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Jura Tripper 1 1/2 over

~I'll find my day, maybe far and away... far and away~
von

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XXV. Erzählende Geschichte * XXVI. Von den kausalen Unmöglichkeiten * XXVII. Die Dinge beim Namen nennen

Hm... was soll ich dazu sagen.... ich hoffe, dass ihr's nicht allzu sonderbar findet *___* Ich persönlich mag diesen Teil der Geschichte fast am liebsten... von nun an werden auch ein paar mehr Liedtexte dazukommen. (Schreibt mir doch bitte ein paar Kommentare!)
 

XXV. ERZÄHLENDE GESCHICHTE *

XXVI. VON DEN KAUSALEN UNMÖGLICHKEITEN * XXVII. DIE DINGE BEIM NAMEN NENNEN
 

~~~
 

XXV. Erzählende Geschichte
 

Boss saß im taufeuchten Gras wie ein wartender Dackel und schaute fasziniert in das schlafende Gesicht seines Sohnes. In Haar, Stirn, Brauen, Wimpern, Augen, Nase, Mund, Wangen, Kinn, Ohren, Schläfen, Haut fand er seine und Princess' Züge gleichermaßen wieder, durch ein biologisches Puzzlespiel so geheimnisvoll ineinander gefügt, dass sie eine makellose Einheit bildeten - ein neues Gesicht, ein Gesicht mit einem Namen: Liam.

Und kaum weniger faszinierend war die Tatsache, dass er nichts, rein gar nichts davon bemerkt hatte, bevor eine Kleinigkeit seine Erwartungen geweckt hatte. Um so überwältigender war die Flut von Einzelheiten, die nun über ihn hereinbrach.

Liam musste einen sehr leichten Schlaf haben, denn er regte sich, als nur Boss' Schatten auf ihn fiel. In einer Bewegung, die dem rastlosen Zittern hauchdünner Schmetterlingsflügel glich, schlug er die Augen auf.

"Papa... och nein, ich will nicht Fußball spielen!"

Seufzend griff Liam Garrod nach einem imaginären Kissen und ließ es symbolisch auf seine Physiognomie plumpsen, um sämtliche Sonne und Freizeitplanung abzuschirmen. Wie die beiden Menschen in seinem Gesicht schienen auch sein Vater aus der Vergangenheit und sein Vater aus der Zukunft, Traum und Wirklichkeit zu einer Person verschmolzen zu sein.

"Liam." Die Stimme von Boss, dem 16jährigen Schuljungen, drang nur dumpf in sein Bewusstsein, aber doch deutlich genug, um ihn hören zu lassen, dass sie heller war als die von Mr. Brian Garrod, 34 Jahre alt.

"Liam!" Boss' Tonfall schwankte irgendwo zwischen Melodramatik und Grabesflüstern. "Ich muss mit dir reden. Verstehst du - von Mann zu Mann!"
 

"Gehen wir an den See," schlug Boss vor, bevor er über einen der zahlreichen herumliegenden Schlafsäcke flog. "Sh- Verd- Mist! Voll auf die Fre- die Schnau- den Mund! Welcher Idiot legt sich auch da hin! Mitten in den Weg! Natürlich! Das ist mal wieder typ- Oooh..."

Nicht einmal zwei große blaue Mondkalbaugen halfen Boss, das herzerwärmende Bild, das sich ihm nun bot, auch nur annähernd in sich aufzunehmen. Der Schlafsack, über den er gestolpert war, gehörte seinem Rivalen, nur hatte ihm ein energisches Büschel Stroh offenbar einen Großteil des Platzes streitig gemacht. Oder vielleicht war das auch gar kein Stroh, was da oben herausschaute, sondern bloß der kammentwöhnte Haarschopf eines spitzen Bündelchens Knochen, das außerdem ganz gut klammern konnte, denn God war leicht blau angelaufen.

Ansonsten ging von dem Ganzen eine Aura friedvollen Fünf-Uhr-Zwanzig-Schlummers aus, der nicht im entferntesten ahnte, dass er beobachtet wurde.

Boss' Sprachlosigkeit ging über in Sprachlosigkeit, wandelte sich dann in Sprachlosigkeit und gipfelte in den sprachlosen Worten: "Das ist echt - "

"Sag bloß nichts Falsches!"

Liam, der hinter ihn getreten war, hielt Boss' Hals-Schulter-Partie mit Schraubstockgriff umklammert.

" - ein Foto wert!" Aufgeregt drehte Boss sich zu Liam um. "Mann, Liam, im Ernst.... das ist echt ein Foto wert! Das ist echt - hahaha..." Die nächste Viertelstunde verging mit wahnwitzigen Kicheranfällen auf Seiten Boss'.
 

"Ist gut, Brian. Und jetzt gehen wir zum See, ja?" Auffordernd sah Liam ihn an.

Der erwähnte Brian kriegte sich nur mühsam wieder ein. "Ist gut," japste er, "Ich bin schon - haha..."

"Du kannst beruhigt sein. Ich werde weder deinen Ruf noch deine Atemwege ruinieren. Komm jetzt, ja?"

Boss, noch immer lachend, stand auf, seine Augen blitzten. "Na gut," war seine einzige Erklärung dafür, dass er Liam packte, über die Schulter warf und mit ihm davon stürmte.

"Du hast versprochen, das nicht mehr zu machen!!" schrie der kleine Liam sich die Lunge aus dem Leib, zum ersten Mal in dieser Geschichte aus der Fassung gebracht, während sein Sichtfeld irgendwo zwischen 90° und 180° hin und her pendelte, ohne irgend etwas machen zu können als zu staunen, weil sein Vater ihn gegen den Wind entweder nicht hören konnte oder nicht wollte.

Er wollte nicht. "Hab ich das?" entgegnete der selfmade Entdecker von Amerika nicht weniger ohrenbetäubend, "Das kann nicht sein, weil ich das nämlich bis jetzt noch nie gemacht hab!"

Liam boxte ihn, Boss machte das nichts aus, Liam schloss die Augen, aber da wurde ihm übel, Boss rannte weiter, Liam gab es auf und genoss den Flug.

