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Menschen, die auf Gras wandeln I+II+III

von

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Kapitel 40

Kapitel 40
 

Sie schritten die hohen Gänge des Palastes entlang und ein jeder, an dem sie vorbeigingen, neigte nicht nur seinen Kopf, sondern sah ihnen auch verstohlen hinterher. Der Pharao hatte einen blaugewandeten Priester an seiner Seite, den niemand je gesehen hatte. Es war nicht ungewöhnlich, dass er einen Priester mit sich führte, aber ungewöhnlich war es, dass er über andere Dinge als Religion mit ihm sprach. Und ungewöhnlich, dass der Priester so seltenschön war. Groß, sehr groß, kräftig von Statur wie ein Bauer, grazil in seinen Bewegungen wie eine Frau und so gebildet im Sprechen wie ein Gesellschafter. Eine wahrhaft seltene Erscheinung für einen Priester. Und der Pharao, man konnte es nicht beschreiben, hatte sich verändert. Ihn umstrahlte eine warme Aura von Glück und Ausgelassenheit, von Zufriedenheit. Eine Aura von Verliebtheit, das sah jeder.

„Mein Pharao“ bat Seth als sie in die große Halle eintraten, in deren Mitte ein gedeckter Tisch umgeben von Sitzkissen lag. Er war fasziniert von der ganzen Gewaltigkeit und der Schönheit dieses Palastes und so war auch diese wunderbare Halle mit den himmelhohen Säulen zwischen den Wänden ein wahres Kunstwerk. Jedoch fragte er sich: „Weshalb laufen wir durch so viele Gänge für nur ein kurzes Essen? Wäre es nicht leichter, im Saal zu essen, den Ihr mir zeigtet?“

„Die Wege im Palast sind immer lang, mein Seth“ antwortete er mit einem verliebten Lächeln. „Morgen werden wir privat speisen. Heute möchte ich dich ein wenig herumführen und vorstellen.“

„Herumgeführt habt Ihr mich ja nun“ meinte er und ließ seine Blicke voller Respekt vor den Bauherren über die aufwändig verzierte Hallendecke gleiten, welche ihm in ihrer Feinheit beinahe sämtliche Gedanken raubte. „Aber wem wollt Ihr mich vorstellen?“

„Der Königin.“

Erschrocken ließ Seth die Decke Decke sein und wand seinen Blick unumwunden zurück auf ihn. „Der Königin? Aber darauf bin ich nicht vorbereitet!“

„Du musst dich nicht vorbereiten. Überlass alles mir“ beruhigte er und tätschelte seine Hand, bevor er sie losließ.

„Aber Hoheit“ flüsterte er und beugte sich geheim zu ihm hinab. „Haltet Ihr das nicht für übereilt? Wir haben uns noch keine Geschichte ausgedacht und Eurer Königin einfach so einen Liebhaber vorzustellen ...“

„Beruhige dich und komm herein“ bat er und wies auf den Tisch.

Nervös schweigend ging Seth hinter ihm her, lauschte ihren Schritten, welche auf dem glänzenden Mosaikboden hallten und beobachtete, wie der König seine Diener fortwinkte, um ungestört zu sein.

„Wein oder Wasser?“ fragte er, als er selbst zu den Kelchen griff und einschenkte.

„Wasser“ antwortete Seth abwesend und nahm erst zu spät war, dass unpassender Weise der Pharao ihn bewirtete, anstatt umgekehrt. Er war viel zu sehr mit dem Gedanken beschäftigt, was er der Königin sagen wollte. Immerhin war sie die mächtigste Frau im Reiche. Er wollte ihm den Kelch abnehmen, aber da war es schon zu spät. Seine Gedanken überschlugen sich.

„Lass nur. Entspann dich, mein Seth“ lächelte er und lehnte sich selbst völlig sorglos auf seine Hände zurück. „Die Essen mit meiner Königin sind meist eine sehr entspannende Zeit. Sie ist eine herzliche und unkomplizierte Frau. Ihr werdet euch gut verstehen, ihr beide.“

„Aber wie soll ich mich verhalten? Gibt es Themen, über die sie besonders gern spricht? Dinge, auf die sie Wert legt?“

„Verhalte dich ganz normal. Es wird sich ergeben“ beruhigte er und beugte sich zu ihm, um ihm einen kleinen Kuss auf die Wange zu geben. „Außerdem mag sie schöne Männer und du bist unabdingbar schön.“

„Geliebter ...“ Er seufzte und lehnte sich ihm leicht entgegen, legte ihre Stirn aneinander und ließ sich in den Arm nehmen.

Der Pharao spürte wie nervös er war. Doch selbst wenn er sich selbst kaum anders fühlte, war er hier für ihn verantwortlich und musste ihn stützen. Je geschickter er ihn in die höfische Gesellschaft einführte, umso leichter würde er es haben. An Seths Benehmen würde es sicher nicht scheitern, denn er hatte alles Wissen, welches man für eine gepflegte Konversation benötigte. Und die Königin stellte wahrlich nicht die größte Gefahr dar. Wirklich gefährlich konnten ihnen mehr die Menschen werden, welche im Stande nicht so hochrangig waren und von Eifersucht und Neid zerfressen wurden. Und Neid würde Seth mit Sicherheit früh genug zu spüren bekommen. Doch ganz sicher nicht von der Königin.

