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Der Schwur der 'Göttersöhne'

Seth x Atemu
von

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Chapter 6

Chapter 6
 

In den Gängen und auf dem Hof der Schule wimmelte es nur so von Schülern und Schülerinnen. Die Stimmung in der Luft war anders als sonst. Vielleicht lag es daran, dass heute Mittwoch war, Bergfest, und somit die Hälfte der Schulwoche so gut wie hinter einem lag.
 

Oder aber es lag an dem, was fast alle Anwesenden heute Morgen entweder selber in der Zeitung gelesen oder aber von ihren Eltern erfahren hatten – auf was für eine Art auch immer.

DIE Schlagzeile überhaupt, über die alle in Gruppen tuschelten. Und auch der letzte Hinterwäldler, der heute Morgen keinen Blick in die Zeitung hatte werfen können, wusste inzwischen Bescheid.

Blicken huschten von hier nach dort, ob die Verursacher dieser Schlagzeile nicht plötzlich hinter einem standen. Denn geändert hatte sich daran nichts, dass ihm keiner zu nahe treten mochte.
 

Tea und Tristan hatten sich kurz vor der Schule getroffen. In der einen Hand hielt er seine Tasche und in der anderen sein Frühstück, was er sich eben in aller Eile gemacht hatte. „Morgen Tea“ grüßte er seine Freundin zwischen zwei Bissen. Das Mädchen nickte nur zurück. Ihr Blick fiel auf Tristans Brot. Hunger hatte sie, und was für einen. Aber leider war sie heute Morgen zu spät aufgewacht. Tristan wohl auch, aber der hatte ja auch etwas mehr Erfahrung darin, zu verschlafen und trotzdem noch alles zu erledigen und pünktlich vor dem Lehrer in die Klasse zu rutschen. Aber deswegen musste sie nun nicht ebenfalls damit anfangen. Würde sie sich halt in der ersten Pause etwas aus der Mensa holen.
 

„Beeil dich, Tea. Sonst kommen wir noch zu spät“ trieb Tristan seine Freundin an.

„Komm ja schon“ schloss diese zu ihm auf.
 

Als sie dann endlich am Schulgebäude ankamen, guckten sie nicht schlecht. Der Hof war noch voller Schülergruppen. Waren sie beide jetzt schon so verpeilt, dass sie nicht mal mehr mitbekamen, dass sie NICHT verschlafen hatten oder was war los?
 

„Morgen Leute“ bekam der Braunhaarige einen Schlag auf die Schulter.

„Mensch, Joey. Musst du mich so erschrecken?“ fuhr er den Übeltäter an.

„Tschuldige, aber ihr steht hier so wie bestellt und nicht abgeholt, da konnte ich einfach nicht widerstehen“ grinste der Blonde.

„Oh man, ihr benehmt euch wie Kinder. Sagt mir lieber mal, was hier los ist“ brachte Tea die beiden zur Räson.

„Wieso? Was soll denn los sein?“

„Wenn du mal auf die Uhr gucken würdest, wüsstest du es, Joey“ funkelte das Mädchen ihn an.

„Wieso? Es ist jetzt ... oh ...“

„Genau. ‚Oh ...’ Eigentlich müssten die meisten jetzt schon drinnen vor den Räumen stehen. Aber irgendwie ...“ Ihr Blick glitt einmal den Hof hinüber. So gut wie jeder schien sich hier draußen zu befinden. Wenn sie es nicht besser wissen würde, würde sie sogar behaupten, dass sich ihnen drei immer mehr Blicke zuwandten.
 

„Na los, lasst uns nach oben gehen. Sonst gibt es nur Ärger.“ Damit setzte das Mädchen ihren vorhin gestoppten Weg über den Hof fort und war schon fast an der Tür angelangt, als ...
 

Ein Raunen ging durch die Menge, so als ob der lang erwartete Ehrengast endlich eingetroffen war. Die drei Freunde sahen sich um und konnten lediglich Kaibas Limousine am Tor parken sehen. Was war daran denn bitte so erstaunlich? Der Firmenchef kam schließlich jeden Morgen so hier an.

Die Tür des Wagens öffnete sich und heraus stieg der Firmenchef ... gefolgt von Yugi. – Was ging denn hier ab? Erst brauchten die beiden beinahe Ewigkeiten, um nur Yugis Freunden von ihnen beiden zu erzählen und nun tauchten sie zusammen in der Schule auf? DIE Erzfeinde überhaupt? Wurde hier ‚verkehrte Welt’ gespielt?

Der Braunhaarige beugte sich noch einmal kurz ins Innere, schien Roland etwas mitzuteilen und schlug dann die Tür zu. Während sich das Auto entfernte, wandten sich die beiden Ankömmlinge dem Gebäude zu. Sie verzogen keine Miene, als sie durch die schweigende Menge schritten. Kein Blick fiel nach rechts oder links. Genauso wenig wie auf den Boden oder gen Himmel. Sie waren in der Vergangenheit die zwei wichtigsten Männer eines Weltreiches gewesen. Da würden sie doch in so einer Situation jetzt nicht kneifen!
 

An der Eingangstür angekommen, nickte Yugi kurz seinen Freunden zu und zusammen betraten sie dann das Gebäude. Tea und die beiden Jungs wechselten verwunderte Blicke, als die beiden so wortlos zu ihnen traten, folgten ihnen dann aber. Eine Erklärung würde hoffentlich noch folgen.

Im Gebäude selber wurden sie von den dort Anwesenden ebenfalls angestarrt, als wären Yugi und Kaiba das achte Weltwunder. Was hatten die Schüler heute eigentlich alle auf einmal? Irgendeine Krankheit, die umging?
 

Vorm Klassenraum angekommen, lehnte sich Seto gegen die Fensterbank, während Yugi auf eben dieser Platz nahm. Joey tat es ihm nach, während sich die anderen beiden an die Wand lehnten. Die wenigen anderen, die in ihrer Nähe waren, schwiegen erstaunt und starrten die ganze Zeit hinüber.
 

„Hätte einer von euch vielleicht die Güte, mal zu erklären, was hier los ist?“ platzte dem Mädchen beinahe der Kragen. „Irgendwie scheint hier heute der Wurm in der Schule zu sein.“

„Das wohl eher weniger“ grinste Yugi leicht. „Ihr scheint heute Morgen im Gegensatz zu allen anderen keine Zeitung gelesen zu haben. Roland hat uns jedenfalls auch etwas komisch anguckt, als er heute Morgen beim Frühstück in die Küche geplatzt ist.“

Tea schüttelte den Kopf. „Da bin ich heute Morgen gar nicht zu gekommen“ meinte sie. Und auf Yugis fragenden Blick setzte sie hinzu: „Hab verschlafen.“

„Und ihr beiden wohl auch, was?“ überging der Pharao die leichte Verlegenheit seiner Freundin einfach mal und wandte sich an seine zwei anderen Freunde. Nicken als Antwort.
 

„Wir wurden gestern am See beobachtet“ erklärte Seto ausdruckslos. Er zog die heutige Ausgabe der Zeitung aus seiner Tasche und hielt sie den dreien hin. Mit großen Augen nahmen sie das Bild wahr, welches die Schlagzeile krönte. Der Firmenchef, wie er Yugi umarmte und küsste.

Na, dann war ja klar, was die Ursache des Schulhofgetuschels war.

Der Blonde grinste leicht, während er den Text schnell überflog. ‚... zufällig beobachtet ... ... eine Neuigkeit, die ihres gleichen sucht ... ... wie kann das angehen ... ... in unserer Gesellschaft ... ... verwerflich ... ... armen Jungen wohl gedroht ... ... seine Freunde einfach zuzusehen ... ... wo soll das enden ...’
 

„Ich möchte jetzt nicht in der Haut des Reporters stecken, der das geschrieben hat“ war Joeys Kommentar dazu. Was dieser Idiot da in seinem Artikel schrieb, war doch totaler Unsinn und hatte weder Hand noch Fuß. Außerdem ...
 

„Aber ...“ Tea hatte schweigend den Artikel zu Ende gelesen und machte nun ihrer Empörung Luft. „Ich glaub’s ja nicht. Der Kerl lügt doch das Blaue vom Himmel runter.“

„Beruhig dich wieder, Tea. Ändern können wir daran jetzt auch nichts mehr.“

„Ich soll mich beruhigen? Aber ... aber ... dieser Kerl hat doch einfach nur ...“

„Keine Ahnung, und davon ne ganze Menge. Stimmt. So, und jetzt holst du einmal ganz tief Luft.“ Tristan hatte die Rede des aufgebrachten Mädchens einfach unterbrochen und sah sie jetzt fest an. Helfen würde es keinem, wenn sie hier die ganze Schule zusammen schrieen.

„Du hast ja Recht, aber trotzdem ... Das ist doch einfach nur lächerlich.“

„Und genau deswegen auch nicht wert, dass wir uns darüber aufregen. Oder meinst du, Yugi und Seth wären sonst hier?“ Jono hatte Tea eine Hand auf die Schulter gelegt und sah sie beruhigend an. „Keine Angst, ist schließlich nicht das erste Mal, dass so etwas passiert.“
 

Tea und Tristan sahen sich an. Nicht das erste Mal? Was war denn damals in Ägypten noch alles geschehen, was sie noch nicht wussten? So langsam wurde das richtig ... nervig.

„Erzähl ich euch später“ meinte Yugi auf die unausgesprochene Frage, als er sich von der Fensterbank erhob.

Um die Ecke kam gerade ihre Lehrerin Miss Hame, zusammen mit den meisten anderen ihrer Klasse. Erstaunte und abschätzige Blicke und leises Getuschel war es, was in den nächsten paar Minuten folgte. Als es Miss Hame schlussendlich reichte und sie der gesamten Klasse eine kräftige Standpauke hielt, hörte zwar das Getuschel auf, aber die Blicke spürten die beiden Ägypter immer noch auf sich. Das konnten ja nette nächste Tage werden, wenn das so weiterging. Hoffentlich konnten sie sich wenigstes die Presse vom Hals halten.
 

~
 

Die ersten zwei Stunden hatten sie erfolgreich hinter sich gebracht. Die abschätzigen Blicke waren an Atemu, Seth und Jono abgeprallt wie Regen an einem Regenschirm. Zu gut war ihre Selbstdisziplin. Außerdem, wer sich nicht von kämpferischen Tyrannen und fiesen Oberpriestern unterkriegen ließ, würde jetzt bestimmt nicht wegen so einem kleinen ‚Drama’ durchdrehen.

Bei Tea und Tristan sah es da schon etwas anders aus. Immer wieder waren auch Blicke zu ihnen gehuscht. Eigentlich kein Wunder, wenn man den Hetzartikel bedachte, denn dieser ungenannte Reporter da verfasst hatte. Wenn die ganze Sache nicht so ... na, so eben gewesen wäre, würden sie darüber lachen. Aber wie sollten sie jemandem erklären, dass Kaiba und Yugi zusammengehörten? Sie als Yugis Freunde konnten das ja zu Anfang kaum selber glauben. Nein, da mussten sie jetzt so durch, ob sie wollten oder nicht. Und ihre Freunde im Stich lassen kam schon mal gar nicht in Frage.
 

Für die Pause hatten sie wieder ihren Platz hinten bei den Bäumen für sich beansprucht. Die übrigen Mitschüler hielten sich alle möglichst weit entfernt von diesem Ort auf, ihre Blicke flogen zwar immer wieder herüber, aber so richtig traute dem Ganzen wohl keiner.
 

„Oh man, das kann ja ne heitere Woche werden. Und dann erst die Klassenfahrt ...“ stöhnte Tea.

„Keine Angst, in zwei, drei Tagen hat sich die Aufregung hier gelegt. Wenn wir ihnen keinen weiteren Anlass zum Tuscheln geben, wird das schnell vergessen sein“ lächelte Yugi sie beruhigend an. „Und für die Presse lassen wir uns auch was einfallen. Macht euch da mal keine Sorgen.“

„Okay, was das angeht, glaub ich dir tatsächlich. Aber was anderes ...“ Tristan sah gespannt von Joey zu Yugi. „Was meinte Joey vorhin mit ‚ist schließlich nicht das erste Mal, dass so was passiert’?“
 

„Nun ja ... das ist etwas komplizierter. Ein Hohepriester war, simpel gesagt, dazu da, dem Pharao seinen Job zu erleichtern. Das hieß auch, alle Störungen und Ablenkungen von diesem fern zu halten. Die Minister haben sehr genau darauf geachtet, dass dieses ‚Gesetz’ eingehalten wurde. Auf Gefühle oder ähnliches haben die dabei herzlich wenig Rücksicht genommen – was bei einigen Angelegenheiten ja auch durchaus angebracht war.

