Herzloses Selbst
Neuer Nick, neues Kapitel, neue Einstellung – also weiter.
Viel Spaß auch bei diesem Kapitel :D
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Als Sasuke die Augen wieder öffnete, dachte er zuerst, er befände sich im Krankenhaus von Konoha, wie es so oft der Fall gewesen war, und habe die Begegnung mit seinem Bruder nur geträumt. Er stellte schnell fest, dass dem nicht so war, denn der Raum, in dem er lag, war dunkel und kalt, die Wände schienen schmutzgrau und neben ihm lagen vereinzelt Gegenstände, die er im Halbdunkel nicht näher definieren konnte. Obwohl seine Wunden noch immer höllisch schmerzten, versuchte er, sich aufzurichten. Er musste wohl auf einem Futon liegen, denn der Boden unter ihm fühlte sich angenehm weich an, weswegen wohl auch zumindest der geringe Schmerz an seinem Rücken nachgelassen hatte. Zögerlich schob er die Decke beiseite und hob erst den Kopf, dann den ganzen Oberkörper.
Allem Anschein nach war er zu verwirrt, um sich die Frage zu stellen, wie er hierher gekommen war, geschweige denn, wer sich die Mühe gemacht hatte, ihm ein Bett zu bereiten und seine gröbsten Verletzungen zu versorgen. Dies registrierte er allerdings auch erst, als er sich über die Wunde auf seiner Brust strich und zu seinem Bedauern feststellen musste, dass er unbekleidet war und man ihm einen Verband umgelegt hatte. Auch sein halb gebrochenes Bein war verbundne worden. Er fragte sich, ob er wohl aufstehen könne, doch allein die aufrechte Position zu halten, bereitete ihm Schwierigkeiten und so beließ er es dabei, erst einmal liegen zu bleiben.
Seine Augen hatten sich langsam an das Dämmerlicht gewöhnt und nun konnte er auch erkennen, dass neben ihm riesige Stapel Bücher und etwas, das wie ein lebloser Mensch wirkte, lagen. Wo war er hier bloß gelandet? Und was ihm noch viel wichtiger erschien: Was war bloß geschehen, nachdem er ohnmächtig geworden war? Er hatte sich in der Vergangenheit schon oft nach Missionen an fremden Orten wieder gefunden, aber nie hatte er sich dabei so unwohl gefühlt.
Am meisten Angst machte ihm jedoch die Tatsache, dass das letzte, an das er sich erinnern konnte, der erschrockene Blick seines Bruders war. Jetzt war es zu spät, etwas rückgängig zu machen. Sasuke hatte ihm die Wahrheit gesagt – die Wahrheit, die für ihn selbst mindestens genauso unfassbar war.
Er musste eine ganze Weile in die Dunkelheit gestarrt haben, als sich plötzlich ein dünner Lichtspalt vor ihm auftat. Die Tür knarrte ein wenig, als sie aufgeschoben wurde. Sasuke schien ihr in der Finsternis keine Beachtung geschenkt zu haben, jetzt aber, als er von draußen eine Silhouette erkennen konnte, kniff er panisch die Augen zusammen und tat so, als wäre er immer noch bewusstlos.
„Versuch erst gar nicht, mir etwas vorzuspielen“, zischelte es zwischen den Angeln hervor. Sasuke musste die Augen nicht wieder öffnen, um zu wissen, dass die Silhouette zu Itachi gehörte. Allein diese tiefe, dumpfe Stimme ließ ihn zusammenzucken. Er hielt den Atem an und überlegte, was nun zu tun sei. Noch einmal würde er nicht gegen seinen Bruder bestehen, nicht mit diesen enormen Verletzungen. Wenn Itachi ihn nur hierher gebracht hatte, um ihn weiter zu quälen, um sein Werk zu vollenden, um seinen Bruder ein letztes Mal nach Gnade winseln zu hören – Sasuke wollte nicht darüber nachdenken. Der Gedanke erschien ihm nämlich grausam und herzzerreißend zugleich. Er wusste nicht, wie sein Bruder auf sein Geständnis reagiert hatte und so wusste er auch nicht, wie er darüber dachte. Vielleicht war es gerade diese Ungewissheit, die Sasuke einen Schauer über die nackte Haut fahren ließ.
