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Die Karten legt das Schicksal

von

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Ein verregnet, schöner Tag

Ich las gerade eine E-Mail als mein Handy plötzlich anfing Lärm zu machen. Erschrocken fuhr ich auf meinem Bürostuhl zusammen und kramte hastig nach dem lärmenden Gerät. Es war ein Wecker, eine Erinnerung. Wieso hatte ich mir eine Erinnerung eingespeichert? Und dann auch noch für diese ungewöhnliche Uhrzeit? Kurz vor Eins.

Gerade, als ich mein Handy unbeachtet neben mich legen wollte, erinnerte ich mich wieso, Paul! Den Polizisten, den ich gestern in der Nähe vom Gericht kennen gelernt hatte. Heute hatte ich keinen Termin bei Gericht. Deswegen hatte ich ihn eingeladen! In das Bistro neben der Kanzlei. Ich griff nach meiner Jacke, heute war es sehr regnerisch und windig. Einfach sehr ungemütliches Wetter! Die Jacke überstreifend verließ ich schnell das Bürogebäude und ging in das Bistro gegenüber. Viele meiner Kollegen waren gerade in der Mittagspause oder bei Gericht. Ob Paul wohl gekommen war? Das Brian gestern einfach aufgetaucht war, hatte vieles aus meinem Kopf gestrichen und mir einiges an Schlaf geraubt! Ich war unsagbar wütend auf diesen Menschen und wünschte ihm derzeit nur das Schlechteste.

Immer noch regnete es und obwohl ich nur über die Straße gegangen war, hatte ich das Gefühl, dass ich ziemlich durchnässt aussah. Gegen eins war es meistens etwas voller. Viele kamen her, machten ihre Mittagspause und saßen mit Kollegen zusammen. Es war sehr mediterran eingerichtet und sollte wohl an Spanien oder Italien erinnern. Beides war jedenfalls auf der Speisekarte zu finden. Es gab einige Sitzgelegenheiten und meine grünen Augen glitten durch die Menge. Ich suchte den dunkelbraunen Haarschopf und war fast enttäuscht, ihn nicht zu sehen. Als ich plötzlich eine Hand auf meiner Schulter spürte drehte ich mich sofort um und stieß fast einen erleichterten Seufzer aus. Paul stand mir gegenüber. Er war nur wenige Zentimeter kleiner als ich und seine Haare waren vom Regen durchnässt. Ebenso wie die Meinen.

„Hey, wir sind gleichzeitig angekommen“, meinte er und ich konnte die Freude in seinem Gesicht durchaus erkennen. Ob er wohl auch gedacht hatte, er würde versetzt werden? Ich nickte und betrachtete den Mann. Sein dunkelblauer Mantel und der Schal ließen ihn geschäftig wirken. Die schwarze Jeans stand ihm sehr gut, wie ich fand. Er hatte sich rasiert, zwar hatte er immer noch einen drei Tage Bart, doch waren die Kanten ordentlicher und er wirkte nicht mehr so voll wie am Tag zuvor. Mit seiner kräftigen Hand wuschelte er seine Haare durcheinander. Die Tropfen flogen in mein Gesicht und ich schmunzelte, als ich ihn beobachtete.

„Sollen wir was essen?“, fragte ich schmunzelnd und hielt nach einem leeren Platz Ausschau. Ich bemerkte ein Pärchen, welches gerade dabei war, dass Bistro zu verlassen. Ich war froh, dass der Tisch in einer Ecke stand und ging zielstrebig auf diesen zu. Ich spürte, dass Paul dicht hinter mir war und als wir den Tisch erreichten, hatte das Paar gerade ihre Jacken angezogen und ging uns entgegen. Höflich lächelte ich sie an und ließ sie vorbei. Wir setzten uns und schnell räumte ein junger Kellner die verbliebenen Gläser weg. Ich schälte mich aus meiner Jacke und auch Paul hängte seinen Mantel hinter sich über den Stuhl. Er trug einen blauen und schlichten Pullover und ich sah an seiner rechten Hand eine dunkle Armbanduhr. „Wie war dein Tag?“, wollte ich von Paul wissen und konnte das zufriedene Lächeln einfach nicht aus meinem Gesicht verbannen.

