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Sein Wort, Mein Gesetz

von

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Das Dilemma


 

Der Moment, in dem man im Inbegriff ist zu sterben, war mir nicht unbekannt.

Doch dieses Mal waren die Bilder andere.

Nach wie vor drängten sich meine Familie in mein Bewusstsein doch diesmal waren sie nicht die einzigen Personen.

Nein, diesmal hatten sie Zuwachs bekommen.

Ich erkannte Nicholas, wie er vor mir stand und mich mit seinen blauen Augen ansah. Ich spürte wie mir mein Herz zum Hals schlug und erkannte wie bittersüß meine Empfindungen für den Mann waren, der mich gefangen nahm nicht nur körperlich.

Je mehr Zeit ich mit ihm verbracht hatte, desto mehr wurde er ein Teil meines Lebens, desto mehr wurde er mein Leben.
 

Als ich die Augen öffnete war das Zimmer hell erleuchtet. Ich blickte an die Decke und nahm nichts wahr außer der störenden Helligkeit. Ich fühlte mich wie zu Beginn dieser außerordentlich seltsamen Reise. Ich blinzelte und versuchte, das Verschwimmen der Bilder zu unterbinden. Ich hatte keine Ahnung wo ich war, wie viel Uhr es war oder welchen Tag wir hatten. Ich fühle mich ganz genauso, wie an meinem ersten Tag hier. Ein Dejavu stärker als je zuvor. Ich legte mir den Handrücken auf die Stirn und bemerkte einen Infusionsschlauch.
 

Was war passiert?
 

Ich versuchte mich zu erinnern und tat es. Ich war betrunken ausgerutscht und hatte mir mit einem Messer die Pulsader aufgeschnitten.
 

Was glaubte Nicholas? Glaubte er, ich hatte versucht mich umzubringen?
 

Ich kniff die Augen zusammen. „Wie fühlst du dich?" hörte ich eine mir bekannte Stimme und spürte sofort eine angenehme Übelkeit. Er war hier, er war hier bei mir. Ich öffnete erneut die Augen und kämpfte gegen den Drang an, sie wieder schließen zu wollen. „Ich denke gut." Antwortete ich ganz leise und heiser. Mein Hals war staubtrocken. „Hast du etwas zu trinken für mich?" fragte ich und lächelte. Kurz darauf erschien er neben mir am Bett und ließ sich auf einen Stuhl nieder. Er half mir dabei, mich ein wenig aufzurichten. Er drückte das Kissen unter mich und stützte somit meinen Oberkörper. Ich spürte einen Schmerz am Arm und sah reflexartig unter die weiße, sterile Decke. Ich trug zu meiner Überraschung kein Nachthemd, sondern ein langes Shirt. Ein Männershirt, das wie ich hoffte von ihm war. Oh man, der Blutverlust schien Sicht negativ auf meinen Verstand zu wirken. Ich ließ meinen Blick auf meinen Arm gleiten, der im Verband lag. Nicholas hatte mir ein Glas mit Strohhalm mitgebracht und streckt es mir entgegen. Ich ließ von meiner Wunde ab und nahm den Halm zwischen die Zähne. Ich zog und benetzte meine trockene Kehle mit dem kalten Nass, dabei sah ich Nicholas direkt ins Gesicht. Ich konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. War er sauer? Enttäuscht? Erleichtert, dass ich noch lebte? Was?! Ich lehnte mich gegen das Kissen und nickte dankend. Es herrschte eine Stille, die ich auf mich wirken ließ. Ich ließ Nicholas auf mich wirken. Er war in meiner letzten Vision dabei gewesen, ich musste mir eingestehen, dass ich mir ein Leben ohne ihn schwerlich vorstellen konnte. Ich durfte diese Erkenntnis zwar aufnehmen jedoch nicht zum Anlass machen nicht abzuhauen wenn es soweit war.

