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Vampire Kiss

von

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Wissen ist Macht

35. Wissen ist Macht
 

Gleich bei Sonnenaufgang hatte Yuri sich auf den Weg zu Kyosuke gemacht. Ob Haruka dies nun mitbekam oder nicht, war bereits egal. Also gab sie sich auch keine Mühe, sich davon zu schleichen. Als sie bei dem Werwolf ankam, lag dieser auf der Couch und döste vor sich hin. Der Fernseher lief, auf dem Tisch stapelten sich Essen und Getränke und aller möglicher anderer Kram.

„Nicht mehr sehr agil, hm?“, fragte sie und weckte ihn damit,

„Hast du Schmerzen oder was geschieht mit dir?“

„Du fühlst dich hier langsam richtig zu Hause was?“, richtete er sich etwas mühsam auf,

„Nein, wie du selbst sehen kannst, strotze ich nicht gerade vor Kraft. Diese verfluchte Vampirseuche zerrt Tag und Nacht an mir. Alles was ich noch bekomme, sind die negativen Seiten beider Existenzen. Und dieser Drang nach Blut schafft mich. Egal wie viel ich auch trinke – dieser schreckliche Durst hört einfach nicht auf.“

„Sie hat gedroht, mir dasselbe anzutun“, setzte Yuri sich in einen Sessel,

„Und plötzlich scheine ich ihr vollkommen egal zu sein. Irgendetwas ist vorgefallen. Sie weiß etwas, da bin ich mir sicher.“

„Du meinst, sie kennt dein kleines Geheimnis?“ fragte er beinahe gleichgültig,

„Wer sollte es ihr verraten haben, wenn du die einzige bist, die es weiß?“

Yuri sah ihn mit großen Augen an, was ihn etwas zum Lachen brachte.

„Keine Angst, ich hab nicht vor, es dir zu entlocken“, beruhigte er sie,

„Meine Zeit ist abgelaufen und nach mir die Sintflut! Was interessieren mich Harukas Machenschaften noch, wenn ich Futter für die Würmer bin? Soll sie die Welt beherrschen und Menschen töten solange sie will. Die meisten Menschen haben es doch sowieso verdient, wenn wir ehrlich sind.“

„Du bist ein wirklich seltsamer Zeitgenosse“, sagte Yuri,

„Du hast Jahrzehnte damit verbracht, Haruka endlich zu töten und nun ist sie dir gleichgültig. Aufgeben schien eigentlich nicht dein Ding zu sein.“

„Ich gebe nicht auf“, gab er zurück,

„Ich weiß nur einfach, wann ich verloren habe. Meine Schwester, die ich einst retten und rächen wollte, ist wieder ein Vampir. Vielleicht ist sie ein weiteres Mal gestorben durch mein Blut und selbst wenn es nicht so ist – hätte ich noch die Kraft, würde ich sie genauso jagen, wie ich Haruka gejagt habe. In ihr ist nichts Gutes mehr. Da ich aber sowieso sterben werde, hat jeder weitere Kampf keinen Sinn mehr. Es sei denn, ich könnte in diesem Kampf Haruka töten.“

Er legte sich wieder auf die Couch zurück.

„Doch dafür wird meine Kraft nicht mehr ausreichen. Außerdem erspürt sie mich jetzt, da ich nun auch ihrer Blutlinie angehöre.“

„Also ergibst du dich einfach deinem Schicksal und gehst hier in dieser Wohnung allein zugrunde?“ schüttelte Yuri den Kopf,

„Ich hätte mehr erwartet.“

„Es freut dich doch, dass ich deine Blutsaugerin in Ruhe lasse“, sagte er lakonisch,

„Nun kann nur sie selbst verhindern, dass du bekommst, was du willst. Dein Pech nur, dass sie dich genauso verachtet, wie sie mich verachtet. Auch wenn sie dir plötzlich nicht mehr ans Leben will – wenn sie es für angemessen hält, bist du tot eher du damit rechnest.“

„Sie wird mich nicht töten“, wirkte Yuri plötzlich vollkommen von sich überzeugt,

„Wenn ich erst habe was ich will, dann wird sie mir aus der Hand fressen!“

Kyosuke lachte laut.

Es amüsierte ihn sichtlich, was er gehört hatte und er brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen.

Dann jedoch war er tot ernst und nicht mehr im Geringsten amüsiert.