„Meine Königin ist wirklich eine sehr liebenswerte Frau“ erzählte er, um ihn ein Stück ruhiger zu stimmen. „Sie spricht sehr natürlich und volksnah. Sie ist ein fröhliches Wesen der Götter.“ Er drückte ihn ein Stück fort und lächelte ihn an. „Anders als ich ist sie auf dem Lande groß geworden. Sie wurde geboren als die älteste Tochter einer angesehenen, adligen Kaufmannsfamilie, welche im Westen in den letzten Jahrzehnten zu großer Macht und vielen Ländereien gekommen ist. Wir wurden verheiratet, um den Westen des Landes an die Krone zu binden und Streitigkeiten vorzubeugen. Und es hat gut geklappt. Es gab keine Regierungsprobleme und ich habe in ihr eine gute Freundin gefunden.“

„Aber Majestät, bitte sagt mir“ bat er und sah ihn vorsichtig an. „Liebt sie Euch? Und Ihr? Liebt Ihr sie?“

Er hob ein kleines Lachen an und streichelte seine Wange. „Bei den Göttern, Seth. Denkst du, ich würde ihr in diesem Falle einfach so meinen Geliebten vorstellen?“

„Nein, das denke ich nicht“ entschuldigte er und fuhr sich atmend sein seidiges Haar aus der Stirn. „Bitte verzeiht. Ich bin nervös.“

„Das musst du nicht sein. Wirklich nicht. Sie ist eine wundervolle Frau, die du sicher ebenso ins Herz schließen wirst wie ich. Wir sind gute Freunde, sehr gute Freunde. Aber unsere Liebe ist rein politischer Natur.“

„Ich dachte nur ... ich kann es mir nicht vorstellen, wie man Euch nahe sein kann, ohne Euch wie wahnsinnig zu lieben. Ich könnte das nicht.“

„Ich bin einfach nicht jedermanns Geschmack. Aber danke für deine lieben Worte.“

„Ich werde euch nicht beschämen“ versprach er und richtete sich würdevoll auf. „Ihr werdet sehen. Ich werde mich gut mit der Königin anfreunden und ihr ein gepflegter, angenehmer Unterhalter sein.“

„Das wirst du sicher“ nickte er stolz. „Bei dir habe ich keine Bedenken. Da kommt sie auch schon.“

Er wies in Richtung der Tür, zu welcher Seth sich erst umdrehen musste. Er sah eine bildschöne Frau in Begleitung einiger Diener hereinkommen. Ihr rabenschwarzes Haar fiel glatt über ihre Schultern und war mit einer schmalen Krone in Form eines Ringes um die Stirn gehalten. Die Kohle um ihre schmalen Augen ließ sie einen Ton blasser wirken, obwohl sie ein tiefes Braun zierte. Ihr hellgraues Kleid war schlicht, fast formlos und schmiegte sich an ihren elegant schwingenden Körper wie Wind an einen Baum. Sie trug keine Schuhe, aber Ringe um ihre Zehen und Goldschmuck an ihren Handgelenken, sowie ein aufwändig mit Goldfedern verziertes Geschmeide am schmalen Hals. Das Volk schwärmte von einer gottgleich schönen Königin und es übertrieb nicht. Sie war eine Frau von dem Atem einer Göttin berührt und mit Schönheit reichlich gesegnet.

„Wer ist der Mann bei ihr?“ fragte Seth im Flüsterton, als er sich gemeinsam mit dem Pharao von seinem Kissen erhob.

Der Mann neben ihr war eindeutig kein Diener. Er war in etwa so groß wie sie, trug sein lockenschwarzes Haar zu einem leichten Zopf gebunden. Mit seiner dunkelroten Kleidung und den gelben Bestickungen wirkte er ein wenig ausländisch, zumal er keinen Rock, sondern eine weite Hose um die Beine trug. Sein kantenloses Gesicht wurde von einem Lächeln geziert, trotzdem wirkte es neben dem Glanz der Königin verschwindend.

„Ich sehe, er ist hier“ murmelte der Pharao und flüsterte Seth zu. „Der Mann ist Ephrab Inasis Enkh. Ein Sohn aus reichem Hause nahe der östlichen Grenze zum Orient. Seine Familie hat viel Besitz, ist aber nicht geadelt. Er kam vor zwei Jahren in die Stadt, um Geschäftsbeziehungen aufzubauen und meine Frau zu verführen.“

„Er ist ihr Liebhaber?“ fragte er überrascht und sah ihn genauer an. Die Königin hatte also auch eine Affäre!

„Ja, das ist er und ich wusste nicht, dass sie ihn heute hier hat. Wir mögen uns nicht besonders, da er sehr radikale Ansichten vertritt, die ich nicht teile, aber das wirst du selbst schnell feststellen. Wir kommen aber ihr zuliebe miteinander aus, da er in Regierungsangelegenheiten nicht involviert ist. Bis jetzt jedenfalls nicht. Abunami! Meine Liebe!“ Er breitete seine Arme aus und strahlte seine schöne Königin an, welche in einen aufgeregten Trabschritt einfiel und ihm in den Arm lief. Wie zwei lang vermisste Freunde umarmten sie sich, küssten ihre Wangen und blickten sich glücklich an. „Wie geht es dir, meine Königin?“

„Hervorragend“ strahlte sie ihn erfreut an, ihre Stimme so sanft und honigsüß, wie man es erwartete. „Und Euch, mein Gemahl? Wie habt Ihr die lange Reise überstanden? Ach, ich kann kaum sagen, wie sehr ich Euch vermisste!“

„Ich habe dich auch vermisst, Liebe“ antwortete er und drückte sie nochmals, bevor er sie losließ und sich ihrem Verehrer zuwand. Ganz der Sitte nach, grüßte nicht er ihn, sondern ließ sich ansprechen, während er ihm seine Hand darbot.

