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We can never go home

Steve/Bucky
von

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Der Schmerz ließ nicht nach. Nicht eine Sekunde, während er durch dieses Labyrinth an Erinnerungen, Emotionen und hypothetischen Erlebnissen strauchelte, welches ihn immer und immer wieder mit dieser einen unausweichlichen Tatsache drangsalierte. Er konnte Bucky nicht beschützen.
 

Nicht vor der Kugel, die sich direkt durch sein Herz gebohrt hatte. Nicht vor dem viel zu schnell fahrenden Wagen, der ihn erfasste. Nicht vor dem gebrochenen Genick, durch den Fall aus dem alten Kirschbaum. Nicht, als er im Meer ertrank und nicht, als ihm eine Krankheit den letzten Rest an Lebensenergie entzog.
 

Und auch nicht all die anderen Male.
 

Steve war sich sicher, dies war sein ganz persönlicher Orkus für alle Ewigkeit.
 

Er war mit Bucky oft am Strand von Coney Island oder am Brighton Beach gewesen. Als Kinder, davongestohlen, an viel zu warmen Sommertagen, aus dem kargen Hof des Waisenhauses.
 

Und auch noch über die folgenden Jahre, bis der Krieg seinen Terror schließlich auch auf sie hatte niedergehen lassen.
 

Diese Erinnerung war seine eigene. Genau wie die von dem alten Kirschbaum, der im Garten eines verlassenen Einfamilienhauses gestanden hatte, am Rande ihres Viertels.
 

Und jetzt mischten sich vertraute und warme Lebensbilder, mit dem fauligen Geruch von Tod und Hilflosigkeit, dass das Gefühl von unentwegter Übelkeit umstandslos in diese abstrakte Normalität einwuchs.
 

Nur manchmal, wenn er glaubte in der farblosen Ödnis aus Bedauern, Wut und Niedergang zu verzweifeln, zog eine fragile Illusion von Wärme hindurch. Gleich einem Sonnenaufgang, dessen erste Strahlen einem wie die Spitzen goldener Schwingen sanft über das Gesicht strichen. Ein Sonnenaufgang, wie er ihn nur über den Fassaden und Hinterhöfen zu sehen bekam, wenn er mit Bucky auf dem Dach der alten Bäckerei gesessen hatte und alles noch zu schlafen schien.
 

Er und Bucky.
 

Niemand sonst.
 

Für ihn gab es niemand anderen.
 

Es war an einem 4. Juli gewesen, als dieses überwältigende Empfinden, ähnlich dem Aufgehen der Sonne, in ihm aufgestiegen war. Wie so oft waren sie die schmale Eisenleiter hinaufgeklettert und nahmen ihren Platz auf dem Simms hinter dem Schornstein ein, wo Bucky ihm einen etwas zerschundenen, aber imposanten Sammelband, alter Lithographien, vergangener Zeitgeschichte geschenkt hatte.
 

Die Seiten waren geschmeidig unter seinen Fingern gewesen und es störte ihn nicht, dass einige davon lose waren.
 

Denn die Freude darüber war trotzdem nicht weniger groß. Er liebte es, Kunst zu bewundern, egal in welcher Form.
 

Und er liebte Bucky.
 

Er liebte ihn dafür, dass er in ihm die Kraft nach vorn zu schauen nicht erlöschen ließ.
 

Dafür, dass er ihn akzeptierte wie er war, kränklich, starrsinnig und viel zu oft, viel zu furchtlos.
 

Er liebte ihn, weil es das Natürlichste der Welt war und er niemanden sonst mehr hatte, auf den er dieses Gefühl hätte aufteilen können.
 

Also konzentrierte sich all seine Zuneigung, die er besaß, nur auf ein Ziel.
 

Er war 10 und seine Liebe zu Bucky war das Unschuldigste der Welt.
 

Bucky hatte ihn mit diesem spitzbübischen Lächeln angeschaut, als er ihn so überglücklich aus seinen großen, blauen Augen anhimmelte und gefragt hatte, woher er das Buch habe. Buckys Arm, der sich über seine schmalen Schultern legte, war jedoch alles was Steve brauchte, um nicht weiter nachzuhaken.
 

Es war einer der besten Geburtstage, die er gehabt hatte, seit er ins Waisenhaus gekommen war.
 

Das Buch mochte bereits zerfallen sein, doch dieses Gefühl hatte er auch über all die Jahre im Eis nicht vergessen.
 

An dem Tag, als ihm bewusst wurde, dass Freundschaft nicht mehr fassen konnte, was er für Bucky empfand und kindliche Bewunderung von verbotenen Gedanken überlagert wurde, schalt er sich selbst einen irrwitzigen Narren.
 

Aber damit hörte es nicht auf.
 

Die weiteren Jahre, die sie zusammen verbrachten, ersetzen das Naive durch das Vorsichtige. Denn je älter sie wurden, umso akribischer wurden sie auf der Straße beobachtet. Zu schnell konnte eine Geste zu innig, zu frevelhaft wirken, um sie noch als einen unschuldigen Akt aus Kumpanei erklären zu können. Zuviel Abscheu und Unverständnis nistete in den Köpfen der Leute, die in diese Meinung hinein erzogen worden waren.
 

Deshalb hatte er gelernt, seine inadäquaten Gefühle zu verschleiern.
 

Und er war gut darin gewesen.
 

Bis zu dem Tag, als er Bucky verlor und darüber hinaus.
 

Niemand ahnte, wie viel mehr ihn dieser Verlust schmerzte. Von wie vielen Dingen er sich wünschte, sie anders gemacht zu haben. Seine Zuneigung für Bucky, war nach dessen Tod, noch nie so unerträglich gewesen.
 

Eine neue Szenerie baute sich nun vor seinen Augen auf. Steve hatte es schon zu oft erlebt und wusste somit, dass es der Anfang einer neuen Geschichte war, deren Ende stets unverändert blieb.
 

Und er war dem so unglaublich müde.
 

Das Wissen, dass er erneut nur wieder hilflos ertragen musste, schlang sich wie widerspenstiges Geäst um seinen erschöpften Geist.
 

Dennoch gäbe es nicht eine Sekunde, in der er seine Augen davor verschließen würde. Es war qualvoll, es immer wieder mit ansehen zu müssen, doch er wollte auch nicht davor davonlaufen. Vielleicht hätte er es auch ignorieren können. Der fiktiven Gestalt von Bucky einfach den Rücken zuwenden und ihn allein seinen Schicksal überlassen können. Aber Steve wäre fern davon, sich dadurch befreiter zu fühlen.
 

