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In Nottingham

von  -Moonshine-

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Kapitel 8: Setback

"Ich bin drüben bei Gabe!" Mit diesen Worten schlüpfte Kate aus der Haustür, lief hastig de Auffahrt hinunter und überquerte die Straße.
Das Haus, in dem Gabe mit seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester wohnte, befand sich in derselben Straße, Richtung High Street. Kate kam immer daran vorbei, wenn sie zur Bushaltestelle ging.
Seit der "end-of-term"-Party in dem Festsaal der Universität war genau eine Woche vergangen und Kate war mal wieder in North Collingham, um ihre Familie zu besuchen. Diesmal wollte sie aber länger bleiben als nur übers Wochenende, denn die Semesterferien erlaubten es und außerdem hatte sie gerade gar keine Lust auf Nottingham. Eine kleine Ruhepause würde ihr gut tun.
Um Claire brauchte sie sich auch keine Sorgen zu machen, denn diese war für eine Woche zu ihrem Vater nach Dublin geflogen. Claire's Eltern waren geschieden und sie war Einzelkind, wenn man die angeheirateten Stiefgeschwister mütterlicherseits nicht dazuzählte, mit denen sie überhaupt nicht zurechtkam. Aus genau diesem Grund zog Claire es vor, lieber Zeit mit ihrem Vater statt mit ihrer Mutter und deren neuer Familie zu verbringen.
Kate konnte sich nicht vorstellen, wie man ein Elternteil dem anderen so vorziehen konnte, doch dann wiederum unterschied sich ihre Situation gewaltig von Claire’s, deren Eltern schon seit ihrer Grundschulzeit auseinander waren. Weil Claire's Vater kurz darauf einen neuen Job in Dublin angeboten bekommen hatte, blieb ihr nichts anderes übrig, als bei ihrer Mutter zu leben. Für Claire, die schon immer eher ein Papakind gewesen ist, war das die reinste Bestrafung und dementsprechend verschlechterte sich die Beziehung zu Mrs Greene, ihrer Mutter, erheblich. Die Situation spitzte sich aber so richtig zu, als Claire's Mutter eines Tages mit einem neuen Mann antanzte, der drei weitere "Blagen" - wie Claire sie nannte - mit sich gebracht hatte. Die Kinder waren - Kate rechnete kurz nach - mittlerweile wohl schon 18, 14 und 11, was bedeutete, dass das ältere Mädchen der Drei ein Jahr jünger war als Claire selbst.
Kate erinnerte sich, dass ihre beste Freundin damals sehr unglücklich und frustriert gewesen war. Je mehr Zeit verging, desto weniger wollte sie nach Hause zurückkehren und so nahm Kate sie nach und nach immer öfter nach der Schule mit nach Dyke's End oder ließ sie bei sich übernachten.
Kate’s Eltern hatten nichts dagegen gehabt - sie fanden Claire's Situation sei eine "Zumutung", mochten das Mädchen gut leiden und meinten, es machte sowieso keinen Unterschied, denn bei den Winstons herrschte ständiges Kommen und Gehen, kein Wunder bei all den Kindern und all den Schulfreunden.

Bei Gabe angekommen, wurde nach einem kurzen Klingeln die Haustür von einer enthusiastischen Allyson, Gabe's 13jähriger Schwester, aufgerissen.
"Hi, Ally", begrüßte Kate das deutlich kleinere Mädchen mit denselben, braun-gewellten Haaren, wie Gabe sie auch hatte. Nur, dass ihre viel länger und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden waren.
"Hi, Kate", schnaufte Allyson atemlos und trat zurück, um ihr Einlas zu gewähren. Während Kate ihre Schuhe auszog und die Jacke am Garderobenhaken aufhängte, wagte Allyson es nicht, den Gast aus den Augen zu lassen. Etwas irritiert lächelte Kate ihrer jungen Beobachterin zu, die sie neugierig musterte.
Dann platzte es aus dem Mädchen heraus. "Ist Danny auch zu Hause?", wollte sie aufgeregt wissen und starrte Kate hoffnungsvoll aus großen Augen und mit geröteten Wangen an.
Diese stutze kurz, bevor sie sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.
"Ich glaube, ja", gestand sie, doch Allyson dachte nicht daran, sie schon vom Haken zu lassen, traute sich aber auch nicht, weiter zu fragen. Stattdessen hatte sie Kate noch immer mit ihren leuchtenden Augen fixiert, so dass Kate belustigt hinzufügte: "Ich glaube, er macht seine Hausaufgaben."
Allyson's Augen blitzten auf. "Wirklich?", sagte sie fasziniert, mehr zu sich selbst als zu Kate, und kicherte dann verhalten, bevor sie schnell aus dem Zimmer lief.
Kate konnte noch sehen, wie Ally das Telefon aus der Aufladestation herausriss und hastig eine Nummer wählte, dann wandte sie sich ab und ging die Treppe hoch ins zweite Stockwerk, klopfte kurz an Gabe's Zimmertür und trat ein.
Ihr Freund saß gerade im Schneidersitz auf dem Boden und stapelte CD-Hüllen aufeinander.
Als sie hereintrat, sprang er schnell auf und schob die kleinen Türme ein wenig zur Seite.
"Ich ordne gerade meine CDs", sagte er entschuldigend mit einer Geste in Richtung der CD-Hüllen. "Du wirst es nicht glauben, aber während ich weg war, hat hier irgendwer alles ziemlich durcheinandergebracht." Er lachte und zwinkerte Kate verschwörerisch zu. Es war klar, dass er von seiner Schwester sprach.
Kate lächelte. "Apropos... Ally hat sich gerade nach Dan erkundigt", teilte sie Gabe ein bisschen erstaunt mit. "Ich wusste gar nicht, dass die zwei befreundet sind."