„Alles gut. War heute bei einem Kollegen und hab etwas Sport gemacht“, meinte er und nahm die Karte entgegen, welche der Kellner uns reichte. Ich war unschlüssig, was ich essen sollte. Zuhause würde ich noch kochen müssen, wenn Madeline im Kindergarten nicht viel gegessen hatte und ich wollte am Tag nicht zwei Mal warm essen. Ich wollte einfach nicht aufgehen wie ein Hefekoß. Sorgfältig studierte ich die Karte und las mir durch, was für Sandwiches es gab. Bacon klang super und Bacon ging schließlich immer. Doch ich trug ein weißes Hemd und Fettflecken wirkten sehr unseriös.

„Weißt du schon was du willst?“, fragte ich Paul und auch er schien skeptisch, was er bestellen sollte. Seine dunklen Augen fingen die Meinen ein und erneut stellte ich fest, dass ich dunkle Augen sehr gerne hatte. Sie wirkten so warm, fand ich jedenfalls. Er schüttelte den Kopf und sagte: „Ich weiß nicht. Ich denke irgendwas mit Nudeln. Ich mag Nudeln gerne.“ Ich blätterte durch und betrachtete die Auswahl der Nudelgerichte. „Die Nummer 55 ist gut. Das sind Nudeln mit Rinderfiletstreifen. Die haben was und schmecken lecker, finde ich zumindest“, meinte ich und entschied mich doch für ein Baguette. Ich sah wie Paul leicht nickte und nach einem Augenblick fragte er mich grinsend: „Schon einmal Schnecken probiert?“ Schon häufiger hatte ich sie auf der Karte gelesen und doch hatte ich mich noch nie an ihnen versucht.

Ich lachte leise und etwas das Gesicht verziehend meine ich: „Nee, noch nie. Du schon einmal?“ Auch er schüttelte den Kopf und freundlich zwinkerte er mir zu als er sagte: „Ich dachte, dass du vielleicht als alter Weltenbummler so etwas schon einmal probiert hast.“

Ich lachte leise und schüttelte den Kopf. „Nee, aber in Thailand habe ich schon mal Heuschrecken und so was gegessen!“ Ich hörte das tiefe Lachen Pauls und fand, dass es erstaunlich gut klang. „Aber bei Schnecken das Gesicht verziehen“, schmunzelte er gut gelaunt und als der Kellner kam, bestellte er tatsächlich die von mir empfohlenen Nudeln und eine Zitronenlimonade. Obwohl ich Bacon liebte, entschied ich mich lieber für ein Baguette mit Schinken und Käse. Ich hoffte, meine Kleidung würde es mir danken. „Was hast du heute so gemacht“, wollte Paul interessiert wissen und seine dunklen Augen musterten mich. Ich spürte wie ich zufrieden wurde und die Last von gestern fühlte sich nicht mehr so groß an auf meinen Schultern.

„Gearbeitet und eine Verhandlung für morgen vorbereitet. Viel Schreibkram also. Ich werde das wohl heute noch ans Gericht faxen“, erklärte ich und aus reiner Gewohnheit strich ich mir durch meine schwarzen Haare. „Hm… muss man das nicht alles vorher einreichen?“, wollte er nachdenklich wissen und mit einer wegwerfenden Handbewegung meinte ich: „Ach! Das ist nicht ungewöhnlich. Sehr häufig werden noch mal Berichte oder Auskünfte schriftlich ausgeteilt und gelesen… Es sollte zwar anders sein, aber es kann sich schließlich immer noch etwas Neues ergeben“, erklärte ich freundlich und nickte dem Kellner zu, als dieser uns unsere Getränke brachte. Es war wie gestern, ein tolles Gefühl, einfach nur Rick zu sein. Rick der Single, der gerne Menschen kennen lernte und ab und zu wusste, wie man seinen Charme einzusetzen hatte.

„Ich freu mich wirklich, dass du gekommen bist“, meinte ich mit ehrlicher und offener Stimme. Auch Paul nickte und schwieg. Vielleicht war er einfach kein Mensch, der viele Worte verlor. Das konnte sehr angenehm sein. Brian hatte häufig die Angewohnheit gehabt pausenlos zu reden! Das ich dann irgendwann einfach abschaltete, hatte ihn immer wütend werden lassen. „Ich hätte vielleicht gestern einfach mal, nach deiner Nummer fragen sollen“, scherzte Paul und genehmigte sich einen kräftigen Schluck der Limonade. „Ja, das haben wir vergessen“, meinte ich schmunzelnd und stellte mein Glas Cola zurück auf den Tisch. Ich sagte ihm besser nicht, dass ich ohne die Erinnerung in meinem Handy die Verabredung heute vergessen hätte.