„Mein Pharao.“ Der fremd orientalisch wirkende Mann nahm die gereichte Hand, verbeugte sich tief und küsste sie. „Ich freue mich über Eure gesunde Rückkehr.“

„Schön, dich zu sehen, Ephrab“ antwortete er freundlich, aber ein wenig trocken. Eher geschäftlich. Ganz anscheinend hielt er an sich, um seine kleine Abneigung nicht herauszukehren. Er war der Liebhaber seiner Frau, mehr nicht. Er nahm seine Hand zurück und drehte sich zu Seth herum, streckte seinen Arm aus, um ihn herantreten zu lassen.

„Abunami, ich möchte dir einen neuen Priester vorstellen“ lächelte er und sprach viel liebevoller zu seiner Frau als zu ihrer Begleitung. „Dies ist Seth Chuanch Amun Sanacht. Ich habe ihn aus dem roten Wüstentempel auf Empfehlung von Chaba Djedef Re mitgebracht und er wird fortan meine Seite zieren.“

„Ja, eine Zier ist er wahrlich.“ Sie ließ ihren Blick wohlwollend an Seths hoher Statur hinauf und hinunter wandern und legte einen anerkennenden Gesichtsausdruck auf ihr zartes Gesicht. „Sei mir willkommen, Seth Chuanch Amun Sanacht.“ Auch sie streckte ihm zum Gruße ihre Hand entgegen und er nahm sie dankend an.

„Es ist mir eine Ehre, Euch kennenlernen zu dürfen. Verehrte Königin Abunami.“ Er verbeugte sich, ging auf die Knie und hauchte einen ergebenen Kuss auf die grazile Frauenhand. Sie war wirklich zart und roch nach würzigen Ölen. Die Königin war eine wunderschöne Frau und wurde des Pharaos absolut gerecht. Eine solche Frau war dazu berufen, Königin genannt zu werden.

„Hab Dank. Bitte steh auf“ bat sie und trat nahe an ihn heran, als er sich zu voller Größe erhoben hatte. Sie war so frei, an seine Unterarme zu greifen und ihm tief in die Augen zu sehen. Wie ein fasziniertes Mädchen vor einem Schmuckstück stand sie da und betrachtete ihn eingehend. „Seth, du bist wirklich wunderschön“ strahlte sie und blickte ihn unverhohlen bewundernd an. Ja, sie hatte eine Schwäche für schöne Männer. „Dieses wunderbare Haar und die Farbe deiner Augen. Bist du wirklich Ägypter?“

„Jetzt mach ihn nicht verlegen“ lachte der Pharao und erlöste ihn von seiner Frau indem er sie freundlich am Arm nahm und zurück zog.

„Einen schönen Priester, den Ihr uns da bringt“ gratulierte sie ihm gut gelaunt und lachte fröhlich zurück. „Seth, du wirst dich hoffentlich gut in unserem Tempel einleben. Versprichst du mir den ersten Tanz auf dem nächsten Fest?“

„Nichts lieber als das, verehrte Königin“ antwortete er mit einem respektvoll neigenden Kopf. „Darf ich Euch ebenfalls ein Kompliment machen? Ihr seid noch viel schöner, als ich es mir vorgestellt habe. Das Volk untertreibt nicht mit seinen verehrenden Worten. Es wird mir eine Ehre sein, Euch in meine Gebete einzuschließen.“

„Du bist sehr liebenswert, Seth. Ich hoffe, wir werden uns gut anfreunden.“

„Das werdet ihr sicher“ bestärkte der Pharao und nahm ihn zum Zeichen seiner Worte an der Hand. „Abunami, bevor du es über Gerüchte erfährst. Ich möchte mit Seth zusammensein und würde mich sehr freuen, wenn du uns deinen Segen gibst. Ich weiß, es kommt etwas überraschend, was mir sehr leid tut. Aber ich habe mich in ihn verliebt und möchte ihn bei mir haben. Ich sage es dir, damit wir ehrlich vor dir stehen.“

„Ja, das ist in der Tat überraschend“ meinte sie und blickte zwischen den beiden ein paar Mal hin und her. „Ein Mann? Mein Gemahl, ich wusste nicht, dass Ihr Männern so zugeneigt seid. Ihr sagtet niemals etwas derartiges.“

„Ich neige weder zu Frauen noch zu Männern, Liebste. Aber Seth ist in meinem Herzen und ich hoffe, dass er hier auch deine Freundschaft genießen darf.“

„Und das, wo der Gott Seth doch Eure liebste Gottheit ist.“ Sie fand ihr Lächeln wieder und nickte ihm bejahend zu. „Aber wenn Ihr es Euch so wünscht, werde ich dem gern entsprechen. Zugegeben, bei einem so schönen Mann wäre ich auch schwach geworden.“

„Zu spät, der ist nun vergeben“ lachte er.

„Na, da seid Euch nicht so sicher. Die Waffen der Frauen hat noch kein König übertrumpft.“

„Du machst mir Angst, Abunami.“ Das Königspaar lachte ganz herzlich, während die beiden Liebhaber eher gezwungen freundlich einstimmten. Seth war die große Bewunderung der Königin ein wenig peinlich und Ephrab schien ein wenig eifersüchtig zu werden, dass seine Geliebte so positiv über einen fremden Mann sprach. Jedenfalls ließ er seinen Blick eher kritisch, wie zufällig über Seths hochgewachsenen Körper wandern und schien sich innerlich mit ihm zu vergleichen, was seinen Augen ein kleines Blitzen verlieh.

„Nun schau doch nicht so gequält“ klopfte sie ihm da aber auch schon auf die Schulter und zwinkerte ihm zu. „Begrüße unseren neuen Priester, Ephrab.“

„Ich grüße Euch, Seth Chuanch Amun Sanacht.“ Seine Stimme war kräftig und klar und zeigte, dass seine Verbeugung eher aus Standesgründen erfolgte. Er schien ein etwas mürrischer Mensch zu sein, das hörte man an seiner Stimme. Aber vielleicht war er zur Königin auch einfach anders als zu Männern. Trotzdem verneigte er sich so tief wie nötig und küsste Seths Hand, als er sie ihm hinhielt. Immerhin hatte er als Priester auch eine gewisse Stellung und musste ehrbar begrüßt werden.

