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Verwunschen

Im Reich des Fuchsfürsten
von

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Laut und bedrohlich heulte der Wind durch die Wipfel der alten, knorrigen Bäume. Grausig erstarrten Gestalten gleich streckten sie sich dem Wolken verhangenen Himmel entgegen. Die Luft war kalt und kleine Schnee-kristalle tanzten durch die hereinbrechende Dämmerung.

Knarrend und ächzend schwankten die bemoosten Stämme von einer Seite zur anderen. Ein toter Ast brach unter dem beständigen Druck des Windes ab und fiel mit einem dumpfen Schlag zu Boden. Ein Windstoß wirbelte die letzten verrottenden Blätter auf- viele waren es nicht mehr.

Der alte Wald hatte sich bereits auf den baldigen Winter eingestellt.

Einige verdorrte Hagebutten hingen verloren an den schwarzen Dornenhecken. Ihr mattes Rostrot war der einzige warme Farbton in mitten dem tristen Waldboden, dem toten Holz und dem immer dunkler werdenden Himmel.

Ein Rascheln ging durch das Gebüsch. Ein Fuchs mit hellem kupferrotem Fell huschten mit schnellen Sprüngen durch das Unterholz. Die honiggelben Augen funkelten fahl im Dämmerlicht und sein Atem hinterließ dicke Kondensstreifen in der kalten Luft.

Die Temperatur fiel nun zusehends immer schneller.

Das listige Tier wusste, was dies zu bedeuten hatte. Ein Schneesturm von ungeahnter Macht ballte sich zusammen. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis er losbrechen und den ganzen Wald unter einer dichten, weißen Schneedecke ersticken würde.

Schnell und behände sprang der Fuchs auf einem schrägstehenden Baumstamm, der dem letzten Sturm nicht standgehalten hatte, die leichte Anhöhe hinauf.

Kaum hatte es wieder festen Boden unter den Pfoten, da schlug sich das Tier durchs Unterholz.

Die schwarze Schnauze zuckte unablässig hin und her. Klug wie er war, behielt der Fuchs seine Umgebung genau im Auge bzw. in der Nase.

Ein eigenwilliger Geruch lag über dem Wald.

Etwas tief im Inneren des Tieres sprach darauf an und brachte sein Blut in Wallung. In Wallung vor panischer Angst.

Der Fuchs, der noch recht jung zu sein schien, hatte in seinem bisherigen Leben noch nie etwas derartiges erlebt, aber jener Geruch weckte seine Urängste. Eine Furcht, die ihm in die Knochen gebrannt zu sein schien, trieb den Fuchs zu einem immer rascheren Gang an.

Schließlich blieb das Tier unschlüssig auf einem Baumstumpf stehen. Er wiegte unschlüssig den Kopf hin und her. Welchen Pfad sollte er nur einschlagen?

Mit einem Mal drang ihm der stechenden Geruch brennend in die Nase. Von überall schien er zu kommen. Es roch nach Verwittertem, Eitrigem, Verfaultem... nach Tod.

Sämtliche Haare richteten sich schlagartig auf und verwandelten den Fuchs in eine nervös zuckende Fellkugel. Zornig bleckte er das scharfe Gebiss und stieß ein leises Knurren aus.

All seine Aufmerksamkeit richtete auf jenen Ort hinter ihm.
 

„Haha! Jetzt hab’ ich dich!“ Der Junge grinste triumphierend über das ganze Gesicht. Das Wasser spritzte nach allen Seiten, als er ungestüm ans Ufer watete. Stolz hob er dabei den gefangenen Fisch in die Höhe. Es war ein wirklich großes Exemplar.

Mutter würde ihn dafür bestimmt loben und sein Bruder wäre sicher den ganzen Abend neidisch auf ihn.

Grinsend packte der Junge seinen Fang in einen weitmaschigen Korb, der im seichten Wasser im Ufergestrüpp stand.

Vergnügt ließ sich der junge Bursche, der vielleicht gerade mal acht oder neun Jahre alt war, das strubbelig- kurze, rabenschwarze Haar vom Wind hin und her wehen. Die leichte Brise frischte leicht auf und das Wasser des träg dahin fließende Flusses kräuselte sich sacht an der Oberfläche.

Die letzten bunten Blätter der knorrigen Bäume, die das Ufer säumten, fielen herab und dümpelten ziellos und träge auf der Strömung dahin.

Versonnen beobachtete sie der Junge.

„Der Herbst ist jetzt fast vorbei, wie schade! Ich mag’ den Winter nicht.“ murmelte er leise vor sich hin.