Das Seth des Öfteren ganze Nächte in meinem Zimmer verbrachte, wussten so gut wie alle Diener. Für die meisten von ihnen sah es so aus, als würden wir uns bis spät in die Nacht mit wichtigen Regierungsangelegenheiten beschäftigen.

Scheinbar haben wir uns aber nicht immer ‚unauffällig’ benommen. Irgendjemand muss uns beobachtet haben und das einem der Minister erzählt haben. Auf jeden Fall wurde Seths des Hochverrates angeklagt und sollte am nächsten Morgen hingerichtet werden.“
 

Yugi hatte mit stoischer Ruhe gesprochen. Nichts deutete darauf hin, dass diese Worte auszusprechen ihn Kraft kostete. Damals hatte er unendliche Angst um Seth gehabt. Nicht nur diesen zu verlieren, wieder ‚alleine’ zu sein, sondern auch diese Welt im Stich zu lassen. Wie hatten sie es wagen können, für ihr persönliches Glück das Schicksal Ägyptens und der übrigen Welt aufs Spiel zu setzen? Er hätte alles gegeben, um das Geschehene rückgängig zu machen ...
 

Gebannt hatten Tea und Tristan zugehört. Mit jedem Wort wurde ihnen mulmiger. Geschockt sahen sie den Sprecher an. Das durfte doch nicht wahr sein. Wie konnten Menschen nur so grausam sein?

