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Der Schlossgeist

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Der Schlossgeist

Der Wind peitschte um die alten Gemäuer und der Regen prasselte laut an die Fenster. Wo ein Windhauch eine Lücke finden konnte pfiff er bedrohlich und in dunklen Tönen hindurch. Die hölzernen Türen und Fenster knarrten, knackten und krachten in ihren verrosteten Angeln hin und her. Und jedes Mal hallten die Töne lange durch die Flure des leeren Schlosses.

Als es mich in einer stürmischen Nacht in meiner Not in diese verlassenen Hallen trieb, musste ich sofort an die Geschichten um die englischen und irischen Geister denken. Genau solche Schlösser findet man in Büchern wieder, wo Autoren und Dichter ihre Geistergeschichten aufschrieben um sie für die Nachwelt zu konservieren.

Als mein Auto inmitten einer Einöde seinen Geist aufgab - welch Ironie dieses Wort doch haben kann - suchte ich mir eine Möglichkeit Unterschlupf zu finden. Etwas weiter versteckt sah ich dunkle Mauern und ging geduckt auf sie zu. Insgesamt werden es nur ein paar Meter gewesen sein, doch gefühlt waren es Kilometer die mich vom Schloss trennten. So rannte ich darauf zu, um schnellstmöglich ins Trockene zu kommen.

Als ich bemerkte, dass sich das große Tor öffnen ließ, war ich heilfroh. Doch als ich dann drinnen war, stülpte sich mein Magen um. Es war unheimlich und ich bin eher als Angsthase bekannt. Doch die Neugierde liegt mir schon im Sternzeichen eingebettet in den Adern. Und so versuchte ich mit meiner kleinen Taschenlampe - Marke Glühwürmchen - durch die Flure zu wandern und einen Eindruck zu bekommen. Weit weg vom Eingang traute ich mich nicht, da der Pannendienst schon alarmiert war, dennoch zog es mich fast magisch in eine Richtung.

Als ich plötzlich vor einer großen Tür stand, schien meine Hand wie automatisch zur Klinke zu greifen und das große Scharnier zu bewegen. Auch diese Tür ging sehr leicht auf und bot einen Anblick auf etwas helles und wunderschönes. Die Schlosskapelle. Ich führte meine Taschenlampe in jeden erdenklichen Winkel und versuchte alles zu sehen was ich erhaschen konnte. Wenn man den restlichen Teil des Schlosses sieht, scheint das der einzige Raum zu sein, der noch erhalten ist. Und die Bauherren schienen die Meister ihrer Zeit beauftragt zu haben diese Kapelle zu bauen. Viele Engel erschienen in meinem Lichtkegel und auch religiöse Symbole waren zu erkennen. Doch als ich versuchte an der Empore hoch zu schauen, sah ich etwas vorbeihuschen.

Ich war kreidebleich und meine Knie versagten fast ihren Dienst als ich mir gewahr wurde, was gerade geschehen war. Es gab nur zwei Erklärungen, wobei ich eine sofort wieder ausschließen konnte. Entweder ich war nicht allein oder ich hatte etwas mit meinen Augen. Doch ich war erst vor einer Woche beim Sehtest, und so fiel leider diese Antwort aus. Doch was hatte ich da wirklich gesehen? War es ein Mensch, der hier über diese Kapelle wacht, oder ein Geist? Lieber war mir fast noch der Geist, denn Eigentümer sehen es nicht gern, wenn man unerlaubt in ihr Territorium eintaucht. Aber wenn es ein Geist war, dann könnte es ja auch ein gefährlicher sein. Vielleicht hätte ich diese Bücher nicht lesen sollen.

Da mich der Schreck noch immer in seiner Umklammerung hatte, versuchte ich so schnell wie möglich die Kapelle zu verlassen. Doch jetzt klemmte die Tür. Vielleicht war ich einfach zu aufgeregt und zitterte zu stark. Ängstlich und fast atemlos robbte ich an der Wand entlang um ja nicht Gefahr zu laufen mich zu verirren. So musste ich ja dann nur wieder an dieser Wand zurück. Irgendwie gelang es mir dann doch die Fassung wieder zu erlangen. Vielleicht war es die Rationalität die dem Zwilling auch im kosmischen Ursprung zugute kam.

Noch einmal tief einatmend schritt ich ein wenig in Richtung Mitte der Kapelle. Als ich aber wieder etwas an mir vorbeihuschen sah, kam die ganze Beklommenheit wieder zurück.

In den Geschichten, die ich gelesen hatte, ist den Geistern zumeist etwas Ungerechtes oder Plötzliches widerfahren was sie dann auf Erden hielt um ihren Tod zu rächen oder eine Aufgabe zu ende zu bringen. Manchmal sind sie aber auch freiwillig aus dem Leben geschieden. Und das bedeutete wiederum dass sie einfach keine ordentliche, glaubensorientierte Beerdigung bekamen. Und auch das konnte einen Geist dazu bewegen, hier auf Erden sein Leben weiterzuführen. Sozusagen ein Geisterleben.