Am Horizont konnte man dicke, tief graue Wolkenberge erkennen, die sich über den Gipfeln der östlichen Berge zusammen ballten.

„Oh je, ein Schneesturm!“ folgerte das Kind, das trotz seiner Jugend bereits die Zeichen der Natur deuten konnte. „Hoffentlich kommt der nicht bis hinab ins Tal.“

Am Himmel zog ein Schwarm Schwalben über den Jungen hinweg. Die Zugvögel drehten einen Kreis über dem Fluss und ließen sich am gegenüberliegenden Ufer nieder.

„Ihr habt’ s gut!“ seufzte der Kleine wehmütig „Ihr fliegt einfach davon, hinab in den Süden. Ihr müsst nicht Monatelang in der Hütte sitzen und vor Kälte bibbern.“

Während er verträumt den kleinen Vögeln beim Trinken zusah, entdeckte der Junge unweit von ihm etwas Seltsames. Da trieb ein unförmiges Knäul im Schilf.

„Was mag das nur sein?“ fragte sich das Kind und stand auf. „Ob das ein Tier ist?“

Neugierig watete er wieder durch das kalte Wasser. Laut zwitschernd stoben die Schwalben in die Höhe, doch der Junge achtete nicht mehr auf die Vögel.

Das ungewöhnliche Ding schlug ihn völlig in seinen Bann. Vorsichtig bog er die Schilfhalme auseinander um näher an das Knäul heran zu kommen.

Es war ein Tier! Ein kleiner, durchnässter Fuchs.

Als der Junge ihn vorsichtig anstubste, bewegte er sich nicht.

„Ob er tot ist?“ überlegte der Kleine.

Er stieß das Tier ein weiteres mal an, ein drittes, ein viertes mal, aber der Fuchs rührte sich nicht.

„Armer Kerl! Was ist dir nur zugestoßen?“

Vorsichtig fischte er den leblosen Körper aus dem Wasser und trug ihn behutsam an Land.

Das Wasser strömte nur so aus dem rostroten Fell. Wie es da so vor ihm lag, tat das kleine Tier dem Jungen irgendwie leid.

Er wusste zwar, dass man sich vor diesen listigen Kreaturen besser in Acht nehmen sollte. Sonst trieben sie erbarmungslos ihre derben Späße und Scherze mit ihren ahnungslosen Opfern. Es gab unzählige Geschichten darüber, wie sich Füchse in hübsche Frauen verwandelten und so Reisende ins Verderben lockten.

Aber dieser Fuchs hier war tot und konnte niemand mehr etwas tun.

Behutsam strich der Junge über den nassen Kopf, das Fell klebte an seinen Fingern. Da stieß er plötzlich auf etwas. Um den Hals trug der Fuchs ein etwa fingerbreites Seidenband aus roten, gelben und goldenen Fäden. An ihm hing ein etwa pflaumengroßer Stein, ein honigbrauner Bernstein der im Sonnenlicht herrlich funkelte und glänzte.

„Bei allen Ahnen! Was ist das denn?“ rief das Kind voller Staunen. Als er etwas fester daran zog, riss das aufgeweichte Band einfach auf und der Stein kullerte in die schmale Jungenhand.

Gebannt betrachtete er das Kleinod. Noch nie zuvor hatte der Junge etwas so Wunderschönes gesehen.

Aber warum trug der Fuchs solch einen Anhänger um den Hals? Ob er das Schosstier einer adligen Familie war?- Bestimmt! Nur solche Tiere trugen edlen Schmuck.

Aber der Junge wusste von keiner adligen Familie, die hier in der Nähe ihren Sitz hatte. Das Tal, in dem er und seine Familie lebten, gehörte zum Besitz des Fürsten Isano. Der aber lebte in einer Stadt weit im Westen.

Außerdem, warum sollten sich Adlige ausgerechnet einen Fuchs als Schoßtier nehmen? Hatten diese doch solch einen zweifelhaften Ruf.

Als der Junge zufällig in die Richtung des toten Tieres blickte, fuhr er erschrocken zusammen. Der Fuchs hatte die Augen geöffnete und starrte ihn misstrauisch an.

„Wie kann das sein? Er...er war doch...tot.“ stammelte er ungläubig vor sich hin. Wie zum Trotz begann der Fuchs zu knurren, seine goldenen Augen fixierten den Stein in der Hand des Jungen.

„Ich...ich...ich wollte deinen Stein nicht stehlen! Nein, ehrlich! Ich...ich hab ihn mir nur angesehen.“ beteuerte dieser hastig „Hier, da hast du ihn wieder!“

Sachte legte er den Anhänger vor dem Tier auf den Boden.

