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Western Spirits

von

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Wind of Change V

Vor dem Büro Marons stellte er April behutsam auf den Boden. Seine Arme umschlangen noch ihre Taille, seinen Kopf drückte er immer noch an ihre Schulter. „Wir holen jetzt Charly und dann fahren wir nachhause, Süße“, murmelte er ihn ihre Mähne. „Guter Plan“, flüsterte sie zurück und strich ihm sanft über den Rücken. Beide bemerkten Eagle nicht, der im Gang auf sie gewartet hatte. Der machte sich nun bemerkbar. „Die Stunde abgesessen, Fireball?“, fragte er und musterte das Paar sachlich. Der Rennfahrer hob kurz den Blick und schüttelte den Kopf. Unzufrieden mit dieser Reaktion runzelte der Commander die Brauen. In was für einer Beziehung lebte seine Tochter da? Was er heute miterlebt hatte, ließ ihn doch stark zweifeln, ob sie so wirklich glücklich war. „Dir ist nicht klar, was dein Verhalten für Auswirkungen haben wird. Und zwar nicht nur auf dich, sondern auch auf deine und vor allem auf meine Tochter, Fireball“, stellte er scharf fest und verschränkte die Arme vor der Brust. Als Vater konnte er nicht tatenlos dabei zusehen. Er hielt es für seine Pflicht, seinen Schwiegersohn in sehr viel Spe dann doch mal ein paar Takte zu sagen. Der zog den Kopf ein und schaute verunsichert auf April. „Süße...?“, begann Fireball fragend, als sie sich auch noch halb aus seiner Umklammerung heraus und ihren Vater zu wandte. Sein stummes „Du verstehst mich doch“ verstand sie sehr gut. „Daddy, jetzt bitte nicht“, meinte sie leise zu Eagle. Ihr Lebensgefährte war heute hinreichend unangenehm traktiert worden. Er brauchte eine Pause, seine Tochter und die Navigatorin um das zu verdauen. Da Eagle allerdings nicht wusste, was in Marons Büro gesprochen worden war, konnte er nur erstaunt die Brauen heben. „Was für eine Beziehung soll das sein, in der alles tot geschwiegen wird?“, bekundete er offen seine Verwunderung. „Es ist nach wie vor eine wundervolle Beziehung, Daddy. Turbo wird lernen, darüber zu reden, das weiß ich. Hab Vertrauen in“ Ihr Blick glitt zum Rennfahrer. Sie hielt seine Hand und drückte sie warm. Das war der Mann, mit dem sie alt werden wollte. Sie gehörte zu ihm. Selten hatte sie das so stark gespürt, wie in diesem Moment, weshalb sie ihren Satz mit „ in uns“ beendete. Auch der Blick ihres Vaters ruhte auf dem Wuschelkopf. „Den Eindruck hatte ich nicht“, äußerte er seine Bedenken.
 

Das Paar sog scharf Luft ein. „Daddy, das meinst du nicht Ernst, oder?“, hakte April ungläubig nach. Sie hatte nie daran gezweifelt. Ebenso wenig der Japaner selbst und mit dem Rückenhalt, den die Blondine ihm gerade vermittelte, konnte er entsprechend antworten. „Alle haben geglaubt, Saber und Sincia hätten eine wunderbare Beziehung. Du hast da keine Ausnahme gemacht, Charles, und doch war das ein Irrtum. Du kannst nicht wissen, wie gut oder wie schlecht unsere Beziehung ist, weil es nicht deine ist. Nur April und ich können das beurteilen.“ Demonstrativ legte er der jungen Mutter den freien Arm um die Schulter und erwiderte ihren Händedruck mit der anderen. Eagle konnte nur den Kopf schütteln. Fireball hatte es nötig, sich jetzt aufzuspielen, wo er ebennoch wie ein wimmender, unreifer Kindskopf den Schwanz eingezogen hatte, scheinbar ohne Rücksicht auf irgendwelche Konsequenzen. Das war mal dreist. Allerdings, so geschlossen und einig, wie die beiden jungen Eltern sich vor ihm aufbauten, schien doch irgendetwas an dieser Sitzung ein Erfolg gewesen zu sein. Nur, wie viel und wie anhaltend war das?
 

Eagle stieß schwer Luft aus und bedeutete April, zu ihm zu kommen, um sich mit ihr kurz allein zu unterhalten. Es war ihm Ernst und den starrsinnigen Hitzkopf, den der Rennfahrer gleich auszupacken würde, als könne man den noch ernst nehmen, konnte Aprils Vater dabei nicht gebrauchen. Mit leichtem Widerstreben ließ sie Fireball los und trat zu ihrem Vater. „Bist du dir ganz sicher, dass es das ist, was du willst?“, fragte er ernst und besorgt, mit den Bedenken, die nur Väter haben können. „Wie kommst du denn nur darauf, Daddy?“, wollte sie entsetzt wissen, unfähig, nach allem was sie gehört und gesehen hatte, seine Bedenken zu verstehen. „Weil du vor hin alles andere als glücklich zu sein schienst“, erläuterte er ihr schlicht. „Ich kann auch nicht glücklich sein, wenn ich sehe, wie sich mein Freund quält und nichts anderes war das bei Professor Maron. Fire ist der liebevollste Mann und Vater, den ich kenne. Nur, weil er mit dem Fall rund um die Mine noch nicht umgehen kann, weil er noch nicht darüber reden kann, ist er noch lange kein schlechter Mensch. Nein, gerade, weil es ihm damit schlecht geht, ist er das nicht. Er braucht mich jetzt, Daddy. Bitte sag so etwas nie wieder.“ Sie warf dem Japaner einen kurzen Blick zu, ehe sie ihn weiter leidenschaftlich verteidigte. „Wir haben schon so viel zusammen durchgemacht, wir werden auch das überstehen. Er wird mich nicht im Stich lassen, niemals. Das weiß ich“, schwor sie aufrichtig. Eagle musterte sie nachdenklich und nickte schließlich zögerlich. „Gut April. Dann will ich mich raushalten“, erwiderte er und hoffte, dass seine Zweifel wirklich unbegründet waren. So wie sich seine Tochter für ihren Freund eintrat, wollte er gern daran glauben. Seiner Tochter lag es schließlich im Blut, die zu verteidigen, die ihr etwas bedeuteten. Wie sehr, erkannte er, als sie einigermaßen harsch forderte: „Ich bitte darum. Solange Fire und ich uns haben, wird alles gut.“ Ein wenig getroffen fuhr der Commander zurück. „Verzeih deinem Vater, dass ihm dein Wohl am Herzen liegt“, murmelte er gekränkt. Beschämt schaute die Blondine zu Boden. Da hatte sie wohl ihre Krallen etwas zu sehr ausgefahren, vor allem gegen ihren Vater. „Entschuldige, Daddy. Es ist nur“, begann sie kleinlaut. „Ich liebe den Chaoten da drüben wirklich. Er ist das, wonach ich immer gesucht habe und wie ich vorhin schon gesagt habe, er ist ein liebevoller Vater und Partner.“ Ihre Augen strahlten bei ihren letzten Worten und der Rauschebart konnte nur noch mild lächeln. Ja, das war seine Tochter. „Solange du glücklich bist.“ Damit nahm er sie liebevoll in die Arme. „Das bin ich jeden Moment, den ich bei ihm sein kann“, entgegnete sie und erwiderte die Umarmung. Eagle unterdrückte ein Seufzen. „Fahrt ihr Charly abholen?“, wechselte er das Thema. „Ja“, nickte April und lächelte leicht. „Wir hatten für heute genug Aufregung. Sollen wir dich mitnehmen?“ Das Lächeln ihrer Mutter. „Nein schon gut“, wiegelte er ab. „Fahrt nur. Ich hab hier noch zu tun.“ Wieder nickte sie und drückte ihm einen liebevollen Kuss auf die bärtige Wange. „Wir sehen uns spätestens Sonntag“, verabschiedete sie sich. „Ja, bis dann.“ Er sah ihr nach, wie sie zu Fireball zurückstürmte, seine Hand nahm und mit sich fort zog. Der Rennfahrer hatte kaum Zeit, die Hand zum Gruß zu heben, da verschluckte die beiden auch schon der Fahrstuhl. Dem Wuschelkopf war es ganz recht. Schnell wieder Heim, sich mit seiner Tochter und seiner Freundin aufs Sofa kuscheln und über alles reden, nur erst mal nicht mehr über die heutige Sitzung. Dass Eagle sich vornahm, dennoch ein wachsames Auge auf den ehemaligen Ramrod-Piloten zu haben, konnte der sich an einer Hand ausrechnen.
 

Selig döste Fireball etwa eine Stunde später mit Charlene auf dem Arm, auf dem Sofa liegend, vor sich hin. Die Welt war wieder im Lot. Schmunzelnd löste April ihren Blick von diesem Bild. Wie hatte er auf der Heimfahrt gesagt. „Wenn Colt ein Vorschlaghammer, Saber ein Bohrhammer und du, Süße, gelegentlich ein Dampfhammer bist, wie kann ich da was anderes werden, als behämmert werden?“ Immerhin fand er zu einer Portion Galgenhumor zurück, was in der jungen Mutter den Glauben bestärkte, dass er in Zukunft wirklich lernen würde, über Dinge zu sprechen, die ihn so schwer belasteten. Lächelnd begann sie die Wohnung aufzuräumen.
 

Ein paar Stunden Fireballs und Aprils Tochter zu hüten, hatte Colt gezeigt, wie sehr er sich auf den eigene Nachwuchs freute, und Robin den Wahrheitsgehalt der Geschichten bewiesen, in denen Chily ihr erzählt hatte, wie verrückt der Kuhhirte nach Kindern wäre. Immerhin hatten sie heute trotz des süßen, kleinen Gastes, der Colts ganze Aufmerksamkeit genossen hatte, auch viele Arbeiten in Timotheys künftigem Zimmer erledigt. Zufrieden mit diesem Tagewerk, schlummerte Colt rasch ein und träumte süß. Robin erkannte es an seinem Lächeln. Er kicherte so gar ihm Schlaf. Was er wohl träumte?
 

Mit großen, weit aufgerissenen Augen schwor der blonde Junge „Papa, da ist ein Mann im Schrank.“ Der Lockenkopf schüttelte diesen. „Tim, ich habe schon dreimal nachgesehen. Da ist niemand“, versicherte er seinem Sohn, der sich in den hintersten Winkel seines Bettes verkrochen und halb unter der Bettdecke vergraben hatte, als könne ihn der Stoff beschützen. „Doch Papa, ganz bestimmt ist er da“, erklärte der Kleine verängstigt. Colt war mit seinem Latein am Ende. Es wurde langsam spät und es war längst Zeit, dass sein Sohn schlief. Aber solange er sich vor Männern fürchtete, die nicht in seinem Schrank existierten, war daran nicht zu denken. Dem Scharfschützen gelang es nicht, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Er konnte doch seinen Sohn nicht als übergeschnappten, kleinen Spinner abtun. Er schüttelte noch mal den Kopf. „Ich bin gleich wieder da.“ Damit verließ er das Kinderzimmer. „Papa“, rief ihm der Dreikäsehoch verunsichert nach und harrte mit Bange der Dinge, die da kommen würden, oder der Männer in seinem Schrank. Schraffen Schrittes war Colt zurück, einen Blaster in seiner Hand. „Also, du bist sicher, dass er immer noch da drinnen ist?“, hakte er nach. Sein Sohn schaute ihn verdattert an und nickte. Also dann. Colt zielte mit der Waffe und feuerte das Magazin auf den Schrank ab. Timothy versteckte sich erschrocken unter der Bettdecke und wagte erst hervorzulugen, als die Schüsse aufhörten. „Wenn da jetzt noch ein Mann drin ist, dann geht es ihm sehr schlecht“, erklärte der Cowboy ihm aufmunternd. Die Bettdecke flog zur Seite und Junior sprang strahlend vor Erleichterung auf dem Bett herum, bis Robin mit düsterer Miene und in die Hüften gestemmten Händen in der Tür erschien. Ihr Gesichtsausdruck verriet alles andere als Freude über offenkundig grundloses Schießen im trauten Heim, inklusive der Zerstörung des Mobiliars. „Ich hab wieder Angst, Papa“, ließ sich der Zwerg bei dem Anblick seiner Mutter kleinlaut vernehmen und legte seine kleinen Arme um Colts Hals. Der schluckte trocken, in Vorahnung auf das Donnerwetter, zu dem seine Frau offenbar gerade in Stimmung war. „Aber auf Mama muss ich nicht schießen“, versicherte er hastig und verlegen seinem Stammhalter. „Sie ist eine ganz Liebe und bestimmt kein Monster.“ – „Aber sie guckt so“, widersprach der Junge und trat den Beweis an, dass er nach seinem Vater kam. „Ach was.“ Er verstrubbelte dem Kind aufmunternd die Haare. „Mama ist immer ganz lieb“, betonte er noch einmal und gab mit betretenem Blick auf seine Angetraute zu. „Nur der Schrank ist ein bisschen hinüber.“ – „Ein bisschen?“ wiederholte Robin ungehalten. „Das ist kein Schrank mehr, das ist Kienholz“, fuhr sie auf. „Haben wir wenigstens schon genug Holz für den Winter, mein Liebling“, grinste Colt schief zurück. Die großen, unschuldigen Augen, die sich bei dieser Aussage, sowohl von Vater, als auch von Sohn auf sie richteten, verfehlten ihre Wirkung nicht. „Und brauchst keine Ausrede mehr um dich vorm Holz hacken zu drücken“, meinte sie, ein Grinsen unterdrückend. Ihre beiden Chaoten immer. „Da brauch ich ja kein Holz mehr zu hacken. Hab es ja vorgezogen“, erläuterte der Scharfschütze noch einmal. „Hör auf damit. Du musst ja gar nicht auf die Couch“, schaltete sich Timothy altklug ein, dem weder die unterdrückte Belustigung seiner Mutter entgangen, noch die Masche seines Vaters unbekannt war. Erleichtert löste er sich von seinem Vater und ließ sich zufrieden aufs Bett plumpsen. Colt nahm dafür lieber mal treuherzig seine Frau in den Arm. „Muss ich wirklich nicht?“, hakte er mit dem Blick eines reuigen Sünders nach. Liebevoll strich Robin ihm über die Wange. „Nein mein Schatz“, begann sie sanft lächelnd, „diesmal geht es in den Keller“, fügte sie keck grinsend hinzu. „Was?“ Geschockt schluckte der Cowboy. Auch Junior auf dem Bett sprang erschrocken auf. „Mama?“, rief er entsetzt und jetzt lachte Robin laut heraus. „So hab ich mich gefühlt, als ich die Schüsse gehört hab“, gluckste sie. „Entschuldigung. Aber jetzt ist da kein böser Mann mehr im Schrank“, rechtfertigte Colt sich und schaute reichlich belämmert drein. Die Lehrerin wunderte sich über diese Entschuldigung nicht wirklich. Besonders, als Timothy auch noch ergänzte: „Und wenn, dann geht es ihm sehr schlecht.“ Nein, da blieb nur noch die Frage, wer von ihren beiden Männern eigentlich das größere Kind war.
 

Hatte er da gerade was von einem Mann im Schrank gemurmelt? Robin beschlich der Verdacht, dass der Film „Immer Ärger mit Major Paine“ ihren Zukünftigen dauerhaft auf dumme Ideen bringen würde. Aber er schien glücklich, mit dem, was er träumte. Sie löschte das Licht und schmiegte sich an ihn.
 

