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Kampf gegen das Schicksal

Wunden der Vergangenheit
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hey, was das Kapitel angeht, bin ich nicht sehr begeistert, ich hatte eigentlich viel mehr Ereignisse für das Kapitel geplant, habe aber auch gemerkt, dass es nicht passen würde und tatsächlich aufgesetzt wirken würde. Leider muss ich etwas enttäuschen, dass ich für das 50. Kapitel nun nichts Besonderes planen konnte... Danke für die Geduld. Komplett anzeigen

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Prolog

Die Zeit schwieg in seiner Gegenwart. So mächtig sie auch war, so bedeutungsvoll und allumfassend ihre Züge, ihr Ticken, ihr Geschick. Und doch unterlag einem jungen Auserwählten jene Macht, die Zeit sich selbst zum lohnenswerten Werkzeug zu machen, die Zeit zu betrügen, sich in letzter Instanz aber selbst damit zu verkaufen. Ein Seelenpfand zahlte er. Ein Stückchen Erinnerung. Ein Stückchen Herzenswärme, die doch nur spärlich in seiner Seele zu finden war.
 

Denn so gefährlich war die Macht der Zeit, dass man zu tun belieben könnte, was nur einem Verräter jener Macht zugrunde liegt. Gefangen in dem Strudel jenes mächtigen Gebildes des Wissens, der Wahrheit, am Rande der Existenz der Welt, gerade dort vergessen, gab es viele Möglichkeiten die Zeit zu manipulieren, zu besänftigen und zu stehlen...
 

Zeit der Vergangenheit, Zeit der Zukunft und jene der Gegenwart- für einen Augenblick zuhause in einer Welt, die doch nicht das wahre Zuhause sein konnte.
 

Auch er schwieg in der Gegenwart der Zeit, sich bewusst um die teure Seele in seinem Körper, sich bewusst der wichtigen Aufgabe, die sein einsames Herz vollbringen musste. Ein Auserwählter war er. Ein Kind des Schicksals und doch allein...
 

Und selbst das Schicksal wusste um die Schattenseiten eines so rechtschaffenen Herzens wie es seines war, ignorierte die Gefahr, vergas das kindliche, verletzte Herz in dem Körper eines elfjährigen Jungen, der durch den Betrug der Zeit nicht mehr Kind sein konnte, der nicht mehr verstand, was glücklich sein bedeutete.
 

Ein Leben verpfuscht für den Frieden in einer alten, mächtigen Welt. Der Wahrheit den Dolch ins Herz gerammt, nur damit sie schwieg. Und so schwieg er, da er nicht mehr fähig sein wollte Schwäche zu zeigen, nicht fähig sein wollte, zu empfinden, allein, vergessen.
 

Auf dem Pfad der Einsamkeit, sich nicht eingestehend, sich auf jenem Pfad zu befinden, leugnend, dass es Hoffnung gab, selbst für ihn und sein geschändetes Kindsein, verneinend, dass auch für ihn ein Zuhause existierte, dass auch auf ihn immer jemand warten würde...

Die glühende Abendsonne Hyrules tauchte das königliche, prachtvolle Schloss in ein warmes Rot, als eine schattenhafte Gestalt nach vielen Jahren einmal wieder den geheimen Schleichwegen folgte. Rosen strahlten ihn an den Wegesrändern an. Zarter Duft erfüllte die Luft, vernebelte die Sinne und schickte ihn auf eine Reise in die Vergangenheit.

Es war lange her... so lange, dass er nicht mehr wusste, ob es vielleicht nur ein Traum gewesen war. Sein Abenteuer. Sein Erwachen als der Held der Zeit. Seine Begegnung mit der liebreizenden Prinzessin des Hylianischen Landes. Und doch Vergessenheit. Nicht mehr real und vielleicht noch nie gewesen.

Die Gestalt konnte selbst nicht glauben, dass inzwischen soviel Zeit vergangen war, seit er das letzte Mal hier entlang lief. Ob sich viel verändert hatte?

Schmerz

Nostalgisch betrachtete er die Statuen derjenigen Götter, von denen er immer noch ein Abzeichen trug. Ein Abzeichen, welches er als Fluch ansah. Denn es brachte fremde Wahrnehmungen mit sich, zeugte von der Unmenschlichkeit seines Trägers und schuf beklemmende Abweisung denjenigen gegenüber, mit denen er reden wollte. Reden... ein einfacher Wunsch eines fünfzehnjährigen Jungen, der kein Zuhause hatte. Und gleichzeitig ein Wunsch, den ihm niemand erfüllen wollte. Denn wer kannte ihn? So viele könnten ihn kennen, wenn sie wollten, sahen aber nicht mehr als einen fremden Elfen, erblickten lediglich einen merkwürdigen Typen, aus dessen Augen der Wunsch nach Gesellschaft herausstach. Doch niemand konnte ihm geben, was er doch verwehrte... nicht einmal die Person, die er jetzt wiedersehen wollte, mit der er reden wollte... nur ein Wunsch, eine Bitte, nicht mehr.
 

Vier lange Jahre war es her. Auf der Suche nach einem treuen Freund, dann auf der Suche nach sich selbst und dem Sinn seines Lebens hatte er andere Länder erkundet, viel erlebt, einige Gefahren überwunden und nun... endlich wollte er einmal wieder Zelda besuchen. Nach all' den Jahren.

Aber er fühlte nichts von dem, was er damals empfunden hatte. Kein nervöses Gefühl mehr, Zeldas durchdringende wunderschöne Augen zu erblicken, keine Aufregung, keine Anspannung. Kälte herrschte nun in ihm, in seinen kühlen, ernsten Augen. Angst geliebt und bemitleidet zu werden, beherbergte seine erfrorene junge Seele.
 

Doch warum wagte er sich dann gerade hierher? Warum wollte er Zelda wiedersehen? Sie würde aus seinen Augen lesen, würde die Zweifel sehen, den Schmerz über seine Einsamkeit, denn etwas besaß er nicht, was für andere selbstverständlich war... eine Familie.

Warum riskierte er es, sie die Wahrheit über jenen lebendigen Schmerz sehen zulassen, der ihn mit der Zeit aufgefressen hatte, ihm den letzten Funken Wärme genommen hatte?
 

Monate in der Einsamkeit, in der Wildnis fremder Länder hatten aus ihm einen anderen Hylianer gemacht als vorher, wo er sich jenem Volk doch nur minder zugehörig fühlte. Jahre in der Leere langer toter Nächte hatten die Kälte in sein Herz getragen, ohne, dass er es wirklich gemerkt hatte. Und wenn er sie dann sah, die glücklichen Menschen mit ihren Familien, mit ihren lachenden Gesichtern, dann bestärkte das alles nur den inneren hinterhältigen Schmerz, den Hass auf sein Schicksal und das Gefühl, nie wieder lachen zu können.
 

Somit entwickelte er jene Kälte, die der wahre Held der Zeit doch zu bekämpfen wusste. Er wurde Opfer seiner eigenen Dämonen...
 

Die Sonne war nun fast am Horizont verschwunden. Die Gestalt trat in den vertrauten Schlossgarten ein. Doch hier war niemand. Er blickte sich um, betrachtete die weißen und roten Rosen in diesem Garten. Ob Zelda genauso aussehen würde wie in der Zukunft, die es doch nicht gab. In jener düsteren Zukunft, als das Land mit Blut bedeckt war...

Er hatte es verhindert- ja- er hatte alles abgewendet. Aber trotzdem... War das der Preis für die Rettung eines Landes- Einsamkeit. Leere. Selbstzweifel?
 

Es fehle ihm so sehr. Eine Umarmung. Eine warme Schulter... Sehnsucht. Hoffnung. Inneren Frieden. Das konnte ihm sein "Held sein" nicht geben. Er war kalt geworden und mit jedem weiteren Kampf verlor er einen Teil seiner Menschlichkeit... Und obwohl er sich Zuneigung wünschte, so verschmähte er sie, konnte das Gefühl nicht ertragen bemitleidet zu werden, und das Gefühl, einmal Begehrtes wieder zu verlieren...
 

Er setzte sich inmitten auf die saubere, dichtgewachsene Wiese und stützte das mit einer kleinen Narbe übersäte Kinn an seiner Hand ab. Einige Minuten vergingen. Lange Minuten der Stille. Das warme Fackellicht aus einem der langen Spitzbogenfenster fiel in den Garten, erhellte den Ort, wo einst Zelda auf ihn wartete. Mit einem ungewollten und doch nur halbherzigen Lächeln erinnerte sich der junge Held an den Tag, wo er aufgeregt hier umhergeschlichen war, wo er glaubte, ein Engel stünde vor ihm, als er der Prinzessin begegnete. Aber diese Zeit war Vergangenheit, keiner Erinnerung würdig...
 

Die in einem grauen Mantel gekleidete Person kramte in ihrer Tasche herum und holte ein altes Musikinstrument hervor- ein Instrument, welches ihm so oft geholfen hatte und das ihm sehr viel bedeutete.
 

Mit einem Funken Begeisterung und der leisen Hoffnung, hier könnte er finden, wonach sich sein junges Herz so sehnte, sprang er auf. Na dann eben anders, dachte er sich. Mit scharfen Augen wanderte sein Blick von den hohen Zinnen, zu dem mausgrauen Mauerwerk, zu den vielen grauen Fenster. Er entdeckte einen Balkon mit weißem Geländer. An den Efeuranken konnte er mit Leichtigkeit hinaufklettern, was er im selben Augenblick mit einem frechen Grinsen auf dem Gesicht tat. Oben angekommen holte er eine kleine Nadel hervor und öffnete sogleich das Schloss der gläsernen Balkontür. Er trat in das kleine Gemach ein. Es war ein Musikzimmer, mit vielen Instrumenten. Ein altes Cembalo, einige Violinen, eine große und eine kleine Harfe... Eine kleine Harfe? Das... das war doch Shieks Harfe. Spielte Zelda dieses Instrument gar nicht mehr?
 

Eine Spur entmutigt verließ er das Zimmer und lief einen langen Gang mit rotem Teppich entlang. Hatte Zelda ihr anderes Ich verdrängt, vergessen? Hatte sie vielleicht nur noch jenen Funken zum alternativen Pfad der Zeit, den man als Erinnerung an einen langen Traum vermutete? Kopfhängerisch und den unerfreulichen Gedanken verdrängend tapste Link voran...
 

An der Wand waren flammende Fackeln angebracht, brachten etwas Wärme in die dichte Dunkelheit der Gänge. Plötzlich hörte er Stimmen. Ach du Schreck. Sein Kopf wanderte von links nach rechts. Mist, er konnte sich nirgendwo verstecken. Mit einem verschmitzten Grinsen musterte er eine um eine Ecke biegende Wache... Ein großer, kräftiger Mann mit breiten Schultern stand vor ihm. Auffällig war der Orden der Farore, einem Symbol für bedeutenden Mut und respektable Tapferkeit in den Reihen der Ritter Hyrules, den er stolz an seiner rechten Brusthälfte trug. Scharf waren seine Augen mit einem durchdringendem, dunklem Braun, die dem einstigen Helden einen sehr intensiven Blick widmeten. Kurze, dunkle Haare rundeten das Erscheinungsbild eines mindest dreißig Jahre alten Mannes ab, der einige Narben in seinem Gesicht besaß, diese jedoch nicht verstecken brauchte. Vieles an ihm, vor allem die breiten Oberarme deuteten daraufhin, dass jener Ritter neben einer hohen Stellung unter den Söldnern, Rittern und sonstigen Kämpfern viele Schlachten geschlagen haben musste.

Der Typ blickte ihn zuerst erschrocken an, zugleich wandelte sich aber sein Blick. Dann war es eine angenehme Überraschung, die aus seinem Gesicht herausstach und ein Grinsen formte sich an seinem Mund mit dem Dreitagebart.

"Wer bist du, Junge?"

Link blickte angestrengt zu Boden... seit langem konnte er einem Menschen nicht mehr direkt in die Augen sehen. Ein freudloses "Niemand.", entkam seiner Kehle. Geschwind drehte sich Link um, hastete den Gang entlang und ignorierte das neugierige: "Warte!", einer tiefen Stimme jenes Ritters in Schloss Hyrule, rannte weiter und ärgerte sich, dass ihn jemand gesehen hatte...
 

Dann hörte der junge Kerl wieder Stimmen. Zuerst eine sehr tiefe männliche, kratzige und dann eine weitere etwas hellere. Schnell lief er eine Wendeltreppe ins Erdgeschoss hinunter und war sich sicher, dass es mehrere Stimmen waren, die hier umherschallten.

Sorgsam blickte er mit seinen kühlen blauen Augen umher, spitzte seine Ohren und ortete jene Stimmen.

Jene Töne kamen aus einem großen Saal mit einer langen Tafel, und nur eines der hohen, verzierten Eichentore vor dem Saal stand halb offen, sodass diese Stimmen in den alten Gängen des märchenhaften Schlosses umherschallten...

Geschwind trat Link unbemerkt in den Raum und versteckte sich in einer unbeleuchteten Ecke.
 

Neugierig lugte er hinter einer Ecke hervor und sah einige vertraute Gestalten wie den König Harkenia an einer langen Tafel sitzen... und... da war sie...

Sie trug ein samtenes dunkelblaues Kleid, welches ihre Augen betonte. Ihr kupfernes Haar hatte sie elegant zu einer umwerfenden Frisur hochgesteckt. Link sah sie einfach nur an und schwelgte in schönen Erinnerungen an die Zeit mit ihr. Sie hatte sich unheimlich verändert und war... einfach wunderschön.

Link sah zu Boden, schüttelte mit dem Kopf und wollte sich schon umdrehen um zu verschwinden. Er kam sich erbärmlich vor- wie ein Gespenst, welches sich hinter einem Vorhang versteckte- obwohl er das nicht nötig hatte. Dann fiel ihm eine weitere Person auf, die neben Zelda saß. Ein junger Kerl mit dunkelblonden Haaren. Plötzlich legte der Typ Zelda den Arm um die Schulter.

Link musste zweimal hinsehen, fühlte das Nagen der Realität an dem Wunsch nach einem Hauch Wärme und Zuneigung. Zelda hatte allem Anschein nach einen neuen Helden an ihrer Seite? Was sollte sie auch auf Link warten? Was sollte sie auf jemanden warten, der nichts besaß...
 

"Mein Sohn, habt ihr viel erlebt?"

"Allerdings, viel zu viel, erschreckende Abenteuer. Aber lasst uns ein anderes Mal darüber reden. Die Dinge waren nicht immer leicht."

Das konnte Link nur zu gut verstehen. Er selbst wollte nicht über das Geschehene reden- über die Gefahren, die Angst und die Einsamkeit... Er verbannte die Worte an irgendwelche Orte in seinem Herzen, die niemand mehr finden würde, in stille Kämmerchen, die schon lange gestorben waren.
 

"Ja... und nun bin ich einfach froh, wieder zu Hause zu sein, mein König."

Der junge Kerl, der in etwa Links Alter hatte, sah dann wieder Zelda zu seiner rechten an.

"Zelda, du hast dich wirklich wahnsinnig verändert."

"Nun, hör' schon auf, Valiant. Im Gegensatz zu dir, ist meine Veränderung verschwindend geringe Achtung wert. Du bist derjenige, dessen Antlitz sich gewandelt hat. Ich erinnere mich noch genau an die Zeit, als du dass letzte Mal vor mir standest- ein kleiner, unschuldiger Junge... und ich muss zugeben, dass ich dich damals mehr geärgert habe, als du mich." Link sah traurig zu Boden. Gerade diese Erinnerung hatte er sich gewünscht, von sich selbst und ihr hören zu können, zu verstehen, dass diese Bilder nicht nur ein Traum waren, sondern irgendwann einmal Realität. Aber es hatte nichts zu bedeuten, nicht mehr, niemals mehr...
 

Der Typ, mit Namen Valiant begann zu lachen, ebenso wie Zelda und Harkenia. Lachen, etwas schönes, wenn man weiß, wie es funktioniert. Lachen und Lächeln, etwas fremdes für den einstigen Helden der Zeit. Lachen und Freude...

Link hatte mehr und mehr das Gefühl, er wäre hier nicht erwünscht, genauso wie an anderen Orten nicht mehr. Nicht in Kokiri, denn er war keiner mehr von ihnen und zu alt. Nicht in Termina, denn er war Hylianer, obwohl er sich nicht danach fühlte. Nicht einmal dort, wo niemand war, da er einst mit der Zeit getanzt hatte.

Er seufzte leicht mit der Gewissheit... dass Zelda ihn vergessen hatte. Vergessen, wie jeder andere, der ihn vergessen hatte. Eine Heldentat schien nichts wert zu sein, selbst wenn sie mehr war als das und doch in einer Zukunft lag, die es nun nicht mehr gibt.
 

Link war dabei sich fortzubegeben, als Zelda plötzlich aufstand und mit kurzen eleganten Schritten in seine Richtung lief. Sie blieb plötzlich stehen, hatte einen ebenso traurigen Ausdruck auf dem Gesicht, hatte Angst und doch Hoffnung in ihren saphirblauen Augen. Eine Träne rollte ihre Wange hinab, die niemand bemerkte. Denn die wunderschöne und weise Prinzessin des hylianischen Landes hatte ihrem Vater und auch Valiant den Rücken zugewandt, blickte angestrengt in die Dunkelheit, wo sich ein wertvoller Freund verbarg.
 

"Entschuldigt' mich. Mir ist, als ob... Verzeiht'. Ich bin in meinen Gemächern.", murmelte sie und hetzte ohne auf die besorgten Worte ihres Vater zuhören aus dem Saal hinaus. Hastig nahm sie ihr langes Rockteil in die Hände, rannte mit einem Klappern ihrer teuren Schuhe durch die Gänge.
 

Sogleich beeilte sich der junge Held und versteckte sich hinter einer alten Rüstung, die im dunklen Flur stand. Zelda ging mit schnellen Schrittes den Korridor zum Ostflügel des Schlosses entlang und folgte dann den Stufen einer Wendeltreppe ins zweite Stockwerk. Link schlich hinter ihr her... er konnte einfach nicht anders, obwohl es doch dumm war, was er hier tat, obwohl er sich sicher war, sie hätte ihn vergessen...

Als Zelda schließlich vor ihren Zimmern stehen blieb und die Tür öffnete, schaffte es Link geradeso einzutreten, bevor sie zu fiel- glücklicherweise, ohne dass Zelda es bemerkt hatte.
 

Zelda setzte sich an ihr dunkelbraunes Pult mit dem großen Spiegel, der darauf stand. Sie nahm eine goldene Bürste zur Hand, während sie mit der anderen Hand ihre Spangen löste. Ihr seidenes, langes Haar fiel sanft über ihren Rücken.

Link stand wie angewurzelt und verzaubert hinter einem roten Vorhang und beobachtete sie einfach nur. Zelda begann zu summen- ein schönes Lied, ein bekanntes Lied. Es tat unheimlich gut ihre Stimme zu hören und ihm wurde warm ums Herz, dachte für einen Moment, ihre Stimme könnte das Eis zum Schmelzen bringen, welches sich in seiner Seele und seinem Herzen breit gemacht hatte. Aber niemand konnte das mehr, niemand teilte das, was er wusste, fühlte und hasste.
 

Er wollte schon etwas sagen... aber dann, packten ihn Zweifel und er dachte, er sollte nicht hier sein. Langsam drehte er sich um und wollte schnell wie der Blitz hinter dem Zugang verschwinden. Es hatte keinen Sinn hier zu sein, keinen Wert um Liebe und Verständnis zu bitten, wo man doch den Weg des Schicksals nicht wählen konnte. Er kniff seine Augen zusammen, drehte sich um und war schon halb aus der goldenverzierten Tür verschwunden.
 

In dem Moment stoppte Zelda ihr Lied und sanfte Worte kamen über ihre Lippen.

"Ich weiß, dass du da bist...", sagte sie mit gefühlvoller, ruhiger Stimme. Link bewegte sich nicht und tat so, als wäre er nicht hier.

"Link..." Zeldas Stimme erklang angenehm in seinen Ohren und ihm wurde bewusst, dass er diese Stimme vermisst hatte- nein, er hatte nicht nur ihre Stimme vermisst. Trotzdem blieb Link wie gelähmt halb hinter dem Vorhang stehen.

"Versteckst du dich vor mir... oder vor dir selbst..." Dann trat er langsam hinter seinem Versteck hervor, ohne sie anzusehen. Er konnte ihrem Blick einfach nicht begegnen- ja er hatte sie vermisst, aber er wollte es nicht zugeben. Er konnte es nicht zugeben. Er war der Held der Zeit, es war dumm von ihm, Schwäche zu zeigen und noch dümmer, um ein wenig Zuneigung zu bitten. Stumm, mit einem verletzten Ausdruck auf dem jugendlichen Gesicht. Niemand würde verstehen, auch Zelda nicht.
 

Die Prinzessin jedoch sah ihn ganz genau an und lächelte leicht. Genauso hatte sie ihn in Erinnerung behalten. Dunkle, tiefblaue Augen leuchteten aus seinem Gesicht hervor. Soviel Traurigkeit lag in diesen Augen und selbst nach all' den Jahren war dieses Gefühl nicht daraus entwichen. Blonde Haarsträhnen hingen verstreut in seinem Gesicht. Aber irgendetwas an Link fehlte- ja... er trug seine grüne Mütze nicht mehr. Seine Haare waren zu einem kleinen Pferdeschwanz zusammengebunden. Auch hatte er keine grüne Tunica mehr an, sondern ein braunes Outfit. Eine nussbraune Tunika mit vielen Flicken, an der Hüfte mit einem ledernen Gürtel gehalten. Aber ein Schwert trug er immer noch auf dem Rücken.

"Hallo, Zelda.", meinte Link trocken und sah sie weder an, noch zeigte er irgendwelche Emotionen. Denn wenn die Kälte jemanden auffrisst, gibt es keinen einfachen Weg zurück zu einem wahren Lächeln.
 

Sie lief in langsamen Schritten auf ihn zu, aber er wich ihr aus und stand dann mit dem Rücken zu ihr.

"Ich wollte nur..." Seine Stimme verriet Einsamkeit und Unnahbarkeit. "... ich wollte nur diese Okarina zurückbringen. Ich denke, ich brauche sie nicht mehr." Link lief mit schweren Schritten auf den runden Tisch in der Mitte des Raumes zu und legte das Instrument darauf ab. Ein kurzes Klacken, als der Ton des Instrumentes auf die kalte Holzplatte traf.

"Behalte sie... sie war ein Geschenk.", meinte Zelda leise. Sie erkannte Link nicht wieder. Was war nur mit ihm geschehen? Er war so abweisend, so kalt, so betrübt. Und in seinen Augen lag kein Funken Wärme mehr. Etwas stimmte nicht mehr in seiner Seele, dem einstigen Gleichgewicht, das wusste sie schon lange, fühlte sie über die Verbindung zu jenem Helden, die sie immer schon, von ihrer Geburt an, hatte.

Nächtelang hatte sie wach gelegen, die erdrückende Einsamkeit in seinem verlassenen Herzen gespürt. Die tückische Macht des sagenumwobenen Triforcefragmentes in ihrem Besitz und der Verbindung zu seinem hatte ihr immer wieder quälende Visionen von ihm gesendet. Sie fühlte seine Schmerzen, sein Leid und die Zweifel in seinem Herzen. Und wann immer eine Träne floss, so floss diese auf seiner und ihrer Wange.
 

"Nein, das kann ich nicht annehmen", sagte er schweren Herzens, damit ringend, die Okarina als etwas, was ihn einst fröhlich stimmte mitzunehmen, seiner einzigen Erinnerung, die noch einen Sinn machte. Sie war so etwas wie ein Freund für ihn geworden. Aber er wollte dieses Instrument deshalb nicht mehr annehmen, da es doch nicht lebendig war...
 

Die Prinzessin lief wieder auf ihn zu und stand jetzt direkt hinter ihm. Sie streckte eine warme Hand nach ihm aus, wünschte sich lediglich, ihm Mitgefühl und etwas Gesellschaft schenken zu können. Doch Link war nicht dazu fähig, weder zu Gesellschaft, noch zu irgendeiner Form der Nähe.

Hektisch stürmte er zur gläsernen Balkontür und versuchte sie zu öffnen. Jedoch war sie verschlossen. Dann rüttelte er daran. Zelda konnte nicht verstehen, was mit ihm los war. Sicherlich, eigentlich ging es sie nichts an, aber sie hatten immer noch eine gemeinsame Vergangenheit, selbst nach all' den Jahren. Er hatte sich so verändert- innerlich. Irgendetwas belastete ihn, das fühlte sie. War es die Last der alternativen Zukunft? Die Last seines Schicksals... wie dumm, dass Link selbst nicht einmal mehr wusste, was sein Schicksal war.
 

Zelda erinnerte sich an die Zeit, als sie zusammen, als Kinder im Schlossgarten saßen. Damals war er es, der sie erheiterte. Er hatte ihr soviel Mut gemacht und Hoffnung geschenkt, als Ganondorf das Königreich bedrohte. So viele Dinge, die sie ihm schuldete. Und nun...

Zelda schloss ihre Augen und legte langsam ihre rechte Hand auf ihr Herz. Das Triforcefragment der Weisheit in ihren Händen strahlte soviel Wärme aus, so ein angenehmes Gefühl, wie schon lange nicht mehr.

"Es... es ist schön, dass du wieder in Hyrule bist.", sagte Zelda sanft. Aber Link reagierte nicht darauf, stattdessen ging er in Richtung Zimmertür und legte eine Hand auf dessen goldenen Griff.

"Ich denke, ich werde nicht lange hier bleiben... ich-" Aber er konnte seinen Satz nicht beenden, denn Zelda unterbrach ihn. "Warum willst du schon wieder weg? Ich hatte gehofft, du würdest bleiben. Ich dachte, du... Link, Hyrule ist doch schließlich dein Zuhause."
 

Er drehte sich um und das erste Mal seit langer Zeit, sah er in ihre warmen Augen. Scharf und kalt blitzte das Blau in seinen ernsten Augen auf, sendete eine leichte Schockwelle aus, worauf Zelda wenige Zentimeter zurücktaumelte.

"Hyrule ist nicht mein Zuhause... Hyrule hat immer nur einen Helden gebraucht, Zelda. Aber mir konnte dieses Land niemals etwas geben. Niemals... Ich gehöre nicht an diesen Ort. Vielleicht sollte ich gar nicht hier sein. Es war ein Fehler zurückzukehren. Besser, ich gehe jetzt wieder. Verzeiht' die späte Störung, Prinzessin..."

Zelda starrte ihn erschrocken an. Nein, das war nicht Link. Wo war seine Herzenswärme, sein Mitgefühl geblieben? Er wirkte verbittert, als ob es nichts in seinem Leben gäbe, das ihn auch nur in irgendeiner Weise Freude bereiten könnte. Die Prinzessin drehte sich um und wich seinem Blick aus.

"Ich bin hier fehl am Platz, Zelda... Hyrule braucht mich nicht mehr. Das war einmal und nun gibt es andere Menschen, die das Schicksal dieses Landes bestimmen. Du bist einer von ihnen. Aber ich..." Link öffnete die Tür. "Ich habe hier keinen Platz, kein Zuhause, keine Familie. Ich kann nicht dorthin zurückkehren, wo ich einst lebte. Ich bin weder Kokiri, noch ein wirklicher Hylianer. Leb' wohl Zelda."
 

Link verschwand und konnte nicht mehr Zeldas leises Schluchzen hören oder ihre Tränen sehen. Die Prinzessin rannte ebenso aus der Tür heraus und folgte dem Gang, bis sie in einem dunklen Korridor zusammenbrach und ihr Gesicht in ihren Händen vergrub. So viele Gefühle rüttelten seine Worte wach... Scherzhaft kamen erneut die Bilder seines Leides, seiner leeren Empfindungen, seiner Einsamkeit. Bilder, so grausam, rüttelten an ihr, raubten Unschuld und Hoffnung.
 

Nach einigen Minuten spürte sie warme Hände auf ihren Schultern. Valiant sah sie an, zog sie auf die Beine und schob sie in Richtung seines Gemaches. Zelda reagierte zuerst nicht und ließ sich führen, spürte nur das Nagen von Links Gedanken in ihrem Kopf...

In Valiants Zimmer brannten noch einige rote Kerzen. Die Prinzessin ließ sich auf eine rote, bequeme Couch sinken.

Valiant kniete vor ihr nieder und blickte sie mit großen Augen an.

"Was ist los, Cousinchen?", meinte er fürsorglich. Zelda schaute zur Seite und beobachtete das Wachs, welches langsam an den Seiten einer Kerze entlang lief.

"Er war hier."

"Wer?" Valiant sah sie nun mit noch größeren Augen an.

"Link...", sagte Zelda mit kläglicher Stimme.

"Du meinst, der Held der Zeit?" Zelda nickte nur, während eine einsame Träne an ihrer Wange entlang lief.

"Zelda?" Fragend sah er sie an, verstand nicht die Träne auf ihrer Wange oder die Traurigkeit in ihren sonst so mit Hoffnung und Freude erfüllten Augen und bohrte geduldig nach. "Euer Wiedersehen gestaltete sich wohl nicht so, wie du es dir erträumt hattest, hm?"

"Er... er hat vor, wieder fortzugehen." Valiant runzelte die Stirn.

"Das hätte dir wohl klar sein müssen." Zeldas blaue Augen begegneten seinen Augen, die die helle graue Farbe von Zeldas Mutter hatte.

"Ja... vielleicht hätte ich es wissen müssen. Aber die Art, wie er es gesagt hat, ist eigentlich der Grund, weshalb..."

"... weshalb du so traurig bist?" Zelda nickte wieder.

"Valiant... du weißt fast nichts über die Dinge, die damals geschehen sind. Und möglicherweise interessiert es dich auch nicht. Aber... du weißt, dass Link mir sehr viel bedeutet. In den sieben Jahren einer Zukunft, die dank ihm niemals geschehen wird, habe ich mich an den winzigen Strohhalm geklammert, ich würde ihm wieder begegnen. Ich habe an ihn geglaubt, ihm vertraut, er würde Hyrule retten. Und er hat es geschafft... Bis heute hat Link nichts als Lohn verlangt, nichts... überhaupt nichts. Ich fragte mich, was es wohl ist, das jemandem wie ihm wirklich Freude bereiten würde und seit vorhin weiß ich es."

"Ja? Was ist es denn? Was begehrt der Held der Zeit?", fragte Valiant, der seine kleine Cousine selten so verzweifelt gesehen hatte.

"Er wünscht sich so etwas einfaches, etwas so simples, das vermutlich jeder von uns hat und für selbstverständlich hält..."

"Du sprichst in Rätseln, Zelda. Was ist es?"

"Etwas, was ihm keine Macht dieser Welt geben kann... eine Familie, ein Zuhause." Dann rollten wieder zarte Tränen an Zeldas Wangen herab und Valiant umarmte seine Cousine. "Link bedeutet dir mehr, als wir alle angenommen haben. Oder? Und selbst nach all' der Zeit empfindest du soviel Mitgefühl und Verständnis für ihn. Wie kommt das, Zelda?"

"Ich weiß nicht, aber vielleicht sind wir über das Triforce so stark miteinander verbunden."

Valiant sah sie dann wieder an und setzte einen noch nachdenklicheren Blick auf.

"Aber du bist auch mit Ganondorf über das Triforce verbunden. Du fühlst jedoch nichts, was ihn betrifft, oder?" Zelda sah erschrocken auf, ihr Cousin hatte vollkommen Recht.

"Es ist mehr als deine einfache Verbindung zu ihm..."

Zelda stand auf und blickte aus dem Fenster. Gewitterwolken zogen auf und sehr bald würde der Sturm beginnen. Zelda war unwohl dabei, daran zu denken, dass Link jetzt einmal wieder in seiner Einsamkeit irgendwo unter einem Baum schlief...
 

"Link..." Sein Name entkam ihren Lippen. "Du hast sehr wohl einen Platz in Hyrule und Hyrule wird dich immer brauchen." Dann dachte sie still: ,Und wenn du daran zweifelst, solltest du wissen, dass es nicht nur Hyrule ist, welches dich braucht... ich brauche dich ebenso. Und du hast einen Platz hier... bei mir.'
 

Einige Minuten vergingen. Zelda sagte Gute Nacht zu Valiant und bedankte sich bei ihm, denn durch seine Hilfe waren auch ihr einige Dinge klar geworden.

Sie hatte über die Zeit eine tiefe, freundschaftliche Verbindung zu Link aufgebaut, die so stark war, dass sie fühlen konnte, wie einsam er war. Eine Verbindung, die sogar die Ketten der Zeit gesprengt hat, denn nach all der Zeit waren die Gefühle für ihn geblieben.

Zelda ging wieder auf ihr Zimmer, legte sich in ihr samtrotes Himmelbett und versuchte zu schlafen. Aber immer wieder kamen ihr Links Worte in den Sinn, sie hörte seine Stimme in ihren Gedanken, seine wohltuende Stimme... vernahm seine Worte, die sich anfühlten wie ein Dolch in ihrem Herzen. Sie fühlte erbarmungslose Kälte, schüttelte sich in ihrem Federbett, wusste, dass diese Wahrnehmung von ihrem Seelenverwandten herrührte, der gerade in bitterer Kälte die Nacht herumbrachte. Sie fühlte Nässe, hörte das Schlagen von Regen gegen ihre Fensterscheibe und dann das Trommeln des Regens auf das klatschnasse Steppengras. Mehr und mehr fühlte sie die Nässe des Regens auch um ihren Körper, fieberte mit der Empfindung purer Kälte, sorgte sich um Link, so wie sie es die letzten Jahre immer getan hatte. Doch warum konnte er ihre Sorge nicht fühlen, wo er doch eine Verbindung zu Zelda hatte? Warum wollte er ihre Zuneigung nicht fühlen?
 

Erneut kamen die Tränen und Zelda tat diese Nacht kein Auge zu...
 

Link saß inzwischen tatsächlich unter einem Baum inmitten der hylianischen Steppe. Der Himmel entlud sich, schickte Donner und Sturm, schickte Kälte hier in dem anbrechendem Herbst Hyrules. Zusammengehockt saß Link an dem Baum gelehnt, ignorierte die Kälte, den eisigen Wind und den klatschnassen Erdboden. Es war egal für ihn geworden. Denn dank des Triforcefragmentes, geliebt werden sollten seine göttlichen Kräfte, lag ein Schultzschild gegen jegliche Form der Krankheit um seinen Körper. Und wenn er verletzt werden sollte, so bescherte das Fragment ihm eine schnellere Genesung. Er hatte nichts zu fürchten... nur die Einsamkeit. Das war sein Fluch...
 

Er dachte an Zelda... Warum nur war er ins Schloss aufgebrochen? Erneut das Wachrütteln alter, unerwünschter und vergänglicher Gefühle, eine erneute Enttäuschung. Und doch, nach all der Zeit... sie hatte ihn nicht vergessen...

Du Dummkopf, sagte er zu sich selbst. Du hättest sie nicht so anfahren sollen. Aber... vermutlich war es das beste, wenn er ihr nicht mehr über den Weg lief. Es würde ihn nur an eine Vergangenheit und eine Zukunft erinnern, die in Links Augen genau dort hin gehörten, wo sie waren... in die Schatten einer Nichtexistenz. Es war vorbei. Lange her und das war gut so...

Morgen würde er noch einmal in die Stadt vor dem Schloss gehen, einen Blick in die Zitadelle der Zeit werfen und schließlich dieses Land für immer verlassen. Er würde sich ein Boot kaufen und über das Meer segeln, denn dort war das Meer vielleicht noch einsamer als sein junges Herz.
 

Mit einem Schlag riss ihn etwas aus seinen Gedanken. Die Klänge einer alten Eule schallten durch seine spitzen Ohren. War das etwa...?

"Huhu... wen haben wir denn da? Link, Held der Zeit, bist du es?"

Und Links Vermutung bestätigte sich, es war Kaepora Gaebora, die alte, weise Eule, die damals schon über ihn wachte.

"Was willst du von mir?", sagte Link schroff. Er hatte keine Lust mit diesem seltsamen Kuckuck zu reden.

"Nana... so unfreundlich? Wie kommt es, dass ausgerechnet ein Kind des Schicksals wie du es bist, sich einbildet, nicht mehr gebraucht zu werden?"