Die Fuchsschnauze zuckte kurz. Beide musterten einander skeptisch. Dann musste der Fuchs niesen. Schwankend mühte er sich auf die dünnen Beine und schüttelte sein nasses Fell. Wieder entfuhr ihm ein Nieser und er begann am ganzen Leib zu zittern.

Unsicher sah der Junge das kleine Tier vor sich an.

Etwas in seinem Inneren drängte ihn dazu, dem Fuchs zu helfen. Aber was sollte er tun? Da kam ihm ein guter Gedanke.

„Bitte, bleib liegen. Ich werde ein Feuer für dich anzünden. Dann kannst du dich daran wärmen.“

Mit diesen Worten sprang der Bursche auf und rannte eilig davon. Als er wenig später mit einem Arm voller Reisig zukam, lag das Tier wieder am Boden und hatte die Augen geschlossen.

Fast schon glaubte der Junge er hätte alles nur geträumt, da hob der Fuchs das linke Augenlid. Müde beobachtete er wie sein Retter schweigend vor sich das Holz aufschichtete.

Als er damit fertig war kramte der Junge in seiner Gürteltasche nach den Feuersteinen und dem Zundergras. Klickend schlugen die Steine aufeinander bis schließlich ein Funke ins trockene Gras sprang und sofort zu glimmen begann. Schon bald darauf knisterte ein kleines Feuerchen leise vor sich hin.

Schweigend saßen sich Fuchs und Kind gegenüber. Beide musterten sich von Zeit zu Zeit, sowohl misstrauisch als auch neugierig.

„Mein... mein Name ist Yoshi. Ich... ich lebe in einem Dorf hier im Tal. Wir sind alle nur einfache Leute musst du wissen, die meisten sind Bauern und Fischer. Ich weiß leider nicht wo du hingehören könntest. Du gehörst sicher jemanden, sonst hättest du nicht solchen Schmuck um den Hals.“

Der Fuchs schien ihm aufmerksam zu zuhören. Jedenfalls glaubte das der Junge, denn das Tier hatte den Kopf gehoben und sah ihn die ganze Zeit an. Eigentlich würde es ihn nicht wundern, wenn der Fuchs ihm gleich antworten würde.

„Bin ich denn jetzt völlig über geschnappt!“ fragte er sich mit einem Mal und kratzte sich verlegen am Kopf. „Ich rede mit einem Fuchs. Einem Fuchs! Und nun erwarte ich sogar eine Antwort!“

Beschämt senkte er den Kopf.

Er konnte von Glück reden, dass sein älterer Bruder das gerade nicht gehört hatte. Uchiro hätte sein pures Vergnügen daran gefunden. Er piesackte und ärgerte Yoshi wann immer er Gelegenheit dazu bekam. Dabei war er der ältere der beiden Brüder. Für gewöhnlich waren die Großen immer nett und achteten auf ihre jüngeren Geschwister, notfalls beschützten sie sie auch. Aber scheinbar galt dies nicht für Uchiro!

Plötzlich durchfuhr es Yoshi wie ein Blitz.

Er sollte ja schon vor Stunden zuhause sein!

Bestimmt wartete Mutter bereits auf ihn. Und sollte sein großer Bruder mitbekommen, das er getrödelt hatte, gab es nur wieder Ärger.

Sofort stand er auf und klopfte den Staub von seiner Kleidung.

„Bitte, entschuldige, aber ich muss jetzt gehen. Meine Familie wartet bestimmt auf mich. Du...du... bleibst am besten hier. Weißt du, die meisten Leute mögen keine Füchse. Es heißt, ihr bringt Unglück und wollt den Menschen nur schaden. Wenn ich dich mit ins Dorf nehme gibt das ein einziges Geschrei. Tut mir sehr leid, aber es ist besser, wenn du hier bleibst.“

Der Fuchs beobachtete Yoshi mit seinen goldgelben Augen. Fragend hielt der den Kopf schräg, dann aber schien er zu nicken.

Der Junge warf noch einmal einen Blick auf das ungewöhnliche Tier. Das hatte sich mittlerweile vor dem Feuer ausgestreckt.

Schließlich eilte der junge Bursche davon, schnappte sich schnell den Korb mit dem Fisch und lief mit großen Schritten davon.
 