Was Colt in der Nacht sonst noch geträumt hatte, das er überhaupt geträumt hatte, daran erinnerte er sich am nächsten Morgen nicht mehr. Aus einem Grund, den er sich nicht wirklich erklären konnte und der ihm eigentlich auch egal war, drängte es ihn an einen ganz bestimmten Ort. Er musste dorthin, das fühlte er. Es war wichtig, um es abzuhaken. So entführte er, recht wortkarg, Robin auf einen Spaziergang. Verwundert über sein Schweigen, betrachtete ihn die Schwangere. Er schien ein Ziel zu haben, sagte aber mit keiner Silbe welches. Er ergriff nur ihre Hand und umschloss sie mit behutsamem Druck. Sie erwiderte diesen, fragte aber erst, wohin es ginge, als sie schon halb aus der Stadt heraus waren und es hier nur noch einen weitläufigen Friedhof und seinen angrenzenden Park gab. Verwundert schaute sie ihn an, als er antwortete. „Zu einem Freund.“ Robin sah sich um und erkannte, dass der Lockenkopf den Weg zum Friedhof eingeschlagen hatte. Dann ging es ihr auf. Sie hatte bis eben nicht gewusst, wo Dooley beigesetzt worden war, aber da der Scharfschütze zu einem Freund wollte und hierherkam, war ihr alles klar. „Zu diesem Freund also“, stellte sie leise fest. Er nickte leicht. „Alle anderen hätten wir doch angerufen und gesagt, dass wir vorbeikommen“, gab er schlicht zurück. „Stimmt. Nur“, begann die Schwangere nachdenklich, „ich hätte nicht gedacht, dass du mich mitnimmst.“ Sie schritten durch das Eingangstor. Colt hob verwundert den Blick. „Wen sollte ich denn sonst mitnehmen?“, fragte er und führte sie durch die Gräberreihen. „Für gewöhnlich niemanden. Oder Chily.“ Jetzt richtete die Blondine die Augen auf ihre Füße, welche unter dem leicht gewölbten Bauch noch gut zu sehen waren. Sie begriff, was das bedeutete. Nicht nur Chily hatte das Feld für die neue Number 1 geräumt, deren bester Freund hielt sie auch nicht zurück. Nein, Colt wollte wirklich die Lehrerin an seiner Seite haben und mit ihr alles teilen, was in ihm vor sich ging. „Was soll denn Chily hier?“, fragte der Scharfschütze nun. „Sie kennt ihn ja nicht mal.“ Wieder nickte die blonde Lehrerin. „Aber sie ist deine beste Freundin“, erklärte sie. „Ja, genau. Meine beste Freundin. Nicht die Frau, der ich einen Antrag und einen dicken Bauch gemacht hab“, kam es schlicht und schlecht formuliert von ihm zurück. Ihr schoss die Röte ins Gesicht. Einmal mehr hatte der Cowboy klipp und klar gesagt, was er wollte, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie es wirkte. Aber sie verstand ihn und mochte diese tollpatschige Art, die er wohl ewig behalten würde, manche Dinge zu sagen.
 

Sie hielten an Dooleys Grab. Der Scharfschütze sah von dem Bild seines Mentors zu Robin auf und bemerkte erschrocken ihr rotes Gesicht. „Geht es dir nicht gut, Schatz? Du bist so rot. Willst du dich kurz ausruhen?“, fragte er besorgt, darüber, dass sie sich überanstrengen könnte. Dass seine Ausdrucksweise für ihre Röte verantwortlich war, auf die Idee kam er nicht. Sie wandte den Blick zum Grab und dem Foto von Dooley darauf. Zu Lebzeiten hatte sie ihn nie gesehen und jetzt hatte sie nur dieses Bild. Ihm persönlich begegnet zu sein, hätte ihr besser gefallen, aber sie erkannte auf dem Bild doch genug. Ein Mann, der auch eine Maske trug, ähnlich wie Colt, und dessen Gedanken und Gefühle sich hinter einem eher losen, von Coolness geprägtem Mundwerk verbargen, als könne ihn nichts wirklich aus der Fassung bringen. Tief im Inneren jedoch waren die wahren Empfindungen verborgen. Wohl behütet, wie auch diejenigen, die ihm etwas bedeuteten. „War Dooley nicht mal beim KOK?“, fragte sie nach einer Weile, die sie gebraucht hatte, um sich an die kargen Informationen zu erinnern, die Colt über seinen Mentor seither preisgegeben hatte. „Ja, lange Zeit. Ein überzeugter Star Sheriff. Überzeugt von dem, was er tat. Eigentlich in allen Dingen. Trotz des Missverständnisses wegen des Konvois, hielt er ihnen immer noch die Treue und ließ nichts auf Eagle kommen“, erwiderte der Lockenkopf nachdenklich. Die Schwangere erkannte den Ton in seiner Stimme. Ähnlich hatte ihr Zukünftiger geklungen, als er sich ihr bezüglich seiner Eltern anvertraut hatte. Deshalb setzte sie sich nun. Es bestand die Hoffnung, jetzt auch mehr über Dooley zu erfahren. „Bist du durch ihn zum Oberkommado gekommen?“, wollte sie leise wissen. „Tut mir leid, Colt, ich weiß das alles nicht.“ Er nickte leicht. Sie musste sich nicht entschuldigen, er hatte ihr nichts erzählt. Woher sollte sie es also wissen? „Hm. Ist wie mit Mum und Dad“, murmelte er. Darüber zu sprechen war schwer. Nicht mehr so sehr, wie er gedacht hatte, aber auch nicht so leicht, wie er erhofft hatte. „Er hat mich nicht zum KOK gebracht. Das wollte ich nicht, schien mir alles zu streng und diszipliniert. Darum hat er mich zum Kopfgeldjäger ausgebildet“, gab er dann Auskunft. „Aber ohne deine Spürnase hätte der beste Ausbilder nicht helfen können“, lächelte sie warm. „Er war dein Freund.“ Abermals nickte der Lockenkopf. „Einer der Besten, nicht nur als Schütze.“ Er schluckte trocken. Wieso nur fehlte ihm der Komiker so? Colt hatte selten so in sein Bewusstsein gelassen, wie wichtig ihm Dooley war und nun, hier am Grab, war es am stärksten zu fühlen, und am empfindlichsten. Robin strich ihm über die Wange, konnte genau spüren, was in ihm vorging. „Ach Colt. Er hat dich ein Stück des Weges begleitet und das aus dir gemacht, dass du heute bist“, sagte sie leise und er konnte nur bestätigen. „Ohne ihn wäre ich es nicht.“ Er blinzelte aufsteigende Tränen weg. Verdammt, wieso stiegen die ihm eigentlich immer wieder in die Augen, wenn es um so etwas ging. Er war doch kein Weichei. Aber er konnte es nicht verhindern und wenn er ehrlich war, schämte er sich auch kaum noch dafür. Trotzdem: Mussten diese Tränen denn wirklich sein? Verflixt noch mal. Na ja, Robin küsste ihn auf die Wange, nah unter dem Auge, beinahe, als würde sie jene Tränen wegküssen. „Es ist gut so, wie du bist“, murmelte sie dabei. Er schniefte leicht. Wieder küsste ihn die Lehrerin und ihr Zukünftiger öffnete sich noch etwas mehr. „Ich war so wütend damals. Einfach nur wütend. Auf alles und jeden. Und er hat, er war da. Verstehst du? Ich hab so viel Scheiße gebaut und hab mich immer gefragt, wann er mich vor die Tür setzt. Ich an seiner Stelle hätte mich selbst rausgekickt. Warum hat er das nie?“, sprudelte es aus ihm hervor. „Weil er wusste, dass du ihn brauchst“, erwiderte sie schlicht. „Du hast ihn so sehr gebraucht, wie wir dich brauchen.“ Dabei wies sie leicht auf ihr sich sacht wölbendes Bäuchlein. „Aber …“ Colt wusste nicht, was er sagen wollte. Es war nur wichtig, sie jetzt nah bei sich zu haben und so zog er sie fest in seine Arme. Die Blondine erwiderte diese Umarmung und schmiegte sich an ihn. „Nichts aber, mein Schatz“, wiegelte sie den schwachen Protest seinerseits ab. „Ich werde nie kapieren, wie er das konnte. Ich habe mehr Schaden angerichtet, in der Zeit, die ich bei ihm gewohnt habe, als du dir vorstellen kannst. Er hat es mir nicht mal in Rechnung gestellt. Er wollte nichts davon hören.“ Mit denkbar schlechtem Gewissen erinnerte sich Colt an beschädigte Vitrinen, Böden und Möbelstücke, die er auf dem Konto seines damaligen Frustes zu verbuchen hatte. „Das tun Freunde für einander. Das tut Familie für einander“, erklärte sie leise, um ihm seine Schuldgefühle diesbezüglich zu nehmen. „Das mindeste ist, dass wir Junior nach ihm benennen. Das war wirklich eine sehr schöne Idee von dir“, raunte er zurück und wiegte die Schwangere sanft. Es war eines der vielen Dinge, die er so sehr an ihr liebte. Robin nickte. „Er hat es verdient.“ Davon war sie nun noch mehr denn je davon überzeugt. Colt musste erstickt lachen. „Aber er würde mir die Ohren dafür lang ziehen, wenn er könnte“, brachte er schief grinsend hervor. „Er müsste sie mir lang ziehen, denn es war meine Idee“, wiegelte sie ab. „Das würde er nie. Dich mochte er zu sehr. Außerdem sagte er immer: Frauen behandelt man wie Gläser. Vorsichtig, sonst zerbrechen sie“, klärte er sie auf. Sie schmunzelte keck. „Das hätte er dir ein zwei Mal öfter sagen sollen“, meinte sie neckend. Wieder machte sich Colts schlechtes Gewissen bemerkbar, war es ihm im Gesicht abzulesen. „Teilweise konnte er reden, was er wollte. Ich wusste alles besser und hatte es mit dem Zuhören nicht so“, gestand er beschämt. „Das Problem kenne ich. Aber ich weiß, wie man nicht zum Zuhören bringt“, versicherte sie lächelnd und gab ihm einen sanften Kuss. „Hätte er das versucht, hätte ich ihn getötet“, murmelte der Lockenkopf in diesen Kuss, ehe er sie innig näher zog und den Kuss intensiviert. Gedanklich seufzte die werdende Mutter schmunzelnd. Typisch Colt. Der Scharfschütze strich ihr durchs Haar und schaute ihr fest in die Augen. „Das Beste, das mir je passiert ist, bist du“, erklärte er ernst, wie selten zuvor. Unter diesem aufrichtigen Geständnis konnte die Lehrerin nur geschmeichelt lächeln. Was für ein Kompliment, ganz besonders unter diesen Umständen. Allerdings war dem mal wieder nicht so klar, was er da wirklich gesagt hatte, beziehungsweise, was es auslösen konnte. Besorgt legte er ihr die Hand auf die Stirn. „Wir sollten wieder heimgehen. Dir scheint es nicht so gut zu gehen heute. Hast du Fieber?“ Sie schüttelte den Kopf. „Mir geht es gut, Colt“, versicherte sie ihm leicht kichernd, „aber du machst mich verlegen.“ Verdattert sah der Scharfschütze sie an. „Wie das denn? Was mach ich denn? Was sag ich denn? Ich sag doch nichts, dass ich nicht hätte sagen sollen. Oder?“ Er schaute aus der Wäsche, wie ein Hund der geschimpft wurde und nicht verstand, warum. Robin konnte beim besten Willen ein weiteres Kichern nicht unterdrücken. Das war ihr Kindskopf, wie er leibte und lebte. „Du bist so süß“, schmunzelte sie aufrichtig und herzlich. „Und so etwas, mein kleiner Schatz, ist ein Kompliment“, erklärte sie ihm dann liebevoll. So ganz konnte er ihr nicht folgen, konnte aber auch nicht verhindern, dass es zur Abwechslung mal er war, der rot wurde. Noch etwas mehr, als seine Braut fort fuhr: „Dafür liebe ich dich. Weil du ohne nachzudenken sagst, was dir durch den Kopf geht. Das ist so süß.“ Sanft strichen ihre Finger über seine Wange. Ein Glück konnte sie davon ausgehen, dass er immer so bleiben würde. „Und ich liebe dich dafür, dass ich sagen kann, was ich denke, ohne ständig eine rein zu bekommen“, brachte er schließlich heraus. „Nein, du kriegst nur eine von mir drauf, wenn du wieder mal ausflippst“, schmunzelte sie noch immer zurück. „Ausflippen? Ich? Bin ich noch nie. Hab nur mal etwas deutlicher gesagt, was ich gedacht hab. Wenn ich dann noch gedacht hab“, versuchte er diesen Vorwurf abzuschwächen und dies in einer Weise, die einem kleinen, verschmitzten Schuljungen glich. Lachend schüttelte Robin den Kopf und ließ gern zu, dass er sie noch mal an sich drückte und ihr einen ungestümen Kuss auf die Lippen presste. „Lass uns heimgehen“, meinte er leise. Sie nickte, verlor sich in seinen Augen für einen Moment und murmelte beinahe ergeben: „Ja, lass uns heim gehen.“ Er stand auf und griff nach ihrer Hand. Einen langen, noch bekümmerten Blick warf er auf Dooleys Grab. Robin drückte Colts Hand sanft. Er eiste seinen Blick los und schaute sie an. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, ehe er den Heimweg mit ihr einschlug.
 

