Success - Gegenwart
Kapitel 22:
Success - Gegenwart
Sanjis Sicht
Es war der vorletzte Schultag, also dienstags, und wir bekamen den Erdkundetest zurück. Meine Hände
waren schon feucht, teils auch wegen der Hitze, und ich war irrsinnig gespannt auf meine Note. Sie
musste einfach gut sein! Nami hatte mir ja so sehr geholfen, eine Drei musste einfach drin sein! Frau
Neil stand hinter ihrem Pult und fing an zu sprechen. „Die Arbeit ist relativ gut ausgefallen, aber es sind
immer dieselben, die nicht dafür gelernt haben.“ Sie lag den Blätterstapel zurecht und hob ihn dann
hoch. Das hatte nichts Gutes zu bedeuten, was sie gerade bekannt gegeben hatte. Sie fing in der
vorderen Reihe an, die Tests zurückzugeben und ich tippte Ruffy, vor mir sitzend, an die Schulter. „Frag
mal Nami, was sie hat.“ bat ich ihn und er tippte daraufhin an ihre Schulter. Sie sah noch auf ihr Blatt
und überflog ihre Fehler, bis sie sich zu Ruffy umdrehte. „Was hast du?“ Sie lächelte fröhlich ihr
zauberhaftes Lächeln. „Eine Eins Minus.“ „Nur?“ grinste mein Freund in der Bank vor mir und ich holte
mir nun auch Namis Aufmerksamkeit. „Glückwunsch.“ Äußerte ich mich ehrlich und jetzt war ihr
Lächeln eindeutig für mich bestimmt, mich durchfuhr es vor Freude. Auch wenn ich gleich eine nicht so
gute Note kriegen würde. Eine Vier wäre auch noch in Ordnung, nur wäre das eben peinlich vor Nami.
Frau Neil ging durch meine Reihe, gleich bekam ich meine Note. Au weh! Sie legte das Blatt vor mich
hin, ich sah anstatt auf die Note in ihr Gesicht. „Ich weiß gar nicht, warum ich dir eine Chance geben
wollte, ihr Männer seid doch alle gleich: alle stur.“ Ich sah ihr direkt in die Augen, wegen ihrem
getürmten Ehemann machte sie alle Jungs richtig schlecht. Aber deswegen brauchte sie mich nicht
runter zu ziehen, sie hat kein Recht, mich ins schlechte Licht zu stellen. Hatte ich eben alles verkackt,
war mir egal, ich stierte nur ihren Blick zurück. Lysop neben mir rief plötzlich „WOUH!“ und ich sah
überrascht zu ihm hin. Er griff nach meiner Arbeit und starrte drauf, ich verstand gar nicht, was das
jetzt sollte. „Sanji, du hast ne Zwei!“ Ich hatte mich wohl verhört, oder auch nicht, ich beugte mich zu
ihm und suchte nach meiner Note. Tatsächlich! Eine ZWEI! Ich hatte eine Zwei!!!! Sie stand in rot da!
Jetzt riss ich ihm meinen Test aus den Händen und starrte darauf. Ruffy drehte sich zu mir um und
auch Nami zwei Reihen vor mir. „Aber...“ fing ich an, Frau Neil hatte doch gerade... Sie kam aus der
Reihe zurück, da sie noch meine anderen Sitzreihegefährten ihre Kopien ausgeteilt hatte, und lächelte
mich an. „Ganz schönen Schreck gekriegt, was?“ Ich sah sie irritiert an, was ihr Grinsen richtigerweise
verstärkte. „Hast schön gelernt, hoffe, das ist jetzt der neuste Trend.“ Sie lief aus der Reihe raus und
ging zu der hinter mir, ich konnte es einfach nicht fassen. Eine Zwei hatte ich bekommen! Meine
Erleichterung war viel größer als der Schock. Ich hatte die Lehrerin davor noch so böse angefunkelt,
dabei hatte sie mir eine Traumnote verpasst! Mit einem Mal schlich sich doch ein Lächeln in mein
Gesicht, so lange hatte ich mich ewig nicht gefreut! Von vorne her kam Nami, die sich zu meinem Tisch
runterbeugte. „Eine Zwei, ist ja irre!“ freute sie sich, ich konnte gar nichts groß dazu sagen. „Ja.“ Lysop
sah auch noch kurz mit mir rein, dann auf seine eigene Arbeit. Ich suchte nach Worten. „Dank, Nami.“
Durcheinander sah ich sie an, ihre Anteilnahme war echt rührend. Diese Note hatte ich ihr zu
verdanken.
