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The Elusive Ryders

It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife. (Jane Austen)
von

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The Ladytrap

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Seit vier Tagen war die Jagdgesellschaft nun anwesend und Amy hatte Mr. Ryder bisher nur beim Dinner getroffen und da sie die Sitzordnung selbst festgelegt hatte, saß sie weit genug von ihm weg, daß sie seine direkte Nähe nicht ertragen mußte. Er hatte sie ein paar Mal prüfend angeschaut, doch Amy senkte immer den Blick und behielt eine gleichgültige Miene bei, auch wenn es ihr schwer fiel. Am liebsten hätte sie ihn mit seiner Tat konfrontiert, denn sie wußte nun auch seit der letzten Saison, wer der Tote aus dem Wald gewesen war.

Es war das beliebteste Ondit gewesen, darüber zu spekulieren, wohin Chester Ryder im letzten Februar spurlos verschwunden war. Chester war der älteste Cousin des Duke of St. Alban gewesen und der älteste Sohn von dessen Onkel Archibald aus seiner ersten Ehe.

Sie fragte sich, ob die Ryders auch Schuld an dem Tod dessen jüngeren Halbbruders Bentley trugen, den man kurz vor Chesters Tod zu Grabe getragen hatte. Angeblich war er von einem Wegelagerer überfallen und erschossen worden, das hatte jedenfalls die offizielle Untersuchung ergeben, die aber von dem Duke of St. Albans durchgeführt worden war, weil er ja der Magistrat dieses Bezirkes war. So konnte die Familie Ryder natürlich Einfluß auf die Ergebnisse nehmen. Niemand würde es wagen, dem Duke zu widersprechen, weil sich jeder mit ihm gut stellen wollte.
 

Die Alpträume, die sie über die brennende Hütte hatte, halfen auch nicht sie zu beruhigen. Wäre sie nicht so mit der Hausgesellschaft und ihren düsteren Gedanken beschäftigt gewesen, dann hätte sie bemerkt, wie ihre Stiefmutter Spirit Ryder geradezu mit ihrer Aufmerksamkeit verfolgte. Lady Alicia hatte jedoch keinen Erfolg, Spirit sagte ihr rundheraus, daß er nur zur Fuchsjagd hier sei und nicht im Geringsten an ihr interessiert wäre. Damit zog er sich den Zorn der Lady zu, die nun darauf sann, sich an ihm zu rächen. Ein Plan reifte in ihrem hübschen Köpfchen, der dazu beitragen sollte, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.
 

Am nächsten Abend veranlaßte Lady Alicia ihre Zofe Néné, Amy ein heiße Schokolade aufs Zimmer zu bringen, nachdem sie sich zurückgezogen hatte.

„Madame schickt Ihnen eine Schokolade, weil Ihr Papa meinte, daß Sie so erschöpft aussehen, Miss Graham!“

Die Zofe ihrer Stiefmutter knickste so ehrerbietig, daß sich Amy wunderte, denn sonst rümpfte die Frau oft die Nase über sie, weil sie nicht deren Schönheitsideal entsprach. Sie mochte die dünkelhafte Frau nicht, die ihrer Stiefmutter beinahe schon demütig ergeben war und sie in all ihren Eskapaden unterstützte.
 

„Merci beaucoup, Néné! Danken Sie bitte auch Lady Alicia in meinem Namen! Gute Nacht!“, bedankte sich Amy dennoch, weil sie nur noch ihre Ruhe haben wollte.

Sie schloß ihre Zimmertür und brachte die Porzellantasse zu ihrem Nachttisch. Bevor sie die Tasse abstellte, nahm sie einen Schluck und verzog dann gleich angewidert das Gesicht. Die Schokolade schmeckte bitter und war lauwarm. Den Rest des Getränkes schüttete sie einfach aus dem Fenster, falls die Zofe zurückkehren sollte, um die Tasse zu holen. Alicia war immer für eine Demütigung gut, aber sie nahm es sich nicht zu Herzen sondern legte sich schlafen. Im Gegensatz zu den letzten vier Nächten, schlief sie jedoch sofort ein und drehte sich nicht unruhig von einer auf die andere Seite.
 

In einem wirren Traum gefangen, in dem sie sechs halbnackte Männer verfolgten, merkte Amy nicht sofort, daß jemand ihr Zimmer betreten hatte.

„Sie schläft! Prüfe nach, ob sie wirklich betäubt ist!“, flüsterte jemand leise.