"Das geht dich gar nichts an. Und jetzt verschwinde!", rief Link wütend in die Krone des Baumes. "Ich bin dir und deinem jämmerlichen Gesicht keine Rechenschaft schuldig. Hau' ab, verdammt." Link schlug mit der Faust an den Baum, worauf die Eule zum Flug ansetzte. Sie schwebte in der Luft und sagte unheimlich ruhig. "Link. Du hast keinen Grund, wütend zu sein. Es gibt noch soviel Großes, was du vollbringen könntest. Seit wann beklagt sich der Held der Zeit über sein Schicksal, seit wann bist du so mutlos? Es scheint, als wärst du des Triforcefragmentes in deinen Händen nicht mehr würdig. Sag' wann leuchtete es das letzte Mal?" Und Link hielt inne... es hatte lange nicht mehr geleuchtet. Schon lange wusste er nicht mehr, dass er überhaupt ein Fragment trug, er fühlte es nicht mehr, weder seine Macht, noch eine fremde Wahrnehmung hinsichtlich jenem großartigen Segen... Es verblasste, wie die Erinnerung an die Zukunft

"Wo ist dein Mut geblieben. Hast du dein Schicksal vergessen... deine Bestimmung?"

Link schwieg. Die Eule wusste es... und er selbst hatte es ignoriert. Der Mut war aus seinem Herzen verschwunden.

"Link, geh' in die Zitadelle der Zeit. Dort sollst du die Antworten erhalten, nach denen du verlangst. Es wird Zeit, dass du aufwachst. Der alte Dekubaum hätte nicht gewollt, dass es so mit dir zu Ende geht." Kaepora klang überraschend ruhig und Link sah auf den Boden. Selbst die Erinnerung an den Dekubaum schien ihm kein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern.

Er war einfach verzweifelt und verunsichert...

"Ja, ich gehe dorthin, wie du meinst.", sprach Link fast unwirklich, als ob er ein Gespenst wäre. Und er fühlte sich so wie ein Geist einer anderen Zeit, ein Überbleibsel, welches vergessen wurde, denn wer wusste schon, dass die Legende, welche bereits an die Ohren des Volkes gedrungen, einmal Realität gewesen war. Wer wusste, dass der Held der Zeit wirklich existierte? Leere beseelte die menschliche Gestalt jenes Helden, der sich älter fühlte als es sein sechzehnjähriger Körper war.

"Und jetzt, lass mich bitte in Ruhe.", murrte er und drehte sich verärgert um. Die Eule schwang ihre Flügel und flog in Richtung Kakariko...

Link aber ließ sich auf dem Boden sinken und schlug wie ein Irrer mit seinen Fäusten auf dem kalten Erdboden ein, verfluchte sich selbst, sein Schicksal und fühlte sich so erbärmlich wie noch nie in seinem Leben...
 

Link trat auf die erste steinerne Stufe des alten Bauwerkes der riesigen Zitadelle und sah in Richtung der großen, dunklen Eichentür, mit ihren sagenhaften Verzierungen, Götterabbildungen und alten Türgriffen. Es war immer noch Nacht und der Sturm fegte über das Land. Auf der Treppe lagen herabgefallene bunte Blätter.

Link seufzte und öffnete das schwere Tor, sich selbst fragend, was er hier überhaupt sollte.

Welchen Sinn hatte es in eine Welt zurückkehren zu wollen, die man nicht kennen durfte? Niemanden interessierte das Trauma, welches jener junger Held durchlebt hatte. Nie hatte jemand danach gefragt, nicht die, die um seine Last wussten, nicht die Weisen Hyrules und auch nicht Zelda. Nie hatte jemand gefragt, wie es ihm dabei ging, nie war nur ein Wort bezüglich der Angst im Angesicht des Todes über jene Lippen gelangt, denen Link stets aufmerksam zugehört hatte. Aber Vorwürfe machten sie ihm, da er seine Bestimmung nicht mehr akzeptierte. Schuld an seinen Zustand war nur er, nicht das Böse, nicht die Menschen, die er gerettet hatte. Genau das wurde ihm eingeredet und nun schien sich dieses verlogene Wissen, welches so zerstörerisch in seinem Kopf eingebrannt wurde, gegen ihn verschworen zu haben.
 

Es war Schicksal, dass er kämpfte.

Schicksal, einsam zu sein.

Nur Schicksal...
 

Link lief auf dem kalten Mauergestein entlang. Ja, das weckte Erinnerungen. Blutige Erinnerungen an Schuld und Dummheit, Naivität und Kindsein, dass man ihm genommen hatte, auch wenn er sieben Jahre in der Zeit zurückgeschickt wurde. Bilder aus tausend Alpträumen, Bilder des Todes...
 

Link konnte außerhalb den Wind peitschen hören, so still war es hier drin. Einzelne Fackeln brannten an den Wänden und doch konnte Link die unsichtbare Wärme dieser nicht mehr fühlen. Links Blick verlor sich an dem stolzen Deckengemälde, wo die Götter bei der Erschaffung Hyrules abgebildet waren. Dann tapste er in Richtung Altar. Stiefelgeklapper zerstörte die Ruhe.

Die drei heiligen Steine standen immer noch dort, aber sie waren erstarrt, ihr Licht verblasst, lediglich ein silbriger Schein ging von ihnen aus, ein Schutzmechanismus, dass niemand diese auch nur berühren konnte.
 

Das allmächtige Tor zur Zeit war versperrt, schon lange, selbst für ihn, denn seine Zeit in der Zukunft war um, vergänglich...

Melancholie lag in seinem Blick, Selbstzweifel und die Unruhe vor einem möglichen Sturm, dort, wo nur noch der Tod regierte.

Der einstige Held der Zeit trat näher, wanderte mit seinen Augen die steinerne Wand vor ihm ab, begegnete Visionen über die Vergangenheit und legte seine rauen Hände auf das kalte Gestein, horchte den Geräuschen hinter der magischen Wand zu, lauschte vergessenen Klängen von Damals.
 

Plötzlich wurde jene Mauer erneut lebendig, das Tor zur Zeit schien sich wieder zuöffnen. Langsam wurden die Wände von magischen Händen zurückgeschoben, gewährten Eintritt jenen, die auserwählt waren erneut dort zuwandeln. Der Zugang zu Hyrules mächtigem Relikt lag erneut offen. Feine Staubkörner tanzten im Reigen der ungehörten Töne, hier wo das Masterschwert ruhte, wie an vielen Orten zuvor.
 

Der Held der Zeit schritt dann auf jene Waffe zu, mit der er einst das Böse besiegte. Die Fackeln an den Wänden warfen undeutliche Schatten und tauchten die Katakomben in rote Farben. Link bewegte sich lethargisch auf die Waffe zu und erschrak im selben Augenblick. Das Masterschwert war vollkommen verrostet. Was war nur passiert? Link umgriff das Heft des Schwertes und wollte es aus seinem Stein herausziehen, aber es bewegte sich keinen Zentimeter.
 

Dann vernahm er eine Stimme: "Gib' dir keine Mühe. Es hat seine Macht verloren, weil sein einzigster Träger nicht mehr würdig ist, es zu tragen oder weil er keine Existenz mehr besitzt..." Aus dem Schatten des Raumes kam eine vermummte Gestalt auf ihn zu und nahm sogleich eine graue Kapuze ab, die zu einem Mantel gehörte.

"Es überrascht mich, dass du noch hier bist...", sagte die Person leise, scheute den Blick des Kämpfers.

"Es überrascht mich ebenso.", meinte Link leise. "Aber morgen werde ich niemanden mehr mit meiner Anwesenheit belasten...", ergänzte er ironisch.

Erschrocken starrte jene Gestalt ihn an. "Link?", sagte sie leise. Sie schüttelte mit dem Kopf und kämpfte mit den Tränen, die seine Worte in ihr hervorriefen.

Er jedoch blieb kalt, starrte zu Boden, als würde er dem Staub bei seinem Spiel zusehen wollen.

"Willst du wieder weglaufen? Kümmert es dich nicht, dass dein Schwert dich nicht mehr als dessen Träger anerkennt?" Ihre Stimme klang verzweifelt und wurde immer lauter.

"Link... bitte. Du kannst nicht ignorieren, was hier vor sich geht. Du..."

Link sah auf und Wut kochte nun in seinem Inneren. Das Blau seiner Augen schnitt durch die Luft wie scharfer Stahl durch einen verletzlichen Körper: "Ja. Es macht mir Spaß alles zu ignorieren, alles zu vergessen, dieses verfluchte Land zu vergessen. Ich habe Freude daran!" Link brüllte nun fast und seine Stimme schallte durch die Katakomben. "Juhu. Hoch lebe Hyrule."
 

Erbost ging die Gestalt auf ihn zu und gab Link ohne Vorwarnung eine saftige Ohrfeige. Er taumelte zur Seite, sah geschockt in ihr Antlitz und sah Tränen die zartrosa Wangen entlang laufen. Er rieb sich mit einer Hand seine Wange und flüsterte leise ihren Namen. "Zelda..."

"Ich kann nicht glauben, dass du dergleichen sagst. Ich kann nicht glauben, dass du es bist, Link. Seit wann interessiert es dich nicht mehr, was in Hyrule vor sich geht. Liegt es dir nicht mehr am Herzen? Wieso bist du so kalt und grausam zu mir?" Zelda sah ihn traurig an. Er antwortete nicht, sondern drehte sich wieder um.

"Hast du mir damals nur geholfen, weil ich die Prinzessin von Hyrule bin? Ich Dummkopf hatte geglaubt, du tätest es... aus..." Zelda hielt die ganze Situation nicht mehr aus und lief in schnellen Schritten in Richtung Ausgang. Link hinderte sie nicht daran. Warum sollte er jemanden daran hindern zu gehen, wenn er doch wusste, dass dieser jemand niemals sehen würde, was wirklich in ihm vorging...

Er sehnte sich nach Liebe, nach Zuneigung, aber wie sollte er dies bekommen, wenn er nicht in der Lage war, nur ansatzweise Zuneigung zu zeigen...
 

Schwindend sah er Zelda mit ihrem dunklen Mantel davon eilen, sah wie langsam ihre Schritte wurden, sah sie weglaufen wie in einer heimtückischen Vision von der alternativen Zukunft. Er konnte sie sehen, sah sie weinen, selbst als ein blauer Kristall ihn umhüllte und in der Zeit zurückschickte. Er sah sie genauso wie damals weglaufen, vor sich und ihm...

Damals konnte er nicht dagegen ankämpfen, gegen die Macht der siebten Weisen, obwohl er es sich wünschte. Und heute wollte er nicht mehr gegen das Gefühl verlassen zu werden ankämpfen. Denn jener Kampf, jene stumpfsinnige Gegenwehr, hatte nicht den Sieg auf seiner Seite zur Folge...
 

Zeldas Schritte wurden schleppender, bis sie endgültig stehen blieb. Mit den Tränen kämpfend, ihre Hände zu Fäusten geballt, sprach sie Worte des Verständnisses: "Warum machst du es uns so schwer..." Link schwieg, baute einmal mehr die fiese Kälte um sein Herz, erweckte den Alptraum in seiner Seele zum Leben, um nicht als schwach angesehen zu werden...

"Ich habe dich nicht vergessen... ich könnte dich niemals vergessen.", murmelte sie vor sich hin mit dem Wunsch, seine Augen könnten den traurigen, verträumten und doch zuversichtlichen Ausdruck wiedergewinnen. Sie sehnte sich nach diesem Blick, hatte ihn in ihren Träumen gesehen und in ihren tiefsten Sehnsüchten. Aber Link konnte ihr diesen Blick nicht schenken, nicht heute und vielleicht nie wieder in diesem Hyrule.
 

Ihre Beine setzten sich in Bewegung, zögernd tapste die anmutige Prinzessin Hyrules voran, kniff ihre Augen zusammen und doch sagte sie ungewollt noch zwei Wörter, die genau die verwunschenen Orte in seinem Herzen erneut trafen, erreichte und sanft berührte.

"Mein Held...", flüsterte sie. "Mein Held...", wiederholte sie liebevoll und hetzte zu den Toren der Zitadelle, verschwand, als wäre sie nie hier gewesen...

Einmal mehr fiel der Regen erbarmungslos auf das lebendige, grüne Steppengras der gigantischen alten hylianischen Steppe. Und auch wenn der Morgen nicht mehr fern war, so herrschte nur die Dunkelheit vor. Hässliche, grobe, verhüllende Schleier der Gewitterwolken, die den Herbst einleiteten, hafteten am sonst so in Sonnenschein gemalten Himmel.

Eine vermummte Gestalt in einem grauen Mantel, tapste mit schwerem Gang voran. Kälte ging von ihm aus, Selbsthass zerfraß ihn und Kummer eilte seinem Weg voraus.

Inzwischen war er durchgeweicht, seit mehr als zwei Tagen unterwegs, einmal mehr zurück an einen Ort, wo er einst so etwas wie einen Platz besaß, aber das war vorbei... schon lange war er dort nicht mehr erwünscht. Wie auch? Der junge Held war Hylianer, kein Kokiri, er war auf dem Weg des Erwachsenwerdens, teilte andere Einstellungen, besaß andere Ideale als sie ein Kind haben konnte. Das kleine Koboldvolk in den alten Wäldern, beschützt vom weisen Dekubaum, tanzte zu anderen Freuden, verfolgte keinen Lebensweg und noch dümmer klang in ihren Ohren das Wort Bestimmung.
 

Nur einer wurde die Außenwelt zuteil.

Nur eine von ihnen hatte Blut gesehen, Hass erfahren.

Nur eine...
 

Und vielleicht ging der junge Kämpfer gerade deswegen wieder zurück in die kleine Scheinwelt, in welcher er elf Jahre seines gnadenlosen Lebens verbracht hatte. Schöne Erinnerungen geisterten in seinem Kopf herum, besänftigten aber nicht, sondern quälten wie kleine Dämonen, die er nicht zu vertreiben wusste. Er sah sich selbst dort herumwandeln, in der Nähe seines einstigen Baumhauses, sah sich lachen, auch wenn sein Lachen nicht sehr lange wehrte.
 

Zielstrebig folgte er seinem Weg, marschierte beinahe gesteuert durch die eisige Kälte. Regen und Hagelkörner klatschten ihm in das Gesicht, aber er fühlte diese schon lange nicht mehr. Blitze zuckten durch die Dunkelheit, erfüllten die Steppe mit etwas Bedrohlichem, verliehen ihr Gefahr und unerfreuliche Ferne.
 

Weiter und weiter kroch Link vorwärts, hörte das Grollen des Donners in der Ferne, die den Klängen einer blutigen Zukunft, Schreien von Moblins, Trommeln, die eine Schlacht der Hylianer gegen Ganondorfs Dämonenarmee begleiteten, auffällig ähnelten. Intrusiv kamen die Bilder, zehrten von dem wenigen Stückchen Freude, welches in seinem jungen Herzen geblieben war, zerstörten und folterten. Blut, gläserne tote Augen und die Angst in Gestalt des mächtigen Schreckensfürsten, dem Großmeister des Bösen. Es schmerzte innerlich, die Dinge, die seine ernsten Augen erblickt hatten, schlitzten in seinem Herzen, in seiner besonderen Seele. Ohne Gnade kamen die Bilder, ohne der Möglichkeit einer Gegenwehr sprengte die Vision des alternativen Zeitpfades die Vorstellungskraft des jungen Hylianers.
 

Ein Aufschrei entkam seiner Kehle. Ein lautes Brüllen, da er die Bilder nicht ertrug, da er das Entsetzen endlich vergessen wollte. Aber wie konnte Link seiner Bestimmung entsagen? Er konnte vor seinem Schicksal nicht davonlaufen, er konnte nicht vergessen, wer er war. Denn das Schicksal war hier in Hyrule vielleicht mächtiger als an anderen Orten. Vor Jahren noch stach Zuversichtlichkeit und Mut aus seinen Augen hervor. Mit entschlossenem Blick hatte er seine Bestimmung angenommen, nach vorne geblickt und immer darauf gewartet, dass es irgendwann einmal für ihn so etwas wie ein gemütliches, warmes Heim gegen könnte. Aber dieser Wunsch gehörte nicht zu seiner Bestimmung, nicht zu seinem Schicksal und diese Sache hatte er erkannt, dann, als an einem sehr dunklen Tag genau diese Einsicht in sein Herz getragen wurde...
 

Erschöpft ließ er sich auf die klatschnasse Straße sinken und schlug seine Hände an die Ohren, er ertrug diese Visionen seines Traumas nicht mehr, es folterte ihn. Und immer wenn er dagegen ankämpfte, so wurden sie lebendiger, echter...
 

Versunken in seiner Qual bemerkte er nicht den einfachen, grauen Wagen, der in jener Dunkelheit, fröhlich und schnell die Straße entlang sauste. Drei Personen saßen darauf, zwei größere und eine etwas kleinere in der Mitte. Die Waren des Karrens waren durch viele dunkle Decken zugedeckt, auch die Personen waren umhüllt mit Decken. Niemand bemerkte den jungen Hylianer auf der Straße und Link selbst bemerkte nicht, dass der Wagen direkt auf ihn zusteuerte. Noch immer litt der junge Held unter den Phantomen von damals, eingehüllt in das schwarze Tuch der alten Gefahr. Er hörte nicht das durchdringende Knarren des Wagens, erkannte nicht das Wiehern der alten Stute, die vor den Wagen gespannt war und konnte die umherschallenden Schreie nicht vernehmen.
 

Der Karren raste direkt auf ihn zu, die steuernde Person hatte keine Kontrolle mehr und konnte nicht rechtzeitig stoppen. Alles was Link spürte war ein harter Aufprall, dann wurde sein bewusstloser Körper meterweit durch die Luft geschleudert und landete schroff an dem Stamm eines Baumes, brach schließlich leblos in sich zusammen.
 

Prinzessin Zelda saß zu dem Zeitpunkt gedankenverloren in ihrem Schaukelstuhl, wiegte sich darin und hatte ein Buch in ihren Händen umkrallt. Sanfter Kerzenschein leuchtete in ihrem Schlafgemach, Flötentöne schallten umher. Sie liebte den Klang der Okarina, liebte das ruhige Erklingen vergessener Töne und genoss jene Melodien, die sie nie wieder vergessen würde. Vor nicht weniger als fünf Minuten hatte sie selbst die Okarina der Zeit verhext, sodass sie von selbst spielte, lebendig wurde. Bekannte Melodien in ihren Ohren, Melodien wie der Bolero des Feuers. Und doch erinnerten sie jene Melodien nur an Link, ihren Helden, den sie niemals vergessen würde. Warum nur fühlte er nicht, wie oft sie an ihn dachte? Warum stellte er sich so gegen Gefühle der Zuneigung?

Zelda schlug dann das Buch zu, denn wann immer die Okarina spielte, so floss eine kleine Träne auf die abgenutzten Seiten des Buches in ihrer Hand. Eine Träne, die jene mit Tinte beschriebenen Seiten unlesbar machte. Sie krallte sich ein Kissen, umarmte das Stückchen Stofffetzen und murmelte den einprägsamen Namen ihres besten Freundes.
 

In dem Moment zuckte ein gewaltiger Schmerz durch ihren gesamten Körper, arbeitete sich gewaltsam vor über Haut, zu Fleisch, zu Knochen. Die Prinzessin hetzte auf, verkrampfte sich, keuchte und fühlte, wie gemein und hinterhältig sich ihr Magen zusammenzog. Ein starkes Ziepen, innerer Druck, der sie aufsaugte, bis sie das Gefühl hatte sich übergeben zumüssen. Ihr Inneres bestraft, ihr Herz mit kalter Hand umfasst.

Sie wollte sich abstützen, krallte sich mit ihren lackierten Fingernägeln, bis diese brachen in das Holz eines kleinen Pults. Erneute Schmerzen, ruckartig, boshaft. Dirigiert von fremden Mächten wirbelte die blonde Hylianerin herum, warf einen Spiegel zu Boden. Scherben klirrten, so wie das Leben durchbrach ein kleiner Aufprall das wahre Glas eines Spiegels. Scherben. Überall nur Scherben...

Sie taumelte vorwärts, versuchte gegen den Schmerz anzukämpfen. Beraubt um die Fähigkeit der Steuerung des eigenen Körpers, lief sie mit kleinen Schritten über die Scherben, spürte wie sich die scharfen Splitter in ihre Pantoffel hineinfraßen, spürte das Nagen jener in ihren Fußballen. Und noch ein Stoß, direkt gegen ihren Rücken einer unsichtbaren Macht, über die sie keine Macht hatte. Mit lautem Schrei wurde Zelda durch den Raum geschleudert, landete begleitet mit unangenehmen Knacken ihrer Gelenke an der Badezimmertür, sank hinab auf den frischgesäuberten, glänzenden Boden, wo sich das Kerzenlicht spiegelte.

Ein Moment der Ruhe, ein Moment des Trugs.

Ihre Gedanken ordnend ahnte sie, dass es vorbei war. Die fremde Macht stoppte den Groll gegen sie. Sie kroch rückwärts, lehnte sich tief einatmend an die raue Tür ihres Badezimmers und begann zu wimmern, verbarg ihren Kopf in ihren Armen und flüsterte einmal mehr den Namen: "Link..."
 

"Link", rief eine Stimme in seinen Träumen, wo überall nur Nebel lag. "Link..."

Aber er wollte diese Stimme nicht hören, auch wenn er sich nach dieser Stimme gesehnt hatte. Vermisst hatte er diese Stimme, sich nach der Gestalt verzehrt, der diese Stimme gehörte.

"Link...", und die Stimme wurde leiser, da er sich gegen ihre Empfindungen abschirmte. Es tat ihm nur weh...
 

Blinzelnd hoben sich seine Augenlider, gaben das tiefe Blau preis, das aus dem Gesicht leuchtend hervorblitzte. Sein Gesichtsfeld war verschwommen. Leise fluchend kniff er die Augen wieder zusammen, fuhr mit einer Hand durch seine blonden Haarsträhnen und spürte im selben Augenblick ein feuchtes, kühles Tuch auf seiner Stirn. Verwundert öffneten sich seine Augen erneut. Zuerst war alles wieder so verschwommen wie vorhin und nur undeutlich gab sich der Ort preis, an welchem er sich befand. Sachte richtete sich der junge Held auf, während das kalte Tuch von seiner Stirn rutschte und auf dem braunen Tierfell landete, in welchem er eingewickelt war. Die Geschehnisse holten ihn wieder ein, er erinnerte sich an seinen Anfall, die heimtückische Erinnerung an sein Trauma und schließlich den harten Aufprall und den bekannten Schmerz...
 

Link wollte aus dem Bett aufstehen, aber ein Schmerz in seinem Rücken belehrte ihn dies unbedingt zu unterlassen. Stattdessen musterte er das kleine Kämmerchen, in welchem er ruhte. Der einzige Lichtpunkt kam von dem kleinen, schlichtweg erbärmlich wirkenden Kamin direkt vor ihm. Wärme strahlte in sein Gesicht, kleine Funken tanzten in der Luft.

Ein alter und doch für ihn sehr angenehmer Duft lag in diesem Kämmerchen, wo einige Kräuterbeutel hingen. Er schnupperte ein weiteres Mal daran und wusste nicht, was es war, aber dieser Duft berührte ihn, als ob er jenen schon einmal irgendwo gerochen hätte, wo vielleicht Zuhause nicht nur ein leeres Wort war. Überall in dem Kämmerchen stand etwas, Kisten, alte halbgeöffnete Truhen, zwei drei Besen, Kochtöpfe und metallene Kessel ohne Inhalt und zwischendrin lagen unsortiert irgendwelche Kleidungsstücke. Link drehte seinen Schädel nach rechts und erblickte in dem Moment zwei gefährliche, gelben Augen, die aus einem mit grauem Fell bedeckten, schmalen Gesicht hervorstachen. Vor Schreck wich er zurück und landete mit seinem Rücken unabsichtlich an einer kalten Holzwand. Das kräftige, schöne Tier richtete sich auf und tapste leise auf seinen vier Pfoten in Links Richtung. Hastig suchte Link nach seinem Schwert, und fand es neben dem Ofen hängen. Wie blöd, dachte er, sein Schwert würde er nicht so einfach erreichen können.

Das wolfsähnliche Tier blieb plötzlich stehen, machte Platz und leckte sich mit der großen, schlabberigen, feuchten Zunge seine rechte Pfote. Dann schüttelte es sein gesamtes Fell und begutachtete Link wieder sehr genau.
 

Gerade da wurden Stimmen außerhalb des Raumes hörbar. Eine aufgeregte Frauenstimme wetterte umher und eine tiefe Jungenstimme wollte diese anscheinend beschwichtigen.

"Wie oft habe ich dir gesagt, die Waffen deines Vaters sind für dich Tabu, mein Sohn."

"Anscheinend nicht oft genug.", erwiderte er frech.

"William Laundry, wenn du nicht bald deine große Klappe hältst, dann hole ich mir ein Schwert und dann werden wir ja sehen, wer hier der Stärkere ist, Freundchen."

"Na du bestimmt nicht", war die fiese Antwort eines pubertierenden Jungen, der nicht viel auf das besorgte, dumme Getratsche seiner Mutter gab. Das Geschrei außerhalb wurde immer lauter und es schien als würden sich die Stimmen dem kleinen Gerümpelkämmerchen annähern. Aufbrausend und extrem energisch wurde die Holztür dann aufgezerrt und eine hübsche rothaarige Frau mit stolzer, schlanker Figur trat in den Raum, in Begleitung ihres Sohnes vermutlich, der in etwa Links Alter hatte.
 

Die Lady hatte eine Tasse mit einer Fleischbrühe in der Hand und musterte den wachen Helden in dem kleinen, knarrenden Bettchen erfreut. Sie stürmte näher und reichte Link die Tasse mit einem: "Willommen unter den Lebenden, Junge." Link brachte ein schwerhörbares Hallo über die Lippen und sah weg, als die smaragdgrünen Augen jener Dame eindringlich in seinen Augen lesen wollten.

"Mein Name ist Belle Laundry, du bist in dem Heim meiner Familie." Link trank einen Schluck von der Tasse, erstaunt über den leckeren Geschmack. Sofort leerte er die Tasse, als hätte er seit Jahren nichts mehr zu sich genommen. Dann wanderten seine Augen wieder zu dem gefährlich wirkenden Getier, welches sich gerade fröhlich auf den Jungen stürzte der ebenso im Raum stand.

"Das ist unser kleiner Beschützer Wulf, ein Wolfshund", sagte die schöne Dame. Links Augen drückten seine Fassungslosigkeit wegen dem verharmlosenden Wort aus und lediglich nicken tat er. "Er ist nicht so gefährlich wie er aussieht und hört aufs Wort. Mach Platz!" Nur leider tat der Hund überhaupt nicht dergleichen und liebäugelte seine Herrin schamlos. Daraufhin fing der Sohnemann Belles mit dreistem Kichern an. Sie warf dem Frechling einen bitterbösen Blick zu, worauf dieser höflicherweise das Kichern unterband.
 

"Und das ist mein Sohn, William Laundry." Der junge Kerl sprang neugierig näher und reichte Link die mit einem großen Schnitt übersehene rechte Hand.

"Mutter, ich kann mich auch sehr gut selbst vorstellen.", murrte er und schüttelte die Hand von Link äußerst aufgeregt. Der Held besah sich den jungen Mann ihm gegenüber nun genau. Hellbraunes, schulterlanges Haar und dieselbe grüne Farbe, die die Augen von Belle Laundry besaßen. Ein verschmitztes, aber tolles Grinsen im Gesicht machten aus dem Jungen einen außerordentlichen Draufgänger.

"William Laundry, angenehm. Nenn' mich Will.", sagte diese tiefe Stimme, die eigentlich weniger zu dem Erscheinungsbild jenes Jungen passte.
 

Links Blick wanderte wieder zu der großen Wunde an der Hand des Jungen. Dieser schien das bemerkt zu haben und meinte aufgeregt: "Äh, das war das Schwert von meinem Vater."

"Es hat sich wohl selbstständig gemacht, oder was?", war der sofortige Kommentar seiner Mutter.

"Man könnte das bestimmt so sehen.", erwiderte er und hörte nur ein enttäuschtes Schnauben von Belle. Ihre Erziehung hatte wohl auf gesamter Länge versagt. Verärgert riss sie dem Gast die Tasse aus der Hand und meinte schnell: "Ich bringe dir noch etwas hiervon. Bin sofort wieder da." Das Schloss knackte und Link blickte seufzend zu Boden.
 

"Wie heißt du eigentlich?", meinte Will, der so allmählich ins Grübeln kam, da man Link alles aus der Nase ziehen musste.

"Link. Mein Name ist Link.", sagte er trocken, ertappte sich bei dem Gedanken, dass er sich schon lange gewünscht hatte, jemand würde ihm diesen Namen abnehmen. Er wollte nicht mehr Link sein, nicht mehr er selbst. So oft sah er sich von oben herab, als hätte seine einsame Seele seinen jugendlichen Körper verlassen.

"Wie bin ich hierher gekommen?", fragte Link gleich darauf.

Will lächelte schief: "Wir haben dich mit unserem Karren über den Haufen gefahren. Meine Mutter war so fertig mit den Nerven, dass sie dich schon für tot gehalten hat." Link erinnerte sich langsam. Richtig, er hatte einen seiner gemeinen Anfälle und dann musste dieser Wagen auf der Straße herangefahren sein und...

"Du kannst von Glück reden, dass du noch lebst. Du bist wie bescheuert durch die Luft geschleudert und an einem Baum aufgeschlagen. Ein Wunder, dass du keine Knochenbrüche hast." Kein Wunder, dachte Link ironisch. Das Schicksal erlaubte es sich immer einzugreifen, sollte dem Held der Zeit Unglück drohen. Und das Triforcefragment des Mutes in seiner linken Hand hatte ihn vor weiteren Wunden geschützt. Aber gerade das ärgerte Link. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich äußerst wohl hier und wenn er bloß ein wenig mehr verletzt wäre, könnte er vielleicht weiterhin hier Gast sein. Aber so... Es war besser, er machte sich auf den Weg.
 

"Und wo bin ich jetzt, ich meine, wie weit ist es bis zu den Kokiriwäldern?"

"Du wolltest in die alten Wälder?"

"Ja.", sagte Link genervt.

"In die Wälder, wo jeder Hylianer zu einer Pflanze mutiert?"

"Ja, verdammt.", entgegnete Link scharf.

"Was willst du denn dort?" Links kühle blaue Augen blitzten erneut gefährlich auf. "Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Wo sind meine Sachen?" Verärgert über diese plötzliche Unhöflichkeit sank das Grinsen aus Wills Gesicht und er deutete auf einen Holzhocker neben der Tür. "Ich werde euch nicht weiter stören.", sagte Link und lief begleitet von Schmerzen im Rücken zu dem Hocker, streifte den grauen Umhang über und blickte zu seinem Schwert neben dem Kamin. William musterte die Waffe, fand diese zu berauschend und meinte: "Wo hast du die denn her?" Link antwortete nicht, sondern schnallte sich sein Schwert auf den Rücken. Er drehte sich in Richtung Tür und lief langsam darauf zu. Gerade legte er eine Hand auf den Türgriff, als die alte, knarrende Holztür aufgeschlagen wurde und Link einen gewaltigen Schlag gegen sein Gesicht bekam, worauf er mit einem lauten Stöhnen auf dem Boden aufkam.
 

"Also irgendwie scheint sich hier jeder gegen mich verschworen zu haben.", murmelte Link verdattert und rieb sich über das Gesicht. Seine Worte erschufen ein herrliches Gelächter in dem kleinen Räumchen. Belle trat über die Türschwelle und lachte. William kraulte den Hals von Wulf und lachte ebenso. Und das erste mal seit langem kam auch auf Links Gesicht so etwas, wie der Ansatz eines Lächelns zustande.

"Du wolltest uns schon verlassen?" Link nickte nur und ließ sich von der netten Dame aufhelfen. Sie zerrte ihn an seinen Oberarmen auf die Beine, hinterließ einen erstaunten Ausdruck auf dem Gesicht Links. Sie hatte außerordentlich warme Hände.

"Da hättest du aber diese Tasse Fleischsuppe verpasst.", meinte sie und schenkte ihm ein warmes, beruhigendes Lächeln. Fürsorglich drückte sie dem jungen Helden die Tasse in die Hand.
 

"Wie heißt du?", sagte sie mit ihrer angenehmen Stimme.

"Link heißt er", sagte Will, bevor Link nur den Ansatz einer Mundbewegung gemacht hatte.

"Soso." Sie deutete ihn an, sich wieder zusetzen, was Link tat. Nur warum verschmähte er diese Gastfreundschaft nicht mehr? Wollte er nicht gehen und seine Ruhe haben? Aber jene Lady schien etwas zu besitzen, etwas Vergessenes in Link zum Leben zu erwecken. Und der junge Hylianer wusste, was es war: die Sehnsucht nach jemanden, der ihm eine Mutter sein könnte. Der traurige Ausdruck auf seinem Gesicht nahm zu und nur um nicht als weich oder verletzlich angesehen zu werden, drehte er sich in Richtung Kamin und schaute in die hypnotisierenden Flammen.
 

"Du kannst dich ruhig noch ausruhen und solange bleiben, wie du möchtest."

"Nein, ich gehe lieber.", meinte er mürrisch. Es schien besser und der richtige Weg für Link zu sein, sich nicht erst an zu viel Gastfreundschaft zu gewöhnen. Er war ein Abenteurer. Länger an irgendwelchen Orten zu verweilen, widerstrebte ihm. Außerdem könnte er diese fürsorgliche Dame zu schnell als etwas annehmen, dass er bisher in seinem Leben vermisst hatte.

Belle deutete auf das Fenster und den Sturm, der außerhalb in Gange war. Sachte zog sie die Vorhänge zur Seite, soweit, dass Link erkennen konnte, dass er sich keineswegs in der Nähe der alten Wälder befand.

"Ich rate dir solange zuwarten, bis der Sturm aufhört, Link. Immerhin sind wir dir etwas schuldig. Daher nimm' unsere Gastfreundschaft als Wiedergutmachung, dass wir dich angefahren haben." Link wollte gerade mit dem Kopf schütteln, aber Belle stand auf und gab ihm einen leichten Klaps auf den Hinterkopf. "Keine Widerrede, sonst hetzte ich dir unseren treuen Hund auf den Pelz und Wulf sorgt dafür, dass du bleibst.", sagte sie sicher und protestierend. Als ob sich Link von einem solchen Tier einschüchtern lassen würde. Er hatte genug dämonische Wölfe aus Ganons Brut erledigt. Wie sollte ein netter Wolfshund ihn an seinem Weg hindern?
 

"Beim Triforce, Mutter, Wulf hört doch sowieso nicht auf dich.", meinte William vorwitzig. Sie räusperte sich, ein Zeichen, dass ihr Sohn recht behielt und schwieg. Ihr Sohnemann mit der gefährlichen Klappe jedoch kugelte sich halb vor Lachen. Nicht seine Mutter erzog ihn, sondern er sie...

"Ich habe das vorhin schon mal gefragt, wo genau bin ich hier?"

"In der Nähe der Lon-Lon- Ranch.", sagte Belle. "Wir sind noch nicht lange in Hyrule.", setzte sie hinzu. "Also entschuldige bitte das Durcheinander." Aha, dachte Link. Deshalb überall die Kisten und Truhen.

"Aber Ihr seid Hylianer?", meinte Link.

"Ja, natürlich sind wir das. Doch als der Krieg vor fünfzehn Jahren begann, also bevor Hyrule vereint wurde, verließen wir diese Heimat.", meinte Belle einfühlsam.
 

Das ergab ebenfalls Sinn für Link. Warum waren seine Mutter und sein Vater nicht so schlau gewesen, dem Hyrule von vor fünfzehn Jahren Lebewohl zusagen? Warum sind sie geblieben? Manchmal, in den langen, schlaflosen Nächten dachte Link darüber nach, was wäre, wenn er noch seine Eltern hätte. Was wäre, wenn er ein gewöhnlicher Hylianer wäre. Und manchmal hegte er dann einen leichten Groll gegen jene, die ihn erzeugt hatten, da sie ihn einfach im Stich gelassen haben...
 

"Ja, und vor zwei Tagen sind wir dann angekommen und haben dieses alte Häuschen gekauft. Mein Vater befindet sich gerade im Schloss.", sagte Will mit seiner tiefen Stimme. Und doch wanderte sein neugieriger Blick wieder zu der tollen Waffe, die auf Links Rücken geschnallt ihn anlachte. "Äh, dein Schwert ist wirklich toll. Darf' ich mal?", meinte Will und lief zu Link hinüber. Normalerweise waren dem Helden seine Waffen heilig, aber er konnte ja mal eine Ausnahme machen und zog die Klinge mit einem kräftigen Summen aus der Schwertscheide. Ein einfaches gutes Schwert für den Kampf, keine unnötigen Verzierungen und Verschnörkelungen. Gesunder, starker Stahl und bestes Leder an dem Heft der Waffe.
 