„Haruka frisst niemandem aus der Hand!“, waren seine Worte unmissverständlich,

„Nicht einmal ihrer kleinen, menschlichen Schwäche. Sie wird sich das Mädchen holen, weil sie es will - auch ohne das große Geheimnis, welches sie in sich trägt. Kommst du ihr dabei in die Quere, beseitigt sie dich. Selbst wenn du ihr das große Geheimnis offenbaren kannst.“

„Das wird sie ganz sicher nicht“, blieb Yuri weiterhin überzeugt,

„Ich bin der Schlüssel zu allem, was sie will und das wird sie auch erkennen!“

„Wenn du ihre Gunst erwerben willst, solltest du dich nicht dauernd bei ihrem Erzfeind rumtreiben“, schloss er etwas genervt die Augen,

„Was treibt dich dauernd her? Geh zu deinesgleichen und lass mich in Ruhe sterben. Ich brauche deine haarsträubenden Geschichten nicht.“

„Ich muss Michiru zurück holen“, gab Yuri zu,

„Ohne sie wird nichts funktionieren.“

„Erst vertreibst du sie und nun willst du sie wieder?“ war Kyosuke wenig überrascht,

„Du bist genauso sprunghaft wie deine Herrin. Dann geh zu diesem Mädchen und hol sie zurück. Auch wenn du kein wirklicher Vampir bist, stärker als dieses Mädchen bist du allemal. Hol sie dir und mach sie Haruka zum Geschenk – dann bekommst du vielleicht wirklich einen Wert für sie.“

„Das geht nicht“, sprang Yuri auf,

„Haruka betreibt ihre Wesensexperimente und will, das Michiru sich freiwillig für sie entscheidet. Sie glaubt, nur dann können gute Eigenschaften erhalten bleiben. Aber selbst wenn das so wäre – ist es keine freiwillige Entscheidung, hat die Macht in Michiru kaum eine Chance zu erwachen. Sie würde nutzlos, wie so viele vor ihr schon. Das kann ich nicht riskieren.“

„Und wie willst du Michiru davon überzeugen, sich freiwillig diesem blonden Dämon zu opfern?“, wurde Kyosuke nun neugierig,

„Was willst du tun oder ihr sagen? Etwa das sie für die Ewigkeit ihre große Liebe erleben kann? Du vergisst, dass dieser dumme Mensch vollkommen verliebt ist in diesen Vampir und sich trotzdem zur Flucht entschieden hat. Ganz offenbar will sie kein Vampir werden – auch nicht aus Liebe!“

„Aber es ist ihre einzige Schwachstelle“, klang Yuri etwas nachdenklich,

„Sie ist so vernarrt in Haruka, dass sie wirklich freiwillig fast zu Äußersten gegangen ist und hätte ich ihr keine Bedenken eingeredet, wäre sie schon längst ein Vampir. So unmöglich kann es also nicht sein.“

„Was für eine Macht ist es, die dieses Mädchen in sich trägt?“ fragte Kyosuke,

„Zu was ist sie in der Lage, wenn du sie dafür sogar der in die Arme treibst, die du selbst an deiner Seite willst?“

Yuri sah in an.

Sie schwieg, sah ihm aber genau in die Augen und verbarg keine Emotion. Sie war sich ihrer Sache scheinbar so sicher, dass sie selbst dieses Geheimnis nicht mehr für schützenswert hielt.

„Alles zu seiner Zeit“, grinste sie dann,

„Alles zu seiner Zeit, Wolf. Ich bin die stärkste Verbündete, die sie sich wünschen kann und wenn es so weit ist, wird sie das auch erkennen!“
 

Michiru hatte lange und tief geschlafen. Nachdem ihre Gedanken sie noch eine Weile davon abgehalten hatten, war sie dann doch vor Erschöpfung eingeschlafen und fühlte sich, das erste Mal seit Tagen, ausgeruht danach. Ganz fit war sie noch nicht, aber fit genug aufzustehen, zu duschen und das Frühstück im Speisesaal zusammen mit den Mönchen einzunehmen. Die meisten von ihnen waren bereits fertig, als Michiru erschien, doch jener Mönch vom Vorabend saß noch am Tisch

Kurz entschlossen nahm Michiru neben ihm Platz. Sie wollte unbedingt mehr erfahren und herausfinden, ob er ihre Halbwahrheiten durchschaut hatte.

