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Freunde mit gewissen Vorzügen

von

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„Aya?“

Die leise Stimme stahl sich in seine Träume und holte ihn aus dem bereits seichten Schlaf. Etwas daran war nicht in Ordnung, er konnte nur nicht den Finger darauf legen, was es war.

„Aya...ich... Kannst du vielleicht in der Schule Bescheid sagen? Ich kann da heute nicht hingehen.“

Aya öffnete die Augen und sah Omi vor sich, der ihm ein wenig betreten das Telefon hinhielt.

„Ich würde ja anrufen, aber es klingt nicht besonders überzeugend, wenn ich mich selbst krank melde. Ich wollte euch ja noch schlafen lassen, aber es ist schon halb neun und...“

Omi schwieg und die Röte, die bereits von seinen Ohren Besitz ergriffen hatte, zog sich langsam über sein Gesicht bis zur Nasenspitze.

'Moment mal...EUCH?'

 

Aya fuhr hoch und sah mit einem Blick, dass Yoji neben ihm im Bett lag. Sie waren beide unbekleidet und auf höchst eindeutige Weise miteinander verschlungen. Ayas Blick schoss zu Omi. Der jüngste Weiß war inzwischen vollkommen rot angelaufen, rührte sich aber nicht von der Stelle, sondern starrte auf das Telefon in seinen Händen. Aya streckte seine Hand aus.

„Gib her, ich rufe an“, knurrte er. Omi drückte ihm unverzüglich den Apparat in die Hand und flüchtete aus dem Schlafzimmer. Aya seufzte und wählte die Nummer der Schule. Nachdem er Omi für den Rest der Woche entschuldigt hatte, glitt er aus dem Bett, zog sich etwas über und ging in die Küche. Omi saß am Küchentisch und wusste offensichtlich nicht so recht, wohin mit sich. Aya ignorierte ihn und begann Tee zu kochen.

„So...also...“, begann Omi und schwieg wieder, als Aya ihm einen finsteren Blick zuwarf. Erst als der Tee fertig war, setzte er sich dem Jungen gegenüber und sah ihn geradeheraus an.

„Was hattest du in meinem Schlafzimmer verloren?“

„Naja, ich habe geklopft, ihr habt nicht geantwortet und da bin ich halt reingekommen. Es tut mir leid. Ich wollte nicht...“

Aya nickte knapp und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. Er fand die ganze Situation höchst...irgendwas. Er war sich nicht sicher. Omi erschien ihm neugierig, aber nicht so sehr, wie er erwartet hatte. Fast so, als hätte er gewusst, was er vorfinden würde. Konnte das sein? Er bedachte den anderen mit einem inquisitiven Blick.

Omi atmete tief durch. „Könnten wir das jetzt bitte hinter uns bringen? Ich weiß, dass du und Yoji ein Paar seid und...“

„Wir sind kein Paar“, stellte Aya mit einem Knurren klar.

Omi schluckte. „Gut, dann seid ihr...wasauchimmer. Ich weiß es und es ist mir egal. Na nicht egal. Ich freu mich für euch. Irgendwie.“

Seine Stimme erstarb. Aya nahm noch einen Schluck Tee.

„Woher wusstest du es?“

Omi blies die Backen auf. „Oh, ich bin ja schließlich nicht blind. Mag ja sein, dass ich nicht so viel Erfahrung mit solchen Sachen habe, aber die Blicke, die ihr euch im Laden zugeworfen habt, das leere Bett, dass ich vorgefunden habe, als Yoji hier geschlafen hat, die Tatsache, dass er seit Wochen keine seiner Eroberungen mehr herumgezeigt hat, das war alles kleine Hinweise in eine bestimmte Richtung. Und wenn du die ganze Nacht weg bist und am nächsten Tag mit Yojis Klamotten am Leib wiederkommst. Also das ist schon...“ Er schwieg kurz und setzt dann mit leicht geröteten Ohren hinzu: „Außerdem konnte ich letzte Nacht nicht schlafen und habe euch gehört.“

„Du wusstest, dass die Sachen von Yoji sind?“ Aya war ehrlich überrascht.

Omi nickte und grinste. „Zumindest die Jacke. Er hat sie mit mir zusammen gekauft, als er Ken bei einem Auftrag undercover als Trainer in einem Jugendcamp vertreten musste, weil der sich den Knöchel verstaucht hatte. Als er nicht aufgehört hat, sich darüber zu beschweren, wie fürchterlich unsexy die Sachen sind, habe ich gesagt, er soll sie nach dem Auftrag mir geben. Ich habe die Jacke nie wieder gesehen bis letzten Sonntag.“

„Du bist aufmerksamer, als gut für dich ist“, murmelte Aya und leerte seine Tasse.

