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Celestin - Leid und Sinnlichkeit

von

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Monster

- Monster -

In Paris fanden wir nicht solch ein Erdloch, wie in Hamburg, aber wir fanden noch viel größere. Steinbrüche, direkt unter der Stadt. Es war spannend, dieses unterirdische Reich, direkt von unserem Haus aus zu erforschen. Laferté hatte einen Schacht gegraben, von einer Kammer des Hauses aus, bis hinab in den Untergrund.

Dort unten war es kalt, stockdunkel und man konnte sich nur allzu leicht in dem Labyrinth verirren. Fast die ganze Stadt war unterhöhlt! Mit dem nach oben geförderten Gestein hatte man die Stadt aufgebaut, aber die meisten Stollen waren bereits stillgelegt.

Dort, im Untergrund, richteten wir unseren Schlafplatz ein. Laferté schaffte zwei Steinsarkophage nach unten, die er von irgendwoher aufgetrieben hatte. Darin zu schlafen war herrlich! Heute gebe ich mich aber auch mit einem Kerker und einem Bett zufrieden, auch wenn ein Sarg mir ein sichereres Gefühl gibt.

Etwas Grauenvolles trug sich dort unten im Labyrinth zu. Dazu komme ich gleich, aber zuerst etwas über meine neuen Kräfte. Ein paar Dinge erwähnte ich ja bereits. Ich kann Stimmen hören. Selbst wenn Menschen noch so leise sprechen, kann ich sie noch über weite Distanzen wahrnehmen. Ich habe aber kein Wort-Wirrwarr im Kopf, wie du jetzt vielleicht denkst. Die Stimmen vernehme ich nur, wenn ich es will und ich kann bestimmen, von wo und von wem ich sie hören möchte. Es ist äußerst nützlich wenn man, wie ich, in der Wildnis jagt. Manchmal nehme ich sogar ungesprochene Worte wahr. Das geschieht aber nur, wenn sie in meiner Nähe sind und diese Worte – es sind die Gedanken – gewichtig sind. Ich kann sehr gut sehen, auch im Dunkeln, aber wenn es absolut finster ist, sehe auch ich so gut wie nichts. Riechen kann ich auch sehr gut, vor allem Blut! Ich bin flink und gewandt, springe wie eine Katze und kann klettern wie eine Eidechse. Mit meiner Stimme und mit meiner Berührung, kann ich Menschen ihre Angst nehmen und sie äußerst gefügig machen. Das macht mich, zugegeben, zu einem besonders heimtückischen Killer! Aber auf diese Weise muss mein Opfer nicht unnötig leiden, bevor es stirbt. Oh, und ja, ich habe ein Herz, habe Güte und empfinde Mitgefühl! Das macht es mir nicht immer leicht und erinnert mich daran, wie einsam ich wirklich bin. Ich gebe mir Mühe, nur besonders bösartige Menschen zu töten. Blut ist zwangsläufig meine Nahrung, nur im Blut finde ich Befriedigung, im Blut finde ich Trost.

Europa befand sich mitten in der Renaissance. Laferté, immer modebewusst, trug die schönsten, langen und offenen Schauben (Gewand), in Schwarz und manchmal Rot abgesetzt; selten auch ganz Rot. Unter der Schaube trug er immer nur Schwarz. Er sah sehr beeindruckend aus. Ich hingegen trug eher Pastellfarben, meistens Blau mit weißen Strümpfen.
 

Oft wurde ich von Laferté geweckt, denn er war meistens sehr zeitig wach. Er zündete dann eine Pechfackel an, steckte sie in eine Halterung an der Wand und schob den Steindeckel von meinem Sarkophag zur Seite.