„Na, einer muss ja auf dich aufpassen. Immer noch, Kleiner. Weil du dich manchmal benimmst, als hättest du gar nix kapiert. Aber deine Robin ist schon die Richtige. War sie schon, als du mir zum ersten Mal von ihr erzählt hast. Sie war die erste, abgesehen von dieser Chily, deren Namen du dir gemerkt hast. Ich erinnere mich. Du sagtest: „Ich hab ein tolles Mädchen getroffen.“ Dachte nur: ‚Mal wieder‘, dann meintest du: „Ihr Name ist Robin.“ Da wusste ich, sie ist was Besondres. Ach Kleiner. Sie durchschaut dich genauso gut wie ich.“ Verhalten feixte er. „Sie hat nur die besseren Methoden, dir in den Hintern zu treten. Aber klar. Sie ist schließlich eine Frau.“ Diesmal lachte er lauter. „Hast mehr Glück als Verstand. Immer noch. Willst deinen Sohn Timothy Gary nennen. Gary ist okay. Aber nach mir? Bist echt nicht ganz dicht. Eindeutig. Hättest ihr das ausreden sollen. Aber wie, hm? Wirst ja weich, wenn du ihr in die Augen guckst. Wachsweiche Wüstenmaus, du.“ Er amüsiert blitzten seine Augen. „Nach mir. Ausgerechnet. Aber du weißt es ja eh mal wieder besser. Kleiner Klugscheißer.“ Das Lachen zu unterdrücken misslang. „Nee, nee. Du machst das schon. Hast du immer irgendwie. Mal mit Verstand, mal mit Glück, aber deinen Weg bist du immer schon gegangen und endlich weißt du mal, wohin du gehörst und willst. Ist okay so. Nur eins, eins tut mir leid. Die Sache mit der Miene. Hätte dich gern da rausgehalten. Und deine Freunde auch. Wusste, mit Saber hätte ich dich schützen können. Aber dass wir eine Verräterin in unseren Reihen haben... Hätte wohl damit rechnen sollen. Tut mir leid, dass es so gekommen ist. Hast es für mich beendet. Danke dafür. Schade nur, dass ich dir das nicht so bald sagen kann. Und schade, dass ich nicht auf deiner Hochzeit tanzen kann. Hätte Robin gern zum Altar geführt oder einen auf Trauzeuge gemacht. Sorry, Kleiner. Nicht alles liegt in unserer Macht. Na ja. Weißt ja. Ohren steif halten und so. Pass auf euch auf …“
 

Sanft und bedächtig trugen die Pferde ihre Reiter über das flache, endlos scheinende Land. Sie erwartete in der Ferne die natürliche Begrenzung durch die Bergmassive oder, nachdem sie ein Waldstück durchquert hatten, durch den Ohio zu sehen. Doch beides tauchte nicht auf Chily wurde sich bewusst, dass sie sich nicht auf der Steppe um Tucson-City befand, sondern im Flachland um Yuma. Seit sie die Stadtgrenze hinter sich gelassen hatte, trabten Demon und Steed friedlich über die tatsächlich endlosen Weiten. Kein Gebirge würde sich in ihr Sichtfeld schieben. Nur wenn sie sich umwandte und zurückblickte, schaute sie auf die Skyline von Yuma. Chily seufzte leise in einer seltsamen Mischung aus Schmerz und Freude. Saber warf ihr einen besorgten Blick zu. Er musste nicht fragen, sie antwortete auch so. „Es ist nichts, Manapi. Mir ist nur klar geworden, dass ich eine neue Heimat habe.“ Ihre Stimme klang dabei, als wäre sie gedanklich in der alten Heimat, fern von ihm. Entsprechend beunruhigt, da es bedeuten konnte, sie wolle vielleicht dahin zurück, hielt sein Blick sie nun fest. Sie lächelte warm. „Keine Angst. Ich habe nicht vor nach TC zurück zu gehen. Vor allem nicht ohne dich. Es ist nur …“ Sie suchte nach Worten. „Alles ändert sich. Die Freunde, die man hat, gewinnt oder verliert. Die Art, wie man Entscheidungen trifft und wofür man sich entscheidet. Einfach alles. Verstehst du?“ Saber nickte vage. So ganz konnte er ihr noch nicht folgen, aber er erahnte die Richtung. „Ich, du, wir beide sind uns immer selbst treu gewesen“, begann sie noch einmal, „also müssten wir doch noch dieselben sein, wie vor einem Monat oder vor einem Jahr. Aber das sind wir nicht. Seltsam irgendwie.“ Sie lachte verlegen. „Und gerade“, fuhr sie fort, „ist mir klar geworden, das selbst Heimat sich ändert. Der Ort unserer Kindheit. Sobald wir ihn verlassen, wächst er nicht mehr mit uns. Wir entfremden uns davon. Einfach, weil nichts still steht, weil Leben Veränderung ist.“ – „Das ist immer schon so, Jolene“, entgegnete der Schotte. Sie nickte schlicht. „Ich weiß. Es ist ja auch gut so. Und richtig. Ich trauere der Vergangenheit auch nicht nach. Es ist mir nur gerade bewusst geworden. Das ist alles.“ Saber lächelte mild. So leichthin wie eben, gab sie immer ihre Gedanken kund. Das war etwas, was auf andere bizarr wirken konnte, weil schwer war, den Sprüngen jener Gedanken zu folgen, aber der Schwerschwinger liebte es an ihr. Es war ihr Wesen, ihre Art und vor allem eben ihr Gefühl. Saber verstand gut, was sie meinte. Für gewöhnlich liefen Veränderungen leise und kaum merklich ab. Doch in der letzten Zeit brachen sie wie ein Sturm über die Freunde herein. Nein, kein Sturm, korrigierte er sich gedanklich. Sie waren ein frischer, sanfter Wind, der jeden von ihnen umstrich.
 

Er betrachtete sie eine Weile nachdenklich. Sie hatte recht, mit dem, was sie gesagt hatte. Sich selbst treu zu sein, bedeutete trotzdem, sich zu ändern. Sie war ein guter Beweis dafür. Ihre einst so übermächtige Freiheitsliebe hatte ihre Macht verloren und sich in haltlose Liebe zu ihm gewandelt. Bedingungslos hielt sie zu ihm, war sie bei ihm und immer da, wenn er sie brauchte. Sie war noch immer der impulsive, emotionale Wirbelwind. Allerdings wirbelte sie nur noch um ihn und die Freunde, mit der gleichen übersprudelnden Zuneigung. Und er selbst? Er selbst war wohl lebendiger geworden, nicht mehr nur ernsthaft, sachlich und distanziert. Er lebte intensiver und sehr viel bewusster. Teilweise so intensiv, dass seine Gefühle ihn übermannten und Eifersucht zu ließen. Nicht unbedingt die positivste Entwicklung, auch wenn die Angst seine Frau zu verlieren, worauf sich ja seine Eifersucht begründete, bewies, dass er zu weit tieferen Gefühlen fähig war, als jeder andere, auch er selbst, geglaubt hatte.
 

Wenn er an seine Freunde dachte, stellte er ähnliches fest. Der frische Sonnenschein April blühte in ihrer Rolle als Mutter weit mehr auf, als in ihrer Arbeit als Navigatorin und Wissenschaftlerin. Ihre warmen Strahlen um flirrten Charlene und Fireball. Der hatte endlich begonnen, sich den unangenehmen Dingen seiner Vergangenheit zu stellen. Endlich wich er dem nicht mehr rückradlos aus, sondern reifte daran, wurde erwachsener. Ernsthaft und konsequent fing er an, sich mit dem Tod der beiden Kolleginnen und den Begleitumständen auseinanderzusetzen. Mehr noch, er erkannte allmählich, was und vor allem wer sein Vater war, begriff, dass ein Vergleich mit ihm nicht die Gegenüberstellung mit einer übermächtigen Streitmacht war. Mehr und mehr wurden sie einander ebenbürtig. Zeit wurde es.
 

Sabers Gedanken schweiften zu Robin ab. Die liebevolle, manchmal unerschütterlich strikte Lehrerin hatte gelernt zu zweifeln. Mit der Schwangerschaft waren ihr gleichermaßen auch Bedenken an ihren Fähigkeiten als Mutter gekommen. Ihr warmes, verständnisvolles Wesen, das ebenso konsequent und unnachgiebig sein konnte, war nach Sabers Auffassung genau das, was sie zu einer wundervollen Mutter machen würde. Nun wurde es noch um ein gesundes Maß an Selbstreflektion erweitert. Sie würde den Wilcox’schen Stammhalter ebenso im Zaum halten, wie seinen Vater. Der Schotte schmunzelte. Noch etwas war ihm aufgefallen. Colt hatte für all diese Veränderungen gesorgt. Unbeabsichtigt, aber ganz bestimmt. Hätte der Scharfschütze sie nicht alle zusammen gerufen und ihnen Chily vorgestellt, wären diese Veränderungen nicht so abgelaufen. Colt war der Ausgangspunkt, wie man es auch drehte und wendete. Er hatte den Stein ins Rollen gebracht, als er Saber und Chily miteinander bekannt gemacht hatte. Seine Sticheleien bezüglich Aprils Schwangerschaft hatten das junge Paar aus der Reserve gelockt und noch etwas stärker zusammen geschweißt. Ähnlich, wie auch der Recke und seine Frau sich gegen die Gluckenanfälle des Scharfschützen gemeinsam gewehrt hatten. Hätte Colt sich manche Aussage verkniffen, hätte Fireball nie die Schuld für den Fall um Pennyrile und seinen Verlauf bei sich gesucht. Folglich hätte der Wuschelkopf auch nicht, oder nicht so bald begonnen, aufzuarbeiten, was er so konsequent verdrängt hatte, nämlich das Gefühl zu haben, im Schatten seines Vaters zu stehen. Über kurz oder lang kam man immer wieder darauf zurück, dass alles begonnen hatte, als sich die vier Starsheriffs im Café in Tucson-City getroffen hatten.
 

Saber schüttelte kaum merklich den Kopf und sah zu seiner Angetrauten. „Ich sehe, du denkst dasselbe, wie ich“, lächelte sie leicht. Er nickte schlicht. Sie grinste zufrieden. „Lass uns zurück reiten“, schlug sie vor und presste Demon ihre Schenkel in die Flanken, sodass der träge kehrt machte. Saber folgte ihr, betrachtete den sanften, wiegenden Ritt der bunt gesträhnten Blondine auf die Skyline Yumas. Ein schöner Anblick.
 

Durch die Räume, die größtenteils noch leer waren, hallten deutlich die Stimmen zweier Männer. Das NoRiNoFu steckte mitten in den Umbauabreiten und wer seine beiden Inhaber, welche gerade so debattierten, nicht kannte, hätte geschworen, sie stritten, so energisch klangen sie.
 

„Rennsemmel, zum letzten Mal. Lass das Geschäft erst mal anlaufen, ehe du Geld in diese Aktion steckst“, mahnte Colt den Wuschelkopf ungeduldig. Demnächst würde es unsachlich werden, das war sicher. Denn wo sonst der Japaner den klaren Kopf behielt und eine Änderung der Umbaupläne zweimal oder mehr überdachte, spielte nun dessen Rennleidenschaft ihm einen Streich. Gepaart mit seinem Sturkopf war es für Colt und seinen Mangel an Geduld schwer sachlich zu diskutieren. „Später müssen wir die Bahn schließen und haben für die Dauer des Baus Einnahmeeinbußen zusätzlich zu den Kosten, die anfallen werden“, schoss Fireball impulsiv zurück. „Wenn wir das jetzt mitmachen, sind wir von vornherein besser im Geschäft“, beharrte er. Der Lockenkopf seufzte laut und frustriert. Theatralisch schlug er die Hände über dem Kopf zusammen. „Wenn der Laden erst mal läuft, und ich betone Wenn, dann werden wir keine Probleme mit eben jenen Kohlen haben. Wenn wir aber gar nicht erst über die ersten drei Jahre rauskommen, haben wir mehr Schulden, als Lebensjahre, zum Abzahlen.“ Colts Stimme wurde mit jedem Wort fester. „Vielleicht hast du genug zur Seite gelegt, um das zu kompostieren, aber ich nicht.“ Dass der Scharfschütze kompensieren meinte, wusste der Rennfahrer. Genauso wusste er, dass sein Freund und jetziger Geschäftspartner nun mal kein Sparfuchs war und Vater wurde. Fireball ließ sich auf einen der Reifenstapel sinken, stützte die Ellenbogen auf die Knie und den Kopf auf die Handflächen. Okay, noch mal von vorn.
 

Sie waren damit beschäftigt gewesen, in der Halle, die mal eine Go-Kart-Bahn werden sollte, Reifenstapel an den Begrenzungsmarkierungen seitlich der künftigen Fahrbahn aufzustellen. Die Lüftungsanlage unter der Decke, verborgen durch die breitflächige Beleuchtung, würde, zusammen mit den großen Fenstern, an den Wänden, für die nötige Frischluft trotz der Abgase sorgen. Aber gerade jene Fenster hatten den Rennfahrer auf seine Idee gebracht. Zwei der Wände zeigten auf Yuma-City und seine wunderschöne Skyline. Diese Wände aus Beton durch eine riesige Glasfront zu ersetzten und jenen fantastischen Panorama-Blick auf die Metropole zu erweitern, war der Tupfen auf dem I dieser Kart-Bahn. Das bestritt auch der Scharfschütze auch gar nicht. Vielmehr war der Zeitpunkt zum Streitpunkt geworden. Während Fireball am liebsten sofort mit der Umsetzung seiner Idee begonnen hätte, stattete die Vernunft Colt einen Höflichkeitsbesuch ab und riet, vorläufig noch zu warten. Das Ergebnis war jener Disput.
 

Fireball überdachte noch einmal alles. Er wusste, dass der Lockenkopf nicht unerhebliche Ausgaben hatte. Schließlich kostete die Renovierung des NoRiNoFu einiges. Zusätzlich stand eine Hochzeit bevor, die es, im Gegensatz zu einem Kinderzimmer und der entsprechenden Erstlingsausstattung, nicht bei Ikea oder in irgendeinem Schlussverkauf gab. Das war ein sachlicher und berechtigter Einwand, den Colt da erhoben hatte. „Also wirklich. Wenn die Vernunft dich schon nur einmal im Schaltjahr beehrt, dann doch nicht ausgerechnet auch noch dann, wenn ich eine solche Idee habe“, jammerte er gespielt und grinste schief. „Ich hab sie ja nicht eingeladen“, rechtfertigte sich Cowboy schon wieder versöhnlich, weil er durchaus verstand, dass Fireball nachgab. Er stieß dem jungen Vater gegen die Schulter, dass der ächzte. „Los, machen wir weiter, alter Mann“, meinte Colt munter. „Saber frei zu geben, war schließlich auch deine Idee.“ Der Japaner erhob sich, ging ein paar Schritte auf einen der Reifenstapel zu und schickte sich an, diesen an seinen Platz zuschieben. „Reicht, wenn zwei Frauen vergessen, wie ihre Männer aussehen“, verteidigte er diesen Entschluss. „Ganz besonders im Falle des verrückten Haushuhns kann ich gut darauf verzichten ausgerechnet sie zu Frau Nummer Drei zu machen.“ Colt musste lachen, als er sich ebenfalls einem Reifenstoß zuwandte. „Du sagst es, Kleiner, du sagst es“, bestätigter er munter. „Sie würde uns teeren und federn. April und Robin gleich mit, sollten sie zu Protest antreten. Und dann …“ Er machte eine kurze Pause, um Luft zu holen, dann fuhr Colt fort: „Dann würde sie sich Charly schnappen und die beglucken.“ – „Das wird der liebe Gott nicht wollen“, entfuhr es dem Rennfahrer ernsthaft schockiert und der Cowboy ließ den Stapel Reifen los. Keinen Meter konnte er ihn bei dem Anblick schieben, nur sich vor Lachen auf dem Boden wälzen.
 

Charlene quietschte schrill vor Freude und gluckste gleich darauf. Fröhlich strampelte sie im wohlriechenden, angenehmen Badewasser, fühlte sich pudelwohl und ahnte nicht, wie hilflos sie Robin mit ihrer Zappelei machte. Das kleine Energiebündel, dessen zerzauster Flaum vom Wasser gebändigt worden war, wähnte nicht, dass die junge Lehrerin heute an ihr unterrichtet wurde. Charlene nahm nur große, blaue Augen wahr und liebevolle, vorsichtige Hände, die zwar nicht ihrer Mutter gehörten, aber ihr dennoch bekannt waren und Geborgenheit vermittelten. Wie jene Augen verunsichert fragend zu April schauten, aus Sorge dem zarten Wesen weh zu tun, es falsch zu behandeln und so für eine Verletzung verantwortlich zu sein, bemerkte eben jenes Wesen nicht. Es spürte seine Mutter in seiner Nähe. Ihm konnte nichts geschehen, dieses Urvertrauen war in Charlene gefestigt.
 

April lächelte Robin aufmunternd zu. Jeder Handgriff war richtig, sanft und sicher. Ihre Tochter erkannte keinen Unterschied und war munter wie immer, wenn sie gebadet wurde.
 

Auch in das flauschige Handtuch schmiegte sie sich behaglich und strahlte Robin mit ihren Knopfaugen glücklich an. Dann jedoch verzog sie das Gesicht unwohl. Die feinen Brauen kräuselten sich und die junge Lehrerin schaute aufs Höchste alarmiert zur Navigatorin, als Charlene zu weinen anfing. „Was hat sie?“, wollte sie erschrocken wissen. „Hab ich was falsch gemacht?“ Die Gefragte schüttelte den Kopf und trat ruhig zu ihrer Freundin an den Wickeltisch. Diese, verwundert von der Gelassenheit der jungen Mutter, machte ihr Platz. April sprach beruhigend auf ihr Töchterchen ein und glitt massierend mit der Hand über deren kleines Bäuchlein. Einmal, zweimal, dreimal, dann war zu hören, was Charlenes Unbehagen ausgelöst hatte. Robin lachte leise und überrascht auf. „Ich mache das inzwischen jedes Mal nach dem Baden. Es gehört schon zum Ritual dazu. Das konntest du ja nicht wissen. Das erste Mal hab ich auch so einen Schreck bekommen, aber man findet schnell, warum sie schreien“, lächelte sie leicht und wies auf die Lehrerin, das sie weitermachen sollte. Charlene blinzelte schon wieder zufrieden und gluckste selig, als Robin sie endlich, frisch gewickelt, auf den Arm nahm.
 