„Guten Morgen“, begrüßte er sie freundlich,

„Sie sehen sehr viel besser aus heute. Daraus schließe ich, sie haben gut geschlafen in der Nacht.“

„Das habe ich wirklich“, lächelte Michiru ihn an,

„Ob es nun Erschöpfung war oder das ich mich wirklich sicher gefühlt habe weiß ich nicht, aber ich habe endlich wieder einmal durchgeschlafen. Und jetzt habe ich wirklichen Hunger.“

Sie griff sich einige Tomaten und eine Scheibe Brot.

„Ein gutes Zeichen“, lächelte der Mönch ebenfalls,

„Leider essen wir hier nur, was wir auch selbst züchten und herstellen.“

„Das reicht mir völlig“, gab Michiru zurück,

„Ich brauche keinen Latte Macchiato zum Frühstück, kernfreie Marmelade oder Schokoladen Creme und frisches Obst ziehe ich jedem Müsli vor.“

„Sehr genügsam“, lachte der Mönch,

„Und gesund. Sie wären geschaffen für ein Leben in diesen Mauern gewesen. Und geeignet wären sie ebenfalls wird deutlich, jetzt, wo sie ein wenig zu Kräften gekommen sind. Wie ist ihr Name?“

Michiru legte ihre Tomate beiseite und blickte ihn verblüfft an.

„Es tut mir leid“, wurde sie dann ein wenig rot,

„Wie unhöflich von mir. Ich habe mich überhaupt nicht vorgestellt. Kaioh ist mein Name, Kaioh Michiru, aber…“, sofort kam ihre Neugier wieder,

„Wozu wäre ich geeignet? Sie haben gestern bereits in Rätseln gesprochen, Andeutungen gemacht auf meine Aura und gesagt, ich könne keine von ihnen sein. Und jetzt sagen sie, ich wäre geschaffen gewesen und geeignet. Bitte! Ich muss wissen, worum es geht. Wer oder was bin ich?"

Der Mönch legte sein Stück Brot beiseite und sah sie an.

„Sie haben Recht Miss Michiru“, rückte er seinen Stuhl zurück,

„Ich sollte ihnen alles von Anfang an erklären. Sie sind zu tief verwickelt in all diese Dinge, um auf Wissen verzichten zu können. Wenn ich sie also darum bitten darf, mir zu folgen? Hier am Frühstückstisch ist nicht der richtige Ort für so etwas.“

Er erhob sich und Michiru tat es ihm sofort nach.

Er verabschiedete sich noch von denen, die am Tisch saßen und verließ dann den Raum. Michiru folgte ihm durch einige Gänge, hinaus in den Klostergarten.

„Mein Name ist im übrigen Bruder Takumi“, blieb er auf einem schmalen Weg kurz stehen,

„Hierher sollten sie niemals allein gehen und erst Recht nicht bei Nacht. Der hintere Teil des Klostergartens ist zu weit entfernt vom Hauptgebäude und könnte zur Falle werden. Er ist zu uneinsichtig und starke Vampire können ihre Macht hier vielleicht noch von außerhalb der Mauern wirken lassen.“

Michiru nickte verständig und folgte ihm dann weiter.

Er öffnete eine kleine Tür in einer Mauer, die Michiru, wegen des vielen Grünbewuchses, gar nicht gesehen hatte. Die Tür war ihr noch weniger aufgefallen und als sie sie durchschritt, verstand sie auch wieso. Die Mauer gehörte zu keinem Gebäude. Sie umgab nur eine schmale Treppe, die nach unten führte. Ein Kellerhäuschen, mehr war das im Gestrüpp verborgene Gebäude nicht und darum so klein, dass es im Grün unterging.

Ein seltsames Gefühl beschlich Michiru, während sie dem Mönch wortlos folgte. Es war beklemmend und raubte ihr ein wenig den Atem, weckte aber gleichzeitig unglaubliche Neugier in ihr. Hinter den Stufen erwartete sie ein wahrhaft großes Kellergewölbe. Sämtliches Wissen bewahrten die Mönche hier auf, denn es war vollgestopft mit Büchern und Pergamenten. Eine jahrhundertealte Bibliothek in der vielleicht eine Antwort lag, auf jede von Michirus Fragen.

Bruder Takumi holte zielstrebig ein sehr dickes, staubiges Buch hervor und legte es auf einen uralten, hölzernen Schreibtisch. Elektrisches Licht gab es in dem Gewölbe nicht, doch Fackeln an den Wänden brachten genug Helligkeit und nachdem auf dem Tisch einige Kerzen zusätzlich brannten, war auch lesen ohne Probleme möglich. Der Mönch klappte zielstrebig das Buch auf und fand genauso zielstrebig, was er suchte.