William nahm ihm die Klinge aus der Hand und vollführte einen Hieb horizontal durch die Luft. Allein an diesem Schlag konnte Link die leichte Unfähigkeit des Jungen mit der Waffe umzugehen ausmachen. Der Schlag war nicht besonders kräftig und es mangelte ihm irgendwie an Eleganz. Ja, William Laundry schien einer der Jugendlichen zu sein, die noch nicht viel Ahnung vom Kämpfen, von Gefahr und dämonischen Kreaturen hatten. Nicht, dass Link voreilig über die Schlagkräftigkeit jenes jungen Mannes zu urteilen versuchte, aber es fiel ihm auf. Sicherlich hatte Will einige wilde Übungsstunden hinter sich und dies machte sich an seinem kräftigen, hochgewachsenen Körper bemerkbar, aber von eigener ausgereifter Schwerttechnik war dieser Junge noch weit entfernt.
 

"Mein Vater ist Ritter, aber wann immer ich mit ihm trainiere, dann benutzen wir diese blöden Holzschwerter.", meinte er bedauernd und zeigte in eine dunkle Ecke, wo einige verunglückte Stäbe aus Holz herumstanden.

Link nahm sein Schwert wieder schwungvoll in die Hand und vollführte den gleichen Schlag wie William Laundry, nur schneller, stärker, sodass man die Klinge die stehende, warme Luft zerschneiden hören konnte.

"Du hast viel Training mit dem Schwert, nicht wahr?" Link nickte nur. Sollte er ihm etwa auf die Nase binden, dass seine Technik besser war, als die von einigen hochrangigen Rittern in der hylianischen Tafelrunde? Geschmeidig führte er die Waffe zurück in deren Schwertscheide und schaute einmal mehr aus dem kleinen, mit Holz umrahmten Fenster, sah den Sturm aufkommen. Blitze und Donner raubten die Ruhe und Nacht in der hylianischen Steppe. Melancholie in seinem verletzlichen Blick, Sehnsucht, wenn auch stets unerfüllt.
 

Plötzlich klopfte Will dem jungen Helden auf die Schulter. "Du bist bestimmt ein Schüler an der berühmten Ritterschule der Söhne des Schicksals von Hyrule, oder?" Link schüttelte erstaunt mit dem Kopf. "Nein, das bin ich nicht.", sagte er knapp, angenehm überrascht, dass es in Hyrule eine Ritterschule gab. Warum hatte ihm niemand schon vorher etwas davon erzählt?

"Echt, nicht? Dabei würde man das vermuten, wenn man dich dabei beobachtet mit dem Schwert umzugehen."

"Das hat andere Gründe.", sagte Link kühl, beschwichtigend. Was interessierte das diesen Idioten überhaupt? Nervös, man könnte die Wahrheit in seinem Gesicht ablesen, drehte er sich weg, blickte anstrengend zu Boden und wartete, dass jemand das Schweigen brach.
 

"Du musst wissen, dass die Ritterschule in Hyrule für Jungen ab dem dreizehnten Lebensjahr vorgesehen ist. Vorher, ab dem sechsten Lebensjahr werden die kleinen Kerle zwar bereits auf diese Schule vorbereitet, aber das ist wohl nur Drumherum... Wir haben Will angemeldet, auch, wenn er sehr viel nachzuholen hat.", meinte Belle, die sich endlich wieder an dem Gespräch beteiligte, und deren warme, fürsorgliche Stimme eine nicht bekannte Ruhe in Links Gemüt brachten.

"Entschuldige die Frage, aber wie alt bist du?", meinte der junge Kerl mit den grünen Augen zu Link deutend. "Fünfzehn.", meinte er kurzangebunden.

"Hey, ich ebenso.", sagte Will erfreut, als ob er Freundschaft mit Link schließen wollte.
 

Freundschaft... eine teure und edle Sache, genau dann, wenn es wahre Freundschaft war. Aber wie sollte eine solche Freundschaft entstehen, wenn sie auf Lügen aufgebaut war, wenn Link niemals jemanden mitteilen konnte, was er in einer alternativen Zeit erlebt hatte, wenn er doch niemanden sagen konnte, wer er war... So viele Menschen hatte er anlügen müssen, wenn sie ihn nach seiner trügerischen Vergangenheit fragten, so viele hatte er mit Lügen enttäuscht.
 

"Und wo befindet sich diese Schule?", sagte Link, vielleicht doch interessiert. Aber warum hegte er nun Interesse daran?

"Hinter dem Verlassenen Hügel im Norden", gab Belle preis. Stimmt, Link war einmal vor Jahren dort entlanggewandert, mit dem Ziel den nördlichen Hafen Hyrules zu erreichen, um in eines der Nachbarländer Hyrules aufzubrechen. Seinem Weg folgend hatte er damals ein großes, bewohntes Schloss entdeckt, aber nicht weiter darüber nachgedacht, wie viele Dinge über die er einfach nicht mehr nachdachte.

Eine Ritterschule... und das sogar eine berühmte Ritterschule... konnte es sein...?
 

Nachdenklich setzte sich Link wieder auf das zerwühlte Bettchen und seufzte schwer. Müde und erschöpft schloss er seine Augen. "Geht es dir denn gut? Immerhin haben wir dich mit unserem Karren angefahren.", sagte Belle schließlich. Genervt, da ihn jemand nach seinem Zustand fragte, blickten seine tiefblauen, durchdringenden Augen auf, erzeugten einmal mehr eine unheimliche Kälte, wenn er auch nur einen Blick in sein Gegenüber wagte und schafften Abstand vor ihm.

"Weiß denn jemand, dass du dich auf den Weg in die Kokiriwälder begeben wolltest?", sagte Will geduldig. Erneut nur ein Kopfschütteln.

"Du wolltest in die Wälder zu dem weisen Dekubaum?" Die Stimme der eleganten rothaarigen Frau klang entsetzt. Sie sprang zu ihm hinüber und hielt ihm den Zeigefinger unter die vorwitzige Heldennase. "Bist du noch zuretten. Hylianer sind verflucht in diesen Wäldern!", sagte sie laut.
 

Verärgert giftete Link: "Ja, aber ich nicht." Verwirrt wich Belle zurück und setzte ein noch nachdenklicheres Gesicht auf. "Wie das?"

"Ich denke nicht, dass ich Euch das erzählen werde." Damit stand Link auf und lief zu der Tür hinüber. Sein Blut kochte wieder, da sich jemand in sein Leben einmischen wollte. Das war eines der Dinge, die er einfach nicht mehr ertrug. Er wollte kein Mitleid, denn das war möglicherweise das einzige, was man ihm zu geben bereit war.

"Danke für die Gastfreundschaft. Aber ich kann nicht länger bleiben.", sagte er dann entschlossener. Er öffnete die Tür und meinte ohne sich umzudrehen. "Lebt wohl." Link hetzte aus dem Haus, verbarg diese Wut auf sich selbst, da sich jemand um ihn kümmern wollte. Er hasste es, diese Fürsorge, er hasste es und doch war es gerade die Sache, nach der er sich mehr als alles andere sehnte...
 

"Ein merkwürdiger Kerl", sagte William und ließ sich rücklings auf das Bettchen fallen, während seine Mutter an dem Fenster stand und dem jungen Helden zusah, wie er seinen Weg fortsetzte, sich durch die Nacht und den Regen kämpfte.

"Nein, nicht merkwürdig...", sagte sie leise. "... einsam." Sie führte eine warme Hand an ihr Kinn und runzelte die Stirn. Irgendetwas an jenem Jungen machte sie neugierig, irgendetwas kam ihr bekannt vor. Aber was?
 

Während Belle Laundry weiterhin an dem Fenster stand, wurde an der Hintertür des Hauses ein Schlüssel in das alte abgenutzte Schloss geführt und nur ein leises Tappen in einem dunklen Korridor zeugte von einer weiteren Person, die in das kleine Häuschen eintrat. Wulf sprang auf und hetzte auf die Zimmertür zu, wedelte mit seinem Schwanz und deutete ohne Anhalt auf die modrige Tür. Belle huschte ein Lächeln über das Gesicht, denn ihr Ehemann war wohl gerade nach Hause gekommen. Freudig öffnete sie die Tür und sah ihren Mann mit durchgeweichtem Mantel und doch einem gutmütigen Grinsen auf dem Gesicht in dem dunklen Gang stehen. Wulf sprang auf seine Hinterbeine und leckte dem Ritter über das Gesicht.

"Hey, nicht so aufdringlich, mein Guter.", meinte der etwa fünfunddreißig Jahre alte Ritter. Er klopfte dem Wolfshund an den Hals und begrüßte schließlich seine Gemahlin mit einem kurzen Kuss auf die Wange. Sein Name war Lassario Laundry, ein hochrangiger Ritter mit Kriegserfahrung. Ein stämmiger Mann, gutaussehend, und doch einige Narben von früheren Schlachten im Gesicht.

"Mieses Wetter da draußen. Hallo, mein Sohn." Ein dümmliches Grinsen auf dem Gesicht begrüßte auch William seinen Vater.

"Wie war es im Schloss?", meinte der fünfzehnjährige Junge müde und gähnte dann. Schließlich war es sehr spät und die Familie Laundry hatte einen langen Tag hinter sich. Die Reise. Der Umzug...

"Auffrischend, würde ich sagen."

"Und hast du die Prinzessin getroffen?", sagte Will neugierig. Da er wusste, dass sich Prinzessin Zelda in seinem Alter befand, war er nun mal sehr neugierig bezüglich ihres Wesens, ihres Erscheinungsbildes und dem hübschen Äußeren, von dem die Leute immer so aufgeregt redeten. William gab es nicht zu, aber er würde der Prinzessin, die einen so faszinierenden Eindruck hinterließ, gerne einmal begegnen.
 

"Jup, die Leute haben nicht gelogen. Prinzessin Zelda ist wirklich ein Juwel." Belle gab ihm einen Stups. "Aber natürlich kein Vergleich zu deiner bezaubernden Mutter, mein Sohn", rechtfertigte er sich im letzten Moment und sah dann die Tasse mit der Suppe, die neben dem zerwühltem Bett stand.

"Ich habe deine Fleischsuppe gerochen. Ist denn noch etwas übrig?", fragte er sofort und wanderte mit seinen dunkelbraunen Augen zu seiner reizenden Gemahlin.

"Natürlich." Dann nahm sie ihren Ehemann zur Seite. "Was anderes. Ich muss mit dir reden. Wir hatten gerade eben noch einen Gast", meinte sie leise. "Am besten wir reden in der Küche." Er nickte, wenn auch leicht verwundert, dass Belle einen so ernsten Ton anschlug.

William machte es sich auf dem Bett gemütlich und verfiel nach wenigen Minuten in sanften Schlaf.
 

Mit einem weinroten Mantel um ihr Abendgewand geschlungen hastete Zelda, Kronprinzessin von Hyrule, aus ihrem Zimmer, schlug allein mit Magie die Türe zu ihren Gemächern zu, riss alte hohe Tore in den verlassenen mit Fackeln erhellten Gängen des Schlosses auf und weckte die Geister aus dem langen Schlaf. Aufgehetzt, erfüllt mit Angst, ihrem Freund Link, den sie selbst nach all' der Zeit noch als Freund ansah, könnte etwas Schreckliches passiert sein. Sie rannte weiter und weiter, erinnerte sich still und doch mit Tränen in den sanften, leuchtenden Augen an einen sonnigen Tag in Hyrule, als Link mit ihr im Schlossgarten saß, als sie redeten, als sie sich an die alternative Zukunft erinnerten, lachten, auch wenn die fröhlichen Seiten des Kindseins schon damals gestorben waren...
 

Die Sonne lachte, heitere Wolkenbällchen bedeckten den Himmel und lautes Kinderkichern schallte in dem Schlossgarten umher, wo ein kleiner in grünen Gewändern gekleideter Junge einem vorlauten Wildfang, den man in höheren Kreisen als Prinzessin bezeichnen könnte, hinterher jagte. Sie war keine typische Prinzessin, hegte kein Interesse an Luxus und den Freuden des Hofes, missbilligte höfisches Benehmen und das unechte Getue und Gehaber, auf welches stets so großer Wert gelegt wurde, hier im Schloss ihrer Vorfahren, dem Sitz der Regierenden von Hyrule, dem mächtigsten Land unter der Sonne, dem mächtigsten und gerechtesten Königreich weit und breit.

Selbst in den höchsten Türmen des eindrucksvollen Gebäudes hörte man das Gelächter und Geschrei zweier Jugendlicher, aber niemand beschwerte sich, niemand dachte daran, dass es die Prinzessin war, die so ausgelassen mit einem Freund spielte.
 

Barfuss stolperte die kindliche Prinzessin mit ihren elf Jahren über das grüne, frischgemähte Gras in dem herrlichen, weitreichenden Schlossgarten und schaute ab und an zurück, ob ihr liebster Freund ihr noch folgte. Das Rockteil ihrer weißen Schürze in der Hand rannte sie geschwind voran, versteckte sich geschickt hinter einem Rosenstrauch mit weißen Blüten. Nicht weit entfernt war ein kleiner See in den alten Gärten, die schon seit dem Bau des Schlosses gepflegt wurden. Sie wartete und wartete, aber aus irgendeinem Grund fand ihr Freund sie nicht. Hatte sie etwa ein viel zu gutes Versteck gewählt? Oder spielte sie erneut, ohne es zu wissen, mit dem Fragment in ihrer Hand und den vielen unbekannten Fähigkeiten, die es mit sich brachte?

Sie blickte auf ihren rechten Handrücken, aber sah das Fragment der Weisheit nicht leuchten, hoffte, sie hätte die Macht in ihr besser unter Kontrolle. Aber ein Kind besaß vielleicht nicht die Fähigkeit über Kontrolle des Stückchen der Goldenen Macht wie es ein Erwachsener mit seiner Erfahrung und Weitsicht tun konnte. Und so ignorierte sie aufs erste jene Macht in ihr, denn sie war unwichtig. Vielmehr genoss die kindliche Prinzessin die Anwesenheit ihres besten Freundes, ohne den sie einfach nicht mehr leben konnte. Jede Woche besuchte er sie mindestens einmal und lachte mit ihr, erzählte ihr von den Abenteuern in der Zukunft, die nicht existenziell war, verarbeitete mit ihr das, was während des Zeitkrieges geschah. Aber eine Sache verschwieg er ihr, und sie wusste nicht, dass er darum bemüht war, dies zu verschweigen. Er redete nie über sich selbst, seiner Vergangenheit im Kokiriwald und den Dingen, nach denen sich sein kindliches Gemüt sehnte. Er erzählte ihr nichts über den Wunsch, ebenso Eltern zu haben, die sich sorgten und kümmerten.
 

Mit einer gemeinen Fratze sprang ein elfjähriger Junge hinter den Rosenstrauch und streckte der kleinen, königlichen Hoheit die Zunge heraus. Er deutete mit dem Zeigefinger auf ihren rechten Handrücken und murrte verärgert, während seine Mundwinkel eingeschnappt nach unten hingen: "Du hast dein Fragment benutzt, Zelda." Eine schöne Knabenstimme, hell und angenehm, besaß ihr Freund, warm und verträumt. Nicht zu denken war an die starke Kämpferstimme, die er irgendwann haben würde und noch weniger konnte man beim Anblick jenes kleinen, vorwitzigen Hylianers vermuten, dass irgendwann einmal in der Zukunft etwas Gefährliches in ihm erwachen würde. Gefährlich für das Böse und für seine eigene Seele...
 

Die kleine Prinzessin mit der goldenen Tiara auf ihrer Stirn und dem blauen Kleidchen mit der weißen Schürze darüber liebäugelte ihren kleinen Helden und schaute unschuldig nach oben, sodass sie seinen naiven Blick wieder traf. Darauf lachte er bloß und gab der Prinzessin einen gutgemeinten Klaps an den Oberarm. "Du bist' s", rief er und rannte wildgeworden vor einem Mädchen weg. Vielleicht war gerade ein Mädchen das einzige, vor dem er weglaufen würde...
 

Laut aufkreischend rannte er vor ihr davon und so spielten sie ihr kindliches Vergnügen bis in späte Nachmittagsstunden, bis sie schließlich außer Puste nebeneinander auf einer Wiese mit vielen Laubbäumen irgendwo in der märchenhaften Steppe Hyrules lagen. Kichernd drehte sich der blondhaarige Junge zu der im Gras liegenden Prinzessin um, die ihre Arme ausgebreitet einem Adler zusah, der hoch in den Lüften seine Runden drehte.

"Meinst du, du bekommst wieder Ärger, weil du aus dem Schloss abgehauen bist?", sagte eine klare, ruhige Kinderstimme neben der Prinzessin, die für den Wildfang in ihrer Seele eines Tages noch teuer zahlen würde...

"Pah. Soll Impa mich halt suchen. Die hat doch sonst nichts zu tun.", sagte sie frech und grinste über beide Ohren angesichts der grenzenlosen Freiheit auf der Steppe.
 

Der Junge neben ihr jedoch blickte sie mit immer ernsteren Augen an und verfolgte schließlich mit den Augen ein kleines Kaninchen, welches durch das hohe Steppengras hoppelte. Etwas Verletzliches lag in seinem Blick, ungewollt bemerkte er leise: "Sei doch froh, dass sie nach dir sucht..."

Die kindliche Prinzessin richtete sich auf und versuchte den Blick des kleinen Helden neben ihr zu deuten. "Warum sollte ich froh sein, wenn Impa mich sucht. Nicht eine Minute Freiraum lässt mir diese Zofe." Der junge Kerl neben ihr sprang auf und blickte hinauf in den sonnigen Himmel, verbarg den dumpfen Schmerz in seiner Seele, stets glaubend, er hätte sich damit abgefunden, kein richtiges Zuhause zu haben, aber dies schien nur eine Lüge zu sein...

"Ich wäre froh, wenn jemand nach mir suchen würde...", sagte er leise. Verärgert über sich selbst lief er einige Meter und streckte seine Arme in die Breite, genoss den frischen hylianischen Wind um seine Hylianerohren und reckte sein Haupt den Sonnenstrahlen entgegen.
 

Die kindliche Prinzessin Zelda stand auf und wischte sich einige Grashalme von ihrem Rock, streckte sich und blickte zu ihrem Helden hinüber. Er schien so gefangen in seiner Trance, den Frieden in Hyrule zuspüren, dass er nicht mehr auf ihre Stimme reagierte. Ein breitgezogenes Grinsen auf ihrem Gesicht hastete sie zu ihm hinüber. Lautes Knacken in den sattgrünen Gräsern. Heiteres Gekicher aus ihrem Mund.

"Link!", rief sie und rannte quietschvergnügt zu ihm hinüber. Lachend warf sie ihm ihre Arme um den Hals und riss den überforderten Jungen, dessen Ohren sich rot färbten, zu Boden. Sodann alberten die beiden Kinder herum, bewarfen sich mit Gras und tobten sich auf der gigantischen Wiese aus.
 

Die Abendsonne zeigte sich am buntgemalten Abendhimmel und kälter wurde es hier in dem Hyrule, dass sie beide erhalten hatten, sie und die sechs Weisen. Hand in Hand folgten jene lebenden Träger zwei sich anziehender Triforcefragmente einem mit grauem Stein bepflasterten Pfad zurück in die Hauptstadt Hyrules.

Die gesamte Zeit über verharrte Link in seinem Schweigen, dachte über das nach, was über seine sonst immer versiegelten Lippen gelangt war. Nur ein kleiner Wunsch entkam seiner Kehle und nun hatte er sich halb verraten, ausgerechnet vor Zelda, der Prinzessin von Hyrule.

Das junge Mädchen neben ihm blieb plötzlich auf dem Weg stehen und suchte seinen ernsten Blick. "Warum sagst du denn so wenig?", meinte sie. Ihre durchdringende, helle Kinderstimme schallte entschlossen über die weiten Wiesen. Doch Link zuckte nur kurz mit den Schultern und tat einmal mehr so, als wäre alles in Ordnung. Doch in dem Leben eines Auserwählten, der Schrecken über Schrecken gesehen und erfahren hatte, würde nie wieder alles in Ordnung sein. Die Zeit hatte man belogen, die Zeit wurde gesättigt, in dem man sie betrog. Aber eine Seele mit Worten aus Kindertagen zu belügen, die doch keine junge Seele mehr sein konnte, war dumm und ignorant.
 

Ihre Lippen zusammenpressend und den jungen Helden musternd, sah sie nur die grüne Mütze von seinem Kopf, kein Lächeln oder eine andere Gefühlsregung. Er schabte mit seinen Stiefeln auf dem Boden herum, immer dann, wenn er nervös war, immer dann, wenn sie versuchte, etwas aus seiner Vergangenheit zu entlocken, wie auch jetzt.

"Link?" Verspielt klang ihre unschuldige Stimme.

"Ja?" Sich räuspernd erkannte sie die leichte Befangenheit aus seinen gedämpften Worten.

Und wieder huschte ein ausgemachtes Lächeln ihr über das Gesicht, so überaus glücklich mit ihrem besten Freund auf den alten Wiesen spielen zu dürfen. Bester Laune hüpfte sie zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf seine rechte Wange.

Ein glitzerndes Strahlen aus ihren Augen. Kleine Lachfalten um ihren rosaroten Mund. Ohne über den Sinn ihrer Worte nachdenkend sagte sie, bevor sie weiterrannte: "Ich hab' dich lieb, mein Held."
 

Es war nicht das erste und nicht das letzte Mal, dass sie diese Worte zu ihm gesagt hatte. Sie spürte es bei einem Blick in seine mitternachtsblauen Augen. Sie fühlte den Wunsch aus der Sehnsucht darin, dass ihm jemand so etwas Schönes sagte und doch wollte er diese Worte aus ihrem Mund wohl nie so sehen, wie sie gemeint waren...
 

Zelda erinnerte sich an den Klang "Ich hab' dich lieb." Eine Erinnerung an so etwas wie Bruderliebe, die sie empfunden hatte. Etwas, das Link nicht erinnern wollte, etwas, was er vergas, so wie die vielen schönen Erinnerungen an die Zeit in Hyrule. Was war nach seinem Abenteuer in Termina nur geschehen? Zelda ahnte etwas, ahnte anhand des Geschenkes der Weisheit, dass jemand mit teuflischem Gemüt etwas wie einen kalten Mantel um das einsame Herz ihres Kämpfers gelegt hatte...
 

Ihre Augen geschlossen rannte die Prinzessin weiter durch das alte Schloss ihrer Familie, direkt zu den Gemächern ihres Vaters, dem König von Hyrule. Sie brauchte Rat, gesprochen mit seiner alten Weisheit, sie suchte Verständnis für ihre Vergangenheit und die Erinnerung.
 

"Bei den Göttinnen", murmelte sie gezwungen, während kristallene Tränenspuren von ihrem Kummer zeugten. "Wir waren doch nur Kinder..."
 

In der Steppe tobte der Sturm noch immer. Wogen des Windes brachten peitschende Hagelkörner zum Toben. Ein Pfeifen und Dröhnen außerhalb, der erste Sturm des Jahres... Link marschierte weiter und weiter und erblickte die Häusergruppe und die alten Ställe der großen, wirtschaftlichen Lon- Lon- Farm. Ein Gedanke an Epona schwebte durch seinen schmerzenden Kopf. Ein schöner Gedanke, erfüllt von ein bisschen Hoffnung. Lange war es her, dass er Epona gesehen hatte, lange war es her, dass er sie zu ihrem Zuhause der alten Ranch zurückbrachte, dann, als sein Abenteuer in Termina geschehen war.

Mit einem leichten Hoffnungsschimmer tapste Link voran, sah noch immer Licht in der gemütlichen Stube bei Malon, Talon und Basil.
 

Termina. Ein Schlussstrich in jener Welt, denn seine Mission dort war beendet. Was danach folgte, war eine seltsame Zeit für den Helden der Zeit gewesen. Er lebte sein Leben, genoss einmal mehr die Freiheit, dachte nicht an die Vergangenheit oder das grausame Morgen. Mit der Gewissheit eine weitere Welt gerettet zu haben, ließ er den Trott des Lebens seinen Gang, verschwendete kaum einen Gedanken an seine Einsamkeit, die er sonst immer geschätzt hatte. Seine Entschlossenheit, sein Mut und Kampfbereitschaft waren zu dem Zeitpunkt unbezwingbar.

Nur an einem Tage danach, als Link irgendwo alleine die Weiten Hyrules erkundete und sein Weg ihn schließlich zu einem in Nebel gehüllten Ort führte, wo noch keine Gesetzgebung, kein staatliches System existierte und das Chaos herrschte. In jenem Land ohne Namen geschah etwas, dass er verdrängte. Nicht erinnern konnte er sich, da der Schmerz an das Erlebte zu grausam war, da er genötigt wurde, Dinge zusehen, die grausame Wunden der Vergangenheit neu aufleben lassen konnten...
 

Und Epona, Link hatte sie schon vorher zu jener Farm gebracht, mit dem Wunsch, sie irgendwann wieder abholen zu können. Erfüllt von dem Gedanken lief er in der kalten Nacht zu der Ranch...
 

König Harkenia von Hyrule saß gerade an seinem edlen braunen Schreibtisch mit einer übertriebengroßen Lesebrille auf der länglichen Königsnase. Nur eine Öllampe, die ihren bräunlichen Schein durch seine gesamte herrliche Stube schickte, war entfacht. Sein graues, widerspenstiges, schulterlanges Haar hatte er zu einem kleinen Zopf verbunden. Nur seine Tochter hatte ihn je so gesehen, niemand anderer als sie bekam den Harkenia zu Gesicht, der er in diesem Augenblick war. Sorgsam ging er alte Papiere durch, beschäftigte sich mit einem Handelsabkommen des Nachbarlandes Holodrum, unterzeichnete die Verlängerung einiger Friedensverträge und suchte nach Möglichkeiten, die Legislative gerechter werden zu lassen. Ja, Harkenia von Hyrule war stets an der Fortschrittlichkeit seines Landes interessiert, hatte sogar mitgewirkt, die althergebrachte Methode des Hängens für jene Verräter der Monarchie abzuschaffen. Die eigene, verstandslose Selbstaufgabe für das Land Hyrule hatte nicht nur er als Tausch für Frieden und Sonnenschein eingefordert, nicht nur er, sondern auch seine Tochter...

Vielleicht konnte man dies als ein Grundstein für das starke Band von Vater und Tochter bezeichnen. Und auch Harkenia teilte die Sorge Zeldas um ihren Helden Link, da er sehr gut wusste, wie belastend jene Sorge für das stets so heitere Gemüt seines einzigen Kindes war.
 

Gähnend lehnte sich der knapp fünfzig Jahre alte Mann zurück, der trotz seines Alters noch sehr aktiv und mobil war. Er wagte einen Blick zu einer riesigen schweren Standuhr in seinem Gemach, die zu voller Stunde ein lautes Läuten von sich gab. Zwölf Uhr...
 

In dem Moment kam das aufgeregte Klopfen, das Harkenia nicht einmal verwunderte. Er ahnte sehr wohl, wer vor den riesigen Toren seines eigenen Reiches stehen würde. Langsam stand er auf, trat über den roten Teppich zu der schweren Tür und öffnete diese einen Spalt. Aufgelöst sahen blaue Augen in seine, die die gleiche Farbe hatte. Eine Kerze in ihren sanften Händen und nur ein violettschimmernder Mantel umgeworfen stand seine Tochter vor seinem Gemach. Traurigkeit sammelte sich in ihren Augen, bis Harkenia die Tür soweit öffnete, dass sie eintreten konnte.
 

"Zelda?" Sie antwortete zunächst nicht, blies die Kerze aus und legte den langen Umhang auf einem Stuhl ab, als sie in den Raum trat.

"Was führt dich zu so später Stunde noch zu mir, mein Kind?" Sie atmete tief durch und ließ sich auf einen der kiefernbraunen Stühle mit den hohen Lehnen niedersinken. Leicht verwundert über ihr Schweigen und den bangen Ausdruck auf ihrem Gesicht, setzte sich der König, nun vielleicht mehr als sonst in der Vaterrolle, zu ihr an einen runden Tisch mit Obst auf einer goldenen Schale beschmückt.

"Ich ersuche deinen Rat, Vater", sprach ihre helle Stimme, leise und sanft. Etwas, das Prinzessin Zeldas Einzigartigkeit ausmachte- ihre sanfte Stimme, die sich wie Balsam auf fremde Ohren legen konnte. Harkenia schichtete seine rauen Hände über die jungen, unbeschundenen der Prinzessin, die auf der tizianfarbenen Tischdecke ruhten. Er sagte kein Wort, sondern schenkte seiner Tochter einen verständnisvollen Blick.

"Erinnerst du dich... an..." Sie blickte scheu weg, stets damit ringend, ob sie mit ihrem Vater tatsächlich über ihren besten Freund reden konnte. Was wusste Harkenia schon über den Zeitkrieg, doch nur die Dinge, die in den Büchern standen, lediglich die Prophezeiungen über den Helden Hyrules. Er selbst hatte die Dinge damals nicht am eigenen Leibe erlebt, hütete aber, so wie jedes andere Mitglied der Königsfamilie jene lebende Legende...

"Du meinst den Helden der Zeit, nicht wahr?" Zelda blickte leicht überrascht auf, sah wiedereinmal Verständnis in den Augen ihres Vaters.

"Woher weißt du...?"
 

Harkenia lachte laut auf und lehnte sich in seinem Sessel genüsslich zurück.

"Meine liebe Zelda, ich kenne dich jetzt schon gute fünfzehn Jahre. Und wann immer du an jemanden denkst, der dir sehr am Herzen liegt, dann hast du so ein kleines, aber hübsches Funkeln in deinen himmelblauen Augen." Harkenia legte eine Hand über ihre rechte Wange und blickte sie entschieden an. "Und wann immer meine Tochter an ihren Helden denkt, ist dieser kleine Funken Glück dazu bereit nach außen zu strahlen." Zelda blickte höflich weg und lief zögerlich zu einem nahen Fenster. Sie tupfte mit ihren bloßen Händen an das glatte Glas. Ein Hauch ihres warmen Atem verdichtete die Sicht.

"Er besuchte mich vor wenigen Stunden.", meinte sie leise.

Harkenia nickte mit überlegenem Blick. "Ich weiß..."

"Woher?" Schockiert drehte sich Zelda vom Fenster weg und las in den blauen, alten Augen ihres Vaters.

"Eine Schlosswache hat mich darüber in Kenntnis gesetzt. Nun beantworte mir eine Frage, Zelda. Warum ist er nicht geblieben?" Auch der König Hyrules hegte nichtverschwiegenes Interesse an Link. Warum und wieso war jedoch vielen ein Rätsel. Seine engsten Vertrauten kannten diesen Grund nicht und noch weniger seine eigene Tochter.
 

"Link ist nicht mehr derselbe, Vater.", murmelte sie, spürte ein Spannen in ihrem Bauch, allein, da sie an ihn dachte, fühlte seine Zweifel und die Leere in seinem Herzen. Sie drehte sich in Harkenias Richtung, besaß Entschlossenheit und doch stillen Unmut. "Sein Herz ist zerfressen von Selbstzweifeln. Er weiß nicht einmal mehr wer er ist und das schlimmste scheint wohl, dass jegliche Wärme aus seiner Seele verschwunden ist. Als er mich besuchte... er..." Zelda brach ab, fand nicht die richtigen Worte.

"Jeder macht mal eine schwere Zeit durch, mein Kind, ich bin mir sicher, er wird zu seinem wahren Ich zurückfinden." Verärgert unterbrach sie ihn: "Nein, das bezweifle ich. Irgendetwas ist geschehen und nun wiegt er sich mit Zweifeln, mit der Einsamkeit, mit Ängsten, ja Ängsten, die er früher erfolgreich bekämpfen konnte." Voller Entrüstung endeten ihre Worte in verzagten Tönen. "Ich erkenne ihn einfach nicht wieder. Der Junge, den ich einst kannte, für den ich Bruderliebe empfand, er ist... nicht mehr." Mit den Tränen kämpfend wirbelte Zelda herum.

"Er sehnt sich nach einem Zuhause", ergänzte sie und blickte traurig zu Boden, konnte dem wissenden Blick ihres Vaters keine Gegenwehr leisten.
 

Nur einige Sekunden waren vergangen, da legte der König von Hyrule seiner Tochter zwei raue Hände auf die Schultern. "Ein Zuhause?", wiederholte er.

"Ja... etwas schönes, wenn man es nicht vermissen braucht, nicht wahr?"

"Und du möchtest ihm irgendwie helfen, sich an seine Bestimmung zu erinnern?" Nickend bestätigte sie seine Worte.
 

Nachdenklich fuhr sich der König über sein Kinn, durch den kurzen grauen Bart. "Du erzähltest mir einst, seine Eltern waren Nachfahren der Wächter des früheren Königshauses, also unserer Vorfahren?" Zelda nickte, es war vielleicht die einzige Sache, die sie über Links nebulöse Vergangenheit wusste. Schade und dumm, dachte sie. Zelda von Hyrule besaß so viele Fähigkeiten, hatte soviel Einfluss und das nicht nur in ihrem Heimatland, aber Link nur irgendwie beistehen zu können, war schlichtweg unmöglich für sie. Warum hatte sie damals nicht noch mehr nachgebohrt, wann immer sie mit dem einstigen Kokiri über Vergangenes sprach. Wie dumm... Beschämt über die mangelnde Weisheit diese Sache nicht anders gehandhabt zu haben, war sie nun. Beschämt und wütend auf das Fragment in ihrer Hand. Denn so viele Freuden brachte Macht, aber doch nicht die notwendige Hilfe, einem Freund zu helfen. "Wenn sein Vater tatsächlich Ritter gewesen ist, warum hat ihm noch nie jemand vorgeschlagen, das Studium an der Ritterschule im Norden anzufangen, Zelda?" Zeldas Mund öffnete sich schwach, und doch wusste sie darauf keine Antwort.
 

"Außerdem", fing Harkenia an, während er zu seinem Schreibtisch lief und einen gigantischen Stapel alte Pergamentrollen hervorzauberte. "müssten seine Eltern hier verzeichnet sein. Dies sind Stammbäume, welche über Hunderte von Jahren zurückreichen." Begeistert sprang Zelda näher und lockerte einige Schnallen an den Rollen.

"Vater, das ist ja phantastisch." Ihr Gemüt erhellte sich von einer auf die andere Sekunde. Aber ja, dachte sie. In Schloss Hyrule werden seit Ewigkeiten Stammbäume von namhaften Rittern aufgezeichnet. Wieso hatte sie nicht eher daran gedacht. Es wäre vielleicht eine Möglichkeit für Link, etwas über seine Vergangenheit zu erfahren.

"Aber dies wird die Arbeit für Hunderte Stunden werden."

"Das ist mir egal.", erwiderte sie. "Ich mache das gerne." Sie umarmte ihren Vater für diesen wunderbaren Einfall und schnappte sich einige Rollen.

"Die restlichen Rollen befinden sich in den alten Schlosskellern, mein Kind. Aber übertreibe das Nachlesen nicht, du hast schließlich noch andere Pflichten." Zelda ließ die Rollen wieder auf den Schreibtisch fallen und sagte leise: "Was genau meinst du, Vater?" Sie ahnte irgendetwas. Seit langem schon verbarg ihr Vater etwas vor ihr, ein Geheimnis womöglich... etwas, was mit ihr zu tun hatte...
 

Andere Pflichten. Sie wusste sehr wohl um ihre Verantwortung und hatte diese Einstellung schon während des Zeitkrieges bewiesen. Der Zeitkrieg... keine schönen Erinnerungen, nur die Nacht lobpreisend, kein Sonnenstrahl flutete damals die Wolkendecke...
 

"Zelda, mein Kind. Du bist wunderbar in deiner Rolle als Prinzessin. Niemand schlägt dir das ab oder behauptet das Gegenteil, aber..." Es gab in Zeldas Welt immer ein Aber und so langsam ahnte sie, was das Thema dieses Gespräches war.

"Du bist einfach keine Lady...", meinte Harkenia und hatte trotz des ernsten Tones etwas Vorwitziges, Spaßhaftes in seinem gutmütigen Gesicht. Zelda zuckte mit den Schultern und grinste unschuldig. Wann immer ihr Vater dieses Thema ansprach, liebäugelte sie ihn auf diese Weise, schaute unschuldig in die Höhe und spielte mit ihren Händen an einigen blonden Haarsträhnen. Eine Angewohnheit, die beispielsweise nicht zu einer Lady gehörten.

