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Und wenn ich nun doch alles mitbekomme...

Wettbewerb des KouKou-Zirkels
von

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Erstes und einziges Kapitel XD

«Wie ist es, wenn man alle Sinne verliert? Kann man sich das vorstellen?

Nicht, wenn man es nicht erlebt hat.

Ich weiß gar nicht mehr warum – es muss ein furchtbarer Unfall gewesen sein, über den keiner mit mir redet – aber mir ist es passiert. Zuerst spürte ich nicht einmal das Bett unter mir; konnte nicht fühlen, hören, sehen, mich nicht bewegen.

Im Nachhinein vergleiche ich es mit einer Blase, in der ich geschwebt bin. Eine Blase, die mich vollständig von der Außenwelt abgeschottet hat. Sie platzte nur langsam und gab immer nur einen meiner Sinne wieder frei.

Irgendwann spürte ich Decken auf meinem Körper, später konnte ich hören. Einige unbekannte Stimmen erzählten anderen Stimmen etwas von „Koma“ und „vielleicht nie wieder aufwachen“. Jemand weinte an meinem Bett.

Wer war das? Und wer griff nach meiner Hand?

Diese Stimme war es, die mich am Leben hielt. Immer, wenn ich kurz davor war endgültig einzuschlafen, redete die Stimme an meiner Seite mit mir.

Ich fragte mich immer stärker, wer es war, der dort an meiner Seite saß...

Mein Gehör hatte sich soweit erholt, dass ich erkannte, dass es kein Mädchen war, sondern ein junger Mann.

Peng... die Blase, die mich umgab, platzte weiter und gab mir mein Augenlicht zurück.

Aber was bringt es sehen zu können, wenn man niemanden erkennt?

Fremde Gesichter in meinem Zimmer, eine sterile Wand, keine Bilder, keine Farbe… die Gardine war zugezogen, damit meine Augen nicht zu sehr beansprucht werden konnten – so erklärten es die Ärzte. Hätte ich sie doch nur bitten können Licht in die Dunkelheit meiner Existenz zu lassen... obwohl mir diese Dunkelheit irgendwie vertraut war. Sie gab mir manchmal das Gefühl von Geborgenheit, war aber gleichzeitig etwas Furcht einflößend.

Als einige Ärzte sich um mein Bett versammelten, redeten sie wirr miteinander, sodass meine Ohren dem Gespräch nur in Fetzen folgen konnten. „Wachkoma“... „komischer Fall“... „Aufwachchancen“...

Doch da war jemand, der jeden Tag an meinem Krankenbett saß, mit seiner süßen Stimme beruhigend auf mich einredete und meine Hand hielt. Jedes Mal, wenn er den Raum betrat machte mein Herz einen kleinen Freudensprung, jedes Mal, wenn ich seine langen Haare sah, seine funkelnden blauen Augen, fragte ich mich, wer er eigentlich war.

Ja, blaue Augen... die einzige Farbe die ich anfangs sehen konnte war der Ton seiner wunderschönen Augen.

Wieso kam er zu mir? Wieso lächelte er immer, obwohl ich ihm ansehen konnte, dass er weinen wollte?

Er sprach mich an. „Kouichi“...? War das mein Name? War es seiner?

Ich konnte es nicht richtig verstehen, noch waren meine Sinne nicht wieder voll da… und mein Gehirn neigte dazu „einzuschlafen“ – auch eine ärztliche Erklärung. Ich könne mich an nichts erinnern, berichteten sie dem Jungen, der so tapfer war nicht zu weinen, ich würde mich wahrscheinlich nie wieder erinnern können.

Auf seine Frage ob ich irgendwann wenigstens wieder laufen könne, schüttelten sie nur unwissend mit dem Kopf. Das könne man nicht so sagen, es komme ganz auf meinen Überlebenswillen an.

Am liebsten hätte ich gelacht, doch es war mir nicht möglich. Natürlich wollte ich leben, immerhin wollte ich erfahren, wer er war, aber vor allem, welche Beziehung er zu mir hatte.
 

Ich lag eine gefühlte Ewigkeit in diesem Zimmer, doch meine Situation hatte sich nicht wirklich verändert. Morgens wurde ich gewaschen, zwischendurch wurden die Beutel mit meinem „Essen“ ausgetauscht. Alles war wie immer, auch an diesem Tag – bis er auftauchte.

Sein Lächeln war fröhlicher als sonst, in seinen Händen hielt er Ballons.

Ich machte große Augen als er mit ihnen den Raum betrat. Sie waren groß und bunt und einfach wunderschön.

Vorsichtig band er sie an mein Bett.

