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Despair of the heart

von

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... and let you believe the sweetest lies

„Du musst aber irgendetwas essen, verdammt!”, nach einer Stunde gutmütigen Einredens auf Toshiya wurde der Rothaarige langsam ein wenig verzweifelt und wütend, sodass er den Jüngeren lauter anfuhr als er eigentlich wollte. Dieser war leicht zusammengezuckt und blickte aus großen, dunklen Augen zu ihm auf, ein wenig verständnislos aussehend und schüttelte abermals andeutungsweise den Kopf. Tief seufzend knallte der Gitarrist daraufhin die Schüssel mit dem Frühstück auf den Tisch und ließ sich dem Schwarzhaarigen gegenüber am Tisch nieder, stützte den Kopf in die Hände und atmete tief durch.

„Willst du vielleicht verhungern?“, gab er leise von sich und vielleicht war es gut, dass er gerade auf die Maserung des Holzes unter ihm starrte, sodass er das gleichgültige Schulterzucken seines besten Freundes nicht mitbekam.
 

In diesem Moment betrat auch Kaoru die Küche und bot ein beinahe ebenso erschreckendes Bild wie Toshiya. Er hatte kaum geschlafen diese Nacht, nicht nur weil er noch lange mit Die geredet hatte, sondern auch weil er, als dieser sich wieder zu dem Bassisten ins Bett gelegt hatte, noch fast die restliche Nacht lang wach gelegen war und nachgedacht hatte. Es war ihm bewusst, dass er Daisuke nie für sich gewinnen würde und dennoch klammerte er sich vergebens an diese Sache, kam aber einfach nicht darauf, warum er es tat. Normalerweise war er doch überhaupt nicht so, er dachte immer ganz rational, handelte nach seinem Kopf, nicht nach seinem Bauch. Dass er ausgerechnet bei dieser Sache so völlig neben sich war, passte gar nicht zu ihm und er hatte sich vorgenommen, es von diesem Tag an zu ändern. Er würde Daisuke nicht mehr lieben. Sie würden Freunde bleiben – waren sie das überhaupt noch? – und basta. Er würde zufrieden damit sein und sich vielleicht irgendwann wieder in jemanden verlieben, der das auch erwiderte. Und nachdem er seine Probleme jetzt gelöst hatte – zumindest redete er sich das noch recht erfolgreich ein – konnte er auch viel besser für Toshiya da sein und sich um ihn kümmern.
 

Trotz der tiefen Augenringe und der blassen Gesichtsfarbe lächelte Kaoru also ein wenig versonnen vor sich hin als er die Küche betrat, zumindest so lange, bis er seine beiden Freunde in dieser recht unerfreulichen Situation am Küchentisch sitzen sah. Toshiya mit dicht an den Körper gezogenen Beinen, die nackten Arme darum geschlungen, die aus einem weiten schwarzen T-Shirt ragten, den Kopf auf den Knien und völlig abwesend auf den Küchenboden starrend. Und Die, der mit zusammengepressten Lippen ihm gegenüber saß und mit verzweifelter Wut abwechselnd den Tisch, Toshiya und dessen Frühstück anstarrte.
 

„Was ist los?“, fragte der Älteste also vorsichtig und trat seitlich neben Toshiya um diesem eine Hand auf die Schulter zu legen, woraufhin der Schwarzhaarige seinen Kopf an seinen Bauch lehnte und mit einem resignierenden Seufzen die Augen schloss.

„Er will noch immer nichts essen“, murrte Die zur Antwort und wirkte irgendwie ein wenig gekränkt. Natürlich machte er sich Sorgen um seinen besten Freund und wusste sich einfach nicht wirklich zu helfen. Genauso musste Kaoru sich wohl gestern Abend auch gefühlt haben, als er ihn angerufen hatte.

„Mir ist schlecht, Die…“, gab Toshiya sehr leise zurück und Kaoru konnte spüren, wie ein leichtes Zittern durch den zierlichen Körper ging.

„Wenn du nichts isst, wird es auch nicht besser“, kam es ein wenig patzig zurück und der Älteste machte eine beruhigende Handbewegung in Richtung des Rothaarigen und warf ihm einen bittenden Blick zu.

„Vielleicht solltest du erst einmal eine Tasse Tee trinken, ja?“, schlug er dann an Toshiya gewandt vor und dieser nickte nach einem kurzen Moment des Zögerns leicht. Kaoru wollte sich gerade von ihm lösen, da stand Die schon auf um Wasser aufzusetzen und blieb schließlich vor dem Wasserkocher, den Blick aus dem Fenster gerichtet, stehen und starrte nach draußen.

Toshiya kuschelte sich inzwischen etwas näher an den warmen Körper neben sich und Kaoru kraulte beruhigend seinen Nacken, sodass der Jüngere beinahe dabei einschlief, weil er sich ohnehin so matt fühlte und das Kraulen so angenehm und entspannend war.
 