„Aber ...“

„Keine Angst, Tea. Soweit ist es zum Glück nicht gekommen. Wir konnten dem Ministerrat begreiflich machen, dass Seth noch ‚gebraucht’ wird.“ Ein trauriges Lächeln begleitete die Worte des Pharaos.
 

~~~
 

Der große Platz vor dem Palast war zum Bersten gefüllt. Boten hatten im Morgengrauen die Nachricht in der gesamten Hauptstadt verbreitet. Geschockt hatten die Bewohner ihnen zugehört. Kaum einer wollte glauben, was ihrem Hohepriester da vorgeworfen wurde. Er hatte sich doch immer so für sie alle eingesetzt. Hatte zusammen mit dem Pharao einen besseren Lebensstandart für alle herbeigeführt. Endlich wurden auch die ‚kleinen Leute’ mit ihren Sorgen und Nöten wahrgenommen.

Und jetzt das!
 

Was sollte dieser Hohepriester, der sein Amt mit mehr Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit ausführte wie schon lange keiner mehr, denn getan haben, dass so eine Strafe gerechtfertigt war?
 

Still standen die Bürger der Pharaonenstadt dicht an dicht und warteten darauf, dass ihnen einer sagte, warum diese Hinrichtung denn sein musste. Spekulationen waren zur Genüge vorhanden, aber keine konnte einen vorstellbaren Grund liefern.
 

Über Nacht hatten Arbeiter eine Art Tribüne aufgebaut, auf die nun der Hohepriester geführt wurde. Die Hände auf dem Rücken zusammengebunden, schritt er mit erhobenem Haupt zwischen seinen Bewachern dahin.

Den Blick starr nach vorne gerichtet, spürte er Atemus Anwesenheit nur. Doch auch das reichte schon, um ihm das Herz förmlich in der Brust zu zerreißen. Eine Traurigkeit und Verzweiflung ging von seinem Pharao aus ... am liebsten würde er sich auf der Stelle umdrehen und zu ihm gehen, ihm sagen, dass alles gut werden wird.
 

Aber das würde alles nur noch schlimmer machen.
 

Nichts würde mehr gut werden.
 

Er konnte nur hoffen, dass Jono seinem Freund helfen würde. Und dass die beiden es auch so schafften, Fawe zu besiegen.
 

Zusammen mit seinen zwei Wachen stand er nun auf dem Podest und ließ seinen Blick über die Menschenmenge streifen. In mehr als einem Gesicht konnte er Unverständnis erkennen. Er brauchte ihre Gedanken nicht zu lesen, um zu wissen, was in ihren Köpfen vorging.

Warum geschah dies alles hier?

Nun, darauf hatte er auch keine wirkliche Antwort.

Klar, mit den ungeschriebenen Gesetzen konnte man dem hier einen Sinn geben. Aber waren diese Gesetze nicht eigentlich zum Schutze des Pharaos und Ägyptens aufgestellt worden? Wie konnte es dann sein, dass mit diesem Moment der Untergang des Pharaos und Ägyptens – eigentlich der ganzen Welt – besiegelt wurde? Klar, keiner wusste, was hier Wichtiges auf dem Spielt stand, aber schließlich hatte auch keiner gefragt.
 

Sein Blick glitt weiter über die Menschen, über einen Teil des Palastes, ebenso wie über den Tempel. An einem Fenster blieb sein Blick haften. Eine blonde Gestalt stand dort und sah unverwandt zu ihm hinüber. Jeder, der ihm nahe kam, konnte sehen, wie er sich anstrengen musste, sich zusammenzureißen. Am liebsten würde Jono da raus rennen und Seth befreien. Diese unfähigen Minister anschreien, was sie sich dabei dachten. Er hatte seine zwei Freunde damals bestimmt nicht zusammengebracht, damit einer der beiden nun sterben musste. Es war so verdammt unfair. Die ganze Welt war auf ihre Art unfair. Alles war auf die eine oder andere Art unfair.
 

„Dieser Mann“ Einer der Minister hatte das Wort erhoben und deutete nun auf den Hohepriester, „hat das heilige Gesetz gebrochen, dass er den Pharao zu schützen hat. Stattdessen hat er sein Amt und seine Stellung schändlich missbraucht und den Ruf des Hohepriesters in den Schmutz gezogen. Auf diese frevelhafte Tat gibt es nur eine Antwort: den Tod.“

Die Menge war noch stiller geworden als vorher schon. Am Ende der Rede erklangen hier und da enttäusche Ausrufe. Was, das sollte alles an Erklärung gewesen sein? Keiner der Anwesenden war klüger als vorher, was der Hohepriester denn nun getan haben sollte.
 

„Vollstreckt das Urteil!“ erscholl die herrische Stimme wieder über den Platz.
 

Der Hohepriester wurde von seinen Bewachern auf die Knie gezwungen.
 

Jono krallte seine Hände in die Steinmauern vor sich. Fest packte er zu, versuchte ein Schluchzen und die Tränen zurückzuhalten.
 

Der Pharao stand mit seinem Vater auf einer der Balustraden des Palastes und musste sich zusammenreißen, nicht einfach vom Balkon runter und zu Seth zu stürmen. Ihn von seinen Vollstreckern wegzureißen. Aber das würde im Endeffekt nur noch mehr Chaos verursachen.

Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln, aber er erlaubte ihnen nicht zu fließen. Das hätte Seth nicht gewollt. Nun musste er stark sein, so stark, dass er auch mit Jono alleine Ägypten und die Welt retten konnte. Auch wenn es schwer werden würde. Verdammt schwer ...

Eine Hand hatte sich auf seine Schulter gelegt und drückte sie leicht. Wie von selbst fuhr eine seiner Hände zu der seines Vaters und drückte sie zurück. Er war so froh gewesen, dass von ihm keine Vorhalte gekommen waren, sondern nur Trost und Nähe. Nichts hatte er erklären müssen, es schien, als ob Akamemnon schon alles wusste.
 

Eine der Wachen hob sein Schwert.
 

Der Blonde krallte die Finger fester in den Stein, schloss krampfhaft die Augen.
 

Die Tränen hatten sich nun doch ihr Recht erkämpft und flossen Atemu unaufhaltsam über die Wangen.
 

Die blauen Augen schlossen sich langsam. Das Volk hatte keine Schuld an diesem Desaster, deshalb sollten auch nicht diese Menschen es sein, die seinen letzten strafenden Blick abbekamen. Und den, der hierfür verantwortlich war, konnte er nicht ansehen, weil dieser sich hinter ihm befand.
 

Das Schwert senkte sich langsam, fast wie in Zeitlupe.
 

Ein leises Schluchzen entrann sich Atemus Kehle.
 

Jono hatte den Kopf weggedreht und biss sich auf die Lippen, um nicht gegen diese Ungerechtigkeit anzuschreien.
 

Fast hatte das Schwert sein Ziel erreicht ...
 

... als wie aus dem Nichts zwei ‚Personen’ auftauchten.
 

„Na, was ist denn hier los? Das sieht ja richtig unterhaltsam aus.“
 

Alle Blicke richteten sich nach oben, von wo die Stimme gekommen war. Den Menschen stockte der Atem. In der Luft schwebten zwei Körper, die zwar Ähnlichkeit mit Menschen hatten, aber bestimmt keine waren. Der eine Körper war in schwarzes ‚Licht’ getaucht, das unablässig in Bewegung war. Hier und da durchzogen vereinzelte rot-orangene Schlieren das Schwarz. Der Körper daneben hatte die Farbe von Stein. Dunkles Braun, von allen möglichen Rottönen durchzogen.
 

Panik entstand unter den Menschen. Schreie voller Angst und Panik erklangen, während die Menschen versuchten, ein Versteck zu finden. In Scharen strömten sie in das Innere des Tempels und des Palastes. Die Wachen, die davor standen, waren die ersten, die im Inneren verschwunden waren und so war keiner da, der die Meute kontrollieren konnte. Jeder, der ins Straucheln geriet und hinfiel, wurde von den nachkommenden nicht beachtet und bekam mehr als einige Tritte ab.

Andere wiederum rannten die Hauptstraße hinunter und versteckten sich in Gassen, Hauseingängen und zwischen Marktständen. Die Mutigsten unter ihnen riskierten es, vorsichtig zum Palast zurückzugucken und zu beobachten, was dort geschah.
 

„Wer ... wer sind Sie?“ stotterte der Minister, der vorhin so lautstark Seths Hinrichtung verkündet hatte. Die beiden Wesen beachteten ihn gar nicht weiter, sondern wandten sich an den Pharao.

„Mh, das ist also einer unserer Gegner? Ein halbes Kind noch. Na, das wird ein Kinderspiel.“ Damit ließ er einen Feuerball vor sich erscheinen, der mit rasender Geschwindigkeit auf den Pharao zuhielt.
 

Der konnte nur stumm zusehen. Was war hier los? Hatte Fawe etwa herausgefunden, dass sie seine Gegner waren? Musste ja sein, sonst wären diese beiden Urelemente ja nicht hier. Aber ... Moment mal? Was war das eben? ‚... halbes Kind ... ... Kinderspiel ...’

>Na wartet, ihr werdet euch noch wundern, wie viele Probleme euch dieses ‚halbe Kind’ einbringen wird!<
 

Der alte Pharao hatte die Worte ebenfalls gehört und fragte sich so einiges, aber als er den Angriff auf seinen Sohn mitbekam, stellte er keine Fragen, sondern zog diesen einfach mit sich nach hinten. Erstmal mussten diese ungebetenen Gäste besiegt werden, dann konnte er Fragen stellen.
 

Er hatte Atemu ein paar Schritte nach hingen gezogen, als die Feuerkugel auch schon ganz nahe heran war. Er meinte fast die Hitze spüren zu können. Mit letzter Kraft versuchte er Atemu vor sich zu bringen, damit sein Sohn nicht von den Flammen getroffen wurde. Vom Balkon runter würde er es nie schafften, wie er mit einem Blick festgestellt hatte.
 

Doch der erwartete Einschlag blieb aus!
 

Mit erstauntem Blick sah Akamemnon auf den in der Luft schwebenden Feuerball. Wie ...?
 

„Atemu! Runter vom Balkon! Beeil dich!“ erscholl die Stimme des Hohepriesters laut und deutlich über den Platz. Der alte Pharao sah erstaunt zu ihm hin. Eine Hand an der Schläfe, die andere in Richtung des Balkons gerichtet, kniete Seth immer noch an der gleichen Stelle und schien den Angriff irgendwie aufgehalten zu haben.
 

Der Pharao hatte sich schnell erholt. „Los“ zog er seinen Vater auf die Füße zurück und eilte den Gang hinunter. Sekunden später hörten sie den Aufschlag. Die Mauern fielen in sich zusammen und Feuer griff um sich. Hoffentlich war einer der Wachen oder Diener so geistesgegenwärtig, sich darum zu kümmern. Auch wenn Akamemnon das nicht glauben mochte.
 

Er folgte seinem Sohn, der mehrere Stufen auf einmal übersprang und endlich unten ankam. An den Wachen vorbei, die gar nicht so schnell reagieren konnte, wie er an ihren vorbei war, hinaus auf den Hof. Ein paar Schritte später blieb er stehen und blickte zu seinem Hohepriester hinüber.

„Bei dir alles in Ordnung?“

„Geht schon“ stand dieser auf dem Podium und sah unverwandt den beiden in der Luft schwebenden Gestalten entgegen.

Aus den Augenwinkeln nahmen beide wahr, wie im Tempel Bewegung entstand und kurz darauf Jono auf den Platz trat. Irgendwie schien er es geschafft zu haben, zwischen den verängstigen Menschen eine Weg ins Freie gefunden zu haben.
 

Langsam schwebten ihre Gegner dem Boden entgegen. In der Mitte der drei Kämpfer blieben sie stehen und sahen sich um. „Na, da hätten wir dann ja wohl alle zusammen“ grinste Incendius. „Was meinst du, Terrenus? Wer von uns bekommt zwei?“

„Du hattest gestern deinen Spaß, Incendius. Heute bin ich dran.“ Schulterzucken vom Feuerelement. Ein Blick rundherum. „Ich nehm den da“ zeigte er auf Atemu.

„Von mir aus.“
 

Mit unglaublicher Geschwindigkeit schoss Incendius auf den Pharao zu. Weitere Feuerbälle bildeten sich um ihren Gebieter herum und flogen auf Atemu zu. Doch der sah den Angriff diesmal kommen, konzentrierte sich auf die Schatten, die auf den Boden geworfen wurden.

Es war anstrengend, aber schließlich schaffte er es, ganz knapp.

Die Kugeln änderten ihren Kurs, bogen zur Seite oder nach oben weg. Eine raste in die Tribüne, die sofort in Flammen aufging. Zwei weitere krachten hinter Atemu in den Boden, hinterließen große Löcher. Die letzte beschrieb einen Bogen und flog ihren Weg zurück, direkt auf Incendius zu.

Der hatte mit Überraschen die Wendung im Geschehen beobachtet und grinste nun fast fröhlich. Na, das schien wirklich ein Spaß zu werden. Den Feuerball wehrte er lässig mit einer Hand ab.
 

Atemu stieß den Atem in kurzen Stößen aus. Verdammt, das war doch anstrengender gewesen als gedacht. Normalerweise setzte er seine Schattenmagie ja auch nur für kleine Dinge ein. Aber gut, da musste er jetzt durch.

Er rief sein Schwert und wartete auf den nächsten Angriff.
 

Nun gut, das konnte der Pharao haben. Ein Flammenschwert erschien in seiner rechten Hand.
 

Sie waren nur noch wenige Meter voneinander entfernt, dann prallten ihre Schwerter aufeinander. Atemu wurde etwas zurückgedrängt, dann fing er sich. Ganz so leicht würde er es seinem Gegner ganz bestimmt nicht machen. Er sammelte Kraft und drückte dann dagegen, schaffte es so, sich eine kurze Atempause zu verschaffen.
 

Nur ein paar Schritte entfernt standen sich die beiden Kontrahenten gegenüber.

„Nicht schlecht.“

„Danke“ gab Atemu zurück. Er versuchte seine Atmung wieder unter Kontrolle zu kriegen. >Beruhig dich, das wird schon. Es muss.< Sein Herz schlug langsamer, pumpte den benötigten Sauerstoff durch seinen Körper.

*Pharao. Was ...*

*Schon gut, mir geht es gut.* Ein kurzer Blick zu Seth und Jono hinüber, die mit Terrenus beschäftigt waren. *Kümmer dich lieber darum, dass Jono nichts passiert. Ich komm hier schon klar.*

*Okay.*
 

Der Pharao richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen Gegner. Das Schwert fest mit beiden Händen haltend, überlegte er, wie er jetzt am besten vorgehen sollte. Irgendwie musste er es schaffen, Incendius auszutricksen. Sie konnten es sich nicht erlauben, hier allzu lange zu kämpfen. Zu viele Menschenleben waren dabei in Gefahr.
 

Incendius beobachtete seinerseits seinen Gegner ganz genau. Der schien sehr genau zu wissen, wie man mit einem Schwert umzugehen hatte – einem Schwert, das wie aus dem Nichts erschienen war, wohlgemerkt. Und überrascht zu sein, so etwas wie ihn hier zu sehen, schien er auch nicht. Also musste er wissen, was auf dem Spiel stand.
 

Atemus Gedanken huschten hin und her. Irgendetwas musste es doch geben. Alleine mit dem Schwert konnte er ihn nicht besiegen. Die Macht der Schatten ließ sich nur auf leblose Gegenstände anwenden. Was blieb ihm also noch?

Die Kraft der Götter.

Genau, das ihm das nicht vorher eingefallen war. Er versuchte sich daran zu erinnern, was Rah gesagt hatte. ‚„Zu gegebener Zeit werdet ihr jene Kräfte, die Ihr benötigt, auch freisetzen können. Das Beherrschen und Kontrollieren verlangt allerdings eine gewisse Selbstkontrolle von Euch, also seit vorsichtig, wenn Ihr sie einsetzt. Eine falsche Aktion und es könnte verheerende Folgen haben.“’

>Denk nach, Atemu. Welche Kraft könnte dir jetzt helfen? Sein Element ist das Feuer. Was mag Feuer nicht? Wasser. Erde.<

Wie aber kontrollierte man Elemente? Wie beschwor man ihre Kräfte herauf?

>Überleg, Atemu. So dämlich bist du ja nun auch wieder nicht.< Er behielt seinen Gegner immer noch wachsam im Blick. Nicht das er jetzt angegriffen wurde.

Wie beschwor man ihre Kräfte herauf?
 

