Das Jahr des Ruhmes und des Prunks
Oscar hatte gehofft, dass sie die Königin beeinflussen konnte, jedoch war es fehlgeschlagen. Es war nur kurze Zeit gut gegangen, aber dann verlief alles seine ‚gewohnten’ Bahnen. Die junge Frau konnte nur ihren Kopf schütteln. Dafür kümmerte sie sich selber noch mehr um ihre Kinder.
Jedoch keimte neue Hoffnung, als im Sommer bekannt wurde, dass Marie Antoinette erneut schwanger war. Dennoch wurde diese freudige Meldung, durch die Mitteilung über die Entlassung Neckers, nach seinem Rechenschaftsbericht der Finanzen, von seinem Posten als Generaldirektor der Finanzen, überschattet. Aber es nahm keinen Abbruch an der Sorge, die in diesem Sommer in Versailles herrschte. Man versuchte der Königin Verstreuung durch Theaterstücke, kleiner Gesellschaften etc. zu verschaffen.
Der König war so erfreut über die Meldung der Schwangerschaft seiner Gemahlin, dass er sogar, was er zuvor niemals getan hatte, Madame de Polignac in Paris besuchte, die ebenfalls ein Kind erwartete.
Alle hofften, dass nun der lang ersehnte Thronfolger geboren werden würde und die Hoffnung der Menschen erfüllte sich. Am 22. Oktober des Jahres 1781, bekam Marie Antoinette um 1.45 Uhr die ersten Wehen. Sofort teilte man dies dem König mit, der daraufhin sofort zu ihr eilte. Um den Tumult und die Unruhe, die bei der Geburt seiner Tochter 1778 entstanden waren, zu unterbinden, ließ er die Türen zu dem Raum, in dem die Königin in den Wehen lag, schließen, damit keine der Anwesenden die Königin stören konnten.
So wurde Louis Joseph geboren. Ludwig XVI. trat zu seiner Gemahlin und sprach sie an, womit er die entstandene Stille unterbrach.
„Madame, Sie haben meine Wünsche und die Frankreichs erfüllt, Sie sind die Mutter des Dauphins.“
Kurz nach der Geburt erfuhren alle von der freudigen Nachricht, dass ein Thronfolger das Licht der Welt erblick hatte. Sie traten auf den König zu, um ihn zu beglückwünschen, als dieser den Raum mit seinem Sohn auf den Arm verließ. Er schüttelte viele Hände und Tränen standen in seinen Augen.
Dabei stammelte er: „Ja, hier mein Sohn. Sehen Sie sich den Dauphin an.“
Sein Glück kommt in seinem ganzen Wesen zum Ausdruck; er ist ein neuer Mensch, voll Fröhlichkeit, Freundlichkeit und lustigen Äußerungen.
Marie Antoinette war derweil gesäubert und in ihr Bett gebracht worden. Dort verlangte sie kurz nach ihrem Sohn. Anschließend wurde der Dauphin in seine Wiege gelegt, an der alle Adeligen vorbei gingen, um ihn zu betrachten. Währenddessen begannen die Glocken im Schloss und auf den Kirchen von Versailles zu läuten. Dabei schossen die Kanonen Salutschüsse ab.
Am 23. und 24. Oktober wurden morgens um 6 Uhr, mittags und abends um 6 Uhr abermals Salutschüsse getätigt. Die Glocken läuteten dabei in Versailles und am Rathaus durchgängig.
An jedem Abend, über zwei Monate lag, gab es Konzerte, Theateraufführungen, Opern und weitere Veranstaltungen in ganz Paris. Das Volk freute sich und mit ihnen Oscar und André. Sie hielten sich in den Armen und beobachteten, wie dem Volk Lebensmittel und Getränke verteilt wurden.