„Hey, ich bin ein Auftragskiller“, protestierte Omi. „Genau wie du und Yoji und Ken.“ Er zog ein Gesicht, als er den Vermissten erneut erwähnte. „Meinst du, wir können ihn befreien?“

„Dazu müssten wir erst mal wissen, wo er ist“, gab Aya zurück, froh darüber, das Thema wechseln zu können.

„Vielleicht finden wir es heraus, wenn du uns endlich die Wahrheit sagst“, bot Omi an. „Ich weiß, dass du nicht alles erzählt hast. Aber jedes Detail kann wichtig sein, wenn wir Ken wiederfinden wollen. Also, Aya, wirst du uns helfen?“

Er starrte in die leere Tasse und nickte. Omi atmete hörbar aus. Aya sah ihn an.

„Stand das infrage? Ob ich helfen würde?“

Omi hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. „Manchmal...manchmal weiß ich nicht so recht, ob wir dir nicht alle irgendwie egal sind.“

Aya konnte den kleinen Stich, den ihm dieser Satz versetzte, nicht ignorieren. Vor ein paar Wochen wäre ihm das vielleicht noch gleichgültig gewesen. Er hätte ja nicht einmal hier mit Omi zusammen gesessen. Es war nicht so, dass sie nicht miteinander gesprochen hätten, aber das waren nie persönliche Dinge. Er wusste, dass das an ihm lag. Er hatte sie auf Abstand gehalten und auch nie etwas vermisst. Aber jetzt, wo er eine Ahnung davon erhalten hatte, wie es war, jemanden um sich zu haben, dem man nicht egal war, wollte er das Gefühl erhalten.

Er hatte stets für Aya gekämpft. Um das zu rächen, was ihr angetan worden war. Um sicherzustellen, dass sie weiterlebte. Aber er hatte selbst gemerkt, wie die Kraft langsam aus ihm gewichen war. Er war bereit alles zu geben, hatte es stets getan, hatte gedacht, dass das ausreichte. Doch es reichte nicht. Er brauchte mehr als das. Er brauchte Weiß und das nicht nur, weil sie ihm halfen, seine Ziele zu verwirklichen. Er brauchte sie, weil sie wichtig für ihn waren. Vielleicht wurde es Zeit, dass er das ein wenig zeigte.

 

Das Schweigen war lang gewesen. Omi stand auf, um zu gehen. Aya streckte seine Hand aus und hielt ihn zurück.

„Omi“, sagte er und versuchte freundlich zu klingen. „Es ist mir nicht egal. Nicht was aus dir wird oder aus Yoji oder aus Ken. Ich...ich war nicht fair zu euch und...es tut mir leid.“

In Omis großen Augen begannen Tränen aufzusteigen. Aya schluckte. Er wusste nicht, was er tun sollte. Was würde Yoji in so einem Moment tun? Was wollte er tun? Was hatte er früher in so einem Moment getan? Es war so lange her. Er räusperte sich.

„Omi?“

„Ja Aya-kun?“

„Hör auf zu weinen und setz dich wieder hin.“

Omi sah ihn an und fing unter den Tränen an zu kichern. Er wischte sich über die Augen und setzte sich wieder. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.

„Ich bin froh, dass du da bist.“

Aya nickte und wünschte, dass noch Tee in seiner Tasse gewesen wäre. Er sah zu Omi hinüber, der da saß und lachte und weinte zur gleichen Zeit und doch genauso sehr ein Killer war, wie er selbst. Es war ihm ein Rätsel, wie das funktionierte. Aber vielleicht musste er es auch nicht verstehen. Vielleicht genügte es, einfach da zu sein. Er hatte einmal den Fehler gemacht, sich Schwarz allein zu stellen. Er würde diesen Fehler nicht wiederholen. Dieses Mal würden sie gemeinsam gehen.

 

 

 

 

„Guten Mo... Omi?“ Yojis Stimme erstarb, als er auf der Küchenschwelle stehen blieb. Damit hatte er nicht gerechnet. Wie sollte er erklären, dass er schon am frühen Morgen nur mit einer Unterhose bekleidet in der weißschen Küche stand? Er täuschte ein Husten vor, um Zeit zu gewinnen. „Ich ähm...warum bist du nicht in der Schule?“

„Aya hat mich entschuldigt“, antwortet Omi fröhlich und zeigte Yoji einen erhobenen Daumen.