Für einen kurzen Moment war er unaufmerksam. Incendius bemerkte dies und griff an. Mit einem Satz hatte er die Distanz zwischen ihnen überwunden und ließ sein Schwert niedersausen. Gerade noch rechtzeitig bemerkte Atemu den Angriff und hielt mit seinem Schwert dagegen. Mit Wucht trafen diese aufeinander. Das Metall vibrierte, der Stoß pflanzte sich bis in seine Schultern fort. Er biss die Zähne zusammen, um keine Laut von sich zu geben. Dieser Angriff hatte ihn überrascht.

Seine Gedanken rasten. Wie konnte man die Kraft eines Elements befehligen?

Incendius grinste hämisch, holte erneut aus und zwang seinen Gegner so ein paar weitere Schritte nach hinten. Er drehte sein Schwert etwas, bis es Atemus Oberarm berührte. Zischend stieß dieser die Luft aus. Verdammt, brannte das. Mit einem weiteren Schritt nach hinten brachte er etwas Luft zwischen sich. Eine Hand fuhr zur Brandwunde und sofort zuckte er zusammen. Na, wenn das mal keine Narbe gab.

Irgendwie musste er es doch schaffen, sich vor den Flammen zu schützen. Was er bräuchte, wäre so etwas wie eine ‚Schutzmauer’. Am besten aus Wasser.

Der nächste Angriff folgte. Incendius schlug mit seinem Schwert so schnell zu, dass die Angriffe fast zu einem wurden. Immer wieder kam er Atemu ziemlich nahe, aber meistens konnte dieser ausweichen. Aber leider nur meistens. Schon bald hatten sich zu der einen Wunde weitere gesellt.
 

>Verdammt! Wenn mir nicht bald etwas Sinnvolles einfällt ...< fluchte er. Abermals hatte das Feuer seine Haut berührt. >Verdammt!< Er taumelte einige Schritte nach hinten. Am liebsten hätte er seinem Gegenüber das fiese Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. Aber dazu müsste ihm etwas einfallen, um diesem nahe zu kommen, ohne gleich verbrannt zu werden.

Es hagelte weitere Schläge auf ihn ein. Immer wieder wich er zurück, um dem Feuerschwert zu entkommen. Er brauchte unbedingt einen Schutz gegen dieses Feuer. Unbedingt! Schmerz fuhr seinen Arm entlang. Verdammt. >Ich brauch Wasser< schimpfte er in Gedanken. >Und zwar sofort!< Vor Wut über seine Wehrlosigkeit holte er zum Schlag aus. Es ging doch nicht, dass er sich hier so kampflos ergeben würde. Nicht mit ihm.
 

Incendius schien etwas überrascht, als der Gegenangriff passierte. Er hatte nicht damit gerechnet, das Atemu noch so viel Energie besaß. Das Schwert krachte gegen seines. Nur ein paar Millimeter näher und er hätte dem Pharao die nächste Narbe eingebracht.
 

Das Zeichen auf seinem Oberarm leuchtete auf. Fast schien es Atemu, als würde es ihm neue Kraft verleihen. Er mobilisierte seine letzten Kraftreserven und drückte Incendius’ Schwert weiter nach hinten. Es war ihm mittlerweile vollkommen gleichgültig, ob er noch eine weitere Narbe abbekommen würde oder nicht. Er wollte einfach nur noch seinen Gegner besiegen.

Die fremde Schwertspitze berührte seinen Arm, innerlich wappnete er sich gegen den Schmerz, doch ...
 

... nichts geschah.

Kein Schmerz, keine neuerliche Wunde.

Überrascht ließ er seine Augen kurz hin und her schweifen. Täuschte er sich oder sah er wirklich Wasser? Wasser, das sich auf seine Haut gelegt hatte und das Feuer abhielt, ihn zu verletzen. Ein verwunderter Ausruf entfuhr ihm. Hatte ... hatte er es also endlich geschafft? Er wusste zwar nicht wie, aber das war ihm gerade ziemlich egal. Hauptsache er hatte eine Chance gegen seinen Gegner.
 

Er hatte wieder Hoffnung und das sah man ihm auch an. Mit neuer Kraft – wo er die nur schon wieder hernahm – ging er auf Incendius los. Schlag folgte auf Schlag, er schaffte es sogar, ihn ein paar Schritte zurückzudrängen.

Fast könnte man meinen, so etwas wie Angst in den schwarzen Augen erkennen zu können. Hatte er etwa nicht damit gerechnet, dass sich sein Gegenüber so erfolgreich wehren würde?
 


 

Bei Seth und Jono sah es in diesem Moment nicht gerade anders aus. Zu Anfang schien es noch, als wenn Terrenus ihnen haushoch überlegen war. Keiner ihrer Angriffe zeigte Wirkung, sondern prallte nur an dem harten Gestein ab.

Ihr Gegner stand gelassen zwischen ihnen, während sie mit ihren Schwertern einen Schlag nach dem nächsten ausführten. Ihr Atem ging keuchend, während Terrenus fast gelangweilt zu sein schien. Irgendwie hatte er sich das ganze amüsanter vorgestellt. Kurz schaute er zu Incendius hinüber. Ungerechtigkeit, der schien mit seinem Gegner ja richtig Spaß zu haben. Gleich darauf wandte er sich aber seinen beiden Gegnern wieder zu. Mh, es musste doch etwas geben, was auch ihn zu etwas Unterhaltung kommen ließ. Vielleicht sollte er mal zum Gegenangriff übergehen? Wäre einen Versuch wert.
 

Beim nächsten Angriff schnappte er sich das Schwert und hielt es eisern fest. Es wurde zwar versucht, dieses aus seinem Griff zu lösen, aber darüber konnte er doch nur lächeln. Das hatte noch keiner geschafft und das würde auch nie einer schaffen. Mit einem leisen Lachen zog er einmal kräftig an dem Stück Eisen, wodurch sein Besitzer den Halt verlor.

Jono stolperte einige Schritte vorwärts, ließ das Schwert aber nicht los. Terrenus allerdings schon. Er schleuderte das Schwert von sich, wodurch der Blonde wieder Schwung bekam und ein paar Meter weiter schmerzhaft auf dem Boden landete.

Leicht benommen blieb er liegen, das Schwert immer noch in der Hand. Wenn er das verlor, wäre er vollkommen hilflos und für seinen Gegner eine leichte Beute. In so eine Lage durfte er sich und den Hohepriester auf keinen Fall bringen.

Etwas zittrig stemmte er sich auf die Knie und schließlich auf die Füße. Mit dem Handrücken schob er sich die Haare aus dem Gesicht und sah Terrenus an. >Nicht mit mir. So nicht< dachte er grimmig.
 

*Alles in Ordnung?* hörte er die Stimme des Hohepriesters in seinem Kopf.

*Ja, mir geht es gut. Aber wir müssen uns was einfallen lassen, wie wir den besiegen können. Normale Angriffe prallen einfach an ihm ab.*

*Hab ich bemerkt. Was hilft gegen Erde?*

*Häh?*

*Jono.* Die Stimme klang leicht frustriert. *Welches Element kann Erde besiegen?*

*Ach so ... Mh ... Wasser. Dadurch wird Erde matschig und man kann mit ihr machen, was man will. Und bei Kälte wird sie so starr, das man auch große Klumpen leicht auseinander brechen kann.*

*Gut, du scheinst dein Gehirn ja ab und an doch mal zu gebrauchen* klang es leicht sarkastisch zurück. Seth hatte Terrenus keinen Moment aus den Augen gelassen. Einen überraschend Angriff konnten sie nun gar nicht gebrauchen.

*Ich wäre dafür, dass wir ihm ein nasses Geschenk machen. Was meinst du?*

*Gerne. Wenn du auch so freundlich wärst, mir zu verraten, wo du jetzt Wasser hernehmen willst. Ich glaub kaum, dass er dich einfach so zum Fluss gehen lassen wird, damit du ihn nass machen kannst.*

*Dummkopf. Wir haben doch noch eine andere Waffe. Die Kräfte der Götter sind im Grunde ja auch nur die Elemente. Wir müssen einfach nur das Wasser kontrollieren lernen.*

*’Einfach nur’. Du bist gut. Erklär mir doch mal, wie das gehen soll* gab Jono etwas ärgerlich zurück. Pah, der Hohepriester hatte gut reden.

*Woher soll ich das denn wissen? Rah hat nur gesagt, das wir ‚die Kräfte zu gegebener Zeit kontrollieren können’. Weiß ich denn, was er damit gemeint hat?*
 

Bevor Jono eine Erwiderung geben konnte, platzte Terrenus dazwischen. „Wollt ihr noch lange wie erstarrt dastehen? So langsam wird mir langweilig. Und das mag ich gar nicht“ grummelte das Urelement.

„Keine Angst, wir haben dich nicht vergessen“ antwortete Seth. *Wir müssen ihn irgendwie beschäftigen, sonst wird das nichts.*

*Kannst du ihn nicht irgendwie noch n paar zusätzliche Gegner vorgaukeln?*

Seth schien zu überlegen. *Mh ... das vielleicht nicht gerade, aber ...* Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. Ja, das müsste gehen. Er hob sein Schwert hoch und startete den Angriff.

„Dass das nichts bringt, müsstest du doch inzwischen eingesehen haben“ sprach sein Gegner, als er auch schon von hinten getroffen wurde. Direkt in die Kniekehlen hinein, wodurch seine Beine den Halt verloren. Da er sich darauf konzentrieren musste, nicht vollends die Balance zu verlieren, sah er nicht, wie Seth sein Schwer quer hielt und es ihm dann mit voller Wucht gegen den Schädel knallte. Wirklich wehtun tat es Terrenus zwar nicht, aber durch den Schlag verlor er nun vollends den Halt und landete auf dem Boden. Mehr verwirrt als furchtsam blickte er sich um. Was war denn das gerade gewesen? Seine zwei Gegner standen doch vor ihm, wo war dann der erste Schlag hergekommen?
 

Der Blonde sah zu Seth rüber. Na, das war doch mal ein Überraschungsangriff. Damit schienen sie ihren Gegner ja einigermaßen aus dem Konzept gebracht zu haben. Fragte sich nur, für wie lange.

*Jono* erklang wieder Seths Stimme.

*Ja?*

*Träum da nicht so rum. Überleg dir lieber etwas, wie wir Wasser hierher bekommen.*

*Ja ja.* Jono wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem immer noch am Boden sitzenden Urelement zu.

Wie bekam man Wasser her? Irgendwie musste das doch gehen. Verdammt!
 

Doch bevor er weiter zum Überlegen kam, stand Terrenus wieder auf den Beinen. Wütend und ärgerlich sah er von einem Gegner zum anderen.

„Na wartet, das werdet ihr büßen. Was auch immer ihr da gerade gemacht habt!“ knurrte er. Sein Blick verfinsterte sich noch mehr, wenn das bei den braunen Augen überhaupt möglich war. Ein fieses Grinsen erschien auf seinem Gesicht. Nun, so langsam wurde das ganze interessant. Scheinbar hatten die beiden doch etwas mehr drauf, als zu Anfang vermutet. Leicht konzentrierte er sich. Sofort fing die Erde um ihn herum an zu beben. Sie hatte seinen Befehl erhalten, würde alles für ihren Meister tun.

Da, wo Seth und Jono standen, rumorte die Erde besonders stark. Sie mussten sich anstrengen, um ihr Gleichgewicht nicht zu verlieren. Plötzlich schossen kleine Gesteinsbrocken vom Boden hoch und attackierten die zwei Kämpfer. Sie trafen an den Armen, auf der Brust, im Gesicht. Hinterließen blutige Schrammen, die heftig brannten.

Die erste Angriffswelle hatten Jono und Seth hilflos über sich ergehen lassen müssen. Zu überrascht waren sie, um auch nur eine Schutzreaktion zu zeigen. Mist, sie hätten sich doch denken können, dass Terrenus die Erde kontrollieren konnte. Das hatten sie nun davon. Beim nächsten Mal würden sie vorsichtiger sein, so viel war schon mal sicher.
 

„Na, wie fandet ihr das?“ blickte Terrenus seine Gegner höhnisch an. Die Augen zusammengekniffen, überlegte er, was er ihnen als nächstes bieten konnte. Nun, wie wäre es denn mit ...

Hinter dem Blonden platzte die Erde auf, ein großer Klumpen eben dieser erhob sich in die Lüfte und raste vorwärts. Seth sah mit erschrecken, wie es genau auf seinen Freund zuhielt. Doch bevor er noch ein warnendes „Jono“ raus bringen konnte, hatte der Steinbrocken auch schon sein Ziel erreicht. Mit einem Schrei sackten Jono die Knie weg und er musste das Schwert fallen lassen, wollte er nicht vollends auf dem Boden aufschlagen und sich sonst was tun. Lautes Klirren war zu hören, als das Schwert unten aufkam. Zeitgleich hörte man ein schweres Keuchen und dann einen schmerzhaften Schrei, als Jono sich mit den Armen abfing. Der Schmerz zog durch seine Arme bis in seine Schultern, scheiße tat das weh.
 

*Alles okay bei dir?* Anstatt einer Antwort nickte er nur. Zwar nur leicht – bei jeder Bewegung hatte er das Gefühl, als würde in seinem Kopf ein Kampf stattfinden –, aber er hoffte, Seth sah es dennoch.

Zischend stieß er die Luft aus. Versuchte wieder zu Atem zu kommen. Er musste jetzt unbedingt den Schmerz niederkämpfen und wieder auf die Beine kommen. Es kam auf keinen Fall in Frage, dass er Seth alleine gegen dieses Monster kämpfen ließ.
 

„Das wirst du büßen!“ stieß der Hohepriester wütend hervor. Eine flüchtige Handbewegung nur und Terrenus spürte mehrere Schläge in seinem Rücken. Wirklich aus dem Gleichgewicht brachten sie ihn nicht, aber sie überraschen ihn. So war das also, der Kerl war ein Magier. Noch bevor er allerdings zu Ende gedacht hatte, folgten die nächsten Schläge. In seine Kniekehlen, so das er vollends das Gleichgewicht verlor. Wieder einmal fand er sich auf dem Boden kniend wieder. Der nächste Angriff folgte gleich darauf. Sein Kopf wurde erst nach hinten geworfen, dann wieder nach vorne. Leicht benommen schüttelte er diesen, um wieder klar sehen zu können. Verdammt, nicht aufgepasst.

Mit vor Ärger brodelnden Augen sah er seinen Gegner an. Noch einen Treffer würde dieser bestimmt nicht landen.

Seth machte eine weitere Handbewegung, von links und rechts wurde der am Boden Kniende nun mit unsichtbaren Angriffen eingedeckt. Gleichzeitig erhob der Hohepriester sein Schwert und ging auf ihn los. Mit einem Krachen traf das Schwer auf die Schulter, prallte ab, richtete wie gewohnt keinen Schaden an. Weitere Angriffe folgten, die ebenso erfolglos waren. Langsam musste er es doch einsehen, dass es sinnlos war. Aber Seth machte weiter. Ließ das Stück Eisen immer wieder auf seinen Gegner niederfahren, der sich gar nicht erst die Mühe machte, ihnen auszuweichen. Mit stoischer Gelassenheit hockte er da und ließ seinen Gegner machen.

Hätte er gewusst, was Seth vorhat, wäre er nicht so ruhig geblieben ...
 

>Verdammt. Irgendwie muss es doch möglich sein, diesen Kerl zu verletzen. Es hieß doch schließlich ‚Steter Tropfen höhlt den Stein’< schlug er weiter auf Terrenus ein. Dabei konzentrierte er seine Gedanken auf das, was er sich so sehnlich wünschte. Wasser. Immer wieder stellte er sich vor, wie Wasser über diesen braunen Körper floss, ihn aufweichte und so verletzlich machte.

Der nächste Schlag folgte.

Seth machte sich schon auf den Rückstoß gefasst, der gleich kommen musste. Doch ...

... nichts geschah. Die Klinge blieb in der Erde stecken. Er musste mehr Kraft als sonst anwenden, um sich das Schwert zurückzuholen. Vorsorglich trat er ein paar Schritte zurück. Was er sah, ließ ihn erstarren. Die Erde, aus der Terrenus’ Körper bestand, war aufgeweicht. Hier und da tropfte es und auf dem Boden hatten sich braune Matschhaufen versammelt.
 

Er ...

Er hatte es tatsächlich geschafft. Wie auch immer. Jetzt hatten sie eine Chance.

Schnell sah er zu Jono hinüber. Der kniete immer noch auf dem Boden und schien sich Mühe zu geben sich aufzurappeln. Nun gut, dann würde er Terrenus eben erstmal alleine weiter zusetzen.
 

Das Schwert erhoben, trat er auf Terrenus zu. Der sah geschockt aus, wie er da so auf dem Boden hockte, dabei zusah, wie sein Körper sich auflöste. Das Eisen fuhr mühelos in den Schlamm hinein, vergrößerte die Lachen auf dem Boden. Doch es schien, als würde Terrenus das gar nicht spüren.

