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Wie lange noch...?

Die Geschichte eines jungen Prostituierten
von

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Aus der Sicht von Luca

Luca wusste nicht, warum ihm, als er da einsam und nun wirklich völlig verloren auf dem Bürgersteig gestanden hatte, ausgerechnet der junge Pfarrer eingefallen war, der ihn vor ein paar Wochen auf der Straße für einen verzweifelten Selbstmörder gehalten hatte.
 

„Falls du irgendwann darüber reden möchtest, ich bin Michael Stantsford. Von Sonntag bis Freitag bin ich in der Sankt Marien Kapelle anzutreffen, komm doch einfach mal vorbei."
 

Ein bitteres Lachen entrang sich seiner Kehle und Luca fragte sich, wie viel Jamie von dem alten Luca noch in ihm finden würde, falls er ihm jemals wieder begegnen sollte.
 

Immer mehr und öfter stellte Luca fest, dass er unglaublich zynisch und hart reagierte, auf Dinge, über die er früher gelacht hätte. Auf dem Weg zur Sankt Marien Kapelle zog er die traurige Bilanz: Seit er Jamie kennen gelernt hatte, hatte er seine Familie entehrt, sie verloren – nun eben gänzlich, da sein Vater tot und seine Mutter unauffindbar war. War obdachlos gewesen, hatte sich in einem Nachtclub verdingt und insgesamt so ziemlich alles verloren, bis auf sein Leben. Falls man seine einzige und große Liebe zu all den anderen Dingen dazuzählen wollte, auch die.
 

Doch wen wollte er hier eigentlich für das alles verantwortlich machen? Er hatte sich doch selber dafür entschieden, so zu leben. Nunja, er hatte sich nicht gerade dafür entschieden, so zu enden, wie es nun gekommen war, doch im Grunde konnte er Niemanden außer sich selbst dafür verantwortlich machen.
 

Eine Verkettung unglücklicher Zufälle oder wie auch immer man es nennen wollte.Schicksal vielleicht?
 

Die Kapelle zu der er unterwegs war, lag nicht weit entfernt und eine knappe Stunde später stand Luca auf dem gepflasterten Vorplatz einer kleinen, aber durchaus hübschen Kapelle. Dem Stand der Sonne nach musste es früher Abend sein und in ein oder zwei Stunden würde die Sonne hinter den Dächern verschwinden und bald danach untergehen.
 

Es kostete Luca einige Überwindung, als er durch das schwere Holztor getreten war und es mit einem hörbaren Bollern hinter ihm zuschlug.
 

Mit gesenktem Kopf blieb Luca stehen und wollte im Grunde nichts lieber, als wieder aus dem Gotteshaus hinausstürmen, denn er fühlte sich schrecklich sündig, was er wohl auch war.
 

„Na mein Sohn, was kann ich für dich tun?", fragte eine bekannte Männerstimme und Luca hob zaghaft den Kopf.
 

Vor ihm stand, in schwarzem Talar, Michael Stantsford. Auch in Pfarrer Michaels Augen glomm Erkennen auf und er streckte Luca lächelnd beide Hände entgegen, die dieser jedoch nicht ergriff.
 

„Was führt dich hierher, mein Junge?"
 

Luca sah ihn unentwegt an. „Wie alt seid Ihr, Vater?"
 

Michael sah ihn verwirrt an, dann antwortete er: „Neunundzwanzig, warum fragst du?"
 

Luca ergriff ein eigenartiges Gefühl. „Habt Ihr schon einmal gesündigt?"
 

Pfarrer Michael schaute ihn immer verwirrter an, dann nickte er.
 

„Natürlich habe ich schon einmal gesündigt. Ich bin ein Mensch und Menschen sind prädestiniert dafür, dass sie sündigen. Deshalb brauchen wir unseren allmächtigen Vater, damit er uns Unvollkommenen die Sünden vergibt."
 

Luca spürte, dass er an die Grenzen der Respektlosigkeit stieß, doch das berührte ihn nicht im Geringsten.
 

„Habt Ihr auch schon einmal besseren Gewissens gesündigt?"
 

Der Pfarrer dachte nach und schüttelte schließlich, nun beinahe ungläubig schauend, seinen Kopf. Dann begann er zu lächeln und fragte schließlich ruhig:
 

„Kann es sein, dass du mir etwas beichten möchtest, mein Sohn?"
 

Damit hatte Luca nicht gerechnet. Er hatte noch nie gebeichtet, denn seine Mutter hatte seit ihrer Hochzeit die Kirche größtenteils gemieden. Außer Ostern oder Weihnachten waren sie nie in der Kirche gewesen und dann auch nur, um sich das Gerede der Leute zu ersparen.
 

Doch Luca dachte darüber nach und entschied, dass es vielleicht gar nicht schlecht wäre, mal mit jemandem über sein Leben zu sprechen.
 