Der hob erstaunt die Augenbrauen. „So so, du darfst also schwänzen und ich nicht? Ich fühle mich misshandelt und ausgenutzt.“

„Wir werden den Laden auch schließen“, verkündete Aya und erhob sich. „Ich werde ein Schild anbringen.“ Er ging auf Yoji zu und blieb dann auf einer Höhe mit ihm stehen. „Er weiß es übrigens.“ Damit trat er an ihm vorbei und ging die Treppe hinunter zum Laden.

Yoji runzelte die Stirn. „Omi, was genau weißt du?“

Omis Nase bekam einen leichten Rotschimmer. „Das mit dir und Aya.“

Yoji war für einen Augenblick verblüfft, dann grinste er. „Cool. Heißt das, ich kann jetzt mit Aya im Laden rummachen, während du dabei bist?“

„Yoji!“ Omis Gesicht sah aus wie eine überreife Tomate.

„Nur ein Spaß. Aya würde mich vierteilen und meinen Kopf im Schaufenster ausstellen, wenn ich das täte.“

Omi kicherte. „Ja, das würde er, oder?“

Yoji machte ein todernstes Gesicht. „Auf jeden Fall. Aber im Moment haben wir wohl wichtigere Probleme. Missionsraum in einer halben Stunde?“

Omi nickte. „Ich gehe schon mal alles vorbereiten.“

Yoji ließ sich auf einen Küchenstuhl sinken und griff nach seinen Zigaretten. Der Aschenbecher war sauber. Er lächelte leicht. Wie sehr sich doch die Lage seit gestern geändert hatte, als er hier gesessen hatte. Er konnte nicht sagen, dass ihm das nicht gefiel.

 

Aya erschien in der Küchentür. Er öffnete den Kühlschrank und untersuchte den Inhalt und schloss ihn wieder. Sein Blick fand Yojis.

„Alles ok?“, wollte der wissen.

„Ja. Alles ok“, bestätigte Aya. „Es ist...ein wenig eigenartig aber ok.“

„Gut. Missionsraum in einer halben Stunde. Du oder ich zuerst ins Bad.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Oder zusammen?“

Ayas Lippen kräuselten sich zu einer Art Lächeln „Du schaffst es nie, vor mir da zu sein.“

Yoji hob eine Augenbraue. „Willst du mich herausfordern?“

„Nein, aber alleine duschen“

Mit diesen Worten war Aya aus der Küche verschwunden und Yoji starrte verblüfft auf den Platz, an dem er eben noch gestanden hatte. Er schüttelte den Kopf und grinste, während er noch einen Zug aus der Zigarette nahm. Irgendetwas hatte diese Nacht auch mit Aya gemacht. Es war schwer in Worte zu fassen, aber irgendwie schien zumindest eine der Eisschichten, die er um sich herum aufgebaut hatte, endgültig geschmolzen zu sein. Das gefrorene Herz darunter hatte wieder angefangen zu schlagen und Yoji betete, dass die Schläge Aya nicht allzu sehr erschüttern würden. Sie brauchten ihn jetzt voll einsatzfähig. Sie alle mussten es sein, wenn sie Ken aus den Fängen von Schwarz befreien wollten.

'Ich hoffe, du weißt, dass wir an dich denken', schickte er einen Gedanken in den Äther und hoffte, dass er seinen Freund irgendwie erreichte.

 

 

 

 

 

 

Es war kalt um ihn herum. Der steinerne Fußboden, die Luft, ja sogar die Blutlache, in der er lag, war kalt. Klebrig süß lag ihr Geruch in der Luft und machte ihm das Atmen schwer. Vielleicht war es aber auch seine Rippe, die unsanft Bekanntschaft mit einer Eisenstange gemacht hatte, die für das Stechen in seiner Brust verantwortlich war. Er versuchte seine Beine an den Körper zu ziehen, um wenigstens eine Illusion von Wärme zu bekommen, aber er konnte die steifen Muskeln kaum bewegen. Er spürte, wie Tränen in seine Augen schossen und verbiss sich das Schluchzen in seiner Kehle, das sie begleitete. Er würde nicht weinen. Nicht vor ihnen.

Er öffnete mühsam die Augen. Der kahle Raum um ihn herum war immer noch der gleiche, in den sie ihn die Nacht zuvor gezerrt hatten. Er schluckte, doch seine Kehle erfuhr keine Erleichterung. Seine Zunge klebte an seinem Gaumen und sein Kopf dröhnte. Nur mit Mühe fixierte er seinen Peiniger, der sich in eine Ecke des Raums zurückgezogen hatte und ihm den Rücken zuwandte. Er hörte ein schleifendes Geräusch. Vermutlich schärfte er seine Waffen, nachdem er sie wieder und wieder durch Kens Fleisch gezogen hatte und jede aufbrechende Wunde, jeden Tropfen Blut mit einem glücklichen Lächeln begrüßt hatte.