Stumm sah er auf einen Punkt kurz vor sich auf dem Boden und schien gar nicht zu bemerken, was um ihn herum geschah. Doch das täuschte. Seine Gedanken huschten fieberhaft hin und her. Was ging hier vor? Es war noch nie vorgekommen, dass sich sein Körper ohne seinen Willen verwandelt hatte. Nun, dem würde er später auf den Grund gehen. Jetzt hieß es erstmal handeln. Ein siegesgewisses Grinsen im Gesicht, blickte er hoch. Seth stockte mitten im Schlag. Was ...?

Der Matsch hinter ihm auf dem Boden fing an sich zu bewegen. Die einzelnen Lachen verflossen zu einer, bäumten sich auf. Von hinten warfen sie sich auf den Körper des Hohepriesters, krochen am Rücken weiter nach oben. Wollten an den Kopf kommen, ihm die Luftzufuhr abschneiden. Dann hätte der Mensch keine Chance mehr.

Seth spürte den Schlamm auf seinem Rücken. Angst machte sich in ihm breit, als er spürte, was vor sich ging ...
 

Inzwischen hatte Jono den Kampf in seinem Schädel beendet. Ein dumpfes Pochen war nur noch übrig, dass er aber gekonnt ignorierte. Die Augen hatte er zusammengekniffen, in seinem Blickfeld befand sich lediglich das Stück Erde genau unter ihm. Den Griff seines Schwertes konnte er ebenfalls erkennen, wie es nicht weit entfernt von seiner Hand dalag. Nur darauf wartete, dass er es wieder in die Hand nahm und Terrenus damit eine Überraschung verpasste.

Doch erstmal musste er seine Beine dazu bringen ihn wieder zu tragen.
 

An seine Ohren klang das Klirren des Schwertes, wenn es auf Stein traf. Verdammt, er musste wieder auf die Beine kommen. Sein Kopf hob sich etwas. Das Pochen wurde stärker, Jono kniff die Augen zu, versuchte es so zu vertreiben. Kurz darauf öffnete er sie wieder, konzentrierte sich auf das Geschehen vor ihm. Er sah, wie Seth es geschafft hatte, die Klinge in Terrenus’ Körper zu rammen. Sah das Grinsen auf dem braunen Gesicht.
 

Oh nein, irgendwas stimmte hier doch nicht. Tief atmete er ein. >Beruhig dich. Es nützt keinem was, wenn du in Panik ausbrichst.< Die braunen Augen schlossen sich wie von selbst. Er atmete noch einmal tief ein und aus, erinnerte sich, konzentrierte sich.

Irgendwie musste er es schaffen, die Erde einzufrieren, so das Terrenus sie nicht mehr nutzen konnte, bewegungsunfähig wurde.

Seine Gedanken waren darauf ausgerichtet, die Erde einzufrieren. Zugegeben, er wusste nicht, ob und wie das gehen sollte. Aber es war ihre einzige Chance. Es musste einfach gehen.

Er stellte sich vor, wie die Erde langsam abkühlte, starr wurde, bewegungslos. All seine Kraft verwendete er darauf. Seth durfte nichts passieren! Auf keine Fall!
 

Täuschte er sich oder hatte er da gerade etwas gespürt? Unter seinen Handflächen wurde es kalt, sehr kalt. Sollte er einen Blick riskieren? Er tat es. Die Erde unter ihm war von Raureif überzogen – jedenfalls nahm er das an. Selber hatte er es noch nicht gesehen; nur davon in den zahlreichen Reiseberichten im Tempel gelesen. Sein Blick folgte dieser kalten Spur. Er sah, wie ihr Gegner immer noch auf dem Boden saß, den vor ihm Stehenden ansah. Jonos Blick glitt weiter. Erschrocken keuchte er. An Seths Rücken kroch der Schlamm empor.
 

Der Blonde konzentrierte sich wieder. Lenkte die Kälte direkt auf seinen Freund zu. Er konnte förmlich dabei zusehen, wie der Matsch erstarrte, wie sich das Eis nach oben fortsetze.
 

„Seth! Beweg dich“ schrie er diesen an. Es schien, als ob Seth nur auf jemanden gewartet hätte, der ihn aus seiner Starre riss. Mit einem Ruck trat er ein paar Schritte zur Seite und der Schlamm brach mit lautem Knacken auseinander. Erstaunt sah er den herunterfallenden Erdsplittern zu. Wie konnte es sein, dass die Erde bei diesen Temperaturen gefroren war?

Ruckartig riss er seinen Kopf herum und sah zu Jono hin. Der kniete immer noch auf dem Boden, keuchte leise. Bevor er fragen konnte, was hier los war, hörte er wieder Jonos Stimme. „Seth. Steh da nicht so rum.“ Leiser diesmal, aber er verstand dennoch. Der Hohepriester wandte sich wieder ihrem Feind zu. Ablenken musste er diesen, damit Jono ungehindert weitermachen konnte.
 

„Tja, das war wohl nichts“ meinte er. Ein schadenfrohes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Dann griff er ihn wieder an. An einigen Stellen hatte sich der Körper wieder verfestigt, nachdem das Wasser verschwunden war. Traf das Schwert hier, erklang ein Krachen. Traf es allerdings an flüssigen Stellen, drang es tief in den Körper ein und Schlamm tropfte auf den Boden.

„Was ist denn?“ sprach Seth ihn an. Sein Schwert steckte noch im Körper und er war Terrenus ganz nah gekommen. „Keine Lust dich zu wehren?“ Das Schwert wurde wieder herausgezogen, er trat einige Schritte zurück und machte sich zum nächsten Schlag bereit.
 

Wut glomm in den brauen Augen auf. Was bildete sich dieser Mensch ein, ihn so zu verhöhnen? Das würde er büßen. Ein Knurren verließ seine Kehle, er wollte aufspringen und seinem Gegner an die Kehle gehen, doch ...

... er konnte sich nicht rühren. Sein Körper schien wie am Boden festgewachsen.
 

„Überrascht? Will ich auch hoffen.“
 

Jono hatte sich auf die Füße gekämpft, schadenfroh sah er Terrenus an. Sein Schwert hatte er aufgehoben und trat nun neben Seth.
 

Beide Urelemente befanden sich in arger Bedrängnis. Sie standen kurz davor besiegt zu werden. Das konnte er nicht zulassen. Wer hatte auch damit rechnen können, dass die Krieger solche Kräfte ihr Eigen nennen konnten.
 

„Incendius, Terrenus. Kommt zurück“ gab er den Befehl. Beim nächsten Mal würde er vorsichtiger sein. Er wollte auf keinen Fall wieder für eine Ewigkeit eingesperrt werden.
 

Incendius und Terrenus vernahmen den Befehl ihres Meisters. Sie folgten nur zu gerne. Keiner hatte damit gerechnet, dass es so schwer werden würde. Beim nächsten Mal würden sie besser aufpassen.
 

Incendius sah den Pharao vor sich über ihre gekreuzten Schwerter an. „Wir sehen uns wieder.“ Und löste sich in Luft auf.
 

„Wir sehen uns wieder“ erklärte auch Terrenus seinen beiden Gegnern, kurz bevor er verschwand. Mit ihm alles, was von seinen Körper verstreut war.
 

Etwas ratlos und verwirrt standen die drei ‚Krieger des Schicksals’ nun da und sahen auf ihre Gegner, die nun nicht mehr da waren.
 

~
 

Sie standen im Thronsaal. Sie, das waren der Pharao Atemu, der Hohepriester Seth, der Tempeldiener Jono und der ehemalige Pharao Akamemnon.

Der Kampf gegen die zwei Urelemente lag erst wenige Minuten zurück. Die Palastwache hatte den Auftrag erhalten, den Platz wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen, während sich die Priester mit ihren Tempeldienern um die verstören Menschen kümmerten.
 

„Nun, wie wäre es mit einer Erklärung, was hier gerade passiert ist?“ durchbrach Akamemnon die eingetretene Stille.

Keiner der Anwesenden mochte so Recht eine Antwort geben. Es war ja nicht so, dass sie dem ehemaligen Pharao nicht trauten – ganz im Gegenteil. Er hatte Atemu, seit dieser die Krone übernommen hatte, mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Dabei kann ihm unmöglich die Beziehung der drei untereinander entgangen sein. Akamemnon galt immer als einer der fähigsten Pharaonen bisher überhaupt. Als solcher musste er über eine Auffassungsgabe verfügen, die außergewöhnlich war.

In den ersten Tagen nach ihrem ‚Besuch’ im Götterreich hatten sie darüber gesprochen, ob sie ihn einweihen sollten oder nicht. Hatten sich aber schlussendlich dagegen entschieden. Es war ihr Kampf, den sie zwar für die ganze Welt austragen mussten, aber sie waren ausgewählt worden. Sie hatten es für unverantwortlich gehalten, andere Personen da mit reinzuziehen.

Inzwischen dachten sie allerdings anders darüber. So manche Konfrontation mit den Ministern hätten sie wohl umgehen oder wenigstens nicht so eskalieren lassen können, wenn sie Atemus Vater eingeweiht hätten. Auch wenn er abgedankt hatte, hatte seine Stimme immer noch Gewicht im Ministerrat.
 

Nun, jetzt blieb ihnen wohl nichts anderes mehr übrig.
 

„Weißt du, Vater, das ist so ...“ Und so erzählte Atemu seinem Vater alles, was sie von den Göttern erfahren hatten. Von Fawe, den Urelementen, dem Schicksal, ihrer persönlichen Bestimmung und das die Zukunft der Welt auf dem Spiel stand.
 

Akamemnon schwieg eine Weile. Was er da von seinem Sohn zu hören bekommen hatte, musste er erst einmal verdauen. Im Grunde hatte er es immer gewusst, dass so etwas kommen würde. Seit er damals im Tempel zusammen mit Serfa diese ‚Begegnung’ mit einem ihrer Götter hatte. Dennoch musste er zugeben, dass er die ganze Zeit über gehofft hatte, dass das alles nicht so eine Tragweite besaß; dass der Gott einfach nur etwas übertrieben hatte mit seinem ‚Schicksal der ganzen Welt’.
 

Sein Blick blieb an den drei jungen Männern hängen. Sein Sohn hatte sich in den letzten anderthalb Jahren als Pharao von Ägypten – einem Weltreich – gar nicht mal schlecht angestellt. Er hatte schnell gelernt, worauf es ankam. Und seit Seth der Hohepriester war, hatte er das Gefühl, dass sein Sohn so manche Untiefe sicherer umschifft hatte als er es vorher getan hätte. Nicht umsonst liebten die Bewohner Ägyptens ihren Pharao aus tiefstem Herzen.

Ohne Zweifel, Seth tat seinem Sohn gut. Leicht lächelte er. Wenn diese Gesetze bezüglich des Hohepriesters nicht wären, hätten die beiden sicher noch so einiges mehr vollbracht.
 

Eigentlich war schon das, was sie geschafft hatten, ein Wunder. Akamemnon war sich ebenfalls im Klaren, dass das ohne den Dritten im Bunde nicht machbar gewesen wäre. Fast amüsiert hatte er beobachtet, wie dieser versucht hatte, seinen beiden Freunden zu helfen. Hatte gesehen, wie er die beiden mit einem Trick zusammengebracht hatte, wie er ihnen ein paar unbeobachtete Momente verschafft hatte und auch sonst tatkräftig unterstützt hatte. Keine Sekunde zweifelte er daran, dass das Schicksal einen Fehler gemacht haben könnte, als es einen ‚Sklaven’ zum Retter der Welt erkoren hatte.
 

Aber eines musste er zugeben: in all der Zeit hatte er eine Tatsache nie bemerkt.
 

„So ist das also“ murmelte er schlussendlich. Man konnte das erleichterte Aufatmen der drei Kämpfer fast spüren. Hatten sie etwa damit gerechnet, dass er ihnen Vorhalte machen würde oder was?

„Eines ist mir aber noch nicht so ganz klar“ sah er die vor ihm Stehenden an. „Was war dafür verantwortlich, dass dieser ...“ Er suchte nach einem passenden Wort. „... ‚Feuerball’, der auf den Balkon abgefeuert wurde, plötzlich stehen geblieben ist?“ Sein Blick wanderte von einem zum anderen. „Und wie kann es sein, dass jemand, ohne dass er angegriffen wird, so einfach in die Knie geht?“ spielte er auf das an, was mit Terrenus passiert war. Natürlich hatte er den Kampf aus sicherer Entfernung beobachtet. Sich einzumischen war ihm gar nicht eingefallen. Er hätte ja doch eh nur im Weg gestanden.
 

Alle drei sahen sich an. Nun, mit dieser Frage hatten sie nicht gerade gerechnet. Die Gedanken rasten. Damit, dem ehemaligen Pharao zu erzählen, was es mit den gerade Geschehenen auf sich hatte, hatte keiner ein Problem. Aber ‚dieses Sache’ war doch etwas ... heikler. Schließlich waren der Hass und die Angst auf Magier schon seit Generationen in den Menschen verwurzelt.
 

„Nun ... weißt du, Vater ...“ druckste Atemu herum. Er wusste wirklich nicht, wie er das erklären sollte, ohne das sein Vater ... nicht gerade seine Meinung änderte – für so simpel gestrickt hielt er ihn dann doch nicht –, aber das er Seth mit anderen Augen sah. Das wolle er unbedingt vermeiden.
 

Doch bevor er weiter nach einer Ausrede suchen konnte, wurde er von Seth unterbrochen. „Das war ich.“

Der ältere Mann sah ihn an. „Ihr? Verratet ihr mir auch, wie Ihr das angestellt habt, Hohepriester?“ Gespannt blickte er den jungen Mann an.

„Nun ...“ fing dieser an. Verdammt, wieso war das so verflucht schwer? Als es um das Leben dieser Mädchen gegangen war, war ihm doch auch herzlich egal gewesen, was diese über ihn dachten. Aber jetzt?
 

Atemu spürte, was in seinem Freund vorging. Die blauen Augen blickten unmerklich von rechts nach links, als ob er in einer Ecke des Raumes die Antworten finden würde. Der junge Pharao hätte ihn am liebsten beruhigend die Hand auf die Schulter gelegt, aber das ging vor seinem Vater ja schlecht. Also konzentrierte er sich darauf, Seth über seine Gefühle zu beruhigen. Wenn man so will, packte er all seine positiven Gefühle in eine Schatulle und schickte sie an Seths Gefühlswelt hinüber.
 

Der Hohepriester entspannte sich sichtlich. Scheinbar waren Atemus Beruhigungsversuche angekommen. Die blauen Augen sahen nun den ehemaligen Pharao direkt an.

„Ich bin ein Magier.“
 

Stille.
 

Wie würde Akamemnon reagieren? Rief er die Wachen? Verteufelte er Seth? Oder hatte er im Gegenteil vielleicht schon so etwas in der Art geahnt?
 

Diese Antwort überraschte ihn dann doch. Er wäre nie auf die Idee gekommen, dass Seth ein Magier war. Aber wenn er jetzt so darüber nachdachte ... Kleinigkeiten, die ihn hier und da Rätsel aufgegeben hatten, ergaben nun einen Sinn. Verbrecher, deren Taten bis ins kleinste Detail bekannt wurden; Angeklagte, deren Unschuld überraschend schnell festgestellt wurde. All das ergab nun einen Sinn.

Und wenn sich seinen Sohn und den Tempeldiener so ansah, war ihnen diese Tatsache bereits bekannt.
 

„Nun, wie mir scheint, bin ich momentan der einzige hier, den das zu überraschen scheint“ sah er Atemu und den Blonden an. Fast unmerkliches Nicken.

„Nun, ich kann nicht gerade behaupten, dass mich das begeistert“ fing er an. Über die geschockten Gesichter hätte er fast lachen können. „Aber ich kann auch nicht abstreiten, dass das einen immensen Vorteil in Eurem Kampf bringt. Außerdem glaube ich kaum, dass ich um meinen Sohn Angst haben muss, wenn er mit Euch zusammen ist, Hohepriester.“ Dabei sah er den Angesprochenen direkt an. Der hielt dem Blick stand.

Natürlich nicht, er würde seinen Pharao mit dem Leben beschützen!
 

„Nun, was mich jetzt aber noch interessieren würde ... verrät mir einer von Euch, wie Ihr das bemerkt habt?“
 

Jono und Atemu sahen sich an. Der ehemalige Pharao wollte wissen, wie sie es herausgefunden hatten? Nun, wenn dass das einzige Problem war ...
 

Atemu zuckte nur mit den Schultern und dann berichteten die beiden Akamemnon, wie sich das zugetragen hatte ...
 

