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Schwarzer Drache: Geisterdrache

Schwarzer Drache IV
von

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70. Blut

Dass sich die scharfe Spiegelscherbe nicht direkt in Tassilos Herz bohrte, lag allein daran, dass sich sein Arm vor der Brust befand, als Hitomi zustach. Die Scherbe drang tief in den Arm ein und Blut sprudelte hervor. Der rote Strom bespritzte nicht nur den Diktator, sondern auch Hitomi. Der Manticor stieß einen unmenschlichen Schrei aus.

Hitomi starrte ihn fassungslos an. Sie hatte versagt – und wahrscheinlich gerade ihr Leben verspielt. Blutverschmierte Hände schlossen sich um ihren Hals und drückten erbarmungslos zu. Sie schnappte verzweifelt nach Luft.
 

Sayuri stand mit ausdrucklosem, bleichen Gesicht dabei. In ihren Gedanken arbeitete es. Sie wurde benutzt. Nichts weiter als benutzt. Es geschah genau das, was sie so oft mit anderen getan hatte. Sie hatte sie benutzt, ausgenutzt und weggeworfen, wenn sie die anderen nicht mehr gebraucht hatte. Doch jetzt wurde sie benutzt. Und dieser Mann würde sie niemals wegwerfen. Sie würde sein Spielzeug sein – bis ans Ende ihres Lebens. Was sie an endlosen Grausamkeiten erwartet, konnte sie zwar nur erraten, aber allein das reichte aus, um sie fast panisch werden zu lassen.

In ihr reifte eine Entscheidung. Die einzige Quasi-Verbündete, die sie hatte, war Hitomi. Hitomi kämpfte gegen den Mann an, der sie – Sayuri – versklaven würde. Also musste sie an Hitomis Seite treten. Aber dennoch musste sie den Schein wahren, wollte sie nicht ihr Leben verlieren.

Sayuri sprang vor, griff nach Tassilos blutverklebten Händen und zerrte daran.

„Lass sie los! Deine Wunde ist wichtiger! Du musst sie verarzten!“ Helle Panik klang in ihrer Stimme mit. Panik, die sich gut darauf beziehen ließ, dass sie sich um Tassilo sorgte, obwohl sie in Wirklichkeit nur Angst hatte, dass die Einzige, die ihr beistehen konnte, starb.

„Tassilo!“ Sayuris Stimme überschlug sich. „Lass los!“
 

Verzerrt nahm Hitomi war, was geschah. Sayuri half ihr? Oder wollte sie den Manticor retten? War sie so verblendet, dass sie immer noch nichts verstand?

Plötzlich ließ der Druck auf ihre Kehle nach. Irgendwie musste Sayuri es geschafft haben, Tassilo von ihr fortzuzerren. Keuchend lehnte Hitomi den Rücken gegen die Wand und strich sich die Haare aus der Stirn. Überall war Blut. Tassilos Blut. Das Blut des Manticor.
 

Sayuri zerriss ihren Rocksaum und band damit die Wunde an Tassilos Arm notdürftig ab.

„Du musst zu einem Arzt. Das muss genäht werden,“ sagte sie bestimmt. „Verdammt, du verblutest sonst!“

Aus dem Augenwinkel registrierte sie zufrieden, wie Hitomi sich aufgerichtet hatte und wieder ruhiger atmete. Glücklicherweise schien die junge Frau keine schweren Verletzungen davongetragen zu haben.

Tassilo starrte aus seinen nachtschwarzen Augen fassungslos auf das Blut hinab. Er begriff erst jetzt, wie unglaublich zerbrechlich dieser menschliche Körper war. Er spürte in sich noch immer die brodelnde Wut darüber, dass es dieses Menschenmädchen geschafft hatte, ihn zu verletzen, doch durch diesen dumpfen Zorn hatte er auch Sayuris Stimme, ihr Flehen gehört – und begriffen, dass sie Recht hatte. Er wäre nicht unwahrscheinlich gewesen, dass er mit seinem Leben gezahlt hätte, um Hitomi umzubringen. Und das war sie nun definitiv nicht wert.

„Ja...“ sagte er leise und stand auf. Sayuri stützte ihn dabei. Behutsam führte sie ihn zur Tür.

Kaum hatten sie den Flur betreten, als auch schon zwei völlig fassungslose Wachmänner an ihrer Seite erschienen.

„Herr, was ist geschehen?“

„Sie hat mich... angegriffen.“ Der Schock über die Verletzung saß immer noch tief in Tassilo.

„Sie?“ Sofort griffen die beiden Soldaten nach ihren Schwertern und wollten sie auf Sayuri richten.

„Nein!“ Abwehrend hob Tassilo eine Hand. „Die andere...“ Er hielt inne und schien einen Moment nachzudenken. „Du, bring sie in eine Zelle. Und du, bring uns zur Krankenstation,“ befahl er. Die Soldaten nickten knapp.
 

Hitomi saß noch immer erschöpft auf dem Boden mitten in den Scherben des Spiegels, als der Soldat hereinkam. Er hatte einiges erwartet, aber nicht diesen Anblick. Die junge Frau schien in Blut getaucht worden zu sein. Ihr Gesicht war blass und sie schnappte dann und wann nach Luft.

Einen Moment lang zögerte der Soldat, dann beugte er sich vor und griff Hitomi am Arm. Erst jetzt bemerkte sie ihn. Aus glasigen Augen sah sie ihn an. Fast willenlos ließ sie sich auf die Beine ziehen.

„Ich habe versagt,“ murmelte sie leise. „Ich habe versagt...“ Ihre Stimme war heiser und seltsam dumpf. Ein leichter Schauer rann dem Soldaten über den Rücken. Diese Frau musste wahnsinnig sein – ansonsten hätte sie es niemals gewagt, den arkadischen Kaiser anzugreifen. Und ihre Worte sorgten nicht gerade dafür, dass sich der Krieger in ihrer Nähe wohler fühlte. Gegen feindliche Soldaten zu kämpfen war eins, aber sich mit offenkundig durchgeknallten Weibern abzugeben etwas gänzlich anderes.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ChiChi_18
2006-05-05T16:10:55+00:00 05.05.2006 18:10
Wieder echt klasse das Kappi!!!
Aber das weißt du ja sciher schon....XDD
Das regt mich sowas von auf das du nicht mehr Kommis bekommst. Die Welt ist schon echt ungerecht!!!!
Hab dich lieb *bussy*
chiChi_18


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