Die Schläge hatte er von Schuldig bekommen. Weil er widersprochen hatte. Weil er ihm vor die Füße gespien hatte, wie sehr er ihn verachtete. Ja sogar, weil er gewagt hatte, zu denken. Jetzt war sein Mund wieder mit Klebeband verschlossen, aber seine Lippen prickelten immer noch von dem ersten Mal, als sie es entfernt hatten, damit Farfarello sich an seinen Schmerzenslauten ergötzen konnte. Er hatte versucht, sie zurückzuhalten, aber er hatte es nicht gekonnt.

 

Er hörte Schlüsselklirren und das Öffnen einer Tür. Schritte näherten sich ihm und ein unwillkommenes Gesicht umrandet von einer Mähne aus orangerotem Haar schob sich in sein Sichtfeld.

„Ah, unser kleines Kätzchen. Ich hoffe, du hast gut geschlafen? Angenehme Träume, ja?“ Schuldigs Miene war ein einziges, sarkastisches Grinsen. Er wandte sich ab und begrüßte den zweiten Zelleninsassen.

„Hey, Farfarello. Hattest du gestern noch Spaß mit ihm? Wie ich sehe, warst du noch fleißig. Die Schnitte an seinen Beinen sind neu.“

„Sie haben stark geblutet.“

„Das sehe ich. Meine Güte, was für eine Schweinerei. Gefällt es dir so?“

„Mhm.“

Schuldig drehte sich zu Ken herum und zwinkerte ihm zu. „Der Anblick von Blut beruhigt ihn. Ich weiß nicht warum, aber du bist die beste Investition, die ich in den letzten zwei...na sagen wir drei Tagen gemacht habe. Crawford wird begeistert sein.“

 

„Das kannst du ja gleich mit ihm besprechen. Er will dich sehen.“

Eine weitere Stimme, die Ken noch nicht kannte. Sie klang jung, leise. Er versuchte den Besitzer der Stimme zu erkennen, aber er konnte den Kopf nicht weit genug herum drehen. Seine Arme waren immer noch auf den Rücken gefesselt, auch wenn sie ihm seine Waffen inzwischen abgenommen hatten.

„Ist er das?“, fragte die Stimme und Schuldig nickte.

„Sieh ihn dir nur an. Ein Prachtkerl, oder? Eine echte Rassekatze.“ Ein Grinsen in Kens Richtung.

Schritte kamen näher und ein Paar dunkle Schuhe und Beine in dunkelblauen Hosen kamen in sein Sichtfeld. Er versuchte den Kopf zu heben, als ein plötzlicher Schmerz ihn die Bewegung abbrechen ließ. Mit einem Stöhnen ließ er den Kopf wieder sinken.

„Ihr müsst seine Wunden versorgen“, sagte der Junge.

Schuldig stellte sich neben ihn. „Mhm, meinst du? Farfarello gefällt es so.“

Der Junge drehte sich zu seinem Teamkollegen herum. „Schuldig! Die Schnitte sind tief. Wenn sich das entzündet, ist er in ein paar Tagen tot.“

Schuldig schien nicht überzeugt. Ken konnte den Ärger in seiner Stimme hören. „Wenn die hier stirbt, bekommt er eben eine neue. Was soll´s?“

Der Junge ließ nicht locker. „Wir behalten diese hier. Kümmere dich darum, sobald du von Crawford zurückkommst. Er muss auch etwas zu trinken bekommen und sollte etwas essen.“

„Warum machst du das nicht?“

„Weil ich Wichtigeres zu tun habe, als mich um euer Haustier zu kümmern.“

Schuldig murmelte noch etwas Unverständliches, bevor er verschwand. Der Blick, den er Ken dabei zuwarf, gefiel ihm gar nicht.

 

Ken versuchte erneut, sich zu dem Neuankömmling herumzudrehen und rollte sich kurzerhand auf den Rücken. Sein Blick suchte das Gesicht des Jungen und er versuchte ein wenig Dankbarkeit hineinzulegen. Als er ihn ansah, überkam ihn ein seltsames Gefühl.

Die Züge des blassen Jungen waren vollkommen ausdruckslos, der Mund zu einem Strich zusammengepresst. Als er Kens Gesichtsausdruck bemerkte, verzogen sich die Lippen zu einem dünnen, bösen Lächeln.