~~~
 

Der Braunhaarige schritt durch die Gänge des Tempels. Inzwischen kannte er sich hier ganz gut aus, war es doch schon fast einen Monat her, dass ihn der Hohepriester aus dem Tempel des Seths geholt hatte.
 

Die Sonne blendete ihn, als er aus dem Gebäude trat. Er hielt sich eine Hand vor die Augen, setzte seinen Weg aber fort. So oft war er diesen Weg schon gegangen, dass er ihn im Schlaf finden würde. Unter seinen Füßen knirschte leise der Kies. Ab und an kam ihm einer der Tempeldiener entgegen, die sich ehrfurchtsvoll verbeugten, sobald sie ihn erblickten. Seth war jedes Mal etwas unbehaglich dabei, aber seit ihn der Hohepriester diesbezüglich zurechtgewiesen hatte, nahm er es mit unbeweglicher Miene hin.
 

Endlich war er am Lagerhaus des Tempels angekommen. Hier wurden die Lebensmittel und andere Sachen wie Decken oder Krüge gelagert, die dem Haupttempel gehörten.

Durch die geschlossene Tür konnte er schon das Fluchen Jonos hören. Leicht musste er lächeln. Das hatte sich der Blonde aber auch selber zuzuschreiben. Wieso hatte er es die ganze Woche auch nicht ein Mal geschafft, pünktlich zu den Morgengebeten zu erscheinen?
 

Leise öffnete Seth die Tür und trat ins Halbdunkel der Halle. Sofort umfing ihn der Geruch von getrocknetem Getreide und anderen Sachen. Er schritt zwischen den Regalen entlang. Folgte der Stimme und kam ihrem Urheber immer näher.

Schließlich stand er nur wenige Schritte hinter seinem Freund.
 

„Jono, was soll das werden, wenn’s fertig ist?“ Der Angesprochene drehte sich einmal um die eigene Achse und sah erschrocken zum Sprecher.

„Seth! Musst du mich so erschrecken?“ fuhr er diesen an. Mit dem Handrücken wischte er sich einmal durchs Gesicht, strich sich seine Haare aus den Augen. „Was gibt es denn?“

„Serfa will, dass du zum Hafen gehst und ihm einige seiner Kräuter und Pflanzen besorgst.“

„Oh man“ seufzte der Blonde. „Dann werd ich hier ja nie bis heute Abend fertig.“ Er sah auf die schweren Säcke mit Getreide, die heute Morgen gekommen waren und die er zur Strafe ordentlich verstauen durfte. Über die Hälfte war noch übrig.
 

„Wie wäre es denn, wenn ich das hier für dich fertig mache? Du darfst das nur nicht Serfa erzählen.“ Seth sah seinen Freund an. Dass dieser noch mehr Ärger bekam als ohnehin schon, wollte er ja nicht.

„Echt? Das wäre super, Seth“ freute sich der Blonde. „Du bist einfach der Beste“ umarmte er ihn. „Ich bin dann weg zum Hafen.“ Und schon war er zur Tür hinaus. Doch keine fünf Schritte danach fiel ihm ein, dass er ja gar nicht gefragt hatte, welche Kräuter der Hohepriester denn nun haben wollte. Also wieder umdrehen. >So was aber auch< schüttelte er über sich selber den Kopf.

Er trat wieder ins Halbdunkel der Halle und wollte gerade nach Seth rufen, als ...
 

Seth sah seinem Freund hinterher. Ein Lächeln hatte sich auf seinem Gesicht gebildet. Der Blonde war der erste gewesen, der ihn halbwegs wie einen normalen Menschen behandelt hatte und nicht wie den zukünftigen Hohepriester – jedenfalls wenn sie unter sich waren. Jono hing dann doch zu sehr an seinem Leben, als das er es allzu offensichtlich aufs Spiel setzen wollte.

Ziemlich schnell war der Blonde unersetzlich für Seth geworden. Jono war immer da gewesen, wenn er sich im Wirrwarr der Gänge verlaufen hatte; hatte ihm die Gegend gezeigt und ihn auf die eine oder andere ungeschriebene Regel hingewiesen, womit er sich so einigen Ärger erspart hatte.
 

Der Braunhaarige drehte sich zu den Säcken um. Das war doch eine Kleinigkeit, die aufzustapeln. Er musste sich nur noch für Jono eine plausible Ausrede einfallen lassen, wie er die Arbeit so schnell hatte erledigen können.

Seine rechte Hand vollführte eine Bewegung und die oberste Reihe der Säcke erhob sich in die Luft und legte sich, etwas Staub aufwirbelnd, auf den bereits sehr hohen Stapel. Die nächste Reihe folgte, Seth wollte sie gerade absetzen, als ...
 

Was Jono da sah, konnte er kaum glauben. Die Säcke schwebten in der Luft. Einfach so. Und Seth stand davor und ...

>Er ... er ... ist ein ... Magier ...< Der Blonde wich einige Schritte nach hinten. Dabei stieß er mit dem Rücken an eines der Regale und mit einem lauten Scheppern gingen einige der Tonkrüge zu Bruch. Wie erstarrt blieb der oberste Tempeldiener stehen.
 

Das Geräusch erklang hinter ihm. Seine Konzentration war hin und die Säcke kamen mit einem dumpfen Knall zum Liegen. Er drehte sich um und sah Jono, wie dieser mit Schrecken im Gesicht zu ihm sah – wobei, dass er ihn wirklich sah, da war sich Seth gar nicht mal so sicher.

„Jono ...“ durchbrach seine Stimme die angespannte Stille.
 

Der Angesprochene hörte die Stimme. Hörte, wie sie seinen Namen sprach. Sein Blick wurde wieder klarer. Kurz hallte es durch die Halle, als Seth einen Schritt in seine Richtung setzte.

„Nein, bleib wo du bist“ stieß der Blonde angstvoll aus. „Komm mir nicht zu nahe.“ Er wich am Regal weiter nach hinten, Richtung Ausgang. Nur weg hier. Magier waren gefährlich, hinterlistig, machthungrig.
 

Sein Blick behielt den Magier im Auge. Wie er dastand, beinah verletzt zu ihm herübersah, die Hände zu Fäusten geballt, musste er scheinbar an sich halten.

Jonos Schritt stockte.
 

Irgendwas lief hier schief, furchtbar schief!
 

Wieso hatte er plötzlich solche Angst vor Seth? Seinem besten Freund? Am liebsten hätte er laut aufgelacht.

Nur weil er jetzt wusste, dass dieser ein Magier war? Änderte sich denn dadurch irgendetwas?

Er sah seinen Freund an. Verletztheit sprach aus dessen blauen Augen.

Ja, das hatte er. Er hatte seinen besten Freund tief verletzt.

Aber hatte er das auch gewollt?

Ganz eindeutig nicht.
 

„Seth ...“ Leise nur war seine Stimme zu hören. Er setzte dazu an, auf ihn zuzugehen, stockte dann aber. Was, wenn es zu spät war? Wenn schon diese paar Sekunden ausgereicht hatten, ihre Freundschaft zu zerstören? Verdenken konnte er es dem Älteren nicht.
 

Seth sah, wie Jono vor ihm zurückwich. Hörte die Worte, die dieser sprach. Sie fraßen sich in sein Gedächtnis. ‚Komm mir nicht zu nahe.’ Wie oft waren sie sich in der letzten Zeit nahe gewesen? Hatten zusammen gelacht, sich unterhalten. Sollte das jetzt alles vorbei sein?

>Reiß dich zusammen, Seth. Wag es bloß nicht jetzt zu heulen. Du hast doch gewusst, dass es früher oder später passieren musste. So wie immer ...< Zu gut kannte er dieses Gefühl, wenn Menschen, die sich seine Freunde nannten, sich plötzlich von ihm abwandten, ihn ein Monster schimpften und nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten.

Er ballte die Hände zu Fäusten. Am liebsten hätte er jetzt auf etwas eingeschlagen, seine Gefühle an den Getreidesäcken ausgelassen.

Verschwommen bekam er mit, wie Jono stockte. Sein Blick glitt zu ihm herüber. Ihm war klar, was in diesem zu lesen war, aber das war ihm gerade völlig egal. Er wollte nur noch, dass der Blonde endlich verschwand und er sich an irgendetwas austoben konnte.
 

Erstaunt blickte er auf. Hatte er sich gerade verhört? Sich etwas eingebildet? War ihm der Blonde so wichtig geworden?

Der Blonde schaute ihn an. Täuschte er sich oder war das wirklich so etwas wie Hoffnung in diesem Blick?
 

„Ich ... ich ...“ Jono brach ab. Verdammt, er wusste genau, ‚was’ er sagen wollte, er wusste nur nicht, ‚wie’ er es sagen sollte. Worte konnten manchmal so kompliziert sein.
 

Sein Blick fing den von Seth auf. Wie unter einem Schlag zuckte er zusammen. Diese Verletztheit tat weh.

>Was soll’s. Schlimmer als es jetzt schon ist, kann es eh nicht mehr kommen.< Er holte tief Luft.

„Es tut mir Leid. Ich ... im ersten Moment ... das war so eine Überraschung ... das, was man sich über Magier erzählt, ist mir in den Sinn gekommen ... aber du ... du bist gar nicht so ... du bist ... ... mein Freund ...“

Jono brach sein Gestammel ab. Den Kopf gesenkt, stand er da, die Hände vors Gesicht gehoben, um die Tränen aufzuhalten, die sich nun ihren Weg bahnten. Leise schluchzte er. Er hatte solche Angst, seinen besten Freund zu verlieren.
 

Seth traute seinen Ohren nicht. Hatte er das gerade wirklich gehört? Wie erstarrt stand er da und sah auf das Nervenbündel, das schluchzend vor ihm stand.
 

„Jono ...“ Der Angesprochene sah auf, als er leise seinen Namen hörte. Mit den Händen wischte er sich die Tränenspuren aus dem Gesicht. „Tschuldige“ nuschelte er. „Es ist nur ... ich rede hier so einen Unsinn zusammen ... dabei ...“
 

„Sind wir noch Freunde?“
 

Die Frage kam für den Blonden ganz überraschend. Das Schluchzen hörte auf, er sah sein Gegenüber stumm an. Was? Meinte Seth das ernst?
 

„Natürlich sind wir das.“ Seine Stimme klang beinah empört. Wie konnte Seth denn nur etwas anderes glauben? >Weil du ihn das gerade hast glauben lassen< meinte eine leise Stimme in seinem Kopf.
 

„Dann ist ja gut“ lächelte der Braunhaarige leicht. Jono tat es ihm gleich. Die Atmosphäre im Raum war wie gewandelt. Von Traurigkeit keine Spur mehr.

„Ich erledige hier eben den Rest und dann sollten wir zusehen, dass wir Serfas Auftrag nachkommen.“ Wie von Geisterhand erhoben sich die restlichen Säcke und schwebten an den ihnen bestimmten Platz. Mit Staunen sah Jono dem Treiben zu. Er verstand gar nicht, warum ihn das vorhin so erschreckt hatte. Diese Aktion hatte so gar nichts Bedrohliches an sich.
 

„Bist du da festgewachsen oder was ist los?“ erklang die Stimme Seths. Der stand bereits an der Tür und hatte sich zu Jono umgedreht.
 