Zwei Wochen vor der Hochzeit zogen Wärmegewitter auf und beunruhigten Robin, da dieses Wetter meist Regen nach sich zog. Die Schwangere und Braut wollte nicht, dass es ausgerechnet an diesem großen Tag wie aus Eimern schüttete. Noch im Scherz versicherte April ihr, dass es sicher nicht regnen würde und selbst wenn, dies Glück bedeute.

Nach drei Tagen setzten jedoch die ersten Güsse ein. Robins Mutter und Josh stichelten bei ihrer Ankunft, dass sie besser hergeschwommen wären, was die Lehrerin nicht sonderlich komisch fand. Bekümmert musste sie fest stellen, dass die Regenschauer auch noch bis zum Wochenende ohne Unterbrechung bis zum Wochenende anhielten und es dadurch auch fast empfindlich abkühlte.
 

Fireball und Saber beschlossen, diesen kurzzeitigen Wetterumschwung zu nutzen und Colt aus seinem Junggesellendasein zu verabschieden. Es war den ganzen Tag über nicht wirklich warm gewesen und entsprechend kühl wurde der Abend und die Nacht in der die drei um die Häuser zogen, ehe sie die letzte Station für diesen Tag, einer GoGo-Bar, erreichten. Die bis dahin angeheiterte Stimmung wurde jäh unterbrochen, als der Türsteher Fireball die Hand auf die Brust drückte und ihn nicht rein lassen wollte. Auf dessen verwunderten Gesichtsausdruck hin, erklärte die menschliche Schrankwand ungerührt. „Hey, Söhnchen, die Märchenstunde findet zuhause statt. Hier hast du nichts zu suchen.“ Die drei tauschten bedeutungsvolle Blicke. Na, hoffentlich wurde der Abend hier nicht ruiniert. „Er ist doch in Begleitung von zwei Erwachsenen“, versuchte Saber die Situation eher sachlich zu entschärfen. Der Rennfahrer jedoch reagierte etwas hitziger. „Und selber auch schon erwachsen, Kumpel“, parierte er gereizt, weil Betitelungen wie „Söhnchen“ oder „Kleiner“ ihm im schon angerauschten Zustand noch schneller aufstießen, als gewöhnlich. „Behauptet er immer wieder“, kommentierte Colt trocken und verdrehte die Augen. Wenn sich der Wuschelkopf hier so aufführte, würden sie ganz sicher nicht in den Laden gelassen werden. Türsteher provozierte man nicht, sie hatten die Macht. Man versuchte locker und ruhig sie zu überzeugen, oder gar nicht. Die hitzige Debatte, die nun einsetzte, drohte beinahe schon, ein Lokalverbot mit sich zu ziehen. „Okay, Kumpel“, blaffte Fireball schließlich ungehalten. „Ein Junggesellenabschied sollte kein Hürdenlauf werden. Colt, Saber? Könnt ihr mal mit Nachdruck nachhelfen?“ Die Hilfe brauchte er. Mit seinem Temperament hatte er sich bei dem Türsteher alles andere als beliebt gemacht. Der hob jetzt allerdings die Brauen. Die erste, deutlich erkennbare Reaktion in dessen düsteren Miene, die Überraschung verriet. Saber schob den Wuschelkopf zur Seite und zückte seinen Dienstausweis vom KOK. „Nennen wir es Betriebsausflug und er gehört dazu“, erklärte er trocken und steckte den Ausweis wieder weg. Das hatte die Wirkung, die es haben sollte. Ihnen wurde endlich der Zutritt gewährt.
 

„Geschaut wird übrigens nur mit den Augen, nicht mit den Händen“, unterwies der Schotte den Rennfahrer freundschaftlich neckend „Das gilt nur für dich“, grinste der Cowboy den einzigen, schon verheirateten an. „Auch für euch, sonst gibt es am Ende noch Halbwaisen“, konterte der lässig und visierte einen Tisch, mit gutem Blick auf die Bar und die Tanzfläche, an. „Halt du dich an deine Weisheiten, Saber.“ Colt setzte sich und schaute sich um. Fireball nahm ebenfalls Platz und bekam prompt ein Glas Wasser, mit freundlichen Grüßen vom Türsteher, serviert. Ein Seitenhieb, bei dem der Rennfahrer das Gesicht verzog. „Reden was wahr ist, trinken was klar ist“, schmunzelte der Recke. „Ums klar zu stellen, Boss, es wird nicht gevögelt was da ist“, vollendete der Lockenkopf den Spruch. Der nickte. „Ist genauso klar, wie das Wasser da“, grinste der zurück und wies auf das Glas, das vor dem Rennfahrer stand. Der leerte es in einem Zug. Die Ermahnungen von Colt zeigten deutlich, dass mit dem Alkoholspiegel in seinem Blut auch der Beschützerinstinkt bezüglich der Hebamme wieder anstieg. „Gut, sonst wirst du nie Kinder haben“, versicherte der Cowboy nun und lieferte somit den Beweis für die eben gefasste Theorie des Highlanders. „Ich muss euch nicht alles nachmachen. Macht mir erst mal das mit dem Heiraten nach, dann reden wir weiter“, ließ der sich von seinem mehr oder weniger Schwager allerdings nicht aus der Reserve locken. „Bin dabei“, erklärte Colt eifrig und begeistert. „Nur Affen äffen nach“, ließ sich endlich auch mal wieder der junge Vater vernehmen, der von der Wirkung des Etablissements, oder vom Alkohol, etwas erschlagen schien. „Tja, dann hat sich die Sache mit den Kindern für mich wirklich vorläufig erledigt. So ähnlich bin ich Colt dann nicht“, meinte Saber und sah sich nach einer Kellnerin um.
 

Der Lockenkopf ignorierte die Spöttelei und warf interessiert und anerkennende Blicke auf die Tanzfläche. Leicht bekleidet, eindeutig blickend und aufreizend räkelten sich die Mädchen mehr, als das sie tatsächlich tanzten. Trotz des Dunstes von Zigaretten, Zigarren und der Nebelmaschine war das Wesentliche zu erkennen. Viel nackte Haut und Körper, die um die GoGo-Stange glitten. Männer, die Scheine in die Höschen steckten und irgendwo unterhalb des Parkettes musste es eine Rinne geben, in welcher der Sabber einiger Gäste ablief, so stellte Colt grinsend fest. Nun andererseits, bei den Mädchen kein Wunder. „Netter Bootyshake“, ließ er sich anerkennend vernehmen. Fireball wiegte unschlüssig den Kopf. „Wenn wir das Robin erzählen“, neckte er nun den Lockenkopf, der sich endlich wieder zum Tisch umdrehte. „Keiner von euch beiden wird sich morgen noch an irgendwas erinnern können“, lachte der Bräutigam fröhlich. Es war schließlich schon zu Beginn des Abends klar gewesen, dass der folgende Morgen verkatert beginnen würde. „Ist auch besser so. Manche Dinge, die er noch so von sich geben wird, will man lieber schnell vergessen“, kommentierte Saber, der inzwischen endlich erfolgreich eine Kellnerin heranwinken konnte. Da die Bar recht voll war und das Geschäft offensichtlich gut lief, war dies nicht ganz so einfach. Aber immerhin kam sie nun auf den Schotten zu und präsentierte ihm ziemlich deutlich, was ihr tiefer Ausschnitt ohnehin nicht verbergen konnte, während er die drei Drinks bestellte. „Komm schnell mit den Drinks wieder, wir verdursten, Kleines“, meinte er und eiste seinen Blick von ihrem Dekolleté los. „Gern Großer“, flötete sie und verschwand. „Das war mal so was von eindeutig der falsche Ausschnitt, Boss. Ich bin schockiert. Dass du das meiner Chily-Schote antust“, empörte sich Colt mehr im Scherz, als ehrlich entsetzt. „Wenn es mir so vor die Augen gehalten wird? Ich kann ja nicht in die andere Richtung gucken, während ich bestelle“, rechtfertigte sich der Blonde achselzuckend. Er musste jetzt ja nichts zugeben, was ihn Kopf und Kragen kosten konnte. „Okay. Und wenn sie dir was anders bietet, nimmst du das dann auch an?“, hakte der Lockenkopf nach. „Was soll sie mir anbieten?“, fragte Saber unschuldig zurück. Colt parierte sofort:„Das weißt du genau, du Scheinheiliger.“ – „Der Heiligenschein ist ihm in Tucson-City schon abhanden gekommen“, warf Fireball amüsiert dazwischen. „Wenn er überhaupt einen hatte. Ich kann ihm nur raten, sich dran zu erinnern, wo er hingehört“, brummte der Cowboy. Bevor jedoch dieses Geplänkel ausarten konnte, kam die Bedienung mit den Drinks zurück. Sie stellte je ein Glas vor den Japaner und den Scharfschützen und gab sich viel Mühe, Saber beim Servieren erneute Einblicke zu gewähren. „Kann ich sonst noch was für dich tun?“, wollte sie lasziv wissen.
 

Der Schotte linste zum Bräutigam. Colt schaute nicht anders auf die Dame, als Saber selbst. Der Blonde konnte nicht wiederstehen, dem Lockenkopf ein wenig zu einheizen. Das lud einfach zu sehr ein. Er schaute das Mädchen wieder an. „Dreh dich mal um“, bat er grinsend. Da sie ihm ohnehin schon allzu offensichtliche Avancen machte, war sie für diese Spiel zu haben. Langsam und aufreizend drehte sie sich vor ihm. „Und? Gefällt dir, was du siehst“, wollte sie verführerisch lächelnd wissen. Während Fireball sich bei dieser Einlage errötete, purzelten Colt fast die Augen aus den Höhlen. Der Blonde lehnte sich zurück. „Kannst du das noch mal machen? Von ein bisschen weiter drüben.“ Dabei wies er zum Lockenkopf. „Ich glaub, von da sehe ich dann besser. Die böse Weitsichtigkeit“, erklärte er und unterdrückte ein allzu unverschämtes Grinsen. Da die Kellnerin darauf bedacht war, ihm zu gefallen, schlenderte sie nun hüftschwingend zum Bräutigam um drehte sich einmal mehr betont langsam und verführerisch um ihre eigene Achse. Colt starrte sie unverhohlen an. Saber hätte am liebsten laut gelacht, aber dann wäre er vom Stuhl gefallen. Er wusste nicht, welcher seiner Freunde gerade den komischeren Anblick bot. Fireball, mit dem schamroten Kopf eines Schuljungen oder doch Colt, dessen Augen jetzt zwar an ihren Rundungen klebten, der diesen Umstand aber spätestens morgen früh auf Gedeih und Verderb Robin beichten würde. Zumindest war genug Stichelfläche für den Schotten da. „Kannst du auch tanzen?“, fragte er das Mädchen. Diese nickte und begann, sich im Rhythmus der Musik teils vor, teils auf dem Schoss des Scharfschützen zu bewegen. Sie drückte ihr Heck an dessen Bauch und schob es so an seine Hand, die lässig auf seinem Oberschenkel lag, während er mit der anderen seinen Drink hielt. Colt strich neugierig über das Heck.
 

Fireball langte nach seinem Drink. „Das halt ich nicht aus.“ Mit der Feststellung leerte er das Glas in einem Zug. Saber unterdessen motivierte die Kellnerin munter. „Ein bisschen näher, solang er noch darf, Schätzchen.“ Das Grinsen in seinem Gesicht wurde breiter. Allerdings war seine Bitte nicht ganz, was im Sinne der Bedienung war. Sie wandte sich lasziv auf dem Schoß des Cowboys und schaute ihm tief in die Augen. Dafür musste sie seinen Kopf zu ihrem hin aufdrücken, denn dessen Blick hatte sich an ihrem Dekolleté verfangen. Sie lächelte und führte seine Hand über ihren Oberkörper und bog diesen weit nach hinten, so dass sie den Schotten sehen konnte.
 

Colt strich mit der Hand zurück. Die Tänzerin richtete sich auf, schenkte ihm einen weiteren tiefen Blick und stieg gekonnt von seinem Schoß. Dann ließ sie von ihm ab und tänzelte zum Recken. Der hob die Brauen und lehnte sich auf dem Stuhl zurück, als sie ihm einen Lapdance gab. Dabei ließ sie ihre Finger nicht von ihm und erzeugte Körperkontakt, wo sie nur konnte. Sie presste ihre Rundungen an seinen Oberkörper und glitt ihren Lippen über seine Wange, während sie ihre Taille vielversprechend auf seinem Schoss bewegte. „Hey, der Blondschopf darf nicht mehr“, protestierte Colt sofort. Sie ignorierte den Einwurf und beugte sich nah zu Sabers Gesicht. „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“, hauchte sie verheißungsvoll. „Es scheitert bereits am Willen“, erklärte das Objekt ihrer Begierde entschieden. Abrupt hielt sie inne, schaute ihn überrascht an und rauschte beleidigt ab. Offensichtlich, dass sie selten eine derartige Abfuhr kassierte. „Das war nicht freundlich von dir Saber. Da wird das Trinkgeld auch nicht mehr helfen“, stellte Fireball fest, ohne der Frau hinterher zu sehen. Colt lachte laut heraus, teils über die trockene Abfuhr, teils über den Rennfahrer, der demnach seine Sprache noch nicht verloren hatte. „Was denn? Ich dachte, schauen ist erlaubt?“, hakte der Verheiratete irritiert nach. „Ich lache eigentlich mehr über unser Ampelmännchen“, stellte der Scharfschütze richtig und wies auf den Japaner. „Und hättest du deine Finger nicht bei dir behalten, hätte ich sie dir gebrochen.“ Diese Ergänzung machte deutlich, dass Colt noch immer ein Auge auf das Wohl der Hebamme hatte. „Ampel ist draußen, Kumpel. Außer du meinst die Blumenampel da hinten“, ließ der Wuschelkopf sich vernehmen und deutete über die Bar. Gleichzeitig zog er jedoch den Kopf zwischen die Schultern, als könne er so verbergen, dass er tatsächlich wie das besagte Verkehrssignal leuchtet. Grinsend schüttelte Colt den Kopf und meinte an den Schotten gewandt: „Du bist mehr Schwerenöter als ich dachte.“ Tatsächlich hatte er dieses Verhalten von seinem Boss nicht erwartet. „Du denkst“, grinste der frech zurück. „Oha, das ist mir ganz was Neues.“ Dann wanderte sein Zeigefinger zum jungen Vater. „Aber unser schüchterner Schuljunge macht wieder wett, was ich betreffs der Getränkelieferung vergeigt habe.“ Der Angesprochene wurde noch etwas tiefer rot und brachte seine Freunde nur noch mehr zum Lachen. „Unglaublich. Wie hat der Charly zustande gebracht?“, krähte der Scharfschütze heiter. „Wir sollten April mal dazu interviewen. Ich hab da eine Befürchtung, Colt“, lächelte der Blonde verschmitzt. Das kratzte an dessen Ego. Unbeholfen versuchte er verbal zurück zu schießen. „Du solltest dich da lieber um deine Frau kümmern“, schnappte er, wobei er auf die Eifersucht des Highlanders abzielte, allerdings denkbar schlecht. Der grinste unvermindert weiter. „Oho, mit Sprüchen haut es auch schon nicht mehr so richtig hin, Matchbox.“ Damit klopfte er ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Stell dich nicht so an. Die Mädels sehen nicht anders aus, als andere Mädels oder als April“, fügte er grinsend hinzu. Fireball schüttelte den Kopf. „Sie sehen anders aus, als April. Die da zum Beispiel hat braune Haare, die da hat einen viel flacheren Hinter, die hat zu grelles Make-up und die“ Dabei wies er auf die Oberweiter der Tänzerin, die eben das Parkett betrat. „Das hatte April nur in der Schwangerschaft.“ Dann biss er sich kurz auf die Lippen und wurde abermals rot. Colt fiel fast vom Stuhl, so musste er über den japanischen Wuschelkopf lachen. Der versuchte hastig sein Verhalten zu erklären. „Ich wollte damit sagen: die schönste hab ich daheim.“ Das versicherte er wie ein Schuljunge, der eine gute Ausrede brauchte, damit er vor den anderen nicht als Feigling dastand. „Das haben wir auch. Aber Appetit holen darf man sich auswärts immer noch“, meinte Saber grinsend. Dieses Grinsen vertiefte sich anzüglich, als er sich vorstellte, seine Frau würde ihm einen solchen Lapdance schenken. Gleich darauf kamen ihm noch viele andere Ideen, die einem solchen Lapdance ihrerseits folgen konnten. „Solange du wirklich daheim isst.“ Colt riss ihn mit diesen Worten aus seinen Phantasien. Der Recke fing seinen prüfenden Blick auf. „Sicher, nur daheim, Colt“, erwiderte er dann und linste zum jungen Vater. „Um ihn mach ich mir langsam aber sicher Sorgen“, meinte er dann schon wieder stichelnd. Colt nickte und warf Fireball das gleiche Grinsen zu wie sein Boss. „Was denn? Was kümmern mich die Bienen, wenn ich die Königin hab?“ gab der mit einer Selbstverständlichkeit zurück, die seine beiden Freunde beinahe wieder zum Lachen gebracht hätte. „Schon in Ordnung, Blümchen“, beteuerte der Schotte zwinkernd. „Wie man feststellt, gucken sie alle wieder. Früher oder später“, nickte Colt. „Ihr zwei könnt ja von mir aus. Ich muss nicht unbedingt“, wollte der sich jedoch nicht belehren lassen und als hätte er nicht längst bewiesen, dass er ebenso wenig mit Scheuklappen in der Bar saß, wie seine Freunde. „Da das mein Junggesellenabschied ist, darf ich“, grinste der Lockenkopf, schaute sich ebenfalls um.