„Danke mir nicht. Ich habe das nicht gesagt, weil ich Mitleid mit dir habe. Aber wenn du tot bist, ist dein Leiden beendet. Und ich will, dass du weiter leidest, so wie ich gelitten habe, nachdem du mir das einzig Gute in meinem Leben genommen hast...Ken.“

Er starrte den Jungen an. Woher wusste der seinen Namen? Er versuchte sich krampfhaft zu erinnern. Und plötzlich sah er es wieder vor sich: das Waisenhaus, Schwester Amamiya, Nagi. Der Junge hieß Nagi. Er war von der gleichen Nonne aufgenommen worden, die sich auch um Ken gekümmert hatte, als dieser nach dem Tod seiner Mutter ins Waisenhaus kam. Als Weiß den Auftrag erhielt, die Nonne zu eliminieren, weil sie ihre Schützlinge zu grausamen Morden anstiftete, hatte Ken zunächst gezögert, den Auftrag aber dennoch ausgeführt. Nagi, mit dem er sich kurz zuvor ein wenig angefreundet hatte, war Zeuge der Exekution geworden.

„Du hast es damals versprochen“, flüsterte Nagi und seine Stimme bebte vor Hass. „Du hast versprochen, dass ihr nichts geschieht. Du hast gelogen und jetzt wirst du dafür leiden. Ich werde dafür sorgen, dass sie dich gut pflegen, damit du sehr, sehr lange darüber nachdenken kannst, was du mir angetan hast.“

Mit diesen Worten drehte er sich herum und ging mit steifen Schritten aus dem Raum. Ken schloss die Augen. Er hatte gedacht, es könnte nicht viel schlimmer werden, aber offensichtlich war Schwarz immer noch für eine Überraschung gut.

 

 

 

Ken musste weggedämmert sein, denn als er erwachte, war Farfarello nicht mehr da. Er fühlte sich wie zerschlagen und verschiedene, körperliche Bedürfnisse meldeten sich, wovon Hunger und Durst noch die mildesten waren. In diesem Moment ging die Tür ein und Schuldig kam herein. Er trat direkt vor ihn und schnalzte vorwurfsvoll mit der Zunge.

„Tztztz, du bist wirklich ein dreckiges, kleines Kätzchen. Na schön, dann wollen wir dich mal baden. Magst du?“

Ken hätte beinahe gelacht. Als wenn er irgendeine Wahl gehabt hätte.

'Nein, die hast du nicht.'

Die Stimme in seinem Kopf war neu. Bisher hatte sich Schuldig nicht die Mühe gemacht, seine Fähigkeiten auf diese Weise unter Beweis zu stellen. Er hatte sich auf seine Fäuste und andere Gegenstände verlassen, um Ken zu quälen. Anscheinend sollte das Ganze jetzt auf ein höheres Level wandern.

„Ah, wo denkst du denn hin?“, grinste Schuldig. „Los, steht auf.“

 

Mit einiger Mühe schaffte Ken es, sich auf die Füße zu hieven. Als er stand, schwankte er leicht. In seinem Kopf drehte sich alles. Schuldig fasste ihn am Arm und schleppte ihn durch die Tür einen Flur entlang zu einer Tür. Dahinter lag ein gekachelter Raum mit Waschbecken, Toilette und einer Badewanne.

„Zeit, das hier mal abzumachen“, sagte Schuldig und zog mit einem Ruck das Klebeband von Kens Mund. „So ist es besser oder? Du siehst, ich kann nett sein, wenn ich bekomme, was ich will.“

Ken leckte sich die Lippen. Sie waren rau und aufgerissen.

„Durst?“, fragte Schuldig lauernd. Ken verkniff sich eine Antwort. Er würde diesem Monster nicht die Genugtuung geben, ihn um etwas zu bitten.

„Ah, Ken, du bist ein Sturkopf. Du heißt doch Ken, oder? Nagi hat so was erwähnt.“ Schuldigs Miene war freundlich, aber seine Augen sprachen eine andere Sprache. Er kam so nahe, das Ken seinen Atem auf seinem Gesicht spüren konnte. „Und wenn du ein bisschen nett zu mir bist, bekommst du vielleicht auch etwas dafür. Nun sage mir, was du brauchst und ich werde sehen, was ich tun kann.“

Ken überlegte nicht lange. Er nahm den Kopf zurück und versuchte, Schuldig damit an der Stirn zu treffen. Der wich ihm aus und lachte, als Ken einen Schritt vorwärts taumelte und strauchelnd in die Knie ging.