Er hatte Erfahrung darin, sich selbst etwas vorzuheucheln, wenn es um Bucky ging.
 

Nur war Rückzug und Gleichgültigkeit noch nie etwas gewesen, dass er für sich als eine Option empfand und er würde auch jetzt nicht damit beginnen. Aller Ewigkeit zum Trotz.
 

Er würde Bucky nicht alleine lassen.
 

Es war nie klar, was und wann es geschehen würde, aber um seine Tortur so effektiv wie möglich zu gestalten, ließ man ihn kurz zuvor immer spüren, dass das Unausweichliche nicht mehr fern war.
 

Es war ein flüchtiges Gefühl, wie zwischen Schlaf und Erwachen, das ihn jedes Mal erfasste, gefolgt von dem Unvermögen auch nur einen Schritt tun zu können. Und jedes Wort der Warnung schien man ihm von seinen Stimmbändern zu schälen. Somit war es ihm auch stets unmöglich Bucky aufzuhalten oder aus der Gefahr heraus zu manövrieren, mit ihm tauschen zu können.
 

Bis es zu spät war.
 

Und keine Version wiederholte sich ein zweites Mal, sodass er es hätte vorhersehen können. Man ließ ihn von vorn herein keine Chance. Es war die Strafe für seine Fehler, seine falschen Gedanken, für gelogene Versprechen.
 

Für Steve gab es keinen Zweifel daran, dass er es verdient hatte.Er saß mit Bucky in einer Bar. Steve fiel auf, dass er bis jetzt nie als sein altes Ich eine Rolle spielte, sondern stets das Abbild von Captain America darstellte. Wohl um sein Unvermögen nur noch mehr zu verhöhnen.
 

Bucky stieß ihn leicht in die Seite und zeigte mit einer Kopfbewegung auf zwei adrette Damen, die zusammen an einem Tisch saßen und ihnen verstohlene Blicke zuwarfen.
 

„Kein Interesse, Buck.“, ließ er diesen wissen und setzte seine Bierflasche zum Trinken an. Trotz seiner Erscheinung war er immer noch der Meinung, dass das Interesse der Ladys ausschließlich auf Bucky gerichtet war.
 

So war es immer gewesen.
 

„Ach komm schon, Stevie.“ Bucky legte ihm motivierend einen Arm über die Schultern. „Die Mädels machen einen netten Eindruck, also sei nicht so ein Frosch.“ Auf diese Bemerkung hin musste er kurz lachen, traf es doch genau das, was die Damen in ihm sahen.
 

Einen Frosch, keinen Prinzen.
 

Keinen Prinzen wie Bucky.
 

Ein Moment verstrich, in dem Bucky ihn nur anschaute, als warte er darauf, dass er sich endlich durchringen würde.
 

Er würde schon nach Hause gehen, da er sich müde fühlte, das war es was er Bucky zu sagen gedachte, als dieser plötzlich seine Hand ergriff und ihn, mit einem seiner typischen Grinsen, von seinen Stuhl und hinaus aus der Bar zog. Und alles was Steve in den Sinn kam war, dass sie noch nicht bezahlt hatten und es Ärger bedeutete, würden sie sich nun auf und davon stehlen.
 

Doch anstatt in der kühlen Nachtluft von Brooklyn zu landen, schmolz die Kulisse, die sie umgab und legte eine andere frei. Es war ein Muster wie in einem Traum. Nichts folgte einer graden Konstanten und Farben und Formen der Umgebung änderten sich, ohne dass es einem selbst verwunderlich erschien.
 

Sie waren zurück in ihrem kleinen, ärmlichen Apartment und Bucky stand am Fenster. Nichts weiter an, als seine Shorts und ein weißes Unterhemd, während er gedankenverloren in die Dämmerung schaute.
 

„Wenn ich mich bei der Armee einschreibe, würde es uns besser gehen. Sie zahlen nicht viel, aber sie zahlen und es reicht, um die Rechnungen begleichen zu können.“
 

Steve erinnerte sich an dieses Gespräch und er erinnerte sich daran, dass er es Bucky ausreden wollte. Sich für die Armee verpflichten hieß, dass er ihn nur noch selten sehen würde und es machte ihm das Herz so unsäglich schwer.
 

„Wenn du es dir ausreichend überlegt hast, werde ich dir nicht im Weg stehen.“, hatte er stattdessen gesagt und Bucky hatte stumm genickt.
 

Das Kreischen von Möwen drang an seine Ohren, als sie übergangslos einen sandigen Pfad entlang gingen und er die salzige Seeluft auf seiner Zunge schmeckte.
 

„Ich dachte schon, das würde nie was werden mit dir, aber anscheinend mag dich die Kleine. Ich hoffe, du stellst dich nicht zu unbeholfen an und vergraulst sie damit gleich wieder.“ Er hatte keine Ahnung, vom wem Bucky sprach, aber anscheinend war er zufrieden, dass sich irgendein Mädchen für ihn zu interessieren schien. Und Steve mochte dieses leichte Lächeln auf Bucky Lippen, wenn dieser zufrieden war.
 

„Ich kann für nichts garantieren.“ Sie überwanden einen leichten Aufstieg und fanden sich schließlich oben auf einer Klippe wieder, von welcher man eine weitreichende Sicht über das unter ihn wogende Wasser hatte.
 

Der Horizont gab ein Tableau aus Grautönen wieder, welche Steve unweigerlich an Buckys Augen erinnerten, während der Wind merklich auffrischte.
 

Und dann spürte er es wieder, dieses kurze betäubende Gefühl. Hier würde es passieren und eine weitere Episode ihr Ende finden.
 

„Die Aussicht ist toll, nicht wahr?“ Bucky stand noch immer neben ihm, doch dann trugen ihn seine Schritte näher an den Abgrund heran.
 

„Wenn der Krieg zu Ende ist, möchte ich zurück und mir ein neues Leben aufbauen. Du weißt schon mit Frau und Kindern, in so einem schicken kleinen Haus mit Terrasse. Und einen Hund werden wir haben, mit kornfarbenen Fell und großen treuen Augen, den ich Steve nennen werde.“ Bucky schaute über seine Schulter hinweg zu ihm und lächelte scherzend. Steve wollte zurück an dessen Seite, wollte ihn davon abbringen auch nur noch einen Schritt in Richtung Klippe zu tun. Aber alles was ihm möglich war, war an Ort und Stelle zu verharren. Wie jedes Mal.
 