Ihr sechszehnjähriger Bruder, befreundet mit Gabe's 13jähriger Schwester? Das konnte sie sich nun wirklich nicht vorstellen...
Aber Gabe winkte lachend ab. "In Ally's Träumen vielleicht."
Er deutete einladend auf seine Couch und bedeutete Kate, sich zu setzen. Sie kam seiner Aufforderung nach und machte es sich bequem. Gabe schnappte sich einer Drehstuhl, der vor seinem Schreibtisch saß und setzte sich umgekehrt darauf, sodass er die Arme auf der Lehne verschränken konnte.
"Was meinst du?", fragte Kate ahnungslos. Man verlor wirklich den Überblick über alles, solange man nicht mehr zu Hause wohnte und alles mitbekam, was um einen herum geschah.
"Och." Gabe macht eine wegwerfende Handbewegung und platzierte seinen Arm anschließend wieder auf der Lehne. "Wenn man zu Hause wohnt und eine kleine Schwester hat, die von mittags bis abends nur am Telefon hängt, kriegt man so Einiges mit. Jedenfalls, sie und eine Freundin von ihr scheinen es auf Dan abgesehen zu haben. Nur 'ne kleine Schwärmerei..." Er lachte angesichts der verdutzten Mine, die sich auf Kate's Gesicht abzeichnete, doch dann musste auch sie grinsen.
"Der arme Danny", bemitleidetet sie ihn, meinte es aber nicht wirklich ernst. "Erst seine älteren Schwestern, die ihn quälen und jetzt diese jungen Dinger."
"Ja, dein Bruder kann einem wirklich leid tun", spottete Gabe und verdrehte die Augen. "Ständig von Frauen umgeben! Das hält ja niemand aus!"
Kate griff sich lachend eines der kleinen Kissen, die zum dekorativen Zweck auf der Couch verteilt lagen und warf es nach Gabe, der es, durch seine Sitzposition etwas benachteiligt, ins Gesicht geschleudert bekam. Das Kissen landete auf dem Boden zwischen Kate's Füßen und Gabe’s Stuhl.
"Das konnte ja nur von dir kommen, Gabe", schimpfte Kate freundschaftlich, während er ganz unschuldig tat. Gabe war schon immer derjenige gewesen, der die Aufmerksam der Mädels auf sich zog und man konnte von ihm nicht gerade behaupten, dass er das verachtete.
"Ich weiß gar nicht, was du damit meinst." Er schaute übermäßig ahnungslos in der Gegend herum und anschließend brachen beide in lautes Gelächter aus. Es tat gut, einfach mal nicht ernst sein und sich Sorgen machen zu müssen, Quatsch zu machen. Das hatte sie vermisst, denn in Nottingham war sie ständig entweder von Claire umgeben, die momentan etwas angeschlagen war, oder von Jake, der sie nur zu deutlich an ihre eigene Misere erinnerte. Nicht mal mit ihm konnte sie mehr unbeschwert lachen, denn alles fühlte sich so merkwürdig und falsch an...
"Nein wirklich, Kate." Gabe hatte sich beruhigt und blickte Kate ratlos an.
"Meine Liebste verschmäht mich", beklagte er sich übertrieben theatralisch und seufzte tief, bis er schließlich doch noch grinsen musste.
Aber Kate hatte den Wink verstanden. "Claire...?", fragte sie vorsichtig. Sie hatte ja die ganze Zeit geahnt, dass Gabe noch Gefühle für Claire hatte, aber es aus seinem Mund zu hören verlieh dem Ganzen doch etwas Offizielles.
"Du hast es also bemerkt", stellte er grienend fest und zuckte dann die Schultern. "Nicht, dass ich versuche, es geheim zu halten." Bei diesen Worten sah er Kate durchdringend an und sie musste schuldbewusst den Blick abwenden.
"Sie ist ganz schön wütend auf dich", sagte sie dann schnell, um von sich abzulenken und wieder auf das eigentliche Thema zu kommen.
Gabe ließ es bereitwillig geschehen.
"Das habe ich vermutete. Es war trotzdem schön, sie zu sehen. Sie hat sich kein bisschen verändert." Er lächelte erinnerungsselig, mit den Gedanken ganz woanders - bei Claire.
Kate ließ ihm die Zeit, doch schnell fing Gabriel sich wieder.
"Was denkst du?", fragte er sie unvermittelt und Kate ahnte, was er von ihr hören wollte.
Sie runzelte kurz die Stirn und dachte eine Weile lang nach. Claire war stur, sehr stur sogar, aber sie war kein Unmensch.
"Ich denke, es wird anstrengend, hart und du wirst dich auf viele Rückschläge gefasst machen..."
Gabe nickte konzentriert.
"...bevor sie dich überhaupt mal eines Blickes würdigt", schloss Kate schmunzelnd.
Gabriel lächelte siegessicher. "Kein Problem", beschien er ihr und stützte nun auch sein Kinn auf seinen verschränkten Armen ab.
"Hmmm..." Er dachte kurz nach. "Vielleicht werd ich deine Hilfe brauchen?"
Es war mehr eine Frage und er blickte Kate hoffnungslos an, die, halb entsetzt, halb belustigt, hastig den Kopf schüttelte.
"Oh nein... ich halte mich da schön raus. Rein offiziell bist du der Feind und mit dem werde ich mich ganz sicher nicht verbünden."
Er hob zweifelnd eine Augenbraue. "Der Feind?"
"Der Feind", bestätigte sie ohne jeden Zweifel an ihrer Aussage. "Für Claire die Nummer eins unter den Feinden." Kate lachte. "Es würde mich meinen Kopf kosten, dir irgendwelche Infos zuzustecken, die du gar nicht haben solltest."