Dann winkte er ein Mädchen heran. „Was wollt ihr Jungs?“, fragte sie keck und lehnte sich verführerisch an die Tischkante. „Was hast du denn?“, wollte Saber wissen. „Ist mir egal, solang es kurz und stark ist“, murmelte Fireball. „Jeden Drink. Pur, auf Eis oder“ Sie reckte sich ein wenig und lenkte die Blicke der drei auf ihre Taille. „auf mir“, antwortete sie leichthin und einmal mehr an diesem Abend glühte der Wuschelkopf auf. „Pur, danke“, orderte er dann. Colt legte die Stirn in Falten. „Verlockend, das letzte Angebot. Soll ich oder nicht“, zog er die Serviervorschläge ernsthaft in Betracht. „Deine letzte Chance für den Blödsinn, Kumpel“, zwinkerte der Recke ihm zu. Dadurch ermutigt bestellte er. „Auf dir.“ Das Mädchen nickte Saber zu. „Und du?“ Bei einem Seitenblick auf den Bräutigam ging dem Schotten der Schalk für diesen Abend durch. Er bestellte beide Varianten, die seine Freunde gewählt hatten. Die Kellnerin füllte zwei Gläser und stellte sie vor Fireball und Saber auf den Tisch. Dann legte sie sich lächelnd auf den selbigen und füllte ihren Bauchnabel mit dem Drink. Colt gewährte Saber als Boss den Vortritt, wollte sehen, ob der nicht vielleicht doch noch kniff. Aber genau aus diesem Grund ließ der Recke sich dazu vollends hinreißen. Er beugte sich über sie und sog die Flüssigkeit aus ihrem Nabel. Just in diesem Moment fiel ihm einmal mehr seine Angetraute ein. Nein, dem Vergleich konnte die Bedienung nicht standhalten. Nur diesmal formulierte Saber das eleganter, als bei ihrer Kollegin davor. „Doch lieber aus dem Glas“, meinte er und exte mit dem Rennfahrer, der sich dieses Schauspiel kaum ansehen konnte, das Glas, während Colt noch einen zweiten Whisky aus dem Bauchnabel der Serviererin trank. „Das ist das erste, dass er morgen früh Robin beichtet“, feixte der Schotte an Fireball gewandt. „Ohne Zweifel wird er das“, bestätigte der und grinste leicht. Die Kellnerin richtete sich vom Tisch auf und schaute den Wuschelkopf an. „Sicher, dass du nicht willst?“, hakte sie nach. „Oh ja, ganz sicher.“ Das Mädchen lächelte und beugte sich zu dem jungen Vater vor. „Deine Freundin hat Glück“, raunte sie ihm zu, ehe sie ihm einen Kuss auf die Wange hauchte und im Gedränge des Lokals verschwand. „Wie bitte?“, fragte Fireball verdattert und errötete noch einmal bis in die Haarwurzeln. „Aus dem Alter sollte er längst raus sein“, grinste Colt. Auch der Highlander schmunzelte breit. „Wir sollten alle so einiges“, bemerkte er und verkniff sich eine weitere Neckerei an den Rennfahrer. „Zumindest weiß ich, dass du morgen früh in Schwierigkeiten steckst“ Jetzt wies er grinsend auf Colt. „so bald du Robin den heutigen Abend beichtest.“ Der tat prompt großspurig. „Da gibt es doch nichts zu beichten“, wiegelte er ab. „Das ist das erste, was du morgen früh tust und wenn du das überlebst, fängst du an zu beten, dass sie dich trotzdem noch heiratet“, erklärte Fireball. „Ach, quatsch keine Opern. Du wirst April wahrscheinlich heute Nacht noch sofort beichten, wo du warst“, versenkte der Scharfschütze gekonnt den Gegentreffer. Fireball schluckte und wandte sich, so gut er konnte, da raus „Mal sehen“, murmelte er unbestimmt. „Unglaublich.“ Jetzt konnte Saber sich beim besten Willen nicht mehr vor Lachen halten. „Und wie gestehst du deinem Haushuhn deine Schandtaten?“, schnappte der Rennfahrer, weil er sich, mehr oder weniger auch zu Recht, ausgelacht fühlte. „Dazu müsste ich Schandtaten begangen haben“, gab der Blonde schlicht zurück. „Na, ich geh mal davon aus, wenn deine Jolene das gleiche bei einem Typen machen würde, wie du vorhin bei der Kellnerin, dann würdest du aber abdrehen“, konterte Fireball und traf ziemlich gut damit, denn Saber parierte sofort: „Meine“ Und das betonte er besonders deutlich. „Jolene macht so was nicht.“ Er fuhr sogar im Stuhl vor, in dem er bisher lässig gelehnt hatte. Was für eine Einladung an den Japaner, noch einmal verbal nachzutreten. „Seit wann bist du dir denn da sicher? Ist noch nicht so lange her, da warst du davon nicht so überzeugt“, gab er amüsiert zurück. Doch Saber hatte seine Selbstbeherrschung zurück. „Die Zeiten ändern sich. Das wirst du auch noch lernen“, erklärte der Schotte relativ ruhig. Allerdings musste er sich eingestehen, dass es ihm nicht im Mindesten gefallen würde, hätte seine Angetraute etwas Ähnliches getan. Den Treffer hatte der Rennfahrer sauber versenkt. „Ich hoffe, ihr habt beiden einen Tanzkurs abgelegt, sonst könnt ihr das hier noch lernen“, schaltet sich jetzt Colt in das Gespräch ein und deutete auf eine der GoGo-Tänzerinnen, die sich bewegte, als hätte sie keine Knochen im Körper. Mit einem kurzen Blick auf sie, bemerkte der Recke: „Gentlemen können tanzen. Bei Kuhhirten und Rennfahrern bin ich mir nicht so sicher.“ Langsam erhob er sich. Es wurde Zeit zu zahlen.
 

„Ich hatte da eine gute Lehrerin.“ Augenzwinkernd stand auch Colt auf. „Wen? Robin?“, wollte Fireball schmunzelnd wissen, ehe er es den beiden älteren gleich tat. Sie bahnten sich ihren Weg durch die Menge zum Ausgang. „Nein, Chily. Deshalb sind die Füße deiner Frau jetzt auch so klein, Saber“, grinste der Lockenkopf munter und brachte den Wuschelkopf zum Lachen. „So viel steht fest, Saber. Der erste Tanz, nach dem Hochzeitstanz, gehört mir“, bestimmte Colt vor dem Lokal. „Kannst du haben. Dafür gehört der erste Tanz mit deiner Frau mir“, sah der Blonde zu, dass er ebenfalls zu seinem Recht kam. Sie schlugen den Weg zum Taxistand ein. „Und zu welchen Bedingungen wird der Tanz mit April verhökert?“, wollte der Scharfschütze wissen und gähnte unterdrückt. Das war eine lange Nacht geworden. „Da wird gar nichts verhökert, weil nicht getanzt wird“, entschied der Japaner kategorisch. „Klar wird. Saber kriegt April, du Robin und ich schnapp mir Charly.“ Bei dieser Aufteilung grinste Colt von einem Ohr zum anderen. „Gott bewahre! Dass willst du Robin wirklich antun“, entfuhr es dem Wuschelkopf, als sie ins Taxi stiegen. „Er will sie heiraten. Ich halte das für das größere Übel“, stellte Saber trocken fest. Der junge Vater prustete los. „Oh, Fireball, es gibt Neuigkeiten. Ich habe eben gehört, das Chily Witwe wird“, ließ der Cowboy sich nicht weniger trocken vernehmen und drohte Saber scherzhaft. „Amen“, nickte der Angesprochene und war froh, dass das Taxi vor seiner Tür als erstes hielt. „Endlich zu Hause. Hoffentlich hat April noch nicht vergessen, wer der Vater von Charly ist.“ Damit kletterte er aus dem Auto. „Mensch, noch nicht mal verheiratet und du stehst jetzt schon unterm Scheffel“, grinste Colt und verabschiedete ihn ohne zu zögern. „Mach, dass du zu deiner Holden kommst, Kleiner.“
 

Als nächstes hielt der Fahrer vor Sabers Tür. „Genieß die Zeit mit Robin, solange ihr noch alleine seid“, verabschiedete er sich. „Grüß die Witwe in Spe“, winkte Colt zurück. Der Blonde lachte „Mach ich, mach ich“ und wankte ins Haus.
 

Da ihre Herzdamen für jeden von ihnen so hoch im Kurs standen, dass keine andere daran reichen konnte, beichteten Colt und Fireball wirklich alle Ereignisse des Abends, kaum dass sie zur Wohnungstür hereingetreten waren. Es war keine Taktik, um den größten Schaden abzuwenden, sondern der Wunsch nach Ehrlichkeit. Es war von Vorteil, da beide unter Alkoholeinfluss über ein Kleiner-Junge-Gen verfügten, dem weder Robin noch April ernsthaft böse sein konnten.
 

Saber hätte auf jenes Gen nicht mal zurück greifen brauchen, wäre er etwas leiser eingetreten und weniger tollpatschig auf seiner Seite vom Bett gelandet. Noch nicht wirklich entkleidet kuschelte er sich an seine Angetraute, die er mit seiner Ankunft geweckt hatte. „Dein Bauch ist der schönste und der weichste und schmeckt am besten, egal, was ich aus deinem Nabel trinke“, murmelte er fahrlässiger Weise. Chily drehte sich um und war sie bis eben noch nicht richtig wach gewesen, so war sie es jetzt. „Bitte was?“, hakte sie nach und glaubte einen Moment lang sich verhört zu haben. Ihr Mann jedoch schmiegte sich noch etwas enger an sie und belehrte sie des Gegenteils. „Du hast den schönsten Bauch weit und breit“, erklärte er halb schläfrig, halb alkoholisiert. Sie richtete sich auf. „Wie kommst du jetzt darauf?“, wollte sie wissen und sah im Halbdunkel auf ihn hinab, da er auf der Matratze liegen geblieben war. „Na, weil es die Wahrheit ist. Und glaub mir, Whiskey aus dem Glas schmeckt einfach besser“, erwiderte er von dort her. Seine Hand tastete sich nach ihr. Er wollte sie wieder zu sich ziehen, aber sie blieb dort, wo sie war und rührte sich nicht. Träge linste er zu ihr herauf und erkannte noch am Zucken ihrer linken Augenbraue, dass sie überlegte, ob sie jetzt gleich oder erst morgen früh weitere Fragen stellen sollte. „Wir haben doch Junggesellenabschied mit Colt gefeiert. So wie man das halt macht. In einer Bar mit leichtbekleideten Frauen und Schanktanten eben“, begann er daher von sich aus zu erläutern. „Aha. Und weiter?“ Na, sie war doch sehr gespannt auf das, was er ihr gleich erzählen würde. Er setzte sich doch erst mal auf, musste sich aber kurz den Kopf halten. Es drehte sich alles, entweder vom Whisky oder von dem schwungvollen Aufsetzen. „Die Getränkeliste war lang, das Angebot an Serviervorschlägen auch und naja, Colt und ich haben uns durch alles gearbeitet, pur, auf Eis, auf Serveuse“, fuhr er dann fort. Chily wäre beinahe aus dem Bett gefallen. „Auf der Barmaid? Hab ich mich verhört?“, fragte sie eher verwundert als böse. Aber in seinem Zustand konnte Saber keinen Unterschied heraushören. „Ja“, gestand er kleinlaut und beteuerte sofort. „aber kein Vergleich zu meinem Engel zuhause.“ Entgeistert starrte sie ihn an. „Also du ...“ Mehr brachte sie nicht hervor. Das verschlug ihr schlichtweg die Sprache. „Also ich“, bestätigte er und nickte fahrig. „Aber wie gesagt: pur und auf Eis ist in Ordnung, auf Kellnerin lediglich so lala. Muss man halt auch mal probiert haben.“ Die bunt gesträhnte Blondie riss die Augen auf. „Sag mal spinnst du eigentlich?“, fuhr sie ihn nun doch entrüstet an. „Wieso?“ Verständnislos blickte der Schotte sie an und lieferte dann das logischste und zugleich unbrauchbarste Argument hinterher. „Colt hat es doch auch gemacht.“ Jetzt war seine Frau aus dem Bett. „Bullet unterstellt mir auch nicht alle Pupse lang, ich würde fremdgehen“, warf sie sofort zurück. „Tu ich auch nicht. Nur alle heiligen Zeiten.“ Oh, noch ein Treffer mehr heute. Ob das noch gut ging? Treuherzig sah er sie an. „Und das tut mir leid, das weißt du, Aiyana“, musste er da noch einmal versichern. „Das grenzt an Doppelmoral, das ist dir schon klar“, gab sie zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es war ein Junggesellenabschied, Aiyana. Absolut unbedeutend und eine einmalige Sache“, versuchte er das Ganze zu entkräften und stellte sich selbst ein Bein, als er hinterher murmelte. „Bis Fire endlich heiratet halt.“ – „Na super.“ Sie warf die Arme in die Luft. „Was machst du dann? Die Eule fi... ?“ In dieser Frage lag ihrerseits auch etwas wie Eifersucht. Aber noch ehe sie zu Ende gesprochen hatte, schnitt er ihr bestimmt das Wort ab. „Nein. Abgesehen davon, wird der Kleine seinen Junggesellenabschied wahrscheinlich ein bisschen anders feiern.“ Er grinste von einem Ohr zum anderen, als er daran dachte, wie der Rennfahrer im letzten Lokal wirklich alle, wie hatte seine Angetraute gesagt, Pups lang rot geworden war. „Das mag für Little Daddy stimmen, aber was machst du da? Das heute war ja schließlich Colts Abend“, gab sie zurück und kam an dem Unbehagen in sich nicht ganz vorbei. Schmollend schob der Schotte die Unterlippe nach vorn. „Hab nachgefeiert“, rechtfertigte er sich schwach und schaute aufs Laken. Sie schlug sich die Hand vor die Stirn „Dann feier noch schön. Ich brauch ein Glas Wasser“, versetzte sie und ging um das Bett herum, um sich jenes auch zu holen. Saber sprang auf und erwischte sie am Handgelenk, ehe sie die Tür erreichte. Halb stolperte er auf dem Weg zu ihr. „Ach, Schatz, bitte. Jetzt ist es eh schon passiert. Wieso bist du jetzt so kratzbürstig? Nur deswegen?“, wollte er fast bettelnd wissen. „Was soll das heißen: Nur deswegen?“ Streng schaute sie ihn an. „Weil nix passiert ist. Ich hab einen Schluck Whiskey aus ihrem Bauchnabel getrunken und nix weiter. War ja nicht mal sein Geld wert“, versicherte er fast gekränkt darüber. Sie hob die Schultern. Ihr eifersüchtig angehauchtes Unbehagen war schon wieder verraucht. Es war etwas anderes, das sie tatsächlich ärgerte. „Es geht mir weniger darum. Eher um das, was hier los wäre, hätte ich das bei einem Typen gemacht. Das hier ist im Vergleich dazu harmlos“, stellte sie klar. „Jolene...“ Sabers Einwand verebbte sofort. Er konnte nicht widersprechen. Sie hatte Recht. Das hier war harmlos. Das verstand er in seinem alkoholgetränkten Zustand noch. „Hm“, nickte sie. „Genau das meine ich.“ Damit löste sie sich von ihm und verschwand nach unten in der Küche.
 

