das du sie so einfach besiegen konntest.“

Der Nornelf musste grinsen, denn so ein Spruch aus Kunos Mund war das höchste Lob, das man erhalten konnte. Auch Kuno gönnte sich ein Lächeln.

Die beiden zuckten zusammen, als hinter ihnen der noch lebende Schwarzork jämmerlich anfing zu röcheln. Kuno packte seine Axt und wollte ihn töten, doch Karon hielt ihn zurück. Irgendwie hatte er das Gefühl, das der Schwarzork keinen Ärger mehr machen würde.
 

Das schwarze Ungetüm röchelte fast schon herzerweichend und bäumte sich immer wieder auf. Seine Muskeln zuckten, als durchzögen schlimme Krämpfe seinen gesamten Körper. Der Schwarzork hievte sich auf seine Knie und starrte krächzend den Boden an. Schließlich übergab er sich. Aus seinem Schlund schoss ein Schwall von grüner Galle und Rotz. Ein großer Klumpen prallte dumpf am Boden auf. Dann hauchte der Schwarzork sein Leben aus und fiel tot auf die Seite.

„Er ist tot.“ ,stellte Karon trocken fest, als Kuno erneut Anstalten machte, mit seiner Axt zuzuschlagen. Doch der Krieger nickte nur. Die beiden wollten sich gerade dem Dorf zuwenden, als der schwarze Klumpen, den der Schwarzork ausgekotzt hatte, sich regte und glucksende Geräusch von sich gab. „Wa…Was ist das?“ ,fragte Kuno verunsichert. Karon zuckte mit den Schultern und ging ein paar Schritte auf den Schleimklumpen zu. Dieser regte sich immer mehr.

Das Lebewesen, das aus dem Schlund des Schwarzorks gekommen war, streckte nun seine langen, kräftigen Arme und die kleinen, viel zu kurzen, aber mindestens genau so kräftigen Beine. Das Schwarzork Junges gähnte herzhaft und fing dann an, den Schleim von seiner schwarzen Haut zu wischen.

„Ich glaube es nicht! Die Brut dieser Ungeheuer!“ ,schrie Kuno hysterisch auf und umfasste seine Axt. Mit entschlossenen Schritten ging er auf das Baby zu. Karon hielt ihn aber ab. „Du wirst doch nicht ein unschuldiges Leben töten wollen?“

Kuno starrte den Nornelfen an, als sei dieser wahnsinnig geworden. „Unschuldiges Leben? Wovon redest du da, du verdammter Trottel? Es ist ein Schwarzork! Ein Ungeheuer!“ ,schrie der Krieger los. „Es hat kein Leben auf seinem Gewissen.“ ,stellte Karon trocken fest. Sein Blick sollte Kuno zur Ruhe zwingen, doch dieser war vollkommen blind durch seine Wut auf diese Ungeheuer.

Das Schwarzork Baby leckte vergnüglich an dem grünen Schleim, der auf seiner Haut lag. Dann knabberte es quietschend an seinen Zehen. Es war zwar hässlich wie die Nacht, doch gleichzeitig auch herzerweichend süß.

„Karon hat Recht, mein lieber Freund. Wir sollten es einfach sich selbst überlassen.“ ,mischte sich nun Kauz Bruno ein, der vom Dorfplatz herübergekommen war. „Ein Glück, Ihr lebt!“ ,entfuhr es den beiden Muskelprotzen mit einem strahlendem Lächeln. Der Bürgermeister lachte wieder, obwohl es die Situation eigentlich nicht erlaubte.

Dem Wort des Bürgermeister konnte Kuno nicht widersprechen und so lies er das kleine Baby am Leben. So klein war es gar nicht. Es war schon kurz nach der Geburt so groß wie ein Kleinkind und doppelt so breit. Schon als Baby umspannten die schwarze Haut mächtige Muskeln, die mit Sicherheit so kräftig waren, wie die eines ausgewachsenen Mannes. Noch war die Haut glatt und nicht von den hässlichen Pickeln und Warzen übersäht, die man von den erwachsenen Schwarzorks kannte. Das Kleine war außerdem vollkommen nackt, nur ein schwarzer Büschel Haare schmückten seinen Kopf. In seinem breiten Maul lugten schon zwei dolchartige Hauer heraus. Irgendwie sah es mit seinen überlangen, muskulösen Armen und den viel zu kurzen Beinen aus wie ein haarloser Gorilla. Hätte das Baby gewollt, wäre es für einen normalen Menschen eine ernst zu nehmende Gefahr gewesen.

Genau deshalb wollte Kauz Bruno es auch einfach im Wald aussetzen. Das Baby war stark genug schon jetzt alleine in der Wildnis zu überleben.

„Und wenn es dann doch stirbt?“ ,wandte Karon ein. „Dann ist es der Lauf der Natur!“ ,warf Kuno energisch ein und Kauz Bruno hatte nichts weiter dazu zu sagen. Karon überlegte einige Augenblick, bis er einen irrwitzigen Entschluss fasste.

„Ich werde es einfach mitnehmen. Dann überlebt es sicher und ich kann aufpassen, dass es keinen Blödsinn macht.“ ,schlug er dann vor. Kuno klappte die Kinnlade runter, während Kauz Bruno wieder herzhaft auflachen musste.

„Es ist übrigens ein Er.“ ,sagte der alte Mann dann und deutete mit seinem Gehstock auf das Geschlecht des Babys. „Herzlichen Glückwunsch zu deinem neuen Sohn.“ ,lachte er dann auf und Karon musste grinsen, nicht ganz sicher, auf was er sich da so spontan eingelassen hatte.
 

Karon blieb noch ein paar Tage im Dorf um die Häuser notdürftig wieder aufzubauen und die Toten aufzubahren. Es waren sieben Männer und ein kleines Kind im Kampf gegen die Schwarzorks gefallen. Die Trauerfeier dauerte einen ganzen Tag.

Es verging eine ganze Woche, in der Karon sich neben der Arbeit ausruhte und sich um seinen neuen, kleinen Freund kümmerte. Das Schwarzork Baby hatte seinen Ziehvater schnell akzeptiert und genoss die Aufmerksamkeit, die der kinderliebe Hüne ihm entgegenbrachte. Die Dorfbewohner beobachteten die beiden erst mit Argwohn, doch als sie merkten, wie unschuldig und tollpatschig der kleine Schwarzork war, fingen sie irgendwann sogar an ihn lieben. Die Dorfbewohner gaben ihm den Namen Grumlok und hatten ihre Späßchen mit dem kleinen Schwarzork.

Karon verwunderte es ein bisschen, dass die Dorfbewohner keinen Groll gegen seinen Sohn hegten, doch andererseits strahlte das hässliche Kerlchen die pure Unschuld aus und konnte noch keiner Fliege etwas zu Leide tun, obwohl er durch seinen Körper durchaus dazu in der Lage gewesen wäre. Denn obwohl Grumlok kräftig war und sich schon schnell bewegen konnte, war er immer noch ein Baby.
 

Nach dieser Woche verließ Karon das Dorf. Sein Sack war gefüllt mit Proviant, der angesichts seines großen Hungers und der seines Sohnes wohl höchstens zwei Tage ausreichte. Er bedankte sich bei den Bewohnern, wünschte ihnen alles Gute und zog dann weiter, seinen unerwarteten Sohn Grumlok auf den Schultern tragend.



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