Yoshi rannte so schnell ihn seine Füße trugen. Zum Glück war es nicht allzu weit. Er folgte einfach dem Fluss stromaufwärts. Irgendwann wichen die Bäume und Büsche einer breiten Ebene, die an beiden Seiten von der Gebirgskette gesäumt wurde. Der Fluss war einigen Stellen aufgestaut worden. Im Sommer flutete man so die Reisfelder, die jetzt abgeerntet waren. Zwischen den brachliegenden Feldern, erhoben sie die Hütten von Yoshi’ s Heimatdorfes. Es waren vielleicht fünf- oder sechzehn Hütten, die eng bei einander standen. Alles ringte sich um einen breite Brücke, die das Dorf mittendurch halbierte. Rechts daneben erhob sich eine große knorrige Eiche. In dessen Schatten saßen vier Leute, die Dorfältesten.

Yoshi grüßte sie flüchtig als er an ihnen vorbei hastete.

„Wer ist denn der kleine Renner?“ fragte der eine mit zerfurchtem Gesicht und kratzte nachdenklich sein stoppeliges Kinn.

„Das war Yoshi, Miho’ s jüngster Sohn.“ antwortete die Frau und streifte beiläufig einen der langen Ärmel ihrer Wickelbluse hoch.

„Miho? Welche Miho denn?“ fragte der Erste wieder.

„Deine Enkelin, Gato! Wie kann man nur so vergesslich sein!“ Einer der Männer schüttelte ungläubig den Kopf.

Der dritte, ein noch recht stämmiger Mann mit Glatze und die Frau grinsten still vor sich hin.

„Komm’ du erst in mein Alter, Nobohiro, dann reden wir weiter!“ empörte sich Gato beleidigt.

Der andere seufzte resignierend und meinte dann: „Ich bin Keiichi! Dein Cousin Nobohiro ist seit mindestens fünf Jahren tot!“

„Oh!“ war Gato’ s knappe Antwort darauf.

„Der Kleine ist diesen Sommer sehr gewachsen.“ sagte da der Dritte.

„Ja, in dem Alter schießen sie förmlich empor wie junger Bambus!“ nickte die Frau.

„Wie alt ist er wohl?“ fragte Keiichi in die Runde.

„Vielleicht acht oder neun Jahre.“ mutmaßte die Frau schulterzuckend.

„Er ist zehn!“ sagte da der Glatzkopf ernst. Erstaunt hoben die Frau und der eine Mann den Kopf, Gato schien mit anderen Dingen beschäftigt zu sein.

„Woher weißt du das so genau, Matsuhito?“

„Weil es jetzt genau zehn Jahre her ist, Sasame! Deshalb!“

„Zehn Jahre!“ Die Frau sah erstaunt auf, dann seufzte sie mit einem Mal traurig. „Ist das jetzt schon so lange her? Mir kommt es oft vor als hätten wir die Toten erst gestern begraben. Das war eine grausige Tragödie.“

Die anderen nickten zustimmend.

„Jede Familie im Dorf hatte damals Verluste zu beklagen!“ erinnerte Matsuhito mit düsterer Stimme „Manche haben bei dem Angriff all ihr Hab und Gut verloren.“

„Und einer haben sie etwas dagelassen, das sie jetzt allein groß ziehen und bewachen muss!“ grollte Keiichi böse.

„Sieh dich vor Bruder! Wir können dankbar sein, das die Bestien keinen höheren Preis für ihre Hilfe gefordert haben.“

Keiichi knurrte etwas Unverständliches vor sich hin, sagte aber nichts weiteres.

Als kurz darauf ein weiterer junger Bursche an der Gruppe vorbei lief, hob Gato erneut den Kopf.

„Wer ist denn der Große mit der Hacke da?“

Keiichi seufzte wieder und verdrehte die Augen.

„Das ist Uchiro, Miho’ s erster Sohn!“

„Häh? Hast du nicht gerade gesagt der heißt Yoshi?“

„Der Jüngere heißt Yoshi! Das dort war der Ältere!“

„Welcher Ältere? Zu wem gehört der?“

„Gib’ es endlich auf, Bruder.“ Sasame giggelte leise in sich hinein. „Gato’ s Gedächtnis war noch nie das Beste! Selbst als er noch jung war, hat er alles durcheinander gebracht!“

Matsuhito grinste schief und auch Keiichi konnte sich das Grinsen nicht verkneifen.

Schweigend saß das kleine Grüppchen beisammen und beobachtete das alltägliche Dorfleben. Die Sonne stieg langsam nach Westen und versank schließlich hintern den Bergen.

„So jetzt muss ich gehen!“ verkündete Gato mit einem Mal und erhob sich schwerfällig. Auf seinen Stock gestützt schlurfte er grußlos davon.