Gabriel ließ sich ihre Worte durch den Kopf gehen und seufzte dann resigniert. "Das dachte ich mir schon. Und was sagst du ihr, wenn sie dich fragt, worüber wir so reden?"
Kate konnte sich angesichts der besorgten Frage ein Grinsen nicht verkneifen.
"Das kommt drauf an...", wiegelte sie zögerlich ab und schmunzelte.
"Worauf?" Gabe sprang natürlich sofort auf ihre Provokation an.
"Darauf, was ich ihr sagen soll oder darf?"
Auf dem Gesicht des Jungen breitete sich nun auch ein ahnendes Grinsen aus, ein Zeichen dafür, das er verstanden hatte. "Ich dachte, ich bin der Feind?", neckte er sie lachend und Kate zuckte gleichmütig die Schultern.
"Ja, aber ich kann doch nichts für all das, was du so erzählst..."
Zwei verschwörerische Blicke trafen sich und Gabe lächelte seiner Freundin frech zu.
"Von mir aus brauchst du ihr nichts zu verschweigen", bot er großzügig an und Kate kam der Gedanke, dass er nicht nur so tat als wüsste er, was zu tun war - nein, er wusste es wirklich! Gabe hatte eine Strategie und sicherlich auch Asse im Ärmel, die er auch gnadenlos ausspielen würde.
Natürlich würde sie Claire nicht alles brühwarm erzählen, denn ihre Freundin wollte von ihm ja nichts wissen, aber sollte sie doch neugierig werden und fragen, oder aber das Gespräch entwickelte sich in diese Richtung, war es eindeutig, dass sie von dem, was Gabe über sie sagte, bestimmt nicht kalt gelassen werden würde. Dass Claire oftmals nur so tat, als ginge alles spurlos an ihr vorbei, hatte allein schon die Putzaktion vom letzten Wochenende gezeigt.
Kate wusste, dass das reiner Selbstschutz war, den Claire an den Tag legte. Sie war schon immer mehr der Typ gewesen, der alles mit sich selbst ausmachte, es war ihre Art, zu flüchten. Und das Flüchten, das hatte sie mit ihren neuen Stiefgeschwistern und der Wiederheirat ihrer Mutter für sich selbst perfektionieren können.
Ein kurzes Schweigen legte sich zwischen sie, während Kate ihren Gedanken nachhing und auch Gabe zu überlegen schien.
"Wolltest du heute nicht mit Jake den Kinobesuch nachholen?", fragte er dann unvermittelt und sah sie prüfend an. Kate kam der Gedanke, dass die Frage gar nicht so beiläufig gemeint war, wie sie klang. Natürlich hatten sie den Kinobesuch auf nächstes – also dieses - Wochenende verschoben und Gabe wusste das auch, denn er war zum Zeitpunkt des Telefonats bei Jake gewesen.
Kate suchte nach einer passenden Ausrede, obwohl sie genau wusste, dass sie nicht ziehen würde, denn Gabe wollte ganz offensichtlich auf etwas Bestimmtes hinaus.
"Stattdessen bin ich jetzt hier", wich sie aus und machte eine ausschweifende Handbewegung, um das "hier" anzudeuten: North Collingham, zu Hause, Gabe's Zimmer.
"Das sehe ich", erwiderte Gabe trocken. "Du hast dich mit einer Ausrede verdrückt. Du gehst ihm aus dem Weg", stellte er sachlich fest und traf damit genau ins Schwarze.
Kate hatte wirklich nach einer guten Ausrede gesucht, um sich nicht mit Jake treffen zu müssen, denn, so gerne sie ihn auch sehen wollte, so schwieriger wurde es von Tag zu Tag, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Sie konnte nicht mehr mit ihm lachen, weil dieses schreckliche Gefühl immer in ihrem Hinterkopf hockte und sie nicht unbeschwert sein ließ und sie konnte ihm auch nicht ihr Herz ausschütten, weil er sie dann wahrscheinlich nicht mehr würde sehen wollen. Und auch wenn, dann würde sie ihm ganz bestimmt nicht mehr unter die Augen treten können.
Allein die Vorstellung, mit ihm Zeit zu verbringen, während er die ganze Zeit über wüsste, dass sie mehr als nur Freundschaft empfand, war doch so... erniedrigend und lächerlich!
"Kate?" Gabe holte sie aus ihren Gedanken heraus und schaute sie besorgt an, zog dann die Stirn in Falten und schwieg eine Weile bevor er augenscheinlich das Thema wechselte.
"Jake ist noch immer dieselbe treuherzige, alte Seele, die von nichts eine Ahnung hat, wie er es war, als ich weggefahren bin."
Er seufzte kurz und in Gedanken musste Kate ihm Recht geben.
Wenn es drauf ankam, war Jake zwar mit Herz und Seele dabei, aber ansonsten lebte er immer mit einem sorglosen Grinsen in den Tag hinein und bekam kaum mit, mit welcher Geschwindigkeit sich die Welt um ihn herum wirklich drehte.
"Was das mit Rachel soll, verstehe ich auch nicht", setzte Gabe seine Ansprache weiter fort und schüttelte verächtlich den Kopf. "Ich frage mich, was er an ihr findet... Überhaupt..." Er lachte kurz auf - ein freudloses Lachen. "Warum sucht er sich immer die Unerreichbahren aus?"
"Unerreichbahren?", echote Kate, als hätte sie das Wort noch nie zuvor gehört.
Es war interessant, Gabe zuzuhören.
Sie wusste zwar, dass er und Jake hervorragend miteinander auskamen - und anscheinend haben sie seit Gabe's Rückkehr genau dort angeknüpft, wo sie aufgehört hatten, als er "ausgewandert" ist, aber Gabe hatte noch nie besonders viel über Jake gesagt und niemand hatte danach gefragt.