Ohne ein Wort stellte Die die Tasse mit dem heißen Wasser und einem Beutel Kräutertee darin auf den Tisch und verließ dann die Küche und wenig später hörte man das Knarren der Balkontür. Kaoru setzte sich neben den Jüngeren und schob ihm auffordernd die Tasse ein Stück weiter hin und Toshiya griff so zögerlich danach, als wäre es irgendein giftiges Tier. Aber dann schien er sich einen Ruck zu geben, pustete ein bisschen in den Tee und trank dann ein paar kleine Schlücke. Er erwartete eigentlich, dass sein Magen sich wieder umdrehte, so wie es fast geschehen wäre, als Die ihm sein Frühstück unter die Nase gehalten hatte, aber es passierte nichts. Also trank er weiter und als die Tasse leer war, fühlte er sich schon ein bisschen besser.

„Willst du jetzt noch mal versuchen was zu essen?“, erkundigte Kaoru sich vorsichtig und Toshiya beschloss, es einfach mal zu probieren, auch dem Älteren und Die zuliebe. Es war zum Glück ohnehin nur blanker Reis, denn etwas anderes hätte er wohl nicht hinunter bekommen und so begann er tapfer zu essen. Auch wenn er nur die halbe Schüssel hinunter brachte, bevor er sie von sich schob, waren sie beide gleichermaßen zufrieden.
 

„Ist Die jetzt böse auf mich?“, erkundigte er sich dann leise und schloss die Hände wieder um die Teetasse, als würde sie ihn noch immer wärmen. Aber das Porzellan war kalt und er erschauderte, ließ sie los und verschränkte stattdessen die Arme wieder um die Knie. Noch immer – oder schon wieder hatte er Tränen in den Augen, die ihm die Sicht verschleierten. Er wollte doch nicht, dass sein bester Freund wütend auf ihn war! Nicht zu allem Unglück auch noch das…

„Nein, das ist er nicht… er macht sich nur sehr große Sorgen um dich, weißt du?“, beruhigte Kaoru ihn und lächelte aufmunternd. „Wir möchten doch alle nur, dass es dir wieder gut geht“

„Kyo ist es egal, wie es mir geht“, gab Toshiya finster von sich und der Ältere zog die Augenbrauen zusammen und wusste nicht recht, ob er dem widersprechen oder zustimmen sollte.

„Du weißt, wie Kyo ist. Wenn es nicht um Shinya geht, ist er zu uns allen sehr kühl. Aber ich glaube nicht, dass du ihm völlig egal bist. Er zeigt es nur eben nicht“

„Doch, ich bin ihm egal“, flüsterte der Jüngere trotzig und noch mehr Tränen schossen ihm in die Augen, sodass sie nun endlich auch über seine Wangen kullerten, „Es würde ihm gar nichts ausmachen, wenn ich nicht mehr da wäre… wahrscheinlich wäre er froh darüber!“

„Das stimmt doch nicht“, widersprach Kaoru ihm ruhig und musste sich im selben Moment jedoch fragen, woher er diese Gewissheit eigentlich nahm? Tatsächlich war der Sänger immer sehr abweisend zu Toshiya gewesen, eigentlich schon von Anfang an. Als sie Ersatz für ihren alten Bassisten Kisaki gesucht hatten, da war Kyo als einziger nicht sonderlich begeistert davon gewesen, den quirligen Schwarzhaarigen in die Band aufzunehmen. Zwar hatte er sich nie wirklich dagegen ausgesprochen, aber er hatte sich auch nicht darum gerissen, Toshiya näher kennen zu lernen. Ebenso wenig wie Shinya, der in seiner üblich distanzierten Art lange gebraucht hatte, bis er sich dem ‚Neuen’ genähert hatte. Und er selbst hatte damals alle Hände voll zu tun gehabt, sodass Die der einzige gewesen war, der sich wirklich um den Bassisten gekümmert hatte. Später hatte Toshiya ihnen einmal erzählt, dass er sich Anfangs sehr unsicher gefühlt und oft geglaubt hatte, dass er überhaupt nie wirklich Teil der Band werden würde, weil die anderen sich schon so lange kannten und so gut befreundet waren. Er hatte sich als Außenseiter gefühlt und nur weil Die ihn immer wieder versucht hatte, in alles zu integrieren und sehr viel Zeit in ihre Beziehung zueinander investiert hatte, war er schlussendlich bei Dir en grey geblieben. Hätte Kaoru schon damals so deutlich von den Sorgen des Jüngeren gewusst, hätte er sich bestimmt auch mehr Zeit für ihn genommen, aber es war so stressig gewesen, dass er einfach nie sonderlich darauf geachtet hatte. Heute tat es ihm leid, es nie bemerkt zu haben.
 

„Ist es in Ordnung für dich, wenn wir übermorgen wieder mit den Proben beginnen?“, schnitt Kaoru ganz nebenbei ein anderes Thema an und obwohl es nur so beiläufig gesprochen hatte, beobachtete er die Reaktion des Schwarzhaarigen ganz genau. Im ersten Moment war er ein wenig zusammengezuckt, aber dann presste er die Lippen aufeinander und nickte schwach.

„Sicher?“, hakte der Ältere noch einmal nach und legte seine Hand beruhigend auf den Arm des anderen, „Wenn es dir zu früh ist, dann bitte sag es, ja?“

„Nein, es ist schon ok“, murmelte Toshiya mit einem gequälten Lächeln, das Kaoru leise seufzen ließ.



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