Er fühlte sich leer, so als habe man eine überwältigende Last von ihm genommen, aber ein schwarzes Loch an dessen Stelle zurückgelassen. Wenn es dies nicht schon getan hatte, dann würde dieses Nichts ihn von innen her zerfressen.
Nein, so einfach würde Sasuke sich diesem Gefühl nicht hingeben!
Seine Augen sprangen wie mechanisch auf und sofort fixierte er Itachi. Ohne eine weitere Bewegung und fern von jeglicher Angst sprach er: „Ich glaube kaum, dass man dir überhaupt etwas vorspielen kann.“
„Gut erkannt, Bruder“, zischte er wieder. Sasuke konnte nun auch erkennen, das er etwas in der Hand hielt, ein Tablett mit Essen und Trinken. Itachi stellte es auf den Boden und blickte auf den Verletzten hinab, wobei er sich kaum ein Lachen verkneifen konnte. Wie hilflos er doch wirkte, er, der ihm noch vor wenigen Stunden die Stirn bieten konnte. Sein Bruder, der es gewagt hatte, sich über ihn lustig zu machen. Verachtung und Gefallen vermischten sich auf Itachis Lippen. Er hätte jetzt alles mit ihm anstellen können, was er wollte, er hätte ihn sogar töten können, ohne dass dieser eine Chance zur Gegenwehr zeigen konnte. Doch er tat es nicht. Er ließ Sasuke in dem Glauben, dass er endlich gewonnen hatte, beugte sich über ihn und küsste ihn.
Kisame ging ungeduldig im Flur auf und ab, murmelte in sich hinein und schenkte den Anderen, die an der Wand lehnten, nur herzlich wenig Beachtung. Gelangweilt und nach einem Dutzend von wohlgeformten, kleinen Lehmfiguren schloss Deidara die Augen. Er war müde geworden, aber froh, dass man ihn doch noch in den Plan eingeweiht hatte, Itachi wieder zur Besinnung zu bringen. Dass die ganze Geschichte jedoch so aus dem Ruder laufen würde, hätte selbst er nicht gedacht. Yume hockte neben Sasori und musste sich beherrschen, nicht in die Luft zu gehen, bis dass die Tür zu ihrem Zimmer aufging und Itachi mit jenem Mörderblick heraustrat, den man lange nicht auf seinem Gesicht hatte erblicken können.
„Kümmere dich um meinen Gast, Yume“, befahl er in einem gleichgültigen Ton. Sie sprang wütend auf und beschwerte sich wortlos, indem sie einen Ring auf seine Stirn schoss. Itachi lachte nur über diese Aktion und schnippte ihn mit dem Zeigefinger weg.
Beleidigt hob Yume die Augenbraue, schmetterte noch ein paar Ringe hinterher und murrte: „Es reicht schon, dass er mein Zimmer belegt, aber wenn ich mich jetzt auf noch um dieses Arschloch kümmern soll… Das kann nicht mal Meister Sasori von mir verlangen!“ Itachi blickte zu Sasori hinüber, der den Kopf schüttelte. „Mir reicht es, ich geh mir mal die Beine vertreten und ein bisschen Spaß haben“, sagte sie, nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte, blickte sich noch einmal zu Sasori um und verließ daraufhin das Gebäude.
„Möge sie verrecken“, dachte Itachi sich. „Jetzt muss ich schon wieder die ganze Arbeit übernehmen. Aber mir soll es Recht sein.“
Selbst einige Minuten nachdem Itachi den Raum verlassen hatte, stockte Sasuke noch immer der Atem. Die glänzend roten Augen, in denen sich der Blick des Todes widerspiegelte, die sinnlichen Lippen, auf denen ein teufelhaftes Lächeln lag und diese Art zu sagen, dass er ihm hilflos verfallen war, raubten ihm den Verstand. Er wollte schreien, ihm hinterherlaufen und eine Erklärung verlangen, dann tadelte er sich, denn es war ja nur durch ihn selbst dazu gekommen. Hätte er bloß weiter mit dieser Last gelebt! Es wäre vielleicht einfacher gewesen, seine Gefühle auf ewig zu verbergen, anstatt sich jetzt so von seinem Bruder demütigen zu lassen. Doch dafür war es längst zu spät. Sasuke hatte mit seinen Worten einen Stein ins Rollen gebracht, den er auch mit aller Kraft nicht hätte aufhalten können.