Am Wasser angekommen, wirbelte Boss auf dem Absatz herum und setzte Liam dann wohlbehalten auf dem Ufer ab. Dem Jungen war so schwindelig, dass er beinahe in den See gefallen wäre, wenn Boss ihn nicht aufgefangen hätte.

Als er wieder einigermaßen in der Erdumlaufbahn angekommen war, fragte Liam ihn, noch immer etwas atemlos: "Und - worüber wolltest du jetzt mit mir reden?"

"Ich - " Boss, ebenfalls außer Atem, stutzte, riss die Augen auf -
 

"Ich hab's vergessen!"
 

Liam konnte nicht anders, er musste mitlachen.
 

Einige Stunden später hatten sich alle zu einem nahrhaften Frühstück zusammengefunden, das sich teils aus der übrig gebliebenen irdischen, teils aus noahnischer Kost zusammensetzte. Nach der ruhigen Nacht und dem gemütlichen Abend zuvor waren die meisten ausgeglichen und ausgeschlafen, und so herrschte eine fröhliche Stimmung. Silence, Gatcha, Timid, Blunder, Neesan, Sheerla, Liam und Sive, mit dem starken Bedürfnis, einmal wieder unter sich zu sein, hatten sich freiwillig an den Kindertisch verzogen, beziehungsweise das ?Kindertuch', denn da sie keinen Tisch hatten, der groß genug für alle war, hatten Tank, Doc und die Kleinen kurzerhand einige der Betttücher aus dem Fahrzeug (die sie wegen ihrer Schlafsäcke sowieso nicht brauchten) auf der weichen Wiese ausgebreitet. Und im Gegensatz zu ihrer Welt war auf Noah gerade Sommer und vom Frühtau nur noch sehr wenig übrig, sodass auch die Feuchtigkeit kaum Probleme machte. So picknickten sie also in den Morgen hinein wie schon lange nicht mehr.

"Wisst ihr, Leute," stellte Boss fest, "Ferien sind was Schönes, so wie heute!" Krachend biss er in sein Sandwich.

"Was meinst du - Ferien von den Ferien?", kommentierte Tiger, darauf anspielend, dass ihr Aufenthalt auf Noah ursprünglich aus einem Ferienausflug entstanden war, und Boss ließ ein beleidigtes "Mein' ja nur..." hören...

"Hey! Ihr da! Kriegen wir nichts zu essen?" beschwerte sich Sheerla lauthals vom Nachbartuch, denn während die Älteren teilweise schon tafelten, stand auf dem Tisch der Jüngeren bisher nicht mehr als ein Krug Wasser.

"Kommt schon, kommt schon, kommt schon," rief Tank eifrig, "Autsch!" Beinahe hätte er die Pfanne fallen gelassen, wechselte sie dann jedoch im letzten Moment in die linke und konnte erstmal ausgiebig auf seinen verbrannten Finger pusten. "Dafür kriegt ihr auch was - autsch - ganz Besonderes. Danke." Letzteres sagte er zu Snake, der, als er sah, dass Tank sich verbrannt hatte, von seinem Platz hinter der provisorischen Spüle aufgesprungen war und dem Chefkoch die Pfanne abgenommen hatte.

"Und was?", wollte Sheerla wissen, noch lange nicht befriedigt, denn beim Essen war sie pingelig. Snake hielt die Pfanne schräg und die Kinder linsten hinein.

"British Breakfast! Das ist gut!" beendete Sheerla ihr Gutachten und rammte Tank ihren Teller fast wie eine Pistole in den Bauch. Als ihr auffiel, dass sie sich irgendwie tyrannisch benahm, senkte sie etwas den Kopf: "Ich hab ja nur Hunger..."

"Sag mal, Tank, wo kriegst du eigentlich die ganzen Sachen her?" fragte Sive. Sie war nicht misstrauisch, nur neugierig. Liams Freunde waren auch ihre Freunde, also galt das ab nun auch für Tank. "Oh," der große Junge zwinkerte in die Runde, "das ist mein Geheimnis. Vielleicht erzähl' ich es euch ja, wenn ihr gegessen habt."

"Aber es schmeckt doch, oder?" Zweifelnd legte Gatcha den Kopf schief.

Tank lachte. "Natürlich schmeckt es! Es wird sogar dir schmecken, kleines Fräulein!", worauf Gatcha beruhigt ihren Teller hinüber reichte. Und schon nach dem ersten Bissen war ihre Sorge geschwunden: "Das hab ich mal im Hotel gegessen!"

"Ich, ich, ich hab Hunger!" bestürmten die Zwillinge den ehrenamtlichen Ausfüller.

"Ja - aber Tank ganz sicher auch!" bremste Liam die Ungeduld.

"Wir haben noch kein Besteck," wiesen Neesan und Silence Tank hin, aber dieser war gerade anderweitig beschäftigt, sodass wieder Snake Abhilfe schaffen musste. Irgendwie war er während der letzten paar Minuten in all dem Tumult aus bittenden, fordernden und durch und durch hungrigen Kindern in die Rolle der Küchenhilfe gerutscht. Aber: "Snake, du wirst bestimmt mal ein prima Hausmann!" lobte Sheerla, als er mit Geschirr beladen wiederkam.

"Stimmt!" musste Sive gleich draufgeben, denn bitte schön, nur sie hatte hier das Recht, ihren Patenonkel zu loben!, "Woher kannst du das nur so gut?"

"Ach - ich hab zwei Schwestern," gestand Snake und kratzte sich am Kopf, weil er offensichtlich wirklich nicht wusste, wo er das ?Kompliment' hinstecken sollte, "sie - na ja..."

"Wie heißen sie?"

"Äh - Rachel und Roswitha. Roswitha ist fünfzehn, Rachel ist zehn..."

"Und sie lassen dich schuften? Armer Snaky!" Wenn Sive mal Sympathie ausschenkte, dann randvoll. "Aber wart' nur, bis Chantal kommt!"