"Du bist ein Wildfang, Zelda. Und langsam wirst du diese Seite ablegen müssen."

Widerwillig und stur setzte sie hinzu: "Das kann ich aber nicht. Ich bin, wie ich bin." Harkenia schüttelte mit dem Kopf. "Dann wirst du es lernen. Ich sage das nicht, um dir weh zu tun, mein Kind."

"Schön und wie soll ich bitte meinen Charakter ändern? Wie soll ich ändern, wer ich bin und was ich bin?"
 

Harkenia antwortete zunächst nicht, sondern spähte mit seinen wissenden Augen hinauf ans dunkle Himmelszelt, wo langsam der Regen endete.

"Vor einer Woche wurde das neue Jahre eingeleitet und in einem Monat beginnen wieder die Unterrichtstage an der Rittschule. Aber nicht nur dort..."

"Du redest doch nicht etwa von..." Harkenia nickte entschieden. Ihre Augen zu Schlitzen geformt, verwirrt und doch verstehend, erkannte die Prinzessin, was ihr Vater versuchte zu unterbreiten. Nicht nur der Unterricht in der Ritterschule der Söhne des Schicksals würde von vorne beginnen. Auch die Mädchenschule, welche nicht weit entfernt davon stand, würde neu eröffnet werden.

"Ich glaube, es ist das beste, wenn du diesen Weg gehen wirst, mein Kind."

"Ich soll an Madame Morganiells Mädchenschule gepflegte Manieren lernen? Ich soll sticken, tanzen und unecht reden lernen?"

"Ja, das wirst du?" Entsetzen und Schock standen in Zeldas blauen Augen. Sie schüttelte mit dem Kopf, wich augenblicklich zurück und fühlte das Triforcefragment der Weisheit in ihrer Hand vibrieren. "Nein, das kannst du nicht von mir verlangen."

"Zelda, dir bleibt keine andere Wahl.", meinte ihr Vater streng und hielt sie an ihren Schultern fest. "Bitte, Zelda.", sagte er. "Es war der Wunsch deiner Mutter..." Die Erinnerung an ihre Mutter wachrufend, bekam der stolze König Risse in seiner Stimme.

"Denk' bitte darüber nach."

"Das brauche ich nicht, meine Entscheidung steht fest.", murrte sie, schnappte sich ihren Umhang und hastete hinaus aus den Gemächern ihres Vaters, schlug die Tür mit ein wenig zu viel Kraft zu und hastete mit den ersten Rollen Pergament zu ihren eigenen Kammern...
 

Es war wohl eines der Dinge, die Zelda niemals lernen würde. Ihren unerträglichen Dickkopf abzulegen, ihr wildes Temperament zu zügeln oder eben eine Lady zu sein...

Zielstrebig marschierte Link mit gesenktem Haupt, seinen Kopf vor dem Regen schützend unter einer grauen Kapuze vergraben, auf die alte, mit hohen Mauern umzingelte Farm der rühmlichen, weitzurückreichenden Lon-Lon- Familie zu. Ab und an durchbrach helles Mondlicht glimmend die dunklen wütenden Gewitterwolken. Tiefblaue Augen stachen kühl und beherrscht unter dem grauen Umhang Links hervor. Kalt und distanziert. Sachte hob er seine Kapuze ein Stück an, sah Lichter, viele, viele Lichter auf der alten Farm, die sein Interesse weckten. Fast von alleine wurden die Schritte des einstigen Helden der Zeit schneller. Er stapfte durch das hohe, durchgeweichte Steppengras und mit jedem Schritt hinterließ er verräterische Fußspuren im kalten Matsch. Etwas war im Gange, das sagte ihm sein sechster Sinn. Denn Link spürte die Gefahr, ohne sie sehen zumüssen, ein Geheimnis seiner besonderen Seele, der Segen ein Kind des Schicksals zu sein.

Ruckartig schnitten gewaltige Schreie, grölende Stimmen durch die Stille der Steppe. Flehende Hilfeschreie, Jammern und Wimmern, welches seine Schrecken, seine gefahrvollen Ausläufer zu vielen Bereichen des Landes schickte. Verzerrte Angst, Kälte und Tod.

Näher und näher kam Link der Farm und mit jeder Sekunde, die verging wurden die Lichter zahlreicher, mörderischer und gnadenloser. Feuer war es, das dort in die Höhe schoss. Giervolles Feuer wütete auf der alten Farm, steckte in Brand, was einst blühend und glücklich war. Link hetzte, raste über die Steppe, ständig die vielen Schreie von Mensch und Getier im Genick.
 

Es kam ihm vor, als wäre er Stunden gelaufen, als er hektisch mit rasendem Puls zu dem eingetrümmerten, hölzernen Tor der wirtschaftlichen, alten Farm rannte, ständig begleitet von dem Gefühl, sehr genau zu wissen, was ihn erwartete. Erneut die gefährlichen, furchtvollen Schreie in seinen Ohren, versuchte sich Link mühevoll durch die vielen, zerfetzten Holzbretter zu wühlen. Verdammt, was war hier am Werk, schallte es durch seinen Kopf. Fluchend griff Link an die heißen, glühenden Holzbretter, verbrannte sich seine Finger an dem in Feuer aufgegangenem einfachen Holz, zerrte unter zermürbenden Atemzügen ein großes Brett zur Seite, um einen Zugang freizulegen. Ein Schrei entkam seiner Kehle, als er sich die Finger mehr und mehr ansenkte und sich glimmende Holzscheitel in seine Haut bohrten. Angewidert kämpfte er sich durch den verschütteten Eingang, spürte das Auflodern von Gefahr in seinem Blut. Böses wütete hier. Teuflisches schien im Gange zu sein. Wieder entsetzliche Laute von trockenen Kehlen, die gefoltert wurden, gemischt mit hellen Stimmen. Dann Trommeln und fremde Gesänge, die mit einem kraftraubenden, beißenden Gesang die Nacht verhöhnten, Hyrules Steppe bestialisch verschmutzten.

Links Blick fiel zuerst entgeistert zu den vielen alten Eichen, die allesamt in Brand standen. Kleine verbrannte Teilchen wirbelten durch die Luft und benetzten das Gesicht und die Hände des fünfzehnjährigen Jungen, während der Mond seinen hellen Schein nicht mehr zeigen durfte. Die Häusergruppe stand ebenso in Feuer, durchgedrehte Kühe, wütende Stiere und wiehernde Pferde, gackernde Hühner und Enten rannten ihm entgegen. Hysterisches Vieh trampelte gnadenlos, wie vor dem Tod fliehend in seine Richtung. Schnell und gekonnt wich Link den Tieren aus, hetzte hinter einige Kisten, die ihm noch Schutz boten, von wo aus er nicht gesehen werden würde. Er konnte den Boden vibrieren fühlen, als zahllose Hufe sich in das grüne Gras bohrten.

Vorsichtig, schleichend, wagte der junge Kämpfer einen Blick hervor, wanderte mit seinen scharfen Augen in Richtung des Zentrums der Farm, wo gewöhnlich in einem riesigen abgezäunten Bereich die Kühe weideten und die Pferde Auslauf hatten.
 

Er schlich näher an die Szenerie, sah viele Fackeln, geführt und präsentiert von unzähligen Gestalten in schwarzen Roben. Etwas begann zu schlitzen auf der linken Hand des Helden, dann in seinem Rücken, ähnlich einer Warnung vor grausamen Erinnerungen, die er doch so zahlreich in seinem jungen Leben hatte erfahren und nicht vergessen müssen. Erneut die hellen Menschenschreie und Links Augen durchbrachen mit einem Hauch Magie die Dunkelheit, nur um zusehen, dass einige Menschen am Zaun angekettet dem Untergang der Farm zusehen mussten. Sechs Hylianer waren dort, soweit Link dies erkennen konnte. Diese kleine Gruppe schauderte angesichts der vielen anderen Gestalten, die in ihren tiefschwarzen Gewändern teuflische Reden schwangen, die jetzige Herrschaft unter Harkenia von Hyrule ankreideten, verächteten und ihre gespenstischen Parolen unter den geweiteten Himmel trällerten. Link vernahm nur einige Fetzen des Gesanges einer alten, verbotenen Teufelssprache, die schon Ganondorf damals gerne genutzt hatte. Es widerte ihn an, vergiftete die Wärme in seinem jungen Herz wie schwarze Magie. Geführt von Zorn und Hass wanderte eine raue Kämpferhand an das lederne Heft eines Schwertes, während kühle Augen dem Geschehen zusahen, um auf die perfekte Gelegenheit zu warten. Link roch die Gefahr, gemischt mit säureartigem verbranntem Gestank.
 

Zahlreichen Kreaturen versammelten sich in einem Kreis, genau im Zentrum der Farm. Einige gebuckelte kleinere Wesen, vielleicht dumme, einfältige Moblins, die dafür bezahlt wurden, hatten Schaufeln in ihren Händen und begannen zu graben. Gebieterische kalte Stimmen zwangen die Dämonen der alten Zeit zur Arbeit, während in Link immer mehr Groll und Kampflust anstieg.
 

Langsam, unbemerkt schlich Link näher und näher, verbarg sein Erscheinungsbild hinter den absterbenden Bäumen, dann hinter Pfählen des Zaunes, bis er mehr und mehr sehen konnte. Viele, viele in schwarzen Samt gehüllte Wesen, von denen man nicht wusste, ob sie menschlichen Ursprungs waren, ob sie vielleicht schon lange dem Pfad des Lichtes abgeschworen hatten, versammelten sich, tanzten schauderlich zu ihrem unheimlichen, verspottenden Reigen. Ihre Gestalten, so kalt und böse, wie die dunkle Seite des Triforce. Grausamkeit zelebrierten sie, schufen mit ihren kratzigen Kehlen Respekt, der doch nur aus Angst gezeugt wurde.
 

Eine Schweißperle rannte Link über seine Stirn, während er langsam die Kapuze von seinem Schädel zog. Ein Impuls der Gefahr, der Vorbereitung auf den Kampf, jagte seine Venen entlang. Sein Puls wurde schneller, da sein Herz mit den Trommeln der dunklen Diener im Rhythmus zuschlagen begann.
 

Mehr und mehr sahen seine Augen, als der Regen langsam verging und die gespenstischen Fackeln die alte Farm in ein blutendes Meer roter Farben verwandelten. Die unheimlichen Hünen zogen ihre Gewänder zurück und Link konnte deutlich verwandelte Köpfe erkennen. Hylianer... es waren Hylianer, die für diesen Schrecken verantwortlich waren. Und auf jeder Stirn dieser vielen Gestalten war ein Zeichen aufgemalt. Ein blutrotes Dreieck, wohl das Symbol für das Fragment der Kraft. Und ein schwarzer Dreizack durchschnitt jenes mächtige Relikt auf jeder Stirn...
 

Es schien als würden jene dem Tode Geweihten etwas suchen, etwas altes, was einst auf der Farm vor fremden, lüsternen Gemütern versteckt wurde.
 

Langsam pirschte sich der jugendliche Held an die Gefahr heran, schlich wie ein Schatten über das verbrannte Gras zu den gefangenen, wehrlosen und wimmernden Hylianern. Leise hüpfte Link näher, verbarg sein Abbild geschickt in den Schatten anderer Besitzer, so wie Shiekah sich in dem Schatten anderer, sogar lebloser Objekte verstecken konnten. Mit vorgezogener Schwertklinge erreichte er die vielen Gefesselten, deren Wimmern abrupt und verräterisch stoppte, als Link mit zurückgezogener Kapuze seine Anwesenheit preisgab. Malon, das junge Farmmädchen, war die erste, die ihn erkannte und beinahe einen Freudenschrei ausgestoßen hätte. Schnell legte Link der fassungslosen rotbraunhaarigen Farmertochter eine Hand über den Mund. Sein mutiger Blick ging von einem zum anderen Gefangenen, als er seinen rechten Zeigefinger an seine Lippen führte, um den Opfern klarzumachen, was zu tun war. Zwei ältere grauhaarige Hylianer, der schmächtige Basil und der dickliche Talon mit seinem runden Bierbauch und dann noch ein Link unbekannter Bursche mit einem kleinen Baby auf dem Arm und eine weitere Frau, waren hier in Geiselnahme. Schnell und ohne Zeit zu verlieren durchtrennte der Held mit seinem Schwert die Seile, sodass die Hilflosen jetzt flüchten konnten. Unbemerkt schlichen Malon und die andere hinter dem Zaun entlang, ständig damit ringend schreiend zurennen, die Angst sich besiegen zu lassen. Unter enormen Druck Ruhe zu bewahren schlich einer nach dem anderen hinter Kisten, hinter den brennenden Bäume entlang, angstvoll und verzweifelt.
 

In dem Moment näherte sich Link dem Geschehen im Zentrum, verbarg sein Antlitz geschickt im Dunkel. Ein dunkles Augenpaar jedoch spürte fremde Energie, ja sogar Macht an diesem Ort, wo doch nur etwas Vergessenes gefunden werden sollte. Prüfend wand sich jenes machtgierige, verschmutzte Augenpaar in die Richtung der Geiseln, erkannte verräterisch, dass jene flüchteten. Eine tobende Stimme sendete zischendes Dröhnen über die Farm, sodass all jene des geheimen Bundes ihre mit Blut bemalten Häupter in die Höhe reckten, erkannten, wussten.
 

Links heller Ruf schallte durch die rauchige, verbrauchte Luft: "Lauft!", brüllte er zu jenen, die doch um ihr Leben rannten. Malons schöne Singstimme klagte flehend auf, stimmte einen jammervollen Chor mit den anderen Flüchtenden an. Die Hylianer rannten geschwind, so wie ihre zitternden Knie sie tragen konnten, sie rannten vor der namenlosen Gefahr, die ihr Zuhause zerstört hatte.
 

Giftendes, vibrierendes Krächzen derjenigen, die foltern wollten, die töten wollten, tobte durch die Nacht, und viele fassten den inzwischen ungeschützten Helden ins Auge. Quälende, glühende Augen, die ihre Seele, welches einzig einen Blick durch die Augen auf das Antlitz des Inneren gewährte, verkauft hatten. Ein Pfand hatten jene Teufelsdiener bezahlt, nur um einer Macht willen. Gezänke wurde laut. Tiefe Stimmen. Einige hetzten mit einfachen, rostigen Schwertern auf Link zu, andere sprangen in das Loch, welches Moblins gegraben hatten. Furchtlos wirbelte Link die Klinge umher, kämpfte sich kraftraubend durch die niederträchtigen menschlichen Wesen. Erneute Last für sein Gewissen, da er tötete. Erneuter Mord, ausgeführt von fünfzehnjährigen Händen, für die er sich irgendwann vor den Göttinnen verantworten müsste. Doch hatte Link wirklich eine Wahl? Konnte er dem Tod, dem Morden entrinnen, wenn er selbst nicht sterben wollte?

Zügellos, ohne Mitleid wanderte sein scharfes Schwert durch Leiber niederen Abschaums, die dem Land seine Ruhe raubten. Für Hyrule, schallte es durch Links Kopf. Für Hyrule. Morden, zum Wohle Hyrules...
 

Von weitem erkannte Link viele aus dem Graben kriechende in dunklen Roben gekleidete Gestalten, während er sich durch andere zischende Feinde hindurchkämpfte. Sie trugen etwas. Eine Art Truhe, vielleicht auch einen Sarg. Mehr konnte Link durch die Dunkelheit und durch den Qualm nicht mehr erkennen. Erneut fiel der Regen, während die Klinge Links blutig im hellen Mondlicht schimmerte. Und er kämpfte weiter, folterte seine jungendliche Seele mit dem Kampf, den er doch niemals gewinnen würde- dem Kampf gegen sein eigenes Schicksal. Brodelnd schnitten biestige Stimmen durch die Luft, beschimpften das Einmischen jenes Jungen, der in einer alternativen Zukunft ein strahlender Held gewesen war.
 

Sie umzingelten ihn, attackierten Link von jeder Seite. Ein schmerzhafter Stoß an seine Stirn, ein Treten und der junge Held verlor das Bewusstsein, während Bilder des Schreckens, der unbezwingbaren Flammen, des Rauches und der Qual in seinem Gedächtnis haften blieben.
 

Es war spät. Die gewaltige Sturmherrschaft über der endlosen Steppe gab auf und ein stiller Mond leuchtete am Himmel empor, senkte sein Haupt dem Morgen entgegen. Eine Schar Krähen flogen um schwere, schwarze Türme einer Festung nahe der alten Lon-Lon- Farm. Doch keiner der vielen Söldner, Wächter und Ritter, die hier ruhten, um am morgigen Tage ihrer Pflicht wieder nachzugehen, bemerkte das Feuer, welches gnadenlos in die Höhe stieg. Niemand sah den Untergang der alten Ranch, denn es konnte niemand sehen. Von weitem erklang kein Laut, die Nase kitzelte kein Geruch nach Verbranntem, denn es geschah nicht für die Augen anderer Hylianer... Niemand war in der Lage das Ungesehene zu erkennen, oder zu erinnern, nicht einmal die, die Link rettete...
 

Einige Reiter preschten über die Steppe, und ihrer glorreichen Ankunft preisend, wurde eine schwere Zugbrücke hinabgelassen und ein verrostetes Gittertor öffnete sich mit sturem Getöse. Es waren Ritter, getreue Diener der Königsfamilie, die in einem Karren einige Gefangene, Verräter der Monarchie und sonstige Verbrecher transportierten. Ein Späher der Gefangenenfestung läutete eine schrille Glocke und rief vom höchsten Turm der Burg hinab.

"Sir Viktor mit seinen Männern erreichte soeben die Feste. Sir Viktor!" Ein lautes Jubeln ging los als, der bekannte namhafte Ritter in den Burginnenhof einritt, stolz auf seinem Friesen sich selbst präsentierend. Erhobenen Schwertes in einer glänzenden Hylianerrüstung trabte er voran. Schwungvoll sprang er aus dem Sattel und nahm seinen aufwendigen Stahlhelm ab. Aschblondes, dünnes Haar fiel bis zum Kinn und schwarze Augen blickten eitel auf, als einige Stallburschen angelaufen kamen und dem Herren der Burg die Zügel abnahmen, um die Pferde zu versorgen. Ein rechtsseitig gelähmter, älterer Mann kam an einem Krückstock angehumpelt. "Lord Aschwheel, humpelt Ihr immer noch durch die Gegend?", sprach Viktor verhöhnend, als er seine Waffen abschnallte und diese einem kleinen Kerl mit einem gewaltigen Anpfiff auf den kindlichen Rücken auflud.
 

"Und Euch macht es anscheinend nach Eurer langen Reise immer noch Spaß, andere wie Aß zu behandeln. Ich sehe schon...", meinte der alte Humpelnde. "... Ihr habt Euch mit keiner Silbe verändert, Viktor." Doch der aschblonde Vierzigjährige grinste nur spöttisch und deutete auf den Karren mit den Gefangenen.

"Wir haben Beute." Ein niederes Gerede von einfachen Hylianern, da Viktor selbst alle die, welche nicht in sein Weltbild passten, als minderwertig ansah. "Sperrt diesen Abschaum in die Kerker. Die drei älteren haben König Harkenia beleidigt und der jüngere, bewusstlose Kerl mit der nussbraunen Tunika hat ein Mädchen entführt. In den nächsten Tagen sollten wir diese enthaupten lassen." Er lachte giftig, ähnlich dem Gezische einer Schlange und hielt sich seine dreckigen, rauen Hände an den Wanst.

Doch Lord Aschwheel hielt ihn zurück. "Ihr scheint nicht auf dem neusten Stand zu sein. Unser König hat die Todesstrafe abgeschafft. Ihr könnt Euch nicht mehr an hängenden oder enthaupteten Köpfen erfreuen." Diesmal war es jener alte, humpelnde Mann, der lachte und sich an dem leicht verärgerten Gesicht des Ritters ihm gegenüber belustigte.

"Ja, und vergesst nicht, dass in wenigen Tagen die zukünftigen Ritter in der Schule vorgeführt werden. Ihr sollt dort Unterricht geben.", sagte der alte Graue und lief langsam auf seiner Krücke zu einem Seiteneingang.

"Keine Sorge, ich werde den jungen Spunden schon beibringen, wie man tötet.", lachte der Kerl. "Wo ist eigentlich Lavender?", setzte die kratzige Stimme Viktors hinzu. Lavender war eine junge Lady, braunes, extrem langes, häufig hochgestecktes Haar und sie war die Tochter des humpelnden Mannes, dem es gar nicht Recht war, dass seine einzige und dazu noch so liebliche Tochter gerade mit diesem Dreckskerl von Sir Viktor liiert war. Fünf Jahre hatte sie auf die Rückkehr ihres Mannes warten müssen und doch war Viktor nicht der, den jene lediglich siebenundzwanzig Jahre alte Lady einst geliebt und geheiratet hatte...

"Sie wartet in Euren Gemächern.", meinte der Alte und verschwand.
 

Indessen wurden die Gefangenen aus dem Karren gestoßen, landeten knackend, schmerzhaft auf dem mit Stein beschlagenen Boden mit dem vielen kalten Matsch. Doch selbst durch den harten Aufschlag wachte der Jugendliche mit dem blonden Schopf nicht auf, dem der Vorwurf der Entführung gemacht wurde.
 

Wenig später befanden sich die Gefangenen in tiefen, unterirdischen, stinkenden Schlosskerkern, wo Ratten ihre Schlupflöcher hatten und Schlangen durch kalte, schwarze Pfützen krochen. Ein junger Blondschopf lag zusammengekauert auf einer einfachen, kalten Pritsche in einer der vielen Zellen. Nur ein kleines mit Gitterstäben versehenes Guckloch gewährte einen Blick nach außen, hinaus zur in Nacht gehüllten Steppe.

Zitternd wand sich der Jugendliche hin und her, hatte Alpträume, wie jede Nacht, fühlte Elend und Schmerz auch dann, wenn er aus seinem Schlummer aufwachen würde.
 

Ein Wärter lief langsam außerhalb durch die feuchten Gänge, blickte mit seiner Öllampe in die vielen dreckigen, dunklen Zellen mit den Gefangenen und lief dann mit Klacken durch die schmierseifenartigen Pfützen hier in den alten Kerkern.

Einige Gefesselte zankten, andere schnarchten und viele wimmerten, erzählten Unfug und paranoide Geschichten vom Hier und Jetzt und einer träumerischen Welt, die noch folgen konnte.
 

Der Fünfzehnjährige schreckte plötzlich zusammen, den Namen Zeldas auf seinen Lippen, bis er seinen Körper unkontrollierbar hin und herschlug, sich quälte, hoffend, der Name in seinen Gedanken könnte ihm die Folter abnehmen, die er jede Nacht durchmachte. Ein bettelndes Wimmern entkam seiner Kehle, bis er plötzlich zusammensank. Ruhig und still wurde sein Körper und das leiderfüllte tiefe Blau einst so mutiger Augen gab sich blinzelnd preis. Seine Augenlider öffneten sich schwach und doch begriff er nicht, wo er war, verstand nicht die Umstände, hatte keine Ahnung von den Dingen, die man ihm zur Last legte. Er sah sich um, fühlte Kälte und Nässe in dieser Zelle und lehnte sich den Kopf haltend an die Wand. In seinem Schädel hämmerte es so stark, als ob irgendjemand ihn spalten wollte. Er schwitzte und fror zugleich und besann sich auf die Ereignisse von vor wenigen Stunden. Er erinnerte den blutrünstigen Kampf, die schrecklichen Kreaturen und die entsetzlichen Schreie derjenigen, die dem Ende ihres Zuhauses zusehen mussten. Ob Malon und die anderen in Sicherheit waren?
 

Fluchend richtete er sich vollkommen auf und bemerkte ein paar stechende Augen in der Dunkelheit, die ihm interessiert zusahen. Merkwürdige Augen, deren Farbe so undefinierbar war, dass man sie sich niemals merken würde. Schwachgrün und doch graublau, mit einem braunen Ring, der sich um die Pupille zog.

"Auch schon aufgewacht?", sagte eine raue, aber doch angenehme Stimme. Eine starke Stimme. Fast belustigt wiederholte der Insasse der Zelle seine Worte.

"Wo bin ich denn jetzt schon wieder?", meinte Link, der sich doch allmählich daran gewöhnen sollte, plötzlich und ohne Sinn an fremden Orten aufzuwachen. Die in Schwärze gehüllte Gestalt gab sich preis und sprang von dem oberen Bereich eines kläglichen, knarrenden Doppelstockbettes herab. Im Schein einer Fackel, die außerhalb an der Wand hing, konnte Link seinen Leidensgenossen gut mustern. Ein kräftiger Mann, etwa dreißig, stand vor ihm. Fettiges, leichtgewelltes braunes Haar hing offen bis über seine breiten Schultern. Link erhaschte einen Blick zu der rechten Hand des Mannes, wo zwei Fingerkuppen fehlten, die er beim Kampf verloren haben musste. Ja, tatsächlich schätzte Link den Mann so ein, als ob er sehr gut fechten konnte. Aber es mussten ärmliche Verhältnisse sein, aus denen er kam, denn sein mit Rost beschmiertes helles Hemd, die an einem Knie aufgerissene Hose und der halb zerfetzte Gürtel an seiner Hüfte erzählten dem jungen Hylianer Link genug.

"Du bist im guten alten Doomrent."

"Doomrent?", erwiderte Link.

"Eine alte Burg, früher einmal ein warmes Zuhause, doch heute sperrt man hier den Abschaum Hyrules ein. Leute wie dich und mich."

Ungläubig schüttelte Link seinen Kopf und sprang mit einem gutgemeinten Sprung von dem kalten, rissigen Bett. "Ich habe nichts getan! Also, wie beim Heiligen Triforce bin ich hier gelandet?", fauchte er. Nur wenige Sekunden bemühte sich Link auf den Beinen zubleiben, aber irgendetwas machte ihm einen Stich durch die Rechnung. In seinem Kopf begann es zupochen, sein Magen begann zuarbeiten und erst jetzt registrierte er die Schwäche der letzten Tage ohne Nahrung, die sich mit purer Schwärze vor den Augen bemerkbar machte.

"Ach nein? Du willst unschuldig sein? Dann würde man dich ja wohl nicht eingesperrt haben." Wütend über diesen Kommentar schenkte Link dem Typen einen anklagenden Blick und lief niedergebeugt zu den eisigen Gitterstäben. Er brüllte in den Gang, verlangte nach einer Antwort, warum er hier eingesperrt war und hörte doch nur abstoßendes Gemurmel von anderen Häftlingen.

"Halt's Maul, Kerl."
 

Dieser Kommentar genügte und Link trat mehrmals mit lauten Schimpfen an die Eisenstäbe, als aber der Zellengenosse Links Hände packte, hinter seinen Rücken zusammenhielt und ihm drohend ins spitze Ohr flüsterte: "Bist du des Wahnsinns! Wir können froh sein, unsere Ruhe zu haben, oder bist du scharf auf eine Tracht Prügel?" Warnung erklag herb aus jenem trockenen, muffigen Mund und doch meinte es der lebenserfahrene Mann nur gut. Er ließ Link ohne weiteres wieder los und hatte etwas Vorwurfsvolles in seinen undefinierbaren Augen. Kopfschüttelnd ließ sich Link überzeugen und setzte sich langsam wieder auf die Pritsche. Dem Dreißigjährigen huschte ein kurzes Lächeln über das Gesicht, wobei seine gelbgefärbten Zähne aus dem aufgeplatzten Mund hervorblitzten. Der Typ ließ sich auf einem alten Holzstuhl nieder und sah Link neugierig an. "Wie heißt du eigentlich?", meinte der Mann.

"Link. Und wer bist du, wenn wir hier schon eine Zelle teilen müssen?" Etwas Verletztes stach aus den Augen des Mannes, der vielleicht genauso wie Link nicht mehr den Namen haben wollte, den er doch trug.

"Nenn mich Schwindler, der einzige Name, den mir die Leute noch geben..."

"Schwindler? Hast du dir diesen Namen erlogen?" Wut in einem mehrdeutigen Blick ließ Link vorsichtiger mit seinen Worten umgehen.

"Ich sitze hier, weil ich die Wahrheit gesagt habe, und mir diese niemand glauben wollte.", sagte der Kerl und stand von seinem Platz auf, funkelte mit seinen durchdringenden, bitteren Augen durch ein kleines Guckloch nach draußen. Ein interessanter, ernster Hylianer, dachte Link und einsam, vielleicht so wie er selbst...

"Und weshalb sitzt du hier, Kleiner?" Nachdenklich wand der junge Hylianer seinen Kopf gen Ausgang und versuchte sich an das Grauen zu erinnern. Den widerwärtigen Schrecken auf der alten Farm.

"Ich weiß es nicht.", meinte er und verschwieg dem Typen bewusst die Wahrheit. Was interessierte es einen Außenstehenden, was mit ihm geschehen war? Wen kümmerte das Schicksal des einstigen Helden der Zeit, ohne den Hyrule schon lange kein sicherer Ort mehr wäre?

"Im Gegensatz zu dir, weiß ich wenigstens, warum ich hier mein Grab finden soll.", sagte Schwindler belustigt.

"Oh nein!", sagte Link stur. "Ich finde hier ganz gewiss nicht mein Grab."
 

Mit einem winzigen Hoffnungsschimmer in seinem verletzten Herzen, blickte er auf seinen linken Handrücken, nahm den ledernen Handschuh ab und suchte nach dem Triforcefragment, welches schon lange verblasst war. Nur undeutlich erkannte Link das Abzeichen der Göttinnen und wusste doch, dass der aufrichtige, ehrliche Mut in seiner Seele schon lange nicht mehr ausreichte, um dieses Symbol zum Wirken zubringen.

"Und wie kommst du darauf? Du besitzt nicht die Mittel und Wege, um hier herauszukommen." Frustriert musste sich Link wohl oder übel eingestehen, dass Schwindler Recht hatte. Nervtötend war diese ganze Situation. Alles, was Link noch wusste, war, dass man ihn bewusstlos geschlagen hatte und nun war er hier, in einer stinkenden Gefängniszelle, bei fressgierigen Ratten, ohne Licht und Wärme. Wie ein Kind zog der Blondschopf seine Beine zu sich heran und legte den Kopf auf die Knie. Soviel hatte Link für Hyrule getan, das ganze Land hatte er gerettet, wo andere nicht stark sein konnten, wo andere davonliefen und nun saß er hier in den Kerkern Doomrents, vergessen und verschmäht. Zum Verrücktwerden, dachte Link. Und ein Abbild der schönen Belle und des unreifen William Laundry geisterte durch seinen stechenden Schädel. Wenn er nicht so eigensinnig und stur gewesen wäre, hätte er die Nacht sicherlich in diesem warmen Haus bei den Laundrys verbringen können. Er hätte die Nacht nicht wieder morden müssen. Er hätte nicht leiden müssen und wäre nicht in dieser modrigen Zelle mit der abgestandenen Luft und den vielen Übeltätern ringsherum.
 

"Du hast einen seltsamen Schlaf, Junge.", sagte der Mann, nur um mit Link in ein Gespräch zu kommen. Tiefblaue Augen blickten kühl in die undefinierbaren Schwindlers.

"Du hast viel geredet." Beinahe ertappt und beschämt ließ Link das Haupt sinken. Er wollte nicht, dass sich jemand einmischte, erst recht nicht in seine Angelegenheiten der alternativen Zukunft.

"Schön und was geht dich das an? Halt dir das nächste Mal doch die Ohren zu.", giftete Link mit seiner einprägsamen Stimme.

"Nana, sei doch nicht gleich so unfreundlich.", murrte Schwindler und kratzte sich mit einer spitzen Nadel den Belag von den Zähnen. Links Kopf ging von der eisernen Nadel zu dem einfachen Schloss an der Gefängniszelle. Hastig sprang Link von der Pritsche und wollte dem Typen die Nadel, wenn nötig mit Gewalt entreißen. Gerade griff Link danach, als aber der Kerl nuschelte: "Noch nicht, denkst du, ich wollte das nicht versuchen?"
 

Link sah dem Typen interessiert ins Antlitz. Und ein verblümtes Grinsen zeigte sich an den Mundfalten Schwindlers, wo ein kratziger, brauner Dreitagebart über das Gesicht lief. Gedämpft sagte er: "Es ist zu früh dafür. Nächste Nacht sind die Wächter nur in halber Zahl auf ihrem Posten, weil die Huren aus der nahen Stadt antanzen. Die ultimative Gelegenheit." Link nickte bedächtig. Immer sympathischer wurde ihm der komische Kerl, der niemanden seinen wahren Namen sagen wollte. Bedacht und langsam setzte sich Link wieder und vergrub seinen Kopf in den Armen. Melancholie kam in ihm auf und immer dann, wenn sich die Hoffnungslosigkeit breit machte, war es Zelda, die in seinen Gedanken herumhastete. Es mochte verrückt sein. Als ob die weise Prinzessin des hylianischen Reiches Links Trübsinn fühlte, so legte sie sich mit ihrer reinen Seele über die schweren, erdrückenden Schatten seines Gedächtnisses, obwohl es doch dumm war an sie zu denken, obwohl er sich geschworen hatte, nie wieder an sie zudenken...

Dennoch, den Schmerz in seiner Seele, die Einsamkeit, konnte auch sie nicht lindern. Sie konnte es einfach nicht, auch wenn sie die ewigwährende Verbindung verwandter Seelen besaßen. Er versuchte sie aus seinen Gedanken zu verscheuchen, wie immer, denn es tat ihm einfach nur weh, wenn sie Zeugin des Schmerzes wurde, der sich in seinem Leben breitgemacht hatte...
 

"Ja ja...", begann Schwindler. "Die Liebe... wegen der sitze ich hier." Ausgebreitet ließ er sich auf dem oberen Bereich des mit verstaubten Laken überzogenen Bettes nieder. "Die Liebe...", seufzte er.

"Ist sie deine Liebe? Das Mädchen, von dem du in deinen Träumen redest?", meinte der Kerl wissbegierig.

"Ich liebe niemanden.", bemerkte Link entgegen seines Willens. Denn er konnte mit dem Wort an sich überhaupt nichts anfangen, wusste nicht warum sich Hylianer überhaupt verliebten. Bei den Kokiris, und er war unter dem kleinen Waldvolk aufgewachsen, gab es so etwas nicht. Liebe? Wozu sollte das denn gut sein, dachte Link.

Schockiert über diesen bedeutungsvollen Satz: ,Ich liebe niemanden.' sahen undefinierbare Augen von dem Doppelbett hinab. "Aber jeder liebt irgendjemanden.", sagte der lebenserfahrene Mann. "Und jeder wird von mindestens einer Person geliebt. Das ist ein Gesetz der Welt. Es sei denn man ist ein Ungetüm..."

"Ja. Es sei denn, es gibt niemanden, den man kennt und der einen kennt.", sagte Link trotzig. Wieder hatte er entgegen seines Willens sein Mundwerk betätigt. Ärger und Abscheu stiegen in ihm auf.

Schwindler schüttelte sein Haupt und starrte nachdenklich an die kalte, graue Decke. Ein komischer Kunde, dieser Link, dachte er. Interessiert wanderten seine Augen hinab, sahen den Trübsinn, sogar leichte Feindseligkeit in tiefblauen Augen, Hass, den Link gegen sich selbst richtete.
 

"Das tut dir nicht gut, Junge...", meinte er leise.

"Was?", sagte der blonde Hylianer stur.

"Dich so gehen zulassen. Es gibt soviel Schönes in Hyrule." Mit diesen Worten legte sich eine merkwürdige Stille in die Zelle. Nur das Knistern der Fackeln außerhalb drang herein. Wut gemischt mit stiller Traurigkeit stand in Links Blick. Soviel schönes in einem alten, märchenhaften Land wie Hyrule... ja, wenn man noch in der Lage war die Schönheit der Welt zusehen, dann entsprach dieser Satz der Wahrheit. Aber Link hatte zuviel Schreckliches gesehen, den Tod gesehen, dass es ewig dauern würde, bis er Licht mit all' seinen Formen wiedersah, erkannte und fühlte... Er konnte die vielen Farben des Windes nicht sehen, die Muster der weißen Wolken am Himmel, die reichlich Rätsel offenbarten. Link konnte die Einzigartigkeit des Lebens nicht mehr sehen und seine Fähigkeit die Geheimnisse in den Seelen der Welt zulesen, verschwand mit dem verlorenen Tage seiner grausamen Veränderung in einem Land des Chaos.
 

"Und es gibt immer jemanden, der uns liebt, gerade in einer Stunde wie dieser...", meinte der Kerl aufrichtig und ein angenehmes Lächeln huschte ihm über das verdreckte Gesicht, wo fettiges Haar hereinhing.