„Warum kann ich ihn nicht einfach töten? Das würde alle Probleme lösen…“ Sasuke hielt es nicht einmal mehr für nötig, auf seine Wunden zu achten. Er zog sich mit all seiner Kraft auf die Beine, kniff die Zähne zusammen, um nicht auf den Schmerz zu achten und humpelte zur Tür. Die Klinke fühlte sich kühl an. „Du hast Recht, Bruder. Ich bin schwach. Ich bin so schwach, dass ich dir verfalle.“
Für einen kurzen Augenblick zögerte er, dann drückte er die Klinke ruckartig hinunter und torkelte in den Flur hinaus.
Wie gedacht lehnte Itachi an der Wand und belächelte sein Kommen. Er war gut im provozieren, so gut, dass er sich schon ausgemalt hatte, was passieren würde. Sasuke wollte sich vor ihm aufbauen, doch es fiel ihm nicht leicht, sich auf einem Bein zu halten. Ninja kannten keinen Schmerz, hatte er immer gesagt. Nun war er vom Gegenteil überzeugt.
„Was gedenkst du jetzt zu tun, in deinem Zustand und deiner Lage?“
„Mach dich nicht über mich lustig!“, befahl Sasuke in einem Ton, den er sich in seiner Beschaffenheit auch nicht mehr zugetraut hätte. Die Frage interessierte ihn nicht und so beließ Itachi es dabei, keine Antwort zu erhalten. Genau genommen interessierte es ihn gar nicht. Sasuke würde ja doch nichts unternehmen können. Er war ihm ausgeliefert.
„Es fällt mir schwer, nicht zu lachen. Das leuchtet doch ein, oder nicht? Immerhin wolltest du mich vor wenigen Stunden noch umbringen. Und jetzt kauerst du hier herum, kannst dich kaum auf den Beinen halten und erwartest allen Ernstes von mir, dass ich mich nicht über dich lustig mache?“
Itachis Blick war noch immer von Mordlust erfüllt. Er stellte sich mit gespitzten Zähnen vor Sasuke, packte ihn abermals beim Kragen und drückte ihn an die gegenüberliegende Wand. Diese Situation war den Beiden wohl bekannt. Sasuke gab sich keine Mühe, gegen Itachis starken Griff anzukämpfen. Er legte den Kopf schief und meinte gefasst: „Du konntest die Wahrheit noch nie vertragen. Es musste alles immer nach deinen Wünschen geschehen. Aber du wirst mich niemals dazu zwingen können, dich zu hassen!“
Itachi begann sogleich, ihm ins Gesicht zu lachen, doch nun sagte Sasuke ihm erst recht die Meinung: „Lach nur. Das beeindruckt mich nicht.“
„Ach ja? Egal, ich kenne deinen Schwachpunkt. Das genügt mir.“ Er beugte den Kopf zu ihm hinunter und presste seine Lippen ein zweites Mal auf die seines Bruders. Seinen Erwartungen zuwider schreckte Sasuke nicht hoch, sondern blickte ihm kaltblütig entgegen und genoss den Kuss und dieses Spiel, das die Beiden miteinander spielten. Im Inneren aber hätte er explodieren können. Itachi spürte das, senkte den Kopf abermals und flüsterte ihm ins Ohr: „Du solltest mich nicht lieben, Bruder. Denn das wird dein Verderben sein.“
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Ein Hoch auf dieses Kapitel, (Achtung, Spoiler? XD) Yume wird nicht lebendig zurückkehren… Muahahaha! >w< Ehm… beachtet mich gar nicht… X’D
Vielen Dank für alle bisherigen Kommentare & bis zum nächsten Mal~ MiLu