Ihm blieb nur noch eins, er konnte ihr nur noch betreten hinterher gucken. Dann resignierte er und entschied das wohl einzig richtige in dieser Situation zu tun. Er schnappte sich sein Bettzeug und wankte nach unten gen Wohnzimmer. Folglich torkelte er an der Küche vorbei, wo seine Angetraute diesen Vorbeimarsch irritiert beobachtete. „Was tust du?“, fragte sie und steckte den Kopf aus der Tür. „Auswandern“, schniefte er unglücklich. „Du willst mich ja nicht im Bett haben.“ Sie hob überrascht die Brauen. „Wann hab ich das gesagt?“, hakte sie nach. „Na, du bist sauer auf mich und wenn du sauer auf mich bist, willst du nicht, dass ich mich zu dir kuschle. Und ich kann mich nur nicht zu dir kuscheln, wenn ich auf der Couch schlafe“, erklärte er, als wäre er Musterschüler der ersten Klasse. Mit dem treubraven Blick und den leicht verstrubbelten Haaren war diese Erscheinung wirklich perfekt. Wie sollte sie denn da noch böse sein? „Saber, du bist manchmal ein Idiot“, gab sie rigoros zurück und leerte das Glas, ehe sie einen Lachanfall bekommen konnte. Nein, er schaute wirklich zu drollig aus der Wäsche. „Idioten haben ein gutes Herz.“ Mit treudoofer Miene, großen, blauen Augen sah er sie an und klemmte sich noch einmal unbeholfen das Kissen unter den Arm. Sie schlug rasch den Rückweg ins Schlafzimmer ein und ließ ihn bekümmert seinen Weg ins Wohnzimmer fortsetzen, wobei er die Bettdecke hinter sich her schleifte. „Schlaf gut, mein Schatz“, fiepte er und hoffte immer noch, sie würde ihn wieder mitnehmen. Aber alles, was er bekam war ein „Du auch“ und ihre Schritte, die verrieten, wie sie die Treppe hinaufstieg. Selbst sein bittendes „Schatzi“ schien ungehört zu verhallen.
 

Seufzend entschied er sich dazu, sich umzuziehen und es sich auf der Couch bequem zu machen. Dabei fiel er jedoch von der selbigen und klagte leise vor sich hin. Ach, was war sie aber auch gemein zu ihm.
 

„Suchst du was?“, fragte diese gemeinste aller Frauen, zu der er sie eben gedanklich erklärt hatte, mit unterdrücktem Kichern. Da musste er sich wohl erst mal wieder aufrappeln. „Meine Würde“, murmelte er dabei. „Da musst du wohl zu dem Mädel mit dem Whiskynabel gehen, die wird noch bei ihr sein“, gab sie zurück und umrundete das Sofa, nur, um es auszuklappen und sein Kissen und seine Decke darauf auszubreiten. „So ist es besser zum Schlafen“, meinte sie dann zufrieden. Zwar setzte er sich darauf, stellte aber unverändert betreten und in Musterschülermanie fest: „Ist egal. Am besten zum Schlafen ist immer noch neben meiner Frau.“ Sie nickte bestätigend und umrundete die Couch wieder, als wolle sie ihn hier allein zurück lassen. Er schob die Beine unter die Decke und sah ihr nach. „Du hast mich gar nicht mehr lieb, oder?“, fragte er mit Dackelblick. Sie blieb hinter der Couch stehen und hob etwas vom Boden auf. Im nächsten Moment flogen ein zweites Kissen und eine zweite Decke neben ihn. „Doch, muss noch so sein.“ Damit fand sie sich neben ihm auf dem Sofa wieder. „Der Himmel weiß, warum du unbedingt auf der Couch schlafen wolltest“, seufzte sie und lächelte leicht. Sofort schmiegte er sich so fest an sie, dass er sie beinahe von der Schlafstatt geschoben hätte. „Deswegen vielleicht?“ Er drückte ihr einen stürmischen Kuss auf, erleichtert darüber, dass sie ihm doch nicht böse war. Sie verzog unwillkürlich das Gesicht. „Oder weil ich jetzt im Koma lieg“, gab sie zurück und rümpfte die Nase. Er ließ von ihr ab und zog sich zurück. „Okay“, klang es schon wieder schmollend von ihm. „Hier geblieben.“ Jetzt war es an ihr, sich an ihn zu schmiegen. Leise flüsterte sie. „Ich hab dich lieb, Manapi.“ Warm und zärtlich klang es, wie er es von ihr kannte. Er schlang beide Arme um sie. „Ich dich auch, meine Aiyana“, raunte er zurück. Sie richtete sich noch einmal auf und hauchte ihm vorsichtig, wegen der üblen Fahne aus seiner Richtung, einen Kuss auf die Lippen. „Gute Nacht und denk dran: ich hab jetzt einmal flirten eifersuchtsfrei“, konnte sie nicht verkneifen zu sagen. Er salutierte ansatzweise. „Aye, mein Schatz!“ Sie konnte doch alles von ihm haben. Zufrieden schmiegte er sich an sie. „Du bist und bleibst die beste“, fügte er hinzu und verschwieg, dass er vor einer Minute noch vom Gegenteil überzeugt war. Es war drei Atemzüge später ohnehin aus seinem Gedächtnis gestrichen und einen weiteren Atemzug später schlief er selig.
 

Am nächsten Morgen regnete es, als hätte es nie eine Unterbrechung geben. Dann wurde das Wetter wechselhaft. Regen kühlte die Luft, wärmende Sonnenstrahlen danach machten sie drückend feuchtwarm, bis sie wenige Stunden später wieder abflaute. Unter diesen Bedingungen hoffte und bangte Robin jedes Mal aufs Neue um ihren großen Tag und hoffte, Chily würde ihr Versprechen halten und jenen weißen Regenschirm für das Brautpaar besorgen, um den die Lehrerin gebeten hatte. Oder sollte Colts Zukünftige doch auf die Vorhersage der Hebamme vertrauen, die da besagte, dass der Schirm nicht nötig wäre?

Der Morgen drei Tage vor der Hochzeit begann mit drückender, lähmender Schwüle. Chily erhob sich langsam und wie gerädert aus dem Bett. Des Tages Arbeit rief nach ihr und ihrem Mann. Die erste Tat im gewohnten Ablauf war es für sie, Frühstück zu machen. Schläfrig wankte sie aus dem Bett und versuchte die Benommenheit abzuschütteln, die sie noch festhielt. Saber richtete sich auf und beobachtete sie. Tapsig war sie gelegentlich schon morgens, meist dann, wenn die Nacht zu kurz war. Aber heute schien es ihm etwas schlimmer zu sein als sonst. So wie sie das Ehebett umrundete, drängte sich ihm die Frage einfach zu sehr auf. „Ist dir nicht gut?“, wollte er daher wissen. „Nur etwas schwindlig“, bagatellisierte sie murmelnd und tapste weiter. „Dann solltest du dich vielleicht besser wieder setzen, Jolene“, schlug er fürsorglich vor. „Ach was, das geht“, behauptete sie lahm und wurde mit dem nächsten Schwindelanfall sogleich Lügen gestraft. Denn auf dem Weg zum Stuhl neben der Tür geriet sie ins Straucheln und drohte umzufallen. Der Recke war mit einem Satz bei ihr und fing sie auf.

„Jolene!“, rief er erschrocken und hielt sie fest. „Danke, Manapi“, erwiderte sie leise und versuchte sich aus ihrer halb liegenden, halb stehenden Position in seinen Armen aufzurichten. Aber noch drehte sich alles und fühlte sie eine dünne Schicht kalten Schweiß auf ihrer Haut. „Du solltest dich wieder hinlegen, Aiyana“, mahnte ihr Angetrauter sie sanft, während sie einigermaßen sicheren Stand zurück gewann. „Das geht aber grad gar nicht. Ich muss noch in die Praxis runter. Die Arbeit tut sich schließlich nicht von allein und ich habe etwas zu viel davon aufgeschoben.“ Sie löste sich mit zitternden Fingern von ihm. „Ich brauche bloß einen guten Kaffee sonst nix“, wiegelte sie ab. Seine Arme ruhten noch immer um ihre Taille, falls sie gleich wieder fiele. „Du brauchst vor allem Ruhe, mein Schatz“, beschwor er sie beunruhigt. „Leg dich wieder hin, den Kaffee bring ich dir auch ans Bett.“ Sie entfloh ihm endgültig. „Ach jetzt hör aber auf. So schlimm ist es doch gar nicht.“ Damit schlug sie den Weg Richtung Küche ein. Er folgte ihr. Weder entging ihm ihr wankender Schritt, noch die fahrige Bewegung, mit der sie die Küchentür öffnete. Dass sie den Kopf gesenkt hielt, bestärkte seinen Verdacht. „Darf ich was fragen?“ – „Hm“, brummte sie unkonzentriert zurück und begann Kaffee anzusetzen. Saber konnte nicht länger zu sehen. Das war zu viel. Er platzierte sie mit sanfter Bestimmtheit auf einen Stuhl und nahm ihre Arbeit auf. „Was fehlt dir, Aiyana?“, hinterfragte er dabei. „Ach, nichts weiter. Wahrscheinlich nur etwas Schlaf im Allgemeinen. Heiß ist es heute auch ganz schön. Da kann so was mal vorkommen. Mach dir doch bitte nicht so viele Gedanken“, erwiderte sie, blieb jedoch sitzen, da die Welt endlich mal still stand. „Ich mach mir Gedanken. Ich bin dein Mann“, schmunzelte er zurück und stellte ihr einen Kaffee, mit Zucker und schon verrührt, auf den Tisch. „Ich weiß“, lächelte sie warm, „aber das musst du nicht. Passiert halt immer wieder mal. Ist aber nicht schlimm.“ Der Blonde ließ das nicht gelten. „ Wäre es nicht schlimm, müsste ich keine Angst haben, dass du mir über die Stufen runterfällst“, widersprach er ihr. „Gestern bin ich auch nicht die Stufen runter gefallen“, murmelte sie in die Kaffeetasse, ehe sie einen Schluck trank. „Ich will nicht, dass du mir überhaupt die Treppe runterfällst“, erklärte er und setzte sich ihr gegenüber. Wieder musterten seine Augen sie besorgt. „Hast du dir etwas eingefangen? Eine Sommergrippe oder etwas anderes?“, bohrte er weiter. „Möglich ...“, wich sie aus und spülte einen Schluck dem nach, was sie allerdings hörbar selbst nicht so recht glaubte. „Oder?“ Saber hob die Brauen. Das war alles andere als beruhigend. Nein, wirklich nicht. „Wer hat was von Oder gesagt?“, mimte diese unschuldig. „Manapi, das kann alles Mögliche sein.“ Dem Schotten schossen alle möglichen Gedanken durch den Kopf, ausnahmslos alle, die Grund für das blasse Gesicht seiner Angetrauten sein konnten. „Klär mich bitte mal über ‚alles Mögliche‘ auf. Ich möchte vorbereitet sein“, verlangte er einigermaßen gefasst, auch wenn er nicht hätte sagen können, wie er auf die bisher nicht bedachte eine Wahrscheinlichkeit, oder besser, deren Bestätigung reagieren würde. Sie blieb ihm die Antwort schuldig. Perplex starte sie ihn an. Er klang beinahe so, als wüsste er, welche Ahnung sie auf dem Weg in die Küche beschlichen hatte. Aber seit wann hatte auch der Recke hellseherisch anmutende Fähigkeiten? „Was kann ‚alles Mögliche‘ sein, mein Schatz? Was kann dir fehlen, beziehungsweise was kannst du haben?“, drängte er sie, seine Frage zu beantworten. „Ja, was halt so fehlen kann. Kaffee zum Beispiel“, sie nahm noch einen Schluck von dem Muntermacher, „und alles, was man eben haben kann. Ach Manapi, du übertreibst. Nur weil es heute etwas schlimmer ist, als die vergangenen Wochen, und du es daher gemerkt hast.“ Und jetzt trank sie gleich mehr, damit die warme, gesüßte Flüssigkeit endlich ihre Wirkung entfalten konnte, denn sie hatte sich verplappert. Saber war das sofort aufgefallen .Er fuhr überrascht auf. „Die vergangenen Wochen?“, wiederholte er ungläubig. „Schatz, warum sagst du denn nichts?“
 

Sie blinzelte leicht. „Genau deshalb“, erwiderte sie und deutete auf ihn. „Weil du dir zu viele Gedanken machst. Jetzt hör bitte wieder auf.“ Damit erhob sie sich und wollte erneut die Flucht in ihre Praxis antreten. Doch weit kam sie nicht. Saber hielt ihre Hand fest. „Schatz, bitte. Wenn du mir nicht sagst, was los ist, mach ich mir erst recht Sorgen. Ich will doch nur, dass es dir gut geht“, beschwor er sie. Sie setzte ein unschuldiges Lächeln auf. „Es geht mir doch gut“, beteuerte sie. Seine Miene verriet, dass er ihr nicht glaubte. „Es geht dir eben nicht gut“, stellte er energisch fest. „Jolene“, fuhr er streng fort. „Muss ich dich in dem Zustand wirklich erst zu Colt bringen, damit du es mir sagst?“
 

Sie riss die Augen auf. „Was soll ich denn bei Colt? Ich hab zu tun, lass mich das bitte erledigen“, bat sie. Bei dieser Drohung ihres Mannes wollte sie nur noch schneller fort, ehe er diese Ankündigung auch noch wahr machte. Aber er verstellte ihr den Weg. Das hielt er kaum noch aus. „Jolene, lass mich im Dunkeln tappen und dein Manapi fängt das Flippen an“, mahnte er etwas ungehalten. Beide wussten, dass es stimmte. Ehe sie ihre schlechten Ablenkungsmanöver fortsetzten konnte, fragte er nachdrücklich: „Wieso willst du mir nicht sagen, was du dir eingefangen hast?“ Sein Blick hielt sie ernsthaft bittend fest. Sie gab seufzend nach. „Weil ich mir nicht sicher bin“, gab sie zu. Saber stutzte. „Nicht sicher? Du musst doch wissen, ob du dich verkühlt hast oder …“ – „Sagen wir, ich hab da ein seltsames Gefühl im Bauch“, kürzte sie sämtliche Vermutungen auf die eigentliche ab, die sie selbst hegte. Erst überrumpelt, dann fragend starrte der Schotte seine Frau an. Was sagte sie ihm da? Sollte es bedeuten, dass er den Spuren seiner Freunde schneller folgte, als er gedacht hatte?
 