In der Pause rauchte ich keine einzige Zigarette, ich war einfach viel zu gut gelaunt. Außerdem
überhäufte ich Nami mit Dankesreden und sprach nur von dem Test. Ich hatte so viel gewusst! Echt irre,
ohne Nami hätte ich meine Zeugnisnote abhaken können. Nach der Pause hatten wir dann
Hauswirtschaftsunterricht und sollten etwas auf eigene Faust kochen. Dazu mussten sich Gruppen
bilden, und ein wichtiger Aspekt in meinem Lieblingsfach war, dass viele mit mir zusammen sein
wollten. Hauswirtschaftskunde war mein Gebiet, hier hatte ich automatisch immer gute Noten, ich liebte
kochen und wollte sowieso später mal eine Lehrstelle zum Koch anheuern. Natürlich wussten alle in der
Klasse, dass ich so gut war und wollten deswegen mit mir in einer Gruppe sein, doch da man nur zu
dritt arbeitete, war die Chance gering. Als Nami zu mir kam, klopfte mein Herz schneller. Das war nicht
direkt das erste Mal, dass sie mich fragte, aber wie immer etwas Besonderes. „Sanji, machen wir
zusammen?“ „Gerne doch!“ freute ich mich und von hinten schlich sich Ruffy an, der sich dann auf
meinen Schultern abstütze. „Sanji, machen wir zusammen?“ fragte er wie ein unterwürfiger,
spielerischer Hund, der schon mit einer Bejahung rechnete. Irgendeiner hätte so oder so gefehlt, also
erlaubte ich es ihm. Ausgerechnet mit dem größten Schluckspecht aller Zeiten sollte ich jetzt kochen,
aber was soll’s. Zuerst nahmen wir uns ein Rezeptbuch und sollten dann ein passendes Gericht
aussuchen, wobei ich schon hunderte im Kopf hatte. Nami blätterte durch das Buch und fand, dass wir
etwas machen sollten, dass zum Wetter passte, also nichts Warmes. Ich stimmte ihr vollkommen zu, sie
war so schlau und dachte immer an alles. Ruffys Gesichtsausdruck zu urteilen hätte er am Liebsten alles
gekostet, aber wir durften bloß eine Sache ausprobieren. Die Schule hatte zum Glück recht viele Zutaten
zur Auswahl hier, die aber vor den Ferien aufgebraucht werden mussten. Das war auch etwas Gutes am
Schulabschluss, dass wir alle Reste aus dem ganzen Speicher auskratzen konnten. Wir hatten jetzt die
Möglichkeit, ein x-beliebiges Rezept auszuprobieren und letztendlich kamen nur in Frage:
Quarkkeulchen mit Rhabarberkompott, Kokosmilchreis mit Exotensalat, Tomatensalat mit Ricotta-
Bällchen oder Gefüllte Reispapierrollen. Wir entschieden uns für das Erstgenannte und besorgten die
Zutaten. In dieser Unterrichtsstunde hatte ich das Sagen, hier hörte Ruffy auch mal auf mich und ich
war in Namis Nähe; von daher war einfach alles perfekt. Ich teilte uns die Aufgaben zu, Ruffy sollte die
Kartoffeln abziehen und dann durch die Kartoffelpresse ziehen, Nami machte den Teig aus Quark,
Zucker, Ei, Zitronenschale und Salz und ich selber kümmerte mich um den Rhabarber. Also wusch und
putzte ich diesen, dann schnitt ich ihn klein. Wie jedes Mal erledigten meine Hände das im
Schnelltempo und ich war als Erster von uns dreien fertig. Nami hatte mir auch kurz zugeguckt,
irgendwie mochte ich das, dass sie es vielleicht bewundern könnte, wie geschickt ich beim Kochen bin.
Das ist mein einziges Spezialgebiet, damit möchte ich zwar nicht angeben, aber hier konnte ich
ausnahmsweise mal Eindruck schinden, was mir ansonsten in anderen Bereichen immer unmöglich
erschien.