Sie wusste nicht warum, aber dass Gabe so viel über Jake wusste und ihn so gut analysieren konnte, erstaunte sie. Sie hatte immer angenommen, Jungs denken nicht großartig über die Charaktereigenschaften anderer nach, doch da hatte sie sich wohl getäuscht.
"Na du weißt schon..." Gabe machte eine wegwerfende Handbewegung. "Die Mädels, die hübsch aussehen, es allerdings auch wissen und versuchen, Profit daraus zu schlagen. Glaubst du wirklich, die geben sich mit nur Einem zufrieden, wenn sie sie alle haben können?" Er sah Kate mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Ihr Mädels seid da nicht anders als wir Männer."
Kate schmunzelte angesichts der Tatsache, das Gabe sich zu den "Männern" zählte, aber er bekam ihre Belustigung gar nicht mit, sondern redete einfach weiter.
"Einmal größenwahnsinnig, immer größenwahnsinnig." Er nickte zu seiner eigenen Bestätigung ein paar Mal energisch, während Kate sich fragte, in welche Richtung er das Gespräch eigentlich lenken wollte.
"Was ich eigentlich sagen wollte", besann er sich, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und kratzte sich kurz zerstreut am Kopf. "Dieses Mädchen weiß genau, wie sie ihn um den Finger wickeln kann und er hat davon leider überhaupt keine Ahnung..."
Kate lächelte resigniert. Das war nichts Neues für sie, denn soweit hatte sie es auch mitbekommen.
"Ja, das ist typisch Jake", pflichtete sie in mildem Tonfall bei und musste unwillkürlich lächeln, als ihr der verwirrte Ausdruck auf Jake's Gesicht wieder in Erinnerung kam, als Claire ihm Rachel's Cocktail abgenommen und ihn stattdessen selbst getrunken hatte.
Sich plötzlich bewusst werden, dass Gabe sie beobachtete, schreckte sie auf und blickte nun in dessen Gesicht, dass sie neugierig musterte.
Um ihre Verlegenheit zu überspielen, suchte sie schnell nach etwas, was sie sagen konnte.
"Ich hoffe, du hast ihm ordentlich den Kopf gewaschen, was sein Verhalten angeht. Das kann man sich ja echt nicht mit ansehen", schimpfte sie streng in der Hoffnung, das würde Gabe von ihr ablenken. Und das tat es tatsächlich. Nur sah der Braunhaarige jetzt mehr verwirrt und geknickt gleichzeitig aus.
"Ich wusste nicht, ob ich sollte", gestand er fast schon entschuldigend und verzog schmerzvoll das Gesicht, als hätte er etwas Falsches getan, das ihm Leid tat, sich aber nicht vermeiden ließ.
"Doch, doch", sagte Kate schnell, obwohl ihr sein Geständnis doch einen kleinen Stich versetzte. "Ist schon gut so. Bevor er sich noch ganz zum Idioten macht..." Sie zwang sich zu einem kurzen Lächeln und nickte.
Gabe schien nicht ganz so überzeugt, doch er wurde etwas mutiger und erzählte weiter.
"Am Morgen nach der Party hab ich ihn drauf angesprochen. Du musst wissen..." Er rollte mit den Augen, als fasste er es nicht, was passiert ist. "Er dachte wirklich, wenn er ihr jeden Wunsch von den Augen abliest, wird ihr das imponieren."
Kate blinzelte verdutzt. Natürlich hatte sie sich so etwas schon gedacht, aber die Tatsache, dass Gabe genau wusste, wie Frauen anscheinend wirklich tickten, versetzte sie immer wieder in großes Erstaunen. Zwar gab es wahrscheinlich keine Frau, die sich nicht schon wenigstens einmal jemanden gewünscht hatte, der ihre Wünsche 'von den Augen ablas', doch kam es mal wirklich dazu, wurden die jeweiligen Exemplare von einem Mann am Ende nur stehen gelassen mit dem Kommentar "wer will schon einen Pantoffelhelden zum Mann?"
Sprachlos lauschte sie weiter Gabe's Erzählung.
"Ich hab ihm dann erklärt, dass das nicht so ist... dass man wenigstens ein bisschen so tun muss, als sei man nicht immer vor Ort und dass man sich ein bisschen rar machen muss... Das macht viel mehr Eindruck und dann fangen sie an, sich für dich zu interessieren, weil sie wissen wollen, warum du ihnen nicht an Ort und Stelle erliegst."
Er lachte. "Ziemlich primitives System, oder?", wollte er sichtlich erheitert von Kate wissen und zuckte dann die Achseln. "Aber so läuft es in den meisten Fälle ab. Alles nur eine Frage der Manipulation und des Timings."
Immer noch fassungslos starrte Kate ihn an. Dass Gabe viele so komplizierte Sachen mit so einfachen Worten auf den Punkt brachte, frappierte sie sehr. Ihr fiel ein, dass er auch früher schon ziemlich scharfsinnig gewesen ist und alles mitbekam, was um ihn herum geschah.
Er aber missinterpretierte Kate's Ausdruck und ihr sprachloses Schweigen.
"Oder stimmt das etwa nicht?", hakte er leicht unsicher nach und rutschte auf dem Stuhl hin und her. "Ich meine, andersrum ist es doch genauso."
"Doch, ich denke schon", beschwichtigte Kate ihn. "Aber... fehlt bei dem Ganzen nicht noch etwas?" Manipulation und Timing konnten doch nicht alles sein, oder?
Gabe entspannte sich und grinste ein wenig.
