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Nichts in der Welt

...wird es je wieder gut machen können
von

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Allein

Er sah auf ihn hinab. Die Augen waren geschlossen, doch er konnte sich das tiefe, weiche grün hinter den Lidern vorstellen. Die Lippen waren locker geschlossen, die schwarzen Haare in ihrem typischen Chaos. Die Arme lagen unbeweglich neben dem bleichen Körper.
 

Er versuchte seine Wut und seine Tränen zu unterdrücken. Er biss sich auf die Lippen, bis ihnen alle Farbe wich. Keine Schwäche zeigen, keine Tränen. Seine Vernunft sagte ihm, dass das schwachsinnig war: Er sieht dich nicht. Doch das machte ihn nur wieder wütend. Auch hier widersprach ihm die Vernunft, doch er reagierte nicht. Er wollte ihn anschreien, schlagen, ihn verletzten, dafür, dass er ihm das angetan hatte:
 

Er hatte ihn allein gelassen. Allein, vor den Scherben der Welt. Allein auf dem Schrottplatz, den manche Leben zu nennen pflegen. Er hatte ihm alles genommen, was ihm je etwas bedeutet hatte. Wie es geschehen war, war unwichtig. Wer ihm seinem Leben den Inhalt gestohlen hatte, spielte keine Rolle. Zurück blieb nur die erdrückende Leere in ihm. Das Gefühl, nichts fühlen zu können. Nichts, was irgendwie begründet war, nichts, was ein Ziel hatte oder einen Sinn. Er wäre Grund und Sinn zugleich gewesen. Er hätte diese Leere füllen können, die drohte ihn von innen heraus aufzufressen. Nur ein Augenaufschlag, ein Anzeichen eines Lächelns, seine Stimme, es hätte genügt um ihm das Innenleben wieder ein zuhauchen. Doch er lag einfach nur da. Ließ ihn zurück. Allein, sinnlos, leer.
 

Nie wieder würde er seine Stimme hören. Die Stimme, die er fast besser kannte als seine eigene. Nie wieder in die Augen schauen, die alles sagten, ohne Worte. Nichts, nie wieder, niemals. Er war leer, für immer. Die Wut schwand. Der Verlust wog schwerer, als jede Abwehr. Er konnte sich nicht rühren. Er glaubte, für immer hier sein zu müssen. Für immer so zu verbleiben. Ohne Kraft für irgendeine Bewegung. Als stünde die Zeit still, als würde die Sonne nie mehr aufgehen. Als drehe sich die Welt nicht mehr.
 

Er hasste sich. Hasste sich für seine bemitleidenswerte Feigheit, für seine Verlogenheit, für seine endlose Angst vor dem Alleinsein. Und was hat es dir gebracht? , fragte die Vernunft. Jetzt bist du allein. Du hast es ihm nie gesagt. Es schnürte ihm die Kehle zu. Er bekam keine Luft mehr. Er hatte es ihm nie gesagt. In keinem Moment den Mut aufgebracht. Niemals war er das Risiko eingegangen seine Sicherheit aufs Spiel zu setzten. Nicht einmal hatte er es ernsthaft versucht.
 

Die selbst zerstörerische Trauer drohte ihn zu überwältigen. Langsam und zitternd hob er die Hand. Schob sie langsam auf die leblose vor ihm zu. Seine Hand war eiskalt. Sie erwiderte nichts. Und doch erfüllte sie ihn für einen winzigen Moment mit Wärme, Hoffnung. Eine Träne, die es geschafft hatte seinen Wachen zu entkommen, floss langsam über die Wange, tropfte hinab und verlor sich in der tiefroten Blutlache. Vampir, schoss es ihm in den Kopf; doch er vermochte nicht über die Ironie des Schicksals zu lächeln, sein Mund zuckte nur erschrocken.
 

Entschlossen umfasste er die Hand. Es ist zu spät, brüllte die Vernunft. Doch er hörte nicht hin. Es ist viel zu spät, du hast es versaut! Es ist für immer zu spät! Er ignorierte sich. Als er den Mund öffnen wollte, um endlich alles preiszugeben, um zwanzig Jahre Versteckspiel wieder gut zu machen, fühlte er etwas nasses, hartes in der Hand des anderen. Ein Zettel. Sein bester Freund hatte es immer verleugnet sich in seinem chaotischen Leben, Nicht-Vergessen-Zettel zu machen, doch er hatte es gewusst. Ein Anflug eines Lächelns. Uninteressiert strich er das zerknautschte Papier glatt. >Diane anrufen<, stand da. Und >Auto von der Werkstatt holen<.
 