Ich würde fast behaupten, bei der letzten Begegnung einen männlichen Geist erkannt zu haben. Wenn es denn ein Geist war. Als ich länger darüber nachdachte kam es mir vor, als würde eine kalte Hand meine Schulter berühren. Und als ich mich umdrehte, stand er vor mir. Der Geist eines Mannes in ungefähr meinem Alter. Etwas durchsichtig und schemenhaft zwar, doch sein Gesicht konnte ich recht gut erkennen. Am besten zu erkennen waren seine liebenswürdigen Augen. Sie schienen fast noch zu strahlen. Er lächelte mich an, wahrscheinlich weil ich ungläubig auf in starrte. Er schien wirklich amüsiert zu sein. Doch das verwirrte mich nur umso mehr.

Nach einigen Sekunden ging, oder besser schwebte er von mir weg in Richtung Mitte der Kapelle. Verwundert und Neugierig ging ich hinterher. Als wir beide in der Mitte ankamen zeigte er auf die Decke. Als ich nach oben sah erstrahlte die Decke in einem sanften Licht und ich konnte das Gemälde darauf erkennen. Es war ein Bild das ein verliebtes Paar zeigte. Am Rand waren gespenstische Gestalten zu erkennen. Sie standen im Kreis zusammen und schienen Intrigen zu spinnen. Und um das Paar herum waren nur zwei Personen die ihnen wohl gesonnen waren. Zuletzt waren da noch die Eltern der Beiden. Abseits stehend und einen nichts sagenden Blick auf das Paar richtend. Also schlussfolgerte ich, das es eine heimliche, weil verbotene Liebe war. Vielleicht sogar verraten.

Als ich so die Details erkundete, schien mir die Zeit in der diese Szene stattgefunden haben musste eine andere zu sein, als die des Kapellenbaues. Die Kapelle musste einige Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte jünger sein. Dann erschloss sich mir der Gedanke, dass aufgrund dieser Geschichte, die hier im Schloss errichtete Kapelle diesen Beiden Liebenden gewidmet wurde. Verwunderlich nur, das außer der Kapelle scheinbar nichts weiter in diesem Schloss zu finden war. Möglicherweise hat sie eine Person errichten lassen, die diese Beiden kannte.

Umso mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Fragen stellte ich mir. Und als ob der Geist das gewusste hätte, schwebte er wieder davon. Ein wenig in Richtung Mauer, doch als er davor stand wurde es etwas heller und eine Tür erschien. Möglicherweise eine Sakristei. Ich ging hinein, denn wieder war die Tür spielend leicht zu öffnen. Und als wir den Raum betraten, verfolgte uns das warme sanfte Licht. Der Raum jedoch machte mir irgendwie keine Angst, ich ahnte hier meine Antworten zu finden. Tatsächlich waren hier viele Bücher und viel Blattwerk lag herum. Leider war es unmöglich die Schrift zu entziffern, sie war zu alt. Gott sei Dank entdeckte ich die eine oder andere Skizze und Symbole mit denen ich herausfand, dass das Paar verraten und getrennt wurde. Beide brachte man in unterschiedliche Schlösser und bewachte sie. So wurden sie getrennt, bevor sie ihre Liebe ausleben konnten. Doch scheinbar hält zumindest ihn diese Liebe hier im Schloss ans Leben gefesselt. Ob sie auch noch wartet oder nach ihm sucht?

Ich sah mir alles an, der Geist stand mir zur Seite. Nur ab und zu unterbrach er mich und zeigte mir ein Buch oder ein Blatt Papier, das ich dann als nächstes ansah. Mich verblüffte die Reihenfolge, denn er zeigte mir die Geschichte so wie sie geschehen sein muss. Leider konnte ich nicht alle Geheimnisse lüften, doch ich hatte mehr und mehr das Verlangen ihm helfen zu wollen. So verbrachte ich scheinbar Stunden in diesem Raum, den Geist neben mir. Irgendwie war es schon verwunderlich, das ich gar keine Angst mehr verspürte. Als ich dann einen Namen und ein Wort fand, trotz alter Schrift leserlich, war ich glattweg erstaunt. Irgendwie ähnelte diese Schrift einem Namen oder einem Ort der mir bekannt vorkam. Ob das nur Einbildung war?

Möglicherweise war ich total durchgedreht, aber alles ergab plötzlich einen Sinn. Dieser Mensch, dessen Name mir vertraut vorkam, musste die Geschichte der zwei Liebenden aufgeschrieben haben. Und er muss auch der Bauherr der Kapelle gewesen sein. Denn das Bild an der Decke zeigte unverkennbar den Geist und eine wunderschöne junge Frau neben ihm. Wenn ich doch nur wüsste, wo ich ansetzen könnte, um das Rätsel zu lösen. Da zeigte der Geist auf ein Blatt Papier. Ich wusste nicht, wie mir war. Mich überkam ein ungutes Gefühl. Plötzlich sammelten sich meine Gedanken zu einem Bild, das Bild zu einem Film und der Film schien so real zu sein. Man könnte es auch Eingebung nennen. Und es beschämte mich, das ganze dem netten Geist zu erzählen. Die ganzen Puzzleteile ergaben diese Geschichte:

Das die beiden Liebenden getrennt wurden, weil sie nicht zusammen sein durften, war mir von vornherein klar. Mittlerweile erschloss sich mir das Bild das die Eltern eher wenig damit zu tun hatten, eher die boshaften dunklen Gestalten. Eine Art Berater schätze ich, denen die Eltern nachgaben und die Kinder trennen ließen. Allerdings, was keiner wusste, war die Tatsache, das die Schlösser in denen sie untergebracht wurden, nicht weit auseinender standen. Auf dem letzten Bild erkannte ich ein Schloss das nicht all zu weit von diesem hier weg war. Genau genommen nur einen Ort weiter und das andere Wort auf dem Blatt Papier war der Name dieses Schlosses. Scheinbar wussten das die Berater, nur die Eltern und die Liebenden nicht. Und der Geist, der hier in diesem Schloss verweilte suchte seit dem Tag der Trennung nach seiner Geliebten. Da er aber aus den Aufzeichnungen des Mannes der ihnen dieses Denkmal hier erbaute, nichts herausfinden konnte, suchte er scheinbar hoffnungslos. Doch wahrscheinlich nicht ohne Hoffnung im Herzen. Wenn man es denn so nennen kann.

Mir schossen Tränen in die Augen. Als ich meine Ansicht der Dinge dem Geist erzählt hatte, konnte ich erkennen das sein Gesicht Züge der Traurigkeit annahmen. Dann lächelte er mich an und schwebte vor mir her. Ich hatte Mühe ihm zu folgen. Wir kamen wieder am Schlosstor an und er bat mich, ihm das Tor zu öffnen. Scheinbar war das eine Barriere die ihn hier gefangen hielt. Als ich das Tor öffnete, schwebte er hinaus, drehte sich noch einmal um und lächelte mich selig an. Glück und Hoffnung spiegelten sich in seinem Gesicht wider. Er kam noch einmal auf mich zu und nahm meine Hand. Ich spürte sie, zwar kalt und wie einen Hauch, aber ich bemerkte seine Geste und nickte ihm zu. Mit einem „Ich wünsche euch Beiden alles Gute“ verabschiedete ich mich von ihm. Ich winkte ihm hinterher und hörte dann schon das Hupen des Abschleppdienstes.

Als der Abschleppdienst dann kam und ich mit ihm nach hause fuhr, überlegte ich was gerade alles geschehen war. Der Mann fragte, ob es mir gut ginge und ich erzählte ihm, was mir widerfahren war. Er lachte mich nicht aus, wie ich es vermutet hätte. Er erzählte mir, dass er in dieser Gegend schon ein paar junge Frauen abschleppen musste und sie alle die gleiche Geschichte erzählten. Vielleicht versuchte der Geist auf diese Weise Hilfe zu finden. Um seine Geliebte wieder zu sehen und endlich seine wohlverdiente Ruhe mit ihr zu genießen. Und möglicherweise habe ich es sogar geschafft.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  -Moonshine-
2008-10-12T19:02:48+00:00 12.10.2008 21:02
Huhu^^
Hab mir das auch mal durchgelesen hier. :)
Muss sagen, du hast 'nen schönen Schreibstil und es war erfreulich, dass du dich kaum wiederholt hast. Mal abgesehen von ein paar kleinen Fehler stimmt auch die Rechtschreibung. Zwei oder dreimal benutzt du plötzlich eine andere Zeitform, aber ansonsten alles gut. ^^
Ich hätte mir allerdings mehr Absätze gewünsch, das hätte dem text ein bisschen mehr Struktur verliehen. Noch sieht er von der Form her so aus wie ein einzelner Klotz. Und die zweite Sache ist, das muss ich dem Kommentar unter mir recht geben ^^, dass ein paar mehr Emotionen und Gefühle schon nicht fehl am Platz gewesen wären. Ist alles irgendwie recht rational und so sachlich.
Ich mag übrigens die Alliteration am Anfang irgendwo: "knarrten, knackten und krachten" - sehr cool! Und die Atmosphäre hast du auch schön beschrieben.
I liked it!
LG
Eli
Von: abgemeldet
2008-05-17T09:30:12+00:00 17.05.2008 11:30
Naja - gruselig ist die Geschichte nicht, eher romantisch angehaucht, würde ich sagen. Ich lasse sie aber trotzdem im Wettbewerb: Es ist eine Geistergeschichte und ein Schloss/Haus kommt darin vor, alle anderen Bedingungen sind auch erfüllt.

Zur Geschichte: Hat mir gut gefallen. Ich hätte mir hin und wieder stärkere Emotionen des Protagonisten gewünscht, z.B. als er den Geist sieht (da würde ich nicht hinterhergehen, sondern schreiend wegrennen ^^ ) Auch das Ende fand ich ein bisschen zu kurz.
An sich ist die Geschichte aber schön rund, und - was mich besonders beeindruckt hat - sehr schön geschrieben. Ich mag deinen Schreibstil überaus gern.

Alles in allem ein dickes Lob von mir.


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