"Wer?" erwiderte Snake ahnungslos und Sive grinste: "Chantal! Kennst du sie nicht?", ohne Sheerlas Rippenstoß zu beachten, weil sie mal wieder frisch aus der Nähmaschine plauderte.

Snake aber schien mit dem Inhalt dieses häuslichen Nähkästchens beim besten Willen nicht vertraut zu sein. "Chantal? ...Nein..." [Woher sollte er auch.]

"Sicher nicht?" bohrte Sive weiter, sie hätte ihm doch so gern was Schönes erzählt!

In seiner Hilflosigkeit wandte Snake sich flugs an Weisheitsquelle Nr. 1: "God, wer ist diese Chantal denn?"

Die Quelle war wohl kurzfristig versiegt. "Woher soll ich das denn wissen? Frag lieber diese Miss Neunmalklug da!" schmollte der Vater wider Willen, nahm Sives Zukunftsgedeutel ihn jetzt schon beim Essen in Anspruch.

"Sie lässt dich kochen, waschen, putzen, bügeln, Windeln wechseln und Gepäck schleppen!"

"Wie?" Snake erbleichte ob der langen Liste.

"Aber keine Sorge," besänftigte Sive ihn mit gutgemeinten Worten, "Sie ist wunderbar."

Dann wandte sie sich dem British Breakfast zu und ließ einen verdatterten Snake zurück, dem vor seiner Zukunft graute.
 

"Kann ich bitte noch Milch haben?" "Was für Milch, das war Wasser, was du da gerade getrunken hast!" "Ups!" - so etwa klang der Originalton Timid und Blunder.

"Und was war jetzt in dem Essen drin?" fing Gatcha wieder an, als Einzige schon fertig. Tank, mittlerweile endlich auch am essen, schien sie nicht gehört zu haben. Dafür aber Liam, der grinsend bemerkte: "Aida Lawrence, wenn du weiterhin so neugierig bist, wirst du noch als freischaffende Journalistin arbeiten müssen..."

Gatcha verzog das Gesicht - Liam war kaum älter als sie und irgendwie nett, aber bei diesen Zukunftskindern konnte man einfach nie wissen, was Scherz und was ernstgemeint war.

"Leute - ich will euch ja ungern stören, aber seid ihr sicher, dass es so gut ist, wenn ihr allen von ihrer Zukunft erzählt?" Nicht von Sheerla kam diese warnende Äußerung, sondern von Neesan, der sich mit leiser Stimme an seine drei Freunde wandte.

Schuldbewusst sah Sive ihn an. Sie musste nur an die zurückliegenden Ereignisse denken, um zu wissen, dass er recht hatte. "Neesan, ich find's gut, dass du das sagst," meinte sie deshalb, "Ich - ich sollte ein bisschen nachdenken, bevor ich rede, ich weiß..."

Neesan errötete, murmelte: "So war das nicht gemeint..."

"Aber glaubst du denn, dass sie sich daran erinnern werden?" stellte Sheerla die Frage in den Raum.

Bei diesem Gedanken standen ihnen allen die Haare zu Berge.

"Nein, nein, nein, nein!" quietschte Sive. Es war kein Zufall, dass ausgerechnet sie das sagte, betrachtete man ihr nicht gerade memoriables Verhalten. Aber die Lautstärke, mit der dieser Ausruf erfolgt war, ließ die anderen Kinder aufblicken.

"Wisst ihr was," meinte Liam mit gesenkter Stimme, seinen Löffel noch im Mundwinkel, "wir sprechen später darüber, wenn wir unter uns sind. Wir hatten ohnehin wenig Gelegenheit dazu, seitdem..." Der Reihe nach blickte er sie an. "Es hat uns getrennt, aber wir haben einander auch etwas zu erzählen, glaube ich. Zumindest ich..."

Ist gut, Liam, teilten sie ihm wortlos mit. Sie verstanden wohl, was er meinte.
 

XXVI. Von den kausalen Unmöglichkeiten
 

Nach dem Frühstück verdrückten sich Neesan, Sive, Sheerla und Liam alle mehr oder weniger unauffällig und fanden sich schließlich wieder in einer kleinen, sandigen Bucht des Flusses - barfuß, die Hemden ausgezogen und in Badeanzügen, fast genauso, wie sie erst vor wenigen Tagen in dieser Welt gestrandet waren. Die Sonne schien noch immer vom Himmel mit jener urzeitlichen Intensität, an die sie sich noch immer nicht gewöhnt hatten, und noch immer hätte jeder von ihnen gern Flügel gehabt, um den Dingen, die an ihnen zerrten, zu entfliehen, aber noch immer bot auch keine andere Welt die Möglichkeit dazu. Vielleicht war das auch ganz gut so, denn ein Leben ohne Probleme war in der DNA des Menschen erfahrungsgemäß nicht vorgesehen, und nicht zufällig war das Wort ?bittersüß' aus den Sprachen der Erde entstanden. Ihnen selbst war mit der starren Beharrlichkeit der grellen Sonne und der weicheren, aber dennoch unaufhaltsamen Macht des Wassers in dieser kurzen Zeit klar geworden, was es bedeuten konnte.

Eine zeitlose Ewigkeit waren die Kinder still gesessen, hatten diesen Wellen gelauscht und diese Wärme gespürt, denn neben vielen anderen Dingen hatten sie auch eines gelernt: Dass Schweigen nicht immer schlecht war. Vielleicht war ein Zeichen für Freundschaft nicht, wie so oft behauptet, miteinander reden zu können, sondern vielmehr - miteinander schweigen zu können. Und sie - was war aus ihnen, die einander und sich selbst noch vor wenigen Tagen nur flüchtig gekannt hatten, inzwischen geworden?

"Sive. Liam. Sheerla. Ihr - ihr seid meine Freunde, nicht wahr?" Es war Neesan, der am meisten schwieg, Neesan, der nun sprach. Und wieder war es das Schweigen, das antwortete. Aber die Frage war nicht Neesans Sorge gewesen.