„Oh, Kätzchen. Du bist mir noch zu wild. Aber das wird sich schon noch ändern.“ Er grinste. „Toilette und Baden? Ich würde sagen, wir ziehen dich am besten erst mal aus.“

 

Ken riss die Augen auf. „Denk nicht mal dran, mich anzufassen“, zischte er. Sie hatten ihm seine Kleidung und die Waffen bis auf ein letztes Stück bereits abgenommen, aber er hatte nicht vor, sich auch noch davon zu trennen.

„Ach, so schamhaft?“, schmunzelte Schuldig. „Tja weißt du, es gibt da ein Problem. Wenn du darauf bestehst, die Hose beim Baden anzulassen, wird sie nass. Du könntest dich erkälten. Ich müsste sie dir somit hinterher ausziehen, bevor ich dich wieder zu Farfarello bringe. Ich weiß nicht, ob ihn das nicht vielleicht auf Ideen bringt. Kastrierte Kater streunen ja bekanntlich nicht mehr so sehr herum. Also jetzt ausziehen oder hinterher? Ich würde außerdem meinen, dass es auch einfacher ist, dich ohne die Hose zu erleichtern, aber wenn du darauf stehst...“

Ken sah ein, dass er verloren hatte. „Dann tu, was du tun musst.“

 

Er stemmte sich in den Stand und schloss ergeben die Augen. Trotzdem zuckte er zusammen, als Schuldigs Finger über seinen Rücken glitten. Sie wanderten langsam tiefer und er sog unwillkürlich die Luft ein, als sie den Bund seiner Boxershorts nach unten schoben. Der andere Mann ließ sich Zeit, bis der Stoff endlich den Boden erreicht hatte. Ken trat einen Schritt zur Seite, nur noch von den Fesseln an seinem Rücken bedeckt.

„Nett“, kommentierte Schuldig und Ken konnte nicht verhindern, dass ihm die Hitze ins Gesicht schoss.

„Wenn du dich umdrehen könntest“, knirschte er. „Ich würde gerne...“

„Tu dir keinen Zwang an“, antwortete Schuldig und lehnte sich mit untergeschlagenen Armen gegen die Wand. Ken atmete tief ein. Es war peinlich, aber noch viel peinlicher würde es werden, wenn er noch länger wartete. Der Druck auf seiner Blase war inzwischen zu einem konstanten Stechen geworden. Er senkte den Kopf und versuchte, an nichts zu denken, während er sich erleichterte. Schuldigs Blick schien Löcher in seine Haut zu brennen.

„Anscheinend bist du derjenige, mit dem perversen Vorlieben“, wagte Ken seinem Ärger Luft zu machen. Viel schlimmer konnte es ja nun wirklich nicht mehr werden.

„Ach Kätzchen“, schnurrte Schuldig und trat auf die Badewanne zu. „Es geht immer noch schlimmer.“ Er machte eine einladende Handbewegung. „Na los, hopp, rein mit dir. Wir wollen dich ein wenig waschen. Wobei... eigentlich werde ich dich waschen, denn deine Fesseln bleiben an Ort und Stelle.“

Ken sah Schuldig entsetzt an. Der hatte die Lippen geschürzt und ließ seine Augen unwillkommen lange über Kens Körper wandern. Er hob eine Augenbraue.

„Gar nicht übel. Abyssinian hätte sich überlegen sollen, wen er sich als Bettpartner auswählt. Mir scheint, mit dir könnte man auch ziemlich viel Spaß haben.“

„D-d-d-das...“, stotterte Ken, aber Schuldig schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab, griff ihn am Arm und schob ihn in Richtung Wanne.

„Baden hab ich gesagt. Los jetzt. Ich habe noch anderes zu tun, obwohl das wesentlich weniger spaßig sein wird als das hier. Du gehst also entweder freiwillig oder ich finde einen Weg, dich zu zwingen. Und glaube mir, den gibt es.“

 

Er lachte laut und stellte das Wasser an. Ken ergab sich seinem Schicksal und kletterte in die Wanne. Er setzte sich und versuchte, so wenigstens noch ein wenig Privatsphäre zu erhalten. Schuldig war jedoch unerbittlich. Abgesehen von den körperlichen Schmerzen, die das lediglich lauwarme Wasser auslöste, als es über die Wunden spülte und sie teilweise wieder aufplatzen ließ, schienen seine Hände überall zu sein. Auch an Stellen, an denen Ken sie definitiv nicht haben wollte. Er verkniff sich jeden Kommentar, aber es war unerträglich. Die Berührungen dauerten immer gerade einen Augenblick zu lange, strichen ein paar Mal zu oft über Stellen, an denen sich eigentlich gar keine Verletzung befand, gaben ihm das Gefühl, vollkommen ausgeliefert zu sein. Mehr als einmal war er drauf und dran aufzuspringen, doch dann verschwand der Impuls wieder, wurde unterdrückt, und er blieb sitzen.