„Mögen die Götter dich segnen, Ephrap, und dir ein langes Leben schenken“ sprach er und ließ ihn hochkommen.

„Ich danke Euch, Seth“ nickte er und damit war das auch für ihn erledigt.

„So, Männer. Und nun lasst uns sitzen und essen.“

„Nach dir, Liebste“ bat der Pharao und reichte ihr höflich die Hand, um ihr beim Setzen zu helfen. Neben ihr nahm ganz selbstverständlich ihre Affäre Platz, während sich der Pharao mit seinem Priester auf der anderen Seite niederließ.

„Und nun erzählt“ zwinkerte sie ihrem Gemahl zu und griff sich einen großen Bund Trauben, den sie genüsslich zu den Lippen führte, während der Pharao die Diener mit den Gaben heranwinkte. „Wie habt Ihr so einen schönen Mann inmitten der Wüste gefunden? Verratet mir Euer Geheimnis.“

„Das ist kein Geheimnis, Liebe. Das ist Glück“ lachte er und nahm sich selbst ein Stück Brot aus dem Korb, den man ihm hinhielt. „Wir sind auf dem Rückweg aus Tschad in ein paar Sandstürme geraten und mussten einen Umweg machen. Zufällig sind wir zum Festtage des Imhotep in der Nähe des Haupttempels gewesen und haben beschlossen, dort ein wenig Rast einzulegen und unsere Vorräte aufzufüllen. Seth feierte an diesem Tag seine Weihe und da sah ich ihn. Ich sah ihn und es war Liebe auf den ersten Blick. Ich habe ihn gefragt, ob er mit mir kommen möchte, zumal Chaba ihn empfohlen hat. Erst hat er ein wenig gezögert, ist mir dann aber doch gefolgt. Und nun sind wir hier.“

„Dann hat er Eure Liebe sofortig erwidert? Ach, wie romantisch.“

„Nein, nicht sofort“ musste er eingestehen. „Erst haben wir ein wenig Zeit miteinander verbracht. Seth war da nicht ganz so schnell wie ich. Aber als wir kurz vor dem Palast am überschwemmten Nil entlangkamen und des Abends gemeinsam am Ufer saßen, da hat es ihn wohl überkommen. Das ist nun erst zwei Tage her.“

„Zwei Tage. So frisch noch“ lächelte sie und sah Seth herzlich an. „Ich hoffe, du weißt, worauf du dich einlässt. Mein Gemahl hat einige sehr merkwürdige Angewohnheiten.“

„Ach ja?“ lachte er und lehnte sich gespannt zu ihr herüber. „Wollt Ihr mir verraten, welche das sind?“

„Mal davon abgesehen, dass er leidenschaftlich viel und ausdauernd im Palastgarten arbeitet“ überlegte sie und schmunzelte ihn dann dick an. „Er ist auch sehr leicht erregbar, wenn man ihn an den Ohren küsst.“

„Abunami, nicht bei Tisch.“ Der Pharao wurde ganz rot und reichte ihr die Platte mit dem gedünsteten Gemüse. „Iss, sonst wirst du noch dünner.“

„Ha ha ha.“ Sie hatte eine wunderbar helle Stimme und nahm ihm die Speisen ab, reichte sie aber gleich an Ephrap weiter, während sie sich selbst erst von einem Diener den Kelch füllen ließ. „Und sagt, habt Ihr mir etwas von Eurer Reise mitgebracht, Lieber?“

„Natürlich, Liebste. Es wird dir sicher gefallen“ erwiderte er. Daran hatte er glücklicherweise noch gedacht, um sie zufrieden zu stellen. „Möchtest du es jetzt haben oder nach dem Mahl?“

„Gern jetzt. Aber erst muss ich mal bestaunen, was Seth da tut.“ Sie lehnte sich über den Tisch und beobachtete genau seine Hände. Er hatte sich einen spitzen Stab aus Metall und ein langes Messer genommen und schnitt ein großes Stück Fleisch aus dem gereichten Braten. „Schneidest du dir dein Fleisch immer selbst?“

„Warum? Ist es Euch nicht recht?“

„Lasst das die Diener machen“ meinte Ephrap abgeklärt. „Dazu sind sie doch da.“

„Verzeiht, das habe ich nicht gewusst.“

„Das stellte man vor einigen Jahren am Hofe ein, sich selbst das Fleisch zu schneiden, da sich einige ungeschickte Gäste am Messer verletzt haben“ erklärte der Pharao. „Aber Seth ist noch ein Mann der traditionellen Etikette.“

„Dann werdet Ihr Euch hier umgewöhnen müssen“ warf Ephrap ein. „Wenn Ihr mögt, werde ich Euch eine Zofe senden, welche Euch gern die Neuerungen der höfischen Etikette näher bringen wird, die anscheinend noch nicht bis in die Wüste vorgedrungen sind.“

„Ach, das ist doch so viel schneller erklärt“ meinte die Königin. „Es ist nur das Schneiden des Bratens und dass der Teller für den Abfall neben dem Tisch gelagert wird, anstatt darauf. Mehr gibt es da nicht. Dafür braucht Seth keine Zofe und die Priester im roten Tempel sind für ihre gute Erziehung bekannt.“ Aber dann strahlte sie Seth an und senkte verführerisch ihren Blick. „Ich würde es aber gern mal versuchen, ein Stück abzuschneiden. Zeigst du es mir?“