"Du darfst das nicht falsch verstehen. Ich habe nicht gesagt, dass keine Gefühle im Spiel sein können. Aber wer die Spielregeln beherrscht, kommt besser und schneller ans Ziel und kann sie alle haben."
Kate überlegte eine Weile und stellte dann die Frage, die sie schon länger interessierte und, obwohl diese es nie zugeben würde, Claire sicherlich auch.
"Hattest du sie in Australien... äh, auch ’alle’?"
Auf Gabe's Gesicht zeichnete sich ein verlegenes Grinsen ab.
"Dacht ich's mir." Obwohl sie es nicht beabsichtigt hatte, klang Kate ein wenig abweisend. Sie wollte nicht über ihn richten, aber wofür hielt er sich, wegzufahren, dort seinen Spaß zu haben und, zurück in der Heimat, die Gefühle ihrer besten Freundin wieder absichtlich durcheinanderbringen zu wollen?
"Nein, nein", beruhigte er sie schnell. "Also, ich hatte zu keinem Zeitpunkt eine feste Beziehung dort, soviel kann ich dir versichern."
Kate runzelte die Stirn und eine weitere Frage drängte sich ihr automatisch auf, doch sie wollte Gabe's momentane Auskunftsbereitschaft nicht überschreiten und eigentlich wollte sie es auch gar nicht wissen.
"Na dann", murmelte sie ausweichend. Das würde sie Claire ganz sicherlich nicht erzählen...
Unangenehm berührt kratzte sich das Mädchen an der Wange, während Gabe, sich ebenfalls nicht wohl fühlend in seiner Haut, im Zimmer herumguckte, als könnte er dort etwas Neues, Interessantes erblicken.
"Gabe?", fragte sie zaghaft. Das Eine musste sie ihm noch sagen.
Er schaute sie an. "Ja?"
Kate holte tief Luft. "Wenn du... Claire noch einmal verletzen solltest, dann... solltest du dich nicht darüber wundern, wirklich zum 'Feind' zu werden."
Sie suchte sein zunächst verwundertes Gesicht prüfend nach einem Zeichen der Ablehnung oder des Verständnisses ab.
Gabe musterte sie nachdenklich und nickte schließlich ernst, ohne eine Miene zu verziehen. "Das versteh ich. Und ich meine es ganz sicher ernst, Kate", versicherte er ihr nachdrücklich.
Sie erhob sich und warf einen raschen Blick auf die Uhr. Es war alles gesagt, was gesagt werden musste und bald würde es Abendessen geben. Ihren Vater hatte Kate heute noch gar nicht zu Gesicht bekommen und so konnte sie ihrer Mutter noch beim Kochen zur Hand gehen.
"Ich denke ich geh dann mal."
Auch Gabe stand auf, um sie zur Tür zu geleiten. "Okay." Er war wieder so vergnügt wie eh und jäh. "Wenn du wieder hier bist, schau ruhig vorbei. Ich freue mich immer über Ablenkung."
"Ja, und wenn du wieder bei Jake zu Besuch bist..." Sie schluckte. "Dann äh... ruf doch an."
Gabe lachte. "Mach ich. Bis bald. Ach, und - Kate?"
Kate blickte von ihren Schuhen, die sie sich gerade anzog, zu ihm herauf. An der Wand lehnend und die Hände in die Hosentaschen vergraben betrachtete Gabe sie nachdenklich.
"Sei nicht allzu böse auf Jake..." Er sagte es fast so entschuldigend, als wäre ER für alles verantwortlich. Kate biss sich auf die Unterlippe und nickte zaghaft. Als könnte sie Jake je böse sein...
"Mach's gut." Sie schlüpfte aus der Tür und winkte Gabe noch kurz zu, bevor sie sich von ihm abwandte. Hinter ihr fiel die Haustür der O'Learys leise ins Schloss.

Schon als Kate an die frische Luft trat, merkte sie, dass irgendetwas sich verändert hatte. Nach kurzem Überlegen wusste sie auch, was es war: der bordeauxfarbene Alfa Romeo Spider Fastback, der vor der Garage der Winstons parkte.
Was bedeutete, dass Lizzie zu Hause war. Dabei hatte Kate's Mutter nichts vom Besuch ihrer zweitältesten Tochter erwähnt, wunderte sich Kate.
Neugierig und zugleich erfreut - sie brauchte dringend Ablenkung! - hastete sie über die Straße und stürmte durch die Haustür ins Innere.
Schnell hängte sie ihre Jacke auf, streifte ihre Schuhe ab und riskierte zur Sicherheit einen kurzen Blick ins Wohnzimmer, doch es war leer. Als sie gegangen war, hatte Daniel auf der Couch herumgelümmelt und gelangweilt durch die Sender gezappt.
In der Küche fand sie endlich, wen sie suchte: ihre Mutter kochte gerade Kaffee, während Liz verzweifelt in der Sitzecke saß, die Ellbogen auf den Tisch gestützt und vor sich hinbrütend.
"Oh!", entfuhr es Kate. Obwohl sie das Auto in der Auffahrt hatte stehen sehen, überraschte sie Liz's leibhaftiger Anblick dennoch. "Was machst du denn hier?"
Ohne die Antwort abzuwarten, zwängte sie sich ebenfalls hinter den Tisch und setzte sich.
Liz warf Kate einen säuerlichen Blick zu. "Was wohl? Ich besuche Mum und Dad."
Kate runzelte verwirrt die Stirn. Irgendetwas stimmte hier nicht und Lizzie's feindseliger Tonfall war der eindeutige Beweis dafür. Irgendetwas musste ihr völlig die chronisch gute Laune ruiniert haben.
"Aha." Kate schob die Schale mit Obst, die in der Mitte des Tisches stand, zu sich heran und suchte sich einen kleinen, grünen Apfel aus, rieb ihn ein wenig an ihrem Ärmel, bis er glänzte.