"Man weiß es nur nicht, fühlt es vielleicht nicht. Aber daran glaube ich. Solltest du auch tun. Mit dieser Hoffnung, Kleiner, macht das Leben viel mehr Spaß.", sagte der Kerl nachdrücklich. Meine Güte, dachte Link. Bei diesem zuversichtlichen Mann war das Triforcefragment des Mutes sicherlich besser aufgehoben. Ganz kurz dachte Link daran, dem Typen das Fragment vielleicht zuübergeben. Da es für den Helden der Zeit eben keinen Wert hatte und mehr Fluch war als Segen, kam der Gedanke auf. Auserwählt... was, wenn er dazu bestimmt war, anderen die Macht des Mutes zuüberlassen. Was, wenn er dazu bestimmt war, vergessen zu werden?

Link sprang auf seine Beine und lief zu dem Doppelbett hinüber, sah den Kerl durchdringend in seine undefinierbaren Augen, vielleicht das erste Mal, dass er einen so langen, intensiven Blick standhielt und wollte gerade seinen Mund aufmachen, um Schwindler sein Angebot zu unterbreiten, als aber das Schicksal sich einmischte...
 

Dumpfes Stapfen kam aus dem Gang und mehrere Stiefel bewegten sich durch nasskalte Gänge. Mehrere Ritter in strahlenden, glänzenden Rüstungen eilten herbei. Einige unbeeindruckte Gesichter, aus denen Verachtung und Demütigung vor jeglichen anderen Gefühlen Platz machte, blickten in die Zelle, wo Link und Schwindler saßen. Ein Ritter mit aschblonden Haaren öffnete das kleine Schlösschen an der Zellentür. Mehrere Orden hingen an seiner mit Fett eingeschmierten, glänzenden Rüstung. Herablassend blickte er zu dem Blondschopf und dann irgendwie belustigt zu Schwindler, der seinen Blick einfing. Wahnwitz stand in schwarzen Augen, blanker Wahnwitz, nicht mehr.
 

"Ach Sir Viktor. Geht Ihr wieder junge Dinger vergewaltigen?", sprudelte es aus Schwindlers Mund. Grob wurde er wegen diesem Kommentar von dem Bett gezerrt und landete makaber auf dem eisigen Boden. Dennoch lachte der Kerl und blickte furchtlos in das überlegene mit einer breiten Narbe über dem rechten Augen versehene Gesicht Viktors. Der mit reichen Orden bestückte Ritter schlug mit den Fäusten auf Schwindler ein, trat nach ihm, bis Link wütend von seinem Bett sprang und sich einmischen wollte. Doch er hatte seinen schwachen Zustand nicht bedacht, vergessen, dass er seit Tagen nur Brot und Wasser zu sich genommen hatte. Mit blanker Gewalt schupste man ihn zurück auf die Pritsche. "Misch' dich nicht ein, Trottel." Weitere Beschimpfungen und Gelächter hallten umher, während Schwindler in der Zelle zusammengeschlagen wurde.

Ein letzter Schlag krachte gegen Schwindlers Brust worauf er Blut spuckte, aber seinem Peiniger beinahe amüsiert in die Augen sah. Viktor näherte sich dem Gefangenen, sodass verqualmter Atem aus dessen Lungen in Schwindlers Gesicht schlug.

"Irgendwann krieg' ich dich, verlogener Satansbraten und dann hilft dir kein dummer Spruch mehr aus der Patsche."
 

Dann wanderte Sir Viktors kalter Blick zu dem schwächlichen Link, der mit verschwommenen Blick auf der Pritsche hockte.

"So, und du, Würstchen? Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen?"

"Ich brauche mich für nichts verteidigen, denn ich habe nichts getan. Also, bei Farore, wieso sitze ich in dieser miesen Zelle?" Daraufhin begann die Meute aus Rittern zu lachen und zu kichern, sie kugelten sich schon auf dem Boden. Brüllend und sich erneut seinen Wanst haltend protzte Viktor: "Dir wird der Vorwurf der Entführung gemacht. Die Lon-Lon-Familie beschuldigt dich, das Farmmädchen Malon entführt zu haben." Entsetzt starrte Link den Kerl an, fand zuerst keine Worte dafür und schluckte den Knoten in seinem Hals hinunter.

"Aber ich habe niemanden entführt." Sich rechtfertigend sprang Link von der Pritsche und breitete seine Arme aus. "Ich war vor wenigen Stunden dort, das gebe ich zu, ich war auf der Farm." Sich beinahe verschluckend sprach Link so schnell, dass man ihn nicht ganz verstehen konnte. "Da waren komische Leute, in schwarzen Kleidern, sie haben die Farm angezündet und und...", meinte der junge Held wortsuchend.
 

Darauf lachten die Kerle nur noch lauter.

"Die Farm angezündet?", sagte Viktor. "Dann solltest du mal nach Osten schauen. Die Farm steht in voller Blüte vor uns. Also hör' auf solche Lügenmärchen zu erzählen und sag' uns lieber, wohin du das arme Mädchen verschleppt hast."

"Aber ich habe niemanden entführt!", fauchte Link fuchsteufelswild und weigerte sich, länger in dieser Zelle zubleiben.

"Diese komischen Leute auf der Farm haben etwas ausgegraben und ich habe mich eingemischt. Ich hatte ein Schwert bei mir, wo ist das?"

"Jungchen, du bildest dir wohl ein, der ganz große Held zu sein, was?", eiferte Viktor spöttisch. "Die Familie der Farm hat dich dabei gesehen, wie du Malon verschleppt hast und basta. Erzähl' deine paranoiden Geschichten dem König von Hyrule. Der glaubt dir aber auch nicht, kleiner Bengel. In zwei Tagen wirst du dem Haftrichter vorgeführt und basta."

"Aber ich habe niemanden entführt!", brüllte Link diesmal so laut und ohrenbetäubend, dass Viktor sauer wurde und energisch auf Link zuschritt.

"Verkriech' dich lieber bei den Würmern, du nutzloser kleiner Held." Etwas Gefährliches blitzte in Viktors Augen auf, etwas, dass Link erschreckend absurd schien. Es war nicht nur die Drohung aus seinen Worten, nein, sondern das Wort Held, welches er scheußlich verhöhnt aussprach.
 

Lachend trat Viktor aus der Zelle, die hinter ihm sofort wieder quietschend zugesperrt wurde. Rot vor Zorn trampelte Link an die Eisenstäbe und schlug mit blanker Faust dagegen. "Bleibt gefälligst hier. Ich will hier raus!", brüllte er und fühlte im selben Augenblick eine Hand auf seiner Schulter. Schwindler sah ihn kopfschüttelnd an. Blut tropfte von dessen Oberlippe und ein Riss über seiner rechten Augenbraue ließ dickflüssige rote Substanz an seiner Schläfe entlang wandern.

"Es hat... keinen... Zweck.", brachte Schwindler stockend hervor und krümmte sich ein wenig vor Schmerzen. Link half dem zusammengeschlagenen Kerl wieder auf den hölzernen Stuhl und schwieg, ständig damit ringend diesen Viktor den Fluch der Farore auf den Hals zu hetzen, den aber nicht einmal ein doppelt so schlechter Hylianer wie Viktor verdient hätte. Der Fluch der Farore war eine Qual, eine Folter für niedere Seelen und das Opfer saugte sich auf, bis es sich voll und ganz in Luft auflöste. Link hatte nur einmal die Kontrolle verloren und jenen Fluch gegen einen widerlichen hochrangigen Moblin ausgesprochen, seitdem hütete er sich davor, überhaupt daran zudenken. Denn die Grausamkeit jener magischen Waffe sprengte einfach nur die Vorstellungskraft.
 

"Jetzt weißt du ja, warum du hier sitzt", schmunzelte Schwindler unter seinen Schmerzen. Ein dämliches Grinsen huschte Link über das Gesicht. Selbst jetzt konnte Schwindler noch lachen, wie zum Teufel machte der das?

"Was ist das für ein Scheißkerl, dieser Viktor?", meinte Link.

"Ein hochrangiger Ritter, der sogar beim Rat des Königs ein Wort hat. Er ist der unrechtmäßige Herr von Doomrent und sollte sogar die Chance haben, die rechte Hand des Königs zu werden." Wie bitte, dachte Link. Wie konnte sich ein solcher dreckiger Bastard bis in jene hohen Schichten vorarbeiten und sogar bei dem König Hyrules gut dastehen?

"Aber die liebliche Prinzessin Zelda soll ihren Vater dazu abgeraten haben. Die Göttinnen mögen sie segnen.", seufzte Schwindler. Seltsame Wärme trat für wenige Sekunden in Links Augen. Zelda... das war typisch für sie. Sicherlich hatte sie diesen Viktor sofort durchschaut, als sie ihm das erste Mal begegnete.

"Ja, die Göttinnen mögen Zelda segnen...", wiederholte Link.

"Aber warum hat dieser Kerl denn so einen Groll gegen dich, Schwindler?", fragte der junge Held wissbegierig und setzte sich mit einem Sprung wieder auf die verschrumpelte Liege, versuchte seine Wut im Zaum zuhalten, hier zu sein.

"Weil ich genau weiß, dass er sich das, was er besitzt nur mit Verrat und Lügen verdient hat. Ich kannte ihn gut, bevor er sein wahres Ich entwickelte... Ja, er war sogar einmal ein Freund meiner Familie." Familie. Schwindler hatte eine Familie. Ein weiterer Punkt, der ihn von Link unterschied. Und doch sprach Schwindler das Wort Familie sehr langsam aus, als müsste es auf der Zunge zergehen, um wirklich zu sein.
 

"Und wie konnte er soweit in höhere Schichten kommen?", meinte Link zweideutig.

"Ach, denkst du, nur weil ich so dreckig aussehe, dass ich aus der Gosse komme?", sagte Schwindler spielerisch, aber nicht beleidigt.

"Sorry, so habe ich das nicht gemeint.", erwiderte Link entrüstet.

"Auch ich hatte einst ein schönes Heim.", sagte Schwindler und schien kein Geheimnis aus seiner Vergangenheit zu machen, ganz im Gegensatz zu Link, der einfach nicht über sich reden wollte. "Aber das ist Vergangenheit.", setzte er leiser hinzu und erweckte etwas Trauriges in Link, das er selbst schon ewig kannte. Das Gefühl, alleine zu sein...

"Was ist mit dir?", meinte Schwindler. "Familie?" Link schüttelte betrübt den Kopf und wirkte wieder verletzlich und angreifbar.

"Und so ein komischer Kauz wie du, soll ein Mädchen entführt haben? So harmlos wie du aussiehst, kann das einfach nicht stimmen."

"Harmlos?" Link erinnerte sich an seinen Kampf gegen den Großmeister des Bösen, zu dem Zeitpunkt sah er mit dem blutüberströmten Gesicht, dem scharfen, zum Töten bereiten Masterschwert und der Kälte in seinen tiefblauen Augen alles andere als harmlos aus...
 

"Wie lange sitzt du hier eigentlich schon?", meinte Link und baumelte mit seinen Beinen auf der Pritsche.

"Viel zu lange. Und vor zwei Tagen hat mir jemand dann diese Nadel zugesteckt."

"Und wer?", sagte Links neugieriger Verstand.

"Das verrat' ich nicht." Ein schmackhaftes, übertriebenes Schmunzeln gelangte über Schwindlers Lippen, der sich sofort mit einem fluchenden: ,Aua' wieder an die blutende Stirn fasste. "Ich sage nur, dass es immer jemanden gibt, der einen liebt, egal wie dunkel die Stunde ist. Kennst du das denn nicht, Kleiner?" Betrübt schüttelte der junge Held seinen Kopf und setzte die Mutlosigkeit auf, die er sich die letzten Monate als einen starren Schutzpanzer angeeignet hatte.

"Ich bin Waise", sagte Link gedämpft, beschämt darüber, dieses Wort überhaupt in den Mund nehmen zu müssen. "Ich kenne das nicht", ergänzte Link trocken.

Schwindler richtete sich auf und sah ihn irgendwie aufmunternd an. " Bescheuert von mir, ein solches Thema anzusprechen, was? Vergiss' es einfach wieder", sagte Schwindler entgegenkommend. Trotz allem fand er den kleinen Helden Link irgendwie bewundernswert. Er besaß in den Augen Schwindlers etwas Besonderes, etwas Großartiges, das nicht jeder sehen konnte.
 

"Was anderes", begann der Dreißigjährige, funkelte Link mit undefinierbaren Augen an, während er sich das Blut von der Lippe wischte.

"Die Sache auf der alten Farm. Was waren das für Kreaturen?" Link ging das jetzt zu schnell. Wieso interessierte Schwindler das? Und warum alles in der Schattenwelt glaubte er ihm das? Sofort fragte Link diesbezüglich nach. "Du glaubst, was ich gesagt habe? Du hältst mich nicht für verrückt?"

Schwindler schüttelte ehrlich mit dem Kopf, und das fettige Haar baumelte darin. "Warum solltest du dir so eine komische Geschichte ausdenken? Hatten diese schwarzen Gestalten ein komisches Zeichen auf der Stirn?", meinte jene tiefe, vibrierende Stimme. Woher zum Teufel wusste Schwindler das?

"Hey, ich frage das nicht zum Spaß, Link. Und ja, ich habe so meine Informationsquellen. Sag' schon."

Link nickte nur und setzte leise fort. "Ich sah Rauch und Feuer über der Farm aufsteigen, denn ich war auf dem Weg dorthin, um einen Freund abzuholen..." Epona kam über seine Lippen. So sehr hatte er sich auf ein Wiedersehen mit ihr gefreut. Aber Epona war spurlos verschwunden. Der nächste kleine Lichtpunkt, der in seinem tristen Dasein erloschen schien. Das nächste unerwartete Ereignis, das seine Seele spalten konnte. Es war so ungerecht. Seine Eltern, sein Leben, seine Freunde und nun Epona. Welchen Preis verlangte das Schicksal noch, ehe es aufhörte ihn zu quälen?
 

Bekümmert murmelte Link. "Und dann habe ich sie gesehen, diese Hylianer in ihren schwarzen Gewändern." Link sah auf, als ihm das Entscheidende wieder einfiel.

"Diese Idioten haben Moblins Grabarbeiten verrichten lassen." Und die Bilder liefen wie in einem schlechtzusammengeschnittener Film vor seinem Inneren Auge ab. "Ich habe Malon, das Farmmädchen und die anderen befreit, während diese Mistkerle eine Truhe aus der Erde herausgeholt haben. Sie bemerkten mich und schließlich habe ich mich ihnen gestellt, damit Malon und die anderen fliehen konnten." Überrascht blickte Schwindler auf. "Das war aber überaus mutig von dir, wenn nicht sogar heldenhaft."

"Übermütig trifft es wohl eher.", sagte Link schusslig. "Denn schließlich überwältigten sie mich und dann weiß ich nichts mehr." Zorn blitzte in den Augen der merkwürdigen Mannes mit dem störrischen Blick auf und er lief hinüber zu dem Guckloch, sah wie sich die Morgensonne über der Steppe erhob. Und etwas altes Geheimnisvolles wurde gerade mit dem Morgenanbruch in Schwindlers Gestalt erweckt.

"Man nennt sie die Geschundenen der Macht."

"Geschundene der Macht?", wiederholte Link verwirrt. Ein merkwürdiger Name für ein solches Bündnis, das auf einer alten Farm seine Existenz zelebrierte. Geschundene der Macht... was hatte das wohl zu bedeuten?

"Doch niemand will wahrhaben, dass ein solches gefährliches Zusammenkommen in Hyrule existiert. Seit dem Krieg vor fünfzehn Jahren, verschließen die Hylianer wohl einfach die Augen vor derartigen Gefahren."

"Das stimmt nicht.", bemerkte Link widerwillig. Seine kindliche, unvernünftige Seite kann zum Vorschein, als er redete. "Es gibt genug, die sehen, so wie Prinzessin Zelda." Ein Grinsen huschte über Schwindlers Gesicht. "Prinzessin Zelda. Ich hoffe nur, dass sie noch rechtzeitig sieht." Link schwieg dazu, drehte sich um, aus Angst Schwindler könnte mit seinem Scharfsinn und dem klugen Kopf auf seinen Schultern mehr sehen, als er durfte. Und der verschwiegene, mit Geheimnissen umhüllte Kerl besaß sehr viel Wissen angesichts seines doch schmächtigen Lebensalter. Er hatte genug gesehen, erfahren und ertragen müssen...
 

"Vielleicht solltest du schlafen, Kleiner. Ich wecke dich, sobald es was Neues gibt." Dieser nickte bloß dankend, ließ sich auf die Pritsche fallen, drehte sich gen Wand und starrte doch nur mit offenen, leeren Augen umher, während der Gedanke an Zelda einmal mehr einen Versuch für ihn darstellte, das Licht in seiner Seele wieder zufinden...

,Es gibt immer jemanden, der uns liebt.' Ein schöner Satz, dachte der junge Held der Zeit und doch kamen gerade in dem Augenblick die Zweifel wieder zurück, die lange Einsamkeit und die depressiven Tage des Kummers mit den leisen Anfällen, die ihn gelegentlich heimsuchten. Was, wenn die Ereignisse auf der Farm auch nur einer dieser Anfälle gewesen waren? Nur Bilder in seinem Bewusstsein? Wie sollte er verstehen und damit leben, vielleicht die junge Farmtochter Malon entführt zu haben? Mit stiller Verzweiflung starrte der Fünfzehnjährige an die Wand, versuchte das Unmögliche zu begreifen, auch wenn es sich dem Verständnis vieler, vieler Augen entziehen konnte...
 

Link befand sich tief in seinen Träumen, verstand nicht, wo er war oder wer ihm direkt gegenüber saß. Er sah nur glänzende Vorhänge, ein stolzes Ritterwappen an der Wand vor ihm und eine runde Tafel mit dem Triforcezeichen in das Holz des Tisches eingearbeitet in einem Saal. Verschwommen und grau wirkten die Bilder, als ob er in der Vergangenheit feststeckte, als ob er auf einem vergilbten Portrait existenziell war. Nachdenklich und erfüllt mit unendlicher Traurigkeit saß Link auf einem Stuhl mit hohen verzierten Armlehnen, wie sie es in Schlössern oder Villen üblich waren. Eine alte Frau mit hochgestecktem grauem Haar, entschlossenen, tapferen Blick aus zwei Paar tiefblauen Augen, die jenen Links gewaltig ähnelten, saß vor ihm und hatte ihre rauen, runzligen Hände fest in seine jugendlichen gelegt. Sie lächelte ihn an, nickte. Link spürte das Spannen seines Herzens, als reagierte ein vergessener Teil seiner Selbst auf diese warmherzige Gestalt. Sie sprach leise zu ihm, als er in ihren Augen zu vergessen begann, vergas vielleicht, wer er war und was sein Schicksal sein sollte. "Du musst dich selbst beschützen, Link. Die Vergangenheit ist in Gefahr. Finde einen Weg...", sagte ihre warme Stimme und ihr Handdrücken in seinen Händen wurde fester. "In Gefahr befindet sich jede Zeit. Risse bilden sich zwischen den Zeiten. Beschütze die Vergangenheit und die Zukunft, die nicht sein sollte. Link, finde zurück!" Und ihre Stimme wurde stimmgewaltiger, als ob er diese Worte nicht verstanden hätte. "Geh' zurück!", rief sie und hielt dem Blick ihrer tiefblauen, entschlossenen Augen stand. "Kehre zurück. Beschütze dich vor dir selbst!" Ihr Abbild wurde echter, lebendiger, als sie ein weiteres Mal nachdrücklich sagte: "Finde zurück!" Dann verschwamm ihr Bild. Ein Bild, das er nicht kennen sollte und doch irgendwann kennen lernen durfte, wenn das Schicksal es ihm gewährte...
 

Als Link zur Besinnung kam, lief Schwindler in der Zelle auf und ab. Ein Teil des Kragens seines verschmutzten Hemdes hatte er abgerissen und sich als Pflaster über die aufgeplatzte Stirn geschlungen. Nervös trampelte er umher, hatte seine müden Augen geschlossen, bis er sich auf seinen mit Blut und Dreck beschmierten Armen abstützte.

Er schien noch nicht bemerkt zu haben, dass Link aus seinem Schlaf erwacht war und murmelte irgendetwas vor sich hin. Schweiß tropfte von seiner verdreckten Stirn auf den kleinen Holztisch in der Zelle. Dann schlug er widerwillig mit seiner aufgeschürften rechten Hand auf die mit Spreißeln bestückte Holzplatte und verfluchte den Namen Viktor aufs Übelste.
 

Mit einem Räuspern machte sich Link bemerkbar und schaute in den langen Gang außerhalb und schließlich zu dem schmalen Guckloch, welches einen Blick nach draußen gewährte. Anhand der tiefstehenden Sonne schätzte Link die Uhrzeit auf nach drei Uhr.

"Gegen vier kommt normalerweise die Mahlzeit des Tages.", sagte Schwindler ironisch. Das Wort Mahlzeit hätte er sich schenken können. Meistens war es vergammeltes Brot mit einer Schüssel Wasser, das man vom Boden in den schlammigen Zellen aufgesammelt hatte... Trübsinnig und schwer atmend stand Link auf und spürte mehr Schwäche in seinen wackelnden Gliedern, als er ertragen konnte. Sein Gesichtsfeld verschwamm. Kraftlos sank der junge Held wieder auf die Pritsche.
 

"Gewöhn' dich lieber an den Fraß hier, besser als zu verhungern", meinte Schwindler schnippisch und humpelte erbost und aus irgendeinem Grund verärgert zu den verrosteten, kalten Eisenstäben. Ein Murren und Zanken ging durch die Reihen. Dann konnte Link langsames Fußstapfen durch Pfützen hören und das Quietschen von Zellentüren.

"Das Essen kommt", murrte Schwindler belustigt und lehnte sein Gewicht an die Kerkertüren, um mit seinen geheimnisvollen Augen durch die dunklen, feuchten Kerkergänge zu starren. Link lief mit tränendem Blickfeld und übelkeitserregenden Kopfstechen näher und blinzelte durch die Eisenstäbe. Ein humpelnder Kerl mit einer Krücke erschien und schob einen mit Holzrädern versehenen, klappernden Wagen näher. Er hatte ein Grinsen auf dem alten, in die Jahre gekommenen Gesicht und blieb vor dem kleinen Gefängnis stehen. In dem Augenblick wand der Alte seinen Kopf einige Male von rechts nach links, so als ob er kontrollieren musste, von niemanden bei seinen Handlungen beobachtet zuwerden. Umständlich beugte sich der Alte hinab und zauberte ein eisernes Tablett unter dem Wagen vor. "Danke, Aschwheel", flüsterte Schwindler, als der Alte ihm Hähnchenbrust auf dem Tablett mit einigen Scheiben Frischbrot reichte.

"Bei Dins Segen, Nicholas. Warum fliehst du nicht endlich?", nuschelte der Alte mit seiner belegten Kehle. "Ich kann nicht. Noch nicht", entgegnete Schwindler. Lord Aschwheel schüttelte bloß den Kopf angesichts dieses Satzes. "Viktor bringt dich noch um, wenn du nicht bald abhaust!", sagte der Alte stur und dämpfte wieder seine Worte, als andere Gefangene ihre Ohren spitzten. Dann sah Aschwheel hinüber zu Link, der dem Gerede ebenfalls lauschte. Sofort unterband der Alte sein Gerede.

"Keine Sorge", meinte Schwindler. "Der Junge dort hat das Herz am rechten Fleck." Undefinierbare Augen leuchteten dann wieder durch die Gefängnistüren. "Wie geht es Lavender?" Der Alte senkte den Kopf und schwieg dazu. Er reichte Schwindler noch eine tiefe Schale, gefüllt mit Met und schob dann den Wagen wieder voran. "Verschwinde, Nicholas", sagte er, bevor er endgültig zur nächsten Zelle humpelte.
 

Nicholas... Aha, dachte Link. Dies war also der wahre Vorname des Kerls mit den undefinierbaren Augen und dem großen Geheimnis. Zufrieden brach Nicholas die saftige Hähnchenbrust in der Hälfte entzwei und reichte Link die eine duftende Hälfte. "Hier, du kannst das bestimmt eher gebrauchen als ich."

Mit dem Anflug eines Lächelns nahm Link das Angebot an und stopfte sich gierig eine Portion Fleisch in den jugendlichen Magen. "Vielen Dank.", meinte Link schmatzend. Noch nie hatte jemand so edelmütig etwas mit ihm geteilt. Ein schönes Gefühl, wenn man auf diese Weise beachtet wurde. Den Blick wieder senkend aß Link langsam und genießend weiter. Seit Tagen das erste Stück Fleisch, welches er in den Magen bekam.

"Es schadet dir bestimmt nicht, wenn du ein wenig öfter ein Grinsen zustande bekämst", bemerkte Schwindler mit belehrenden Blick und hielt Link eine Scheibe Weißbrot unter die Nase. Link schwieg wieder, wusste ohnehin nicht, was er dazu sagen sollte. Er schwieg. Der Held der Zeit schwieg, weil er nicht wusste, wie er seine Geheimnisse und die Wahrheit hinter seinem Gesicht erzählen sollte. Schweigen war einfacher und tröstlicher, wenn die Wahrheit so unverständlich und unglaublich klang.
 

"Möchtest du auch einen Schluck Met. Aber ich warne dich, Kleiner, der ist ziemlich stark." Und Schwindler trank schlürfend von der Schale. Das starke Gebräu lief fließend an dem zerzausten Bart des Dreißigjährigen hinab. Link zuckte wie so häufig mit den Schultern und nahm die Schale an. Vorsichtig roch er daran und setzte die Holzschale an die Lippen. Er fühlte das hochprozentige Gebräu auf seiner trockenen Zunge und begann fürchterlich zuhusten, als der Met seinen Gaumen berührte. Hastig stand Link auf, atmete scharf ein und hustete immer weiter. "Verdammt!", fauchte er. "Welch' Teufelszeug." Ringend hielt er beide Hände an seine Kehle, brach ein Stück Brot ab, nur um einen anderen Geschmack im Mund zu haben.

Derweil lachte Schwindler nur begeistert. "Ich habe dich ja gewarnt", sagte er belustigt. Haha... wirklich lustig, dachte Link gelangweilt. War das Leben für diesen Kerl nicht mehr als ein spaßhaftes Spiel? Verärgert setzte sich Link wieder auf die Pritsche, aß sein Hähnchenfleisch und spuckte die Knochen aus.
 

Schwindler lugte wieder nach draußen. Ernst wurde sein Blick nun. Er wartete auf die Nacht, wartete auf die Freiheit, auch wenn er aus irgendeinem Grund an diesen Ort gebunden war...
 

Es dauerte nicht lange und die gewünschte Nacht brach herein. Schwindler zog sich derweil einen grauen, verschmutzten Umhang über, der bisher lässig über der Stuhllehne hing. Er schnallte seinen Gürtel enger und prüfte mit wachem Blick die erleuchteten Gänge. Auch Link machte sich bereit. "Hast du schon mal ein Schloss gebrochen, Junge?", fragte Schwindler wissbegierig. Link nickte bloß, erinnerte sich an die Hunderte von Schlössern, die er geöffnet hatte und besann sich auf jenen Aufenthalt in Gefangenschaft der Gerudofrauen. Den unsäglichen, makaberen Zuständen dort war Link durch viel Geschick und ein vorlautes Mundwerk entgangen. Heikle Zustände, dachte er, denn wann immer Gerudofrauen einen knackigen Mann in ihrer Gewalt hatten, waren dessen Aussichten nicht gerade rosig. Diesen widerlichen Gedanken abtuend, denn Link verstand sowieso den Sinn der Dinge nicht, die Gerudoweiber von ihren Gefangenen wollten, blickte er mit seinen kühlen, scharfsinnigen Augen nach draußen, grübelte kurz nach Möglichkeiten die vielen Fackeln zum Verglimmen zu bringen, denn ihr helles, feuriges Licht war verräterisch für jene, die flüchten wollten.
 

Schwindler reichte Link die lange Nadel und murmelte: "Dann versuch' dein Glück." Sofort machte sich Link an dem Fluchtweg zu schaffen. Während Schwindler wachsam den verdreckten, muffigen Flur beäugte.

"Da kommt wer. Weg!", nuschelte Schwindler schnell und hievte den Fünfzehnjährigen auf seine Beine. Hastig legten sich die Gefangenen wieder in ihre Pritschen, schauspielerten und begannen gespielt zu schnarchen.
 

Es war nur ein Wächter, der seine Runde drehte und dann pfeifend, wohl auf Vorfreude, sich an irgendeiner Hure zu vergehen, davon hüpfte.
 

"Aber jetzt.", eiferte Link und sprang ruhig Blut bewahrend zu der Kerkertür. Es dauerte nicht lange und der Blondschopf hatte das Schloss geknackt.

"Du bist nicht mal schlecht, Kleiner.", meinte Schwindler und schob die Kerkertür auffallend sachte, sodass nicht ein Quietschen durch die Gänge hallte, zur Seite.

"Hatte ja genug Training.", murrte Link und schlich leise, ohne das geringste Stiefelgeklapper zu hinterlassen hinaus in den Gang, löschte planvoll, als kluge Vorkehrung das Feuer der ersten Fackel. Schwindler war ohne es sich anmerken zulassen beeindruckt von dem Jungen. Vorkehrend legten sie die zerfetzten Decken und das bisschen Unrat der Zelle auf die Pritschen, deckten alles ordentlich zu, sodass der Eindruck entstand, die Gefangenen jener Zelle würden schlafen. Grinsend schlich Nicholas als erster geräuschlos vorwärts, wusste genau, wie man sich unauffällig vorwärts bewegte und fühlte den jungen Link hinter sich herschleichen.
 

Niemand bemerkte die zwei Paar Stiefel, die sich ruhig und sachte durch die Gänge stahlen, denn es war spät und die Nacht legte ihre Arme über die Welt. Kein Gefangener legte Wert auf das Leuchten der Fackeln, das in der Dunkelheit Doomrents verging. Es war Glück, dachte Link, Glück musste es sein, dass sie bisher noch niemand bemerkt hatte. Leise und mit kochendem Blut erreichten die Entflohenen eine in die Höhe führende, steinerne Wendeltreppe, hörten gehetztes Atmen aus ihren beiden Mündern. Schwindler schlich vorneweg, lockte Link mit einer vertrauenspendenden Handbewegung hinter sich her. Still war es hier, nur ein Rauschen des Windes sang ein einsames Lied in der Feste Doomrents. Nach wenigen Minuten gelangten die Fliehenden einen weiteren Gang, wo Fackeln an den kalten Mauern den Weg leuchteten. Alte, verstaubte Vorhänge hingen wie Wachposten an den Fenstern und neben den Türen in andere Bereiche der Burg.

Plötzlich Schritte. Dumpfes Geklapper, welches sich gefährlich näherte. Schnell hastete Link zur Seite, versuchte sein Abbild hinter einem Vorhang zu verstecken, aber Schwindler packte ihn leichtfertig am Kragen, zwang ihn dazu einfach stehen zu bleiben. Empört wendeten sich Links kalte tiefblaue Augen in die Richtung von Schwindlers Gesicht, der standhaft und sicher in dem Gang stehen blieb.
 

Als ob die Götter ihnen einen Fluchtweg ebneten, entfernten sich die Schritte wieder und zurück blieb nur Stille. Nicholas musste sich in dieser Burg sehr gut auskennen. Stimmt ja, dachte Link. Immerhin saß er schon viel länger hier fest. Vielleicht hatte man ihn für das Verrichten niederer Arbeiten in andere Räumlichkeiten geführt. Sicheren Schrittes eilte Schwindler nun voraus, bog an der nächsten Kreuzung rechts ab und betrat eine winzige, unauffällig Seitentür. "Hierher.", flüsterte er Link zu. Geschwind folgte er dem Häftling und staunte nicht schlecht, als sie beide nun in einer stolzen Waffenkammer standen. Mehrere Äxte und Morgensterne hingen an den Wänden. Stolze Hylianerschilde mit dem königlichen Falken standen hier und da. Und nicht weit von den Schilden lag Links Schwert und seine anderen Sachen auf einem Tisch. "Mein Schwert.", freute er sich und schnallte sich seine Waffe zufrieden auf den Rücken.

"Du bist Linkshänder?", meinte Schwindler verblüfft, denn er hatte einen genauen Blick für Details und bemerkte die Art und Weise, wie Link das Schwert auf den Rücken schnallte.

"Bewundernswert.", setzte er fort. "Es ist gefährlicher für das Herz das Schild in der rechten Hand zu haben. Aber..." Und Nicholas schmunzelte, während er sich selbst einen Dolch an seiner linken Wade umschnallte. "... ich kannte früher einst einen talentierten Schwertkämpfer, der ebenso Linkshänder war und im Grunde genommen als unschlagbar galt. Mein Lehrmeister.", sagte Schwindler stolz. "Arn Fearlesst war sein Name. Aber was aus ihm wurde, weiß ich nicht. Wahrscheinlich hat er zusammen mit seiner edlen Gemahlin das Land verlassen, als der Krieg vor fünfzehn Jahren begann. Von seinem Unterricht profitiere ich heute noch." Schmunzelnd steifte Schwindler einen langen Umhang über und versteckte ein Schwert an seinem zerschlissenen Ledergürtel.

"Zeit zu gehen", sagte er selbstsicher und öffnete sachte die kleine Tür erneut.
 

Gemächlich und vorsichtig wandelten die Beiden wie Gespenster durch die eigentümliche Burg und sahen mehr und mehr Lichter aus dem Nordbereich des Gebäudes.

"Dort drüben ist der große Saal", murmelte Nicholas leise. "Seitdem Viktor hier der Herr ist, finden dort immer unkeusche, dirnenhafte Feierlichkeiten statt. Du weißt schon, Kleiner...", meinte Schwindler, als er den irritierten Blick auf Links unwissenden Gesicht bemerkte. "Die Wachen, Soldaten und der andere Abschaum, der sich königlicher Ritter nennt, laden sich dann immer die Huren ins Schloss ein, um sich zu amüsieren. Unser Glück." Link schüttelte abtuend die Schultern, denn das war eine seiner großen Fehlerchen, welche ein Waldleben bei den Kokiris mit sich brachte. Man hatte keine Ahnung von Liebe und Leidenschaft und Link war hinsichtlich dieser Dinge so unwissend wie kein Zweiter. Ahnungslos und einfältig. Denn Link war wohl alles andere als aufgeklärt darüber, dass bei den Hylianern die Kinder nicht von Bäumen erschaffen wurden... (Armer, armer Link. Aber das ist die logische Konsequenz eines Erwachsenwerdens bei einem kleinen Waldvolk, die von dem weisen Dekubaum erschaffen wurden. Diesen Umstand hat wohl noch niemand bedacht...)
 

Ihr unbemerkter Weg führte sie hinaus ins Freie, in den Burginnenhof, wo das Wiehern der Pferde als unverhohlener Laut in die Nacht schallte. Vom prall mit Leuten gefüllten Saal der Burg dröhnte lautes Geschrei, Gegröle und widerliches, schiefes Gesinge von angetrunkenen Rittern, die mit Dirnen auf das Wohl Hyrules anstießen. Schwindler und Link sputeten unbemerkt hinaus ins Freie, durchquerten erneut einen kleinen Geheimgang, da die Zugbrücke als einzige gut bewacht schien.
 

Eine halbe Stunde war vergangen und die zwei Hylianer standen erleichtert und zutiefst zufrieden auf einem Feldweg hinter dem Gebäude. Schnell setzten sie ihren Weg fort und machten erst eine Pause hinter einigen Felsen, wo sie sich seufzend ins weiche Steppengras fallen ließen.

"Wir haben es tatsächlich geschafft.", sagte Schwindler lachend und spielte mit einen mit Edelsteinen verzierten Dolch. "Ich muss sagen, ohne dich Glückspilz wäre ich wohl nie so gut herausgekommen. Die Göttinnen scheinen ein Auge auf dich zu haben, Kleiner." Mehr als nur eins, dachte Link, denn immerhin befand sich das Fragment des Mutes in seinem Besitz. Das Schicksal und vielleicht die Göttinnen als dessen Stellvertreter hatten sicherlich noch eine Menge mit dem einstigen Helden der Zeit vor... Wieder schwieg Link, versuchte die Fassung zu bewahren und nicht den Eindruck zu erwecken, dass es ihm inzwischen wieder piepegal war, aus dem Gefängnis entflohen zu sein. Denn jetzt lief er als Bandit frei herum. Als Entführer... Wohin sollte Link gehen? Sicherlich würden die Wachen am Morgen den Betrug in der kalten Zelle feststellen und sofort nach Link und Schwindler fahnden...
 

