The day will dawn
Der morgendliche Lärm des Berufsverkehrs der Straße vor dem Haus war nicht das, was den jungen Russen an einem Montagmorgen aus dem Bett riss, da dieser im 26. Stockwerk kaum noch zu hören war, sondern der nervtötende Ton seines Weckers auf dem Nachttisch. Mit geschlossenen Augen tastete er in die Richtung, aus der das Geräusch kam, um nach dem Knopf zum Abstellen dieser morgendlichen Belästigung zu suchen. Als er ihn endlich gefunden und betätigt hatte, ließ er seinen Arm wieder zurück auf die Satinbettwäsche sinken und blieb regungslos auf dem Rücken liegen, bevor er die Augen aufschlug. Er sollte sich unbedingt einen neuen Wecker kaufen: Dasselbe grauenvolle Piepsen jeden Morgen konnte ja kein Mensch, dessen Gehör noch vollständig funktionierte, ertragen.
Allmählich richtete er sich auf, schlug die Bettdecke beiseite und setzte sich auf die Bettkante, wo er kurz verweilte und sich mit der Hand durch seine roten Haare fuhr, ehe er aufstand und zur Balkontür seines Schlafzimmers ging, diese aufschob und hinaustrat. Er hatte gehofft an diesem Morgen einen Kälteschock zu erleiden, wenn er dieses wie jeden Tag nur mit seiner Schlafanzughose bekleidet tat - doch dem war nicht so. Und dies lag nicht daran, dass er Kälte gut aushalten konnte, sondern daran, dass die Wettergötter in den Medien Recht behalten hatten und das Thermometer nach dem Wochenende noch weiter in die Höhe geklettert war. Er stütze seine Hände auf die Brüstung und blickte über die Hausdächer Moskaus: Wie sehr hatte er sich gewünscht, dass diese nach zwei Wochen endlich wieder von Schnee bedeckten sein würden, aber nein: über ihnen ein strahlendblauer Himmel inklusive Sonne, die schien als müsse sie ihre Leistung vom Vortag noch einmal übertreffen!
Seufzend drehte der junge Mann sich wieder um und ging zurück in seine Wohnung – seine teure Eigentumswohnung. Wohnungen in Mitten der russischen Hauptstadt waren generell nicht sehr günstig. Und wenn man in einer wie dieser lebte, in der Nähe des Zentrums, in einer der besten Wohngegenden überhaupt, musste man entweder Lottogewinner sein, geerbt haben oder verdammt gut verdienen. Glücksspiele verabscheute er allerdings, da er ein sehr kalkulierender und berechnender Mensch war. Wen sollte er beerben? Er kannte Niemanden seiner Verwandtschaft – nicht einmal seine Eltern. Und wer hätte ihn sonst auf seinem Testament bedenken sollen, wenn es auch keine anderen tieferen Bekanntschaften gab? Doch ihn sollte das nicht stören, da es der letzte Grund war, warum er hier wohnte: Er war, mit nur 27 Jahren, ein erfolgreicher, selbstständiger Immobilienmakler. Er konnte sich sicher nicht alles leisten, aber vieles, mehr als der Durchschnittsbürger in dieser Stadt. Er hatte alles was er zum Leben brauchte – zumindest aus seiner Sicht.