Bethany warf ihr einen kurzen Blick zu. "Sind gewaschen, Liebes."
"Wo ist eigentlich Dan?", fiel Kate in diesem Moment ein. Soweit sie wusste, hatte sie von draußen in seinem Fenster auch kein Licht brennen sehen.
"Der ist abgehauen, kurz, nachdem ich gekommen bin", mischte sich Liz leicht pikiert ein und starrte grimmig die Tischplatte an, als wäre sie an allem Schuld.
Kate verkniff sich ein Grinsen. Daniel's Flucht war so offensichtlich, dass es keiner Worte mehr bedurfte.
"Ach", sagte Bethany mild, in dem Bemühen, Liz wieder versöhnlich zu stimmen, "er ist bestimmt wieder zu seiner Freundin gefahren.“
Bei ihren Worten blickten die bis dato noch scheintote Liz und Kate, die gerade in ihren Apfel beißen wollte, geschockt auf.
"Freundin?", wiederholte Liz und wechselte einen überraschten Blick mit Kate.
"Er hat eine Freundin? Wieso kriegt man eigentlich nichts mehr mit, wenn man nicht mehr zu Hause wohnt?", beschwerte sie sich wieder mit einem verdrießlichen Tonfall, doch dieses Mal konnte sich Kate ihrer Meinung nur anschließen.
"Kaum ist man aus dem Haus, wird einem nichts mehr erzählt", stimmte sie zu, war jedoch nicht einmal halb so verärgert über diese Tatsache wie Liz. Aber Daniel hätte wirklich mal erwähnen können, dass er nun glücklich vergeben war... oder wenigstens ihre Mutter, die ja nun liebend gern aus dem Nähkästchen plauderte!
"Nun hört doch auf, Kinder." Mrs Winston holte zwei Tassen aus dem Hängeschrank und füllt diese bis zum Rand voll mit dem eben gebrühten Kaffee, der die ganze Küche mit diesem typischen Duft erfüllte.
Kate mochte den Duft von Kaffee, das Getränk selbst jedoch konnte sie nicht ausstehen. Schlimm genug, dass in der Uni jeder Zweite mit einem “Coffee-to-go“-Pappbecher herumrannte, als käme man ohne Kaffee nicht durch den Tag.
"Von wegen...", grummelte Liz leise vor sich hin und schnippte achtlos einen Krümel vom Tisch auf den Boden.
"Wer ist es denn?", wollte Kate neugierig wissen, während ihre Mutter die Kaffeetasse vor Liz stellte, die sofort danach griff wie nach einem Rettungsseil, das einer Ertrinkenden zugeworfen wurde. Begierig nahm sie einen Schluck und heulte sofort auf.
"Heiß!"
Anscheinend war das erblich.
Bethany betrachtete sorgenvoll ihre Tochter, die nun schlechtgelaunt die Tasse von sich schob und ein noch längeres Gesicht zog. Dann wandte sie sich Katie zu und beantwortete ihre Frage.
"Das weiß ich nicht. Irgendein Mädchen aus seiner Klasse, aber als Mutter weiß man ja sowieso nur so viel, wie es gut für Einen ist." Sie seufzte und warf Lizzie einen bedeutungsvollen Blick zu, den diese gekonnt ignorierte.
"Toll", spottete sie nun und rümpfte die Nase. "Für alle hängt der Himmel voller Geigen. Wie schön!" Aus ihrem Tonfall konnte man deutlich heraushören, dass sie es alles andere als "schön" fand.
Kate's Laune schwand augenblicklich dahin. Sei wann hing der Himmel denn für "alle" voller Geigen? Da hatte sie wohl etwas nicht mitbekommen. Aber Liz, in ihrem Selbstmitleid versunken, was auch immer passiert sein mochte, war natürlich wieder vollkommen blind für alles, abgesehen von ihren eigenen Problemen.
"Ach, halt doch die Klappe", knurrte Kate und biss voller Groll geräuschvoll in ihren Apfel, wobei sie sich einen verwunderten Blick ihrer Schwester einfing.
"Ach ja", sagte diese dann trocken. "Weiß er es noch immer nicht?"
Sie rührte aggressiv in ihrem Kaffee herum, als ginge es um Leben um Tod und starrte Kate durchdringend an.
"Wer weiß was nicht?", fragte die Mutter der beiden interessiert, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich mit ihrer Kaffeetasse zu den Mädchen an den Tisch.
"Niemand", sagten beide wie aus einem Mund und wandten sich voneinander ab.
Bethany seufzte ergeben. "Genau das meine ich", beklagte sie sich, nicht wirklich in der Annahme, dass ihr jemand zuhörte, warf ein paar Zuckerwürfen in den Kaffee und rührte um.
"Und welche Laus ist DIR eigentlich über die Leber gelaufen?", hakte Kate mürrisch nach, ohne auf die Beschwerde ihrer Mutter zu achten, und sah Liz auffordernd an.
"Johnny", antwortete Liz mit einem Zähneknirschen und nahm das Gesicht, das ihre Mutter bei diesem Namen verzog, gar nicht erst wahr.
"Wer ist das?" Kate runzelte verwirrt die Stirn und schaute von einer zur anderen. Der Ausdruck ihrer Mutter machte deutlich, dass diese nichts von diesem "Johnny" hielt, aber sie konnte sich nicht erinnern, diesen Namen schon einmal gehört zu haben.
"Ihr Freund", warf Bethany unglücklich ein, aber Liz schnaubte nur und schüttelte den Kopf.
"Ex-Freund, besser gesagt!"
"Dein Freund heißt Johnny?", sinnierte Kate nachdenklich, während Mrs Winston äußerst vergnügt japste: "Ex-Freund?"