„Abunami“ echauffierte sich ihr Geliebter. „Du weißt doch, dass du das nicht tun solltest. Wenn du dich verletzt!“

„Das sehe ich aber auch so“ lächelte der Pharao. „Bei dir sieht der Braten hinterher immer aus wie ein Kriegsfeld. Zu schneidest nicht, du rupfst, meine Liebe.“

„Nicht nur deshalb. Es ist einer Frau von deinem Stande unzierlich, Fleisch zu schneiden.“

„So ein Papperlapapp“ schnippte sie und stemmte die Hände in die Hüften. „Die Frauen im Volke schneiden auch ständig ihr Fleisch selbst, Ephrap. Und Euch, mein Gemahl, lasst Euch sagen, dass auch ich noch lernfähig bin. Bei schönen Männern lernt es sich leichter.“

„Aaaaaahhhhh, sind wir etwa nicht schön?“ schimpfte der Pharao scherzend heraus.

„Schön ja, aber nicht so elegant wie Seth“ meinte sie und zwinkerte den an. „Zeigst du mir, wie du den Braten schneidest?“

„Ihr macht mich verlegen, Majestät.“ Trotzdem erhob er sich und setzte sich zur ihr neben ihr Kissen, wo sie sich auch sofort an seinen Arm schmiegte wie ein junges Kätzchen. „Nicht schmusen. Hier, macht selbst“ forderte er sie freundlich auf und hielt ihr höflich das lange Messer hin. Dass er sie dabei leicht umarmte, schien ihrem Gefährten dabei in den Augen zu stechen, so tief wie er langsam den Atem einzog.

„Ich?!“ Die Majestät war entzückt. Sofort griff sie ihm das Besteck aus der Hand und machte sich an dem Braten zu schaffen. Sie spießte den Stab hinein, um ihn festzuhalten und begann mit kräftiger Hand zu schneiden. Der geschockte Blick ihres Geliebten und das Kichern ihres Gemahls schien ihr entweder zu entgehen oder sie beachtete es nicht weiter. Doch so wirklich wollte es nicht klappen. Sie säbelte und schnitt und rupfte, doch ein anständiges Stück bekam sie nicht aus dem dicken Brocken von Tier, welches den beiden Dienern, die ihr das Opfer hinhielten, langsam lange Arme machte. „Gleich hab ich’s“ knirschte sie entschlossen mit den Zähnen. Die Königin und ihr ewiger Kampf mit dem Braten. Der König hatte Recht. Sie war eine sehr natürliche und unkomplizierte Frau.

„Darf ich Euch helfen?“ bot Seth freundlich an. Er griff respektvoll an ihre sanften Hände und erlöste das tote Tier von noch mehr Qualen. „Schaut her, Majestät. Hier, wo ihr schneidet, befindet sich der Rückenknochen. Da könnt ihr lange sägen bis Ihr den durchtrennt habt. Besser, Ihr schabt das Fleisch in länglichen Stücken ab. So.“ Er führte ihre Hände mit ganz viel Sanftheit und verwunderte sie damit, wie leicht das ging. Stück für Stück trennte sich ein saftiges Teil nach dem anderen vom Knochen ab und fiel auf die Platte.

„Und ich dachte, es läge am stumpfen Messer.“

„Nein, das Messer ist scharf. Nur der Knochen ist sehr hart. Ihr müsst Euch vorstellen, das Tier wird meist mit dem Bauch nach unten gelegt. So könnt Ihr Euch denken, wo die Knochen sind.“

„Ah! Ach so!“ Sie leuchtete ihn an und zeigte ihr glücklichstes Lächeln. „Jetzt weiß ich! Das hat mir nie jemand erklärt!“

„Es geziemt sich ja auch nicht für eine Königin, Fleisch zu schneiden“ meinte Ephrap ernst. „Abunami, lasst mich das doch für Euch tun.“

„Nein, nicht doch. Man weiß doch nie, in welche Situationen man mal kommt. Vielleicht ist mir das irgendwann nützliches Wissen. Zum Beispiel, wenn ich zu einem Landherren eingeladen werde. Dann kann ich ihn beeindrucken.“

„Das könnt Ihr sicher, Hoheit“ nickte Seth und ließ zufrieden ihre Hände los. „Ich glaube, die Gazellen müssen sich in Zukunft vor Euch in Acht nehmen.“

„Solange sie schon tot sind zumindest“ meinte sie. „Die Jagd ist nichts für mich. Ich mag Fleisch, aber nur, wenn es schon zubereitet ist. Sag, Seth. Hast du schon mal gejagt?“

„Gejagt nicht, aber Tiere ausgesucht und zubereitet. Ich denke, mein Gansbraten ist recht genießbar. Und Ihr?“

„Was für eine Frage“ schlug Ephrap dazwischen. „Priester, ich bitte Euch. Eine Tochter aus gutem Hause bereitet doch keine Speisen zu.“

„Aber zugesehen habe ich schon“ erzählte sie frei heraus. „Als ich noch bei meiner Familie liebte, hatten wir eine Sklavin. Die dicke Ashka haben wir sie genannt und sie war immer sehr lieb. Wie eine zweite Mutter haben meine Schwester und ich sie empfunden. Obwohl sie nur eine Sklavin aus dem Süden war, hat sie für uns erstaunliche Dinge getan. Ich durfte ihr oft in der Küche Gesellschaft leisten und sie hat mir das Kochen erklärt. Leider hat mein Vater mir Sklavenarbeit verboten, aber ich fand es schön, mit ihr zusammenzusitzen und mir alles erklären zu lassen. Sie hat viel gelacht und manchmal aus den Früchten lustige Tiere geschnitzt. Aber so fingerfertig bin ich nicht. Leider.“