„Wie war der Tag gestern noch?“, wollte ich wissen und Paul sagte mir, dass er gestern mit einem Freund und Kollegen am Abend Sport gemacht hatte. Skeptisch sah ich ihn an. Hatte er mir doch vorhin erst berichtet, dass er auch jetzt von einer Sporteinheit kam. Hatte er noch andere Hobbys? Er sah eigentlich nicht aus, wie ein Mensch der all seine Freizeit in einem Fitnessstudio verbrachte.

„Viel Sport, hm?“, meinte ich und grinste schräg. Er nickte und schmunzelte, als er mein Gesicht sah. „War ja länger krank, muss wieder Kondition aufbauen, also ja“, erklärte er und trank etwas Limo. Ich war unschlüssig, ob ich ihn fragen sollte, was er für einen Unfall hatte. Ich wollte keine Wunden aufreißen und doch war ich neugierig.

„Darf man fragen, was du hattest?“, entschied ich mich nach einem Augenblick zu fragen. Kurz sah er in mein Gesicht und ich merkte, dass er verschlossener wurde. Hätte ich besser nicht gefragt. Er räusperte sich kurz und erklärte nach einem Augenblick: „Ich hatte einen Unfall und war ein wenig im Krankenhaus. Ist jetzt aber nicht mehr wichtig. Kann ja in zwei Wochen endlich wieder arbeiten. Aber jetzt mach ich halt viel Sport um wieder fit zu sein.“

Ich mochte Sport gerne, aber nicht so sehr, dass ich es jeden Tag brauchen würde. Aber er war Polizist, vermutlich brauchte oder musste er eine gewisse Kondition an den Tag legen. „Tut mir leid, wegen des Unfalls“, meinte ich leise und fragte nicht weiter nach. Er war nicht mein Klient und ich konnte ihn schlecht einfach befragen. Er nickte nur und schwieg. Doch dann lächelte er mich an und winkte ab. „Ist ja jetzt auch egal. Was ist mit deiner Nummer?“, wollte er leicht lächelnd von mir wissen.

„Wenn du willst, kann ich dir meine Nummer geben“, meinte ich freundlich und holte mein Handy aus meiner Jackentasche. Sofort nickte Paul und fischte ebenfalls nach dem Gerät in seiner Hosentasche. Er wirkte in diesem Augenblick zufrieden. Ich gab ihm meine Nummer und als er durchklingelte speicherte ich seine Nummer gleich ein. Zufrieden sah ich ihn an und frech meinte ich: „Geht das immer so schnell bei dir oder habe ich dich beeindruckt?“ Leise lachte Paul und als er sprach, überraschte mich seine Antwort ziemlich: „Ja…. Irgendwie schon. Ich mag deine Augen, sehr ungewöhnliche Farbe.“ Fröhlich zwinkerte ich ihm zu und biss mir leicht auf die Unterlippe. Ich merkte, dass ich leicht nickte und sagte: „Ich mag deine auch… dunkel, warm, gefallen mir einfach.“

Wie gestern, hatte ich das Gefühl, als seien wir in einer Blase gefangen. Als würden wir darin verschwinden, in unsere eigene kleine Welt. Es klang kitschig und vielleicht albern, doch wollte mir einfach kein besserer Vergleich einfallen. Ich fragte ihn, wo er groß geworden sei und erfuhr, dass er sein Leben lang in Oregon gewohnt hatte. Sein Vater war Farmer und seine Mutter hatte in der örtlichen Fabrik gearbeitet. Geschwister hatte er keine. Gemeinsam mit den Großeltern hatten sie unter einem Dach gewohnt. Selbst das örtliche College hatte er besucht.