Auch an jenem Abend, als das Schreckliche passierte, weckte er mich. Noch bevor ich aus dem Sarg steigen konnte, umfing er mich mit beiden Armen, presste seine Lippen gegen meinen Hals und grub seine Fangzähne in mein Fleisch. Er trank mein Blut. Er machte das mitunter. Es war so eine Art Spiel von ihm. Laferté machte mich auf diese Weise wild und gierig nach Blut. Wenn mir selbst einiges an Blut fehlte, war es natürlich kein Wunder, wenn mich dürstete. Also trank er zu seinem Vergnügen von mir. Das Blut eines anderen Vampirs zu trinken ist ein himmlischer Genuss, vor allem wenn es in Liebe geschieht! Laferté seufzte, während er trank und ich ließ mich einfach in seine Umarmung fallen. Ich kann dir gar nicht beschreiben, wie schön es ist; nun, ich habe sicher auch so einige Seufzer von mir gegeben.

Plötzlich wurde ich ihm aus den Armen gerissen. Ein grässlicher Gestank lag in der Luft - nach Verwesung, Rauch und Erde - als mich etwas empor riss. Die Fackel war erloschen. Nun war es wirklich stockfinster in unserem Schacht. Oh, dieses fürchterliche, stinkende DING, das mich packte. Ich weiß nicht was es war denn ich konnten es nicht sehen. Es musste gewaltig gewesen sein! Es riss mich hoch in die Luft, während ich versuchte, mich aus der Klaue zu befreien, die mich fast zerquetschte. Was war es? Auf jeden Fall war es gewaltig, größer noch, als das Monster, das DU getötet hast. Ich hörte Laferté nach mir rufen. Er klang äußerst besorgt. Das DING wirbelte mich in der Luft herum, die Klaue löste ihren Griff und ich wurde gegen die Steinwand geschmettert. Ich fiel zu Boden. Gleich darauf fühlte ich Lafertés Hand auf meinem Rücken. Er rief mir etwas wie: „Komm, steh schnell auf!“, zu, doch im nächsten Moment schoss diese Klaue erneut auf uns herab und trennte uns wieder. Ich war nicht mehr in der Lage zu fliehen. Laferté hatte mich mit seinem ‚Spiel‘ zu sehr geschwächt.

Abermals war ich in diesem erdrückenden Griff gefangen. Ein Zerren an meinem Bein - dann ein schrecklicher Schmerz! Ich spürte noch, wie eine zweite Klaue sich um mein linkes Bein schloss, wie diese zwei Klauen an mir zerrten, als wollten sie mich in zwei Teile zerreißen. Ich fühlte mich blutleer, benommen und war kaum noch in der Lage, etwas wahr zu nehmen. Ich konnte noch Lafertés Rufe hören und war bis zu dem Moment als Laferté zu mir fand, bei Bewusstsein. Dann wurde es still um uns. Laferté war bei mir und das grauenvolle Unbekannte verschwunden. Geflohen? Ich sah Lafertés wundervolles, weißes Gesicht vor mir; aber es verblasste langsam…
 

Langsam, kam ich wieder zu mir. Als ich in Lafertés Gesicht blickte, das von einer einzigen Kerze erhellt war, bekam ich Angst, denn er sah mich so gütig an. Als er dann leise sagte: „Keine Sorge, ich setze es dir wieder an“, bekam ich noch mehr Angst.

Ich spürte überhaupt nichts, konnte mich noch nicht einmal bewegen. Laferté reichte mir seine Hand und sagte einfach: „Trink, damit die Wunde verheilen kann.“

Ich wusste nicht, wovon er sprach. Eine Wunde? Meinte er mich? Etwas beunruhigt nahm ich sein Handgelenk entgegen. Es blieb mir auch kaum etwas anderes übrig, denn er hielt es direkt an meinen Mund. Also trank ich das Blut aus seiner Pulsader. Seine Hand war blutig, aber es war nicht sein Blut. Ich konnte es riechen – es war mein Blut.

„Genug, du bekommst gleich mehr“, meinte er und zog die Hand zurück.

Langsam klärte sich mein Blick. Ich fühlte wieder etwas; etwas, das nicht in Ordnung war.