Du sagst, du beugst deine Knie vor niemand
Du sagst, dass dich niemand bestimmt
Du sagst, du bewegst deinen Arsch für niemand
Und dass niemand dir was nimmt
Du sagst, du verschenkst deine Zeit an niemand
Und dass du auf niemand schwörst
Du sagst, deine Liebe bekommt niemand
Dass du niemand gehörst
Du wirst irgendwann jemandem dienen
Jemand der weicher ist und zarter als du
Du wirst irgendwann jemandem dienen
Jemand der weiser ist und stärker als du
Er drehte sich noch einmal etwas zur Balkontür: Wer definierte eigentlich dieses Wetter als schön? Ihm gefiel es viel besser, wenn es kalt und nass war - am besten eisigkalt und verschneit. Aber nein: Die große Mehrheit seiner Mitmenschen empfand diesen übertriebenen Sonnenschein als schön, also galt dies als ‚Schönes Wetter’. Gut, dass er keiner von diesen Mitläufern war, der alles billigte, was andere für gut oder schlecht befanden. Er schloss die Tür hinter sich und steuerte auf das Badezimmer zu, um sich wie jeden Tag eine Morgenduschen zu genehmigen, sich zu rasieren und dann wieder zurück zum Kleiderschrank zu gehen und sich anzuziehen. Er legte viel Wert auf sein Äußeres, was in seinem Job auch sicher nicht von Nachteil war. Und so gehörten diverse Anzüge in das Sortiment seines Schrankes, von denen er sich wie jeden Tag einen heraussuchte und ihn anzog, bevor dieser am Wochenende mit vier anderen, die er an den anderen Arbeitstagen der Woche getragen hatte – er arbeitete grundsätzlich fünf Tage die Woche und nicht mehr oder weniger – in die Reinigung wanderte, um Montagabend dort wieder von ihm abgeholt zu werden. Einen Schlips trug er, im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen oder aber auch Konkurrenten, nie. Wenn er eine einheitliche Uniform hätte tragen wollen, wäre er zur Polizei oder ähnlichem gegangen. Stattdessen ließ er den oberen Hemdknopf gewohnter Weise offen, nahm das Jackett in die Hand, schloss die Schranktür wieder und steuerte in die Küche, wo er die Jacke über die Lehne seines Stuhles hängte, bevor er seine Kaffeemaschine einschaltete und zur Wohnungstür ging, die er öffnete. Davor lag wie jeden Morgen die Zeitung auf der Fußmatte. Er nahm sie mit rein und schloss die Tür wieder. Zurück in der Küche schenkte er sich seinen Kaffee ein, der Dank der hochmodernen Maschine in weniger als einer Minute fertig aufgebrüht war. Er setzte sich mit der Tasse in der einen und der Zeitung in der anderen Hand an den Tisch, wo er Letztere aufschlug und begann zu lesen, während er wie jeden Morgen seinen Kaffee trank – schwarz natürlich. Erhöhung der Steuern, Nachrichten aus dem Ausland, Konflikte in Randgebieten der Großstädte: alles uninteressant. Er überflog die Zeitung weiter: „Frühlingsanfang nicht nur im Kalender: Woche beginnt mit Rekordwerten. Temperaturen wie im Mai...“ Nein, danke, er wollte erst gar nicht weiterlesen. Desinteressiert faltete der Rothaarige die Zeitung wieder zusammen und legte sie zur Seite, bevor er nach seinem Kalender griff, der vor ihm auf dem Tisch lag.
Wie alles andere, was er an diesem Morgen getan hatte, gehörte es ebenfalls zu seinen morgendlichen Ritualen zu überprüfen, was für Termine an diesem Tag anstanden. Und wie täglich waren es hauptsächlich Besichtigungstermine verschiedener Objekte. Zu seinen Kunden zählten eigentlich ausschließlich die besser Betuchten dieser Stadt. Doch vom Architekten, der irgendwo neue Gebäude hingepflastert hatte und sie nun loswerden wollte, über den gnadenlosen Geschäftsmann, der nach neuen geeigneten Büroräumen suchte, bis hin zum Privatmann mit seiner Familie, der für Kind und Kegel eine mehr oder weniger luxuriöse Bleibe benötigte, waren alle Kategorien vertreten. Wobei er gerade die letzte Gruppe mit sehr viel Argwohn betrachtete. Was trieb gerade junge Menschen in seinem Alter dazu zu heiraten und dann auch noch Kinder zu bekommen? Damit nahm man sich doch jeden Freiraum und stellte sich unter die Kontrolle seines Partners, ließ sich dadurch einengen und verbiegen. Wenn er Sex wollte, bekam er ihn auch so, ohne erst vor den Traualtar treten und die Partnerin dann tagtäglich sehen zu müssen, geschweige denn sie überhaupt je wiedersehen zu müssen, wenn es ihm nicht gefallen hatte - was aber eher selten der Fall war. Wozu also dieser ganze Aufwand? Er verstand es nicht – und das wollte er auch eigentlich gar nicht. Er war zufrieden, so wie er lebte, in seiner teuren Eigentumswohnung mit übertriebenmoderner Kaffeemaschine und auch jeder Menge anderem Luxus, den man sich Notfalls auch hätte schenken können. Aber er lebte nicht in der Not, also musste er auch nicht darauf verzichten.