„Bucky!“ Seine Stimme betrog ihn, ließ nichts von der Angst und der darin verwobenen Bitte wiederklingen, dass er zurück zu ihm kommen sollte, dass er nicht erneut zusehen wollte, wie sein bester Freund sterben würde.
 

„Keine Sorge, Stevie, ich werde dich schon nicht einfach sitzen lassen.“ Buckys Blick richtete sich wieder aufs Meer.
 

Es gab keinen Zweifel an dieser Tatsache, das wusste Steve genau. Aber es war nicht die Zukunft, die er sich wünschte.
 

Also warum nicht dieses eine Mal mutig genug sein? Hier in dieser unbeständigen Welt, die seine Ewigkeit darstellte? Wenigsten hier könnte er Bucky wissen lassen, wie wichtig er ihm war, wie unvergleichbar.
 

Er wollte es sich selbst endlich sagen hören. Diese Worte die alles zusammenfassten, was Bucky ihm bedeutete.
 

Wenigstens ein einziges Mal.
 

„Hey Buck.“ Steves Lippen formten ein Lächeln, als Bucky sich fragend zu ihm umwandte. „In meiner Zukunft gibt es nur dich an meiner Seite. Niemand anderen. Du bist alles, was ich will.“ Es war ein resolutes Geständnis seiner ehrlichen Gefühle, ohne einen geringsten Zweifel.
 

Er hörte Buckys offenes Lachen das folgte, doch nicht weil er ihn verspottete. Es war die Art von Lachen, wenn er etwas fassungslos war. Wenn er Steve etwas Unerwartetes, derart ernst sagen hörte. Er es aber auch reichlich amüsant fand, weil solch eine Aktion so typisch Steve in seinen Augen war.
 

„Ich liebe dich, Bucky.“ Bucky verstummte daraufhin, doch ein Lächeln blieb.
 

„Du bist ein Idiot, Rogers.“
 

„Ich weiß.“ Und dann kam Bucky wieder auf ihn zu und Steve zögerte seinen Arm nach ihm auszustrecken, aus Furcht, dass er ihn trotzdem nicht erreichen würde. Aber dann streckte Bucky ihm seine Hand entgegen und die zuvor so unüberbrückbare Distanz war verschwunden.
 

Buckys Körper, um den er seine Arme schloss, war solide und warm.
 

Es reichte aus, alles andere vergessen zu können und sich vollkommen in diesem einen Moment zu verlieren.
 

Bucky war alles was er brauchte.
 

„Ich liebe dich, Buck.“
 

Goldene Schwingen, die über seine verlorene Seele streiften.
 

Es war das erste Mal, dass er Bucky nicht hatte sterben sehen müssen.
 

*
 

Sein Kopf schmerzte, etwas das Steve in solch einem Ausmaß, schon länger nicht mehr hatte wahrnehmen müssen.
 

Ein seltsamer milchiger Schleier hielt sich über seiner Sicht und verschwand auch nicht, egal wie oft er auch blinzeln mochte.
 

Das Nächste, das ihm bewusst wurde war, dass er sich nicht recht bewegen konnte. Seine Arme und Beine fühlten sich an, als könnten sie der Gravitation nichts entgegen bringen. Selbst das Drehen des Kopfes war ungemein anstrengend. Der Versuch, seine Stimme zu befehligen, schlug ebenso fehl und er ließ frustriert davon ab.
 

Zäh drangen Laute zu ihm durch und Steves Geist holte etwas zu langsam zu der Erkenntnis auf, dass er sich schon einmal derart gefangen im seinem eigenen Körper gefühlt hatte.
 

Damals, als er langsam aus seinem Kälteschlaf zurückgeholt wurde.
 

Nur spürte er diesmal keine Kälte.
 

Vielleicht waren seine Nerven noch immer zu sehr betäubt, als das er sie würde wahrnehmen können.
 

Es war auch die erste Vision, dieser traumartigen Frequenzen, die ihren Anfang damit nahm, dass er sich in solch einem untauglichen Zustand befand.
 

Was würde dieses Drama wohl für ihn bereithalten?
 

Ein Umherschwimmen von Silhouetten durchzog mit einem Male sein Blickfeld, welche er aber nicht definieren konnte. Er spürte nur, dass er nicht allein war.
 

Eine unerwartete Hitze erfasste plötzlich seine empfindungslos geglaubten Nerven und brachte seinen gesamten Körper zum Vibrieren. Sie dämmte den Schmerz und weichte seine starren Glieder nach und nach ein wenig auf.
 

Es erschien ihm, als wäre eine Ewigkeit vergangen, seit er sich im Stande gefühlt hatte, seine Lungen mit so viel Sauerstoff füllen zu können. Als wäre er grade erst von einem hohen Gipfel heruntergestiegen.
 

Und je länger er dalag, wo auch immer das sein mochte, umso mehr lichtete sich der Schleier, umso klarer wurden Geräusche in seinem Umfeld.
 

Ein verwaschenes Gewirr von Stimmen legte sich um ihn herum, nur konnte er noch nicht filtern, was diese miteinander austauschten
 

Mühsam wandte er seinen Kopf in die Richtung, aus welcher sie zu ihm drangen und nahm Farben und Konturen schon ein stückweit deutlicher wahr, als zuvor.
 

Er erkannte den schlanken, femininen Körper und das rote Haar von Natasha.
 

Er erkannte die dunklen Umrisse von Tonys Bart und dessen so typisches Gestikulieren.
 

Selbst wenn Bruce kein auffälliges Merkmal anhaftete, war dessen Haltung ausreichend genug für Steve, ihn zuordnen zu können.
 

Und dann war da die große, breitschultrige Gestalt von Thor, mit seinem langen, blonden Haaren und dem leichten Donner in der Stimme.
 

Ein angestrengtes Stöhnen rutschte Steve über die Lippen, als er versuchte sich etwas aufzurichten, um sich eine besseres Bild von allem machen zu können. Und es brauchte nur ein Augenzwinkern und jeder, den er hatte bestimmen können, eilte an sein Bett.
 

„Steve?“ Er blinzelte erneut. Es war Bruce, der sich nun etwas zu ihm herabbeugte.
 

„Wie fühlst du dich?“ Steve brauchte einen Augenblick diese Frage zu erwidern, fühlte sich sein Geist noch so unglaublich träge an.
 

„Seltsam.“ Seine Stimme klang fremd in seinen eigenen Ohren und er war sich nicht sicher, ob er überhaupt derjenige gewesen war, der diese Feststellung hervorgebracht hatte.
 