Das Essen kam und bremste unser Gespräch aus. Ich konnte mir nicht vorstellen, so zu leben. „Mein Vater hat eine Firma. Eine Baufirma. Wäre einmal fast pleite gegangen, konnte er aber noch retten. Mit Farmen und so etwas, hatte ich nie was am Hut. Meine Eltern leben in der Nähe von Phoenix, da bin ich auch groß geworden. Hier ist es einfach nur bitterlich kalt“, meinte ich grinsend und leise lachend nickte Paul. „Klar“, meinte er gut gelaunt und spießte ein Stück Fleisch auf seine Gabel, „im Gegensatz zu Phoenix ist das hier die Hölle. Die Regenhölle gerade. Weswegen bist du hier her?“ Ich schluckte den Bissen meines Sandwiches hinunter und erklärte: „Hab an der Uni ein gutes Stipendium angeboten bekommen. Meine Eltern verdienen zwar gut, aber Studieren kostet was… Und na ja, dann bin ich hier geblieben, eigentlich … wegen der Liebe…“ Ich schämte mich nie, davon zu erzählen und ich hatte gerade nicht das Gefühl, als passe es nicht. Ich aß Tomate, welche von meinem Sandwich auf den Teller gefallen war, als Paul feststellte: „Schien wohl nicht gut ausgegangen zu sein.“ Ich zuckte mit den Achseln und nickte leicht.

„Wie lange, ist die Beziehung schon her“, wollte er wissen und seine Augen glitten an meinem Gesicht entlang. „Fast vier Jahre schon“, antwortete ich sachlich und versuchte neutral zu klingen. So, als würde ich diesem Menschen nicht gerne den Hals umdrehen. Ich wusste, dass die Frage kam, wie lange wir zusammen waren. Er war Polizist und vermutlich hatte er schon häufiger Menschen verhört. Und auch ich musste in meinem Job immer wieder vieles bei meinen Klienten erfragen. Ich lachte leise und als ich antwortete meinte ich „Da wirst du nie drauf kommen… Wir waren zwei Jahre lang ein Paar und haben dann geheiratet. Und im verflixten siebten Jahr haben wir uns getrennt.“ Ich lachte leise und fast schon erschrocken weiteten sich die Augen des Mannes vor mir. „Krass“, meinte er und sah mich verblüfft an, „Du hast echt Ernst gemacht, oder?“ Leise lachend, zuckte ich mit den Schultern und schob mir den letzten Rest des Baguettes in den Mund. Ich fand es immer lustig, wie die Menschen darauf reagierten.

„Ich meine es in Beziehungen immer Ernst“, bekräftigte ich seine Aussage und ein leises Kichern verließ meinen Mund. Doch was Paul als nächstes sagte, verblüffte mich und ließ mich kurz sprachlos werden. „Ich war auch mal verheiratet“, verkündete der Braunhaarige plötzlich, „Irgendwie, gehörte das bei uns einfach dazu. Hab meine High School Liebe geheiratet. Wollte mir nicht so ganz eingestehen, dass ich schwul bin. Nach zwei Jahren hatte ich es dann nicht mehr ausgehalten. Man, dass war ein Schock für sie.“

Ich blinzelte und neugierig, ja fast schon euphorisch sah ich den Mann an. Wenn er mit einer Frau verheiratet war, könnte das nicht auch bedeuten, dass er Kinder hatte? Ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen. Ich wollte einfach noch nicht sagen, dass ich eine Tochter hatte. In meinem Kopf ratterte es nach einer neutralen Antwort. „Als mich mein Mann verlassen hat, hat er mir alles da gelassen. Kredit für das Haus, für das Auto und noch vieles mehr“, begann ich zu sagen und blickte ihm gespannt in die Augen, während ich weiter redete, „Wie war es bei dir? Hat sie das auch alles da gelassen und die Kinder hat sie mitgenommen?“ Paul schmunzelte leicht und schüttelte den Kopf. Entspannt sah er aus und es wirkte nicht, als haben wir gerade ein Thema angesprochen, welches ihn belastete. Es schien, als sei dies vollkommen abgehakt. Sonst hätte er vermutlich ganz anders über dieses Thema gesprochen.

„Nein. Also schon… Kredite wurden aufgelöst und ja… Und Kinder hatten wir keine“, meinte er schmunzelnd und als er dies sagte, spürte ich plötzlich eine Enttäuschung in mir aufkeimen. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und ich hatte das Gefühl, als würde dies durchaus funktionieren. Ich hatte noch keine anderen schwulen Paare kennen gelernt, die ein Kind bekommen oder adoptiert hatten. Vermutlich, hätte man im Internet nach Foren suchen können, doch dazu hatte ich gerade keinen Kopf.