„Hier steht es“, begann er zu erklären,

„Im 15. Jahrhundert begannen die Vampire mit ihren Experimenten, von denen ich ihnen schon erzählt habe. Zur damaligen Zeit benutzten sie nur Werwölfe dafür. Einmalig wurde eine Gruppe Menschen gewählt, doch alle Kinder starben und sie empfanden Menschen als ungeeignet. Alle Kinder bis auf eins.“

Er sah Michiru an, die seinen Worten interessiert lauschte.

„Dieses eine Kind, ein Mädchen, entkam den großen Alten jedoch. Ihre Mutter, eine sehr kluge und starke junge Frau, wusste genau, sie würde ihre Tochter niemals aufwachsen sehen und fand nur einen Weg, ihr Kind vor den Versuchen der Vampire zu retten. Sie gab sie her an das erste Paar, das ihr während der Schwangerschaft begegnete und sich so sehr ein Kind wünschte. Die Vampire töteten die Frau, als sie kamen und das Mädchen fort war, doch sie hatte ihrem Kind damit das Leben gerettet. Die Hände in welche dieses Kind kam, waren nicht die besten, aber wahrscheinlich hat gerade das sie davor bewahrt, von den Vampiren gefunden zu werden.“

„Wer war dieses Mädchen?“ war Michiru neugierig,

„Warum ist ihre Geschichte so wichtig? Ich meine, auch wenn sie ein gelungenes Experiment war – das ist 500 Jahre her und sie wird wohl kaum noch unter den Lebenden weilen.“

„Unter den Lebenden ganz gewiss nicht“, erwiderte Bruder Takumi,

„Doch dazu kommen wir noch. Eines nach dem Anderen. Dieses Mädchen also, fiel den Vampiren nicht in die Hände und so konnten sie auch nicht herausfinden, welch enormes Potential in diesem dürren, kleinen Geschöpf steckte. Ein unscheinbares Kind, recht hoch gewachsen für ihr Alter und darum so spindeldürr. Struppiges Haar und fast immer schmutzig, war sie ein Lausbub und keine zukünftige Ehefrau, die den Eltern Geld ins Haus bringen würde. Also gaben sie sie fort für das erste Angebot, das sie bekamen, nur Wochen, nachdem die Mönche dieses Klosters sie gefunden hatten. Sie hatte bei den Brüdern eine Ausbildung begonnen. Es war den Mönchen gelungen, ihr enormes Potential umzukehren. Das, was sie besonders machte und den Vampiren helfen sollte, wurde gegen die Vampire eingesetzt. Aus ihr sollte eine Jägerin werden, die nicht nur Vampiren etwas entgegen zu setzen hatte. Vom ersten Tag an war das Mädchen unglaublich. Sie erlernte Kampftechniken in rasender Geschwindigkeit, saugte Wissen auf, wie ein trockener Schwamm und konnte es sofort umsetzen. Sie wurde niemals müde und in ihrem schmächtigen Körper steckte eine unglaubliche Kraft, doch dann bekamen ihre Eltern dieses Angebot. Unsere Bruderschaft hatte bereits darum gebeten, das Mädchen hier aufnehmen und ausbilden zu dürfen, doch die Eltern wollten mindestens die dreifache Summe, die sie als Baby für sie bezahlt hatten und verboten ihr herzukommen. Sie kam heimlich zu ihrer Ausbildung, bis sie verkauft wurde und die Mönche sie aus den Augen verloren.“

Michiru hatte sich mittlerweile auf einen Stuhl gesetzt und sah den Mönch abwartend an.

Es interessierte sie viel zu sehr, was er zu erzählen hatte, um ihn erneut zu unterbrechen und er sprach unbeirrt weiter.

„Sie blieb nicht sehr lange verschwunden“, änderte sich nun seine Stimme ein wenig,

„Nur einige Jahre später mehrten sich Gerüchte, um eine Jägerin aus einer Zigeunersippe. Nun waren zur damaligen Zeit die Zigeuner beinahe ausnahmslos Jäger und ihr Erfolg war nicht zu verachten, diese Jägerin jedoch hob sich aus allen hervor. Sie war erfolgreicher als alle anderen und geriet niemals in einen Hinterhalt. Vampire und auch Werwölfe fürchteten sie, denn wer einmal zu ihrem Ziel geworden war, der starb auch.“

Noch immer regte Michiru sich nicht.