"Und werdet ihr es auch noch immer sein, wenn wir zurück gekehrt sind?" Obwohl sein Blick aufs Wasser gerichtet blieb, war es eine Frage an sie.

"Weshalb glaubst du das nicht, Neesan?" erwiderte Liam ruhig.

"Weil... weil ich Angst habe, dass wir alles vergessen werden."
 

"Möchtest du das denn nicht? Obwohl du weißt, dass deine Eltern ab jetzt für dich immer zwei Gesichter haben werden? Obwohl du weißt, dass das dich anders macht?" Liam sah nach rechts, nach links, in mehr als zwei Gesichter und antwortete selbst: "Ich möchte es nicht. Ich möchte mich an das erinnern, was geschehen ist - geschieht - geschehen wird. Ich teile deine Meinung, Neesan, aber nicht deine Angst. Glaubst du wirklich, du könntest all das je vergessen?"

Langsam schüttelte Neesan den Kopf.

Nun stellte Sive eine Frage, die ihr auf dem Herzen lag. "Werden - wir denn je zurückkommen?" Ihr Blick verriet ihre Sorge. "Nicht, dass ich es nicht hoffe, aber - haben wir Gewissheit? Kennen wir die Zukunft so genau?"

"Ich glaube nicht, dass wir sie so gut kennen wie wir meinen. Aber ich glaube, dass wir zurückkehren werden. Und zwar bald." Erst jetzt fiel Liam auf, dass seit einer guten Weile er allein alle Fragen beantwortete. Verlegen fuhr er sich durchs Haar. "Lacht mich ruhig aus - ich kenne die Zukunft nicht. Ich glaube nicht, dass ein Mensch sie kennen sollte. Aber wir müssen zurückgekehrt sein, denn sonst könnten wir gar nicht hier sein."

Das war mal wieder komplett zu hoch für Sive. "Was?"

Aber Sheerla verstand und versuchte, es ihr zu erklären: "Wenn unsere Eltern nicht zurück gekehrt wären, dann könnten sie gar nicht unsere Eltern sein, weil wir ja erst in der Zukunft auf der Erde zur Welt kommen, versteht du?" Sheerla machte eine Pause, musste selber grübeln. "Aber - " fuhr sie dann fort, "wenn sie zurückgekehrt sind, dann müssen auch wir zurückgekehrt sein, denn sonst könnten wir nicht ihre Kinder sein."

Sive zog eine Augenbraue hoch, dann eine zweite, dann eine dritte. Irgendwie blickte sie das trotzdem nicht so ganz, und irgendwie konnte sie sich auch nicht durchringen, daran zu glauben.

"Aber Sheerla - unsere Eltern sind doch hier!" warf Neesan ein.

Lange dachte Sheerla nach, bevor sie antwortete: "Ja - und sie sind auch in der Zukunft und in der Vergangenheit. Aber wo sind wir? Wo gehören wir wirklich hin?"

"Wir werden zurück kehren, wir kehren in die Gegenwart zurück und wir sind zurückgekehrt - und trotzdem sind wir hier, in unseren Erinnerungen." spann Liam den Faden weiter, den Blick unablässig aufs Wasser gerichtet, dessen Wellen stetig eine auf die andere folgten, in Tropfen spritzten und wieder ineinander übergingen.

"Oh - hört auf!" rief da auf einmal Sive, stand auf, nahm einen kleinen Kieselstein und ließ ihn übers Wasser flitzen. Wieder entstand ein Kreis, der sich nach außen hin verbreiterte, größer wurde, bis die klaren Ränder verschwammen und als Wellen auf den Strand schlugen. "Das ist mir zu hoch! Ihr mögt schlauer sein als ich, aber mit soviel Logik kann ich nichts anfangen. Die Hauptsache ist, dass ich weiß, dass es sich richtig anfühlt."

Liam musste lächeln, plötzlich gerührt. In solchen Momenten fiel ihm wieder ein, wofür er sie mochte. Und als Letzter sprach Neesan aus, was sie alle als Kinder jenseits von Zeiten, Welten und Wissenschaft empfanden: "Egal wo wir sind, wir sind bei unseren Eltern. Und wir sind zusammen. Es ist schön, dass jeder Mensch überall einen Platz hat."

Sheerla atmete tief ein. "Ja, Neesan. Da hast du recht. Es ist gut so. Ich bin froh darüber."

"Ich auch," sagte Liam. "Ich hätte nie gedacht, dass - nun - ich weiß nicht..." Er grinste, wie sollte er die Unvollkommenheiten seiner Eltern in Worte fassen?

"...Papi mal so niedlich war, stimmt's, Neesan? Und Mama hat trotzdem schon ein Auge auf ihn geworfen, da kann sie sagen, was sie will!"

"Sie alle kennen die Zukunft, auch wenn sie es nicht wissen," Neesan lachte, "wie bei deinem Anhänger, Sive, erinnerst du dich? Auch er hat Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erlebt - wie ein Mensch. Er hat deiner Großmutter, deiner Mutter und dir gehört, und was weißt du, wem noch? Und wem du ihn mal geben wirst?"

"Ich weiß es nicht," bekannte Sive zerstreut, "ich bin auch glücklich, versteht mich nicht falsch. Aber - " Sie sah auf vom Sand, in den sie endlose Kreise gemalt hatte und die anderen konnten erkennen, dass der Ausdruck ihrer Augen entgegen ihrer Worte Beunruhigung offenbarte. "Das ist noch nicht das letzte Kapitel. Ich frage euch,", eindringlich blickte sie sie an, "Sheerla - Liam - Neesan - seid ihr sicher, dass es nur eine Zeit geben kann? Nur eine Gegenwart? Nur eine Zukunft?"

Alarmiert packte Sheerla sie bei der Schulter. "Sive," sagte sie, "Sive, ich bin mir über nichts im Klaren. Was meinst du?"