„Nicholas ich wollte mich nicht umbringen." Fing ich schließlich an und wandte meinen Blick ab. Ich vermied den Blickkontakt und sah zur Türe. Ich wusste genau wo ich mich befand, nicht nur die Empfindungen waren wie zu Beginn, nein ich hielt mich in dem Zimmer auf, das eine ganze Weile mein zuhause war. Ich hatte gehofft nie mehr hierher zu müssen und kniff gepeinigt von den Erinnerungen die Augen erneut zu. Ich krallte mich in die Decke und versuchte meine Atmung zu kontrollieren. Panik stieg auf, so fühlte es sich zumindest an.

„Ich glaube dir nur bedingt!" Er stand auf und ging um das Bett herum, er nahm meinen verbundenen Arm zückte eine Schere und schnitt den schützenden Stoff auf. „Du hast es versucht!" warf er mir vor und zeigte mir die genähte Wunde.

„So war das nicht!" fing ich sofort an und wollte die Sache klarstellen. „Ok, ich hatte den Gedanken aber der verschwand ganz schnell wieder. Das was darauffolgte war ein Unfall!" sagte ich aufgeregt und riss meine Hand weg um mir meine Wunde zu halten. Die tat weh, ich regte mich zu sehr auf.

„Du hättest tot sein können das ist dir bewusst? Es war wirklich haarscharf!" warf er mir vor und ging wieder zu seinem Platz. „Es wundert mich, dass immer dann jemand da ist wenn ich niemanden brauche aber sobald ich in einer Notlage bin ist niemand aufzufinden!" kam es nun vorwurfsvoll über meine Lippen. Ich dachte an die Situation mit Marcus und zog die Beine an meinen Körper. Mir tat alles weh, woher der plötzliche Schmerz wusste ich nicht. Doch die Panik wurde stärker.

„Ganz ruhig." Sagte Nicholas und legte eine Hand auf meinen Rücken.

„Ich glaube dir!" Tat er das wirklich oder sagte er das nur damit ich ruhig wurde?

„Ich will aus diesem Zimmer Nicholas! Ich will hier raus irgendwo andershin!" keuchte ich und sah mit einem zugekniffenen Auge zu ihm. Er nickte. Ohne ärztliche Hilfe nahm er mir die Infusion ab und hob mich einfach hoch als würde ich nichts wiegen. Ich legte meine Arme um seinen Nacken und hielt mich an ihm fest zumindest so gut es ging. Kraftlos war ich nach wie vor.
 

Nicholas hatte mich einfach aus dem Krankentrakt gebracht und mich bei sich niedergelassen. Hier lag ich nun in seinem Bett und roch seinen Duft, der überall zu finden war. In dem Kissen, in der Decke. Ich fühlte mich wohl. Mehr als ihn, hatte ich derzeit nicht. Er saß an seinem Schreibtisch und schrieb einige Sachen auf, während ich mich ausruhte. Ich würde mich schnell erholen, da war sich der Arzt sicher. Ich sollte den Sport erst einmal unterlassen und mich auch sonst ruhig halten. Insgesamt hatte ich nur einige Stunden geschlafen. Meine Wunde hatte Nicholas in seinem Zimmer selbstständig verbunden.
 

Ich lag nun hier in dem großen Bett und dachte an das was bisher passiert war. Ich dachte zuletzt an Ivan und an das Grab. Nicholas war grausam, er ließ junge Frauen umbringen und dennoch genoss ich seine Anwesenheit.

„Was hast du mit mir vor? Warum war Mister Lane da... er arbeitet in einer Psychiatrie das habe ich bereits erfahren dürfen!" Er hatte sicherlich bereits auf die Frage gewartet und drehte sich mit seinem Stuhl zu mir, er zog seine Brille von der Nase und legte sie auf den Schreibtisch. Er faltete die Hände vor sich und ließ sie zwischen seinen Knien herabhängen, dabei legte er seine Ellbogen auf seine Oberschenkel ab und sah mich eingehend an.