Was jedoch in Versailles geschah, erfuhren die beiden erst später. Handwerker, aus den verschiedensten Zünften, waren nach Versailles gereist, um dort auf dem Marmorhof eine Art Parade vorzuführen, bei der sie dem Dauphin selbstgefertigte Schuhe, Uniformen und unterschiedlichste Gaben überreichten. Dabei war der König zu Tränen gerührt. Bei seiner Geburt war nichts dergleichen getan worden, aber jetzt hatte er einen Sohn. Sein Leben hatte einen neueren, freundlicheren und tieferen Sinn bekommen. Er freute sich so sehr, dass er Gott, den Allmächtigen fragte, ob er nun endlich hoffen konnte, die so schwere Aufgabe, die sein Vater und sein Großvater hinterlassen hatten, vollständig zu erfüllen, eine Aufgabe, die ihm oft so erdrückend und maßlos erschien.
Alle waren erfreut, das Frankreich nun endlich ein Dauphin erhalten hatte. Versailles hatte in den letzten fünf Jahren immer oft leer gewirkt, aber nun kehrte das Leben wieder zurück, da sich alle durch die Geburt des Dauphins einen sofortigen oder späteren Nutzen erhofften.
Der einzige, der das ganze hämisch lächelnd betrachtete, war Graf de Provence, der Bruder des Königs. Durch die Geburt Louis Joseph, war er nun nicht mehr Thronfolger.
Vierzehn Tage nach der Geburt des Dauphins, war dieser bereits 13 Pfund schwer und 24 Zoll lang. Jedoch bekam auch er eine Amme, genau wie seine Schwester. Zudem wurde Madame de Polignac seine Gouvernante.
Immer wieder waren die Worte: „Es lebe der König, es lebe die Königin und es lebe der Monsieur Dauphin.“, zu vernehmen.
Aus allen Teilen der Welt trafen Glückwünsche ein. Jeder schien sich mit Ludwig XVI. zu freuen. Aber es gab auch noch weitere Meldungen.
Lauzun, Zweibrücken und die Nachricht von dem Sieg von Yorktown trafen nach 14 Tagen von der Geburt des Dauphins ein; die Freude des Königs verband sich mit der, daran zudenken, das er Frankreich wieder in den Zustand versetzt hatte, den Ludwig XIV. hinterlassen hatte.
Zum ersten Mal seit langer Zeit hatten die Bourbonen England unter dem Beifall Europas geschlagen und ein wirksames Mittel gefunden, seine Macht zu begrenzen und sein Ansehen herabzusetzen.
Am Montag, den 21. Januar, am Dienstag, den 22. Januar und am Mittwoch, den 23. Januar 1782 wurde ein großes Fest in Paris gefeiert, wobei darauf geachtet wurde, dass es zu keinen Unfällen kam. Es galt das Losungswort: «Keine Toten für eine Geburt»
Das Königspaar wohnte diesem prächtigen Fest bei und speiste hier in aller Öffentlichkeit. Zudem wurden sie Zeugen eines prachtvollen Feuerwerkes und eines großen Balles. Auch wenn es kalt war, war das Wetter klar und herrlich. Die Bevölkerung war begeistert. Der König war beinah erdrückt worden. Er hatte viel Gefallen an dem Fest und an der warmen Anteilnahme, die das Volk ihm zeigte, gefunden. Ludwig XVI. war von ihm entzückt und dies zeigte er ihnen. Den ganzen Tag war er sehr huldvoll. Die Königin, die wenig beachtet wurde, blieb ernst, obwohl sie diejenige gewesen war, die auf diese Festivitäten bestanden hatte.
Einige Tage später gab die königliche Leibgarde ein Fest. Es bestand aus einem Ball im Galaanzug zum Abend mit 3.000 geladenen Gästen und einen Maskenball in der Nacht mit 6.000 geladenen Gästen.
Zu diesen Bällen waren auch Oscar und André, ebenso wie ihre Eltern geladen. Sophie hatte sich erboten auf die Zwillinge zu achten. Zuerst hatte Oscar überlegt, jedoch entschied sie sich für den Ball. Sie hatte noch nicht die Möglichkeit gehabt, Marie Antoinette und Ludwig XVI. direkt zu der Geburt des Dauphins zu gratulieren. Auch André hatte ihr zugestimmt. Nur die Wahl der Kleidung war Oscar nicht leicht gefallen. Zwar besaß sie noch ihre alte Uniform, jedoch war sie nicht mehr Kommandantin. Zudem hatte sie ihren Adelstitel mit ihrer Hochzeit abgelegt und somit war es ihr nicht gestattet, ihre frühere Kleidung zutragen. So hatte sie sich schweren Herzens dazu entschlossen ein Kleid anzuziehen. Dieses hatte Sophie ihr extra geschneidert. Es war nicht so schlicht, wie die anderen, wenigen Kleider, die Oscar besaß. Ihre alte Amme hatte darauf bestanden, dass es prächtiger, für den Anlass passend, gearbeitet war. So bestand es aus mehreren Lagen blauer Stoffe, die mit silbernen und weißen Stickereien verziert waren. Dazu hatte Oscar ihre Haare hochgesteckt.