„Was ist…“ Abermals versuchte er sich aufzurichten, wurde jedoch in seinen Vorhaben prompt unterbrochen.
 

Behutsam deutete man ihm, durch leichten Druck auf seine Schultern an, dass er sich wieder hinlegen sollte.
 

„Immer mit der Ruhe, Cap. Soweit sind wir noch nicht. OK?“ Steve war eindeutig nach Protest zu Mute, wollte er doch wissen, was vor sich ging. Warum er sich überhaupt in solch einen Zustand befand.
 

„Es geht schon, ich will nur…“
 

Stur setzte er sein Anliegen fort, sich wenigstens hinsetzen zu wollen und ignorierte das Murren, das er eindeutig Tony zuschreiben konnte.
 

„Jemand soll den Frostkönig zurückholen. Er hat hier vielleicht mehr Glück.“
 

Steve hatte kaum verarbeitet, was Tony gerade gesagt hatte, als sich eine weitere Person in die noch immer undeutliche erscheinende Gruppe vor ihm mischte.
 

„Hey Stevie, immer schön langsam.“
 

Bucky.
 

Steve war einen Moment regungslos, bevor er erneut eine Geste spürte, die ihn zurück in die Kissen zu dirigieren wünschte.
 

„Komm schon. Du musst dich noch immer ausruhen. Kannst du mir den Gefallen tun?“
 

Es war eindeutig Buckys Stimme. So wie er sie von früher und noch vor seinem Erwachen als Captain America in Erinnerung hatte. Bucky hatte ihn stets zur Vernunft gerufen, es nicht gleich zu übertreiben, wenn er sich nach einer krankheitsbedingten Phase im Bett schon wieder zu viel zumuten wollte, anstatt sich soweit auszukurieren, bis er wieder ausreichend fit war.
 

Es war ein nostalgisches Gefühl, das ihn mit Schwermut erfüllte.
 

Zu sehr erinnerte es an eine Zeit, die er trotz allen vorhandenen Erschwernissen so derart zu vermissen gelernt hatte, seit seiner ungewollten Rückkehr aus dem Eis.
 

Und nun war sein Los eine weitere, unwillkürliche Odyssee, bestehend aus diesen ineinander geflochtenen Martyrien
 

„Ich wünschte, es wäre endlich vorbei.“ Ergebenheit lag in seiner Stimme, die noch immer so rau und fremd klang.
 

„Ich weiß. Gib dir noch etwas Zeit.“ Buckys Worte klangen sanft und Steve lächelte traurig.
 

„Wenn das alles wäre, was es dazu braucht.“ Steve fühlte sich mit einem Male wieder so schwach und verloren, wusste er doch, dass sich nichts mehr für ihn an seinem Schicksal ändern würde.
 

Das gegensätzliche Gefühl von Kühle und Wärme legte sich daraufhin über seine Wangen.
 

Sachte lenkte man seinen Kopf so, dass er in ein Gesicht schaute. Und es frustrierte Steve, dass er es nicht in all seiner Klarheit erkennen konnte. Deshalb imitierte er die Geste vorsichtig, die man ihm zukommen ließ.
 

Nur beließ er es nicht dabei, seine Finger still ruhen zu lassen, zu sehr verlangte es ihm nach etwas vertrauten. Langsam führte er seine Fingerspitzen über das Gesicht, das er sich in seinem Geist so vorstellte, wie er es in Erinnerung hatte.
 

Buckys Wangen waren etwas kratzig von beginnendem Bartwuchs. Über seine Stirn zogen sich leichte Falten, die sich über den Krieg hin vertieft hatten und an denen er sicherlich auch seine Schuld trug. Instinktiv streiften seine Finger unter dessen Kinn, wo sie nach einer Narbe suchten. Bucky hatte sie sich zugezogen, als er in zu betrunkenen Zustand die Treppen zu ihrem Apartment hochgetaumelt und über einen Fehltritt hart mit dem Kinn auf der Kante einer der hölzernen Bohlen aufgeschlagen war.
 

„War ein Wahnsinns Kampf.“, hatte er ihm damals nonchalant einreden wollen, als er ihm mit dieser Sauerei gegenübergetreten war und er hatte wissen wollen, was passiert sei.
 

„Ja, diese Stufen aus Eichenholz können schon ganz schön austeilen“, hatte er ihm wissend mitgeteilt, war es kaum möglich gewesen, das Poltern im Aufgang und das darauf folgende Fluchen nicht mitzubekommen. Er hatte sich, nach einer kleinen Predigt, dessen Verletzung angenommen und als dieser dann im Bett lag und seinen Rauch ausschlief, den Hausflur säubern dürfen.
 

„Du warst schon ein ganz schöner Idiot.“, wisperte er sinnierend und lächelt erneut betrübt.
 

Die Hände an seinem Gesicht legten sich nun auf die seinen und schoben diese zurück.
 

„Hör zu, wenn du dich wieder hinlegst und noch etwas schläfst, können wir das Gespräch später fortsetzen. OK?“
 

Wie sehr er sich wünschte, dass er Buckys Worten Glauben schenken könnte. Nichts wäre motivierender, als die Gewissheit, später mit ihm reden zu können, ungezwungen und über die ganz alltäglichen Dinge ihres einst so simplen Lebens.
 

Er vermisste es so schrecklich und es erfüllte ihn wieder mit diesem bitteren Gefühl der Hoffnungslosigkeit.
 

„Bitte.“ Bucky hatte sein Zögern bemerkt und so sehr es Steve auch schmerzte, diese Vision von Bucky aufzugeben, konnte er ihm doch seinen Wunsch nicht abschlagen. So nickte er schließlich ergeben und rutschte zurück in die Kissen und Laken.
 

Doch egal, wie sehr er sich auch dagegen wehrte, so konnte er sich dem erneuten Abdriften einfach nicht entziehen, was seine geschlossenen Augen mit diesem unliebsamen Brennen erfüllte.
 

Er erinnerte sich daran, dass er sich, selbst dünn und schwächlich, nie hatte die Blöße geben wollen, auch nur eine Träne zu zeigen.
 

Egal, wie sehr sein Körper nach einen Kampf auch schmerzte. Egal, wie sehr ihn der Geschmack seines eigenen Blutes daran erinnerte, was er war und was er niemals sein würde.
 

Erst der Verlust seines besten Freundes hatte bewirken können, dass sein Stolz nichts mehr wert war. Bucky war der Erste, der Captain America wirklich in die Knie gezwungen hatte und Steve war sich sicher, dass Bucky ihn dafür ausgelacht hätte.
 