Namis Sicht
In Hauswirtschaftskunde machte ich den Teig und knetete wie ein Weltmeister. Er war richtig zäh,
normal musste der doch geschmeidig sein, oder? Aber vor Sanji wollte ich nicht wie eine Lusche
dastehen, weil ich nicht mal die leichteste Aufgabe hinbekam und bat deshalb nicht um Hilfe. Ich wollte
mir Mühe geben, damit unser Essen später auch so aussehen würde, wie im Kochbuch. Sanji passte
nebenbei auch auf Ruffy auf, während er in Mordsgeschwindigkeit alles Mögliche erledigte. Mit ihm
waren wir in halber Zeit fertig. Er erhitzte die Pfanne und goss Öl hinein, ließ dann den Rhabarber garen
und vermischte ihn mit dem restlichen Zucker, den wir hatten. Dann fing er schon an die Erdbeeren zu
waschen, das Grüne abzuzupfen und nachdem sie klein geschnitten waren, unterzurühren. Er wandte
sich zu mir um. „Ist der Teig fertig?“ „Ich glaube schon.“ Bewusst ließ ich meine Unsicherheit nicht
herausklingen. Er nahm mir die Schüssel weg und machte dann in einer für ihn alltäglichen Bewegung
kleine Küchlein aus ihnen –mit einem Esslöffel- und setzte sie dann in die Ölpfanne. Glücklicherweise
bemängelte er nicht mein Teigresultat, also war das doch okay gewesen. Ganz am Ende holte er den
Kompott heraus und servierte sie zu den Quarkkeulchen. Ich musste zugeben, dass das besser aussah
als alles, was andere Gruppen zustande gebracht hatten. Zwar hatte Sanji den Großteil gemacht, aber
ich war stolz auf mich, da ich den Teig gemacht hatte. Eigentlich war es nun fertig, so wie es sein sollte,
aber Sanji schlug vor, alles noch in den Backofen zu schieben. Nur hatte das dann später blöde Folgen
gehabt – oder gute, je nachdem aus welcher Seite man es betrachtet. Als ich nämlich später das Tablett
herausholte, verbrannte ich mich und kippte fast um. Mir war der Topflappen weg geglitten, keine
Ahnung, wie das passieren konnte, aber Ruffy hielt das Tablett fest. Sanji hatte mich vor dem Hinfallen
bewahrt und ich stützte mich an ihm und dem Tisch ab. Meine Finger waren total verbrannt und ich
konnte sie bloß schütteln, gegen meinen Bauch drücken und vor Schmerz das Gesicht verziehen. Ich
fluchte zwischen meinen Zähnen hindurch und konnte die Hitze nicht ertragen, so ne Scheiße mal
wieder! „Komm, wir gehen ins Bad.“ meinte Sanji alarmiert und zog mich am Oberarm mit sich.
Wir liefen auf die Mädchentoilette zu und er hielt mir die Tür auf. Innen drin drehte er den Wasserhahn
auf mittlerer Stärke auf. Dass er jetzt mit mir in der Mädchentoilette stand, war mir völlig egal, ich hatte
Angst, das Brennen würde nie aufhören und ich hatte Scheu, die Finger unter den Wasserstrahl zu
halten. Doch was sein muss, muss sein und es ging tatsächlich schon besser. „Danke.“ brachte ich
höflichkeitshalber noch raus und konnte den Wasserhahn unmöglich wieder verlassen, meine Hände
mussten einfach so gekühlt werden. „Ich hab mal gehört, dass wenn man verletzt ist, soll man sich
irgendwo anders verletzen, damit man vom eigentlichen Schmerz abgelenkt ist.“ erzählte mir Sanji und
ich sah ihn verständnislos an. Sehr toll, er wollte mir jetzt woanders wehtun, damit mir meine Finger
nicht abfallen würden, oder was? Er erkannte meinen Blick und sprach weiter. „Nein wirklich, das soll
helfen. Zum Beispiel wenn man sich ins Ohrläppchen kneift oder so.“ Sein Vorschlag brachte mich jetzt
doch kurz zum Lachen und ich machte mit meiner heilen Hand den Wasserhahn zu. „Tut’s noch weh?“
Ich sah zu ihm. „Geht.“ Daraufhin nahm er unerwartet meine Hand und pustete auf die Finger. „Ich
hoffe, das hilft.“ Sagte er kurz und blies weiter, mein Lächeln war nicht mehr wegzudenken. Die kühle
Luft tat tatsächlich gut und mir wurde nun auch im restlichen Körper warm, zum Energieausgleich in
meiner Hand. „Danke.“ bedankte ich mich nochmals und wollte meine Hand wegziehen, da es irgendwo
zu unangenehm, als schön wurde. „Willst du zurück?“ fragte er mich und ich zuckte die Schultern,
meine Hand glühte immer noch. „Ja.“ war meine endgültige Antwort und er strich kurz über meine
wunden Finger. Meine Gesichtsrichtung war schon dem Toilettenausgang gewidmet, es war sowieso
niemand auf den Klos hier, und ich wollte schon meinen Körper zum Weggehen drehen, da spürte ich
etwas. Etwas sehr, sehr schönes, was mich auch erschrecken ließ. Sanji hatte mir gerade einen
Handkuss gegeben, oder? Ich sah zu ihm und er meinte „Jetzt kann’s nur wieder besser werden.“ In mir
sprühte die Wärme, die Unsicherheit, ob das jetzt wirklich ein Gesundheitsküsschen war oder er mich
vielleicht doch nur über die Verletzung gestreichelt hat. Eine Sekunde darauf ließ er mich los und wir
verließen die Badeeinrichtung der Schule. Unsicherheit und Glück und Freude und Hoffnung und
Wissbegierde und Zweifel und Liebe machte sich in mir breit, doch nach außen hin zeigte ich nichts.
Hatte er mir gerade einen Handkuss gegeben oder war dass nur pure Einbildung gewesen? Wir betraten
wieder den Klassensaal, wo wir dann verkündet bekamen, das beste Endergebnis von allen ergattert zu
haben. Jeder durfte sein Gericht selbst essen. Unseres war ein richtiger Erfolg, genauso wie Sanjis super
Erdkundenote.
erstellt am 28.04.2007
4Kolibris,
Elena