„Komm ja schon“ gab Jono zurück. Zusammen verließen sie die Lagerhalle und machten sich auf den Weg zum Hafen.
 

Sie waren Freunde. Wahre Freunde. Freunde verziehen sich kleine Patzer. Und verloren dann nie wieder ein Wort darüber ...
 

~~~
 

Seth stand vor dem Altar und war in Gedanken versunken. Er konnte immer noch nicht glauben, dass er vorgestern wirklich zum Hohepriester geweiht worden war. Zu plötzlich war Serfa gestorben. Zeit, das alles richtig zu verdauen, hatte er noch gar nicht gehabt. Nach dem Tod des alten Hohepriesters hatte er dessen Verpflichtungen wahrnehmen müssen. Die paar Minuten, die er gerade für sich hatte, genoss er. Es tat gut, seinen Gedanken einfach mal freien Lauf zu lassen. Keiner da, der ihn dabei stören konnte.
 

Schritte hallten in der Halle.
 

Vorbei war es mit der Ruhe. Der Hohepriester drehte sich um, erwartete, einen der Oberpriester zu erblicken. Er wusste nicht warum, aber er spürte ganz genau, dass fünf von ihnen etwas gegen ihn hatten.

Doch eine andere Person war es, die ihn da in seinen Gedanken gestört hatte.
 

„Pharao ...“ begrüßte er diesen. „Was verschafft mir die Ehre Eurer Anwesenheit?“
 

Keine Antwort folgte. Weiterhin stumm trat der junge Pharao auf ihn zu. Als er neben ihm am Altar stand, schwieg er für einige weitere Minuten. Seth sah ihn gespannt an. Was gab es wohl so Wichtiges, das der Pharao dafür extra hierher kam?
 

„Jono hat mir erzählt, dass die letzten Tage ziemlich ‚anstrengend’ für Euch waren, Hohepriester“ fing Atemu an. „Ich kann Euch Eure Verpflichtungen zwar nicht abnehmen, aber ich kann dafür sorgen, dass ihr des Öfteren ein paar Minuten zum Ausruhen bekommt.“
 

Der Braunhaarige sah seinen Pharao an. Wie durfte er das denn jetzt verstehen? Traute er ihm etwa nicht zu, dieses Amt gewissenhaft auszuführen?
 

Leises Lachen war von Atemu zu hören. „Keine Angst, ich traue Euch durchaus zu, fähig für dieses Amt zu sein.“

Konnte der Pharao Gedanken lesen?

„Aber ich weiß, wie schwer es ist, schon so früh so viel Verantwortung zu übernehmen. Vor allem, wenn man ein Geheimnis zu hüten hat.“

>Wie? Was soll das denn nun bedeuten?<
 

Der Pharao blickte in den im Dunkeln liegenden Teil des Tempels. Seths Blickte folgte ihm. Die Schatten schienen zu tanzen, sich zu formen und dann wieder still zu stehen.

>So anstrengend waren die letzten Tage nun auch wieder nicht gewesen, das du jetzt schon Sinnestäuschungen hast< rief sich der Hohepriester selber zurecht.
 

Atemu streckte eine Hand aus und einer der Schatten kam auf ihn zu, wickelte sich um die ausgestreckte Hand.
 

„Die Macht, die Schatten zu kontrollieren. Zwar keine wirkliche Magie, aber so etwas in der Art“ erklärte der Pharao mit leiser Stimme. „Ich glaube, Ihr versteht mich, wenn ich sage, dass es zeitweise sehr anstrengend ist, so eine Kraft vor den falschen Leuten zu verbergen.“
 

Nun blickte er zu Seth hinüber.
 

„Was ich eigentlich sagen wolle: wenn wir unter uns sind, könnt Ihr Euch gerne ein paar Augenblicke der Ruhe gönnen. Ihr müsst nicht die ganze Zeit wachsam sein, was Eurer Geheimnis betrifft, Magier.“
 

Seth blieb die Luft weg. Der Pharao wusste, was er war? Aber ... wieso ...?
 

„Überrascht? Nun, ein paar Kleinigkeiten außer die Schatten zu beherrschen habe ich dann auch noch drauf.“ Täuschte sich Seth oder klang die Stimme des Pharaos amüsiert?
 

Der Sprecher wandte sich vom Altar ab und schickte sich an, den Raum zu verlassen.
 

„Ehe ich es vergesse: schickt Jono zu mir, wenn Ihr Hilfe gebrauchen könnt, verehrter Hohepriester.“
 

Damit war Atemu aus dem Raum und ließ einen verwirrten Hohepriester zurück.
 

~~~
 

Atemu und Jono hatten mir ihrer Erzählung geendet. Der ehemalige Pharao ließ das Gesagte noch ein paar Augenblicke auf sich einwirken. Nun, so etwas in der Art, was sein Sohn da veranstaltet hatte, hatte er erwartet. Das passte zu diesem.
 