Am Ende war es immer Bucky gewesen, der seine größte Schwäche darstellte.
 

Aber er erlaubte sich dennoch, sich einzubilden, dass es Bucky war, der dieses Zeichen von Schwäche sanft von seinen Wangen wischte.
 

***
 

Steve war noch immer etwas angeschlagen.
 

Es waren ein paar Tage vergangen, seit er wieder zu sich gekommen war und es sich nicht erdrückender angefühlt hatte, als wäre er aus einen schweren Traum erwacht.
 

Als wären nur wenige Stunden des Schlafens verstrichen.
 

Sam war die erste Person, die er zu Gesicht bekam, hatte dieser an seiner Seite verweilt, als er aufgewacht war.
 

Zuerst war ihm, als befände er sich wieder im Kreislauf eines neuen Bruchstücks, einer weiteren Geschichte. Sam hatte ihn wissen lassen, dass er über eine Woche in einer Art Koma gelegen hatte.
 

Aber warum hätte er ihm glauben sollen?
 

Steve hatte seine Skepsis demnach weiter beibehalten.
 

Man hätte ihm alles Mögliche vorgaukeln können. Er hatte es schließlich oft genug durchmachen müssen.
 

Als nächstes waren Tony und Bruce an seinem Bett aufgetaucht.
 

„Dafür verlange ich eine Entschädigung, Captain 'Ich-lass-euch-allen-graue-Haare-wachsen' Rogers. Außer Bruce. Bruce hat sich seine grauen Haare schon anderweitig verdient.“ Und ja, das war typisch Tony.
 

„Gut, dich wieder bei uns zu haben.“, hatte ihm Bruce nach einem gründlichen und wortlosen Check mitgeteilt und Steve erwiderte dessen erleichtertes Lächeln automatisch.
 

Natasha war zu ihm gekommen, ohne dass er es bemerkt hatte und ließ ihn vor Schreck beinahe aus den Laken fallen. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, stand ihm ein Donnerwetter bevor. Doch erweichten sich ihre Züge, als er ihr ein unsicheres „Hey“ zukommen ließ und sie ihm einen Kuss auf die Wange gab.
 

„Du hast uns ganz schön in Atem gehalten.“ Von ihr erfuhr er schließlich, dass sie ihn bei ihrem letzten Einsatz grade so noch hatte vor Schlimmeren bewahren können. Obwohl das eingetretene Ausmaß schon erschreckend genug gewesen war.
 

Steve hatte sich, nach und nach an die Ereignisse zurück erinnern können, je mehr sie ihm darüber erzählte.
 

Dr. Roth hatte ihm, nachdem er fast die Besinnung verloren hatte, etwas von der Substanz verabreichen können, die er ihm vor Augen gehalten hatte.
 

Natasha erklärte ihm, dass sie ihn nicht mehr hatten orten können und sie erst durch einen redseligen Hydra-Lakaien, den sie mit anhaltenden Schmerzen gedroht hatten, erfuhren, wo sie nach ihm suchen mussten.
 

Leider waren sie nicht schnell genug gewesen, aber zum Glück auch nicht zu spät.
 

Es war einem von Tonys Anzügen zu verdanken gewesen, dass sie ihn so schnell wie möglich zurück zum Stark Tower hatten bringen können. Tony hatte Natasha als Unterstützung eine seiner eigenständigen Rüstungen zur Seite gestellt, als sie sich zu ihnen auf den Weg machen wollte.
 

Ein kindlicher Teil in Steve hatte sich geärgert, dass er seinen ersten Flug, in einem von Tonys Anzügen nicht einmal wahrgenommen hatte.
 

Natasha hatte erfahren, dass etwas mit dieser Einrichtung nicht dem entsprach, was in den Informationen wiedergegeben wurde.
 

Wahrscheinlich ein vorweg geplantes Manöver, um sie in diese Falle locken zu können.
 

Es war nicht oft, dass Natasha einen reuevollen Ausdruck wiedergab, doch in diesem Falle sah sie die Schuld an diesem unerfreulichen Vorfall einzig bei sich liegen.
 

Steve hatte sie jedoch sofort wissen lassen, dass er ihr nichts vorhielt. In ihrem Business musste man einfach mit allem rechnen. Und zweifelhafte Informanten waren kein überraschendes Übel.
 

Es stellte sich schließlich heraus, dass man ihm eine Art modifiziertes Toxin verabreicht hatte. Etwas, das aus seinem raschen Stoffwechsel Vorteil zog und sich wie Teer in seinem Körper festgesetzt hatte.
 

Seine Heilung war ihm wahrsten Sinne ein Gottesgeschenk, hatte Thor mit einem asgardischem Wundermittel dafür sorgen können, dass sich die dunkle Substanz wieder neutralisierte.
 

Das erklärte auch den ungesunden Grauton, den seine Haut angenommen hatte und zu dem Tony in all seinem Charme hatte verlauten lassen, dass er ihn an eine graustichige Marmorversion von Giorgetti´s Grabstatur des heiligen Sebastian erinnerte. Nur ohne die Pfeile.
 

Steve hatte darauf nur mit den Augen rollen können.
 

Seine Freunde hatten ihm ausreichen Ruhe verschrieben und er hatte sich die letzten Tage, so gut es ging, daran gehalten. Er wollte ihnen nicht noch mehr Sorgen bereiten.
 

Nun war es kurz nach Fünf am Morgen und er fühlte sich von einer ungemeinen Rastlosigkeit befallen.
 

Er hatte so viel geschlafen, dass es ihm nun unmöglich war.
 

Also schlüpfte er unter der Decke hervor und setzte sich einen Augenblick an die Bettkante.
 

„JARVIS?“
 

„Captain.“
 

„Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, unbemerkt in die Küche zu gelangen?“ Man hatte ihn wissen lassen, dass er, wenn er etwas benötigte, sich jeder Zeit an jemanden von ihnen wenden könne.
 

Nur wollte er niemanden um diese Zeit extra belästigen, wenn er auch selbst im Stande sein sollte, sich wenigstens ein Sandwich machen zu können. Er brauchte eh etwas Bewegung.
 

„Ich möchte sie daran erinnern, Captain, das sie sich nicht überanstrengen sollten. Sollte es sich jedoch um eine rein spekulative Frage gehandelt haben, wäre die Antwort 99%.“
 

„Das reicht mir schon.“ Etwas wackelig war der erste Moment, den er auf seinen Beinen stand, doch ansonsten fühlte er sich durchaus dazu in der Lage, sich in Richtung Küche zu begeben.
 