"Was tust du jetzt?"

"Ich muss zur Farm." Schwindler stand auf und packte Link grob an den Schultern. "Davon rate ich dir ab. Sei froh, dass du deinen Kopf noch auf den Schultern hast. Wenn du jetzt zur Farm aufbrichst, wird die Familie des entführten Farmmädchens alles andere als erfreut sein, dich zusehen."

"Und was bei Farore soll' ich tun? Wie soll ich meine Unschuld denn sonst beweisen? Basil und Talon wissen, dass ich Malon nicht verschleppt habe. Schließlich sind sie mit ihr geflüchtet." Schwindler setzte ein trübsinniges Gesicht auf, etwas, was Link bei diesem merkwürdigen Kerl noch nicht gesehen hatte. "Denk' an die Worte Viktors, Kleiner."

"Ja? Und was ist mit ihm?"

"Hast du vergessen, was er sagte? Die Familie Lon-Lon beschuldigt dich mit dem Entführungsvorwurf. Niemand anderem hast du die elende Nacht in der Gefängniszelle zu verdanken."
 

"Toll. Und was interessiert dich das?" schallte Links Stimme durch die Nacht. Aus Schwindlers geheimnisvollen Augen leuchtete ein nie da gewesenes Feuer des Wissens. Er schüttelte seinen Kopf und bemerkte, als er aufstand. "Setz' deinen Weg fort, Link. Aber sei' dir gewahr, dass man dich sucht. Du bist nun ein Geächteter, ein Verfolgter der Monarchie Harkenias."

"Zum Teufel mit Harkenia. Du hast absolut keine Vorstellung davon, was ich nicht schon alles für dieses beschissene Land getan habe." Und die grenzenlose Wut auf sein Schicksal übermannte den einstigen Helden der Zeit. "Ich habe Blut an meinen Händen.", brüllte Link entgeistert und achtete nicht auf das entsetzte Gesicht Schwindlers. "Blut für Hyrule. Niemand und erst Recht nicht der tolle König Hyrules hat das Recht mich für irgendeine Lüge einzusperren." Außer sich vor Rasche riss Link seinen Handschuh herunter, wo sich das mit Flüchen befleckte Triforcefragment verbarg.

"Siehst du das?", sagte link auffordernd, während Starsinn und blanker Hass aus seinen tiefblauen Augen drang. "Dieses verdammt Fragment hat mein ganzes Leben zerstört. Niemand..." Und damit stand Link auf und lief einige Meter weiter, bis er in den Himmel starrend stehen blieb. "Niemand hat das Recht mir irgendetwas vorzuschreiben."
 

Und das erste Mal hatte Schwindler keinen Kommentar parat. Er war sprachlos, so wie noch nie in seinem Leben. Dieser Junge besaß ein Abzeichen der drei Göttinnen, etwas, was jedem Wesen unermesslichen Reichtum, Macht und Weisheit versprach. Dieser Junge... er war ein Kind des Schicksals. Deshalb also umgab eine seltsame Form des Glückes diesen Kerl. Und deshalb war Link etwas so Besonderes, das Nicholas sofort gespürt hatte.
 

Mit eingeschlichener Kälte in seinem Blick drehte sich Link zu dem Dreißigjährigen, der nun vielleicht nicht mehr den fünfzehnjährigen Jungen vor sich hatte, nein, selbst jener konnte nun erkennen, wie wissend und lebenserfahren der einsame Hylianer ihm gegenüber war.

"Du weißt nun etwas, dass du nicht wissen solltest", sagte Link und drehte sich um. "Leb' wohl, Nicholas."

"Warte, Link. Wohin wird dich dein Weg führen?"

"Zurück...", war alles, was er sagte. So schnell ihn seine Füße tragen konnten, rannte Link davon, auf zurück in die kleine Scheinwelt, aus der er stammte. Zurück in die märchenhaften Kokiriwälder, ein Ort, an dem ihn niemand finden würde, wo er seine Ruhe hatte, auch wenn er nicht dorthin gehörte. Mit zusammengekniffenen Augen rannte er zurück, wünschte sich, er könnte sein Leben beim Verlassen des Waldes ganz von vorne beginnen. Er würde der Verantwortung auf seinen Schultern vielleicht entsagen, wäre niemals auf die Bitte Prinzessin Zeldas eingegangen, ihm die Drei Heiligen Steine zubringen. Er hätte vielleicht niemals das verlogene Schicksal akzeptiert, welches in jetzt so quälte und wäre niemals als der Held der Zeit, den doch niemand kannte, erwacht.
 

Der Held der Zeit- ein Ammenmärchen war es nur, denn niemand erinnerte sich. Niemand ahnte um die einstige Gefahr des Bösen aus der Wüste. Nicht ein Ereignis Links Abenteuers in der alternativen Zeit war Wirklichkeit. Nichts...
 

Schwindler beobachtete den einsamen Jungen aus der Ferne. "Bis bald, Kleiner." Mitgefühl zeigte sich in jenen undefinierbaren Augen, denn auch Nicholas hatte in seinem Leben alles verloren, was ein Mann verlieren konnte. Doch das waren vergangene Dinge, die er niemanden mitteilen wollte. Auch er hatte ein unbestreitbares Ziel. Ein weniger edles Ziel mit dem Namen Rache...

Die Sonne stand glühend im Zenit. Kühle, graue Schleier zogen am hellen Himmel vorüber. Spärlich schienen warme Sonnenstrahlen durch dichte, großblättrige Kronen alter Bäume hier im Herzen des Waldes, wo einst Kokiris spielten, tanzten und lachten. Ein strahlender Schimmel trug seine Herrin durch die alten Wälder, denn es war ihr erlaubt hier zu sein entgegen vieler anderer neugieriger Seelen, die sich in die Wälder wagten, nur um Wissensdurst und Übermut zu stillen. Gemächlich trabte der weiße Hengst über herausstehende knorrige Wurzeln, über uraltes, niemals vergehendes Gras in den alten magischen Wäldern. Seine Reiterin war verhüllt, ein weißlicher, glänzender Mantel gewebt aus gutem Stoff verbarg ein zartes Antlitz.

Reichliches Vögelgezwitscher begleitete ihren Weg. Licht schien sie auszusenden mit jedem leisen Trab der vier Hufe auf altem, sattgrünen Gras. Eine sanfte mit Garn überzogene Hand streichelte über den Hals des Hengstes. "Gut, Silberregen. Wir rasten kurz." Anmutig ließ sich die Reiterin aus dem schicklichen Damensattel gleiten und schob ihre weiße Kapuze zurück. Das wunderschöne Bild Prinzessin Zeldas mit geflochtenem Haar gab sich preis. Sachte wischte sie sich einige goldene Strähnen aus dem schwitzenden Gesicht, während ihre Füße leicht, fast schwebend durch den dichten Mischwald wandelten. Sie trat näher an einen der vielen, unbekannten und doch lebenden Bäume heran, legte verträumt eine Hand auf harte Rinde und murmelte mit ihrer glockenhellen Stimme: "Auch du kannst mir nicht sagen, wo ich finde, was ich doch auf ewig suche..." Sie wand sich ab und ein trauriger Blick ging gen Himmel.

"Link... wo bist du nur?", sagte sie leise und blickte mit ihren blauen, weisen Augen in den merklichen, näherrückenden Schatten der Wälder.
 

Seit Tagen schon suchte sie nach ihm. Seit Tagen schon... Mit dem Erreichen der Kunde, ihrem Freund aus Kindertagen wurde der Vorwurf einer Entführung gemacht, eilte Prinzessin Zelda, mit der königlichen Erlaubnis ihres fürsorglichen Vaters, durch Hyrule, auf der Suche nach dem Helden der Zeit. Es war nichts Ungewöhnliches mehr für sie, sich außerhalb der Schlossmauern frei zu bewegen. Seitdem ihr Vater wusste, welche Macht sich hinter dem zierlichen Bild seiner wunderschönen Tochter verbarg, hatte er aus aufgegeben, sie, so wie er immer zusagen pflegte, einzufangen...

Zelda erinnerte kurz den Beginn letzter Woche, wo Sir Viktor, ein hochrangiger Ritter des hylianischen Ministeriums, die Anklagepunkte gegen Link verließ, die da waren Entführung Malons und Beihilfe zur Flucht eines Strafgefangenen, der seit vielen Wochen schon auf sein Urteil wartete. Stürzend war sie aus dem Schloss geflohen, mit Gepäck und Proviant bestückt, und suchte nach ihm. Natürlich hatte König Harkenia sofort veranlasst, die Anklagepunkte gegen Link fallen zulassen, auch wenn er sich dadurch einige Feinde in seinen Reihen und natürlich einen schlechten Namen bei der Lon-Lon- Familie machte.

Seitdem suchte die Trägerin des Fragmentes der Weisheit nach Link, wollte ihm die Mitteilung machen, frei zu sein und ihm ferner eine Anmeldungsschrift für die Ritterschule im Norden überreichen. Links Vater war einst Ritter. Es sollte Links weiterer Lebensweg sein, ebenfalls vom dortigen feinen Unterricht zu profitieren. Aber Link ließ sich einfach nicht finden. Er schien wie vom Erdboden verschwunden zu sein...
 

Die Prinzessin der Hylianer stieg wieder auf ihren Schimmel und ergriff die Zügel. Ein melancholischer Blick schweifte hinab zu einem kleinen rotbraunen Eichhörnchen, welches die stolze Hylianerin scherzhaft beäugte. Es hatte eine angebissene Eichel zwischen den kleinen Pfötchen und hüpfte damit piepsend von dannen.
 

Leben... das war das einzigartige Leben, welches Link nicht mehr sehen wollte.

"Wo bist du nur?", rief Zelda hinaus in die Stille der Wälder. Denn es waren nicht nur die Neuigkeiten, die sie Link überbringen wollte. Was ihr wie ein Stein auf dem Herzen lag, war Links momentaner Zustand. Sie fühlte sich wie erdrückt, schwach, fast hilflos, wenn sie an ihn dachte, als ob mehr als nur die Einsamkeit letzter Tage auf ihm lastete. Zelda spürte und wusste, dass es ihm alles andere als gut ging...
 

"Link... wo bist du?", schallte es erneut durch den ruhigen Kokiriwald, während der adlige Schimmel weiter seines Weges trabte.
 

Tatsächlich humpelte nicht weit entfernt ein junger Mann durch die Wälder. Hechelnd, nach wenigen Sekunden Laufen schon triefend nach Atem ringend, bewegte er sich vorwärts und konnte sich nicht entsinnen, wie lange er schon hier seine Runden drehte. Ab und an klammerte er sich an Äste, versuchte durch ein tränendes, verschwommenes Gesichtsfeld zu blicken, aber konnte nicht ausmachen, wo er war. Tagelang wanderte er nun schon durch die Wälder, verstand nicht, wieso er sich verlaufen hatte. Oder konnte es sein, dass der alte Dekubaum seine Anwesenheit nicht mehr wünschte, nicht mehr duldete?
 

Der fünfzehnjährige Blondschopf ließ sich nach Luft ringend auf das weiche Gras sinken und lehnte sich erschöpft an einen der in die Höhe schießenden Nadelbäume. Er hatte sein Zeitgefühl verloren und die Orientierung. Lange war es her, dass er sich das letzte Mal irgendwo verlaufen hatte und nun quälte ihn seine eigene Schussligkeit und die Tatsache, dass er mit hungrigem Magen hier zusammengesunken war. Seine Augen schlossen sich zwanghaft. Schweißperlen rannen über seine Stirn, während unerträgliches, schnellendes Herzpochen ihn folterte. Ein leichter, und doch fieser Schmerz in seiner linken Brusthälfte setzte ein, kam gewaltiger mit der Minute und hinterließ einen nach Atem ringenden, müden Hylianer. Krampfartig begann sein Herz nun zu schlagen. Heftig presste der Jugendliche eine Hand auf sein Herz, fühlte sich, als ob etwas ihn auffressen wollte. Der Schmerz wurde schlimmer, beißender, arbeitete sich vorwärts, hinein in seinen Magen und dann stieg die Qual in seinen Kopf. Hechelnd sank Link immer weiter nieder, schlug die Hände an seine Ohren und wusste doch, was folgte. Zermürbende Bilder brannten sich erneut in seinen Geist. Blutender Regen tropfte nieder, während ihn ringsherum Flammen umzingelten. Das Blut tropfte über seinen Kopf, bis er jenen schreiend in die Höhe reckte. Er sah sich selbst von oben herab, sah sein Gesichtsfeld, übersät mit Wunden, übersät mit Blut...

Wimmernd entkam seiner Kehle: "Hör' auf... Hör' verdammt noch mal auf." Und Link trommelte wie wildgeworden mit seinen Fäusten auf den mit Nadeln und abgefallenen Blättern übersäten, weichen Waldboden, schlug darauf ein, während herzerreißende Laute aus seinem Mund schallten.
 

Nach wenigen Minuten war der Anfall vorüber und Link lag mit totem Blick bauchseitig auf dem Gras. Er rührte sich nicht, während seine tiefblauen Augen durch die vielen langen Grashalme starrten. Kleine Käfer wippten an den Gräsern auf und ab. Ameisen krabbelten über den liegenden Körper Links. Er rührte sich einfach nicht, wollte nicht wissen, dass er lebendig war. Die merkwürdigen Anfälle kamen häufiger, wurden schlimmer und schmerzhafter. Er atmete kaum, schloss die Augen und blieb weiterhin einfach liegen. Link starrte mit offenen Augen umher und doch registrierte er nichts, keine Bewegungen, keine Geräusche.
 

Eine halbe Stunde später lag er immer noch starr auf dem Gras und sein toter Blick verharrte weiterhin an den Grashalmen. Konnten die schmerzhaften Anfälle nicht aufhören? Was passierte nur mit ihm?
 

Seine Ohren vernahmen nicht die besorgte Stimme, die nach ihm rief. Es interessierte ihn nicht, er fühlte sich tot und leblos. Mit jeder Sekunde die schwand, hatte der Blondschopf den Eindruck selbst zu schwinden, zu verblassen, zu vergehen...
 

Hufgetrappel näherte sich. Ein erschrockener Schrei entkam dem Reiter eines weißen Pferdes. Aufgeregt hetzte Prinzessin Zelda von ihrem getreuen Ross, lief mit lautem Geräusch ihrer teurem Schuhe näher, rief Link bei seinem einprägsamen Namen, aber es kümmerte ihn nicht. Er blieb wie er war und starrte mit leerem Blick zu den Grashalmen. Die Welt war so anders von hier unten, so unbedeutend...
 

"Link!" Zeldas aufgeregter Schrei drang an seine Ohren. Dann fühlte er zwei Arme, die ihn mit einem heftigen Ruck umdrehten. Unbeeindruckt, ja fast teilnahmslos, ließ er die anmutige Hylianerin ihm gegenüber angesichts seines leblosen Körpers verzweifeln. Denn weiterhin starrte er ins Nichts, rührte sich nicht und verspürte nicht den Drang, Zelda mit einem Blick oder einfachen Worten klarzumachen, dass er nicht bewusstlos war.

Ruhelos klopfte Zelda auf Links Wangen, führte dann eine seiner eiskalten Hände an ihre Wangen und murmelte noch einmal seinen Namen.

"Bitte... Link...", wimmerte sie und ließ sich endgültig zu ihm auf die Knie sinken. Dann fühlte er Tränen an seiner eisigen Hand. Merkwürdig war die feuchte, salzige Substanz von Zeldas Augen. Er hatte so etwas noch nie gespürt oder wahrgenommen. Reine, ehrliche Tränen an seiner linken Hand, mit der stillen Hoffnung, sie könnten das unsichtbare, bestialische Blut daran irgendwie abwaschen. Ihre andere, warme Hand, wie sehr hatte Link eine solche warme Hand vermisst, wanderte an seinen Hals. Ein Schluchzen entkam Zeldas Mund. Sie rang mit der ungeheuren Angst, Link könnte nicht mehr am Leben sein... Angestrengt suchte sie nach seinem Puls, tastete vorsichtig seinen sonnengebräunten Hals ab. Anscheinend fand sie den Puls nicht sofort. Sie wurde nervöser, wurde hilfloser und begann hemmungslos zu weinen. Sie klammerte sich an seine nussbraune Leinentunika und schluchzte leise.
 

Noch nie war Zelda ihm so nah gewesen. Ein angenehmes Gefühl durchströmte ihn und doch ertrug er es einfach nicht. Und es geschah in dem Moment, dass Link zwinkerte, ein Lebenszeichen von sich gab, auch wenn dieses Lebenszeichen mit Abweisung hinterlegt war.

"Lass das...", sagte er bitter, stieß eine geschockte Prinzessin von sich weg und richtete sich auf, ohne ihrem sanften, tränenreichen Blick zu begegnen. In Zeldas Innerem schien in dem Moment alles zu zerbersten. Ihr Gefühlszustand glich einem reinsten Chaos, bestehend aus Wut, Freude und kalter, übersättigter Distanz.
 

"Ich habe mir Sorgen um dich gemacht...", flüsterte sie und wischte sich einige Tränen von den Wangen. "Was ist mit dir passiert?"

"Ich habe nur geschlafen", log Link, als ob es selbstverständlich für ihn wäre, zu lügen. Damit stand er auf, taumelte schräg zur Seite und hielt sich gerade so auf den Beinen.

"Mit offenen Augen?", sagte Zelda bedacht und lief langsam zu ihm hinüber.

"Was kümmert es dich. Ja, verdammt!", murrte Link und fühlte deutlich seine Kräfte schwinden. Schon wieder zehrte irgendetwas an ihm, das er nicht kannte und nicht verstand. Er drehte Zelda den Rücken zu, um nicht schwach oder jämmerlich vor ihrem würdevollen Erscheinungsbild zu wirken und tat erneut jegliche wärmenden Gefühle ihr gegenüber ab, sah sie als Halluzination oder irrsinnigen Wunsch, verstanden zu werden. Ein Wunschtraum, der sich nicht erfüllen würde, auch nicht in einer magischen Welt wie Hyrule es war.

Nach Luft schnappend fasste sich Link an seinen hämmernden Schädel, fühlte seine glühende, in Schweiß gebadete Stirn und wollte in dem Augenblick nichts sehnlicher, als einfach seine Ruhe haben. Aber Zelda würde nicht gehen, nicht ehe sie wusste, was er zu wissen galt.
 

"Was willst du?", hechelte Link und lehnte sich an einen Baumstamm neben ihm, um nicht umzukippen.

"Dir helfen...", sprach sie leise und legte langsam eine Hand über seine Schulter. Eine kurze Berührung und Zelda fühlte einen gewaltsamen Schlag in ihrem Gesicht durch die seelische Verbindung zu Link. Es schien, als hätte man seine Seele gespalten und ihn stattdessen mit kaltem Wahnsinn angereichert. Geschockt zog sie ihre Hand weg, fühlte Verbitterung und mentale Krankheit durch jene Berührung. Was war das nur? Ein Fluch?

"Ich brauche keine Hilfe...", seufzte Link und fühlte immer stärker den Drang, hier auf der Stelle, sofort, vor den Augen der Prinzessin zusammenzusinken. Er spürte immer mehr eine Art Aufgeben, Zelda zu bitten, ihm zu helfen, aber der Funken Stolz und Sturheit in seinem Kopf, der geblieben war, hielt ihn eisern davon ab.

Sein Gesichtsfeld wurde wieder dunkler und das Trommeln in seinem Kopf setzte ein. Nein, nicht hier, befahl er den schwarzen Mächten, die ihn folterten. Nicht vor der Prinzessin...
 

"Lass mich allein", brachte Link hervor, spürte schmerzhaft Schweiß in seine Augen laufen und stützte eine Hand an seinen dröhnenden Schädel.

"Nein!", sagte sie engstirnig und laut. Die zukünftige Herrscherin kam in dem Moment zum Vorschein und die Tatsache, dass Zelda schon lange darauf getrimmt wurde, laute Reden zuhalten.

"Ich habe seit Tagen nach dir gesucht."

"Wie schön. Da du mich jetzt gefunden hast, macht es dir sicherlich nichts aus, mich wieder in Ruhe zulassen", entgegnete er verletzend und blickte hinein in die Dunkelheit der Wälder, hoffend, er könnte seinen Weg fortsetzen und nicht einfach zusammenklappen. Zelda blickte traurig zu Boden und kramte eine Rolle hervor, die mit dem königlichen Siegel zugeschweißt war. Mit verkrampften Händen lief sie um Link herum und suchte seinen Blick, aber er sah nur zu Boden, schien nicht einmal registriert zu haben, dass Zelda direkt vor ihm stand. Sein Gesicht schimmerte fiebrig rot. Ja, stellte Zelda bekümmert fest. Link ging es überhaupt nicht gut. Sie legte eine fürsorgliche Hand auf seine brennende Stirn, die er aber anscheinend auch nicht bemerkte.

"Komm' mit mir, Link. Du brauchst Ruhe, Schlaf und ein warmes Bett."

"Wer, bei Nayru, bist du, um mir zu sagen, was ich brauche", fauchte er und lief langsam über das saftiggrüne Gras der Wälder. Die Sonne stach zwischen den Laubblättern hindurch. Schützend hielt der junge Held der Zeit sich eine Hand gegen die Augen.
 

"Ich bin ein Freund...", sagte Zelda bekümmert und lief stur hinter ihm her. "Ich habe keine Freunde", bemerkte Link widerwillig und stapfte schwankend weiter, fühlte seinen Magen spannen und hatte das Gefühl, sich auf der Stelle übergeben zu müssen. Zelda kämpfte derweil mit den Tränen angesichts dieses in Kälte geschürten Satzes. Es tat weh, direkt in ihrem Herzen. Nicht einmal sie sah Link mehr als Freund an...

"Du sollst mich in Ruhe lassen. Begreift Eure Herrlichkeit nicht, dass sie stört!", fauchte Link und begann im nächsten Augenblick kläglich zu husten. Er sank auf seine Knie und hustete sich halb die Seele aus dem Leib. Unkontrollierbar begann er zu zittern. Kälte mischte sich mit kostbarem Blut in seinen Venen. Er stützte seine Hände in das weiche Gras und würgte, als ob ihn jemand vergiftet hätte. Nur kurz öffnete sich seine tiefblauem Augen ein letztes Mal, sahen, dass es Blut war, was er spuckte, bis er kraftlos und direkt vor den Augen der Prinzessin Hyrules zusammenbrach.
 

Ein lautes, angstverzerrtes Kreischen schallte durch die alten Wälder, als der blonde Hylianer mitgenommen und knackend auf den Boden aufschlug.

Die schlanke Hylianerin handelte schnell, legte ihre bloßen Hände auf Links Brust und schickte ihm einen Stoß warme heilsame Magie. Linderung... Mit einem Zucken nahm Links schwacher Körper den Energiestoß an, machte der traurigen Zelda ein wenig Hoffnung, dass sein jugendliches Herz doch nicht so erfroren war, wie er jedem beweisen wollte.
 

Nur wenige Minuten von ihnen befand sich ein altes Kokiridorf, wo Link einst einen Platz hatte. Schnell, ohne wertvolle Zeit zu verlieren, pfiff Zelda nach Silberregen, der sofort hertrabte. Mit ihren magischen Kräften beförderte sie den bewusstlosen Jugendlichen quer auf seinen Bauch liegend auf das Ross, sprang auf und preschte mit dem weißen Pferd durch die alten Wälder, auf der Suche nach Schutz und einem Platz, wo sie Link, entgegen seines schwachköpfigen Willens, versorgen konnte.
 

Mit tosendem Wiehern gelangte Silberregen in das kleine Kokiridorf, wo einige in grüne Gewänder gekleidete Kinder lachend mit einem großen Stoffball spielten. Gesäuberte kleine Wege führten von einem kindlichen Baumhäuschen zum nächsten. Viele der Gebäude waren mit Moos und Efeuranken umwachsen und daher sehr unauffällig. Links einstiges Zuhause jedoch stach aus den Reihen, so wie er selbst immer wegen der fehlenden Fee oder wegen seines Nabels, denn Kokiri hatten keinen, aus den Reihen herausstach. Es war ein verwachsenes, mit Pflanzen umwuchertes Baumhäuschen mit Leiter.

"Saria!", brüllte die Reiterin, als sie hastend von Silberregen sprang. "Wo bist du, Weise des Waldes. Ich ersuche dich!", setzte Zeldas starke Stimme hinzu. Sie führte ihren Schimmel in das Zentrum des Dorfes und die vielen, spielenden Kokiri stoppten ihre erheiternden Späße, blickten verwundert zu dem stolzen Getier und noch verwunderter auf den bewusstlosen Hylianer, der wie ein Stück erlegtes Fleisch darüber hing.

"Wer bist du, Alternde?", riefen einige.

"Du kannst nicht hier wandeln, denn die Geister des Waldes bestrafen dich.", hallten hohe Kinderstimmen umher.

Zelda verlor immer mehr die Geduld, hetzte mit Silberregen weiter, direkt auf das Häuschen zu, wo Link einst wohnte und ignorierte die kindlichen Fragen der vielen Kokiris. Stattdessen rannte sie auf einen kleinen Kerl mit roten Plauschbacken, grünem Strampelanzug und zerzausten rotblondgelockten Haaren zu. Sie packte den Knirps aufgeregt an seinen kindlichen Armen und sagte nachdrücklich: "Wo ist Saria?"

"Im Verlorenen Wald. Bei der Heiligen Lichtung." Ungeduld wechselte die vorherige Panik in Zeldas Augen ab. "Dann hol' sie. Sofort!", ordnete sie an und hielt dem Kind einen Zeigefinger unter die vorwitzige Nase. "Ich mein's ernst. Und wehe du kommst nicht ohne sie zurück!" Die grünen Augen des Kegels weiteten sich furchtvoll. Er wich zurück und rannte die Arme in die Höhe streckend mit lautem Kindergeschrei einen grünen Hügel hinauf, wo der Eingang zu den Verlorenen Wäldern ruhte.
 

Derweil stand Zelda mit ihrem stolzen Schimmel vor dem kleinen Haus, wo eine Leiter zu dem Eingang führte. Träge schlossen sich Zeldas Augenlider. Sich konzentrierend hielt sie ihre Handinnenflächen in kurzem Abstand zu einander. Wind wirbelte ihr goldenes Haar auf, welchen sie erschaffen hatte. Magischer Wind einer alten Magie, die in Zeldas einzigartigem Wesen zu finden war. Ihre Augen blinzelten schwach. Ein langsamer Atemzug und die Hylianerin erfüllte ihre Lungen mit frischer Luft, ließ die angesammelte Magie frei, murmelte alte hylianische Formeln in ihren Gedanken, bis jene ihren weichen Lippen entkamen. Formeln alter Magie. Plötzlich hob sich Links ohnmächtige Gestalt vom Pferd, als spannte Zelda mit ihrer Magie unsichtbare Fäden, die seinen Körper transportierten. Langsam führte die legendäre Macht des Triforce den schwachen Körper des Helden der Zeit in die Luft.
 

Erstaunt sahen die Kokiri zu, trauten ihren Augen nicht und gafften, stöhnten entgeistert auf.
 

Zeldas blauschillernde Augen öffneten sich ganz, als eine Schweißperle sich an ihrer Stirn zeigte. Immer noch hielt sie ihre Hände nah aneinander, bedacht die magische Kraft nicht enden zulassen. Höher und höher schwebte der verwünschte Körper des Helden der Zeit, bis er sich drehte und sachte, wie durch leichte, warme Schwingen in das Innere des Häuschens bewegte.
 

Zeldas magische Kraft schwand langsam. Sie fühlte, wie stark jene Fähigkeit nun an ihr zerrte, sie aufsaugte. Nur noch ein Stückchen, sagte sie sich in ihren Gedanken. Vor ihrem geistigen Augen sah sie das kleine Bett vor sich, wo Link ruhen sollte. In ihrem Inneren führte die geheiligte Magie der siebten Weisen den jugendlichen Körper näher und näher heran an die mit Decken belegte Liege. Noch wenige Zentimeter und Link könnte ruhen.
 

Die Konzentration brach. Sie ließ sich schnaufend auf die Knie sinken, während oben in dem Häuschen das Bett knarrte, ein Beweis, dass Links Körper angekommen war. Mit einem leisen erleichterten Lacher und wackligen Knien kletterte Zelda selbst die kleine Leiter hinauf und schob vorsichtig olivgrüne Vorhänge vor dem Eingang zur Seite. Es war ungewöhnlich dunkel in dem kleinen runden Raum und nur ein einzelnes Fenster über dem Bett, von wo aus der junge, kleine Hylianer einst die Sterne beobachtet hatte, in der ewigen Hoffnung, am Morgen eine Fee zu haben und nicht mehr von den anderen Kindern des Waldes gehänselt zu werden, ließ Licht in das gemischte Dunkel. Sie nahm einen langen Atemzug durch die Nase und roch den ungewöhnlichen Duft hier drin. Ungewöhnlich zimtartig, süß und unglaublich angenehm.

Ruhig entzündete die anmutige Prinzessin den Docht einer kleinen, dunkelgrünen Kerze, die auf einem Nachttischschränkchen direkt neben dem viel zu kleinen Bettchen stand. Der helle Lichtschein verlor sich flackernd auf dem erschöpften Gesicht Links, der bewusstlos längs in dem Bett lag. Zelda nahm ihre aus Garn gestrickten weißen Handschuhe ab und legte ihm besorgt eine Hand über die Stirn. Sie glühte geradezu...

Was war nur los mit ihm, fragte sie ihr Herz. Seine Abweisung und dann dieser merkwürdige Anfall... Seine Krankheit war in der Tat sehr ungewöhnlich. Er besaß doch das Fragment des Mutes. Link konnte überhaupt nicht krank werden und dann auf diese Art und Weise.

Schnell und sich vergewissernd überprüfte sie das Vorhandensein des Fragmentes, nahm seine linke Hand in ihre rechte und blickte angestrengt auf den Handrücken. Seine Hand war eisigkalt, so wie seine kühle Distanz ihr gegenüber.
 

Das Fragment des Mutes ruhte noch in ihm, das sah und spürte die Prinzessin beruhigt. Auch, wenn es sich lediglich verblasst preisgab. Niemand anderes war rein und vertrauenswürdig genug, eine solche Macht zu tragen. In dem Moment atmete Link scharf durch seine Zähne, sendete ein Pfeifen aus und begann einmal mehr, so wie jede Nacht zu zittern. "Link...", sagte Zelda energisch. Aber er wachte nicht auf, durchlebte wieder seine Alpträume, durchlebte einen Fluch, gigantischen Schatten der Nacht, folternd, quälend.

"Was hat man dir nur angetan...", setzte sie schwach hinzu. Suchend blickten ihre durchdringenden blauen Augen umher, auf der Suche nach etwas Wärmenden. Hastig klappte sie eine Truhe auf, aber fand nur alten Gerümpel darin. Keine Decke. Kein Kissen. Hatte Link so etwas nicht? Sie schnipste unelegant, gar nicht wie eine Prinzessin, mit den Fingern und hatte eine vortreffliche Idee. Sie entkleidete sich vorsichtig von ihrem schweren, weißlich glänzenden Umhang und deckte den kränkelnden Link damit zu.

Entgegen ihres Willens streichelte Zelda dann durch seine goldblonden Haarsträhnen. Ruckartig griff Link nach ihrer warmen Hand, öffnete blinzelnd die im Kerzenschein flimmernden, dunkelblauen Augen, sah Zelda genau an, träumerisch, vielleicht sogar dankbar. Jene eine Sekunde seines Blickes schien ewig zu währen. Die Prinzessin war sich nicht sicher, aber sie sah Gefühle in seinem Blick, nur kurz, aber doch standhaft. Noch nie hatte er so intensiv, so anspruchsvoll in ihre sanften Augen gesehen.

Er stöhnte auf, bevor sein in Schweiß getränkter Kopf lasch zur Seite sank. Erneut war Link bewusstlos. Kalter Schweiß. Fieber. Husten. Was hatte er sich nur zugezogen? Es konnte keine Erkältung sein. Es konnte keine Grippe sein und auch keine andere Krankheit...
 

In dem Moment hörte Zelda anderes, klapperndes Stiefelgeräusch. Jemand kletterte die Leiter hinauf und überquerte dann den kleinen Balkon. Das Geräusch wurde unterbrochen und die olivgrünen Vorhänge von zwei kleinen Kinderhänden zur Seite geschoben. Ein koboldartiges Mädchen mit graublauen Augen und grünem Haar trat herein.

"Hallo, Prinzessin", sagte eine glockenhelle Stimme.

"Saria." Aufgeregt hüpfte Zelda, gekleidet in einer einfachen Miederbluse und einem langen Rock, auf ihre Beine. Das geflochtene kupfernschimmernde Haar wirbelte in der Luft, als Zelda hastend zu Saria lief. "Ich brauche sofort deine Hilfe. Nein, anders, Link benötigt unsere Hilfe." Und Zelda zeigte mit ausgestrecktem Arm zu dem bewusstlosen Hylianer in dem Bettchen. Saria legte sich vor Schreck ihre Hände über den kindlichen rosa Mund und stürzte aufgebracht näher. "Link!", rief sie. "Was ist mit ihm?" Mit eleganten, ruhigen Schritten trat Zelda neben die kleine Kokiri, die an der Bettkante hing.

"Darauf weiß ich keine Antwort...", sagte Zelda schwach und setzte sich zu Link auf das Bettchen. "Ich hatte gehofft, wir könnten gemeinsam eine Antwort finden.", fuhr die Prinzessin fort. Hilflos sah Saria der königlichen Hoheit ins Antlitz und Wasser tropfte von ihren graublauen Augen. "Sein Zustand kam plötzlich. Vor wenigen Tagen noch besuchte er mich in dem Schloss meiner Familie." Sarias Mundwinkel zogen sich traurig nach unten.

"Er ging, mit der Absicht nicht mehr wiederzukehren, und doch ist er geblieben...", flüsterte Zelda angestrengt, bemüht ihre Fassung zu bewahren.

"Was ist jetzt zu tun?", sagte Saria, denn sie hatte noch nie einen Kranken geheilt oder eine Wunde verbunden. Das war in den Wäldern der Kokiri nie nötig. Eine Schramme da, ein blutiges Knie hier. Aber Verbände hatte man deshalb nie angelegt.

"Der kalte Schweiß frisst ihn auf. Wir müssen ihn irgendwie wärmen. Ich brauche heißes Wasser." Zelda sah ideenreich auf. "Hat Link irgendwo noch eine grüne Tunika?"

"Gewiss lässt sich noch irgendwo eine in seiner Größe finden oder zurecht machen.", meinte Saria.

Zuversichtlich stand Zelda auf und richtete ihr Haupt gen Sonnenuntergang.

"Dann bring' mir diese und eine Schüssel mit heißem Wasser. Das wird eine lange Nacht." Saria fand den Mut für ein Lächeln auf dem Gesicht und eilte schnell wie der Blitz aus dem Häuschen.
 

Auch Zelda rannte aus dem Häuschen und wühlte in den Satteltaschen Silberregens herum. Sie fand einen Gegenstand, der mit blauen Tüchern umwickelt war, ein langhalsiges kristallenes Fläschchen mit silbriger Flüssigkeit, eine Schatulle mit einer Salbe und die versiegelte Rolle für den Helden der Zeit.

Es musste Vorsehung gewesen sein, die sie diese wertvollen Dinge mitnehmen ließ...
 

Es dauerte nicht lange und die beiden Weisen standen wieder in dem Häuschen neben dem besinnungslosen jungen Hylianer, der noch nie die Hilfe anderer in Anspruch genommen hatte. Saria stand hilflos im Raum und sah nur zu.
 

Die anmutige Prinzessin der Hylianer allerdings saß an der Bettkante und begann zunächst damit den jungen Helden von den durchgeschwitzten Klamotten zu befreien. Ohne Schamgefühle oder verlegenes Rot unter den Augen öffnete sie die kupferne Gürtelschnalle, löste die wenigen Schnüre an dem Kragen der nussbraunen, mit Flicken übersäten Tunika und zog dem ahnungslosen Blondschopf die Kleidung vom Leib.

"Was tut Ihr denn da?", meinte Saria halb entgeistert. Denn sie hatte noch nie einen jungen Mann, und Link war um einige Jahre reifer als Mido oder ein anderer Junge hier in den Wäldern, halb nackt gesehen. Zelda musterte die verlegene Saria mit einem obskuren Schmunzeln und begann Links schweißnasses Hemd aufzuknöpfen.