Doch plötzlich durchfuhr es ihn siedendheiß und er wagte nicht, dem Pfarrer in die Augen zu sehen.
 

Er hatte willentlich mit einem Jungen verkehrt und nicht nur, dass dieser Junge sein Geliebter gewesen war, sondern er war auch noch ein Prostituierter gewesen.
 

Luca wandte sich wortlos um und wollte gerade die Kirche verlassen, da rief der Pfarrer hinter ihm her.
 

„Es gibt keine Sünde, die nicht durch Buße wieder ausgemerzt werden könnte. Du kannst dein Leben von vorne beginnen. Bereue und alles, was du je getan hast wird dir vergeben werden!"
 

Luca stockte. Ihm würde alles vergeben werden?
 

War es denn eine Sünde, dass er liebte? Nur weil es nicht Mädchen waren, die er liebte?
 

Das knirschende Geräusch, als Luca sich langsam umdrehte, hallte laut in der leeren Kirche wieder.
 

Luca schluckte. „Ja, Herr Pfarrer, ich habe etwas zu beichten."
 

Ohne seinen Blick zu heben, folgte Luca Michael zu dem Beichtstuhl und betrat die kleine Kammer. Er ließ sich auf die harte, hölzerne Kniebank nieder und faltete seine Hände.
 

„Nun mein Sohn,", begann Pfarrer Michael und seine Stimme klang gedämpft durch das verhängte Gitter zwischen ihnen, „Welche Sünden möchtest du bekennen?"
 

Erneut musste Luca schlucken, dann begann er leise zu erklären.
 

„Ich liebe-... habe einen Jungen geliebt." Luca wartete Michaels Reaktion ab, doch der sagte nichts und so sprach er weiter.
 

„Ich habe mit ihm... verkehrt und das aus freiem Willen. Hinzu kommt, dass dieser Junge ein-...ein... einer der käuflichen Jungen war, die in den meisten Nachtclubs dieser Stadt arbeiten. Aber er hat das nicht freiwillig gemacht und wollte eigentlich mit mir fliehen, doch-..." Luca holte Luft und sammelte sich. „Nachdem sich die... Umstände geändert haben, habe ich in einem Nachtclub gearbeitet, jedoch nur als Tellerwäscher und Kellner!", fügte Luca schnell hinzu und horchte, ob der Pfarrer jetzt etwas dazu sagen würde, doch der Mann Gottes enthielt sich jedem Kommentar. „Ich weiß, dass das gegen das Gesetz ist, doch ich wollte Jamie wiederfinden und ich hatte nie die Absicht mich zu verkaufen und gerade habe ich erfahren, dass mein Vater tot ist und meine Mutter sich mit einem anderen Mann abgesetzt hat, ohne sich auch nur von mir zu verabschieden!", ein leises Schluchzen seinerseits machte Luca darauf aufmerksam, dass ihm unbemerkt heiße, salzige Tränen die Wangen hinab rannen.
 

Schamvoll, dass er sich in der Gegenwart eines Fremden so gehen lassen hatte, schlug Luca die Hände vors Gesicht und unterdrückte weitere Schluchzer.
 

Pfarrer Michael ließ ihn sich beruhigen, dann räusperte er sich.
 

„Bereust du, dass du mit diesem Jungen verkehrt hast?"
 

Luca spürte den unbändigen Schmerz, den Jamies Nachricht an ihn in ihm heraufbeschworen hatte. War seine Liebe zu Jamie wirklich nur eine teuflische Versuchung gewesen, der er erlegen war?
 

Vielleicht war dieser Moment gerade der Augenblick, in dem er sich entscheiden musste. Würde er sein altes Leben hinter sich lassen, oder würde er immer mit dem Schmerz darüber leben wollen, dass er seine einzige und große Liebe verloren hatte? Wäre er überhaupt fähig, je wieder eine Beziehung zu einem Menschen aufzubauen?
 

Ja, auf einmal wollte Luca bereuen! Er wollte glauben, dass er neu beginnen können würde. Luca wollte vergessen, einfach nur noch vergessen!
 

„Ich-... Ich bereue es."
 

„Bereust du, dass du überhaupt einen Jungen geliebt hast?"
 

„Ich bereue es." Luca bebte und immer noch liefen ihm die Tränen in Bächen das Gesicht hinab.
 

„Bereust du, dass du das Gesetz gebrochen hast, indem du unerlaubter Weise als Minderjähriger in einem Nachtclub gearbeitet hast?
 

„Ich bereue es", schluchzte Luca und vergrub erneut sein Gesicht in den Händen.
 

Eine Weile schwieg der Pfarrer, dann sagte er ruhig und ernst: „Dir sei vergeben, mein Sohn."
 

Eine ungeheure Erleichterung durchströmte Luca.
 

Doch der Pfarrer war noch nicht fertig mit ihm.
 