Er verkniff sich jedweden Kommentar von sich zu geben. Stattdessen meinte er: „So langsam sollten wir uns mal daran machen, eine gute Erklärung für die Minister zu finden.“
 

~~~
 

„Was habt ihr den Ministern eigentlich als Erklärung erzählt?“

„Genau, die haben sich doch bestimmt nicht so einfach zufrieden gegeben“ schloss sich Tea an.
 

„Nun ... wir haben ihnen gesagt, dass das eine Prüfung der Götter war. Sie hätten eine große Gefahr für Ägypten vorausgesagt und wir drei wären diejenigen, die sie verhindern müssten.“
 

„Und das haben sie euch geglaubt?“ zweifelte Tea.
 

„Ne, nicht wirklich. Aber was anderes blieb ihnen ja gar nicht übrig. Es sei denn sie wollten den Pharao der Lüge bezichtigen. Und das wäre ihnen schlecht bekommen“ grinste Joey.
 

„Glaub ich gerne“ murmelte das Mädchen.
 

Die Schulglocke erklang und rief die Schüler zurück in den Unterricht. Seufzend erhoben sich die fünf jungen Leute. Was sie für eine Lust hatten. Zum Glück waren das jetzt die letzten beiden Stunden. Über das Erzählen war die Zeit vergangen, zwischendurch hatten sie zwei weitere Unterrichtsstunden hinter sich gebracht und nun war auch die zweite Pause zu Ende.
 

~
 

Die Schulglocke erklang und kündigte das Ende der letzten Stunde an. Stühle schabten über den Boden, Rücksäcke wurden auf den Tischen abgestellt und Blöcke und Bücher in diesen verstaut. Das Stimmengeschwirr schwoll an, man freute sich auf den freien Nachmittag. Immer wieder fuhren Blicke zu Seto Kaiba herüber, der ungerührt auf seinem Platz saß und in aller Seelenruhe seine Sachen zusammenpackte. Tristan und Joey alberten schon fleißig herum, ignorierten die Blicke, die ihnen immer wieder zugeworfen wurden. Tea atmete tief durch, versuchte die lautstarke Unterhaltung von Noriko, Aimi und Fumiko zu ignorieren, die ihre Plätze in der Reihe vor ihr hatten. Die drei erörterten gerade die Frage, ob zwei Jungs überhaupt eine ‚Beziehung’ führen konnten und wie das anatomisch überhaupt funktionieren sollte.

Gott, worüber frau sich auch unterhalten konnte ...
 

Nach und nach leerte sich die Klasse, das Stimmengewirr wurde leiser. Miss Hame stand vor ihrem Tisch und ordnete ihre Unterlagen.
 

„Mister Kaiba, Mister Muto, hätten Sie wohl noch ein paar Minuten übrig?“ fragte sie die beiden, wegen denen ihre Klasse heute alles andere als sehr aufmerksam dem Unterricht gefolgt hatte. Die Gruppe, die heute ihr Referat gehalten hatte, war schließlich so unaufmerksam gewesen, dass sie ihre gesamte Gliederung durcheinander gebracht hatte.
 

„Aber sicher doch. Was gibt es denn?“ fragte Yugi zurück. Seinen Rucksack schließend, sah er die Lehrerin an. Worum es ging, konnte er sich schon fast denken.
 

„Nun, ich glaube, worum es geht, wissen Sie sehr gut. Ich möchte nur sicher gehen, dass Sie wissen, dass mich zwar nicht im Geringsten interessiert, was sie in dieser Hinsicht in ihrer Freizeit machen, aber ich muss Sie darauf hinweisen, dass es auf keinen Fall noch größeren Einfluss auf die Schule haben darf. Sollten Sie es nicht hinkriegen, dass sich Ihre Mitschüler morgen mehr auf den Unterricht konzentrieren, werde ich ein Machtwort sprechen müssen. Das ist Ihnen hoffentlich klar?!“
 

Sie blickte von Yugi zu Kaiba. Kaiba entgegnete einfach nur ihrem Blick, während Yugi nickte. „Aber sicher doch, Miss Hame. Wir haben nicht vor, den Unterricht in irgendeiner Weise zu stören. Und hatten es auch nie vor. Dass das passiert ist, war auch nicht geplant.“

„Das glaube ich Ihnen aufs Wort. Wer möchte sein Privatleben schon gerne in der Zeitung lesen? Und wo wir gerade dabei sind ... Das, was dieser Schreiberling da geschrieben hat, ist so absurder Unsinn, dass ich mir um den Geisteszustand meiner Schüler, die das ja wohl offensichtlich glauben, eigentlich Sorgen machen müsste.“ Mit diesen Worten verschwand die Frau aus dem Klassenzimmer.
 

Die fünf zurückgebliebenen Schüler sahen sich leicht verblüfft an ...
 

~
 

Der Wagen hielt eine Querstraße vor dem Game-Shop.
 

„Und du bist dir wirklich sicher?“

„Ja, Seth. Mach dir mal keine Sorgen um mich. Ich lass mich doch von so ein paar Reportern nicht unterkriegen“ lächelte der Pharao seinen Gegenüber an. „Und du kommst morgen früh, ja?“ Nicken. „Dann bis dann“ küsste er seinen Hohepriester zum Abschied kurz und stieg aus der Limousine. Die Tür fiel leise ins Schloss zurück.
 

Einmal tief Luft geholt, die Schultern gestrafft und der Pharao machte sich auf den Weg in die Höhle des Löwen. Gut, die hatte er zum Teil schon vor dem Schultor erlebt. Nach Schulschluss hatte dort eine Reportermeute gewartet, als wenn es um das Staatsbankett beim Kaiser höchstpersönlich gegangen wäre. Was für ein Glück, das Joey und Tristan aus ihrer Zeit als Schulrowdies diverse Hintertüren kannten, über die sie ungesehen das Schulgelände hatten verlassen können. Und dass Kaiba sich per Handy einen zweiten Wagen in eine Seitengasse hatte schicken lassen, damit die vor dem Schultor wartende Limousine die Reporter ablenkt, hatte sein übriges getan.
 

Yugi lugte um die Ecke. Hatte er also Recht gehabt. Die Reporter lauerten vor dem Laden seines Großvaters, als würde es nichts Interessanteres geben.

Nun, er hatte keinesfalls vor, direkt dadurch zu spazieren. Das war ihm ohne Leibwächter dann doch etwas zu gefährlich. Stattdessen ging er die Straße ein Stück zurück und verschwand in einer kleinen Seitengasse. Seine Schritte hallten zwischen den Wänden wieder.

Bevor er aus der Gasse trat, schaute er sich um. Gut, keiner zu sehen. Schnellen Schrittes überquerte er die Straße und verschwand hinter einer großen Hecke. Mit dem Fuß schob er die Steine vor der Mülltonne richtig hin, dass diese nicht wegrutschen konnte. Er stemmte sich hoch und verschwand dann über die Hecke in den Garten. >Tja, kommt davon, wenn man nur vor der Tür steht< lachte er in sich hinein.
 

Wenige Schritte waren von Nöten und er hatte den Rasen überquert. Er klopfte an die Terrassentür. Kurz darauf stand sein Großvater im Wohnzimmer und staunte nicht schlecht, dass sein Enkel von hinten reinkam.

Wortlos ließ er ihn hinein.
 

Etwas später saßen sie am Stubentisch. Die Gardinen waren zugezogen, falls doch noch einer der Sensationshascher auf die Idee kam, über die Hecke zu gucken. Vor ihnen auf dem Tisch standen zwei Tassen, von denen Großvater sich nun seine nahm und sie in der Hand hin und her drehte. Er brauchte einfach nur etwas, um seine Finger zu beschäftigen.
 

Heute Morgen, als er die Zeitung aufgeschlagen hatte, war er ziemlich überrascht gewesen. Dieser Artikel über seinen Enkel und Seto Kaiba ... nun, mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Den Reporter, die daraufhin in seinem Laden erschienen waren und ihn ausgefragt hatten, hatte er mit der Polizei gedroht, wenn sie nicht augenblicklich seinen Laden verlassen würden. Einen alten Mann so viel Aufregung zuzumuten war ja wohl die Höhe. Nach dieser Argumentation waren sie auch recht schnell verschwunden. Dafür belagerten sie nun die Eingangstür.

Nachdem die wenigen Kunden dann auch mehr Interesse an diesem Artikel gezeigt hatten als dafür, etwas zu kaufen, hatte er den Laden ganz einfach für heute dicht gemacht. Was interessierten sich die Leute eigentlich für etwas, was sie gar nichts anging?
 

Den Tag über hatte er auf seinen Enkel gewartet und sich Gedanken darüber gemacht, was dieser für eine Erklärung für ihn hatte.
 

Nun, die hatte er ja nun bekommen.
 

Ob er nun wütend sein sollte, weil Yugi es ihm nicht vorher gesagt hatte oder nicht, wusste er nicht. Hatte er ihm irgendwann auch nur den kleinsten Anlass gegeben, zu denken, dass er nicht mit ihm reden konnte? Immer hatte er Yugi unterstützt. Ihm nie wirklich Vorhalte gemacht.

Also warum hatte er es ihm verschwiegen?
 

Salomon musterte seinen Enkel. Dieser hatte sich in den letzten fast zwei Wochen um einiges verändert. Nicht nur, dass er um ein vielfaches selbstsicherer geworden war, nein, jetzt war es, als ob ihm nichts etwas anhaben konnte. So als ob er wüsste, dass etwas ‚Menschliches’ ihm nicht schaden konnte.

Wenn er jetzt so darüber nachdachte, lag das bestimmt nicht nur daran, dass die Erinnerung an ein früheres Leben zurückgekommen war. Schön und gut, dass Seto Kaiba ein Hohepriester und Magier war, aber daran alleine konnte es nicht liegen. Da musste noch mehr sein.
 

Jetzt wusste er auch, was.
 

Er lächelte leicht. Dass er so etwas nicht schon von vornherein geahnt hatte ... Das erklärte auch, warum ein Enkel so oft in der Kaiba-Villa übernachtet hatte.
 

Er beugte sich rüber und legte Yugi seine Hand auf die Schulter, sah ihn liebevoll an. Ein frohes Lächeln erschien auf dem Gesicht seines Enkels, der die Hand leicht zurück drückte.
 

~
 

Der Abend brach an, die Sonne stand tief am Horizont, tauchte den Himmel in feuriges Rot.
 

Im Game-Shop saßen zwei Personen gerade beim Abendessen. Nebenbei lief der Fernseher, wo gerade ein Bericht wiederholt wurde, der am Nachmittag vor der Kaiba-Villa aufgenommen worden war.

„Wir stehen hier gerade vor dem Anwesen Seto Kaibas, der mit der Schlagzeile in der heutigen Ausgabe der Tageszeitung für reichlich Wirbel gesorgt hat. Wer hätte auch gedacht, dass er und sein größter Rivale und Duell-Monster-Champion Yugi Muto ein Paar sind?

Natürlich waren wir auch schon in der Zentrale der Kaiba Corporation, wurden dort aber nicht hereingelassen. Wie es schien, hatte das Sicherheitspersonal strikte Anweisung, niemanden außer den Mitarbeitern in das Gebäude zu lassen.

Gespannt warten wir nun darauf, dass Seto Kaiba nach Hause kommt. Es gibt reichliche Fragen, die wir ihm stellen möchten.

Aber erstmal gebe ich ab zu meinem Kollegen.“

Das Bild veränderte sich und der Game-Shop war zu sehen, mitsamt Reportermeute.

„Nun, seit Mittag stehen wir nun hier vor dem Game-Shop, nachdem wir aus diesem ‚verwiesen’ wurden. Doch Yugi Muto ist hier noch nicht aufgetaucht. Es gehen sogar die Gerüchte um, dass er sich bei Seto Kaiba im Firmengebäude aufhalten soll.

Nun, wir werden es hoffentlich bald herausfinden.“
 

Der Genannte musste grinsen. Wenn die Reporter wüssten, wo er sich gerade aufhielt ...
 

~
 

Am nächsten Tag hatte sich die Aufregung etwas gelegt. Auch wenn im Radio oder im Fernsehen immer wieder die Berichte vom Vortag wiederholt wurden, so waren doch keine neuen Erkenntnisse aus diesen zu entnehmen.

Kaiba hatte sich am Abend von Roland abholen lassen und der war einfach durch die Reportermenge gefahren, die sich vor der KC versammelt hatte, ohne dieser auch nur den Hauch einer Chance zu geben, Fragen zu stellen.
 

Yugi war gerade dabei, den Küchentisch für sich und seinen Großvater zu decken.
 

„Die Reporter müssen irgendwann heute Nacht die Schnauze voll gehabt haben“ meinte Salomon, als er in die Küche trat. „Draußen steht jedenfalls keiner mehr.“

„Wer weiß, vielleicht haben die sich ja auch nur eine Straße weiter verschanzt, damit wir unvorsichtig werden“ grinste der Angesprochene.

„Meinst du?“ zweifelte Opa.

Yugi zuckte nur mit den Schultern. Ihm war das im Grunde ziemlich egal. Solange sie seinen Großvater in Ruhe ließen, konnten die Reporter lauern, wo und wie viel sie wollten. Mit denen würde er schon fertig werden.
 

„Guten Appetit“ wurde er von seinem Großvater aus den Gedanken gerissen.

„Gleichfalls.“
 

Stille kehrte ein. Das Radio dudelte leise vor sich hin, ab und an raschelte einer etwas mit der Zeitung.
 

Yugi sah von seiner Zeitung auf, sein Blick verschleierte sich kurz. Nur um dann einem freudigen Lächeln Platz zu machen.

Salomon sah das Minenspiel Yugis und blickte diesen an.
 

„Was ist?“
 

„Seth kommt gleich“ lächelte er immer noch.
 

„Aha ...“ biss Großvater in sein Brötchen. Schließlich hatte sein Enkel ihm noch etwas mehr erzählt, unter anderem auch über ihre ‚Kräfte’.
 

Man hörte von draußen das Quietschen von haltenden Reifen, dann wurde die Seitentür geöffnet. Mit einem ~Klack~ fiel diese ins Schloss zurück.

Schritte wurden hörbar, die dumpf im Flur hallten. Ein paar Sekunden später wurde die Tür zum Wohnzimmer geöffnet und herein trat Seto Kaiba. Er sah sich kurz um und schon entdeckte er die Gesuchten in der Küche.
 

„Morgen“ begrüßte Yugi den Ankömmling.
 

„Morgen“ grüßte der zurück.
 

„Schon okay. Ich hab Großvater erzählt, dass ich dir n Schlüssel gegeben hab und er hat nichts dagegen.“

„Danke“ nickte der Angesprochene in dessen Richtung.

„Schon gut. So lange du – ich darf doch du sagen?“ Seto nickte. „Also, solange du nicht mitten in der Nacht hier auftauchst, geht das in Ordnung. Außerdem würde es wohl kaum was nützen, wenn ich Einwände erhebe“ meinte er lächelnd.

Nein, die würden ganz bestimmt nichts nützen. Wer sich nicht von ungeschriebenen Gesetzen ins Leben ‚fuschen’ ließ, würde das bestimmt auch nicht von Einwänden.
 

„Wie geht es denn Mokuba?“

„Soweit gut. Sein Kommentar gestern Abend war: ‚Wurde auch mal Zeit.’“
 

Der Pharao grinste. „Typisch.

Willst du n Kaffee?“
 

Seto schüttelte den Kopf. „Danke, nein. Roland hat mich heute Morgen schon damit versorgt.“
 

„Okay. Ich geh dann mal meine Sachen holen.“ Damit verschwand Yugi aus der Küche, die Treppe hoch, allerdings nicht ohne Seto vorher noch schnell einen Kuss aufzudrücken.
 

Salomon und Kaiba blieben stumm in der Küche zurück. Keiner wusste so recht, ob und was er sagen sollte.

Opa fing an, den Tisch abzuräumen. Die Teller verschwanden in der Spüle und das Brot sollte als nächstes dran glauben, als Seto sich in Bewegung setzte. Wortlos drückte er Yugis Großvater auf dessen Stuhl zurück und machte sich daran, den Rest wegzuräumen.
 

Salomon ließ es ohne Gegenwehr mit sich machen, beobachtete einfach nur. Schließlich war er Zeit seines Lebens Archäologe gewesen. Er kannte sich recht gut mit den Gebräuchen und Regeln des alten Ägyptens aus. Und zu diesen gehörte unter anderem, dass die Jüngeren die ältere Generation mit Respekt behandelte.

Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen. Nein, keiner der beiden konnte so ganz seine ägyptische Herkunft leugnen.
 

Zwei, drei Minuten verstrichen so. Dann beschloss Salomon, dass er das aussprach, was er auf den Herzen hatte.
 

„Du passt doch auch weiterhin gut auf meinen Enkel auf, oder?“ Gespannt wartete er auf eine Antwort. Sich diese zu denken oder sie selber gehört zu haben, waren eben doch zwei verschiedene Sachen.
 

Kaiba sah auf. Einige Sekunden blickte er den alten Mann einfach nur musternd an.

„Natürlich werde ich das. Ich habe es bei meiner Weihe geschworen und habe nicht vor, mein Wort zu brechen. Außerdem ist Atemu das Wichtigste in meinem Leben.“
 

Das glückliche Lächeln, was er als Reaktion bekam, war dem Hohepriester Antwort genug.
 

„Seth, wir können“ war die Stimme des Pharaos aus dem Flur zu hören.
 

„Auf Wiedersehen“ verabschiedete sich Seth.

„Bis bald.“
 

Sekunden später war die Tür zu hören, wie sie hinter den beiden ins Schloss fiel.
 

~
 

Die nächsten Tage bis zum Wochenende verliefen leicht chaotisch. Die Reporter belagerten zwar nicht mehr stundenlang die Kaiba-Villa und den Game-Shop, waren aber doch noch so häufig dort, das Roland inzwischen Experte darin war, durch einen Menschenauflauf zu fahren, ohne jemanden ernsthaft zu verletzen, und Opa sich ein paar Tage Urlaub gönnen konnte. Er besuchte alte Freunde und Bekannte und amüsierte sich prächtig über die ratlosen Gesichter der Reporter, die Yugi in diesen Tagen nur aus der Ferne zu sehen bekamen.
 

Die Beteiligten an der ganzen Sachen kamen da allerdings nicht ganz so einfach von weg. Öfters musste der Schulleiter die Polizei benachrichtigen, weil die Presse den normalen Schulbetrieb unmöglich machte.
 

Die Mitschüler ließen es bald bleiben, die beiden auf Schritt und Tritt zu beobachten, nachdem diese ihnen keinen weiteren Gesprächsstoff lieferten. Sie verhielten sich in der Schule wie immer, nur eben dass Kaiba sich nicht mehr abseits hielt.

Und nachdem Setos Anwälte ein Presseverbot in Bezug auf Joey, Tristan und Tea durchgesetzt hatten, wurden diese auch in Ruhe gelassen. Davor hatten die Reporter ihnen Zuhause aufgelauert und mit allen möglichen Fragen gelöchert.
 

Der Alltag kehrte fast wieder vollkommen zurück ...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  jyorie
2013-06-02T22:12:40+00:00 03.06.2013 00:12
Hallo ^_^

oh, da habe ich mich geirrt, ich dachte der Zeitungsartikel dreht sich um das geheime Training im Wald. hm ... aber das Seto Kaiba einen Geliebten hat, ist natürlich noch bristanter, als 3 Teens die sich im Wald die Köpfe einschlagen *schmunzelt* ich fand auch die Überleitung super, das sie in der Vergangenheit schwerere Dinge zu bewätligen hatten, als das. Und der Rückblick in dem Seth hingerichtet werden sollte – man oh man, der hatte es in sich! Der Kampf mit den Element war wieder sehr gut geschrieben, auch wie die drei Hüter ihre Fähigkeit über Wasser und Eis zum erstenmal einsetzten konnten, hat mir gut gefallen.

Aber auch wie unsere drei den Slalomlauf um die ganze Reportermeute bestehen, ... die Paparazies sind ja tatsächlich so läßtig wie Stechmücken^^ und arg aufdringlich. (so ... das war bisher das längste Kapitel) hat aber spaß gemacht :D

CuCu Jyorie



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