„Ich geh einfach mal zum Arzt. Okay?“, schlug sie ihm vor. „Ist das jetzt ein Grund für mich in Panik auszubrechen?“, wollte er wissen und wusste nicht so recht, ob er lachen sollte oder nicht. Sie lächelte warm und beruhigend. „Ich weiß ja noch gar nicht, ob ich da was von dir hab.“ Er hatte sich in den wenigen Minuten, die sie wach waren schon viel zu viele Gedanken gemacht. Er sollte jetzt nicht verrücktspielen, wo sie selbst nicht sicher war. Er schluckte leicht und versuchte die Tragweite zu begreifen. Langsam streckte er seine Hand nach ihrem Bauch aus. Wuchs darin wirklich etwas von ihnen heran, das seine Augen und ihre Nase haben konnte? „Was sagt dein Gefühl dazu?“, fragte er. Ihr Gefühl hatte sich doch noch nie geirrt. Sie lachte auf. „Es sagt gar nichts. Das ist es ja.“ War das zu glauben? Auch er lachte irritiert. „Funktioniert dein Radar nur bei anderen?“ Er zog sie in seine Arme. „Kann es denn sein, dass wir wirklich ...“
 

„Es scheint so. Ich werde am besten einen Test machen. Ich bin doch etwas später dran als die ein, zwei stressbedingte Tage.“ Sie lehnte sich an ihren Angetrauten. Sehr viel anders als ihm erging es ihr auch nicht. Es war verwirrend. Ihr Radar setzte bei ihr aus, das war schon seltsam. Ob sie nun schwanger war oder nicht, schreckte sie nicht. Sie freute sich auf ein Kind ebenso, wie sie Zeit mit ihrem auch gern noch ausschließlich mit ihm verbrachte.
 

„Wir werden wohl warten müssen“, bemerkte der. „Aber egal, was raus kommt. Ich freu mich so oder so. Werden wir einer mehr, ist das wunderbar. Bleiben wir zu zweit, ist das auch wunderschön.“ Damit sprach Saber ihre Gedanken aus. Sie schaute ihn etwas besorgt an. „Ist es das wirklich? Ich hab dir nichts gesagt, weil ich es eben nicht weiß und nicht wollte, dass du dich auf was freust, das vielleicht doch nicht ist.“ Bei ihrer Erklärung hob er die Brauen skeptisch. „Da nimmst du es in Kauf, dass ich mir Sorgen mache?“ Sie hob verlegen die Schultern. „Ach Jolene, mein Schatz. Wir haben geheiratet, weil wir uns lieben – in guten wie in schlechten Zeiten und in denen zwischen drin. Ich liebe dich wegen einer Schwangerschaft, die ist oder nicht, ganz bestimmt nicht weniger“, versicherte er ihr. Jetzt nickte sie lächelnd. Das wusste sie doch. „Das nächste Mal wüsste ich gern Bescheid, wenn du dich nicht wohl fühlst oder glaubst, deine Umstände ändern sich. Du weißt, ich mach mir Sorgen um dich.“
 

Sie grinste spitzbübisch. „Und du bist so niedlich dabei.“ Er hob skeptisch die Braue. „Bitte? Das gefällt dir auch noch?“ Sie lachte auf. „Umsorgt zu werden? Von dir? Aber klar doch.“ Er seufzte. „Ich würde dabei trotzdem gern nachts ruhig schlafen können.“ Als er das aussprach, fragte er sich, ob er überhaupt eine Nacht ruhig schlafen könnte, wenn sie tatsächlich schwanger wäre. Er bekam Zweifel daran und das las ihm seine intuitive Frau natürlich geradewegs aus seinem Kopf vor. „Vielleicht sollte ich nie schwanger werden, sonst kannst du neun Monate lang nicht schlafen. Oder stell dir vor, das Kind wird krank, bekommt Koliken und Fieber? Oh, so viele schlaflose Nächte für den armen Papa“, grinste sie verschmitzt. Ein wenig schmollend entließ er sie aus seiner Umarmung. Von wegen verrücktes Huhn. Eine kleine Spottdrossel hatte er sich da nicht nur angelacht sonder auch geehelicht. „Jaja, der arme Papa.“ Versöhnlich strich sie ihm über die Wange. „Du bist wie Colt“, erklärte sie dann heiter, wodurch der Trost sich nicht ganz entfaltete. „Jetzt ist aber genug, Aiyana“, begehrte er schmollend auf. Er war doch keine Glucke, lediglich fürsorglich. Wie kam sie denn bitte auf diesen Vergleich? Sie lachte auf und umarmte ihn noch einmal innig. „Der wichtigste Unterschied ist, ich bin Deins, ganz und gar“, versicherte sie ihm anschmiegsam. Noch einmal suchte sie seine Lippen und küsste ihn. So machte sie es ihm schwer, ernstlich beleidigt zu sein. „Die Arbeit ruft“, meinte sie dann. „Okay, aber lass es mich wissen, wenn es dir nicht gut geht“, bat er sie und küsste sie noch einmal. Sie nickte breit grinsend: „Ja, Bullet, äh, Manapi“, konnte sie sich nicht verkneifen, ihn ein letztes Mal zu necken, ehe sie sich an die Arbeit machte. „Haha, sehr witzig“, lachte er zurück und versetzte seiner hauseigenen Spottdrossel einen leichten Klaps auf ihr Hinterteil, ehe auch er endgültig in den Tag startete.
 

Während das Ehepaar Rider noch aufarbeitete, was es konnte, ehe die Hochzeit begann und ihre Hilfe als Brautjungfern und Trauzeugen das nicht mehr zuließen, setzten auch Colt und Fireball alles daran, einen bestimmten Stand im NoRiNoFu zu erreichen, ehe die Hochzeit begann. Im Grunde wollten sie die Einrichtung soweit fertig bekommen, dass nach Hochzeit und Flitterwochen nur noch mal ein kurzer Check nötig war, ehe die Eröffnung stattfinden konnte. Klang nach viel Arbeit, war auch viel Arbeit. Sie klotzten ran.
 

April und Robin bereiteten ihre trauten Heime vor, um die übrigen geladenen Gäste zu empfangen und unterzubringen. Robins Mutter und ihr Bruder Josh waren nur zwei davon. Natürlich fehlte auch General Whitehawk nicht und auch König Jarred und Prinz Roland samt Verlobter Angelique standen auf der Gästeliste. Nur zog es die königliche Familie aus mehreren Gründen vor, in einem Hotel zu übernachten.
 

Die Hochzeit würde diesmal endgültig stattfinden, allerdings nicht, wie der Scharfschütze es ursprünglich geplant hatte, auf der Adams Ranch, sondern in einem Park Yumas. Es gab viele davon, angesichts der Einwohnerzahl der Metropole und dieser war ein besonders schöner. Er war von einem Mischwäldchen umrandet, so dass man vergessen konnte auch nur in der Nähe einer Stadt zu sein. Sein Zentrum bildete ein großer See, an dessen Sonnenufer ein Bootshaus im Schilf stand und auf dessen dazugehörigen Bootssteg die Trauung stattfinden sollte. Eine Kette aus elf großzügigen Pavillons schwang sich entlang des Seeufers und bot so Raum und Möglichkeit für Feiern jeden Anlasses. Der größte Pavillon stand dem Bootssteg gegenüber und bildete die Mitte der Kette. Es war möglich, den Park zu buchen und abzuriegeln, so dass keine ungeladenen Gäste stören konnten, wenn sie zum See schlenderten oder durch die Blumenpracht gegenüber dem Pavillonufer zu flanieren. Chily war es gelungen, diesen Park ausfindig zu machen und das Brautpaar war sofort einverstanden gewesen. So hatte sie, ohne deren Wissen, die Anzahlung übernommen und die Buchung in ihrem Auftrag abgeschlossen. Die Kosten der Hochzeit waren noch immer hoch genug. Es hätte sie keiner davon abhalten können.
 

Colt konnte mochte es noch am Vortag gelungen sein, seine eigene Aufregung zu verdrängen. Doch zwei Tage vor der Hochzeit, nachdem er und Fireball erledigt hatten, was sie sich vorgenommen hatten, war das kaum noch möglich. Er wirbelte durch das Haus, konnte kaum still sitzen um sich mit seinen Gästen unterhalten. Selbst wenn er kurz Ablenkung fand, sei es um sich die Predigt seiner künftigen Schwiegermutter anzuhören, die es sehr bevorzugte, dass er unter die Veranstalter und Unternehmer ging, statt weiter Star Sheriff zu sein – und hier zählte sie ihm all die für sie negativen Aspekte daran auf – oder um mit Josh in dem nun kleineren Partykeller Darts zu werfen. Colt blieb rastlos, zumal auch noch immer nicht alle Antworten auf die neuerlichen Einladungen eingetrudelt waren. Das beunruhigte ihn. Er wollte zu Chily gehen, um besser auf andere Gedanken zu kommen, aber Robin band ihn geschickt ans Haus, als sie ihn daran erinnerte, dass sie sich in ihrem Zustand unmöglich allein um die Gäste kümmern konnte. Ihr verstohlenes Lächeln bemerkte er dabei nicht, wartete doch im Hause Rider mittlerweile die Überraschung, mit der der Scharfschütze ziemlich sicher nicht rechnete.
 

Saber und Jolene empfingen an diesem Tag die Brautführer und den, der einen Segen und Fürbitten für das Paar sprechen würde. Als die drei eintraten, begleitet von ihrer Familie, verstand der Recke, weshalb seine Frau so lange verbissen geschwiegen hatte. Jetzt lächelte er verstehend und reichte dem Ankommenden die Hand. „Sei gegrüßt, Aiyana Etu“, sagte der freundlich. „Aiyana Etu?“, wiederholte Saber verwundert. Ein Nicken war die Antwort. „Du bist unserer ‚ewigen Blume‘ die ‚Sonne‘.“ Auf diese Übersetzung hin presste der Schotte verlegen die Lippen zusammen, während seine Frau nur munter lachte. Dann hieß sie ihre Gäste mit einer innigen Umarmung herzlich willkommen.
 

Am Vortag der Hochzeit ergoss sich noch einmal ausgiebiger Regen über Yuma. Robin schaute unglücklich aus dem Fenster. Chily hatte hoffentlich an den Schirm gedacht, betete sie gedanklich, aber sicher war sie da nicht. Ihre Freundin erklärte immer wieder souverän, dass die Sonne scheinen würde.
 

Erst am Nachmittag brach die Wolkendecke auf und ließ späte, aber umso wärmere Sonnenstrahlen hindurch. Sofort stieg die Temperatur. Es wurde warm und schwül.
 

Über Nacht regulierte sich die Temperatur und am Hochzeitsmorgen begrüßte ein sonniger Sommertag die Welt. Robin atmete erleichtert aus. Bald war es so weit. Nur noch wenige Stunden, nachdem es mittlerweile über ein Jahr her war, dass die Hochzeit stattfinden sollte. Wehe dem, der es wagen sollte, heute noch irgendeinen Fall dazwischen zu schieben. Keine geheimen Aufträge, keine TOP-SECRET-Missionen, keine Verräter, keine Outrider – wehe, sie fuschten wieder dazwischen. Schwanger oder nicht, sie würde sie persönlich in die Phantomzone treten. Das stand fest. Sie verabschiedete sich von Colt und ihren Gästen. Sie würde sie am Altar wiedersehen. Jetzt brach sie zu Jolene auf, die ihr mit dem Kleid und dem Make-up helfen würde.
 

Im Hause Rider ging es bereits turbulent zu. Chily war seit dem frühen Morgen auf den Beinen, nahm eingehende Anrufe, des Hochzeitsplaners entgegen, machte ein Zimmer bereit, in dem die Braut sich herrichten konnte, beruhigte aufgeregte Patientinnen, die sich ebenfalls meldeten, und wollte eben noch beginnen Frühstück für alle zu machen. Hier allerdings schritt Saber ein. Immerhin war sie erst vor ein paar Tagen bedenklich durch das Haus gewankt. Er schaltete in der Praxis den Anrufbeantworter ein, um seiner Frau etwas Stress abzunehmen, und übernahm es, das Frühstück vorzubereiten. Auch hielt er sie davon ab, ihm die Sachen rauszusuchen und kümmerte sich um die Gäste, die sich verhalten zu nickten, einig in ihrer Ansicht über sein Handeln.
 

Als Robin im Hause Rider ankam, erfasste sie, angesichts der Überraschungsgäste, eine zweite Welle der Erleichterung. Sie begrüßte sie freudig, flog dann aber gleich die Treppen hinauf, wo Chily mit dem Kleid wartete. Sie half ihr hinein und die Lehrerin drehte sich vor dem Spiegel. Sie hatte nicht geglaubt, dass sie ein schönes Kleid für Anlass und Umstand finden würde, doch in diesem Traum, den April entdeckt hatte, fühlte sie sich wie eine Königin. Der cremeweiße Stoff fiel leicht an ihr hinunter, verbarg nicht das Bäuchlein, das nicht mehr zu verbergen war, betonte es aber auch nicht übermäßig. Das Bandeau, das ihre Brust einhüllte, war mit Perlen, saphirähnlichen Steinchen und goldfarbenem Garn verziert. Die schmalen Träger waren auf die gleiche Weise verziert. Die Träger wurden auf dem Rücken von drein feinen Ketten verbunden, die sich zwischen den Schulterblättern der Trägerin vereinten und dort von einer goldenen Rosenblüte halten wurden.
 

Damit dieses Schmuckstück auch gut zu sehen war, verpasste ihr die Hebamme eine Hochsteckfrisur. Dafür zauberte sie ihr Locken, die sie mit feinen Kämmen vom Oberkopf bis in den Nacken mit zusammenschob, so dass sie einem Iro glichen. Dann legte sie ihr den Schmuck ihrer verstorbenen Schwiegermutter an, den Colt ihr für diesen Anlass gegeben hatte. Viel Make-up benötigte die werdende Mutter nicht, sie strahlte aus ihrer Seele.
 

April war unterdessen dem Hochzeitsplaner vor Ort zu Hilfe gekommen. Nun stand ein Wildblumen-Spalier auf dem Bootssteg und war ein kleiner Altar an dessen Ende aufgebaut.
 