„Wir sind sogar heute noch befreundet“, sagte Paul leise lachend und überrascht sah ich ihn an. Vorstellen konnte ich mir das nicht! Brian und ich Freunde? Niemals! „Nachdem sie akzeptiert hat, dass ich schwul bin, kann sie heute endlich darüber lachen. Ist ja auch schon etwas länger her.“

Ich schmunzelte leicht und nach einem Augenblick sagte ich: „Kann ich bei mir leider nicht sagen. Mein Ex ist einfach scheiße. Aber ich denke, jeder hat einen Ex, der ihm irgendwie auf den Sack geht…“ Lachend und nickend blickte mich Paul an und auch ich schmunzelte leicht. Wenn er wüsste dachte ich nur und nahm lieber mein Getränk zur Hand. Ich blickte auf meine Armbanduhr und meinte mit fast schon etwas enttäuschter Stimme. „Meine Pause ist zu Ende… Wenn ich heute noch pünktlich Schluss machen möchte, sollte ich jetzt gehen.“ Auch Paul sah auf seine Uhr, wie schnell die Zeit verflogen war. Ich winkte den Kellner zu uns und meinte gleich: „Ich zahl das, ich habe dich irgendwie ja auch hier hin eingeladen“, meinte ich lächelnd, als ich sah, wie Paul in seine Gesäßtasche greifen wollte. Er blinzelte etwas verwirrt und nach einem Augenblick sagte er: „Okay, aber dann lade ich dich morgen ein.“ Ich dachte kurz nach und nickte sofort und meinte jedoch: „Dann, aber gegen 14 Uhr. Ich hab um neun und um elf eine Gerichtsverhandlung. Die dauern sicher nicht lange, aber dann bin ich mir sicher, dass ich auf jeden Fall da bin.“ Paul nickte und gemeinsam gingen wir aus dem Bistro. Er ging vor mir und langsam, fast schon automatisch glitt mein Blick zu seinem Hintern. Ich konnte nicht anders und starrte für einige Augenblicke fasziniert darauf. Ja, der könnte mir durchaus gefallen. Immer noch, hatte ich das Gefühl, als befänden wir uns in unserer eigenen privaten Blase.

„War schön mit dir gemeinsam Essen zu essen“, meinte ich freundlich und sofort nickte Paul. Er schmunzelte leicht und freundlich, hob die Hand und wünschte mir einen schönen Tag.

Zufrieden und mit einem sehr guten Gefühl ging ich zurück in das Büro und dieses Mal, erwartete mich keine unangenehme Überraschung.
 

Ich war fast pünktlich, als ich um wenige Minuten nach fünf vor der Tür des Kindergartens stand. Immer noch regnete es, doch auch diese Tatsache schaffte es nicht, das angenehme Gefühl in einem Inneren zu trüben. Ich war sehr glücklich! Ich öffnete die Tür und sah Maddy bereits angezogen im Flur stehen. Sie kramte etwas in ihrem kleinen Rucksack und als sie die Tür hörte blickte sie sich zu mir um. „Daddy“, rief sie fröhlich und lief glücklich auf mich zu. Fest drückte ich meine Kleine und gab ihr einen sanften, aber kratzigen Kuss auf die Wange. „Hey, Maus“, sagte ich grinsend und streichelte ihr den Rücken, „wir fahren jetzt einkaufen und da muss du mir ganz doll helfen.“ Sofort nickte sie und ich ließ sie zu Boden gleiten. Ich verschloss ihren pinkfarbenen Anorak und verabschiedete mich von Anna. Wie so oft, waren die anderen Kinder bereits abgeholt worden. „Papa, kommt das Essen nicht mehr mit der Post?“, fragte Madeline neugierig, während ich sie in ihrem Kindersitz festschnallte.