"Keine Angst, Saria. Ich lass' schon alles dran", erwiderte Zelda eifernd, wollte die beklemmende Stimmung ein wenig verscheuchen. Mit einem Ruck zog sie dem armen, ohnmächtigen Kerl das Hemd über den Kopf. Aber selbst dadurch war Link nicht aufzuwecken. Ein Grund mehr für Zelda sich zu beeilen. Hastig riss sie Link die Stiefel von den kalten Füßen. Zum Teufel, dachte sie, warum hatte er denn nicht einmal ein paar Strümpfe an?
 

Der schwierige Teil der Arbeit war geschafft, dachte sie, und holte die heiße Schüssel Wasser heran. Sie befeuchtete ein dickes Wolltuch mit dem heißen, klaren Wasser und begann Link sachte den Schweiß von seinem Gesicht zu waschen.

Es stimmte sicherlich, diese Arbeit gehörte nicht zu den Aufgaben einer Prinzessin. Niemand, nicht Impa und auch nicht ihr Vater würden es gutheißen, wenn sie hier Heilerin spielte und damit Arbeit verrichtete. Arbeit. Niemals musste Zelda sich an irgendetwas die Finger schmutzig machen, obwohl sie eigentlich an ein bisschen Arbeit Freude hatte. Regelrechten Spaß hatte sie daran, sich einmal so richtig die Finger schmutzig zumachen, zum Beispiel beim Kuchenbacken oder dem Abwaschen. Letzte Woche, und es gab mehrere solche vortrefflichen Ausnahmen, da hatte Zelda heimlich der Küchenmagd Lorena geholfen, das Geschirr abzuwaschen...

Nebenbei war Link ein Freund für sie, wenn nicht gar ihr wichtigster. Für ihn würde Zelda sicherlich noch mehr tun, als einfach nur eine niedere Arbeit verrichten...
 

Liebevoll ließ Zelda das warme Tuch an seinen Hals gleiten, wischte einige Male über seine Haut, bis sie das Tuch in die Schüssel zurücksinken ließ und kräftig ausrang. Dann wusch sie langsam seine Brust und seinen Bauch. Wieder ein Schritt geschafft, dachte sie.

"Saria. Reich' mir bitte die Schatulle." Saria nahm das Döschen zittrig in ihre kleinen Hände und übergab es der Prinzessin. Seltsame Ruhe ging von Zelda aus. Ruhe und Wissen, was es zu tun galt. Wie machte sie das, fragte sich Saria. Schon immer bewunderte das Kokirimädchen jene Prinzessin des Schicksals, nicht nur, weil sie außerhalb der Wälder leben durfte, oder weil sie so wunderschön war. Saria beneidete nicht ihren Reichtum oder die vielen Menschen, welche zu ihr aufsahen. Nein, der Punkt, warum Saria sich die Prinzessin als Vorbild nahm, war wohl schon immer das Gefühl, dass Link mehr für sie empfand als für seine einstige Freundin aus den Wäldern. War es Eifersucht? Wohl eher nicht, da Saria niemals die Gefühle einer Frau empfinden würde. Es schien eher Neid zu sein und Bewunderung, aber kein Hassgefühl.
 

"Was ist da drin?"

"Eine Salbe aus Anis-, Eukalyptus- und Thymianöl. Es wird ihm das Atmen erleichtern", sagte Zelda selbstbewusst und rieb seine mit Narben übersehene Brust mit dem wohlriechendem Material ein. Als das getan war, drehte sich Zelda zu dem koboldartigen Mädchen um. "Jetzt müssen wir lediglich abwarten.", sagte sie gedämpft und schaute tiefgründig in das blasse Gesicht des Helden, den niemand kannte. Je länger sie aber in sein Gesicht blickte, mit ihren Augen markanten und einzigartigen Zügen folgte, umso mehr besann sie sich auf die abweisenden Worte aus seinem Mund. Fürsorglich legte Zelda den wärmenden Mantel als Decke auf ihn, achtete darauf, dass er ihn ganz einhüllte und stand dann auf. "Jetzt, wo ich getan habe, was ich konnte, ist es besser ich gehe wieder...", flüsterte Zelda leise und verriet das erste Mal Schwäche vor den graublauen Augen Sarias.

"Warum denn? Solltet Ihr nicht bleiben, bis er erwacht?"

"Er wünscht sich meine Anwesenheit nicht. Deshalb..."
 

Gerade nahm Zelda das kleine Fläschchen in ihre zarten Hände und wollte Saria beauftragen, jenes Link zu übergeben, falls er aus seinem Schlaf erwacht, als Link einen überraschenden Seufzer von sich gab. Beinahe hätte sie die wertvolle Substanz fallengelassen. Sie startete einen weiteren Versuch, kniete vor dem halbwüchsigen Mädchen nieder und drückte ihr das Gefäß in die Kinderhände. "Saria, hör gut zu." Zeldas sichere, blaue Augen festigten die Worte, die sie gerade sagen wollte. "In diesem Gefäß befindet sich ein sehr starkes Heilmittel. Ein Tropfen reicht aus, um ein ganzes Heer wieder auf die Beine zu bringen. Sollte Link jemals wieder einen Anfall, einen Zusammenbruch, erleiden, dann soll er davon einen winzigen Tropfen einnehmen. Es wird ihn im Nu wieder..." Saria schüttelte plötzlich mit dem Kopf und sagte trotzig: "Ihr könnt jetzt nicht gehen." Verwirrt sah Zelda das Mädchen an.

"Aber wieso denn nicht?" Und Saria deutete mit einem ausgestreckten Arm zu dem erschöpfen Körper Links.

"Saria, ich habe meine Verpflichtungen und Link braucht jetzt alles andere als meine Gesellschaft", sagte Zelda verständlich, mit ein bisschen Nachdruck. Doch Saria schüttelte schmollend mit dem Kopf. "Saria!", sagte Zelda lauter. Jetzt brachte die Weise des Waldes Zelda aus irgendeinem Grund in Rasche.

"Wir Kokiris brauchen Schlaf. Ich kann nicht die Nacht auf Link achten.", meinte Saria bedauernd. "Wir sind nicht so wie ihr Hylianer, Prinzessin. Unser Kreislauf und Lebensrhythmus unterliegen anderen Gesetzen als Euren. Wie ruhen zu festen Zeitpunkten und wachen zu festen Zeitpunkten." Aber eigentlich war dies kein wirklicher Grund, das wusste die Prinzessin. Saria hatte etwas äußerst Tückisches in ihrem Blick. Es war nicht die Lebensgewohnheit der Kokiri, die sie band, nein, vielmehr wollte sie unbedingt, dass die Prinzessin über ihren Freund Link wachte.

"Versteht doch, Prinzessin. Ich kenne mich in der Heilkunst nicht aus. Wenn Link jetzt jemanden braucht, dann seid Ihr das." Ihre Augen verleiernd und dann mit trübsinnigem, verzweifelten Ausdruck in dem wunderschönen Gesicht zu Link blickend, nahm Zelda die kristallene Flasche wieder an sich.

"Wie du meinst. Ich bleibe...", flüsterte Zelda und schloss anmutig die Augen, während sie ihr Haupt zur Seite wand und eine Hand auf ihr Herz legte. Sie hatte sich schneller überzeugen lassen, als es normal war. Wie konnte man auch einen so attraktiven, jungen Mann nicht pflegen wollen, dachte Zelda kurz. Räuspernd besann sie sich wieder auf ihre Manieren.
 

"Hast du weitere Decken für mich? Ich denke, der Umhang reicht nicht aus...", setzte Zelda hinzu, um von ihrem Trübsinn, der stillen Verzweiflung, Link könnte es gar nicht gefallen, dass sie bei ihm blieb, abzulenken.

"Natürlich", sagte Saria erfreut, grinste hinterhältig und fand es ausgesprochen toll, dass die Prinzessin Hyrules sich hier in Kokiri aufhielt.

Wenige Minuten später brachte sie einen Stapel Decken, sowie Kissen, verschwand und ließ die Prinzessin Hyrules alleine mit ihren einstigen, so tapferen Helden.
 

Einige Stunden verstrichen. Noch immer stand ein heller Mond am Himmel, der seinen kühlen Schein durch das kleine Fensterchen in Links Häuschen schickte. In Kokiri war es unheimlich ruhig, denn alle Kinder des Waldes schliefen, träumten vom Glücklichsein und von den zauberhaften Spielen in den magischen, unsterblichen Wäldern.

Zeldas saß mit einer Decke um ihre Schultern auf einem kleinen Holzstuhl, las ein altes, Geheimnisse über Hyrule erzählendes Büchlein, während die kleinen Kerzen in dem Baumhaus herabbrannten. Immer wieder warf sie einen Blick hinüber zu der ruhenden Form des blonden Hylianers und so machte sie sich mehr Sorgen um ihn, als den Inhalt des Buches zu verstehen. Mit einem lauten Klack klappte sie das Buch zu und rieb sich den zunehmenden Schlafsand aus den Augen. In dem Augenblick hörte sie durchdringendes Murmeln aus Links Mund, wenn es auch unverständlich blieb. Hoffend erhaschte sie einen prüfenden Blick, wünschte sich, er würde seine tiefblauen, unwiderstehlichen Augen öffnen, sie anlächeln, so wie er es irgendwann einmal vor seiner Abreise nach Termina getan hatte. Eine kleine Träne tropfte über Zeldas schwachrosa Wange, als sie jenen Tag erinnerte. Der Tag, der alles änderte. Der Tag, der alles zerstörte...
 

Die junge, zwölfjährige Prinzessin stand mit dem Rücken zu ihm gewandt, unterdrückte ihre Gefühle, versuchte nicht den Eindruck zu erwecken, ihn mit den Worten ,Bitte bleib' an sich zu binden. Sie dämpfte ihre Gefühle mithilfe des Fragmentes, dämpfte ihre Angst um ihn. Denn sie wusste, der junge Held der Zeit würde gebraucht werden, nicht nur in Hyrule, sondern auch in anderen Ländereien. Langsam drehte sie sich um, spielte kindisch mit dem Stoff ihres Kleides und suchte nach Worten des Abschieds, die ihr nicht das sieben Jahre ältere Herz herausreißen würden.

"Sei vorsichtig auf deinen Wegen, Link...", sagte sie leise und blickte dann in ein lächelndes Gesicht, wo tapfere, so entschlossene Augen sie anstrahlten. Sofort hatte sie sich in jene Augen verliebt, ohne es sich eingestehen zu können. Schon bei ihrer ersten Begegnung mit jenem Jungen waren es diese Augen, die sich in ihr Gedächtnis himmlisch eingebrannt hatten. Es war nicht nur Furchtlosigkeit, die aus diesen Augen quoll, nicht nur unbeschreiblicher Mut, auch Sehnsucht und Suche nach Zuneigung, die jene Augen so besonders machten.

Er nickte, grinste sie an, als ob etwas an ihrem Erscheinungsbild total lustig war, als ob ihr Hörner gewachsen wären.

"Was ist, Link?", sagte sie leise, nachdem sie ihm die Okarina der Zeit erneut überreichte und blickte mit Tränen in den Augen zu Boden. Er kratzte sich verspielt an dem Haaransatz, welches unter seiner grünen Mütze hervorstach. "Äh... also... ich wollte fragen... Bekomme ich denn gar keinen Abschiedskuss?", brachte er dann rotwerdend hervor. Lachend blickte Zelda auf, ließ ihren Tränen nun vollen Lauf und hüpfte mit ihrem rosa Kleidchen in seine Arme.

"Mach' dir keine Sorgen, ich bin bald wieder zurück." Seine warmen Kinderhände wanderten über ihren Rücken und zogen sie ein Stückchen näher an sich, vielleicht, weil es nicht der zwölfjährige Junge war, der Lebewohl sagte, sondern der Held der Zeit...

"Ich weiß, sei' trotzdem vorsichtig.", hauchte sie an sein spitzes Ohr.

"Mich haut keiner so schnell aus den Pantoffeln. Das weißt du doch...", sagte er und löste sich verlegen, mit roten Ohren aus ihrer Umarmung.

"Also dann", sagte Link und wollte gerade schwungvoll in den Sattel auf Epona gleiten, als Zelda ihn an seiner Hand zurückhielt. "Du hast ja deinen Kuss noch nicht bekommen.", sagte sie lächelnd und gab ihn ein schmatzendes Küsschen auf seine linke Wange.

Zappelig stieg Link nun auf, wäre angesichts des Kusses beinahe vom Pferd gefallen, rückte seinen typischen Hut zurecht und lächelte Zelda an.

"Bis bald, Zelda.", meinte er.

"Bis irgendwann, mein Held und..." Link drehte sich kurz um, als er mit Epona von dannen trabte. Sein Lächeln würde vielleicht das letzte sein, das Zelda jemals sah. "... ich hab' dich lieb, mein Held...", rief sie ihm nach. Erneut das kleine Sätzchen, welches Link nicht erinnern wollte. Ein kleiner unbedeutender, kindlicher Satz, der für Zelda eine große Bedeutung hatte...
 

Wenn sie jenen Tag nur rückgängig machen könnte. Oh, bei den Göttinnen, sie würde es tun. Wenn sie nur die Macht der Zeit für einen solchen Frevel einsetzen könnte. Sie würde ihrer Verantwortung entsagen, für die Rettung ihres wertvollsten Freundes...
 

Andächtig, die alte Zeit erinnernd, ließ sich Zelda auf die Bettkante der kleinen Holzliege sinken, spürte den Wunsch dem Helden der Zeit sein Leiden abzunehmen, wünschte sich, sie wäre zu jenem Zeitpunkt seiner Abreise selbstsüchtiger gewesen. Oh, sie würde ihn mit allen Mitteln daran hindern, abzureisen... Was immer auch geschehen war, es hatte ihn in dieses tiefe Loch gestürzt, aus dem er nicht alleine herausfand.
 

Zelda führte gerade eine warme Hand zu seinem Gesicht, als er begann zu zucken. Er zwinkerte, wollte aufwachen, wollte so wie immer kämpfen, und doch hielt ihn die Hand des Schlafes davon ab. Er stöhnte leise auf, begann zu murmeln, bis Zelda sich näher beugte, um seine Worte zu verstehen. Sein heiseres Hauchen wurde verständlicher, bis die blonde Hylianerin die Fetzen aus seinem Mund deutlich vernehmen konnte.

"Zelda...", murmelte Link leise. Es war ihr Name, der von seinen Lippen erklang, obwohl er nicht wusste, dass sie neben ihm wachte, obwohl er nicht bei Bewusstsein war.

"...Zelda..." Erneut kam jenes Wort stockend aus seiner Kehle und die hübsche Thronfolgerin begriff nur schwerlich, dass es in seinem Herzen immer noch einen Platz für sie gab, einen behüteten Platz, der sich aber nicht so einfach finden ließ, nicht einmal von Link selbst.
 

Vorsichtig legte sie eine Hand auf seine Stirn, beruhigt, dass das Fieber schwand und sprach einfühlsam: "Link... hörst du mich?" Aber er phantasierte nur und befand sich keineswegs an der Grenze des Traumreiches. Zelda seufzte enttäuscht auf und blies einen Luftstrom an den Ansatz ihres Haares. Sie hatte schon geglaubt, er würde aufwachen...

Händeringend und ungeduldig lief Zelda daraufhin im Raum auf und ab, grübelte nach, was sie jetzt tun müsste, was sie tun könnte. Gähnend streckte sie ihre Arme in die Höhe, sich eingestehend, auch eine Mütze Schlaf nötig zu haben. Ein zweifelnder Gedanke kam in ihre auf, das Häuschen zu verlassen und Saria zu bitten, ihr einen Schlafplatz anzubieten. Aber dann...

Erneut besah sie Links ansehnliches Gesicht im Kerzenschein, erinnerte sich an so viele Geschehnisse aus der alternativen Zukunft und schnell war klar, sie würde ihn jetzt auf keinen Fall alleine lassen. Sie nahm sich selbst eine Decke, umschlang sich damit und hockte sich auf dem Boden vor dem Bettchen zusammen. Die Prinzessin Hyrules schlief, während Link ab und an ihren Namen säuselte...
 

Es war Abend des nächsten Tages. Zelda hatte sich die gesamte Zeit über mit den unterschiedlichsten und komischsten Kindern des Waldes unterhalten, die ihr jemals begegnet waren. Einer hatte Zelda munter aufgetischt, wie gerne er Haferbreis aß, ein anderer Knirps wollte unbedingt mit der hübschen jungen Lady Fangen spielen und ein anderes Mädchen zeigte ihr, wie man hier in Kokiri aß. Nämlich mit einem großen Holzlöffel, der jedoch selbstgeschnitzt für die hungrigen Kindermünder viel zu groß schien. Mit dem Vergehen von Stunden hatte sich die stolze Thronfolgerin doch tatsächlich überreden lassen, den Kokiri ein Märchen aus dem großen Buch des Dekubaumes vorzulesen, worauf einige still eingeschlafen waren. Allem Anschein nach hatten die Kokiri sie lieb gewonnen und so hüpfte ein kleiner Knabe von winziger Gestalt, in hylianischen Rechnungen vielleicht sechs Jahre alt, ihr auf Schritt und Tritt hinterher. Es war gerade eben der winzige Kobold, den Zelda bei ihrer Ankunft angedroht hatte, ja nicht ohne Saria aus den Verlorenen Wäldern zurückzukehren, der ihr folgte. Eine rote Stupsnase mit rotblonden, gelockten Haaren und der grünen Latzhose.

"Was möchtest du, Archilas?" Ein sehr typischer Name bei den Kokiri.

"Bleibt Ihr für immer?", sagte der kleine Wicht. Daraufhin lächelte Zelda sanft und erwiderte leise: "Ich fürchte nicht. Hier ist doch kein Platz für Hylianer." Daraufhin schluchzte das Kerlchen laut auf und begann zu weinen. Verschreckt stolperte Zelda rückwärts und fixierte den Knirps mit entschuldigendem Blick. "Ähm... aber jetzt bin ich doch noch da", meinte sie aufheiternd. "Nicht weinen, Archilas." Und er nickte mit dem Köpfchen auf und ab.

"Aber jetzt solltest du zu dem Dekubaum gehen. Er liest bestimmt auch noch eine Geschichte vor." Mit großen Augen hüpfte der Kleine weiter und Zelda atmete erleichtert aus. Wie um alles in Hyrule hatte Link es hier unter den ganzen kleinen Kindern nur ausgehalten?
 

Gemächlich kletterte Zelda die kleine Leiter zu Links Häuschen herauf und erinnerte sich genau an ihr Gespräch mit dem Dekubaum. Sie hatte ihm von Links Zustand berichtet, da jener weiser Baum nicht fühlen konnte, wie es dem Helden der Zeit ging, wohl aber tiefe Gefühle für ihn hegte. Ferner hatte sie ihm von ihrem Verdacht erzählt, Links merkwürdiger Zustand könnte etwas mit seiner Abreise und der lange überfälligen Rückkehr zu tun haben. Stundenlang hatte sie mit dem Dekubaum beraten, was jetzt zu tun sei und war mit ihm zu dem Schluss gekommen, dass Link nur durch Stärkung seines Willens, seiner Fähigkeiten und durch Training des Fragmentes in seiner Hand in der Lage wäre, den Ereignissen auf den Grund zugehen. Er könnte so die Ursache für den Kummer finden, der seinen Körper und seiner Seele unerträglich zusetzte. Und Zelda würde ihm helfen das Fragment in seinem Besitz endlich zu kontrollieren, denn er konnte es bis jetzt nicht.

Auch war der alte, weise Dekubaum überrascht, dass Zelda dem jungen Link eine Anmeldungsschrift für die Ritterschule mitgebracht hatte. Überrascht und doch erfreut. Saria hatte daraufhin sofort die alte Babydecke herausgekramt, mit welcher Links Mutter ihren Sohn vor vierzehn Jahren mühsam und unter Aufbietung aller Kräfte hierher brachte. Eine Babydecke, die das Abzeichen einer alten Ritterfamilie Hyrules trug...
 

Zufrieden zog Zelda die olivgrünen Vorhänge zur Seite und wagte einen Blick in das dunkle Räumchen. Sie entzündete ein Streichholz und brachte Kerzenschein in den Innenraum. Als sie sich dann zu Link wand, stellte sie überrascht fest, dass seine unbeschreiblich anziehenden Augen geöffnet waren. Ziellos starrte er an die hölzerne, mit Hunderten Lebensringen versehene Decke.

"Link?" Ein lauter Ton entkam Zeldas Kehle, so dankbar, dass er wieder bei vollem Bewusstsein war. Ein erfreuliches Lächeln spielte um ihre Mundwinkel als sie schnellen Schrittes näher trat und dem schwächlichen Helden am liebsten um den Hals gefallen wäre. Aber er wich zurück, was Zelda unmissverständlich klarmachte, dass er eine solche herzliche Geste nicht wollte. Stattdessen erklang Abweisung aus seinen tonlosen Worten: "Was machst du hier?" Und immer noch starrte er lieblos an die Deckenwand, schaffte es einfach nicht der Prinzessin in die Augen zu sehen. Er schämte sich schon fast für seinen Zusammenbruch, schämte sich für die Schwäche des Helden der Zeit, die sie miterlebt hatte. Er durfte nicht schwach sein, redete er sich ein, er durfte vor niemanden Schwäche zeigen, erst Recht nicht vor der Prinzessin Hyrules.

"Ich habe dich gepflegt, Link", sagte sie sanft und setzte sich zu seinem Unbehagen neben ihm auf die Bettdecke. Sie zwang ihn fast dazu, in ihre blauen Augen zu sehen. Aber er neigte seinen Kopf gen Fenster und hielt sich tiefeinatmend die Hände auf seine Brust. Überall fühlte er einen dumpfen, seltsamen Schmerz, den er nicht verstand, für den es eigentlich keine Ursache gab.

"Wunderst du dich denn gar nicht, wie du hierher gelangen konntest", sagte Zelda leise.

"Mich wundert nichts mehr...", entgegnete er und richtete sich sachte auf. Mit leichter Verzweiflung wand sich Zelda ab, verkrampfte sich schon wieder angesichts dieser unglaublichen Sturheit und seinem übertriebenen Stolz Hilfe anzunehmen. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und versuchte nicht aus der Haut zu fahren. Es machte sie wütend, dass Link so kalt ihr gegenüber war. Es machte sie fuchsteufelswild und verletzte sie ungemein.

"Du hast eine lange Nacht hinter dir und den gesamten Tag ebenfalls geschlafen.", fing Zelda an, wollte mit ihm ins Gespräch kommen, aber das schien eine unüberwindbare Hürde zu sein, denn Link, wie so oft, schwieg und blickte aus dem Fenster.

"Ich habe hier etwas für dich", setzte die Prinzessin fort und hielt ihm eine Schatulle mit der wohlriechenden Salbe unter die Nase. "Es hat die Schmerzen ein wenig gelindert, hoffe ich. Behalte diese Salbe ruhig. Sie hilft auch bei ganz gewöhnlichen Erkältungen. Und..." Doch erstmalig unterbrach Link sie.

"Lass das... ich will deine Hilfe nicht. Bitte, Zelda, ich ertrage das nicht...", flüsterte er, sichtlich mit den Worten ringend. Diese Worte stießen Zelda jedoch irgendwie einen scharfen Dolch ins Herz. Sie drehte sich um, fühlte eine Träne über ihre Wange tropfen und begriff langsam, was sie nie verstehen wollte. Link brauchte sie einfach nicht. Er hatte in seinem Leben genug wegen ihr durchmachen müssen. Könnten seine Worte ein Lebewohl im Sinn haben?
 

Weinend drehte sie ihr stolzes Haupt in seine Richtung, begann zu fühlen, wie ihr Triforcefragment pulsierte. Es loderte in ihrer Hand wie Feuer.

"Was glaubst du, tue ich hier? Wie kommst du dazu, mir zusagen, dass du meine Anwesenheit nicht erträgst.", fauchte sie und spürte wie ihre Macht wuchs und wuchs, am Rande einer nahen Entladung. "Nach allem, was wir zusammen erlebt haben. Nach all' den Kämpfen, unserer gemeinsamen Zeit. Wie konntest du das alles nur vergessen? Bin ich dir so wenig wert? Du bist nicht Link! Du bist ein herzloses Monster geworden!" Sie stoppte sich selbst, als dieses Wort über ihre Lippen kam, wünschte sich, sie hätte es nicht gesagt...

Link schloss zittrig seine Augen, zog seine Mundwinkel nach oben und sagte selbstrichtend: "Endlich erkennt es jemand. Ich bin ein Monster..." Dann lachte er plötzlich und vergrub entgegen seines Willens die linke Faust in dem Holz der Wand. "Ein Monster... ganz genau...", seufzte er schwer und lachte immer noch mit seiner heiseren Stimme.

"Ein verdammtes Monster!", rief er hinaus aus dem Fensterchen, sodass einige Kokiri seine wahnsinnigen Worte hörten. "Ich bin ein Monster. Die Welt hat ein Monster aus mir gemacht. Kommt und seht das Monster!", brüllte er, zuckte zusammen, fühlte die Qualen erneut und wurde plötzlich wieder ganz leise. "Ein Monster...", seufzte er.
 

Noch nie hatte Zelda jene starke Kämpferstimme so wimmern gehört. Sie hatte noch nie diesen Schmerz aus seinen Worten gehört und die vielen Wunden, die daran geknüpft waren. Mit einem lauten Schluchzen hetzte Zelda zu ihm hinüber, drückte seinen Kopf gegen ihr Brust, ohne Gegenwehr. Link kämpfe nicht gegen sie an, aber er zeigte auch nicht den Mut zur Annäherung. Halb ignorierend ließ der junge Held der Zeit die Umarmung über sich ergehen, gefangen zwischen zwei Stühlen, zu erwidern oder es bleiben zulassen. Wie immer entschied er sich für die letzte, kühle Alternative...
 

Einige Sekunden verstrichen und Zelda ließ nicht von ihm ab. Stumme Tränen fielen von ihren Augen und doch wuchs in ihr Zorn auf denjenigen, der Link in diese schwache Situation gebracht hatte, ihm genommen hatte, was ihn einst auszeichnete: Mut, Stolz und Stärke. Unglaublichen Groll hegte sie gegen jene, die den Helden der Zeit kennen mussten, die ihn irgendwie in seinen Teufelskreis getrieben hatten.
 

Sanft sprach sie: "Ich werde herausfinden, was mit dir geschehen ist." Doch Link schüttelte angestrengt den Kopf. "Nein, lass' es. Ich..."

"Du willst es alleine herausfinden?" Er sagte nichts dazu und wich endlich aus ihrer beschützenden Umarmung zurück, fühlte sich so kraftlos und verletzlich und das gegenüber der Prinzessin...

Er lehnte sich zurück, spürte einige Kissen in seinem Rücken und versuchte sich zu entspannen.

"Erzähl' mir bitte, was in den letzten Wochen geschehen ist...", sagte Zelda sanft, während sie hinüber zu dem kleinen Tischchen lief und einen Krug mit Wasser anstrebte.

"Das ist eine lange Geschichte..."

"Dann solltest du besser gleich anfangen.", sagte sie stur. Sie würde ihn nicht alleine lassen, auch gegen seinen Willen und sie würde, bei den drei Göttinnen, ihm alles aus der Nase ziehen, was sie wissen müsste.
 

Link nahm einen tiefen Atemzug und starrte gedankenlos ins Nichts. Noch immer hatte er Zelda nicht einen einzigen Blick schenken können.

"Es war vor einem halben Jahr..." Und er begann mit seiner merkwürdigen Geschichte, wusste doch, dass Zelda ihm nicht glauben konnte. Aber war es vielleicht nur seine verfluchte Eitelkeit, sein unverbesserlicher Stolz, der ihm einredete, dass sie nicht verstehen würde?

Fürsorglich reichte die Prinzessin Hyrules dem Fünfzehnjährigen eine Tontasse mit Wasser, die er annahm, aber darauf achtete, dass seine Fingerspitzen ihre unter keinen Umständen berührten.

"Damals spürte ich eine Gefahr im Nordwesten, hinter den Landesgrenzen Hyrules..."

"Du hast dich auf den Weg gemacht?"

Er nickte schwerfällig den Kopf und fuhr leise fort: "Ich habe Epona zur Farm zurückgebracht, weil ich sie nicht in Gefahr bringen wollte..." Der ewige, besorgte Beschützer kam in diesem Augenblick zum Vorschein, die wunderbare Eigenschaft eines einzigartigen Helden, der vom rechten Weg abgekommen war.

"Warum hast du mich nicht besucht und mit mir darüber gesprochen? Ich habe jeden Tag darauf gewartet, dass du durch das Schlosstor reitest, dass du berichtet, was du erlebt hast, wie es dir ergangen ist. Ich habe die gesamte Zeit auf dich gewartet.", sagte Zelda trübsinnig und neigte ihr Haupt in Richtung der kleinen Tür. Link schwieg dazu, stellte die braune Tontasse auf den Nachttischschrank und begann wie ein Kind mit seinen Kämpferhänden zu spielen.

"Ich weiß noch, dass ich einer Spur nachgegangen bin und dann... dann ist da nichts mehr. Das nächste, was ich erinnere, ist, dass ich in der Steppe Hyrules unter einem Baum aufgewacht bin und ab da..." Er wurde mit seinen Worten immer leiser. "Ab da..."

"Haben deine seltsamen Anfälle angefangen?", sagte Zelda standhaft und verständnisvoll. Link nickte bloß, fühlte sich so gebrandmarkt und betreten, seinen Kummer bei Zelda abzuladen. Aber seine Sorgen waren alles andere als eine Last für sie. Sie rutschte näher, sodass Link einige ihrer blonden, langen Strähnen in seinem Gesicht spüren konnte. Liebevoll streichelte sie über seine blassen Wangen, versuchte endlich einen Blick aus seinen tiefblauen Augen zugewinnen.

"Was muss ich noch tun, dass du mich endlich ansiehst?", sagte sie unduldsam. Link atmete tief aus und ließ sich langsam wieder niedersinken. Er antwortete nicht, fühlte sich, als ob ohnehin alles sinnlos wäre, was er sagte.

"Erzähl' weiter...", sagte Zelda und konnte nicht anders als dem verlegenen, befangenen Hylianer einen Kuss auf die schweißnasse Stirn zugeben. Selbst diese Geste war ihm unangenehm. Er schloss angestrengt die Augen, aus Furcht er könnte trotzdem in ihre Augen sehen, erst Recht, da Zelda so handelte. Aus irgendeinem Grund hatte Link regelrechte Angst, in ihre Augen zu sehen. Er verstand nicht wieso, aber sicherlich hatte es etwas mit dem Ereignis zu tun, was seine Seele spaltete und seinen Körper mitnahm...

"Ich bin wochenlang durch Hyrule gegeistert... bis ich dich besuchte... und diese ganzen Schicksalsproben von damals haben mich irgendwie nicht losgelassen." Zelda deckte ihn liebevoll zu. "Der Verlust deiner Eltern. Die Kämpfe gegen Ganondorf. Das Alleinsein..."

"Ja...", murmelte er schwach, blinzelte mit seinen dunkelblauen Augen ein wenig, aber schaute zu Boden.

"Jetzt hör' mir zu, Link. Niemand und erst Recht nicht der Held Hyrules muss sich für einen Schicksalsschlag, für Kummer, Niedergeschlagenheit und andere Lebensproben schämen. Du hast das Recht so lange traurig zu sein, wie du willst. Du musst verarbeiten und ich bin zuversichtlich, dass du dich dann auch erinnern wirst. Hab' ein wenig Mut, mein Held.", sagte sie mit starker, fester Stimme. Es tat ihm gut, Zelda so reden zu hören. Irgendwie beruhigte es...
 

"Und was ist auf der Farm geschehen? Die Ritter des ganzen Landes haben nach dir gesucht."

"Ich bin jetzt ein Entführer für alle anderen, obwohl ich... für dieses Land meinen Hals riskiert habe. Mehr als nur einmal... Und jetzt soll' ich eine Farmertochter entführt haben...", murmelte er und blickte das erste Mal zu der Decke auf seinen Körper. Nanu? Das war ja Zeldas Umhang. Lange hatte er gebraucht, um das wahrzunehmen. Ihr Umhang wärmte ihn. Himmel, Zeldas Umhang...

Die anmutige Prinzessin Hyrules lächelte sanft. Der Ausdruck in ihren Augen war erfüllt von Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und unbeschreiblicher Zuversicht.

"Wir beide wissen, dass du niemals, noch nicht einmal daran denken könntest, jemanden zu schaden. Wir wissen beide, dass du niemanden entführt hast." Und beinahe hätte er dankbar, fast erleichtert, dass Zelda ihm glaubte, in ihre Augen gesehen. Beinahe, aber ihm fehlte der Mut dazu, vielleicht war es eine Art Selbstschutz gegen jene Augen eines Freundes.

"Daher hat mein Vater die Anklagepunkte gegen dich fallengelassen. Du bist frei, Link." Überrascht öffnete Link seinen Mund, wollte etwas fragen, aber er entschied sich es zu unterlassen. Erneut schürte irgendetwas die Distanz.
 

Damit stand Zelda elegant auf und nahm das kleine kristallene Fläschchen in ihre weichen Hände. Link blickte verwundert auf jenes Gefäß, wo sich eine silbrige Substanz verbarg.

"Mein Vater und einige hochrangige Ritter wissen um den alternativen Pfad der Zeit. Einige wissen, was du für unser blühendes Hyrule auf dich genommen hast. Deine Taten sollen nicht ohne Beachtung, nicht länger ohne Belohnung sein."

"Ich will keine Belohnung", murrte Link und drehte sich genervt in Richtung Wand. "Ich will nur... meinen inneren Frieden zurück.", setzte er leise hinzu. Zelda öffnete den Mund, wollte etwas sagen, spürte die Verzweiflung in seinem erfrorenen Herzen wieder zunehmen und legte eine Hand auf seine nackte Schulter. Sie drückte seine Haut ein wenig, wollte ihm Anteilnahme und Wärme schenken. Aber Link konnte diese Wonne nicht annehmen, er sträubte sich dagegen und rutschte weiter in Richtung Wand.

"Zelda... ich ertrage deine Nähe nicht. Entschuldige..." Sie ließ schwerfällig und bekümmert das Haupt sinken und stellte das kleine Fläschchen auf das kokirianische Nachttischschränkchen.
 

"Was ist auf der Farm geschehen?"

"Was bringt das, wenn ich es dir erzähle. Ich habe mir doch sowieso alles eingebildet.", maulte er verärgert. Er wollte wieder weglaufen, wollte aufhören einen Freund an sich ranzulassen, als ob das Eis um seine Seele wieder dicker und kälter wurde.

"Bitte geh jetzt. Ich..." Er stoppte seine Worte, als Zelda aber alles andere als verschwand und sich stattdessen zu ihm auf das winzige Bettchen gesellte und sich an ihn herankuschelte.

"Bist du verrückt?", fauchte Link entgeistert, als sie ihren rechten Arm um ihn legte. Begriffsstutzig und entsetzt drehte sich der junge Held um. Beinahe hätte er ihr, von allen hylianischen Geistern verlassen ins Antlitz geschaut. Aber glücklicherweise hatte die liebliche Prinzessin ihre blauen Augen geschlossen. Zaghaft wanderte Link mit seinen ernsten, traurigen Augen ihre Gesichtszüge entlang, erinnerte sich an die andere Zukunft, wo er glaubte, einem himmlischen Engel zu begegnen, als Zelda sich ihm in ihrer königlichen Gewandung preisgab. Damals in der Zitadelle der Zeit. Damals, als er noch wusste, welche Ideale sich hinter den Begriffen Mut und Stärke verbargen. So hübsch war ihr Gesicht, dachte er im Moment. Niemals würde er dieses Gesicht vergessen wollen.
 

"Ich lass' dich nicht weglaufen, du Dummkopf", sagte sie. "Egal, wie gemein das ist, was du mir an den Kopf wirfst", eiferte sie und brachte tatsächlich ein Lachen aus ihrem rosaroten Mund.

"Erinnerst du dich an den Tag, als ich dir von meinen Alpträumen erzählte, von meinen Prophezeiungen?", sagte Zelda sicher.

"Ja...", murmelte Link schwach, fühlte sich erhitzt und wollte nichts weiter, nur weg von diesem Ort. Aber die Prinzessin ließ ihn jetzt in seinem kränkelnden Zustand nirgendwo hinlaufen.