Amy erkannte die Stimme ihrer Stiefmutter und fühlte dann wie sie an der Schulter gepackt und unsanft gerüttelt wurde. Sie beschloß herauszufinden, was Alicia vorhatte und stellte sich schlafend, obwohl sie große Angst hatte. Sie wollten ihr doch nicht wirklich wehtun, oder?
 

„Ja, Mylady! Sie rührt sich nicht! Wenn Ihr das Mädchen um die Schultern nehmt, dann packe ich sie an den Füßen! Wir müssen ganz leise sein!“, ordnete Néné schon etwas weniger laut an.

Amy wurde also unsanft gepackt und aus dem Bett gehievt, dann trug man sie durch den Korridor. Auf derselben Etage am Ende des Ganges wurde sie in ein dunkles Zimmer gebracht und dort auf das unbenutzte Bett gelegt.
 

„Dieses Nachthemd verhüllt ja alle Formen! Néné, reiß es ihr am Kragen auf, sonst glaubt niemand, daß der Halunke über sie hergefallen ist!“

Amy spürte, wie ihr Kragen gefaßt wurde und ein Ratschen verriet, daß der alte Flanellstoff nachgab. Sie mußte sich zwingen ruhig liegen zu bleiben, als sie mit entblößter Brust vor den beiden Frauen lag.
 

Sie hörte ihre Stiefmutter ein häßlich klingendes Lachen ausstoßen: „Mein Gott! Spirit wird sich schwarz ärgern, so eine unscheinbare Person heiraten zu müssen! Er hätte mich nicht abweisen dürfen, das wird ihm eine Lehre sein! Und ich werde endlich meine Ruhe vor dieser langweiligen Miss haben, die sich ständig in meine Angelegenheiten mischt! Komm Néné, ich warte in meinem Boudoir, daß der liebe Spirit sich zur Ruhe begibt! Du paßt auf an der Treppe auf!“
 

Die beiden Frauen verließen das Zimmer und ließen eine geschockte Amy zurück. Gott sei Dank hatte sie die Schokolade nicht ausgetrunken!

Die Zofe hatte wahrscheinlich ein Schlafmittel untergerührt, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, daß sie Laudanum gar nicht vertrug, das ihre Stiefmutter sehr regelmäßig zu sich nahm, wenn sie unter ihrer angeblichen Migräne litt. Sie selbst hatte das Schmerzmittel ein einziges Mal genommen, als sie sich beim Spielen mit den Kindern den Fuß vertreten hatte. Ihr war die ganze Nacht lang schlecht gewesen. Lady Alicia hätte die Güte besitzen können, sich daran zu erinnern, aber sie interessierte sich ja nur für sich selbst.

Die Dame wollte Spirit Ryder eine Heiratsfalle stellen und ihn dafür bestrafen, daß er ihre Avancen nicht beachtet hatte.

Mit wild pochendem Herzen schlüpfte sie aus dem Bett und raffte ihr Nachthemd über der nackten Brust zusammen, die ihre Stiefmutter nicht als genügend zu empfinden schien. Amy war eigentlich ziemlich erleichtert, daß sie nicht wie eine Gallionsfigur aussah. Wenn Lady Alicia ihre üppigen Formen mit tiefen Ausschnitten zur Schau stellte, dann schämte sie sich meist für das Verhalten ihrer Stiefmutter, die ja schließlich eine verheiratete Frau war, die nicht so sehr mit ihren Reizen kokettieren sollte. Es war ja nicht so, daß Lady Alicia bei einem harmlosen Flirt beließ.
 

Amy mußte so schnell wie möglich auf ihr Zimmer zurückkehren, doch von draußen erklangen sich nähernde Schritte. Spirit Ryder wollte sich wohl zurückziehen! Gehetzt blickte sich Amy in dem vom Mondlicht kaum erhellten Zimmer um und beschloß sich im Schrank zu verstecken. Zitternd vor Angst kauerte sie auf dem nackten Holzboden und betete, daß ihre Stiefmutter erst einmal allein erscheinen würde.

Kaum hatte Spirit sein Zimmer betreten und den Kerzenständer abgestellt, wurde seine Zimmertür aufgerissen und Lady Alicia stürmte wie eine wütende Furie in sein Gemach.
 

„Wo ist sie?“ Alicia sah ihn triumphierend an, daß er bald hilflos in ihrer Falle zappeln würde.
 

Spirit dagegen lehnte sich locker an den Kaminsims und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Mylady! Dürfte ich fragen, wen Sie in meinem Zimmer zu finden erwarten?“ Er hielt das Auftreten der anstrengenden Lady für eine Masche, die in einem sehr verführerischen Deshabillé gekleidet war, als wollte sie ihm vorführen, was er haben konnte, wenn er auf ihre nervtötenden Spielchen einging, an dem er überhaupt kein Interesse hatte. Sie stieß ihn nur noch viel mehr ab, weil es beinahe schon mitleiderregend war, daß sie so hinter ihm her war.
 