„Natürlich“, meinte ich lächelnd und erklärte, „aber ich hol doch nur ganz selten frisches Fleisch da. Und das kommt erst morgen und du hast doch sicher Hunger, oder?“ Ich pikte ihr liebevoll auf den Bauch und als sie lachend nickte, sah ich sie mit warmen, fast schon verliebten Augen an. „Also“, meinte ich und setzte mich auf den Fahrersitz, „dann müssen wir heute einkaufen. Erzähl mir was du heute erlebt hast.“ Heute war es wirklich toll ihren Geschichten zu lauschen. Das Jane sie wieder geärgert hatte und sie sich entschuldigen musste, dass sie sich heute mit Taylor in der Ecke eine Höhle gebaut hatten und sie Hundemama und Hundevater waren. Sie war noch nicht fertig, als wir am Supermarkt ankamen. Ich ließ sie einen Kindereinkaufswagen nehmen und sagte ihr, was wir alles brauchten. Eifrig tapste sie los und versuchte mir zu helfen. Ich leitete sie durch die langen Gänge, holte Fleisch, etwas Saft und hielt an dem Tütenregal. Ich nahm Maddy auf den Arm und fragte sie, was sie essen wollte. Ich beobachtete wie ihre kleinen Augen durch die Regale glitten und es war tatsächlich, als suche sie etwas.

Überrascht war ich, als sie auf eine Tüte deutete, die ziemlich weit von uns entfernt stand. „Die da!“, meinte sie und ich folgte ihrem ausgestreckten Finger. Es war eine Tüte mit einem Wikinger drauf. Erbsen-Möhren und Hackbällchen in heller Sauce. Ich nahm die Tüte und überflog was hinten drauf stand und meinte, dass man die heute machen könnte. Wir holten das Hackfleisch und an der Kasse strich ich Madeline liebevoll über den Kopf und meinte: „Du hast mir so toll geholfen mein Schatz, suche dir ruhig mal einen Schokoriegel aus.“ Ich lachte leise als ich das Strahlen in den grünen Augen meiner Tochter sah. Nur sehr selten erlaubte ich ihr so etwas. Sofort war sie an den Süßigkeiten und begutachtete die zur Schau gestellte Ware.

Mein Handy vibrierte und als ich es rausnahm, sah ich eine Nachricht von Paul. „Freu mich echt schon auf morgen“, stand da und ich konnte nicht anders, als noch ein wenig mehr zu strahlen. „Daddy“, rief Madeline und mit immer noch fröhlichem Lächeln auf den Lippen sah ich von meinem Handy auf, „Ich kann mich nicht entscheiden.“ Sie hielt zwei Riegel in den Händen und gut gelaunt packte ich einfach Beide in den Einkaufswagen. „Du bist voll toll!“, rief sie fröhlich und umarmte meine Hüfte. Sie lachte fröhlich und auch ich lachte leise und streichelte ihre braunen Locken. „Ich erinnere dich daran, wenn du dein Zimmer aufräumen sollst… Was du heute auch noch machst“, meinte ich mit strengerer Stimme und ging einige Schritte an der Kasse weiter.

Eifrig nickte sie und versprach, dass sie das gleich machen werde. Schräg grinste ich sie an. Ich glaubte kaum, dass sie mit so einem Engagement ihr Zimmer aufräumen wird. Ein Mitarbeiter des Supermarktes packte die Einkäufe in Tüten und Maddy schaute ihm gerade dabei zu, als habe er Angst, er würde ihre Schokoriegel stibitzen. Ich kramte wieder nach meinem Handy und schrieb Paul: „Ich mich auch. Ich hoffe, wir haben morgen genauso viel zu Reden.“ Ich setzte einen Smiley dahinter und öffnete das Bild, welches Paul bei seinen Account verwendete. Es zeigte ihn in Uniform neben einem anderen Polizisten stehen, vermutlich ein Freund von ihm. Ich fand, dass ihm die Uniform erstaunlich gut stand. Doch viel erkennen konnte man nicht. Ich schmunzelte leicht, zufrieden schloss ich die Datei und ging gemeinsam mit meiner Tochter zu unserem Auto. Ich verstaute die Einkäufe in unserem Wagen, schnallte wie immer Madeline an und als ich mich umdrehte sah ich eine Frau hinter mir. Sie hatte rotgefärbte Haare und wie ich grüne Augen. Charmant lächelte sie mich an und meinte: „Echt Süß, wie Sie das mit Ihrer Tochter machen. Ihre Frau kann echt glücklich sein.“ Ich blinzelte verwirrt und schloss die Tür vom Auto. Es war nicht das erste Mal, dass mich Frauen ansprachen. Kleine Kinder funktionierten genauso gut, wie kleine Hunde. Ich kratzte mich verlegen am Kopf und bedankte mich höflich bei der Dame.

