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Sein Wort, Mein Gesetz

von

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Wie weit darf ich gehen?

Ich vermied es meinem Entführer über den Weg zu laufen. Der gestrige Abend hatte so vieles in mir ausgelöst. Schmerz, Hass, Wut, Heimweh und zwischen all den Gefühlen gab es eines was mir gar nicht passte. Ich hatte mich wohl gefühlt, wohl gefühlt in seinen starken Armen, die mich zu schützen versuchten. Ich war nicht dumm, ich wusste was mit mir geschah, ich fing an ihn zu mögen. Das musste ich unterbinden, diese Empfindungen würden meinen Plan zum scheitern bringen und das durfte ich nicht zulassen. Damit ich meine Skepsis und meine Abscheu weiterhin aufrecht erhalten konnte schlich ich mich mittags die Treppe hoch in den vierten Stock.
 

Hier war SEIN Flur, der Bereich des Anwesen, den ich nicht betreten durfte. Dieses kleine Gesetz gab es sicherlich nicht umsonst, hier würde ich vielleicht Antworten finden auf die Fragen, die mich nervten.
 

Warum war ich wirklich hier?
 

Warum rührte er mich nicht an?
 

Warum schien er kein größeres Interesse daran zu haben Körperkontakt mit mir zu suchen?
 

Ich kam mir gar nicht vor wie ein Spielzeug, das seiner Befriedigung diente.
 

Weiterhin hoffte ich, irgendwelche Hinweise darüber zu finden, wie er mich beschattet hatte. Vielleicht fand ich Akten von den anderen vor mir. Die Geschichten, die mir Valentin erzählt hatten gingen mir nicht aus dem Kopf. Vor allem die des Mädchens, für die Mister Norton wohl was übrig hatte.
 

Ich betrat den langen, leeren Flur und wusste nicht wohin, rechts rum sah es genauso aus wie links rum. Einfach ein sehr langer Gang. Ich ging nach links und ergriff die erstbeste Türklinke. Verschlossen! Die nächsten ebenfalls, bei der vierten hatte ich Glück und fand ein Zimmer vor, das wie ein kleines Atelier aussah. Ich schloss die Tür hinter mir so lautlos wie möglich und sah mich genauer um. Mehrere Staffeleien standen hier herum, darauf standen selbstgemalte Bilder von Frauen. Ich blieb vor einem stehen und war fasziniert. Es sah fabelhaft aus, so detailverliebt. Ich blickte in die gemalten Augen des Mädchens und fragte mich wer von denen fünf das hier war.
 

Ich ging weiter und beäugte mit Freude die Bilder bis ich an einer Staffelei ankam, die mir eine Gänsehaut bereitete. Darauf eine Leinwand und ein Foto.
 

Eine Foto von mir!
 

Ich konnte mich an diesen Tag erinnern als wäre es gestern gewesen. Ich saß auf der Veranda und las dieses fabelhafte Buch über die Vielfalt der Mutationen. Ich konnte kaum glauben was ich dort sah und schluckte schwer. Ein unbekanntes und nicht zu beschreibende Gefühl wuchs in mir heran. Ich streckte zittrig meine Finger nach dem Foto aus und nahm es in die Hand. Ich erblickte mich, die Veranda und meine Lieblingsdecke. Die hatte meine Mutter für mich genäht, mein Begleiter seit ich denken konnte. Sie beschützte mich vor den bösen Monstern unter meinem Bett und hielt mich warm wenn es draußen kalt war.
 

Ich ließ das Foto los und es glitt zu Boden, noch während das Foto herabflog ergriff ich die Leinwand und drehte mich mit Schwung um mich selber. Ich ließ die Leinwand los und ließ sie gegen eine weitere Staffelei prallen, diese fiel zusammen. Ich sah mich mit flimmernden Blick um und packte mir die Farben. Ich konnte nicht anders, alles in mir wollte dem Mann weh tun, der mich gefangen hielt wie einen räudigen Köter. Ich öffnete die Farbflaschen und schrie. Ich konnte und wollte meine Emotionen nicht zurückhalten. Es musste raus, alles musste raus sonst wäre ich zerbrochen an diesen Schmerz.
 

Erst als alle Bilder bekleckert waren kam ich zu Ruhe. Ich atmete hastig und ließ die letzte rote Flasche zu Boden fallen. Mein Herz sprang mir beinahe aus der Brust als ich zusah wie die Farbe auf den Grund glitt. Alle Bilder dahin.
 

Das tat gut. Es tat unbeschreiblich gut.
 

Die Tür wurde aufgerissen, ein entsetzter Mann sah mich an. "Was hast du getan?" fragte er und konnte kaum glauben was ich getan hatte. Selber mit Farbe bedeckt, erwiderte ich seinen Blick nüchtern.
 

"Ich habe gemalt."

"Wenn das Mister Norton..." fing er an. Die Notwendigkeit den Satz zusende zu sprechen bestand nicht mehr, denn der Herr des Hauses tauchte hinter dem dicklichen Mann auf.
 

Ich atmete immer noch hastig und fühlte mich gut. Als ich den Blick meines Peinigers erhaschte ging es mir noch besser. Er versuchte sich zu kontrollieren, er versuchte die Fassung zu behalten doch wie lange wollte er das schaffen?! Er trat hinter seinem Bediensteten hervor und ging auf die Staffeleien zu. Hier standen bestimmt 15 Stück und allesamt voller Farbe. Er ging zu dem Bild, das ich als erstes gesehen hatte. Erst jetzt erkannte ich wie sich seine Rückenmuskulatur verhärtete.
 

Ich setzte mich in Bewegung Richtung Türe, doch kaum war ich an ihm vorbeigegangen spürte ich seine Hand um mein Handgelenk. Die Zärtlichkeit vom Vorabend war verschwunden. Er nahm keine Rücksicht, ich konnte seine Wut spüren und konnte das Lächeln, das mir diese Tatsache hervorzauberte, nicht unterdrücken. Langsam drehte er sein Gesicht zu mir. Seine tiefblauen Augen sahen mich an als wäre ich nicht mehr wert als ein Haufen Mist. Das Lächeln verschwand blitzartig. War ich einen Schritt zu weit gegangen, hatte mir die Befriedung meines Hasses die Sicht für die Realität genommen? Ich wusste nicht was mich erwarten würde.
 

Ich konnte nur erahnen, dass mir die Folgen nicht gefallen würden.



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