Sive stützte das Kinn auf die Arme, hielt ihre Knie umschlungen. Sie bemühte sich, die anderen anzusehen, während sie erklärte, konnte aber nicht verhindern, dass sich ihr Blick in die Ferne verlor. Vorwärts - oder zurück? "Ich hab meinen Vater gefunden, und viele Teile der Vergangenheit. Es war schön. Aber - irgendwas - versteht ihr - irgend etwas ist nicht, wie es sein sollte. Ein Strich passt nicht ins Bild." Kreise im Sand. Wolken am Himmel. Wellen des Wassers. "Und ich weiß nicht, was er ist. Ich weiß nur, dass er fehlt."
 

Es war Liam, der die Frage stellte.
 

"Wer ist es?"
 

"Nerd."
 

"Nerd!" rief Sheerla aus. "Er ist ein Freak."

"Sag nicht so was!" Aus irgendeinem Grund verletzten die Worte Sive.

"Entschuldigung." Sheerla wirkte tatsächlich beschämt. "Du weißt ja wirklich nicht, wohin er gehört. Aber das war das erste, was mir einfiel, und ich glaube, es ist auch das einzige."

"Du bist klüger als ich, Sheerla. Auch wenn du nicht weißt, woher Nutella kommt." gab Sive zu, seufzte.

"Was ist es, Sive?" fragte nun auch Neesan, der so still und doch so verlässlich war.

"Es war.... am Morgen in Manuas Haus. Ich war früher wach als ihr und bin durch die Gänge geschlichen. Und da hab ich Nerd beim Spielen gesehen. Ich habe ihn beobachtet, und - ich weiß nicht!" Sive seufzte wieder, zupfte an ihrem Elefanten.

"Aber das meine ich!" Fest blickte Sheerla sie an. "Er spielt den ganzen Tag! Es gibt nicht mehr, was ich über ihn sagen könnte! Und was sagst du - glaubst du, so ein Typ ist normal?"

Sive zog es vor, nicht zu antworten. Ihr Blick wanderte zu Liam, zu Neesan. Aber was sie da las, war Zustimmung für Sheerlas Worte, mal milder, mal mitleidiger, aber deutlich vorhanden. "Vielleicht habt ihr recht. Aber das ist es nicht - es ist - ich brauche ein Orakel!" Und das war sie, die Lösung:
 

"Ich frage Snake!"
 

Augenblicklich sprang Sive auf, und sie war schon im Weglaufen, als sie die Rufe der anderen vernahm: "Wirst du wohl warten?!"
 

Der kleine Platz vor dem Amphibienfahrzeug war voller Menschen, die sich unterhielten, lachten, spielten oder einfach nur faulenzten. Aber Sive achtete nicht darauf, als sie angerannt kam, dicht gefolgt von Neesan, Liam und Sheerla, die es schließlich doch noch geschafft hatten, sie einzuholen. "Snake," rief sie atemlos in die Runde, "Wo ist Snake?", und man machte ihr Platz, obwohl - oder gerade weil? - ihr Verhalten mehr als auffällig war. "Snake!"

Er saß im Schatten, einmal nicht in der üblichen Konstellation, denn God war gerade irgendwo anderswo und Crybaby und Young Lady besetzten seinen Platz, kirschenessend und flüsternd.

"Snake!" verlangte sie zum dritten Mal, doch es genügte nicht, um dem Jungen ihre tatsächliche Anspannung begreiflich zu machen, "Wer ist Nerd?"

"Wo Nerd ist?" War Snake taub, dass er sie falsch verstand!? Weil er ebenfalls Kirschen gegessen hatte, hatte er noch einen Kern im Mund, den er ausspuckte. Sive drehte sich um, um zu sehen, wo er gelandet war. "Hinter dir."

Das sah sie nun auch. Da saß er, hatte zu spielen aufgehört, als sein Name gefallen war und starrte sie nur an mit jenem eigentümlichen Blick, der ihr schon vorher aufgefallen war, der ihr alles hätte verraten können, wenn sie nur darauf geachtet hatte. Es spielte keine Rolle. Vielleicht war Sives größter Fehler in diesem Moment, dass sie Nerd in ihrer Aufregung nicht als Mensch sah, sondern als eine dringliche, bohrende Frage, die es zu lösen galt. "Nicht wo! Wer!" Sive umklammerte Snakes Schultern und zwang ihn, sie anzusehen. Sie musste völlig durchgedreht wirken, aber das war jetzt nicht wichtig. "Wer! Wer ist Nerd! Wer ist Nerd?"

Snake öffnete den Mund, doch die Kirsche, die er hatte hineinstecken wollen, blieb in der Luft hängen, da er jetzt für andere Sachen gebraucht wurde. Zum Antworten nämlich.

"Nerd? Er ist - Gods Bruder - dein Onkel!"

"Mein Onkel!" Sive schrie fast, als es ihr endlich einfiel, einfiel, was Snake gesagt hatte, damals, in Manuas Keller, als jene verfluchte Bordbuch-Geschichte sich abgewickelt hatte....
 

'Ich wollte nur sagen, dass ihr Nerd vergessen habt. Ich meine, er hat auch den gleichen Nachnamen wie Sive, schließlich ist er Gods Bruder.'
 

Und sie hatte ihn ebenfalls vergessen, sie hatte -

"Aber das kann nicht sein! Das ist unmöglich!" Verzweifelt schüttelte Sive Snake, der ihr die Antwort gegeben hatte, die sie brauchte und die sie nicht hören wollte.

Dann ein Ton, nur ein einziger. Ein Geräusch hinter ihrem Rücken. Ein undefinierbarer Blick. Sie wusste genau, was er ihr mitteilte, denn wie oft hatte sie selbst schon jemanden ganz genauso angesehen! Das war kein Freak, das war ein ganz normaler Junge, der ihr sagte: Das hättest du nicht sagen sollen. Warum hast du das gesagt?, und der nun auf dem Absatz kehrtmachte und davonlief, in der Hand nur seinen Game Boy.

"Was ist unmöglich?" Auf einmal war auch God da, was hatte er gesehen, gehört?

Sive gab ihm keine Antwort. Sie hätte lügen müssen. Sie musste jetzt tun, was Liam getan hatte, sie musste hinterher. Sie würde lügen müssen.
 