„Ich suche meine Stieftochter, der sie schon die ganze Zeit schöne Augen machen!“, warf sie ihm völlig unberechtigt vor und trat einige Schritte beiseite, weil seine athletischen Schultern ihr jeglichen Blick in den Raum verwehrten. Lady Alicia sah sich um und entdeckte nur ein leeres Bett, von Amy keine Spur.
 

„Es tut mir leid, wehrte Lady Alicia, Sie enttäuschen zu müssen, aber ich habe Miss Graham seit dem Dinner nicht mehr gesehen! Bitte entfernen Sie sich aus meinem Gemach, bevor es zu einem Skandal kommt! Ihr Gatte sähe Sie bestimmt nicht gerne in so einem Aufzug durch die Korridore geistern!“ Er grinste sie süffisant an und führte die Lady am Ellenbogen zur Tür. Ein Skandal würde ihn nicht weiter abschrecken, er wollte nur nicht den Hausherrn vor den Kopf stoßen, der wohl am besten wusste, mit was für einer Frau er verheiratet war.

„Gute Nacht, meine Liebe!“, wünschte er ihr mit einem falschen Lächeln, dann schubste er sie hinaus und verschloß dann die Tür hinter ihr.
 

Lady Alicia schäumte vor Wut und ließ diese an ihrer Zofe aus, da sie annahm, ihre Stieftochter müsse aufgewacht und in ihr Zimmer zurückgekehrt sein. Sie gab sich nicht die Mühe, nach dem Mädchen zu sehen, weil ihr das Schicksal von Amy nicht gleichgültiger sein könnte… Es ärgerte sie nur maßlos, das ihr Plan nicht aufgegangen war. Sie wollte endlich wieder die Herrin in ihrem eigenen Heim sein.
 

Spirit fluchte erst einmal ausgiebig, als er seine Tür verschlossen hatte und beschloß, seinen Kammerdiener nicht mehr zu entlassen, bevor er sich endgültig zurückgezogen hatte, wenn er zu Gast in fremden Häusern weilte. Diese Frau war komplett verrückt, hier im Haus ihres Ehemannes eine solche Szene heraufzubeschwören. Er entledigte sich seines Abendjacketts und lockerte sein Halstuch. Er wollte gerade seine Hosen ausziehen, als ihm eine Bewegung an der Schranktür auffiel. Mit zwei großen Schritten war er dort und riß die Tür auf. Amy stieß einen Schreckensschrei aus und starrte Mr. Ryder verängstigt an.
 

„Kommen Sie sofort da raus!“ Spirit stemmte seine Hände in die Hüften und sah aus wie ein Racheengel, der bedrohlich über ihr schwebte. Zögernd kroch das Mädchen aus dem Schrank und stellte sich vor ihn, wobei sie krampfhaft ihr Nachthemd über der Brust zusammenraffte. Mit den aufgelösten Haaren und barfüßig sah sie aus wie ein kleines Kind, das sich verlaufen hatte.

„Was zum Teufel machen Sie in meinem Zimmer, Miss Graham?!“, wollte er mit strenger Miene wissen.
 

Amy wich einen kleinen Schritt zurück, straffte dann jedoch die Schultern.

„Meine Stiefmutter hat versucht, Sie in eine kompromittierende Situation zu zwingen! Ich wurde von ihr betäubt und in Ihr Bett gelegt, damit sie mich in flagranti hier entdecken konnte! Sie sind zu schnell zurückgekommen, bevor ich das Zimmer unbemerkt verlassen konnte, deshalb habe ich mich im Schrank versteckt, es tut mir leid!“ Die Stimme des Mädchens war immer leiser geworden und nun ließ sie den Kopf hängen.
 

Spirits Wut verrauchte augenblicklich, er umfaßte ihre Schultern und führte sie zum Sessel vor dem Kamin, in den er sie sanft drückte.

„Es ist wie verhext, seit ich hier bin, scheint das Schicksal zu wollen, daß ich Sie heirate!“ Er wollte sie mit dem kleinen Scherz aufheitern, da er die Tränen in ihren Augen gesehen hatte, doch sie starrte ihn geradezu entsetzt an.