JARVIS öffnete ihm, wie erhofft, anstandslos den Fahrstuhl und beförderte ihn auch ohne weitere Hinweise in gewünschte Etage.
 

*
 

Es war Bucky nicht möglich, zur Ruhe zu kommen.
 

Es war spät genug, um davon ausgehen zu können, dass die anderen schon schliefen.
 

Außer Stark vielleicht. Er hatte mitbekommen, dass dieser es nicht so ernst nahm mit diesem Ritus, wenn er zu sehr in seine Arbeit vertieft war.
 

Er wünschte nur es gäbe etwas, das ihn ebenso ablenken würde, etwas in dem er sich Stunde um Stunde verlieren konnte und ihn sich selbst vergessen ließ.
 

Aber egal was er versuchte, er konnte dieses beständige Rauschen, das sich in seinem Hinterkopf eingenistet hatte, einfach nicht ausreichend überlagern. Er hatte es sogar schon mit Meditation versucht, aber wie sollte man seinen inneren Frieden finden, wenn man nichts weiter war, als zusammengeflicktes Chaos?
 

Es schien das, je mehr er sich anstrengte es abschalten zu wollen, es umso penetranter durch seinen Verstand pulsierte, was ihn stets mit ironischer Resignation zurückließ.
 

So wie jetzt.
 

Seit er in Starks Tower zu sich gekommen war, fühlte er sich nahezu transparent.
 

Nichts weiter als eine konturlose, fragile Hülle einer Person, ohne manifestierten Inhalt.
 

Ein anderes Gewand der Willenlosigkeit.
 

Seine Rage, sein Schmerz, seine Verwirrung, alles schien wie ein betäubtes Raubtier zu schlafen.
 

Nur manchmal zuckten dessen Lefzen in seinem Schlummer und legten ein stückweit dessen Fänge frei.
 

Eine bissige Reaktion mit Worten, nicht mehr.
 

Er konnte nicht sagen, ob es eine weitere Wirkung des Stoffes war, den man ihm hier zugeführt hatte, um ihn aufzuwecken, oder ob es daran lag, dass er nicht mehr unter den Zusätzen von Hydra stand.
 

So oder so, es brachte ein unbekanntes Gefühl der Stagnation in ihm zum Vorschein.
 

Deshalb hatte er irgendwann damit angefangen, nach Beschäftigung zu suchen, einfach nur um die Tage irgendwie herum zu bringen.
 

Er hatte sich nur nicht dazu durchringen können, den Captain sehen zu wollen.
 

Es verunsicherte ihn, nicht einschätzen zu können, was dieser im Stande war, erneut in ihm auszulösen.
 

Niemand zuvor hatte den Soldier so aus seinem gesamten Gleichgewicht gebracht.
 

Captain America hatte zu viel unlogischen Einfluss auf ihn.
 

Das war es, was ihn hatte Abstand halten lassen.
 

„Verdammt…“ Bucky schüttelte leicht seinen Kopf. Schon wieder zu viele Gedanken.
 

Er wusste nicht, wie lange er schon am Rande seines Bettes saß und überlegend in die Dunkelheit gestarrt hatte.
 

Er fühlte sich wiederholt einfach nur seltsam verloren.
 

Es waren ein paar Tage verstrichen, seit Steve wieder zu sich gekommen war und dennoch konnte er sich nicht von diesem aufgewühlten Gefühl lossagen, das ihn umfasste.
 

Genau das, was er hatte vermeiden wollen.
 

Schließlich erhob er sich und verließ sein Zimmer. Es mochte kalt sein, doch er störte sich nicht daran, als er auf dem Dach ankam und sich den erdigen Geruch des zuvor gefallen Regens, verinnerlichte. Es waren solche kleinen Augenblicke, wo er sich ein wenig befreiter fühlte, da ihn nichts weiter umgab, als diese gesichtslose Ruhe und der Nachklang von Wind und Regen.
 

Stark hatte ihm erlaubt, sich uneingeschränkt im Tower bewegen zu können, nachdem er sich dazu bereit erklärt hatte, sich einer weiteren Modifikation seines bionischen Armes zu unterziehen.
 

Er hatte ihn mit einem Sensor versehen, der JARVIS auf Befehl oder aus eigenem Ermessen, sollte es eine Situation erfordern, außer Gefecht setzte.
 

Er hatte zugestimmt.
 

Die letzten Tage erschienen ihm immer unrealistischer, je öfter er sich mit ihnen beschäftigte.
 

Nachdem Captain America in solch einem erschreckenden Zustand von seiner letzten Mission zurück gebracht worden war, und weder Stark noch Banner ihm wirklich hatten helfen können, hatte etwas die Führung in ihm übernommen. Doch im Gegensatz zum Soldier, war dieser Drang nicht schwarz, nicht kalt und von Gehorsam diktiert. Es war Feuer und Stark war dem unglücklichen Prozess unterlaufen, ihm ausgesetzt zu sein, als JARVIS sie darüber informierte hatte, dass es immer schlechter um den Captain stehen würde.
 

Ein hämmernder Druck in seinen Kopf hatte ihn sich schemenhaft daran erinnern lassen, schon einmal solch eine Panik gefühlt zu haben. Die Angst, ihm nicht helfen zu können.
 

Die letzten Worte des Captains, die JARVIS ihm auf dessen Wunsch mitgeteilt hatte, waren wie das Splittern von Glas in seinem Kopf wiedergeklungen. Auch wenn es nichts weiter gewesen war, als eine abermalige Entschuldigung, sollte er ihn mit seiner Anwesenheit letztendlich doch nur wieder Unannehmlichkeiten bereitet haben.
 

Es schien einfach nur falsch, dass dies die letzten Worte sein sollten, die er von ihm zu hören bekam.
 

Dabei war Captain America…Steve, für ihn nicht mehr als ein wuchtiges Trümmerteil seiner zerkratzten und vernarbten Vergangenheit.
 

Und dennoch.
 

Dieses Empfinden im Zusammenhang mit Steves Zustand, war ihm so ungemein vertraut gewesen. Als habe er es schon dutzende Male miterleben müssen.
 

Das Bild des schmalen, blonden Jungen hatten sich wieder vor sein inneres Auge geschoben, blass wie die Laken, in denen er sich gebettet befand, mit einem kristallartigem Schimmer aus Schweiß überzogen, der ihn noch zerbrechlicher wirken ließ, als er es ohnehin schon war.
 