Schuldig, der mit hochgekrempelten Ärmeln vor der Wanne kniete, grinste ihn an. „Du brauchst dich nicht so anzustrengen Kätzchen. Ich kann hören, wie du schreist, auch wenn deine Lippen sich nicht bewegen.“

Er nahm jetzt ein Tuch aus einem Schrank, ließ am Waschbecken Wasser darüber laufen und säuberte damit Kens Gesicht. Als er die Lippen berührte, leckte Ken darüber. Die Feuchtigkeit war angenehm, auch wenn es lange nicht genug war. Schuldig grinste und fuhr noch einmal mit dem Tuch über seine Lippen.

„Ist da etwas, um das du mich bitten möchtest?“

Ken schüttelte den Kopf. Er würde ihn nicht um etwas zu trinken bitten. Er würde schon etwas bekommen.

„Wenn ich es erlaube, ja“, schmunzelte Schuldig. „Daher nochmal: Willst du ich um etwas bitten?“

„Ich...ich habe Durst.“

„Verständlich. Aber ich habe keine Bitte gehört.“

Ken schloss die Augen. Dieser verdammte Bastard!

„Das habe ich gehört.“

„Kann...kann ich etwas zu trinken haben?“

Schuldig hob eine Augenbraue und sah ihn erwartungsvoll an.

„Bitte?“, schob Ken zwischen den Zähnen hindurch hinterher.

Schuldigs Gesicht hellte sich sofort auf. „Aber natürlich. Warte hier, Ken-Kätzchen.“

Er nahm aus dem Schrank einen Plastikbecher, füllte ihn unter dem Wasserhahn und hielt ihn Ken an die Lippen. Der wollte sich zunächst weigern, wusste aber nicht, wie er sonst hätte trinken sollen. So ließ er sich das Wasser reichen wie ein Zweijähriger.

„Oh, die meisten Zweijährigen können schon alleine trinken“, informierte ihn Schuldig. „Aber wenn es dir lieber ist, kann ich dir auch eine Schüssel auf den Boden stellen, Kätzchen. Erwarte aber keine Milch. Die bekommt dir bestimmt nicht.“

Ken grunzte nur und sandte ein Gebet zum Himmel, dass er sich nicht auch noch würde füttern lassen müssen. Als er in Schuldigs Gesicht sah, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte. Ein breites Grinsen zierte dessen Züge.

„Eine hervorragende Idee, Kätzchen. Was magst du essen?

 

 

 

 

Crawford sah auf, als Schuldig ins Zimmer kam. Dessen Kleidung hatte nasse Flecken, die Ärmel waren hochgekrempelt, die Haare hingen lose herunter. Er sah ungewohnt locker aus. Das Lächeln auf seinen Zügen kannte Crawford allerdings nur zu gut. Er hatte jemanden gefunden, den er quälen konnte. Es war ein Ausdruck fast kindlicher Freude, vergleichbar einem Jungen, der gerade dabei war, einer Spinne die Beine auszureißen, nur um zu sehen, was passierte.

Er sah zu, wie der anderen Mann in die offene Küche ging und anfing, die Schränke zu durchsuchen. Dabei summte er vor sich hin.

„Darf ich fragen, was das werden soll?“, ließ sich Crawford vernehmen.

„Oh, ich füttere das Kätzchen. Nagi hat gemeint, es bräuchte was zu essen.“ Er hatte eine Schüssel Reis im Kühlschrank entdeckt und diese anscheinend für geeignet erachtet. Crawford schenkte ihm einen ernsten Blick.