~~~
 

Samhain Night
 

Words and Music by Loreena McKennitt.

Performed by Loreena McKennitt.
 

When the moon on a cloud cast night

Shone above the tree tops' height

You sang me of some distant past

That made my heart beat strong and fast

Now I know I'm home at last
 

You offered me an eagle's wing

That to the sun I'd soar and sing

And if I heard the owl's cry

Into the forest I would fly

And in its darkness find you by.
 

And so the love's not a simple thing

Nor our truths unwavering

But like the moon's pull on the tide

Our fingers touch our hearts collide

I'll be a moonsbreath by your side
 

~~~
 

XXVII. Die Dinge beim Namen nennen
 

Was war es nur, das ihr dieses Bild so vertraut machte? Sie hatte es nur einmal gesehen, das war an jenem Morgen gewesen, bevor sie gewusst hatte, was sie nun wusste. Damals war es ihr seltsam und beunruhigend vorgekommen - und jetzt? Jetzt lächelte Nerd nicht, er hatte auch keinen Grund dazu.

Warum hatte sie sich nicht besser in der Gewalt gehabt? Bloß weil sie nicht die Klappe hatte halten können, nicht an Liams und Neesans Warnungen gedacht hatte, mit der Zukunft nicht leichtfertig umzugehen! Aber wenn sie nun käme, würde sie nicht alles noch viel schlimmer machen, wie schon so oft? Sive konnte sich vorstellen, was Nerd in diesem Moment empfand. Die chronischen Piepgeräusche waren zu Schüssen geworden - wahrscheinlich ein Ballerspiel. Nein, es ging nicht anders. Sie musste es wenigstens versuchen. Sie durfte ihn nicht so lassen. Aber Sive war eine schlechte Lügnerin, wie ihr Vater.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte - vielleicht traute sie sich auch nicht - also machte sie es wie Liam, kam aus den Büschen hervor und setzte sich stumm neben ihren - wie sie soeben erfahren hatte - Onkel. Aber sie wusste genau, dass sie ihn so nicht zum Reden kriegen würde. Der Zug war an ihr, und sie hatte Angst vor dem schachmatt. An die Konsequenzen, die sich bereits ereignet hatten, wollte sie gar nicht denken.

Sive knetete die Hände im Schoß, sie fühlten sich so kalt an... Ein Punkt an ihrem Kopf hatte zu schmerzen begonnen, seit sie sich gesetzt hatte, direkt an der Schläfe, aber nur an einer. In ihrem jungen Leben hatte Sive noch nie Kopfschmerzen gehabt, deshalb wusste sie nicht, dass sie sich eigentlich anders anfühlten als dieser Schmerz - als hätte sich eine Kugel in ihren Kopf gebohrt. Bei diesem Gedanken lief es ihr kalt den Rücken hinunter.

Nerd hatte noch immer nicht gesprochen. Vielleicht hatte er gar nicht gemerkt, dass sie sich neben ihn gesetzt hatte?

"Es... es tut mir leid. Es ist nicht so, dass ich nicht möchte, dass du mein Onkel bist. Wir haben... nur sehr lange nichts mehr von dir gehört, Nerd." Sives Stimme zitterte, ganz leicht nur, aber sie wusste, dass sie log, und dass Nerd es auch wusste.

Er antwortete noch immer nicht, Sive war sich nicht mal sicher, ob er sie tatsächlich gehört hatte. Da war ein dicker Kloß in ihrem Hals, und während sie versuchte, ihn hinunterzuschlucken, rief sie voller Verzweiflung: "Es tut mir wirklich leid! Ich wollte dich nicht verletzen. Bitte, du musst mir glauben..." Sive unterbrach sich, schwieg. Dann sagte sie langsam, zögernd, als sei es ihr selbst erst eben, in diesem Moment klargeworden:
 

"Ich... ich mag dich, Nerd."
 

Und, endlich. Auf einmal machte es ?klick' und Sive hörte, dass er den Game Boy ausgeschaltet hatte.
 

"Ist schon ok, Sive."
 

Sie beugte sich vor, um ihn anzusehen, und sah, dass er lächelte - ein bisschen nur, nicht viel, nicht direkt ihr zugewandt. Aber Sive spürte, dass es an sie gerichtet war. Und auch es wenn es nur ein bisschen lächeln war, passte es doch viel besser zu diesem Jungen als das andere, das fremde, das sie in Manuas Haus beobachtet hatte. Ein Stein fiel ihr vom Herzen. Es war nur einer von vielen, aber es machte sie froher.

"Nerd..." Sive stupste ihn, unsicher, ob sie das durfte, "...oder... soll ich dich Cross nennen?"

Die Pause dauerte nur einen Wimpernschlag.

"Ist egal." hörte sie dann die ausweichende Antwort, "Wie du willst."

"Ich... ich mein ja nur," erwiderte Sive stockend, "Ich meine... ?Nerd' ist ja nicht gerade nett."