Keiichi sah ihm nach, schüttelte den Kopf und sinnierte dann vor sich hin: „Der ist mir einer! Vergisst immer wieder den Namen seiner Enkelin und die ihrer Söhne, aber wenn’ s Abend wird läuft er schnurstracks zu ihrer Hütte. Aus dem soll einer schlau werden. Wie alt wird er diesen Winter eigentlich, sind es bald hundert Jahre?“

„Neunzig sind es sicher! Gato saß ja schon unter dem Baum, als wir drei noch junge Hüpfer waren. Ihr werdet sehen, wenn nichts dazwischen kommt, überlebt er uns noch.“

„Wollen wir es nicht hoffen! Ein so langes Leben ist unnatürlich. So etwas zieht Unglück an!“ meinte da die Frau mit düsterer Miene.

Die beiden Männer schwiegen nachdenklich, bevor sie zustimmend nickten.
 

Krachend spaltete das Beil den Holzscheit in der Mitte durch. Die Hälften fielen vom Spaltklotz herab. Das Beil blieb durch die Wucht im Klotz hängen.

„Verdammt noch mal!“ knurrte Yoshi und zerrte mit aller Kraft an dem Axtschlegel. Aber der rührte sich keinen Deut. Stöhnend wischte der Junge sich den Schweiß von der Stirn und machte sich daran die Scheite einzu-sammeln.

„Na, das ist mir aber ein fleißiges Söhnchen, das!“ rief plötzlich eine Stimme, so das Yoshi erschrocken die Holzstücke fallen ließ.

„Nana, wer wird denn hier so schreckhaft sein, mein Kleiner! Kennst du mich denn nicht mehr?“

„Herr Urgroßvater, bitte verzeih’ aber ich habe nicht gewusst, dass du mich beobachtest.“

Der Junge grinste dem alten Mann freundlich entgegen, nachdem er sich höflich vor ihm verbeugt hatte. Gato wackelte nachdenklich mit der Kopf.

„So schreckhaft bist du also? Das habe ich gar nicht gewusst. Na, du bist mir einer. Wo ist deine Mutter?“

„Drinnen, sie kocht das Abendessen. Mir ist heute ein großer Fisch ins Netz gegangen. Mutter meinte, er würde ein wahres Festmahl abgeben.“

„Sehr schön. Ich sehe schon, aus dir wird noch mal ein großer Fischer werden.“ nickte der Alte zufrieden. Langsam ging er auf die Veranda zu und schlüpfte aus den Holzpantoffeln. Gerade als er den Kopf durch die Tür schieben wollte, hielt Gato inne. Suchend sah er sich im Hof um.

„Wo steckt dein Bruder? Ich will doch hoffen, er hilft deiner Mutter ebenfalls so fleißig wie du.“

Yoshi’ s Mundwinkel sanken nach unten.

„Er... er musste noch mal weg. Die Hacke ist stumpf und muss geschliffen werden.“

„Was! Und dafür rennt der Kerl jetzt durch das ganze Dorf! So was! Das hätte doch auch noch bis morgen warten können. Jetzt wo alle Familien...“ Mit einem Mal verstummte Gato. Er richtete den Blick auf seinen Urenkel. Der wich der fragenden Miene verlegen aus.

„Yoshi, sollte eigentlich dein Bruder das Holz hacken?“

„Die... die Hacke war wirklich schon ganz stumpf und abgewetzt. Ob er nun morgen oder heute...“

„Red’ jetzt nicht drum herum! Sollte Uchiro das Holz hacken, ja oder nein?“ Gato starrte den Jungen ein-dringlich an. Er konnte sehen, wie der Kleine immer mehr den Kopf und die Schultern einzog. Schließlich nickte er stumm.

„Und warum machst du es dann?!“

„Uchiro hatte den ganzen Tag so viel zu tun, da dachte ich... es würde...“

„Er hat dir wieder ’mal gedroht, stimmt’ s?“

Wieder schwieg der Junge und starrte beschämt zu Boden. Er sah aus wie ein geprügelter Hund.

„Dieser... Der soll’ mir nur unter die Augen treten! Du gehst augenblicklich ins Haus, Yoshi! Dein Bruder wird seine Aufgaben gefälligst selbst erledigen! Wäre ja noch schöner, in diesem Haus habe immer noch ich das Sagen!“

Der Junge folgte Gato schweigend in die Hütte. Dabei machte sich ein ungutes Gefühl in seinem Magen breit. Das würde ein Donnerwetter geben! Urgroßvater mochte zwar das Sagen haben, aber nachts schlief er. Und dann würde Uchiro die günstige Gelegenheit nützten um es Yoshi heimzuzahlen. Das war so sicher wie Sonnenauf- und –untergang. Der kleine Junge kannte das zu genüge.