„Ich geh noch mal raus“, flüsterte er mir zu. Blut schoss in mein Gesicht. Ich konnte mich nicht darauf besinnen, dass mir das seinetwegen irgendwann zuvor passiert war.

Er hatte diese bestimmte Wirkung auf mich seit dem ersten Mal als ich ihn in meinem Zimmer gesehen hatte.

„Bin wieder da!“, er steckte seinen Kopf durch die Tür, „herzlich Glückwunsch zum...!“ Wieder einmal ein Wort, dass ich nicht verstanden habe.

Er setzte sich neben mein Bett, streichelte erst meine Wange, dann durch meine Haare.

„Soll ich dir ein Geschichte erzählen?“, er lächelte so zuckersüß, dass ich auch nicht „nein“ gesagt hätte, wenn mir reden möglich gewesen wäre, „erinnerst du dich was wir vor genau drei Jahren gemacht haben?“

Nein, das tat ich nicht.

„Wir waren damals in Nagoya...“

Als er das sagte, durchzuckte es mich wie ein Blitz. Er hatte recht, irgendetwas war in Nagoya gewesen.

„Wir sind einfach dahin gefahren ohne irgendjemandem vorher davon zu erzählen“, berichtete er mir, während er langsam durch meine Haare strich, „es war einer der schönsten Tage meines ganzen Lebens. Wir haben uns zusammen die ganze Stadt angeguckt, aber am wichtigsten war der Abend.“

In seinen blauen Augen konnte ich erkennen, dass an diesem Abend etwas geschehen sein musste, das ihn sehr glücklich gemacht hatte. Seine Augen funkelten so sehr wie Sterne am Himmel; ich verlor mich fast in ihnen.

„Du meintest, wir könnten uns doch auch ein wenig außerhalb der Stadt aufhalten bevor wir den Zug nach Hause nehmen und das haben wir dann auch gemacht. Wir sind einfach aus der Stadt raus gegangen und haben uns irgendwo ein Plätzchen gesucht an dem wir ungestört sein konnten.“

Je länger er redete, desto mehr hatte ich das Gefühl mich daran zu erinnern. An die Bäume, zwischen denen wir hin und her liefen; an die Vögel, die über den Himmel flogen - wie ein Band aus hunderten Strichen, die sich auf einem Untergrund befanden, dessen Farbe orange war. Ich konnte fast hören was er damals zu mir gesagt hatte – aber eben nur fast.

„Der beste Geburtstag den wir je hatten“, sagte er schnell.

Geburtstag? Ich überlegte. Wenn vor drei Jahren am gleichen Tag unser Geburtstag gewesen sein sollte, dann mussten wir doch heute auch wieder ein Jahr älter werden.

„Damals hast du meine Hand gegriffen“, sein Gesicht nahm eine tiefrote Farbe an, die ihm unglaublich gut stand, „ich war so aufgeregt, weil ich nicht wusste was du mir sagen wolltest…“

Damals war ich auch aufgeregt gewesen, dass wusste ich.

„...du hast mir in die Augen geguckt und mir gestanden, dass du mich liebst“, in seinen Augen standen Tränen, die er nicht unterdrücken konnte, „zuerst hatte ich Angst, aber als du mich geküsst hast, habe ich erkannt, dass es richtig ist!“

Langsam beugte er sich herunter zu mir. Er zögerte einen kurzen Moment, doch dann spürte ich seine zarten Lippen auf meinen. Ich fühlte seine Finger, die vorsichtig an meinem Unterkiefer zogen, um meinen Mund ein Stück zu öffnen. Seine Zunge drang in meinen Mund ein und spielte mit meiner.

Ich konnte fühlen wie Energie in meinen Körper überging. Langsam gelang es mir das Spiel seiner Zunge zu erwidern. Erschrocken wich er ein Stück zurück.

„Kouichi?“

Doch als er sich von mir löste, verschwand die Kraft wieder. Ich wollte ihn streicheln, aber es gelang mir nicht.

„Ich muss es mir eingebildet haben“, erklärte er sich selber.

Nein! ~ Ich wollte es ihm zu schreien, doch meine Kehle war immer noch wie zugeschnürt.

Er lächelte mich tapfer an und griff nach meiner Hand. „Bald werden wir wieder nach Nagoya fahren“, erklärte er mir, „eigentlich hatte ich das nämlich für dieses Jahr geplant und wollte es dir zum Geburtstag schenken...“

...aber du kannst ja nicht mit... Ich spürte, dass er den Satz so beenden wollte. Seine Trauer, die er so gut verbarg wie es ihm möglich war, ging auf mich über. Was würde geschehen, wenn ich für immer nur so daliegen würde? Würde er mich weiterhin jeden Tag besuchen und sein eigenes Leben vollkommen vernachlässigen?