„Wage es ja nicht, diesen Kampf aufzugeben, Rogers.“, hallte seine eigene, brüchige Stimme in seinem Kopf wieder und verwob sich mit dieser Szene, einer Erinnerung.
 

Etwas Instinktives hatte sich daraufhin in ihm losgelöst und er hatte sich davon steuern lassen, ohne es anzuzweifeln.
 

Es brachte den Schein einer anderen Realität mit sich, der ihn alles andere um sich herum, ausblenden ließ.
 

Doch nur ein schwaches Klimmen dieses Empfindens blieb zurück, sobald Steves Zustand keinen Grund mehr zur Sorge darstellte hatte. Er nicht mehr von Nöten schien.
 

Es hatte ihn sich ebenso unerklärlich verloren fühlen lassen.
 

Ein nostalgischer Schatten ging mit diesem Empfinden einher.
 

Dennoch waren nichts weiter, als vage Bilder eines fremden Lebens zurückgeblieben, wo er letztendlich nur ein Zaungast war.
 

Nichts von diesen vertraut wirkenden Gefühlen gehörte zu ihm.
 

Nichts davon.
 

Nichts…
 

Ein Seufzen sagte sich von Bucky los und zerfiel in einer aufkommenden Böe klammer Nachtluft.
 

„Sergeant, Situation Golden Retriever.“, teilte ihm JARVIS mit, was Bucky ein verstimmtes Murren entlockte, er sich aber dennoch erhob und auf JARVIS Hinweis die Küche anstrebte.
 

Stark hatte anscheinend eine Vorliebe für alberne Codenamen.
 

*
 

Es war zwischen der Raumschiff-Kaffeemaschine und der großflächigen Sitznische, in der rechten Ecke des Raumes, als Steve plötzliche das heftige Gefühl von Übelkeit überkam und ihn etwas taumeln ließ. Hatte er zuvor noch Hunger verspürt, war dieser Gedanke grade nur noch ekelerregend. Schweiß drang durch seine Poren und sein Körper ging in ein krampfartiges Schütteln über. Es erschien ihm mit einem Male zu anstrengend, sich weiter aufrecht zu halten. Die Distanz zu einem der Stühle war nicht mehr als fünf Meter, doch das Einfachste in diesem Moment war, einfach auf die Knie zu sinken, in der Hoffnung, dass dieser unerwünschte Anfall wieder vorüber ziehen würde.
 

„Hatte man dir nicht gesagt, du sollst im Bett bleiben?“ Zwei kräftige Arme zogen ihn daraufhin nach oben und brachten ihn auf einem der Stühle zum Sitzen. Der Geruch von Regen hing in Buckys Kleidung und seine Hände waren angenehm kühl, selbst durch den Stoff seines Shirts hindurch.
 

„Ich dachte es geht schon.“ Bucky nahm nun wieder Abstand und Steve vermisste dessen Nähe sofort.
 

„Denken scheint nicht deine Stärke zu sein.“ Steve war fast zum Lachen zu Mute, wäre da nicht dieses wallende Gefühl von Unwohlsein gewesen.
 

„Wie geht es dir?“, brachte er stattdessen hervor, was dem anderen nun ein kurzes, freudloses Lachen entlockte.
 

„Ich atme.“
 

„Buck…“ Steve verwendete instinktiv diesen Namen und suchte dessen Blick.
 

Zumindest wirkte die Person neben ihm mehr wie Bucky, als wie der Soldier. Jedoch hielt dieser seinen Kopf gesenkt und die langen Haare ließen keine Deutung von dessen Ausdruck zu.
 

Er war der Einzige, der nach seinem Erwachen nicht zu ihm gekommen war. Aber dies war Steve eh unwahrscheinlich erschienen. Doch grade ihn hätte er nach all diesen Spiegelfechtereien am Meisten vor sich sehen wollen. In Fleisch und Blut und nicht als eine Illusion.
 

Es war Steve seltsam vorgekommen, dass, sobald er jemanden nach dem Soldier gefragt hatte, ihm ein kurzer Ausdruck von Unentschlossenheit entgegen gebracht wurde, bevor man ihm sagte, dass er sich um ihn keine Sorgen mache müsse und er gute Fortschritte gemacht habe.
 

Ein Grund, warum er ihn gern hatte selbst sehen wollen. Aber er hatte nicht danach gefragt. Das Einzige, was man ihm noch gesagt hatte, war, dass es ihm gut genug ginge, dass er sich nun auch frei im Tower bewegen konnte. Steve sah dies als eine genommene Hürde an. Auch wenn es ihn etwas trübsinnig stimmte, dass er an diesem Prozess keinerlei Anteil hatte. Doch die Hauptsache war, dass Bucky wieder einen Schritt bewältigt hatte.
 

„Es ist schön, dich zu sehen.“, ließ er ihn ehrlich wissen, was Bucky nur mit dem Kopf schütteln ließ, bevor er sich abwandte und sich kurz von ihm entfernte.
 

„Hier.“ Bucky hielt ihm schließlich ein Flasche mit Wasser hin. Leicht streiften sich ihre Finger, als Steve ihm das Behältnis abnahm und fast hätte er mit dem vehementen Zurückzucken des Anderen gerechnet.
 

Aber Bucky schien dieser Geste nichts zu entnehmen und setzte sich ihm einfach gegenüber.
 

„Ich habe dich gesehen. Während ich geschlafen habe.“, brachte Steve, nachdem er getrunken hatte, leise hervor, worauf er seine Augen schloss und seinen Kopf in den Nacken legte.
 

Bucky sagte nichts dazu und Steve fuhr mit seiner Erklärung fort.
 

„Ich habe dich auf so viele Arten sterben sehen.“ Steve schluckte schwer bei der Erinnerung daran. „Ich bin froh, dass du hier bist. Gott ich hoffe wirklich, dass dies nicht auch nur eine dieser Frequenzen ist.“
 

Am Ende befand er sich schon wieder ganz woanders und wenn er seine Augen wieder öffnen würde, würde nichts mehr an diesen Moment in Tonys Küche erinnern.
 

Denn wenn er genauer darüber nachdachte, war es wirklich nur eine unrealistische Szene. Die Tatsache, dass Bucky hier neben ihm saß und sie sich, wenn auch etwas sporadisch unterhielten, war nichts, was er glaubte erwarten zu dürfen. Bucky hatte ihn zuvor nicht sehen und auch nicht mit ihm sprechen wollen.
 