Aber im Moment wollte er nur noch zu abend essen und danach vielleicht eine von Urgroßvaters Geschichten hören.

Wie erwartet wurde es noch sehr laut und heftig. Obwohl Urgroßvater und Uchiro vor der Tür blieben, konnte man im Haus jedes Wort verstehen. Traurig sah Yoshi zu seiner Mutter hinüber, die vergeblich versuchte den Streit zu überhören. Leise glitten zwei Tränen über ihr weißes Gesicht. Dennoch machte Miho weiter als wäre nichts geschehen.

» Warum macht Uchiro das immer wieder! Er muss doch wissen, wie viel Kummer er damit Mutter bereitet.« überlegte der Junge.

Aber sein älterer Bruder war schon immer so. Uchiro drückte nur allzu gerne seine Arbeit Yoshi auf. Und sollte der Kleine nicht spuren, dann hatte sein Bruder Gelegenheit Muskeln spielen zu lassen. Die meisten blauen Flecke, die Yoshi mit sich herum trug stammten von seinem Bruder. Einmal hatte er es sogar geschafft dem Kleinen den Arm auszukugeln.

Aus diesem Grund versuchte Yoshi seinem Bruder so selten wie nur möglich über den Weg zu laufen. Es war auf die Dauer gesünder.

Eisiges Schweigen hing über dem niederen Tisch, als die Familie aß. Uchiro’ s Blick war so düster und feind-selig, das sein Bruder instinktiv Abstand zu ihm hielt.

Gato ignorierte das rebellische Verhalten seines ältesten Urenkels mit stoischer Ruhe. Unbeeindruckt löffelte er mit den Stäbchen den Reis aus seiner Schüssel. Auch Miho schwieg mit traurigem Gesicht.

Eigentlich hatte sich Yoshi auf das Abendessen gefreut. Mutter hatte sie so über den Fisch gefreut und ihn dafür gelobt. Aber jetzt... hatte Uchiro alles verdorben.

Nach dem Essen half der kleine Junge seiner Mutter beim Abräumen. Das war eigentlich nicht seine Aufgabe, aber Yoshi wusste das er ihr damit einen großen Gefallen tat. Uchiro war schweigend nach draußen ver-schwunden. Kurz darauf hörte man, wie das Beil auf und nieder sauste.

„Wünscht ihr noch etwas, Herr Großvater?“ erkundigte sich Miho mit ihrer typischen Flüsterstimme.

„Danke Enkelin. Es war alles sehr gut, wie immer. Du kochst wirklich vorzüglich.“

„Ihr beschämt mich. Ich koche wie es mir gelehrt wurde.“

„Eben, du kochst wie deine Mutter, die das Kochen von meiner geliebten Frau gelernt hat. Und so kochst du vortrefflich, jedenfalls in meinen Augen. Glaub’ mir, beide sind darüber sehr stolz auf dich, Enkelin.“

„Vielen Dank für euer großzügiges Lob, Herr Großvater.“

Miho verbeugte sich bis ihre Stirn fasst den Dielenboden berührte. Dann zog sie sich zurück um den Abwasch zu erledigen.

Yoshi und Gato blieben im großen Zimmer sitzen.

„Nun mein Junge, du hast heute abend für ein gutes Essen gesorgt. Also darfst du dir zur Belohnung eine Geschichte wünschen.“

„Vielen Dank, Herr Großvater. Wenn es euch recht ist, ich würde euch lieber eine Frage stellen.“

„Ganz was Neues. Aber meinetwegen, dann frag’ eben. Ich will dir antworten, solange ich etwas weiß.“

Yoshi rückte näher heran.

„Sagt, Herr Großvater: Habt ihr schon mal von einem Fuchs gehört, der ein edles Halsband trägt?“

Verwundert hob Gato eine seiner buschigen Augenbrauen. Seine Augen musterten den Jungen mit einer vielsagenden Miene, erstaunt aber auch zweiflerisch. Schweigend kratzte er sich das stoppelige Kinn. Yoshi wusste nicht was er davon halten sollte. Hatte er etwa mit der Frage Großvater verärgert?

„Wie kommst du darauf? Hast du etwa solch einen Fuchs gesehen?“

Aufmerksam beobachtete der alten Mann seinen Urenkel.