Ich weiß, du bist der Sklave von niemand
Und dass dich niemand regiert
Du bist der Affe von niemand
Weil niemand dich dressiert
Du bist nur Dreck für niemand
Weil deine Liebe niemand heißt
Du musst dich trennen von niemand
Weil niemand auf dich scheißt
Dein armes krankes Herz wird in Liebe getränkt sein
Jede Herrlichkeit auf Erden wird auch dir geschenkt sein
Jemand liebt dich
Auch du wirst irgendwann jemandem dienen
Jemand der weicher ist und zarter als du
Du wirst irgendwann jemandem dienen
Jemand der weiser ist und stärker als du
Er nahm gerade erneut einen Schluck aus seiner Kaffeetasse, als sein Augenmerk auf ein Wort ganz oben im Kalender fiel und alle darunter aufgelisteten Termine für den Moment verdrängte: Frühlingsanfang. Verdammt, warum mussten diese Kalender immer alle mit dem terminlichen Anfang jeder Jahreszeit belastet sein? Wenn überhaupt, wollt er nur wissen, wann der nächste Winter anfangen würde. Aber nein, man musste ihn auch mit dem Beginn dieser grässlichen Jahreszeit traktieren. Wenn er dieses Wort heute noch einmal lesen müsste, würde er Amoklaufen – so viel stand fest. Genervt schlug er mit dem letzten Schluck Kaffee den Kalender wieder zu, verstaute ihn in seinem Aktenkoffer, der neben dem Tisch stand und stand auf. Er zog seine Jacke über und blickte auf seine Uhr: Halb Neun. Pünktlich wie immer würde er also das Haus verlassen. Er nahm seinen Koffer auf und stellte im Vorbeigehen zur Wohnungstür die Tasse neben der Spüle der Küchenzeile ab, die er ohnehin für nicht mehr nutzte, als zum Abwaschen der einen Tasse jeden Tag. Genauso ungenutzt war der Rest der Küche: Wozu brauchte er sie sonst auch? Morgens verspürte er nie Hunger und sonst aß er unterwegs etwas. Eigentlich diente sie nur dazu, damit seine Putzfrau am Donnerstag noch etwas mehr zu tun hatte und damit der Raum nicht so leer wirkte.
Er zog die Tür hinter sich zu, schloss einige Male ab und versenkte den Schlüssel wie gewohnt in seiner Jackentasche, bevor er zum Aufzug ging, der ihn, wie jeden Tag, in Sekundenschnelle ins Erdgeschoss beförderte, wo er ausstieg und auf den Briefkasten mit dem Namen ‚Ivanov’ zusteuerte, ihn aufschloss, die Post und Reklame herausnahm, sie in seinen Koffer verfrachtete um sie im Büro zu durchstöbern, und den Kasten wieder schloss. Er trat hinaus auf die Straße, um sich auf den Weg zur Arbeit zu machen. Natürlich hätte er auch zu Hause arbeiten können, doch er war Befürworter der Trennung von Beruf und Freizeit: Also arbeitete er nicht da, wo er lebte. Er hätte auch weiter bis in die Tiefgarage des Wolkenkratzers fahren können, wo sein schwarzer Sportwagen stand, an dem schon alleine eine Felge soviel kostet wie anderer Leute ganzes Auto, doch die Straßen der Metropole waren zu dieser Uhrzeit auch so schon hoffnungslos überfüllt, weshalb er es vorzog den Wagen nur am Wochenende aus seinem Schlaf zu holen und mit ihm raus aus der Stadt in die Wildnis zu fahren – fernab von vom Großstadttrubel und all diesen gefühlsgesteuerten Marionetten. Für den Weg zu seinem Büro, das im benachbarten Stadtviertel lag, nahm er lieber die Metro, die U-Bahn Moskaus. Bis zur nächsten Station waren es keine dreihundert Meter und aussteigen konnte er direkt vor dem neuen prachtvollen Hochhaus, in dem sein Arbeitsplatz lag. Für seine geschäftlichen Termine, zu denen er rausfahren musste, stand ihm dort in der Garage sein Dienstwagen zur Verfügung. Also alles kein Problem – das Leben konnte so bequem sein! Doch warum machten es sich dann viele Leute so schwer? Dies fiel ihm auch an diesem Morgen wieder auf, als er zur U-Bahn-Station ging: Mütter mit schreienden Kindern auf dem Arm oder im Kinderwagen, die hektisch zum Kindergarten oder zur Tagesmutter eilten, Väter, die mit quengelnden Halbwüchsigen im Auto auf der Rückbank im Stadtstau vor den zahlreichen roten Ampeln standen und genervt hupten, weil es nicht vorwärts ging.