Liz rollte genervt die Augen. "Das war ja klar, dass du dich darüber freuen würdest, Mum."
Sofort versuchte Bethany, sich zusammenzureißen und schnellstmöglich das erfreute Grinsen von ihrem Gesicht abzustreifen, jedoch ohne viel Erfolg.
"Entschuldige, Liebes." Sie probierte, eine bekümmerte Miene aufzusetzen. "Was ist denn passiert?"
"Ihr werdet es nicht glauben!", ereiferte sich Liz empört. Nun, da sie die Aufmerksamkeit auf ihrer Seite hatte, lief sie zu Höchstform auf. Ihre Augen funkelten angriffslustig.
Bethany und Kate's Augen hingen praktisch an ihren Lippen und beide wartete, was Mr. Rockband-Johnny so Unglaubliches angestellt haben mochte, das selbst Liz verscheucht hatte - und, das musste man sagen, es war wirklich schwer, Liz abzuschrecken.
"Er hat..." Sie machte eine Kunstpause, um den Effekt auszuprobieren, bis Kate unruhig wurde und auf ihrem Sitz hin und herrutschte. "Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht!"
In der Küche herrschte Totenstille. Niemand wagte es, etwas zu sagen.
Liz schwieg triumphierend und blickte Kate und ihre Mutter Bestätigung heischend an.
Beide wussten im ersten Augenblick nicht, wie sie darauf reagieren sollten, doch es war Bethany, die als Erste den Mund aufmachte.
"Ooooh...", entschlüpfte es ihr ratlos, hin und her gerissen zwischen der Tatsache, dass jemand allen Ernstes ihre widerspenstige Tochter heiraten wollte und dass es Rocker-Johnny war, der um ihre Hand angehalten hatte.
Kate war in ihrer Wortwahl kreativer. "Oh nein, wie furchtbar", höhnte sie. "Jemand will sein restliches Leben mit dir verbringen, das muss wirklich schlimm sein."
Dafür kassierte sie von Liz einen vernichtenden Blick, diese entschied sich aber dafür, die Bemerkung zu ignorieren.
"Schon seit Wochen war er so seltsam und hat merkwürdige Andeutungen gemacht, aber als er mich dann in dieses piekfeine Restaurant eingeladen hat..." Sie verzog das Gesicht, als fände sie das unerhört und absolut ungehobelt von ihm. "Und ich habe noch gehofft, er schlägt mir nur einen Dreier vor oder so... aber DAS war jawohl der Gipfel!"
Kate und ihre Mutter wurden beide tiefrot im Gesicht - Bethany wegen der Schamlosigkeit ihrer Zweitältesten, Kate eher, weil ihre Mutter dabeisaß und bei Lizzie’s Ausdrucksweise scharf die Luft einsog. Den Spruch hätte ihre Schwester sich auch verkneifen können – viele Herzinfarkte kamen schließlich nicht von ungefähr und wenn Kate es sich recht überlegte, sah ihre Mutter in diesem Moment alles andere als gesund aus.
"Aber... Schätzchen...", stammelte Mrs Winston, nicht wissend, was sie auf all das sagen sollte, und immer noch erschüttert über das Treiben der jungen Leute heutzutage.
"Och, Mum, halt mir bitte keinen Vortrag. Echt, ich hab schon genug zu leiden. Ich dachte, Johnny wäre cool und nicht so ein altmodischer Spießbraten. Hätte ich von Anfang an gewusst, dass er Einer dieser gutbürgerlichen Stockkonservativen ist, die noch an die "Institution Ehe" glauben - oh Gott!" Sie fasste sich an den Kopf und atmete tief durch. "Dabei habe ich ihm nie das Gefühl gegeben, bis zum Ende meines Lebens mit ihm zusammen sein zu wollen..." Sie schüttelte verstört den Kopf und blickte verwirrt von Beth zu Kate, als könnten die ihr sagen, was sie falsch gemacht hatte.
"Wow", platzte es beeindruckt aus Kate heraus, die Lizzie's Monolog fasziniert mitverfolgt hatte. "Das muss ja echt die große Liebe gewesen sein."
Liz's warnenden Blick quittierte sie mit einem boshaften Lächeln.
"Ach, was weißt du schon, Schwesterherz", spöttelte diese nun. "Da draußen in der Welt gibt es mehr als nur Heirat und Kinder. Glaubst du, ich will den Rest meines Lebens als Hausfrau verbringen mit spuckenden und schmutzigen Gören, die mir am Rockzipfel hängen? Nein danke!"
Beth's Augen weiteten sich gefährlich und Liz hielt augenblicklich die Luft an. "Nicht alle Kinder können so pflegeleicht sein wie wir es waren", fügte sie freundlicher, schmeichelnd, hinzu, doch Bethany hob nur eine Augenbraue.
"Glaub mir, Kind, du warst alles andere als pflegeleicht und hast mich alle Nerven gekostet. Und nun muss ich mir so etwas von dir anhören?" Mit einem mütterlich-tadelndem Blick bedachte sie ihre Tochter, die sofort einlenkte.
"Du weißt, wie ich das meine Mum, also dreh mir nicht die Worte um Mund um." Liz seufzte resigniert. "Jedenfalls, ich hab ihm den Laufpass gegeben, bei Mel übernachtet und jetzt bin ich hier..."
Mel war Lizzie's beste Freundin und hieß eigentlich Melanie. Sie waren schon seit Schulzeiten befreundet und letztendlich beide in London gelandet, was kaum verwunderlich war, denn 70% aller Schulabgänger zog es letztendlich in die Hauptstadt. Auch Kate hätte nichts gegen London einzuwenden gehabt, aber es war zu weit weg von Zuhause und von ihren Freunden, außerdem hatte die University of Nottingham einen viel besseren Ruf.