Warum sollte er es jetzt auf einmal tun?
 

„Du solltest wieder zurück in dein Zimmer.“ Es war noch immer Buckys Stimme in seinen Ohren, die ihn ermutigte seine Lider wieder aufzuschlagen. Und tatsächlich war er noch immer hier, in Tonys dämmriger Luxusküche, auf einem etwas zu futuristisch designten Stuhl. Das Nachvornekippen seines Kopfes zeigte Steve, dass Bucky noch immer ihm gegenüber saß und ihn sogar anschaute.
 

„Warum?“, brachte er zusammenhangslos hervor und ärgerte sich prompt über sein albernes Verhalten.
 

Bucky war hier und es schien ihm wirklich um einiges besser zu gehen, als er es im Gedächtnis hatte. Er sollte sich darüber freuen, anstatt zu hinterfragen, wo seine abweisende Art geblieben sei.
 

Dieser richtete sich nun auf und trat wieder an ihn heran.
 

„Nur für den Fall, dass dich deine Dummheit wieder zu Boden schickt.“ Damit griff er dessen Arm und zog ihn nach oben. Bucky legte diesen in einer Folgebewegung über seine Schulter, sodass er ihn stützen könnte. Und so perplex Steve auch darüber war, dass Bucky seine Nähe mit einem Male nicht mehr zu scheuen schien, so war er fast albern glücklich darüber. Der erste Schritt ließ ihn noch etwas mehr gegen ihn sinken, aber Bucky schien es nicht weiter zu stören und Steve genoss diese nostalgische Nähe.
 

„Wie oft wirst du mich wohl schon so herumgeschleppt haben?“, rutschte es ihm arglos heraus, bevor er sich eines Besseren besinnen konnte. Sollte er Bucky mit der Voraussetzung, sich grade daran wieder erinnern zu können, zugesetzt haben, so ließ dieser es nicht optisch durchblicken. Aber sein Schweigen schien für sich zu sprechen.
 

„Anscheinend zu oft. Aber damals waren es auch keine 120 Kilo.“ Ein weiteres Stück verlorene Erinnerung.
 

Steves Lachen vibrierte durch seine eigenen Körper, auf diese Antwort hin. Es fühlte sich ungemein gut an, ein wenig von seinem besten Freund wiedererkennen zu können, auch wenn es meist ein unbewusster Hergang zu sein schien. Dennoch waren es wertvolle Momente.
 

„Du bist nicht der Einzige, der sich darüber schon beschwert hat.“
 

„So?“
 

„Ja, Sam meinte…“ Zum Glück fiel Steve noch rechtzeitig ein, dass es womöglich keine gute Idee wäre, Bucky wieder an den Zwischenfall mit den Helicarrier zu erinnern. Er fürchtete, dass er sich damit etwas zu weit nach vorn wagen würde.
 

„Sam kann manchmal recht weinerlich sein.“, meinte er etwas holprig und hoffte es wäre nicht zu auffällig gewesen. „Du solltest ihn mal beim Joggen erleben.“, fügte er noch an, aber schölte sich trotzdem einen Idioten, selbst wenn Bucky nicht nachvollziehen konnte, was ihm durch den Sinn gegangen war.
 

„Dann hast du wohl passenden Ersatz, für deinen verlorenen besten Freund gefunden.“ Steve wusste nicht, ob Bucky noch etwas an seinen Kommentar anfügen wollte oder ob es nur ein Scherz sein sollte, als er diesen abrupt zum Halten zwang und ihn gegen die nächste Wand dirigierte. Bestimmend stützte er seine Hände links und rechts von Buckys Kopf ab und schaute ihn eindringlich an.
 

Es mochte äußerst dumm sein, Bucky so unerwartet einzuengen, war nicht einschätzen, wie viel er von Bucky und wie viel vom Winter Soldier gerade vor sich hatte. Aber Steve konnte sich einfach nicht helfen.
 

Die seichte Beleuchtung des Flures war ausreichend, um Buckys Blick genau einfangen zu können. Es war ein Augenausdruck von kalter Beherrschtheit, mit einem Hauch Argwohn. Und wenn Bucky oder der Soldier gewollt hätte, dann wäre es ihm in Steves Zustand auch ein Leichtes gewesen, ihn abzuschütteln.
 

Aber sein Gegenüber behielt diese Beherrschtheit weiter bei.
 

„Sag so etwas nie wieder, hörst du?“ Steve spürte Verärgerung über Buckys Worte, aber seine Stimme klang zutiefst unglücklich. Und er wusste dies gut mit seinem Blick zu betonen.
 

„ Du kannst dir nicht vorstellen, wie verdammt froh ich bin, dich am Leben zu wissen. Dich hier zu haben. Auch wenn es egoistisch ist so zu denken, mit all diesen Dingen, die man dir angetan hat und die dich in diese Zeit gebracht haben. Ich…“
 

Steve biss sich harsch auf seine Unterlippe und senkte beschämt seinen Kopf, wich aber dennoch nicht von Bucky zurück.
 

„Ich weiß, dass ich es nie wieder gut machen kann, was damals bei diesem Einsatz in den Alpen geschah. Aber du kannst dir sicher sein, dass du nie auch nur eine Sekunde lang ersetzbar gewesen wärst. Damals und auch jetzt nicht. Ohne dich wäre ich gar nicht hier. Ohne dich hätte ich nicht einmal mein achtzehntes Lebensjahr erreicht.“
 

Ein plötzliches Zittern durchzog Steves Körper, was erneut zeigte, dass er sich momentan nicht in der günstigsten Verfassung befand, um sich emotional so aufzuwühlen. Das Gefühl von Benommenheit und Übelkeit kehrte derart vehement zurück, dass er sein Vorhaben, Dinge klar stellen zu wollen, schließlich unterbrechen musste.
 

„Bist du dann soweit?“ Bucky Stimme klang ungerührt und Steve konnte nichts weiter tun, als frustriert mit den Zähnen zu knirschen und dem erneuten Drang, zu Boden sinken zu wollen, nachzugeben.
 

„Der ewige dramatische Held, huh?“ Bucky hatte ihn im letzten Moment noch abgefangen, hievte ihn nun wieder nach oben und zurück in die Position, die sie vor Steves kleiner emotionalen Einlage eingenommen hatten.
 

„Brauch dich einfach…“, murmelte Steve noch träge und wünschte, er könnte Bucky diese Aussage in all ihrer Tiefe, verdeutlichen.



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