Diese Gedanken quälten mich so sehr, dass ich weinte. Ich selber erschrak kurz, als ich die Feuchtigkeit meine Wange herunter rinnen fühlte.

Sein Blick verriet mir, dass er sich wunderte. Sein tapferes Lächeln wich einem ernst gemeinten. Überglücklich zog er meinen Oberkörper an sich heran.

Eigentlich konnte ich seine Freude nicht verstehen, trotzdem ging sie sofort auf mich über.

Die zuvor verlorene Energie schoss wieder durch meinen Körper, sodass sich der Knoten in meinem Hals löste.

„Ich...“, meine Stimme klang krächzend, „bin froh...“

Er zog mich noch näher an sich, doch an meiner Wange spürte ich diesmal seine Tränen statt meiner.

Damals konnte ich noch nicht begreifen, warum er weinte.

„Ich auch!“, antwortete er mir.

Es war der schönste Geburtstag meines ganzen Lebens.
 

In den folgenden Wochen ging es mir jeden Tag ein bisschen besser.

Er half mir immer, wenn ich aufgeben wollte – und diesen Gedanken hatte ich häufig…

Doch ein paar strahlend blauer Augen ruhte so lange auf mir, bis ich meine Übungen fortsetzte.

Alles, was ich jetzt wieder kann, hab ich diesem Menschen zu verdanken, der sein eigenes Leben vernachlässigte um mir wieder auf die Beine zu helfen.

Und heute bin ich wieder ganz der Alte...»

«Es ist so schön, wie du das erzählst, Kouichi...»

«Du hast mich gerettet, dafür möchte ich dir jetzt jeden Tag ein wenig danken!», erklärte Kouichi seinem Bruder mit einem sanften Lächeln auf den Lippen.

Sie gingen Hand in Hand durch die Straßen, die sie vor vier Jahren schon einmal durchschritten hatten. Ihr Weg hatte sie bereits zum Hafen und zum Fernsehturm geführt, aber jetzt wollten sie sich ein Stück außerhalb der Stadt hinsetzen.

«Es war so furchtbar für mich... nur wegen dieses Unfalls!», meinte der jüngere Zwilling und tat so, als wäre er sauer, «du hast dich nicht einmal an meinen Namen erinnert!»

Gemeinsam erreichten sie einen Platz, der ihnen beiden sehr wichtig war.

«Aber jetzt weiß ich ihn doch wieder», der Ältere wollte seinen Bruder ein wenig auf die Folter spannen.

«Dann sag ihn doch noch einmal», der Langhaarige lächelte Kouichi an, «wenn du meinen Namen sagst, dann fühle ich mich gleich besser.»

Kouichi sah ihm in die Augen. Dieses Blau, sah er inzwischen jedes Mal, wenn er sich selber im Spiegel betrachtete, doch bei seinem Bruder war es irgendwie noch viel schöner.

Über ihnen flog ein Schwarm Vögel in den Sonnenuntergang hinein, der einen Kontrast zu dem Ton der Augen der Zwillinge bildete.

«Wenn es dein Wunsch ist...»

«Ja!», der Jüngere wirkte etwas nervös, «immerhin ist heute unser Geburtstag!»

Kouichi küsste ihn kurz auf die Lippen.

«Ich liebe dich, Kouji.»



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Daishi
2008-04-14T17:37:56+00:00 14.04.2008 19:37
Die Story ist kitschig ... und ich mags. Klasse Idee und schön umgesetzt
Von:  Curin
2008-04-04T13:45:47+00:00 04.04.2008 15:45
Die Ff ist sooooooo schön ^____^
Ich war zuerst etwas überrascht, das sie so traurig beginnt, denn ein im Komaliegender Kouichi der nichts kann, ist nicht gerade romantisch.
Ich fand es aber dann doch superschön, wie Kouji sich immer um ihm kümmerte, ihm von ihren Liebesgeständnis erzählte und Kouichi sich immer wieder an etwas erinnern konnte.
Der Schluß, also dass dies alles von Kouichi erzählt wurde und so, war auch eine gute Idee. Auch den Schreibstil fand ich superklasse ^^
Von:  mathilda
2008-04-03T15:07:54+00:00 03.04.2008 17:07
Schön. ich mag's auch wenn das mit den Vögeln dann doch ein ganz kleines bisschen kitschig ist...genau die richtige Art von Kitsch eben^^
*seufz*


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