Zwischen den drei Winstonfrauen breitete sich wieder Stille aus. Bethany warf ihrer jüngsten Tochter einen vielsagenden Blick zu und nickte bestätigend. Kate erinnerte sich wieder an das Telefon am letzten Wochenende. Also hatte ihre Mutter richtig gelegen, als sie die Vermutung aufgestellt hatte, bei Liz und ihrem Freund wäre etwas im Busch.
Trotzdem konnte Kate es nicht fassen, dass Liz so auf einen Antrag reagierte. Jede andere Frau an ihrer Stelle würde sich freuen, wenn ein Rockmusiker, die ja bekanntlich nicht so leicht an sich zu binden waren, sie heiraten wollen würde, aber Liz begegnete dieser Angelegenheit mit absoluter Abscheu. Nichts fand sie schlimmer, als sich in die - wie sie sagte - konservativen Strukturen der Gesellschaft einzufügen. Alles, was sie machte, musste abgehoben sein von dem Rest der Welt, wenn auch nur ein bisschen.
Mrs Winston ließ unruhig ihren Blick durch die Küche schweifen, bevor sie wieder Liz in Augenschein nahm.
Kate stützte einen Ellenbogen auf dem Tisch ab. "Und was machst du jetzt?", wollte sie wissen.
Liz zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Erst mal hier bleiben."
Beth verschluckte sich fast an ihrem Kaffee und starrte ihre Zweitälteste entsetzt an, während die ungerührt einen Schluck aus ihrer Tasse nahm.
"Hier... bleiben...?", wiederholte Beth unbehaglich, in der Hoffnung, sich verhört zu haben. Doch Liz nickte nur.
"Und was ist mit deinem Job?"
"Hab mir heute morgen gleich zwei Wochen Urlaub genommen. Wenn ich demnächst wirklich kündigen werde, muss ich doch noch meinen Resturlaub verbrauchen." Liz grinste heimtückisch, sich ganz offensichtlich für äußerst gewitzt haltend.
Kate und Bethany blieb bei dieser Ansage der Mund offen stehen.
"Dein Freund macht dir einen Antrag und du verlässt ihn und deinen gutbezahlten, sicheren Job willst du auch aufgeben? Was hast du eigentlich für ein Problem?" Kate konnte es nicht fassen. Dabei fehlte es Liz an nichts - sie hatte einen Freund, eine hübsche Wohnung und einen Job - gehabt. Und das alles gab sie auf für... wofür? Dafür, wieder arbeitslos und allein zu sein und bei ihren Eltern zu wohnen?
"Ergibt das in deinem Kopf vielleicht einen Sinn, der uns Normalsterblichen verborgen bleibt?", redete sie ihrer älteren Schwester weiter ins Gewissen, die sich davon allerdings kein bisschen beeindruckt zeigte.
"Erspar mir die Moralpredigt, Kate, bitte."
"Aber sie hat recht", ereiferte sich nun auch Bethany, die zuvor stumm und bleich am Tisch gesessen und sich an ihre Tasse geklammert hatte. "Was machst du nur mit deinem Leben, Kind?"
"Muuuum", stöhnte Lizzie genervt. "Ich bin 23 und hab noch viel vor. Denkst du, ich will auf ewig bei diesem Klatschblättchen arbeiten? Nein, danke." Naserümpfend warf sie einen Blick aus dem Fenster, wo gerade ein silberner Rover in die Auffahrt biegen wollte, in der bereits Lizzie's Spider Fastback stand.
Mr. Winston's Wagen kam abrupt zum Stehen und sogleich ertönte ein ungeduldiges, kurzes Hupen. Liz seufzte erneut und erhob sich gemächlich.
"Ich geh mal den Weg freimachen", murmelte sie brummend, nicht gerade erfreut über die Störung und dass sie ihren Aufenthaltsort von der warmen, gemütlichen Küche in die kalte Winterluft wechseln musste.
"Und ich dachte, sobald sie erst mal aus dem Haus sind, kommen sie nicht mehr wieder", bemerkte Kate's Mutter trocken, lächelte dann aber resigniert. "Na was soll's, Platz genug ist ja da und ich koche sowieso immer viel zu viel."
Kate grinste. "Armer Danny", bedauerte sie ihren Bruder neckend. "Liz wird ihn auseinandernehmen, genauso wie seine Freundin. Das würde ich zu gern sehen... War sie überhaupt schon mal hier?"
"Wer?" Abwesend blies Beth über den Rand ihrer Kaffeetasse, obwohl das koffeinhaltige Getränk schon längst abgekühlt sein musste.
"Dan's Freundin."
"Oh ja, schon oft." Mrs Winston nickte noch, bevor sie aufstand, ihren Kopf in den Kühlschrank steckte und etwas hineinmurmelte, das verdächtig nach "Ich sollte mich mal ans Abendessen machen" klang.



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Ich liebe Liz. *lach* Und ich hab’ ne Ewigkeit gebraucht, um das passende Auto für sie zu finden, aber letztendlich bin ich doch zufrieden mit meiner Wahl (übrigens, Baujahr 1966 XD http://www.selfbase.com/car_interior_database/photos/cars/100/1153401101.jpg). *nick* Das Auto von Mrs und Mr. Winston ist ein Rover 600 (von 1996, http://www.autoteile-scheinwerfer.de/images/ROVER%20600%200493-98.jpg). Ganz normal also... Ich kenne mich ja gar nicht mit Autos aus, aber das war schon cool... es gibt wirklich hübsche Dinger da draußen. Man könnte auf den Geschmack kommen. ^^ (Achso... und danke an meine Helferlein out there XD)



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