„Jeder hat andere Talente“ meinte Seth. „Und wenn ihr da noch mehr Fleisch abschneidet, könnt Ihr die ganze Kompanie versorgen.“

„Oh!“ Da war sie so ins Reden gekommen und hatte sicher schon die Hälfte des Bratens in längliche Stücke zerteilt, so eifrig war sie dabei. „Ach je!“ lachte sie und legte das Besteckt hin. Wohl auch zur Erleichterung der Diener, welche noch immer die schwere Platte hinabhielten. „Nun, Männer. Möchte jemand ein Stück Fleisch? Ephrap, du vielleicht?“

„Natürlich. Dann lasst sehen, was Ihr da bei dem armen Tier verursacht habt.“

„Sei nicht immer so gemein.“ Sie haute ihm lachend auf den Arm und nahm sich selbst noch ein kleines Stück Braten, bevor die Diener dann um den Tisch wanderten und auch den anderen etwas anboten. „So, jetzt bin ich aber bereit“ beschloss sie und schenkte ihrem Gemahl einen funkelnden Blick. „Was habt Ihr mir mitgebracht?“

„Eine Überraschung.“ Er gab einem der Kammerdiener den Wink, dass er jetzt die Geschenke zu überreichen wünschte. Dieser griff neben sich unter ein Tuch und trug dann ein in gelben Stoff gewickeltes Päckchen herüber, kniete nieder und reichte es dem Pharao. „Für dich, Liebes.“ Er nahm das Geschenk und überreichte es ihr über den Tisch hinweg aus eigenen Händen.

„Dankeschön.“ Sie nahm es sofort, rutschte ein Stück zurück und wickelte voller Spannung den Stoff ab. Sie liebte Geschenke! Zum Vorschein kam das hellgraue Kleid, welches er auf dem Markt in Nove Vasaa zum überteuerten Preis erfeilscht hatte. Die grünen Steinchen auf den Brustbestickungen und die Verzierungen des Saumes aus Gold und Silber wurden ausgiebig befühlt. Dann stand sie auf, hielt das lange, schulterfreie Kleid vor sich, drehte es, ließ es lang herunterfallen und legte es sich dann freudig über den Arm. „Es ist wirklich schön, mein König.“

„Ich wusste, dass es dir gefällt“ lächelte er und nahm sie in den Arm als sie sich zum Dank neben ihn kniete und ihm einen Kuss auf die Wange schmatzte.

„Das Kleid ist wunderbar. Ich freue mich schon darauf, es bei nächster Gelegenheit zu tragen. Wo habt Ihr es erstanden?“

„Wir haben auf unserer Reise einen Aufenthalt in Nove Vasaa gehabt. Das ist eine kleine Händlerstadt, die langsam heranwächst, da dort leicht Wasser zu schöpfen ist und die Handelsstraße nicht fern liegt.“

„Dann kommt das Kleid sicher von weit her“ schätzte sie und legte es behutsam zusammen. „Wenn es aus einer Händlerstadt kommt. Habt Ihr gefragt, wie weit es gereist ist?“

„Nein, leider nicht. Aber der Händler hatte viele schöne Waren. Ich denke, es wurde von Reisenden mitgebracht. Diese grünen Smaragde sind im Orient sehr begehrt bei den Frauen. Ich denke, es ist wohl orientalisch. Was meinst du, Ephrap?“

„In der Tat. Es könnte aus dem Osten stammen“ nickte er skeptisch. Er stammte zwar selbst aus orientalischen Landen, jedoch schien er sich für Damenmode nicht besonders ereifern zu können.

„Auf jeden Fall ist es sehr schön“ lächelte sie ihn lieb an. „Habt Dank, mein Gemahl.“

„Für die Kinder habe ich auch etwas mitgebracht. Weißt du, wo sie sind? Ich hatte gebeten, sie mitzubringen.“

„Der Prinz schließt erst noch seine Sprachstunde ab“ antwortete sie. „Und Piatra schläft bei ihrer Amme. Ich wollte sie nicht wecken, aber ich bat darum, sie zu bringen, wenn sie erwacht. Ugani?“ Sie drehte sich herum und sprach zu einer klein gewachsenen Dienerin, welche sich ihr Kleid etwas sehr eng um ihren korpulenten Körper gewickelt hatte. „Sieh doch bitte nach, ob die Prinzessin wach ist und bring sie uns dann, ja?“

„Wie Ihr wünscht, Majestät.“ Sie verneigte sich und verschwand dann durch den Vorhang hinter sich.

„Wie geht es den Kindern denn? Sind sie gesund?“ wollte Atemu wissen und nippte an seinem Kelch.

„Es geht ihnen sehr gut“ antwortete sie und hielt sich weiter daran, ihre saftigen Trauben zu naschen bis der Braten sich abgekühlt hatte. „Piatra hat vor einiger Zeit gehen gelernt und fragt aufgeweckt nach allem, was sie sieht. Ihre wachsenden Zähnchen lassen sie nachts unruhig schlafen, jedoch wird sich das geben, meinten die Ammen. Wenn sie allzu arg weint, schläft sie bei mir im Bett und dann beruhigt sie sich meist. Sie ist wirklich ein Sonnenschein.“

„Und unser Sohn?“ Es stimmte ihn traurig, dass er seinen Namen nicht nennen durfte. Erst wenn ein Pharao gestorben war, durfte man seinen Namen aussprechen und bis dahin hörte er ihn nie selbst. Aber er hatte sich vorgenommen, das zu ändern. Dafür brauchte er allerdings die Zustimmung der Königin, des Hohepriesters und des Ministerrates. Das würde er dann in den nächsten Tagen in Angriff nehmen, sobald er sich um den drohenden Krieg gekümmert und irgendwann vielleicht auch mal geschlafen hatte.