Sie lauschte seinen Worten und fragte sich, ob das wirklich wahr sein konnte. Haruka hatte ihr erzählt, dass sie an Zigeuner verkauft worden war von ihren Eltern. Aber wenn dieses Mädchen, von dem Bruder Takumi ihr da erzählte, wirklich Haruka war, dann war auch sie ein Experiment der großen Alten…

„Diese Jägerin“, sprach Takumi weiter,

„War tatsächlich das Mädchen aus diesem Kloster. Ihre Ausbildung wurde abgebrochen und doch hat das Schicksal sie zur größten Waffe gegen die Dämonen gemacht, welche sie geschaffen hatten. Leider fiel sie dann doch irgendwann einem Vampir zum Opfer. Das mühsam geschulte und geförderte Gute in ihr erlosch und sie wurde zu einer Geißel der Menschheit, die noch heute tötet und diese Stadt mit Blut tränkt.“

„Steht da auch, wie dieses Mädchen hieß?“ wollte Michiru nun wissen.

Sie wusste es eigentlich schon, doch sie brauchte einfach eine Bestätigung.

„Ihr Name war und ist Haruka“, bekam sie zur Antwort,

„Diese Stadt gehört ihr und obwohl sie so viele getötet hat, können wir ihrer nicht Habhaft werden, da sie unsere Geheimnisse kennt. Sie hat alle anderen Vampire hier getötet, vertrieben oder sich untertan gemacht und darum kann nur sie es gewesen sein, der sie begegnet sind. Sie sollten die Geschichte ihres Feindes kennen – das ist ein großer Vorteil.“

„Und allein darum erzählen sie mir all das?“ war Michiru misstrauisch,

„Ich weiß nicht, was mir das nutzen sollte.“

„Nur ein gelungenes Experiment mit einem Menschen vor Jahrhunderten“, erklärte er ernst,

„Ein Prototyp, ganz gewiss nicht ausgereift und überhaupt nicht erforscht, doch stark genug, sich in kürzester Zeit an die Spitze der hier angesiedelten Kreaturen zu setzen. Und fast 500 Jahre später, wagen die alten Vampire einen weiteren Versuch. Ob aus Verzweiflung oder gewonnenem Wissen, sie taten es erneut und dieses Mal überlebten mehr. Bis heute wurden nicht alle gefunden und jene die es wurden, sind entweder Vampire oder tot. Die großen Alten fanden sie, erreichten aber trotz bester Voraussetzungen, durch sie allenfalls einen geringen Anstieg ihrer Macht und schufen in ihnen starke, neue Verbündete. Sie fanden keinen Weg, die schlummernde Macht zu wecken. Eines dieser Mädchen aber fand, wie damals, ihren Weg in dieses Kloster und so bekam das Schicksal eine zweite Chance.“

»Yuri«, schoss es in Michirus Kopf,

»Sie ist auch ein Experiment der großen Alten und sie weiß es!«

Diese Erkenntnis warf ein völlig neues Licht auf Alles.

„Und wie es aussieht, sind sie ebenfalls eines dieser verschollenen Mädchen“, forderte Takumi aber weiterhin Aufmerksamkeit,

„So schwach diese Aura um sie herum gestern Nacht noch war – heute bin ich mir sicher, sie müssen es sein. Sie sind bereits eine Frau und kein Kind mehr, welches ausgebildet werden kann, aber dennoch sind sie im letzten Augenblick den Vampiren aus den Händen gerissen worden und das ist sehr wertvoll für uns. Auch wenn bisher keines dieser Kinder sich am Ende als das für die Vampire entpuppte, was sie sich erhofft hatten, ist es möglich, dass sie den Weg doch noch finden, die geschaffene Kraft frei zu setzen. Jede Chance dazu ist eine Chance zu viel für die Blutsauger.“

„So eine Art Sicherheitsverwahrung“, stellte Michiru fest,

„Solange ich hier im Kloster bin, kann Haruka mich nicht bekommen und somit auch nicht die Gefahr bestehen, dass sie vielleicht zufällig diesen Volltreffer landet.“

„Wenn sie es so sehen wollen“, schmunzelte der Mönch ein wenig,

„Doch vielleicht können sie auch uns eine Hilfe sein. Sie wurden gebissen und waren in den Fängen dieses Vampirs, doch sie sind noch ein Mensch. Vielleicht wissen sie etwas, das die anderen nicht mehr weiter geben konnten, haben etwas erfahren oder gespürt…“

Seine Stimme hatte sich deutlich gesenkt bei den letzten Worten.