„Nein, nein! Sie – es ist nicht notwendig! Sie können nichts dafür und ich werde schweigen, glauben Sie mir! Ich will Sie nicht in eine Heirat zwingen! So etwas muß schrecklich für alle Beteiligten sein!“
 

Spirit setzte sich ihr gegenüber und sah sie überrascht an. „Ich dachte, den Damen der Gesellschaft sei jedes Mittel recht, um sich einen Ehemann einzufangen!“ Er stützte seine Ellenbogen auf die Knie ab und beugte sich vor, um Amy besser in die Augen sehen zu können.
 

„Stellen Sie sich vor, meine Tante hätte Erfolg gehabt! Sie wären an eine für Sie völlig reizlose Frau gebunden, die Sie nicht kennen und der Sie niemals auch nur einen Hauch Respekt entgegenbringen könnten, weil Sie von ihr hinterlistig getäuscht wurden! Mit der Zeit würden Sie diese Frau verachten oder gar hassen, ich könnte niemals unter solchen Voraussetzungen heiraten! Niemals!“, betonte Amy und meinte jedes Wort todernst. Es ging dabei gar nicht darum, daß sie es mit einem Ryder zu tun hatte.
 

Spirit zog eine Augenbraue hoch und betrachtete Miss Graham mit neuen Augen. Hinter ihrer Zerbrechlichkeit war eine starke Persönlichkeit verborgen gewesen, die Mut, Integrität und Intelligenz verriet. Sein Cousin Hellraiser hatte unter ähnlichen Umständen seine jetzige Frau kennen gelernt und die Hochzeit niemals bereut.

„Miss Graham! Ich muß Ihnen widersprechen, auch wenn ich im Augenblick nicht zu heiraten gedenke, daß ich nicht der Meinung bin, Sie seien reizlos! Ich finde eher Damen wie ihre Stiefmutter absolut reizlos!“
 

Sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln und verdammte Ihr Wissen über seinen wahren Charakter. Spirit Ryder hätte ihr Freund werden können, wenn er auch dem Ruf nach ein Rake war, so war er doch zu ihr immer liebenswürdig und zuvorkommend gewesen. Sie sehnte sich so nach der Gesellschaft eines Menschen, dem sie sich anvertrauen konnte, daß sie fast bereit war, ihm seine Tat nachzusehen.
 

Ihr Blick war in die Ferne geschweift und ihr Gesichtsausdruck schien verzweifelt, deshalb kniete er sich vor sie und nahm ihre kalte Hand in seine.

„Etwas bedrückt Sie doch, Miss Graham! Wollen Sie sich mir nicht anvertrauen?“, fragte er mit sanfter Stimme, ohne sie bedrängen zu wollen.
 

Amy sah gebannt in seine strahlenden Augen und schluckte dann.

„Ich kann nicht! Ich werde darüber hinwegkommen! Es betrifft nicht mich direkt, mehr kann ich nicht sagen...“, wehrte sie seine Hilfe ab, obwohl es ihr schwer fiel, ihm zu widerstehen.

Spirit drückte ihre Hand fester. „Geht es darum, daß die abgelegten Liebhaber ihrer Stiefmutter, sich bei Ihnen ausweinen? Ich habe kurz mit Northam gesprochen, bevor er abgereist ist. Bedrückt Sie das so, weil Ihr Vater hintergangen wird und Sie nichts dagegen tun können?“
 

Amy nickte stumm, weil sie ihrer Stimme nicht traute, zumindest war das ein Teil der Wahrheit. Spirit strich ihr die einige Haarsträhnen aus dem blassen Gesicht und sah sie mitfühlend an.

„Es tut mir leid, daß sie so grausam ist! Und daß Sie darunter leiden müssen! Sie sollten so etwas nicht erdulden müssen, dafür sind Sie viel zu jung und verletzlich! Und wie schwer muß es erst sein, da Sie mit niemandem darüber sprechen können!“
 

Spirit Ryder schien genau zu verstehen, was in ihr vorging, wieso konnte er so einfühlsam sein? Mörder konnten doch keine feineren Gefühle besitzen! Das schien Amy einfach unmöglich.

Ihre Tränen flossen einfach über die Wangen und sie versuchte, sich zu beherrschen. Doch Spirit nahm sie in seine Arme und drückte sie an seine breite Brust, da schien ihr ganzer Körper nachzugeben und sie weinte bittere Tränen an seiner starken Schulter, die er ihr so großzügig zur Verfügung stellte.