„Er ist sehr gelehrig und fromm. Du kennst ihn“ erzählte sie weiter. „Er lernt fleißig und besonders die Gebetszeiten im Tempel genießt er sehr. Ich denke aber, das liegt daran, dass wir ihn danach eine Weile mit den dortigen Schülern spielen lassen.“

„Ja? Spielt er?“ fragte er erfreut nach. „Er war doch so schüchtern.“

„Das ist er noch immer, aber ich habe mich durchgesetzt. Seine Lehrer waren der Ansicht, er müsse mehr Sport treiben, um seinen Stolz zu stärken und gesünder essen, um mehr Energie zu bekommen. Ich aber habe befohlen, dass er täglich eine Spielzeit haben soll, die er frei verbringen darf. Seitdem er diese Zeiten bekommt, hat er mehr Energie und ist strebsamer. Auch gesünder, er hat beim Spielen in der Sonne eine ganz dunkle Haut bekommen. Ich denke, es war die richtige Entscheidung, auch wenn sich viele dagegen ausgesprochen haben. Ich hoffe, ich habe dies in Eurem Sinne entschieden.“

„Hast du“ nickte er. „Ich weiß um deine Qualitäten als Mutter. Ich habe den Zeitplan des Prinzen ohnehin für sehr strikt gehalten und bin froh, wenn du ihn etwas lockerst.“

„Jedoch solltest du vielleicht mehr Zeit auf deine königlichen Pflichten verwenden“ meinte Ephrap freundlich zu ihr und sah dann den König an. „Abunami sagt in letzter Zeit vermehrt Empfänge und Besuche ab und kümmert sich nur noch um die Erziehung der Kinder. Ich denke, sie sollte mehr Wert auf ihre Pflichten legen und die Erziehung den Ammen und Lehrern überlassen. So war es seit je her.“

„Du sprichst wie meine Mutter“ erwiderte Atemu trocken. „Ich finde es lobenswert, dass die Königin sich liebevoll für ihre Kinder einsetzt. Wir haben es so besprochen, dass sie an erster Stelle Mutter ist und sich aus der Politik heraushält. Für die Bildung des Thronerben trage ich persönlich Sorge, aber für die persönliche Entwicklung ist die Mutter unabdingbar. Ich möchte nicht, dass meine Kinder ohne elterliche Wärme und soziale Erfahrungen aufwachsen. Wie soll mein Sohn einst ein Volk führen, wenn er nur sich selbst und die Schriftrollen kennt?“

„Ich sehe das genauso“ meinte auch die Königin. „Ich habe keine Kinder geboren, um sie mir dann wegnehmen zu lassen. Weißt du, Seth“ erzählte sie ihm vertrauensvoll. „Mein Gemahl hat sich mit der Königin Mutter zerstritten. Als sie noch hier im Palast lebte, hat sie den Prinzen an sich genommen und ihn mir in jeder Hinsicht vorenthalten. Deshalb hat der Pharao ein Machtwort gesprochen und sie nicht am Gehen gehindert.“ Sie warf einen Seitenblick auf ihren Gemahl, der ganz eindeutig nichts anderes als Zuwendung ausdrückte. „Ich bin ihm noch heute dankbar dafür, dass er sich gegen seine Mutter und für mich ausgesprochen hat. Seit sie fort ist, bin ich selbst erst wirklich eine Mutter.“

„Ich kann schon verstehen, dass die Königin Mutter darüber erzürnt ist“ antwortete Seth mit ruhiger Stimme. „Es war seither Gang und Gebe, dass die Großeltern den Thronfolger erziehen und der regierende Pharao seine Kräfte auf die Amtsgeschäfte konzentriert.“

„Ein wahres Wort, Priester“ stimmte auch Ephrap mit ein. „Ich denke, die alten Traditionen werden zunehmend in den Hintergrund gedrängt. Man sollte sie mehr bewahren, um auch für nachfolgende Generationen die Ordnung zu erhalten.“

„Nein, so war meine Aussage nicht gemeint“ erwiderte Seth. „Ich wollte sagen, ich kann es verstehen, dass die Königin Mutter sich dadurch beleidigt fühlt. Dennoch denke ich, dass der amtierende Pharao bereits viele gute Neuerungen eingeführt hat, die dem Reiche zum Vorteil dienen. Es wäre allerdings alles vergebens erarbeitet, wenn der Sohn daraufhin die Politik des Großvaters wieder aufnehmen würde. Damit ginge eine ganze Regentschaft der Sinnlosigkeit entgegen.“

„Darüber sollten wir hier jetzt nicht sprechen. Ich wollte Seth nur ins Bilde setzen“ lächelte Abunami, die sich in der Rolle der Mutter demnach wohl ausgefüllter fühlte als durch Königspflichten. „Mein Gemahl und Ephrap sind in politischen Dingen häufig unterschiedlicher Meinung. Deshalb wird beim Speisen über Politik nicht gesprochen. Streiten können die beiden sich, wenn ich ihnen den Rücken zukehre.“

„Wir Ihr wünscht, Majestät“ nickte er folgsam. Wenn dies denn so war, wollte er sich auch daran halten.

„Nun, Seth. Erzählt uns doch ein wenig von Euch“ bat Ephrap und füllte seinen Teller erneut mit Brot und Früchten. „Wie seid Ihr dazu gekommen, Priester zu werden? Ihr scheint mir noch sehr jung. Darf ich fragen, wie alt Ihr seid?“

„Im Sommer fülle ich drei Jahrzehnte“ antwortete er.