Sie wurde leiser und auch fragend und sein Blick verriet Michiru, dass er wusste, welche Fragen er zu stellen hatte, würde sie nicht von sich aus etwas erzählen. Es war sinnlos ihr Gegenüber zu belügen, denn er würde jede Lüge sofort erkennen. Also holte sie einmal tief Luft und sah ihn dann an.

„Es geht um die Verbindung zu ihr, nicht wahr?“ fragte sie vorsichtig,

„Ob sie schon oder noch besteht.“

„Ich weiß, dass sie besteht“, war die überraschende Antwort,

„Was mich interessiert ist, wieso sie ihr dennoch entkommen konnten. Verstehen sie mich nicht falsch, Miss Michiru, aber sie befanden sich zweifellos in der Position des sicheren Opfers, als sie in der Nacht hier eintrafen. Entweder hat der Vampir sie entkommen lassen, oder die in ihnen wirkende Kraft ist um sehr viel größer, als die der bisher gefundenen Mädchen.“

Michiru schluckte.

Es war ihr sichtlich unangenehm, über dieses Thema zu reden. Trotzdem überwand sie sich dazu, denn alles andere war sowieso sinnlos.

„Ich…kann es spüren…“, begann sie leise und zögerlich,

„Nachdem sie zum ersten Mal mein Blut getrunken hat, da war es da und ist seither auch nicht mehr völlig verschwunden. Irgendeine Kraft, die ich nicht lenken und noch viel weniger unterdrücken kann. Wenn sie erwacht, bricht sie hervor wie eine Welle, die alles mit sich reißt. Alles was mich bis dahin ausgemacht hat, ist plötzlich klein und unendlich weit weg…“

Sie sah ihn beinahe hilfesuchend an.

Ihre Stimme zeigte deutlich Verwirrung und Angst, doch auch, dass da noch mehr war.

Bruder Takumi verließ seinen Platz hinter dem Buch und kam lächelnd zu ihr. Er nahm sich einen Stuhl und setzte sich ihr beinahe gegenüber. Da sie ihm nicht in die Augen sehen konnte oder wollte, senkte Michiru den Kopf, doch es gab kein Ausweichen oder Zurück mehr für sie. Der Mönch legte ihr die Hand unters Kinn und zog ihren Kopf wieder sanft nach oben.

„Sie waren freiwillig bei ihr, nicht wahr?“ sagte er leise,

„Es muss ihnen nicht unangenehm sein. Sie sind die Tochter eines Vampirs – da ist es verständlich, dass diese Kreaturen eine besondere Anziehung auf sie haben. Es liegt in ihrem Blut. So wollten die Uralten sicher gehen, ihre Geschöpfe auch alle zu finden.“

„Sie meinen, es ist mir angezüchtet?“ war Michiru entsetzt,

„Ich steh einem Vampir gegenüber und irgendetwas in mir reagiert darauf und treibt mich freiwillig zu ihm?“

„Vielleicht nicht ganz so übertrieben, aber ja“, nickte der Mönch,

„Es ist eher eine Art Sensor, als ein Magnet, der sie mit den Vampiren verbindet. Doch er reagiert auf alles, was ein Vampir der ihnen nahe genug ist tut.“

»Habe ich mich deshalb in sie verliebt? Weil ich selbst im Grunde bin wie sie?«

Michirus Gedanken überschlugen sich.

Plötzlich war alles noch viel komplizierter, trotzdem sie so viel mehr wusste. Sie hatte Hintergründe erfahren, von denen sie nicht einmal ansatzweise etwas geahnt hatte und selbst Dinge, derer sie sich sicher gewesen war, kamen nun ins Wanken.

„Bei ihnen hat dieser Sensor sehr früh reagiert, nicht wahr?“, fragte der Mönch vorsichtig,

„Vielleicht schon lange bevor sie gebissen wurden.“

Michiru nickte beinahe unmerklich.

„Ja“, hauchte sie,

„Vielleicht hat es mich sogar überhaupt erst in diese Stadt getrieben…“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SailorStarPerle
2017-06-29T16:44:16+00:00 29.06.2017 18:44
wau das ist mal was das Michiru von einen Vampir abstammen soll
und das sie ein versuch ist ist auch erstaunlich,
bitte schnell weiter schreiben ;-)


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