„Ich hatte mich vorhin doch klar ausgedrückt, oder? Ich wünsche nicht, dass dein neues Hobby deine Arbeit beeinträchtigt.“

Schuldig zog die Augenbrauen zusammen. „Und ich habe dir geantwortet, dass es das nicht tun wird. Du bist doch ohnehin mit diesem Kawaji verabredet und wirst ihm auch ohne mich Honig um den Bart schmieren können.“

„Aber du hast ebenfalls Aufgaben zu erledigen. Außerdem dachte ich, dass du den Weiß für Farfarello angeschleppt hast.“

Schuldigs Mund verzog sich zu einem grausamen Lächeln. „Ja, aber das war, bevor ich wusste, wie viel Spaß man mit so einem Kätzchen haben kann. Ich werde Farfarello weiterhin seinen Körper überlassen, aber sein Geist gehört mir.“

Crawfords Augen wurden schmal. „Was hast du vor?“

„Oh, ich habe da ein paar süße, kleine Geheimnisse in seinem Kopf entdeckt. Zum Beispiel, dass er bereits zweimal von seinem besten Freund verraten wurde. Am Schluss musste er ihn auch noch selber umbringen. Und jetzt hat ihn sein Team an uns verschachert. Er leidet wirklich sehr darunter, der Arme.“

Sarkasmus tropfte aus jeder Pore von Schuldigs Körper. „Außerdem gibt es da noch etwas. Er ist unglaublich...“, er grinste breit, „prüde. Allein die Andeutung von intimer, körperlicher Nähe lässt ihn zu einem ängstlichen, kleinen Jungen zusammenschrumpfen. Es ist köstlich zu sehen, wie er sich dabei in Gedanken windet.“

Crawford machte einen undeutbaren Laut. „Ich wusste gar nicht, dass du auf so was stehst, Schuldig.“

Der Angesprochene warf den Kopf zurück und lachte. „Tue ich auch nicht. Aber es reicht, ihn glauben zu lassen, dass ich es täte. Wo doch seine Freunde auf einmal aneinander Interesse haben, warum dann nicht auch der Feind an ihm? Mal sehen, vielleicht lasse ich ihm sogar in dem Glauben, ich würde ihm helfen. Bis er mir vollkommen vertraut, damit ich ihm dann das Messer in den Rücken rammen kann. Ein weiterer Verrat auf seiner Liste, wenn er herausbekommt, dass es nicht so ist.“

Crawford konnte nicht anders, als zu lächeln. Schuldigs Enthusiasmus war ansteckend, auch wenn er meist nicht lange anhielt.

„Ich sehe schon, das wird dich gar nicht von seiner Arbeit ablenken“, sagte er mit ironischem Unterton. „Aber sei gewarnt. Wenn mir dein Spielzeug lästig wird, werde ich es entsorgen.“

Schuldig tat entrüstet. „Keine Bange, ich bin ein Profi.“

Crawford seufzte. „Du bist gut, aber nicht unersetzbar, Schuldig. Merk dir das.“

„Ah, aber du würdest mich vermissen, wenn ich nicht mehr da wäre“, antwortete Schuldig und zwinkerte ihm zu.

Crawford ging nicht darauf ein, sondern sah ihn nur über den Rand seiner Brille hinweg an. Der andere Mann grinste, nahm die Reisschüssel vom Tisch und verschwand mit einem „Fütterungszeit!“ wieder aus dem Raum. Crawford machte sich nicht die Mühe, seine Gabe auf Schuldigs Eskapaden zu verschwenden. Wenn die Zukunft etwas Wichtiges für ihn bereithielt, würde sie es ihm rechtzeitig mitteilen.

 
 

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Soundtrack:
Everybody knows – Sigrid
Band, Bang – Nancy Sinatra



Die Jungs sind gerade echt alle nur am Rumnölen. Omi, weil Yoji ihm seine Ansprache schon im letzten Kapitel geklaut hat und er wieder nur die Heulsuse ist, Farfarello, weil er zu wenig Text hatte, Ken will Beschwerde wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz einlegen und Aya wirft mir, statt zu meckern, böse Blicke zu. Nur Schuldig findet sich wieder toll.

'Weil ich eben toll bin!'

„Klappe halten und weiter arbeiten!“

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  radikaldornroeschen
2018-04-23T10:22:39+00:00 23.04.2018 12:22
Woooah, genau so böse, wie Schuldig im Anime dargestellt wird... eiskalt, leicht wahnsinnig.
Ich lese gerade parallel eine Geschichte, in der Schuldig eine gute Seite hat und vollkommen anders dargestellt wird - nun dieses Kapitel zu lesen ist der Hammer, weil sein Auftritt völlig konträr ist!
Bleibt auf alle Fälle nachhaltig im Gedächtnis haften, toll gemacht!! ^^
Antwort von:  Maginisha
23.04.2018 13:02
Ah ich grinse von einem Ohr zum anderen. Danke für das Kompliment! Ich gebe zu, ich schreibe Schuldig gerne. Im Gegensatz zur Farfarello. Der sitzt hier im Schneidersitz auf dem Fensterbrett und guckt.mich.an. Gnaah, wie ich den Kerl hasse!


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