„Das ist jung für einen geweihten Priester. Jedenfalls denke ich, Ihr seid geweiht, da Ihr das blaue Gewand tragt.“

„Du musst auch zuhören“ ärgerte die Königin ihn. „Der Pharao hat doch erzählt, Seth hatte seine Weihe am letzten Tage des Imhotep.“

„Natürlich, entschuldigt bitte meine Unaufmerksamkeit“ nickte er respektvoll dem Pharao zu, bevor er sich wieder an Seth wandte. „Nun, dennoch ist das sehr jung für einen Priester. Wie seid Ihr dazu gekommen?“

„Seth hat das Priestertum von jung auf kennen gelernt“ antwortete der Pharao wie selbstverständlich. Er und Seth hatten sich noch nicht abgesprochen, was genau sie auf solche Fragen antworten sollten, doch das ließ er sich nicht anmerken. Als König musste er stets überzeugend und ehrlich wirken, selbst wenn er log oder ahnungslos war. Er musste spontan auf alles eine überzeugende Antwort wissen. Und dass er sich genau in diesem Moment in seinem intelligenten Kopf ein paar Sachen zusammenzimmerte, ließ er nach außen hin nicht erkennen. „Sein Vater war bereits Priester in EshkEphrab. Als vor etwa zehn Jahren dort das Land an den Sudan abgetreten wurde, hatte der Bürgerkrieg bereits viele Opfer gefordert, wie du weißt. Unsere Tempel wurden zerstört und alle, welche sich nicht zum neuen Glauben bekehren ließen, wurden gemordet. Ebenso Seths Familie, da sie unserem Glauben nicht abschwören wollten. Nur er konnte sich noch auf ägyptischen Grund retten und unsere Religion behalten. Er hat sich zwei Jahre lang mit Feldarbeiten auf dem Hofe eines alten Bauern durchgeschlagen bis er genug Geld angespart hatte, um seine Priesterlehre fortzusetzen.“

„Ist Feldarbeit bei Grundbesitzern nicht eher Sklavenarbeit?“ mutmaßte Ephrap mit eindeutiger Skepsis.

„Wie gesagt, es war ein alter Bauer und es war keine Sklavenarbeit, da ich dafür Lohn erhalten habe“ erklärte Seth mutig. „Sein einziger Sklave war gestorben und er konnte sich keinen neuen kaufen. Jedenfalls keinen, der kräftig genug gewesen wäre, denn Ihr wisst, wie wenig schwache Sklaven zur Feldarbeit taugen. Zumal der Weg in die nächste Stadt sehr weit für ihn war. Deshalb habe ich ihm geholfen, seine überzähligen Waren manchmal in den Dörfern verkauft und meinen eher schmächtigen Lohn gespart bis ich nach zwei oder drei Jahren genug für ein halbes Jahr Tempellehre zusammenhatte. Ich hoffte, wenn ich mich in dem halben Jahr gut bewähre, würde man mir vom Palast aus eine freie Ausbildung zukommen lassen.“

„Und so war es dann auch“ lächelte der Pharao und schämte sich seiner Lüge nicht im Geringsten. „Damals habe ich sogar persönlich das Ersuchen um eine bezahlte Lehre unterschrieben, wie bei vielen anderen Priesterschülern auch, von welchen man sich gute Ergebnisse verspricht. So wurde Seth von dem kleinen Tempel bei Shinkah in den großen Haupttempel in der Wüste verschickt.“

„Shinkah? Ist das nicht der Tempel, der vor Jahren während der großen Dürre ausgebrannte und nie wieder aufgebaut wurde?“ Ephrap wusste anscheinend sehr gut bescheid über die Geschehnisse in den letzten Jahren. Und er erinnerte sich schnell an Dinge, die er einst gehört hatte.

„Djiag sagte damals, ein Wiederaufbau würde sich nicht lohnen, da die Bevölkerung wegen des ausgetrockneten Flusslaufes ohnehin abwandere.“ Man konnte ihm ja vieles vorwerfen, aber ein schlechtes Gedächtnis hatte der Pharao nicht. Er suchte sich gezielt die Orte aus, welche mittlerweile in anderen Reichen lagen oder welche seit Jahren nicht mehr existieren. Nachzuweisen, dass Seth diese Orte niemals gesehen hatte, könnte schwer werden, wenn nicht gar unmöglich. Und die wenigen Menschen, welche damals dort gelebt hatten, waren mittlerweile über alle Teile des Landes verstreut oder würden sich kaum noch an einen einzelnen Jungen auf dem Markt erinnern können. Zumal darunter keine nennenswert reichen oder adligen Familien waren, welche von Interesse für Ephrab wären. Das hatte der Pharao sich gut zusammengereimt. Wenn sie diese Geschichte gemeinsam noch durch abgesprochene Kleinigkeiten untermauerten, würde ihnen niemand auf die Schliche kommen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  -Fynnian
2008-08-10T22:14:57+00:00 11.08.2008 00:14
Ein interessantes Essen XDDD
Ich an Atemus Stelle wäre ja rasend vor Eifersucht, so wie Seth und Abunami rumturteln. Aber es scheint für ihn wohl normal zu sein...

Mir kommen nur langsam die Altersangaben komisch vor...
Mit 30 jung für einen Priester mag ja sein, aber wenn man bedenkt, dass damals die Menschen mit 40 schon häufig gestorben sind...Wenn ich mich recht erinnere, waren die Priester jünger und begannen schon in der Kindheit mit der Ausbildung...
Es könnte aber auch sein, dass ich das jetzt mit Rom verwechsle, wo die Ausbildung mit vier Jahren begann oder so...

Schade auch, dass ich das Kapitel davor nicht lesen kann. Ich hoffe doch mal, es beinhaltet nichts weiter Wichtiges? Es ist ja schon recht lang...


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