„Ich kann verstehen, dass Antworten dir gut tun würden und von Prinzip her hast du Anrecht auf die Auflösung deiner Fragen aber die kann ich dir derzeit nicht geben!" seine Art und Weise wie er diese Aneinanderreihungen von Worten sagte ließ ihn wie jemand wirken, der genau wusste was er zu sagen hatte. Er gab mir das Gefühl mich zu verstehen und dennoch dem Dilemma zu erliegen nicht helfen zu können. Andere würden sich in seinem mitfühlenden Blick verlieren aber nicht ich. Weder seine Worte noch seine Mimik ließen zu, dass ich lockerließ!

„Willst du mich verkaufen?" Diese Aussage rief einen verwunderten Gesichtsausdruck hervor.

„Verkaufen?" wiederholte er beinahe amüsiert. „Wie kommst du darauf?" wollte er wissen.

„Ok, ich sag dir was ich glaube! Ich glaube Mister Lane will mich für irgendwelche kranken neuen Methoden, die an Lebenden ausprobiert werden müssen und wer wäre besser geeignet als ein Mädchen, das für die Welt tot ist?!" Je mehr ich meinen Gedanken freien Lauf ließ desto verwunderter blickte er mich an.

„Nun gut!" fing er an und lehnte sich zurück. Die gefalteten Hände nun auf seinen Knien. „Interessant ich war mir nicht bewusst, wie die Situation auf dich wirkte. Mir war klar, dass du Fragen hast aber dass du dir eine ganze Geschichte zusammengesponnen hast fasziniert mich. Deine Kreativität scheint noch vorhanden zu sein!" Ich hob eine Augenbraue. Meinte er das gerade echt ernst?

„Antworten Nicholas!" knurrte ich nun und merkte er nahm mich nicht ernst.

„Antworten würden dich nur weiter verstören und dir keine Ruhe lassen. Ich kann einen weiteren Selbstmordversuch nicht dulden!" mit diesen Worten erhob er sich und kam zu mir herüber. Er setzte sich auf die Bettkante und sah mich prüfend an. „Du wirst nicht locker lassen richtig?" Ich nickte.

„Wie könnte ich?!"

"Ich kann dir eines sagen, es wird nicht mehr lange dauern dann weißt du bescheid... es ist anders als du denkst und vielleicht gefällt es dir ja sogar. So abgeneigt meiner Person gegenüber bist du ja nicht mehr." Bei den Worten streckte er seine rechte Hand zu mir aus und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Ich beließ es dabei seine Augen zu fixieren und war verunsichert. Irrte ich mich wirklich? War ich vielleicht doch einfach als Sextoy gedacht? Nicholas legte ein besänftigest Lächeln auf. „Wie wäre es wenn du die Zeit, die du fürs grübeln verwendest, dazu benutzt die Gegenwart zu genießen!" Er hielt mit seiner Hand inne und hatte diese auf meiner Wange liegen.

„Genießen, du weißt schon noch was mit mir ist oder? Das ich weiterhin gegen meinen Willen hier bin?" Er schloss ernüchternd die Augen. Sein Gesichtsausdruck sagte mir förmlich, dass ich nicht schon wieder mit dem Thema anfangen sollte. Doch das tat ich, das würde ich immer tun, wenn es die Situation zuließ.

„Emily... bitte... du schaffst es noch soweit, dass ich mir wünschte dein Selbstmordversuch hätte geklappt." Das war hart, das war ein Schlag ins Gesicht. Ich nahm mein Kopf zurück.

„Was?" Jetzt öffnete er seine Augen wieder. So unverschämt kannte ich ihn bisher nicht.

„Was soll ich sagen? Meinst du, nur du machst dir ständig Gedanken? Auch ich denke über das alles nach und überlege ob man es besser machen könnte, besser für dich. Ich frage mich, wann du mir vertraust und dich mir hingibst mit allem was du bist." Ich verstand nicht. Er erhob sich vom Bett und ging zum großzügigen Fenster, vor das er sich mit dem Rücken zu mir gewandt stellte. „Ich kenne dich Emily... ich kenne dein wahres ich und das zeigst du mir nicht. Du behältst es für dich!" sagte er ruhig und ich warf die Decke zur Seite um aufzustehen. „Ich weiß nicht was du meinst." Entgegnete ich und wusste insgeheim ganz genau was er meinte. Seit ich hier war, habe ich kein einziges Mal richtig gelacht. In seiner Gegenwart fiel mir selbst das Lächeln teilweise schwer.
 