Zögernd meinte Yoshi mit scheuem Blick: „Ja, heute am Fluss. Er... stand am anderen Ufer und hat getrunken. Irgendwie hat er mich bemerkt. Als er den Kopf hob, konnte ich den Anhänger um seinen Hals sehen. Ein großer Stein, der war... er sah aus wie... er hat in der Sonne ganz hell gefunkelt. Geglitzert und gefunkelt wie ein Stern.“

„Soso.“ brummte Gato vor sich hin. „Hat der Fuchs irgendetwas gemacht?“

„Er...er...ist wieder im Wald verschwunden.“ log Yoshi hastig.

„Soso. Enkel, nimm’ dich in Acht vor diesen kleinen Teufeln! Auch wenn sie dir freundlich erscheinen mögen, so hinterhältig sind sie in Wahrheit.“ mahnte der Alte mit erhobenem Finger. Der Junge nickte gehorsam, dann aber fragte er: „Aber warum Großvater, warum sind die Füchse so? Was haben sie gegen uns Menschen?“

Gato schwieg. Er schien nachzudenken. Dann meinte er freundlich: „Hab’ ich dir schon mal die Legende vom Fürst der Füchse erzählt?“

Yoshi schüttelte den Kopf.

„Dann hör’ jetzt gut zu:

Hoch in der Bergen im Westen liegt das verborgene Reich vom Fürst der Füchse. Sein mächtiger Bau windet sich durch alle Berge. Die Tunnelgänge sind so hoch, ein Mensch könnte mühelos in ihnen stehen. Neben unterirdischen Seen und Bächen gibt es Gärten, Pavillons und Pagoden. Und im Herzen des Labyrinths steht der fürstliche Palast. So wunderbar und prächtig als hätten ihn Menschenhände erschaffen. Dort residierte er, Fürst Akado, der Durchtriebene mit seinem kecken Hofstaat. Sobald die Füchse den Palast betreten nehmen sie menschliche Gestalt an, wohl um uns Menschen zu verunken. Dort hecken sie immer ihre frechen Streiche aus. Und der schlimmste von ihnen ist der Fürst selbst!

Eines Tages vor vielen Jahren rief der hohe Gott der Berge den Fürsten zu sich. Der Gottheit waren unzählige Klagen zu Ohren gekommen. Da er neuerdings nicht mal vor seinen Verwandten, den Tieren Halt machte, befahl die Gottheit Akado sofort von seinen Possen abzulassen.

Nun sollte dir ja bekannt sein, dass Füchse es auf’ s Meisterhafteste verstehen einem anderen zuschmeicheln. Und der Fürst übertraf darin jeden.

Auf’ s Gerissenste schmeichelte er dem Gott und beteuerte, dass alles nur dumme Missverständnisse seien und er in allem nur gute Absichten gehabt hätte.

Die Gottheit kam nicht drum hin den auskochten Fürst gehen zu lassen. Doch er war noch nicht ganz von der Unschuld des Fuchsfürsten überzeugt und beschloss ihn auf die Probe zu stellen.

Als der Fürst wenig später durch sein Reich ritt, begegnete er an einem Wasserfall einem jungen Mädchen. Akado war so verzaubert vom Liebreiz und der Anmut jener unbekannten Frau, dass er sie bat ihn zu heiraten.

Die Schöne, die sich Itsu nannte, willigte unter einer Bedingung ein. Der Fürst solle ihr seinen Großmut, seinen Gerechtigkeitssinn und seine Aufrichtigkeit beweisen.

Der Fuchsfürst versprach überschwänglich alles, was sie sich nur wünsche und führte Itsu glücklich heim in seinen Palast.

Dort lebten die Höflinge in Saus und Braus ohne je einen Gedanken an den nächsten Tag zu verschwenden. Genauso sorglos genoss ja auch der Fürst das Leben und verwöhnte seine Angebetete mit allen nur erdenklichen Annehmlichkeiten.

Das Mädchen verhielt sich stets höflich und gesittet, doch wer genau hinsah der erkannte ihr trauriges Gesicht. Als einige Zeit vergangen war, erinnerte Itsu den Fürsten an sein Versprechen und bat ihn es innerhalb des nächsten Monats einzulösen. Dann könnten sie beim folgenden Vollmond heiraten.

Von diesem Gedanken beflügelt gab sich der Fürst von seiner großzügigsten Seite, sprach Recht nach wildem Gutdünken und bemühte sich nicht zu flunkern.

Doch diese Schwäche war ihm nun mal nicht auszutreiben.

Eines Abends erkundigte sich Itsu beiläufig nach der Abstammung und der Familiengeschichte ihres künftigen Gemahls.