Unerwartet sah sie ihn wieder lächeln, ein Lächeln voller Selbstironie. "?Crybaby' ist auch nicht netter. Das ist schon in Ordnung."

"Ich meine... Cross ist schon ein sehr ungewöhnlicher Vorname," versuchte Sive zu erklären. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass das Thema Nerd auf die Nerven ging, andererseits war da einfach das Bedürfnis, mit ihm zu reden.

Ein Klicken, eine quäkende Melodie. Jetzt hatte er den Game Boy doch wieder angeschaltet.

Hilflosigkeit begann sie zu übermannen, ohne dass sie es zu verhindern wusste. Das Terrain, auf das sie sich gewagt hatte, war ihr fremd, und es war nicht die Art von Terrain, auf das man eingeladen wird. Sive hatte das ungute Gefühl, dass er weggeblickt hatte, sobald sie den Namen erwähnt hatte, und nun spielte er wieder.

"Ja." Schussgeräusche, Salven und ein Schrei, als das Männchen auf dem Bildschirm Game Over ging.

"Wer... hat ihn dir gegeben?"

"Weiß nicht. Meine Eltern, nehme ich an." Je länger er sprach, desto ausdrucksloser wurde seine Stimme, gleichsam flach, zweidimensional.

Warum musste sie weiterfragen? Es war nicht gut. Sie würde wieder alles schlimmer machen. Egal wo sie ihre Nase rein steckte, sie machte immer nur alles schlimmer. Wie ein dummes, neugieriges kleines Kind - Kind, das sie war. Warum fragte sie weiter? Er wollte nicht darüber sprechen!

"Und... was bedeutet er?" fragte Sive.
 

"Cross. Englisch: Das Kreuz. Leiden, Trübsal, Not, Widerwärtigkeit. Mürrisch, verstimmt, verdrießlich. Verzerrt, schräg, verkehrt. To cross off: Durchstreichen. To cross someone's path: Jemandem in die Quere kommen. Einen Plan durchkreuzen."

Zwischen jedem Wort ein Knopfdruck, ein Schuss. Der starre Staccatorhythmus von Tatsachen. Der Schmerz in ihrem Kopf.

Sive erschrak. Obwohl Englisch ihre Muttersprache war, hatte sie nicht gewusst, dass das Wort derartig viele Bedeutungen hatte.

"Hast du... das auswendig gelernt?" fragte sie heiser, fast gegen ihren Willen, und ganz und gar gegen ihren Verstand. Es war nicht besser geworden. Aber es bewirkte, dass Sive besser verstand.

Nerd antwortete gar nichts. Dennoch war es wie eine Erleichterung. Auf einmal schien das Leben in seine Stimme zurückgekehrt. Denn jetzt war er es, der fragte:
 

"Sive, wie heißt du?"
 

Als ein Kind hatte Sive ein Gefühl für das Unausgesprochene. Deshalb verstand sie auch sofort: Nerd war nicht an ihrem Namen interessiert, denn den kannte er ja. Nicht 'Wie heißt du?' besagte die Frage, sondern: 'Wer bist du?' Dennoch schwieg zuerst sie einen Moment lang. Sie musste überlegen, um nicht voreilig zu antworten. Sie hatte das Gefühl, dass viel von ihrer Antwort abhing.
 

"Sive," erklärte Sive schließlich, den Kopf in die Hände gestützt, "Si-ve. Siiiii-ve.", um den Klang in den Kopf zu bekommen. Sie wusste noch immer nicht, ob sie ihn nun mochte oder nicht, ihren Namen. "Ich glaube, er ist keltisch. Meine Eltern haben mir den Namen gegeben, ich weiß nicht genau, wer von ihnen. Vielleicht waren sie es auch beide zusammen."

Als sie bemerkte, wie aufmerksam Nerd zuhörte, wurde sie mutiger.

"Es heißt, glaube ich, so was wie Güte oder Freundlichkeit. Ich weiß," das Mädchen seufzte, senkte verlegen den Blick, "....es passt nicht sehr gut zu mir."

"Ich finde, es passt sogar sehr gut." widersprach Nerd überraschenderweise.

Freudestrahlend blickte Sive auf: "Ja? Wirklich?"

Nerd nickte. Schüchtern meinte er: "Ich glaube, wenn ich... wenn ich groß bin, hätte ich auch gern eine Tochter... wie dich, Sive."

"Danke," rief Sive überglücklich, "danke! Cross passt auch... ich meine - ich meine... "

Bestürzt brach sie ab.

Mit einemmal fühlte sie sich so elend, sie hätte heulen können. Was um Himmels Willen tat sie? Wie konnte sie die Dinge so schnell vergessen? Auf einmal lag wieder die Spannung in der Luft, Ruhe vor dem Sturm. "Es passt," gelang es Sive, mühsam zu Ende zu sprechen, "überhaupt nicht zu dir. Überhaupt, überhaupt, überhaupt nicht!" Sie musste schlucken, sah wieder weg.

Als sie aufblickte, streckte Nerd ihr statt einer Antwort die Hände entgegen. Er hatte beide Zeigefinger im rechten Winkel übereinander gelegt. Sie bildeten ein Kreuz, und auf einmal fiel ihr auf, wie sehr dieses Zeichen der Button-Taste auf einem Game Boy ähnelte.