Er wedelte kurz mit seiner Hand vor seiner Nase rum, als eine Wespe vor seinem Gesicht vorbei flog. Damit fiel ihm wieder das Gedruckte in seinem Kalender ein: Mit diesem dummen Frühlingsanfang kamen nun auch zeitgleich diese Biester aus ihren Löchern gekrochen. Es war gerade Ende März und hier schwirrten schon wieder überall lästigen Insekten rum. Vor einigen Jahren noch tauchten die erst einen guten Monat später auf. Jetzt belästigten einen diese Viecher schon vier Wochen eher. Bald würde der Winter dann wahrscheinlich ganz wegfallen. Und obwohl die meisten Menschen Insekten hassten, liebten sie die warmen Jahreszeiten. Wie konnte man nur so kontrovers sein? Er verstand es einfach nicht.
Er bog um die nächste Straßenecke: Zirka hundert Meter weiter konnte er bereits das Metro-Schild über der Treppe sehen, die zur Station hinab führte. Und wieder kreuzte ein Kinderwagen samt Chauffeur seinen Weg. Warum um Himmelswillen taten sich die Menschen das an? Klar, irgendwie musste die Menschheit erhalten werden. Doch mussten sie sich dann nahezu alle mehr als einen von diesen jammernden und jaulenden Zöglingen anschaffen? Es war ja nun nicht so, dass all diese Kinder ‚Unfälle’ waren – Nein, die Leute wollten es. Und letzten Endes resultierte daraus nur Stress. Seine Eltern schienen dies schnell begriffen zu haben und gaben ihn weg – in eine Abtei. Er hatte nicht viele Erinnerungen daran und die, die er noch hatte, waren schlecht. Aber wie hätte er es ihnen bei dem Szenario, das sich ihm jeden Tag bot, auch verübeln können, wenn er wahrscheinlich damals genauso geplärrt hatte? Er musste an seinen Wecker denken: Das Geräusch von diesem war ihm da doch lieber, als mitten in der Nacht von dem Geschrei eines Sprösslings geweckt zu werden und der Streit darum losging, wer nun aufstand und ihn zur Ruhe brachte. Und was würden all diese Leute behaupten, wenn man sie fragen würde, warum sie das machten? Warum sie sich mit jemand anderem, nach Möglichkeit, für immer – was aber dann letztendlich doch meistens zum Scheitern verurteilt war – zusammentaten? Warum tauschten sie ihren Freiraum gegen Stress, Kummer und Probleme, wenn sie eigentlich wie er ein unbeschwertes Leben führen konnten? Weil sie sich liebten! Zugegeben, er war nie verliebt gewesen, aber bei diesem Anblick verspürte er auch absolut keine Lust, dies zu ändern. Er hatte doch alles: gutes Aussehen, einen Job, Geld, Sex, Luxus - Aber nein, diese Menschen mussten Beziehungen knüpfen und sich damit in endlose Tragödien stürzen. Aber bitte, wenn sie es so wollten.