Sein Herz stand still. Die letzte von drei Bemerkungen war verschnörkelt geschrieben und der Schriftzug mit schwarzem Kugelschreiber mehrmals nachgefahren. Als ob sich jemand den Satz immer wieder durch den Kopf hatte gehen lassen. Als ob er lange darüber nachgedacht und letztlich mit einem Ausrufezeichen seine Entscheidung getroffen hatte. Er brach über der Leiche zusammen. Das konnte unmöglich wahr sein. Das Leben selbst musste ihn töten wollen, wenn das wahr war. Er warf einen letzten Blick auf den im Blut schwimmenden Zettel. >Jan sagen, dass ich ihn liebe. <



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Kommentare zu diesem Kapitel (11)
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Von: abgemeldet
2007-05-01T13:14:46+00:00 01.05.2007 15:14
*heul* eine nie gestandenene Liebe. Es ist echt traurig. aber sehr gut geschrieben^^
Von: abgemeldet
2006-03-31T18:44:41+00:00 31.03.2006 20:44
wunderschön und so herrlich traurig: Ich liebe dich!
Schreibe ruhig weiter solche Storys, es gefällt mir sehr gut
Von:  Lena_Jones
2006-02-28T02:39:51+00:00 28.02.2006 03:39
Oh mein ... ich heule tatsächlich
T-T
das ist so schön geschrieben, dass es einen in der Seele schmerzt so etwas zu lesen! Was ich darüber denke kommt zu schluss
Konstruktive Kritik: Es ist zauberhaft geschrieben, das machst du sehr gut. Dein Schreibstil ist wirklich schön und berührt. Es ist unglaublich, was ein geschriebenes Wort, ein Satz nur richtig rüber gebracht in einem Auslösen kann...
Aus der Seele: NEIN! WIE KONNTEST DU NUR *heul*
*schluchz*
*in Taschentuch schnief*

MfG Lenchen
Von:  AnKhi
2006-02-14T17:20:22+00:00 14.02.2006 18:20
T_____________T *heul*
wie kannst du nur sowas schönes schreiben??voll traurig, aber irgendwie auch schön...*will mehr*
Von: abgemeldet
2006-01-28T19:16:40+00:00 28.01.2006 20:16
T.T *sturzbäche heult*
*schnief* warum kannst du nur so gut schreiben, dat es einen direkt berührt ;.; dat is echt zu gut für diese welt und traurig...*drop*
Von: abgemeldet
2006-01-28T16:48:35+00:00 28.01.2006 17:48
mach mich ruhig fertig, alex -.-"
ich sag das doch nur, weil das nicht sein kann...ich hasse solche Enden....ok,ich hab geheult, aber trotzdem...die sind unsterblich .... also ganz fiktiv *durchknall*
ild,mfG Krümel(Gwen oder wie du mich auch immer nenne magst xD)
Von:  Yanamie
2006-01-25T07:46:01+00:00 25.01.2006 08:46
*Tränchenwegwisch*
*schnüff*
Also, so schön wurde schon lange nicht mehr gestorben *Taschentuchsuch*
Menno, das ist so traurig *Taschentuchfinde*
Kann den anderen nur zustimmen, du hast echt Talent dafür *schneuz*
So, jetzt weiß ich nicht mehr, was ich noch sagen soll. 'Schön' beschreibt es wahrscheinlich am Besten.
*winkundweggeh*
Von:  BlastedKing
2006-01-22T20:01:39+00:00 22.01.2006 21:01
*röchel*
Ich glaube du hast irgendwie Talent (im gegensatz zu mir die denkt sie hat talent es aber eigentlich nicht hat ^-^°)
Mein Gott ist das schön.
Es verschlägt mir die sprache deshalb erkenne mein schweigen als grenzenlose begeisterung an!
....
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Von: abgemeldet
2006-01-22T18:25:23+00:00 22.01.2006 19:25
*heulzzzzz*.... mann warum bist du so talentiert??.... du hast es ja schon geschafft, mich neidisch zu machen.... aber das ist bisher auch deine beste... meiner meinung...ich hatte ja die ehre, schon VIEL mehr von dir zu lesen... und egal, was Gwen sagt, die Idee mit dem Zettel is ne super Idee!!
Also weiter damit...und bring mich net immer so zum heuln...!! also bitte auch ma wat fröhliches!!
Von: abgemeldet
2006-01-20T20:40:10+00:00 20.01.2006 21:40
...wow...
*platt ist*
Du schreibst echt gut! Wie hart du das geschrieben hast...wahnsinn...tolle idee sowieso^^
Ich kann MiKu nur in allen punkte zustimmen...

Will mehr!!!!


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