Der Tisch des Brautpaares war im mittleren Pavillon eingedeckt. Die Tische für die Gäste wurden eben vorbereitet. April kümmerte sich um den Geschenktisch und wies den Lieferanten mit den Blumengestecken die Richtung. Einige von ihnen betrachteten sie stutzend, bis ihnen bewusst wurde, dass sie nicht die Braut sein konnte. Das Kleid der Brautjungfer mit seinem schimmernden, beigen Farbton konnte auch ein Brautkleid sein. Es glich dem Robins, fiel aber weniger weit, hatte keine Träger, keine blauen Steinchen und auch die Kette auf dem Rücken fehlte. Das Haar hatte die junge Mutter ebenfalls aufgesteckt. Ein Haarreif mit einer Rosenblüte war der der einzige Schmuck. Jolene würde nachher ebenso erscheinen. Zunächst kamen der Caterer und die Musik. Die Tanzfläche, die Musikanlage und das Buffet wurden aufgebaut.
 

Es wurde zügig und routiniert gearbeitet, an diesem Vormittag. Es ging zügig voran und lief, bis auf wenige Rücksprachen mit der Hebamme ehe die junge Mutter zur Unterstützung geeilt war, reibungslos.
 

Colt, Josh und dessen Mutter erschienen als erstes, kurz bevor die Arbeiten gänzlich beendet waren. Es dauerte kaum mehr als eine Minute, bis der Bräutigam den Wunsch verspürte, seine Schwiegermutter in den See zu werfen. Sie begann erst wegen des Spaliers und Sitzreihen auf der Wiese davor Änderungen vorzuschlagen, dann wegen der Tischdekoration. Es verunsicherte den Hochzeitsplaner und Colt rollte die Augen. Seit die Mutter seiner Zukünftigen angekommen war, hatte sie alles in Frage gestellt, was das Paar bezüglich der Hochzeit geplant hatte. Er versicherte dem Mann mit einem Schulterklopfen, dass der sich keine Gedanken machen müsse. Alles war so vorbereitet worden, wie es sich die beiden vorgestellt hatten. Darauf reagierte wiederum die Mutter der Braut verschnupft. Josh führte sie zu ihren Plätzen am Ufer von wo aus sie einen guten Blick auf den Bootssteg hatten.
 

Colt verstand, dass sie sich beteiligen wollte, drehte es sich hier immerhin um ihre Tochter, doch für seinen Geschmack grenzte es an Bevormunderei. Er wollte sich eben nach passendem Gestein für die Füße seiner Schwiegermutter umsehen, da kamen seine Trauzeugen an. Sie steckten in klassischen, schwarzen Anzügen mit weißen Hemden und kamen Schnurrstracks auf ihn zu. Fireball trug Charlene noch auf dem Arm.
 

„So nah am Wasser? Hast du dir das gut überlegt?“, fragte Saber schmunzelnd und wies leicht auf den Altar unter dem Spalier auf dem Steg. Der Angesprochene nickte. „Es wird kein falsches Wort geben, für das sie mich untertauchen könnte“, erwiderte er zuversichtlich. „Zumindest nicht, solange du da stehst“, nickte der Schotte verstehend und klopfte ihm leicht auf die Schulter. „Sie wird ihn noch vor der Hochzeitsnacht ertränken“, mutmaßte der Wuschelkopf heiter, „Lange kann er sein loses Mundwerk doch nicht im Zaum halten.“ – „Oh, du bist aber ein ganz schlauer“, versetzte der Scharfschütze. „Gesell dich doch zu meiner Schwiegermutter, da sind die Schlauberger ganz unter sich.“ Fireball fuhr etwas zurück. Kam da die Nervosität zum Vorschein? So tief wie Colt ausatmete, lag das nahe. Sein Töchterchen gluckste amüsiert auf seinem Arm.
 

In den nächsten Minuten kam die Hochzeitsgesellschaft allmählich zusammen – Verwandtschaft, Freunde Kollegen. Colt schüttelte Hände und begrüßte seine Gäste. Hatte er wirklich so viel eingeladen? Er staunte über seine Mischung aus der sich seine Gästeliste zusammensetzte. Seine Schwiegermutter und Josh, Donna Joe und Toto, Commander Eagle und General Withehawk, König Jarred, sein Sohn Roland und dessen Zukünftige Angelique – trotz der Unterschiede waren sie alle durch den Anlass und das Brautpaar verbunden. Das Erscheinen von Reverend Steam überraschte seine Trauzeugen, erinnerten sie sich doch daran, dass dieser wegen der Verführung seiner Tochter wohl nicht so gut auf Colt zu sprechen sei. Offenbar aber, waren die Jugendsünden vergeben. Die Begrüßung war freundschaftlich. Nun begleitete er den Bräutigam über den Bootssteg zum Altar. Die Trauzeugen folgten.
 

„Ob er jetzt fliegt?“, mutmaßte Fireball leise an Saber gewandt. Der hob die Schultern. „Ich seh mich mal nach einem Rettungsring um“, überlegte der junge Vater dann weiter. „Scheint mir ein guter Plan“, bestätigte der Recken.

Steam trat hinter den Altar und bereitete sich auf die Trauung vor. Colt blieb davor stehen und wandte sich zu seinen Gästen um. Neben ihm nahmen Saber und Fireball Platz. Auf der anderen Seite stellte sich April ebenfalls bereit, nachdem sie Charlene in die Hände ihres Vaters übergeben hatte, wo ihre Tochter sofort die Aufmerksamkeit König Jarreds erregte. Alle waren da, die ihr Kommen zugesagt hatten. Demnach fehlten nur noch die Braut und die zweite Brautjungfer.
 

Schade, schoss es dem Scharfschützen einmal mehr durch den Sinn, dass weder ihr Vater noch seiner oder Timothy Dooley sie zum Altar führen konnte. Dann würde wohl diese Aufgabe seine Jugendfreundin übernehmen. Das war auch in Ordnung.

Saber stieß ihn an. „Wenn du dir nicht gerade einen Fluchtweg überlegst, entspann dich“, raunte er ihm zu. Colt nickte. „Wo ist der Ring?“, wollte er dann wissen. Mit einem Griff in seine Jackentasche beförderte Fireball die kleine Schatulle hervor und öffnete sie. Da lag das gute Stück und glänzte frisch poliert in der Sonne. Ein lauer Wind strich über den Ort der Feierlichkeit. Fireball schloss rasch die Box und schob sie in seine Tasche zurück, ehe es ein Unglück gab und er im See danach tauchen musste.
 

Colt atmete noch einmal durch und sah auf seine Uhr. So langsam war es Zeit. Sie müsste jeden Augenblick hierher kommen. Die Musik sollte in diesem Moment zu spielen beginnen. Es müsste wirklich gleich soweit sein. Es sei denn, durchfuhr es ihn kalt, das Leben erwies sich einmal mehr als Miststück und funkte wieder dazwischen. Er warf seinen Trauzeugen flüchtig einen besorgten Blick zu. Beide schüttelten die Köpfe beruhigend. Gut. Dann: Wo blieben die beiden?
 

Es müsste doch jetzt die Musik spielen. Die Gitarre müsste anzupfen, als würde sie sich auf das eigentliche Lied einstimmen, unterbrochen vom Taktschlag eines Tamburin und eines Trommelschlags. Die Menge sollte sich umdrehen und nur leise raunen. Er spitzte die Ohren. Was war das? Raunte die Menge da nicht? Colt wandte sich um.
 

Auf dem Weg zwischen den Stühlen, der zum Bootssteg führte, schritt er daher. Colt hielt die Luft an. In heller Hose und dunklem Hemd, den Festschmuck der Heimat auf der Brust schritt Häuptling Hinun auf den Altar zu. Ihm folgten, in derselben Kleidung, seine Söhne Taima und Patamon. Auf dem Gesicht des Scharfschützen breitete sich ein Strahlen aus, das seine Freunde nicht kannten.
 

Jetzt spielte die Gitarre an, als wolle sie sich einstimmen. Das Tamburin und die Trommel schlugen dazwischen an. Die Gitarre spielte weiter. Ihre Klänge, tönte auch der Schellenring und das Schlagzeug rhythmisch dazwischen, vervollkommneten sich zu einer Melodie.
 

„I been tryin do it right … I been living a lonely life …“ erklang es über die Hochzeitsgesellschaft hinweg.
 

Je näher Hinun und seine Söhne dem Altar kamen, desto öfter sah man einen blonden Schopf hervorblitzen. Die Gäste sahen, was Colt nur erahnte und dessen er sich immer sicherer wurde, je näher die Gruppe schritt. Die jungen Männer, die mit dem Cowboy wie Brüder aufgewachsen waren, führten Robin zum Altar. Sie hielten ihr je einen Arm hin. Sie hatte sich bei beiden untergehakt. In einem größeren Abstand, so dass man sich nur auf die Braut konzentrierte und ihre Anwesenheit kaum bemerkte, folgte Jolene, den Brautstrauß in der Hand. Es war ein bemerkenswerter Aufmarsch.
 

„I belong to you … you belong to me … Your’e my sweet …“
 

Robin strahlte hinter dem Rücken Hinuns und zwischen den Brüdern. Sie schaute über die Schulter des alten Indianers, sah sie die blauen Augen ihres Cowboys strahlen, dass es fast blendete. Nie hatte sie ihn ausgeglichener und glücklicher gesehen. Er lächelte warm und erwartungsvoll.
 

Als sie den Bootssteg erreichten, blieben die Brüder stehen. Hinun schritt voraus. Leise knarrte das Holz. Väterlich warm war seine Miene, als er den Lockenkopf erreichte und ihm die Hand auf die Schulter legte. Der schluckte fahrig und brachte keinen Ton hervor. Hinun nickte ihm zu und stellte sich dann hinter dem Altar an der Seite des Reverend auf. Endlich konnte Colt seine Zukünftige ungehindert anschauen.
 

„Love, we need it now … let’s hope for some …“
 

Bezaubernder hatte sie nie ausgesehen. Wie eine kostbare Elfe sah sie zwischen den Brüdern, den Kriegern, aus. Beide setzten nun ihren Weg fort und führten sie weiter. Eine leichte Schleppe glitt hinter der Braut her über den Boden. Das Bäuchlein wurde sacht vom feinen Stoff ihres Kleides eingehüllt und verschwand doch beinahe darunter. Sie trug den Schmuck seiner Mutter. Er stand ihr so ausgezeichnet, dass Colt prompt noch einmal schluckte und sich verstohlen über die Augen wischte. Seine Mutter würde jetzt sicher mit seiner Braut um die Wette strahlen. Wenn sie es doch nur sehen könnte. Sein Blick wanderte weiter über seine Herzdame. Ihr Lächeln und das Strahlen ihrer Augen ließen den Schmuck neben ihr verblassen. Ihr Haar hatte er noch nie so frisiert gesehen. Es sah gleichermaßen liebreizend aus wie es Selbstbewusstsein ausstrahlte. Damit passte die Frisur perfekt zu ihr, symbolisierte gleichermaßen ihre Stärke wie ihren Liebreiz.
 

„I belong to you … you belong to me … you’re my sweet …“
 

Sie hatten den Altar erreicht. Das Lied verklungen. Taima und Paramon nickten dem Scharfschützen zu und übergaben seine Braut. Sofort ergriff der Lockenkopf deren Hand und strahlte, sofern es möglich war, noch wärmer.
 

Schmunzelnd hatte der Recke bemerkte, wie Colt sich ein Tränchen aus den Augen gewischt hatte. Nun beobachtete er, wie der die Augen kaum von seiner Braut nehmen konnte und völlig zu vergessen schien, was um ihn herum passierte. Reverend Steam musste sich räuspern, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
 

„Liebe Familie, liebe Freunde, liebe Gäste“, begann er dann, als das Brautpaar ihn ansah. „Wir haben uns heute hier versammelt, um Robin Johnson und Colt Willcox im Bund der Ehe zu vereinen.“
 

Feierliche Stille breitete sich bei diesen Worten aus. Aller Aufmerksamkeit richtete sich auf die Zeremonie, die sich auf dem Steg am See abspielte.
 

„Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch“, zitierte der Geistliche und führte aus, wie auch das Brautpaar durch die Zeit ihrer bisherigen Beziehung zusammengehalten und sich gegenseitig unterstützt hatte, wie sie den Weg gemeinsam gegangen waren und Hindernisse darauf überwunden hatten. „Längst wollten sie den Bund der Ehe eingegangen sein. Sie, liebe Gäste, wissen darum. Sie haben im vergangenen Jahr bereits die Einladung erhalten. Doch legte ihnen das Schicksal eine Prüfung auf. Es galt zu schützen, was kostbar ist, die Heimat und die Familie. Krankheit kam hinzu, Colt wurde schwer verwundet. Nicht einmal in dieser Zeit wich Robin von seiner Seite, stand zu ihm und unterstützte ihn. Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Wo du bleibst, da bleibe ich auch. Für die beiden ein Grundpfeiler ihrer Liebe. Deshalb stehen wir nun heute hier und vollenden die Prüfung, schließen sie ab.“
 

Der Reverend machte eine Pause und ließ Hinun sprechen. Der Häuptling räusperte sich. „So vielfältig sind die Wunder der Schöpfung“, stimmte er seinem Vorsprecher zu und begann ein uraltes Dankesgebet zu sprechen. „Der Schöpfung Schönheit wird nie enden“, richtete er dann seine Worte an das Brautpaar. Er hob die Hände und fuhr fort. „Die Schöpfung ist hier. Sie ist genau jetzt in dir“, Er wies auf Colt und auf Robin. „Ist es immer schon gewesen. Die Welt ist ein Wunder. Die Welt ist Liebe.“ Dabei machte er eine Geste, als Hülle er das Paar ein. „und sie ist hier. Jetzt.“ Dann senkte er den Kopf.
 

Colt blinzelte, doch es half nichts. Er wischte noch einmal verstohlen über seine Augen. Auch Robin schluckte und tupfte vorsichtig die Tränen, die über ihre Wimpern zu rollen drohte.
 

„Nennen wir es Schöpfung, Großer Geist, Gott oder Alles“, betete Steam feierlich abschließend. „Wir sind alle ein Teil davon und werden es immer sein“, schloss auch Hinun nun. Er nickte dem Wuschelkopf zu, der ihm rasch die Ringbox reichte.

„Ich erkläre euch, Kraft des mir verliehen Amtes und vor all euren Gästen, zu Mann und Frau.“ Steam nickte dem Bräutigam zu. „Du darfst die Braut jetzt küssen.“
 

„Als ob er das noch nie getan hätte“, murmelte Fireball vor sich hin. Saber stieß ihn mahnend an.
 

Colt zog seine Angetraute in seine Arme und überdeckte so das Schlucken. Er hatte einen Kloß im Hals wie beim ersten Mal, bei dem er sie geküsst hatte. Sein Herz raste, hämmerte gegen seinen Brustkorb, als wolle es ihn sprengen oder selbst zerspringen. Nicht anders erging es Robin. Der erste Kuss als Mann und Frau weckte eine nervöse Freude und seltsame Aufregung in ihnen, die erst verflog, als sich ihre Lippen berührten. Sie schlossen die Augen. Den Applaus um sich herum nahmen sie nicht wahr. In diesem Augenblick war die Welt für sie vollkommen. Was immer danach kommen würde, sie waren bereit. Sie waren stark genug dafür. Steine oder Hürden, Umwege oder neue, Unbekanntes oder Unvorstellbares – was immer die Zukunft brachte – es war ihre.
 

„… Take me to the magic of the moment … on a glory night … where the children of tomorow share their dreams … with you and me … Takte me … to the magic of the moment … on a glory night … where the children of tomorow dream away … in the wind of change …“



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