„Ich habe dein Bein wieder gefunden, es ist noch ganz“, erklärte Laferté weiter.

Mein Bein? - Oh ja, jetzt spürte ich Schmerzen in meiner Hüfte. Sie wurden immer zerrender, fast unerträglich, doch auch irgendwie seltsam taub. Mein Bein - ich hatte mein Bein verloren! Ich musste es sehen - wollte es nicht glauben. Ich rappelte mich auf, um an mir herab sehen zu können. Da war es - mein Blut - überall - und das Bein - einfach nicht mehr da - das ganze Bein aus der Hüfte gerissen - die Wunde umrandet von Fetzen aus Fleisch! Ich war zum Sterben verdammt - wie sollte ich das überleben!? Ich klammerte mich an Laferté, der mein blutiges, weißes Bein in den Händen hielt, noch beschuht und mit zerfetztem, blutgetränktem Strumpf. Ich war von Entsetzen gepackt. „Lass' mich nicht sterben!“, flehte ich ihn an.

Laferté küsste meine Stirn. Er legte das Bein an die Stelle, wo es eigentlich hingehörte und ich spürte, wie das dämonische Blut in mir zu pulsieren begann. Mein Blut hatte ein Eigenleben - es bewegte sich ganz eindeutig. Ich umarmte meinen Liebsten ganz fest, damit ich die Schmerzen ertragen konnte; aber es verschaffte mir kaum Linderung. Verzweifelt biss ich in Lafertés Hals. Instinktiv traf ich seine Halsschlagader. Er streichelte mich ruhig.

„Ja, so ist es gut mein Engel. Es geht gleich vorbei“, sagte er beruhigend.

Das Blut in mir brodelte regelrecht. Es arbeitete, als wären abermillionen winziger Ameisen in meinen Adern.

„Laferté, was wird jetzt aus mir?“, fragte ich verzweifelt und er antwortete:

„Dein Blut wird die Wunde heilen, es wird dich wieder zusammenfügen. Es dauert nur einen Tag.“

Ich wollte das gerne glauben, aber dieses lebende Blut machte mir Angst, sogar mehr noch, als der mögliche Verlust des Beines. Ich trank jetzt nicht mehr, denn ich war gesättigt. Ich befragte ihn über dieses Brodeln in meinen Adern, aber er sagte nur, dass es dazu gehöre. Er konnte es nicht besser erklären, denn er meinte, er wüsste nicht mehr darüber, als ich.

„Wunden kommen und gehen, und man muss sich nicht weiter darum sorgen“, hatte er nur gesagt.

Laferté hüllte mich in ein Tuch und trug mich in meinen Sarg zurück. Er sah schrecklich aus, ausgemergelt und blutleer. Sein Gesicht war von tiefen Furchen gezeichnet, die im Schein der einzelnen Kerze noch tiefer wirkten, als sie wohl tatsächlich waren. Er brauchte Blut. „Laferté, kommt dieses Monster nicht wieder? Wo ist es hin?“, fragte ich.

„Ich weiß es nicht, aber es ist geflohen, als ich Licht machte.“

„Hast du es gesehen?“

„Nein, noch nicht einmal einen Schatten davon. Es war einfach fort, als das Licht anging.“

„Dann lass das Licht an. Es darf nicht mehr erlöschen.“

Ich streichelte sein zerfurchtes, kaltes Gesicht, es war ganz hart. Dann flüsterte ich: „Du brauchst Blut.“

Er nahm meine Hand und nickte, dann ging er und ließ mich allein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Annatar
2006-07-04T14:08:23+00:00 04.07.2006 16:08
Was war das denn für ein Monster? Oje, da bekommt man ja Angst!>,< *flücht*~
Das mit dem Bein...aua..
Nunja, auch dieses Kapi war, wer hätte es gedacht, wieder sehr schön! Uii, Laferté tut mia so leid! Und Celestin erst!O.O' *uhaaa*

Karura-chan


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