Natürlich wollte Akado vor seiner Liebsten glänzen und erfand daher die herrlichsten Geschichten, schmückte sie mehr und mehr aus und vergriff sich dabei frech und ohne Reue an den Chroniken vieler anderer hoch edler Geschlechter, wie dem der Hirsche, der Affen und der Bären. Aber die größte Lüge tischte er ihr auf, als der Fürst behauptete seine Familie entstammte dem Geschlecht der hohen Berggottheit und er selbst dessen Sohn wäre.

Kaum aber hatte er dies ausgesprochen, da verwandelte sich seine geliebte Itsu in die wütende Gottheit. Und diese verhängte nun folgende Strafe: Auf alle Zeiten sei der Fürst aus dem Kreis der Edlen verstoßen. Niemand solle ihnen beistehen, würde das Volk der Füchse je bedroht werden.

Und seit jenem Tag lebt dort oben in den eisigen Bergen verlassen und allein der in Ungnade gefallene Fürst und klagt über die Ungerechtigkeit und die Falschheit der Menschen. Deshalb können die Füchse uns Menschen nicht leiden.“

„Wie traurig.“ meinte Yoshi nachdenklich.

„Quatsch, das war doch wieder so eine typische Geschichte. Der Bösewicht hat seine Strafe bekommen und das Gute gewinnt!“

Erschrocken fuhren die beiden in die Höhe. Uchiro saß mit gelangweiltem Gesicht auf der Veranda.

„Eben absoluter Kinderkram! Tiermenschen, Fürst der Füchse! Das ich nicht lache! Soll ich mich das nächste Mal vor dem nächsten Hirsch verbeugen und ihn mit “hoher Herr“ anreden?“

„Spotte nicht!“ polterte Gato los und hob drohend die Hand aber der große Bursche achtete nicht weiter auf ihn. Seine dunkeln Augen blickten zu Yoshi, der sich instinktiv duckte.

„Du solltest dich was schämen! Fast zehn Jahre alt und hört sich immer noch Märchen an! Werde gefälligst ’mal erwachsen! Die Zeit für Kindergeschichten sind vorbei.“

„Es war keine Geschichte sondern eine alte Legende, die jeder im Tal kennt! Und jeder Legende liegt ein Quänt-chen Wahrheit bei!“

„Na wenn du das sagst, alter Mann!“

„Wie hast du mich genannt!“ brauste der Alte auf und hätte gleich weiter geschrieen, wenn ihn Yoshi nicht am Ärmel gezogen hätte.

„Bitte Herr Großvater, es hat doch heute abend schon genug Streit und böse Worte gegeben.“

Gato kniff die Augen zusammen und knirschte unwirsch mit den verbliebenen Zähnen. Uchiro fühlte sich schon als Sieger als der Alte sich abwandte. Da aber traf ihn knallend die große Hand mitten ins Gesicht.

„Scher’ dich raus und beende endlich deine Arbeit! Und wage es nicht noch einmal so mit mir zu sprechen, verstanden!“

Bebend vor Zorn richtet sich der Bursche auf und starrte seinen Urgroßvater drohend an. Dann hastete er davon.

„Deine Mutter muss davon nichts erfahren, Yoshi.“

„Natürlich.“ nickte der schnell.

Der alten Mann ließ sich wieder an seinem Stammplatz nieder. Zögernd huschte der Junge zu ihm.

„Ich... ich fand die Geschichte sehr schön. Habt vielen Dank dafür, Herr Großvater.“ Höflich machte Yoshi eine Verbeugung. Dies schien Gato wieder zu beschwichtigen, denn er meinte lächelnd: „Das freut mich. Ich hoffe du hast daraus auch eine Lehre ziehen können.“

„Sei immer du selbst und schmücke dich nie mit fremden Federn. Aber vor allem: Lüge nie, egal wie sehr es die Situation auch erfordern mag.“

„Sehr richtig, du hast es begriffen. Und jetzt sie zu das du ins Bett kommst! Es ist schon spät für so kleine Jungen wie dich.“

„Selbstverständlich Herr Großvater. Bin schon weg. Gute Nacht.“

Yoshi hastete davon.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  So-Chan
2011-01-01T18:10:46+00:00 01.01.2011 19:10
So hab sie endlich durch aht etwas länger gedauert.
am besten gefiel mit die stelle:
„Gib’ es endlich auf, Bruder.“ Sasame giggelte leise in sich hinein. „Gato’ s Gedächtnis war noch nie das Beste!
hihi^^
Aber die geschichte vom Fürsten war zum nachdenken er log um dem Mädchen zugefallen und tappte in eine falle tja so kannst gehen.
Wirklich toll geschrieben.


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