Ich musterte seinen Rücken, wie er dort vor mir stand wie ein Soldat, die Hände hinter dem Rücken gefaltet. Ich mochte seine Staue, ich mochte seinen Körper. Ich ging kleine Schritte auf ihn zu.
 

„Weißt du..." hörte ich ihn leise sagen. „Es spielt am Ende keine Rolle... am Ende ist es egal ob du dich mir offenbarst oder deine Seele für dich behältst."

„Wie meinst du das?" Er streckte die beiden Hände nach den Klinken der Doppeltüre aus und öffnete sie zum Balkon hin. Kalte Luft strömte in den Raum, ich umklammerte meinen Oberkörper mit meinen Armen und folgte ihm nach draußen. Der Schnee kalt und feucht. Nicholas ging zur Brüstung und lehnte sich an dieser ab, dabei behielt er den Rücken zu mir gewandt. Ich trat in seine Fußstapfen und blieb hinter ihm stehen.

„Du redest immer in Rätseln, nie gibst du mir eine klare eindeutige Antwort. Ich werde das Katz und Mausspiel nicht mehr allzu lange aushalten." Gestand ich leise und senkte den Blick auf den schneebedeckten Boden. „Wir reden und reden und sagen nichts... wir drehen uns im Kreis bis mir schwindelig wird. Du kannst mich nicht gehen lassen ok verstanden aber für das du mich hier hast weiß ich dennoch nicht. Warum kannst du mir diese Frage nicht beantworten? Ich glaubte lange Zeit du würdest mich als Sklavin halten, doch ich wurde eines Besseren belehrt. Solch eine Aufmerksamkeit wie von dir habe ich zuvor nicht erfahren dürfen. Ich bereite dir Ärger und dennoch verschwinde ich nicht wie die anderen!" Nicholas schlug mit der rechten Hand auf die Steinbrüstung und ich zuckte zusammen.

„Emily!" flüsterte er erzürnt. „Ich verspreche dir in wenigen Wochen weißt du mehr. Können wir uns darauf einigen, dass wir bis dahin nicht mehr über deinen Grund des Daseins sprechen?" Ich dachte kurz darüber nach und sah wie er seine Finger in den Stein krallte.
 

Warum war er so aufgebracht? Es wirkte nicht, dass er sauer auf mich war. Ich würde meine Antworten in seinem Zimmer finden, dafür brauchte ich seine Gunst nur so würde ich an den Schlüssel kommen, der sich nach Aussage von Ivan in der Armbanduhr befand, die er wirklich immer trug. Ich ging die letzten Schritte, die mich von ihm trennte auf ihn zu und legte meine Arme um die Taille des Größeren. Ich lehnte mein Gesicht zwischen seine Schulterblätter und atmete ganz ruhig. Er war tatsächlich angespannt und atmete hastig. Ich sagte nichts mehr und versuchte meine neugewonnene Ruhe auf ihn zu projizieren.
 

„Ist gut so machen wir es!" Ich spürte die Entspannung, die sein Körper überkam. Ich schloss die Augen und schaffte es durch die Aufregung in mir die Kälte auszublenden.
 

Ich war verwirrt, verwirrt von mir selber.
 

Warum konnte ich ihn nicht weiterhin hassen? Weil ich mir nun bewusst war, dass er mich weggeben würde? Seit Marcus da war, hatte sich meine Einstellung zu dem ganzen geändert. Ich hatte immer noch die Sorge, dass er mich weggab und das wollte ich nicht. Ich wollte bei ihm bleiben, wenn ich es mir schon nicht aussuchen konnte frei zu sein, wollte ich zumindest bei ihm bleiben. Ich drückte etwas fester zu.
 

Ich musste diesen Kreislauf unterbrechen, ich musste mir aufhören Gedanken zu machen und die Flucht als Priorität erachten. Keine noch so seltsamen Gefühle Nicholas gegenüber durften mein Urteilsvermögen beeinträchtigen.



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