Spirit erschrak über die Heftigkeit seiner Gefühle, als die junge Frau sich an ihn klammerte. Ihr Schmerz schien sein Schmerz zu werden, er wollte sie unbedingt trösten und deshalb wählte er die Form, die er am besten beherrschte, ohne Worte... Er küßte sie auf die bebenden Lippen, die süß und salzig zugleich schmeckten. Ihr Schluchzen verebbte und sie hörte auf zu zittern. Spirits Lippen verstärkten ihren Druck leicht und spürten dann ihr Nachgeben. Er hauchte ihr immer weiter zärtliche Küsse auf die Lippen und flüsterte ihr tröstende Worte zu, bis sie nachgiebig in seine Armen lag und nur noch seine Nähe zählte.
 

„Es wird alles gut werden, und wenn ich selbst dafür sorgen muß!“ Er lächelte sie an und hielt ihr Gesicht mit beiden Händen umfaßt. Zum ersten Mal sah er etwas Farbe auf ihren blassen Wangen und ein Leuchten in ihren dunklen Augen, das jedoch fast augenblicklich erlosch, sobald sie wieder klar denken konnte.
 

„Sie waren sehr nett zu mir, Mr. Ryder! Ich danke Ihnen, aber ich muß jetzt zurück auf mein Zimmer!“ Aus einem Impuls heraus küßte sie die Innenfläche seiner Hand, die auf ihrer Wange ruhte, und entzog sich dann seiner Umarmung, weil sie ihrer Schwäche nicht länger nachgeben durfte, auch wenn es ihr schwer fiel, sich seiner Nähe zu entziehen.
 

Spirit war irritiert, er hatte gespürt wie Miss Graham sich ihm geöffnet hatte, aber irgendetwas schien ihr Angst zu bereiten, was direkt mit seiner Person in Zusammenhang zu stehen schien. An der Schulter hielt er sie zurück, bevor sie einfach so aus dem Zimmer stürmen konnte.

„Warten Sie! Ich gebe Ihnen meinen Morgenmantel, Sie sind ja halbnackt und der helle Stoff könnte in den dunklen Gängen jemandem auffallen!“ Er holte den Mantel aus dem Ankleidezimmer und half Miss Graham ihn überzuziehen.

Er reichte bis auf den Boden und der dunkelblaue Brokat verhüllte ihre Gestalt vollkommen, so daß sie nun mehr als züchtig angekleidet war. Und trotzdem war ihr beinahe zerbrechlicher Anblick wie eine Offenbarung für ihn. Beinahe hätte er ihr gesagt, wie sehr es ihm gefallen würde, wenn sie immer so gekleidet in seiner Nähe weilen könnte. Das wäre allerdings ein wenig zu direkt gewesen. Er durfte nicht vergessen, daß sie sehr sensibel schien und völlig anders war, als die Damen, die er bisher in der Gesellschaft kennen gelernt hatte.
 

„Ich werde Morgen im Laufe des Tages abreisen, ich halte das für klüger! Ich will nicht, daß Lady Alicia Sie noch einmal in eine solche Situation bringt!“ Er richtete dabei den Kragen des Mantels und ließ dann seine kräftigen Hände auf ihren schmalen Schultern ruhen.
 

Amy sah betroffen zu ihm auf, weil sie ihn trotz aller Widrigkeiten vermissen würde. Er war schließlich die einzige Person, mit der sie offen sprechen konnte. Beinahe offen.

„Ja, das ist wohl das Beste! Es tut mir sehr leid, daß...- mein Mädchen wird Ihnen den Mantel Morgen früh vorbeibringen. Vielen Dank für alles!“

Sie zwang sich, ihn freundlich anzulächeln, doch Spirit bemerkte den traurigen Ausdruck in ihren Augen durchaus.

„Ich hoffe, daß wir uns bald unter günstigeren Umständen treffen werden!“, verabschiedete er sie so unverbindlich wie möglich, um es ihr leichter zu machen.

Spirit geleitet sie zur Tür und überprüfte dann, ob der Korridor auch frei von Dienstboten war.

„So, jetzt können Sie gehen! Gute Nacht, Miss Graham!“, wünschte er ihr mit samtig klingender Stimme, deren Klang Amy immer wieder faszinierte. Warm und weich und tröstend.

Sie hätte beinahe aufgeseufzt und sah ihn noch einmal lange an, bevor sie wortlos aus dem Zimmer schlüpfte, um den Gang entlang zu huschen, um sich in die Sicherheit ihrer Gemächer zurück zu ziehen.
 


 

Fortsetzung folgt...
 

Anmerkung des Autors:

Ondit = Gerücht

Die damalige feine Gesellschaft Englands benutzte oft Wörter der Französischen Sprache, um sich von der ungebildeten Schicht abzugrenzen.
 

Ladytrap = Wortspiel, Mantrap bedeutet auf Englisch Falle und da diese von einer Lady gelegt wird, habe ich es einfach umgedichtet!



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