„Zur Strafe wirst du bis zum Herbst in dem Kinderheim der Sankt Marien Kapelle unentgeltlich arbeiten. Du wirst jeden Tag dieser Zeit als Bußzeit abarbeiten und ich werde dir jede Woche erneut die Beichte abnehmen."
 

„Ja, Vater", murmelte Luca und erhob sich. Gegenüber erhob sich Pfarrer Michael ebenfalls und eine plötzliche Scham erfüllte Luca, sodass er spürte, wie er rot wurde. Nun wusste Michael, was er alles getan hatte. Eigentlich müsste er ihn verachten, doch als Luca aus den Augenwinkeln das Gesicht des Pfarrers betrachtete, sah dieser höchstens tieftraurig aus.
 

„Hast du eine geeignete Unterkunft für diese Nacht?", fragte der Pfarrer ihn nun und Luca schüttelte widerwillig den Kopf.
 

„Gut. Dann kommst du gleich heute Abend mit in das Heim und wirst dort deine Arbeit als Hilfsarbeiter gleich heute Abend beginnen."
 

Luca nickte ergeben und stand regungslos und abwartend da, bis der Pfarrer sich eilig entfernte und in der Sakristei verschwand.
 

Ich könnte abhauen, dachte Luca, doch sogleich schämte er sich für diesen Gedanken, denn wollte er nun seine Sünden vergeben bekommen, oder nicht?
 

Das Geräusch zweier Paar Füße, die auf ihn zukamen, rissen Luca aus seinen Gedanken. Pfarrer Michael kam in Begleitung eines Jungen auf ihn zu.
 

Der Junge hatte braunes Haar, graublaue Augen und er war etwa so alt wie Luca, vielleicht ein wenig älter. Er trug eine Kutte, jedenfalls musste es eine sein, denn die kleidartige Bekleidung des Jungen sah aus, wie in Jamies Erzählungen über die Mönche des Klosters, in dem er damals als Kind einmal gewesen war.
 

Wollte der Pfarrer ihn etwa sofort auf die Probe stellen? Luca sah den beiden misstrauisch entgegen.
 

„Luca, das ist Jeremie, ein Novize aus dem kleinen Kloster außerhalb von London. Kennst du es?"
 

Luca starrte Jeremie an und nickte beklommen.
 

„Jeremie wird dich ins Heim begleiten, denn auch er arbeitet dort. Er ist sozusagen der Oberbefehlshaber, wenn ich mal nicht anwesend bin." Der Pfarrer lachte herzlich und Jeremie grinste Luca vorbehaltlos an.
 

Unsicher nickte Luca. Michael musterte ihn noch einmal kurz, dann hob er verabschiedend die Hand und entfernte sich.
 

Jeremie und Luca sahen einander an, bis der Ältere die Schultern zuckte und auf das Kirchenportal zuschritt, es öffnete und Luca ebenfalls hindurchtreten ließ, bevor er es wieder hinter ihnen beiden schloss.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  ReinaDoreen
2008-11-28T20:50:29+00:00 28.11.2008 21:50
Ich kann Luca verstehen. Seine Liebe zu Jamie ist für ihn hoffnungslos geworden. Und ehe er völlig zerbricht, versucht er doch sein Leben irgendwie zu retten, jedenfalls das was davon übrig ist. Und das er bereut, ist etwas was im innersten seines Herzens nicht stimmt, aber an das er glauben will und nachdem er greift wie nach einem Strohhalm.
Ich meine er hat so lange gesucht und nur eine Entäuschung nach den anderen erlebt, für ihn ist die Liebe einfach nicht mehr da und er versucht dieses Gefühl aus seinem Herzen zu vertreiben.
Reni
Von:  midoriyuki
2008-11-28T19:56:45+00:00 28.11.2008 20:56
*mit Tränen in den Augen anstarr*
Wie kannst du nur...Kann Luca ja irgendwie verstehen und argh..Aber...Das kann er doch nicht wirklich ernst meinen...Er liebt Jamie mehr als alles andere>_<
Da kann er das nicht ernsthaft bereuen >_<
Okay, er ist verzweifelt, hilflos, überfordert und Michael ist die einzige Rettung, die ihm noch bleibt aber argh>_<
Und wie schon gesagt..Mir gefällt Michaels überhebliches "Dein Tun war Süüünde" nicht ;_;
Aber wieder toll geschrieben und hab dich lieb <3
Von:  Yumicho
2008-11-28T15:58:47+00:00 28.11.2008 16:58
Du bereust es!

Ooooh nein, nicht mit mie! I___I
Jetzt mag ich Luca nich mehr. Feddich. xD
Baaah, wie kann man nur so etwas sagen?! Q____Q
Du liebst ihn doch noch, du Sack! x-x
*heul*

Mann, jetzt bin ich noch depressiver als so schon.. .____.
Böses Saju! *ditsch* >-<

*Heulkrampf*
*däprieh ins nächste Kappi huscht*


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