Ich bemerkte wie sie sich aufrichtete und ihre Augen glitten an meinem Körper entlang. Ich hatte nie Interesse an Frauen gehabt. Klar, hatte ich mal mit einer Schulkameradin etwas ausprobiert, doch mir war sehr schnell klar geworden, dass ich schwul bin. „Ich habe aber keine Frau oder Freundin“, sagte ich und bevor ich weiter erklären konnte, fiel sie mir ins Wort. „Das habe ich mir gedacht, sie tragen keinen Ring!“, stellte sie mit ihrer eigentlich sehr freundlichen und klaren Stimme fest. Ich blickte hinab auf meine Hand. Den Ehering hatte ich tatsächlich schon vor einigen Jahren abgelegt. Ein halbes oder dreiviertel Jahr nach der Trennung.

„Stimmt“, meinte ich und sah von meiner Hand in das Gesicht der Rothaarigen. „Ich bin aber schwul“, erklärte ich schnell. Ich hielt es nie lange geheim. Wenn eine Frau flirtete, stellte ich es meistens schnell richtig, damit es für sie und mich nicht unangenehm wurde. „Oh“, meinte sie und tatsächlich wirkte sie etwas verdutzt, „schade… Sie wirkten so nett, da dachte ich, ich versuch mein Glück. Und das ist echt kein Scherz?“ Fast schon ein wenig entschuldigend blickte ich sie an und schüttelte den Kopf. „Tut mir ja Leid… Ich muss auch los. Wir haben beide Hunger“, meinte ich und als ich im Auto saß wollte Madeline sofort wissen, was die Frau wollte.

„Sie wollte fragen, ob ich ihr Freund sein will“, sagte ich so simpel, dass ich sicher sein konnte, dass sie es verstand. Es war in meinen Augen auch nichts Schlimmes, ihr so etwas zu sagen. Ich blickte in den Rückspiegel und sah, wie sie entsetzt den Kopf schüttelte. „Das geht doch gar nicht. Weißt sie denn nicht, dass du keine Mama willst?!“, fragte sie und klang dabei vollkommen entsetzt. Natürlich, war es für sie normal, dass ich Männer wollte. Doch sie verstand nicht, dass es nicht „normal“ war. Das nur einige Menschen auf das gleiche Geschlecht standen. Woher sollte sie das auch wissen? Leise stahl sich ein Lachen aus meinem Mund als ich ihr erklärte: „Du kannst so etwas doch nicht sehen. Das ich Männer liebe, steht mir doch nicht auf der Stirn geschrieben. Und deshalb darf sie mich doch fragen.“

Kurz war es hinten still und nach einem Augenblick fragte sie: „Warum schreibst du dir das nicht auf die Stirn? Dann passiert das nicht mehr.“ Perplex blinzelte ich sie verwirrt an und lachte lauthals auf. Manchmal konnte mich meine Tochter mit ihrer frechen und offenen Art immer noch überraschen! Und mit guter Laune fuhren wir durch den wieder sehr starken Regen nach Hause.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  radikaldornroeschen
2018-04-06T08:14:32+00:00 06.04.2018 10:14
Hach, bei Paul bin ich hin- und hergerissen.
Bei der ersten Begegnung dachte ich, dass er etwas im Schilde führt... inzwischen glaube ich, dass seine momentanen Absichten ehrlich sind, aber er irgendeine finstere Vergangenheit hat. Nur weil er Polizist ist, heißt das ja nicht, dass er ein Engel ist.
Maddy ist so süüüß *_*
Antwort von:  Strichi
09.04.2018 10:34
Hey,
ja Maddy ist süß^^ es macht mir auch total viel Spaß, sie zu schreiben.
Und ja mal schauen, was der Herr Polizist noch so alles zu sagen hat ;)
Schönen Wochenstart!
Von:  chaos-kao
2018-04-05T19:14:39+00:00 05.04.2018 21:14
Maddis Vorschlag ist nicht dumm. Würde allen das Leben erleichtern wenn man wüsste was der/die andere sucht :D Paul ist ein lieber. Etwas geheimnisvoll. Bin gespannt ob und wann es tiefer gehen wird x
Antwort von:  Strichi
09.04.2018 10:35
Dann sehen die Menschen aber dumm aus, wenn man Maddys Vorschlag in die Tat umsetzt.
und ja... alles langsam angehen. Auch das mit Paul. Schnellschüsse sind ja eh nicht soooo meins ;)


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