An Andrés Seite betrat sie am Abend des Balles den Saal. Dabei sah sie sich um. Viele vertraute Gesichter entdeckte sie dabei. Es waren viele ihrer ehemaligen Untergebenen anwesend, die sie freundlich und höflich begrüßten. Daher wurden Oscar und André immer wieder aufgehalten, womit die Zeit wie im Fluge verging. Dass das Königspaar bereits eingetroffen war, hatten die beiden bemerkt. Jedoch war die Chance zu ihnen zu treten, noch nicht eingetroffen. Erst als Oscar ihre Eltern entdeckte, wand sich das Blatt. Denn bei dem General stand der König. So traten sie ruhig auf sie zu.
„Oscar, mein Kind“, wurde sie freudig von ihrem Vater begrüßt, sodass Ludwig sich umdrehte und die beiden ansah.
André und seine Gemahlin nickten ihm zu, dann verbeugten sie sich höflich vor dem König. Dieser lächelte sie an und bat sie darum, sich zu erheben.
„Lady Oscar, André. Es freut mich, Euch hier zusehen.“
„Dies trifft ebenfalls auf Euch zu, Eure Majestät“, erwiderte Oscar höflich.
Kurz sah sie zu André, der ihr lächelnd zunickte. Anschließend fiel ihr Blick zurück auf Ludwig.
„Ich möchte Euch und Eurer Gemahlin zur Geburt Eures Sohnes, dem Dauphin Louis Joseph, gratulieren.“
„Dies gilt auch für mich, Eure Majestät“, setzte André mit hinzu.
„Vielen dank. Die Königin und ich sind sehr glücklich, über unser Kind.“
„Verzeiht, dass wir unsere Glückwünsche erst so spät Euch persönlich mitteilen konnten, jedoch hatten wir zuvor nicht die Möglichkeit uns direkt an Euch zuwenden.“
„Ihr braucht Euch nicht entschuldigen, Lady Oscar. Ich kann es verstehen.“
„Vielen Dank, Eure Majestät“, erwiderte André.
Ludwig nickte bei seinen Worten und lächelte. Deutlich waren der Stolz und die Freude über seinen Sohn in seinen Augen zu erkennen.
„Ich hoffe, Euren Kindern geht es gut.“
„Ja, unsere Kinder entwickeln sich prächtig.“
„Dies freut mich zuhören, Lady Oscar.“
„Wie geht es Eurer Tochter, der Prinzessin?“
„Ihr geht es sehr gut. Sie ist ein gutes Stück gewachsen und sie freut sich mit uns, über ihren Bruder. Kommt mit Euren Kindern uns besuchen, Marie Thérèse wird sich gewiss freuen.“
„Dieser Einladung werden wir gerne Folge leisten, Eure Majestät“, erwiderte Oscar lächelnd.
Dann entdeckte sie die Königin und entschuldigte sich somit bei Ludwig. Dieser nickte ihr zu und setzte das Gespräch mit ihrem Vater fort. So trat Oscar langsam auf Marie Antoinette zu, die sich in einem Gespräch mit ein paar Damen befand. Da die junge Frau die Königin nicht direkt ansprechen durfte, da sie nun einmal die ranghöchste Frau im gesamten Staate war, verhielt sie sich ruhig und wartete im Hintergrund, bis Marie Antoinette sie bemerkte. Zum Glück musste Oscar nicht lange verharren, bis die Königin die Anwesenheit der jungen Frau bemerkte. So sah sie lächelnd zu ihr.