Auch du wirst irgendwann jemandem dienen
Jemand der weicher ist und zarter noch als du
Du wirst irgendwann jemandem dienen
Jemand der weiser ist und stärker noch als du
Dein armes krankes Herz wird in Liebe getränkt sein
In Liebe getränkt sein
Jede Herrlichkeit auf Erden wird auch dir geschenkt sein
Wird dir geschenkt sein
Sieh die Wunder und die Zeichen sind schon geschehen
Jemand liebt dich und wird an deiner Seite gehen
Gemächlich ging er die Treppe zu den Gleisen hinab. Er sah zu, wie all diese Menschen hektisch an ihm vorbei eilten, um noch ihren Zug zu bekommen, obwohl sie wahrscheinlich ohnehin schon alle viel zu spät dran waren, weil die Frau wieder das falsche Hemd gebügelt hatte und dann noch das Kind seinen Babybrei auf der gerade erst gebundenen Krawatte und dem Ersatzhemd verteilt hatte. Konnte er froh sein, dass ihn morgens nur seine Kaffeemaschine und die Zeitung erwarteten. Niemand, der einem durch sein Handeln Umstände bereitete. Vor allem ging es bei den wenigsten auf der Arbeit anders zu. Natürlich liefen ihm hier viele über den Weg, die genauso gut verdienten wie er – sonst hätten sie auch nicht viel in diesem Stadtteil zu suchen – und auch deshalb jetzt erst auf dem Weg zur Arbeit waren. Allerdings waren die wenigsten selbstständig. Sie hatten fast alle noch jemanden über sich: Einen der zahlreichen Millionäre Moskaus, der von zu Hause aus seine ganze Firma oder häufig ein ganzes Imperium kontrollierte und damit auch alle Angestellten. So ging es ihm nicht: Ihm konnte niemand kündigen oder Vorschriften machen, wie er auszusehen hatte, welche Aufträge er annehmen oder ablehnen musste und wie hoch er bezahlt wurde – Er war sein eigener Chef. Aber die meisten von ihnen waren wahrscheinlich einfach nicht in der Lage genauso zu arbeiten: Sie brauchten jemanden, der ihnen Anweisungen gab. Und nach dem Feierabend oder am Wochenende bestimmten dann zunächst Freunde und Bekannte das Verhalten: Sie passten sich ihrem Umfeld an und machten das, was andere gut fanden, was die Mehrheit bestimmte. Und dann kam die Ehefrau, die einem verbat, beim Fernsehen die Füße auf den Tisch zu legen oder Ähnliches. Und es gab fürchterlichen Krach: Wie oft hatte er es von seinen ehemaligen Nachbarn mitbekommen? Nun ja, seit der Scheidung waren es eben seine ehemaligen Nachbarn. Und obwohl es immer wieder genug Beispiele dafür gab, dass diese Partnerschaften – für ihn waren es mehr Zweckpartnerschaften, die zur Erhaltung der Menschheit dienten – so gut wie nie für immer waren, probierten viele Menschen es immer wieder. Warum nur?
Er war gerade am Gleis angekommen, als wenige Sekunden später auch schon der Zug vor ihm hielt: Sein Timing war inzwischen einfach perfekt, vorausgesetzt, es gab keine Störungen im U-Bahn-Netz. Aber das war in den letzten Jahren extrem selten geworden. Viele Menschen stiegen hier jeden Morgen aus - alles Menschen, die es schrecklich eilig hatten.
Auch du wirst irgendwann jemandem dienen
Jemand der weicher ist und zarter noch als du
Du wirst irgendwann jemandem dienen
Jemand der weiser ist und stärker noch als du
Jemand liebt dich
Jemand liebt dich
Jemand liebt dich und wird an deiner Seite gehen
Ein Tag wie jeder andere. Vollkommen, bis zu diesem Moment: Während sich das hektische Pulk an ihm vorbei bewegte, um schnellstmöglich die Station zu verlassen, und er sich gelassen weiter auf die Bahn zu bewegte, streifte sie seine Seite: Eine kurze unachtsame Berührung, wie er sie eigentlich in diesem Trubel dauernd erlebte. Doch dieses Mal drehte er sich nach der Person um, was er sonst nie tat: Sie war ebenso ruhig an ihm vorbeigegangen, wie er an ihr – Völlig unharmonisch zum hektischen Rest, der mit ihr aus dem Zug gestiegen war und sie nun hinter sich abhing, aber völlig harmonisch zu seinem Gang, der ihn inzwischen bis in den Wagon geleitet hatte, wo er stehen blieb und sie weiter ansah, während noch einige gestresste Person in den Zug flitzten. Auch sie hatte sich im selben Moment nach ihm umgedreht: Grüne, leuchtende Augen, langes, schwarzes Haar, eine mädchenhafte Erscheinung, eine Umhängetasche, wie sie viele Studenten hier trugen, die an der nahegelegnen Universität studierten – ein Lächeln. Sie drehte sich wieder um und folgte der Masse zum Ausgang – immer noch ruhig und unhektisch. Er hätte sie auf Anfang zwanzig geschätzt. Ein leichtes Scheppern: Vor ihm schloss sich die Wagontür, der Zug setzte sich in Bewegung und wenig später verschwand der helle Bahnsteig und die dunklen Wände des U-Bahn-Tunnels rauschten vor dem Fenster vorbei.
- Ende -
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Danke fürs Lesen (falls du nicht einer von diesen 'Ich lese immer zu erst das Ende'-Lesern bist xD)! Ich hoffe, der kleine Ausflug in Yuriys Gedankenwelt hat gefallen und ist halbwegs gelungen. ><'
Ly =3