"Überhaupt nicht!" schrie Sive, "Überhaupt nicht!" Ruckartig hob sie ebenfalls die Hand, wie um einen bösen Geist abzuwehren. "Überhaupt nicht!", und immer wieder die selben vier Silben, überhaupt nicht, überhaupt nicht, überhaupt nicht...

Nerd ließ die Hände sinken, entsetzt und erschrocken, was er angerichtet hatte. "Sive," stammelte er, "es ist doch egal... Sive... komm schon, beruhig' dich..." Er rutschte ein wenig näher heran und nahm das mittlerweile schluchzende Mädchen unbeholfen in den Arm. "Sive, es ist egal," wiederholte er fast beschwörend, "Sive..." Es war ein sonderbarer Chor, dieses ständige ?Es ist egal', und ?Überhaupt nicht!'.

Wusste er es denn wirklich nicht? Konnte es sein, dass er nicht wusste? Sive schluchzte noch heftiger, soviel zu Güte und Freundlichkeit. Sie wäre jetzt gern weggelaufen, denn sie spürte die drohende Katastrophe über ihrem Kopf schweben. Aber diesmal ging das nicht, sie konnte Nerd nicht so hier lassen. Also zwang sie sich zu einem "Du hast recht. Es ist egal." und versiegelte das nutzlose Schluchzen in ihrem Bauch.

Es war egal.
 

Text & Story (c) by Amber 2001/2002

Illustrations (c) by Willow 2001/2002

Idee (c) by Curse! (Willow, Priss-chan & Amber) 2001/2002



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Sushi
2003-08-13T09:15:17+00:00 13.08.2003 11:15
Mein Gott!
Der Teil mit Nerd ist irgendwei echt tragisch...
ich hatte mich schon gefargt, warum Snake Sives Pate ist und nicht Nerd...
Von:  Sushi
2003-08-13T08:49:54+00:00 13.08.2003 10:49
Gestern fiel mir wieder dien Script in die Hand und ich fing an zu lesen und zu lesen und...
bis es schließlich 2 Uhr morgens war. (nach Kapitel 25 kam nichts mehr!)
Die Geschichte ist so fesselnd und so wunderschön geschrieben, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte. Entsprechend wütend war ich, als mein Vater mitten in den spannendsten Enthüllungen (ich hab echt mitgefiebert, obwohl ich ja wusste, was rauskommt!) anrief, um mich zu überreden in die Theoriestunde zu gehen. Ich bin nicht gegangen. (aus verscheiden Gründen)
Einfach spitze! Klasse! Genial! (Aber lass dir das nicht zu Kopf steigen^^)

Dennoch fielen mir ein paar Kritikpunkte bzw. vielmehr Spitzfindigkeiten ein, die ich los werden will:

1. Neesans Erwähnung, dass sie zweieiige Zwillinge seien, empfand ich als völlig überflüssig, da sie ja Junge und Mädchen sind und zudem noch verschiedene Haarfarben haben.
2. War ich überrascht, dass Princess nicht an den Badefreuden teilnahm, hatte ich sie doch als waschsüchtige Sauberkeitsfanatikerin in Erinnerung. Allerdings ist sie wohl wirklich nicht die Art Mensch, der in Kleidern badet.
3. Der Gebrauch von ungewöhnlichen Fremdwörtern macht wahrscheinlich nur meinem Spatzenhirn zu schaffen.... dafür gibt es ja Wörterbücher.
4. im Kapitel Geschichtenerzähler hast du sehr häufig Formulierungen mit machen verwendet, was mir stilistisch nicht so gut gefiel, bin besseres von dir gewohnt.
Ist ein Spiegelbild nicht eigentlich immer "umgekehrt" ? (wenn die beiden Rücken gegen Rücken saßen, ist es doch ganz normal spiegelbildlich, oder?)
5. Die Stelle, wo Sive zu God ins Bett kriecht, fand ich einfach total süß! (das war jetzt ein Lob und keine Kritik^^)

Ok, das war's. wie gesagt, keine ganz ernst gemeinte Kritik, bis auf Punkt4. Ich finds einfach klasse!
Von: abgemeldet
2002-09-09T12:22:34+00:00 09.09.2002 14:22
Genial. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich muss ja auch noch die nächsten Teile kommentieren. :)
Cu Hitomi16
Von: abgemeldet
2002-09-06T15:37:18+00:00 06.09.2002 17:37
Es geht weiter , es geht weiter tralala tralala dadadadada *sing und im Kreis dreh* dididi schreib bald weiter, schreib bald weiter dadada tralala tralilalilili .....

Wo bleibt mein Applaus ?!
Von: abgemeldet
2002-09-06T15:14:05+00:00 06.09.2002 17:14
Jaaaa!!!! Es geht weiter!!!! *wieeincheerleadertanzentu* Hurra! (hurra der Pumuckl ist wieder da. *lol* *g* Kennt ihr das?) Schreib bitte schnell weiter!!!!!


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