„Oscar, welche Freude Euch hier zu sehen.“
Die ehemalige Kommandantin der königlichen Garde erwiderte das Lächeln Marie Antoinettes und verbeugte sich dabei.
„Dies kann ich Euch nur wiedergeben, Eure Majestät.“
„Bitte erhebt Euch, Oscar. Sagt mir, wie geht es Euch und den Kindern.“
„Vielen Dank, Eure Majestät. Den Kindern, André und mir geht es sehr gut.“
„Das freut mich zu hören.“
„Ich möchte Euch, auch in dem Namen Andrés, zu der Geburt Eures Sohnes herzlichst gratulieren.“
Marie Antoinette lächelte freundlich und höflich, als sie Oscars Worte vernahm.
„Vielen Dank, Oscar. Ich bin ebenfalls froh, dass er bei uns ist. Werdet Ihr uns besuchen, um Euch den Dauphin anzusehen?“
„Aber gewiss, Eure Majestät. Euer Gemahl, der König, lud uns bereits ein und dieser Einladung folgen wir gern.“
Freudig klatsche Marie Antoinette in die Hände, als sie diese Antwort erhielt.
„Das ist wunderbar“, erwiderte sie.
Oscar lächelte und unterhielt sich noch etwas mit der Königin, bis diese zu ein paar anderen Damen ging.
Die Musik hatte schon längst aufgespielt und viele Paare tanzten dazu. Auch Oscar und André bewegten sich zu den sanften Klängen der Geigen.
Der König selber tanzte an diesem Abend nicht, er unterhielt sich lieber mit den Anwesenden. Er war von dem ganzen äußerst angetan.
Der Abend verlief prunkvoll und es wurde bis spät in die Nacht gefeiert. Oscar und André kehrten erst sehr spät zurück. Beide waren guter Laune, nicht nur wegen des Dauphins, sondern auch wegen dem König. Noch nie hatten sie ihn so glücklich und stolz gesehen, wie an diesem Abend. Innerlich hoffte Oscar, dass sich nun alles in der königlichen Familie zum Besten wenden würde.
Die Wochen und Monate vergingen in denen weiter der Dauphin gefeiert wurde. Zwar nicht mehr so intensiv, wie zu Beginn, aber es war das „Jahr des Ruhmes und des Prunks“, wie Ludwig XVI. es nannte. Man hätte es auch als „Jahr des Dauphins“ beschreiben können.
Und obwohl gewisse Festivitäten anhielten, vergaß der König sein Amt nicht. Es traf eher das Gegenteil zu. Er arbeitete mehr als zuvor und ging nur ab und zu zur Jagd. Und die wenige freie Zeit, die er hatte, verbrachte er mit seinen Kindern. Im Gegenzug zu Marie Antoinette, die an ihrem Sohn, wie zuvor bei ihrer Tochter, rasch ihr Interesse verloren hatte.
Als Oscar mit ihrer Familie sie besuchte, entging ihr dies nicht. So konnte sie abermals ihren Kopf nur schütteln. Wieder hatte sie versucht auf die Königin einzureden, jedoch war dies ohne Erfolg. Oscar taten die Kinder unsagbar leid. Zwar hatten sie einen äußerst liebevollen, sanften und aufopferungsvollen Vater, aber dennoch war Oscar der festen Überzeugung, dass Kinder auch eine führsorgliche Mutter benötigten und dies sah nicht nur sie so. Auch André konnte es nicht verstehen.
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Anmerkung: Die Sätze, die kursiv geschrieben sind, sind wörtliche Auszüge aus Bernard Fays Buch „Sturz der französischen Monarchie, Kapitel 12, Teil 2 „Der siegreiche König“, ab Seite 226. Dieses Kapitel habe ich mit Hilfe von Clarice geschrieben, die mir per Telefon wichtige Dinge aus der Zeit Ludwigs XVI. nannte. Leider bekommt man nur wenig, bzw. nur ungenügende Informationen aus dem Internet und da sie die fachliche Lektüre ihr Eigen nennt, war sie meine erste Ansprechpartnerin. Danke dafür, Püppi.
Lauzun ist ein französischer Kanton im Süden Frankreichs.