"Du hast mir sofort geglaubt, obwohl wir uns noch keine vierundzwanzig Stunden kannten. Wie kannst du annehmen, dass ich dir nicht glauben würde?" Und damit öffnete sie ihre Augen. "Bei Nayru, ich werde dir immer glauben, du dussliger Held." Geschwind schweiften Links Augen an andere Bereiche des Zimmers und er versuchte sich wieder aufzurichten, blickte zu der silbrigschimmernden Substanz in der kleinen Flasche. Seine Arme fühlten sich an, wie extrem flüssiger Wackelpudding, also schaffte er es einfach nicht, sich in irgendeiner Weise zuhalten. Seufzend landete er wieder auf dem hölzernen Bettchen, lag nervös wegen Zeldas Nähe auf dem Rücken und starrte an die blanke Zimmerdecke.

"In der Flasche befindet sich ein Heilmittel. Gespendet von Feen. Ein ganz kleiner Tropfen wird dich wieder in Schwung bringen, sollte dir erneut ein Zusammenbruch widerfahren."

"Zelda... ich brauche das nicht", murmelte er heisern. Daraufhin zog sie schmollend ihren Mund zusammen, formte ihre durchdringenden, wissenden Augen zu gefährlichen Schlitzen und boxte Link schmerzhaft an seinen rechten Arm.

"Was hab' ich denn jetzt schon wieder verbrochen?", giftete er, und wurde noch verärgerter, als Zelda anfing zu lachen. Sie lachte so laut und durchdringend, dass sie die Kokiri aus ihrem zunehmenden Schlaf reißen konnte.

"Das weißt du ganz genau!", muckte sie und schenkte ihm einen sehr vorwurfsvollen Blick, den er aber wie schon vorhin nicht erwidern konnte. Verlegen und schweigsam sah er zur Seite, wurde ein wenig rot auf den hohen Wangenknochen und fühlte sich immer unsicherer in der wärmenden Nähe Zeldas.
 

"Bitte erzähl' es mir", hakte sie nach, wollte unbedingt in Erfahrung bringen, was auf der alten, gut bewirtschafteten Farm geschah. Link richtete sich auf, stütze verzweifelt seinen schweren Kopf in seine Hände und versuchte die grausamen Bilder in seinem Kopf zu ordnen. Es tat weh, direkt in seinen Gedanken, als ob diese Bilder mit einem Fluch belegt waren.

"Ich kann nicht..." Seine Kehle zog sich zusammen, als ob man ihm die Luft zum Atmen nehmen wollte. Warum bekam er diese einfachen Worte nicht über seine Lippen? Warum konnte er der Prinzessin, die doch unbedingt darüber informiert werden müsste, nichts mitteilen? Als er Schwindler alles berichtete, kamen diese Worte doch auch ganz einfach über seine Lippen und nun schnürten sie ihm die Kehle zu.

"Da waren schwarze Gestalten... und Feuer... und..." Link kniff angestrengt seine Augen zu, fühlte das Pochen seines Herzens unhaltbar, unerträglich werden. Nichtsdestotrotz kämpfe Link weiter, ließ sich von den beißenden Schmerzen, die ihn aus der Erinnerung foltern wollten, nicht unterkriegen. "... ich habe Malon befreit... da war eine schwarze Truhe... ausgegraben von Moblins..." Rasch legte Zelda ihre Hände auf seinen Rücken und sagte sanft: "Ruhig..." Sie kühlte seinen brennenden Kopf ein wenig mit ihrer heilenden Magie, besänftigte das starke Herzklopfen in seiner Brust mit einer Berührung. "Ich habe verstanden", setzte sie hinzu. Link entspannte sich langsam, spürte Schweiß an seiner Stirn hinabwandern aus Erleichterung, dass die teuflischen Schmerzen von Gestern nicht wieder einsetzten und atmete tief ein und aus.
 

Zu guter Letzt stand Zelda auf, konnte die unendliche Erleichterung in Links Blick nicht sehen, dass sie ihre beklemmende Nähe zu ihm unterband. Sie wühlte eine Rolle mit dem königlichen Adler in das Siegelwachs eingebrannt heraus.

"Das ist deine Anmeldung für die Ritterschule der Söhne des Schicksals", sagte sie freudig. Aber Link glotzte das Stück Pergament nur bestürzt an.

Ein klägliches: "Wie bitte?", entkam seinem trockenen Mund. Anmutig schritt Zelda wieder näher und drückte ihm das Schreiben in die Hand.

"Versteh' doch. Du bist einfach dazu auserkoren dort zu lernen, Link."

"Aber ich wollte niemals Ritter werden. Hör' gefälligst auf, dich schon wieder in mein Leben einzumischen!", sagte er gekränkt und wand sich trotzig in Richtung Wand.

"Niemand fordert von dir, ein Schlossleben zu führen. Es ist nur eine Möglichkeit für dich, deine Fähigkeiten zu verbessern."

"Und wer beim Triforce hat dir mitgeteilt, dass ich das will?", murrte er giftig. Seine Augen schnitten wieder kalt durch den Raum. "Ich will nicht mehr. Verdammt, Zelda, ich will dieses Leben nicht mehr!" Zelda wich zurück, erkannte, und verstand. Sie hatte eigentlich nichts anderes aus seinem Mund erwartet. Sie wusste doch, dass er schon lange sein Heldendasein verschmähte. Warum hatte sie den Versuch gemacht, ihm das zu unterbreiten?

"Ich hatte gehofft, neue Bekanntschaften, ein anderer Tagesablauf, andere Verpflichtungen und Gewohnheiten würden dir helfen, abzuschalten. Das war alles, was ich im Sinn hatte."

"Du hast zuviel in deinem sechsten Sinn. Misch' dich nicht schon wieder in mein Leben ein. Du hast doch genug kaputt gemacht!", fauchte er wütend. Dass aber sein Temperament so mit ihm durchgehen würde, hatte Zelda nicht erwartet. Erschüttert trat sie einige Schritte rückwärts, konnte mit Schrecken fühlen, wie die unsichtbare Kälte Link langsam einsaugte. Vorhin noch dachte sie, sie hätte ihren Helden der Zeit wieder. Sie hatte geglaubt, sie hätte einen Weg zu ihm gefunden. Aber nur durch einen unüberlegten Satz, einen dummen Wunsch ihrerseits, hatte sie den kleinen Weg zu seinem einsamen Herzen wieder zugeschüttet, mit Lügen und Bevormundungen.

"Verzeih', du hast Recht. Ich hätte nicht so voreilig handeln dürfen...", sagte sie traurig und wünschte sich wieder nichts Sehnlicher, als das Link einen ehrlichen, sanften Blick von ihr erwiderte.

"Die Prinzessin hat nicht nur voreilig gehandelt. Sie hat dumm gehandelt. Das ist ja wohl ein gehöriger Unterschied." Zelda war sprachlos. Diese eiserne Verachtung, ganz plötzliche Kälte... Wo war Link? Vor wenigen Minuten noch saß sie mit ihrem besten Freund dort auf dem kleinen Bettchen. Vor wenigen Sekunden war die Hoffnung gestärkt worden, sie könnte ihm helfen und er würde ihre Hilfe annehmen. Nun aber saß einfach nicht mehr Link dort auf dem Bett. Wer war dieser kalte Hylianer, der nur Verachtung in seinen Worten hatte?
 

Sie trat weiter zurück und sprach extrem leise, hoffend nicht noch mehr Hass würde aus seinem Mund sprudeln. "Das Studium in der Ritterschule könnte dir helfen, zu deinem wahren Ich zurück zu finden und du könntest etwas über deine Wurzeln erfahren." Der Blondschopf sah in dem Moment eisig auf, auch wenn er nicht direkt in dem Blau ihrer Augen las.

Zittrig sprach sie weiter, während sie nach hinten stolperte. "Außerdem habe ich noch einen Vorschlag für dich. Wenn du... es wünschst... könntest du einmal im Monat im Schloss vorbeischauen und wir könnten versuchen... dir zu helfen... das Fragment in deiner Hand zu kontrollieren..." Nicht einmal vor Ganondorf, der schlimmsten Angst im Königreich, hatte sie so unentschlossen und ängstlich geredet. Was war das nur? Der Fluch, den Link umhüllte?

Link wand den eisigen Blick ab und starrte gen Wand.
 

"Geh' ...", erklang es aus seinem Mund und seine Stimme war sanft, entgegen dem eisigen Blick vorher. Zelda nickte stumm und drehte sich langsam in Richtung Tür.

"Bis irgendwann...", sagte sie schwach. Daraufhin hetzte das Mädchen schnellen Schrittes aus dem Häuschen, stolperte beinahe die Leiter hinab und blickte sorgenvoll zurück. Die anmutige Prinzessin Hyrules klopfte ihrem treuen Pferd Silberregen auf den Hals. Ihre Ruhe wiederfindend, zog sie sich an dem Steigbügel des Sattels hinauf und schaute ein letztes Mal unendlich traurig zu dem mit olivgrünen Vorhängen bedeckten Eingang des kleinen Heimes, wo Link wohnte. Sie murmelte schwach: "Ich hab' dich lieb, mein Held." Alsdann gab sie Silberregen die Sporen und galoppierte in der zunehmenden Schwärze der Nacht geschwind aus dem kleinen Dörfchen.
 

Als Zelda schon lange aus Kokiri verschwunden war, saß Link immer noch nachdenklich auf dem kleinen, knatternden Holzbettchen und ließ langsam seine halbtauben Beine von der Kante baumeln. Sein Kopf schmerzte zügellos, also entschied er sich dagegen aufzustehen und blickte mit ernstem Blick in dem Zimmer umher. Elf Jahre seines Lebens hatte er hier verbracht und nun erschien ihm dieser Ort so fremd, so seltsam. Mehr und mehr verstand er, nicht hierher zu gehören...
 

,Bitte bleib', schallte es durch seine Gedankengänge. Und beinahe hätte er diese Worte über seine Lippen gebracht, Zelda gebeten, bei ihm zubleiben, ihm seine Sorgen abzunehmen, ihm zu helfen. Erneut hatte der Mut versagt, eine einfache Bitte auszudrücken. ,Bitte bleib'...
 

Der weiße, warme Umhang der Prinzessin lag an einem Ende auf dem staubigen Boden. Links raue, zittrige Hände, bei Farore, noch nie hatten seine Hände so gezittert, strichen sachte über den Stoff, verwundert wie wunderbar weich sich das Material doch anfühlte. Ohne sich bewusst zu sein, was er tat, nahm er den Umhang halb in seine Arme, fuhr leicht über den Stoff und hielt ihn sich letztlich sehnsüchtig gegen das Gesicht. Er würde es nicht zugeben, oder seinem sturen Kopf eingestehen, dass er seiner Seelenverwandten für ihre Anteilnahme mehr als dankbar war...
 

Saria stand inzwischen irritiert in dem Raum, sah Link an, als ob er vom Mond stammte, da sie jene herzliche, verträumte Handlung von ihm noch nie gesehen hatte. Erst als sie leicht hüstelte, registrierte er ihre Anwesenheit.

"... ähm... hallo, Saria.", sagte er schnell und legte den Umhang geschwind beiseite.

"Hallo, mein Freund", sagte ihre kindliche Stimme. Schwups gesellte sie sich zu ihm und blickte prüfend auf den weißschimmernden Umhang.

"Was hast du denn gerade mit dem Umhang gemacht?" Link kratzte sich umständlich am Kopf und sah verlegen zu Boden. "... nichts weiter." Saria schüttelte mit den Schultern, sie konnte sich eh keinen Reim daraus machen und beließ es dabei.

Gemächlich versuchte Link aufzustehen, aber es klappte noch nicht, also lehnte sich der junge Hylianer zurück in die kleinen Kissen.

"Wie geht es dir? Du hattest Fieber", fing Saria an und trat neugierig zu ihm heran.

"Gut. Ich bin bald wieder fit." Unsicher blickte das Kämpferherz an die Decke, wollte eigentlich seine Ruhe haben, aber freute sich dennoch in gewisser Weise über Sarias Anwesenheit.

"Zelda ist schon weg?" Saria verschränkte die Arme, und schabte mit einem Stiefel auf dem Holzboden herum.

"Ja..."

"Warum denn?"

"Weil sie mich nervt", log Link und stand letztlich doch auf. In dem Moment bemerkte er auch die grüne Tunika und das frische, blassblaue Hemd, welche an einer Stuhllehne hingen. Langsam setzte Link einen Fuß vor den anderen, fühlte sich kräftiger mit jedem Schritt, den er tat und hatte erstmalig die Hoffnung seine seltsamen Anfälle unter Kontrolle bringen zu können. Jetzt, da er das Heilmittel von Zelda besaß. Jetzt, da er vielleicht wieder auf dem richtigen Weg wandelte.

Saria streckte Link die Zunge heraus und zog eine Grimasse. "Ich bin zwar klein, aber nicht blöd. Ich weiß ganz genau, dass du ihre Anwesenheit wolltest." Erschrocken drehte sich Link zu Saria um, sah in ihre graublauen Augen. Unbestreitbar die Augen einer Weisen...

"Du wolltest doch, dass sie bleibt. Warum hast du sie weggeschickt?", sagte sie stur und ihre Kinderaugen leuchteten voller Erwartung. Der Erwartung einer ehrlichen Antwort.

"Das geht dich nichts an...", sagte Link leise und zog sich das Hemd an, zog die Schnüre an seinem Kragen zusammen.

"Stimmt. Aber das ändert nichts daran, dass du sie weggeschickt hast."

"Verdammt, Saria." Link kannte ihren kindlichen Dickkopf. Und wenn Saria etwas wissen wollte, dann bekam sie das auch...

"Du wolltest, dass sie bleibt. Das sehe ich dir an deiner Nasenspitze an.", meckerte sie und deutete unterstützend mit ihrem Zeigefinger auf Link. Schnell streifte jener die grüne Tunika über den Kopf, verwundert, wie gut sie ihm passte und schnürte seinen braunen Gürtel zusammen. Link fuhr sich mit seinen Händen durch die blonden Haare und stütze seinen schweren Kopf auf die Arme. Er suchte nach den Worten und anscheinend fand er diese auf dem beigen, hellbraunen Boden eher, als in seinem Kopf. Wie als würde er die Worte ablesen, sagte er: "Versteh' doch. Ich wollte bloß, dass sie sich keine Sorgen macht. Zelda hat als Prinzessin genug andere Verpflichtungen. Sie soll' sich nicht um meine Probleme kümmern müssen." Aufgebracht und laut quietschend presste Saria weitere Worte hervor: "Was soll' das denn für eine Ausrede sein? Hast du dir schon mal überlegt, dass es ihr mehr Sorgen bereitet, wenn du ihr gegenüber so abweisend bist und sie wegschickst. Dazu muss man nicht erwachsen sein, um zu sehen, wie behämmert du bist!" Link glotzte sie baff an, konnte kaum begreifen, wie dumm er doch handelte. Denn von jener Seite hatte er diese Sache noch nie betrachtet.

Sie setzte mit einem Saria-typischen, sehr verständnisvollen Lächeln hinzu.

"Du hast ihre Anwesenheit genossen?" Link nickte, die Augen verleiernd, drehte sich weg, sodass sie seinen traurigen Blick nicht sehen konnte. In dem Moment patschte Saria mit ihren Kinderpfoten an seinen Unterarm, was sich gar nicht so einfach gestaltete, denn Link war um einige Köpfe größer als sie.

"Du solltest dich so bald wie möglich bei ihr entschuldigen, aber vorher..." Und Saria lief hüpfend mit vergnügtem Lächeln auf dem Dreikäsehochgesicht zu der Tür. "... vorher möchte dich der große Dekubaum gerne sprechen."

Link nickte nur. Damit verließ Saria das kleine Baumhäuschen.
 

Sich über sich selbst ärgernd und erstmalig den Anflug eines Lächelns auf dem Gesicht stand Link in dem leicht modrigen Räumchen. Er schloss seine Augen, schüttelte kurz mit dem Schädel und doch verbarg sich nur unmissverständliche Melancholie in seinem Gesichtsausdruck. In dem Moment fiel ihm ein merkwürdiger Gegenstand in seinem Räumchen auf, der so nicht dahin gehörte. Auf einem kleinen Tischchen lag etwas rundliches in blaue Tücher eingewickelt. Neugierig zupfte Link die Tücher zur Seite, und erkannte mit Erstaunen die Okarina der Zeit vor seiner Nase. Das abendliche Sonnenlicht, welches seine Ausläufer durch das Fensterchen schickte, verlor sich darauf, sodass Link sich selbst in der hellblauen Farbe des Instrumentes sehen konnte. Zufrieden nahm er die wertvolle Okarina in seine Hände und blies einen sanften Luftstrom hinein, lauschte dem wehmütigen, traurigen Klang, der dennoch sein Gemüt erhellte. Sachte ließ er die Okarina in einer Hosentasche verschwinden und machte sich auf den Weg zum Hain des Dekubaumes.
 

Einige Kokiri saßen verspielt vor dem Spross des Dekubaumes, der direkt neben dem alten, in Frieden ruhenden, riesigen Baum in die Hohe schoss. Sie lauschten den abenteuerlichen, manchmal auch grusligen Geschichten des kleinen, rundlichen Bäumchens, erstaunten, wann immer Unheimliches und Überraschendes in den tollen Märchen ans Licht kam.

Leise trat Link näher und setzte sich zu den Kokiri, die seine Anwesenheit nur teilweise registrierten auf die sattgrüne Grasfläche. Der Spross des Dekubaums erzählte die Geschichte eines Helden, der vom Weg abgekommen war. Auch wenn jene Hauptfigur nicht den Namen Link trug, so ahnte er doch, die Geschichte war ein auffälliger Vergleich mit seiner eigenen Lebensgeschichte.
 

"Und so geht der Held auch heute noch seinen Weg, selbst wenn er das Licht nicht mehr sehen kann... Denn auch Helden haben das Recht auf Schwäche, Verständnis und Fürsorge, besonders dann, wenn sie ihrem Schicksal nicht mehr vertrauen können, wenn sie nicht einmal mehr sich selbst vertrauen können. Und eines Tages, da findet jener Held, was er sucht, wenn er seine Hoffnung beibehält..."
 

Die Kokiris verschwanden schlafsüchtig in ihren Häuschen, als der Dekubaum mit seiner Geschichte endete. Saria zwinkerte Link zu, legte ein kleines interessantes Bündel vor dem Spross ab und war die letzte, die den riesigen, märchenhaften Hain verließ.

Link saß nachdenklich auf der Grünfläche im Schneidersitz und starrte zu Boden. Er konnte sich aus der Geschichte keinen Reim machen, vielleicht war er auch einfach nur zu stur, als diese Geschichte als eine Umschreibung seiner momentanen Verfassung anzuerkennen. Auf jeden Fall schwieg er und wartete darauf, dass der mächtige Dekubaum endlich etwas vorbrachte.
 

"Du ahnst, was dich hierher führen sollte, Jüngling." Link blickte trübsinnig auf und sprang auf seine Beine. Langsamen Trotts folgte er einem abgetrampelten Weg näher, sodass er in die nussfarbenen, merkwürdigen Augen des Baumes sehen konnte.

"Nein...", sagte Link ehrlich und sah neugierig zu dem Bündel. Es war eine kleine graue Decke, sehr alt und einige Löcher waren bereits in sie hineingefressen.

"Prinzessin Zelda bat mich vor wenigen Stunden um ein Ohr, obwohl ich doch keins besitze", meinte der Baum schnöselig, was irgendwie die ernste Stimmung brach. Link blickte halb grinsend auf.

"Ich bin nicht der alte Dekubaum, besitze nur seine Erinnerungen, nicht seine unglaubliche Ernstlichkeit.", meinte der Baum und verzog die helle Rinde um seinen Mund ein wenig, sodass man den Eindruck haben konnte, er lächelte.

"Was wollte sie?", bemerkte Link entgegen seines Willens. Er wollte sich doch nicht in Zeldas Angelegenheiten einmischen.

"Das ist hier nicht der Sinn, nicht der Grund deiner Anwesenheit, Jüngling." Link blickte kühl auf. "Und warum sollte ich dann hier vortreten?"

"Die Geister des Waldes wünschen, dass du aufbrichst, dass du den Wald nun für immer hinter dir lässt, um deiner selbst willen, deiner sehnsüchtigen Seele willen und auf Geheiß deines reinen Herzens. Geh' Link. Finde einen neuen Weg."

"Ihr wollt mich loswerden?", meinte er überrascht und ein wenig verletzt. Trotz allem war doch Kokiri seine Heimat. Er liebte die alten Wälder mit den wunderbaren Singvögeln, das Flüstern der Bäume und die vielen, rätselhaften Fabelwesen, die hier zu leben gedachten...

"Auf anderem Wege wirst du nicht mehr zur dir selbst finden. Du musst endlich mit denen leben, in dem Bunde des Volkes leben, wo du einst geboren wurdest."

Link trat unbewusst und leicht enttäuscht einen Schritt zurück. Er wollte es nicht glauben. Der Dekubaum schickte ihn tatsächlich weg?

"Aber ich bin kein Hylianer. Vielleicht durch Blut, durch Ursprünge und trotzdem gehöre ich nicht in die Welt da draußen."

"Doch, Link, genau dorthin gehörst du. Du spürst, was du vermisst, du spürst die Sehnsucht, die dich antreibt, die Sehnsüchte jedes Hylianers." Link verstummte und blickte trübsinnig zu Boden.

"Hör' gut zu, Kind des Schicksals." Und die knorrige Stimme des Baumes wurde immer milder und weicher. "Deine Mutter brachte dich einst hierher, mit der Absicht dich zu schützen, deine Aufgabe zu schützen. Denn in gewisser Weise ahnte sie um die besondere Seele in dir. Und doch hatte deine Mutter sicherlich nicht vorgesehen, dass du dein Leben ewig in den Wäldern lebst. Entfalte dich, Link. Lerne, entdecke andere Wege, die du bisher nicht kanntest." Gerade diese Worte und die heimliche Erinnerung an jemanden, der einst ihm eine Familie war, schmerzten leise. Link sah mit ungläubigem Blick auf, durchbohrte das Holz des Baumes beinahe mit seinen Augen und brüllte erbost: "Und wo! Wo verdammt soll' ich hingehen?"

"Du hast keinen Grund hier laut zu werden, Jüngling."

Entschuldigend murmelte Link irgendwelche unverständlichen Worte vor sich hin.

"Wisse Link, du hast noch eine riesige, ruhmreiche Zukunft vor dir und ich weiß, tief in deinem Herzen wirst du diese Zukunft annehmen. Daher brich' auf. Lerne und wachse!"

Link ballte seine Hände zu Fäusten und kniff die tiefblauen Augen zusammen.

"Sagt' mir, was ich tun muss", brachte er gedämpft hervor und kämpfte damit seinen heiklen Gemütszustand unter Kontrolle zu halten. Er fühlte das Kind in ihm schreien, rufen und bitten, hier bleiben zu können, in der unschuldigen Idylle und nie wieder nur einen Fuß nach draußen zu setzten. Und doch wusste ein winziger Teil von Link, dass endgültig Zeit war, das Leben in den Wäldern als eine Erinnerung zu belassen.

"Nimm diese Decke in deine Hände, hylianisches Herz." Link nickte, frustriert und irgendwie gedemütigt. Und doch geschah alles, was geschah doch nur zu seinem Besten, für das Auflodern seiner edlen Eigenschaften, dem wahren Gesicht des Helden der Zeit.
 

Sorgsam nahm Link das Bündel auf, erkannte, dass es eine sehr kleine Decke war. Auffällig war ein altes hylianisches goldenes Ritterwappen, welches in den abgenutzten, sogar an einer Stelle abgebranntem Stoff, eingenäht war. Ein langes Schwert stand vor dem königlichen Falken. "Was ist das?", murmelte Link, obwohl er ahnte, was es war.

"Deine Babydecke, Jüngling." Link fuhr leicht und verträumt über das Material und fühlte ein leichtes, noch nie da gewesenes Drücken auf seinem Herzen.

"Der alte Dekubaum hat Saria beauftragt, sie bis zu diesem Tag aufzubewahren."

"Ich verstehe...", meinte Link verbittert. "Ich soll' also wirklich auf diese bescheuerte Ritterschule gehen? Hat Zelda das veranlasst?"

"Zügele dein Temperament, Link", sprach der Dekubaum drohend, worauf Link wieder ganz ruhig wurde. Und dennoch trat blanke Wut und Verachtung aus seinen ernsten Augen. Er wollte diesen Weg nicht gehen, selbst wenn die Prinzessin persönlich ihm die Anmeldung dafür überbracht hatte. Es würde wohl ewig dauern, um Link dahingehend zu überzeugen.

"Das alte Ritterwappen verrät etwas über den Rang, den dein Vater in den Reihen der Oberen Wächter der königlichen Familie hatte. Zu jenen Zeiten, als dein Vater naher Vertrauter des Königs von Hyrule war, regierte Zeldas Onkel noch an der Spitze. Als aber der Krieg vor vierzehn oder fünfzehn Jahren über das Land zog, starb dieser und Zeldas Vater trat den Thron an. Verstehe, Jüngling, dein Vater hätte sich gewünscht, dass sein Sohn in der Ritterschule lernt. Deine Mutter hatte es ebenso gewünscht. Heute wären sie sehr stolz auf dich." Link kniff schmerzverzerrt die Augen zu. Er wollte das nicht hören. Die Erinnerungen an seine Eltern, die sich wie glühende Zangen in seinen Venen anfühlten, diese scheußlichen, gemeinen Gedenken an etwas, das er vermisste, wiederhaben wollte...

"Geh' Link. Finde deine wahren Ursprünge und entdecke deinen rechtmäßigen Platz. Denn du bist allein durch dein Blut auserkoren, ganz andere, bedeutendere Wege zu bestreiten, als es dir ein Waldleben geben kann." Vorsichtig legte Link die Decke zusammen, hatte irgendwie das Gefühl, jenes Ritterwappen schon einmal gesehen zu haben. Aber nicht hier, vielleicht in einem Traum oder an einem anderen Ort, der nicht wirklich war...

"Die Geister des Waldes, die Kokiri und ich wünschen dir unendlich Glück. Und wisse, du wirst immer als ein Gast in den alten Wäldern willkommen sein, doch dein Platz ist woanders, Link. Dein Platz ist in den Reihen derer, die nicht vergessen werden sollen." Und das erste Mal trat ein Hauch Einsicht in das ansehnliche Gesicht des Helden der Zeit. Nachdem der Dekubaum ihm diese Dinge über seine Eltern erzählt hatte, dass sie sich für ihn wünschten, dieses Studium zu beginnen, ja, vielleicht war diese Art Neubeginn doch nicht so schlecht, wie Link anfangs dachte.

"Gut...", bemerkte Link leise. "Wie Ihr meint, weiser Dekubaum, ich werde mich in den Norden begeben."

"Leb' wohl, Link. Die Wälder lieben dich..." Link nickte scheu, wand sich ab und hetzte so schnell ihn seine Beine im Augenblick tragen konnten, hinaus aus dem Hain des Dekubaumes, rannte hinein in sein kleines Häuschen, um die Sachen zu packen...

Lebt' wohl, ihr Wälder, schallte es leise durch seine tiefen Gedankengänge.
 

"Leb' wohl, alte Heimat", murmelte Link, als er nach wenigen Minuten seinen Krempel in einen braunen, halbzerschlissenen Rucksack gestopft hatte. Langsamen Schrittes trat er an die kleine Tür heran und drehte sich mit einem traurigen Blick noch einmal zurück, prägte sich das Bild dieses Heimes in seine Gedanken ein, und doch stach ein Funken Hoffnung aus seinen Augen. Er würde einen neuen Anfang wagen. Er würde aufbrechen und sich selbst wiederfinden, irgendwo da draußen. Kopfschüttelnd wand sich Link wieder seinem Weg zu, flüsterte noch einmal ein Lebewohl vor sich hin, als eine kleine Träne tropfte. Vielleicht die erste, die er für Kokiri jemals zuließ. Als er außerhalb auf den weichen mit Nadeln überzogenen Waldboden stand, genoss er tiefeinatmend die Nacht hier in den friedlichen Wäldern, sich bewusst, dass er diesen Frieden für immer aufgeben musste. Ein letztes Mal klopfte Link an das kleine Häuschen, wo Saria wohnte. Überrascht öffnete sie mit einem grünen Nachhemdchen die kindsgroße Tür, blickte Link mit dem kupferbraunen Rucksack und einen alten Mantel um seine Schultern geworfen verwundert an.

"Nanu? Gehst du fort, mein Freund?"

"Ja, Saria", sagte Link traurig und wagte es sich endlich wieder, jemanden direkt in die Augen zu sehen.

"Doch diesmal... wird es ein Abschied für immer sein...", sagte er gedämpft. Saria biss sich auf die Lippe und Tränen funkelten in ihren graublauen Augen. Link legte anteilnehmend eine Hand auf ihre Schultern und murmelte: "Leb' wohl, Saria, du wirst immer mein bester Freund sein." Er konnte selbst kaum glauben, dass er diese Worte über seine sonst so verschwiegenen Lippen brachte. Saria schluchzte plötzlich laut auf und drückte sich an Link, der überrascht zu ihr herunter sah. Ein merkwürdiges, trauriges Bild, ähnlich einem Kind, das den großen Bruder verabschiedete.

"Mein Link. Bitte sei vorsichtig auf deinen Wegen, ja. Und versprich' mir, dass wir immer Freunde bleiben."

"So wie bei unserem letzten Abschied", entgegnete er, fast aufmunternd.

"Ja." Und die kleine Kokiri sah unter Tränen lächelnd auf.

"Aber du wirst uns eines Tages wieder besuchen, ja?", murmelte sie, während Tränen über die roten Bäckchen tropften.

"Versprochen", meinte Link und hörte plötzlich ein anderes bekanntes Geräusch. Er spitzte seine Ohren und vernahm es schon wieder.

"Das hätte ich ja beinahe vergessen. Link", sagte Saria und lächelte wieder. Sie schloss die Tür und hüpfte hinter ihr Haus und folgte dort einem Weg zu einer kleinen Lichtung. Link folgte ihr neugierig und hörte erneut ein bekanntes Geräusch.
 

Sachte trat er aus den dichten Bäumen hervor, wo sich eine kleine Lichtung preisgab, auf der sich silbrigscheinend das Mondlicht verlor. An einem Baum angebunden und mit den Hufen schabend stand eine kluge, starke Stute, die Link sehr gut kannte und vermisst hatte. Aufgeregt rannte er näher, hörte ein begrüßendes Wiehern aus dem Maul der Stute und drückte glücklich seinen Kopf gegen den Hals des Pferdes.

"Epona!", war alles, was Link herausbekam. Er war nicht nur erfreut, sondern überglücklich, seine Epona wiederzuhaben. Dankbar blickte er zu Saria, die ihren kleinen Mund vergnügt zusammenpresste und ein Lachen zustande bekam.

"Wo hast du sie denn gefunden?", meinte Link.

"Sie ist uns zugelaufen, einige Tage bevor Zelda dich zu uns brachte."

Link klopfte stolz auf den Hals seiner Stute, striegelte die Mähne und schwang sich mitsamt seines Rucksacks auf den stolzen Sattel.

"Danke, Saria."

"Nun geh' endlich, sonst werde ich ja noch trauriger", meinte sie leise, lächelte aber.

"Leb' wohl, Saria und danke für alles."

"Jetzt verschwinde endlich, du Taugenichts. Bis irgendwann!", rief sie und winkte Link zu, der langsam auf seinem treuen Pferd gen Ausgang trabte. Ein letztes Mal blickte er zurück, sah eine weinende und doch lächelnde Saria, seine beste Freundin aus Kindertagen, ein letztes Mal an, bis er schließlich Epona in ein schnelles Galopp brachte.
 

Die Stute verschwand samt Reiter in der ruhigen, friedlichen Dunkelheit der Wälder, auf zu neuen Abenteuern, auf den Spuren seiner grenzenlosen Bestimmung...

Der Pfad wollte einfach nicht enden. Seit einem langen Tag schon folgte Link mit seiner getreuen Stute Epona einem abgetrampelten, sandigen Weg, der neben einem ausgetrockneten Flussbett entlang lief. Rechts stemmten sich hohe Laubbäume, vor allem alte Eichen, in die Höhe. Ein dichter Wald, der in seinen Schatten viele Kreaturen aus der alten Zeit Hyrules tarnte, die niemand erinnern wollte. Denn die Vergangenheit erzählte doch nur von der Geburt niederer Seelen und diesen Gedanken verdrängte der einsame Reiter, der jenem Weg zur bekannten Ritterschule Hyrules einschlug. Denn er konnte sich nicht mehr vorstellen, nicht mehr daran glauben, dass auch düstere Zeiten ihre Lichtpunkte besaßen.

Während des langen Weges kamen ihm immer wieder Zweifel über das, was er vorhatte zu tun. Wozu sollte Link einer Gruppe von jungen Knappen angehören, wo seine Schwertkünste weit über das hinausgingen, was ein einfacher Jugendlicher können durfte? Wozu das alles? Ein kurzer Gedanke an Zelda kam auf. Link sah ihr einprägsamen Lächeln und eine reife Weisheit in ihrem Blick, die ihn wissen ließ, dass sie ihm nicht umsonst zu dieser Zukunft geraten hatte. Es musste einfach mehr hinter diesem Vorschlag stecken, das roch Link förmlich.

Dennoch wunderte ihn eines. Die Ritterschule war für Jungen ab dem dreizehnten Lebensjahr bestimmt. Und Link war bereits zwei Jahre älter. Was hieß das für ihn? Würde er zwei lange Jahre aufholen müssen? Wie stellte sich Zelda das vor? Verdammt, Link war fünfzehn. Sollte er etwa in einer Klasse von Jugendlichen sitzen, die allesamt zwei Jahre weniger auf dem Pelz hatten als er, wo Link doch in gewisser Weise immer sieben Jahre älter sein würde als der Rest seiner künftigen Leidensgenossen?

Kopfschüttelnd ließ Link sich weiterhin von Epona tragen, lauschte dem Zwitschern der Vögel während des Weges und dachte daran, wie sinnlos das alles war. Was würde es ihn bringen, in jener Schule zu lernen? Was nur sollte er dort? Er konnte sich einfach keinen Reim daraus machen...
 

Dennoch... Link musste sich irgendwie eingestehen, dass auch seine Fechtkünste ihre Fehlerchen hatten. Auch er hatte nicht die ultimative Waffe, jeden Moblin, jedes Ungetüm, in die Knie zu zwingen. Auch er war nicht unfehlbar. Und eine Verbesserung seiner Künste würden ihm vielleicht doch dazu verhelfen, beinahe, wenn auch nur beinahe, unbesiegbar zu werden. Und seine Kräfte, sein Mut, seine Willenskraft würden sehr bald einer Prüfung unterzogen werden, die jegliche Vorstellungskraft zersprengte.

Link würde sich selbst trainieren, so wie er es bisher immer getan hatte- im Selbststudium. Denn alleine kam er immer besser klar, als umrungen von den verschiedensten untalentierten Schwachköpfen. Und vielleicht würde er in dieser nutzlosen Ritterschule einfach... nur so tun als ob... einfach schauspielern...
 

Von dem Gähnen ihres Reiters unbeeindruckt trottete Epona des kleinen Weges, der direkt in den Norden führte. Den Verlassenen Hügel hatten sie beide lang schon passiert- ein mittelhoher Berg über dem ein kleiner Pass angelegt war.

Es schien also nur noch eine Frage von wenigen Minuten zu sein, bis Link die ritterliche Feste, welche heute eine feine Schule war, erreicht hatte. Lethargisch schlossen sich Links Augen, begleitet von den raschelnden, knisternden Geräuschen der Tiere in dem dichten Laubwald neben ihm.
 

Wenig später, als die Sonne bereits hinter dem dunklen, uneinladenden Wald versank, passierte Link eine kleine Abzweigung. Der Weg wurde schmaler und schickte ihn genau in jenen gefahrvollen Wald, den er lieber gemieden hätte. Mit einem Schnaufen sprang Link von der kastanienbraunen Stute und kramte nach seiner Karte von Hyrule. Er kannte sich gut genug mit Karten aus, um zu wissen, dass er diesen abgelegenen Pfad durch die Stille jenes Ortes nicht umgehen konnte. Und Link hatte in seinem jungen Leben schon viele Karten gelesen. Viele merkwürdige Flecke der Welt bereist, sodass jener Fünfzehnjährige durch sagenhafte, eindrucksvolle Bilder mehr gesehen hatte als viele Menschen in ihrer gesamten Lebenszeit.
 

Unerwartet und Link aus seinen tiefsinnigen Gedanken reißend, gab Epona ihm einen gutgemeinten Stups, worauf der arme Held nach vorne, direkt auf seine Nase stolperte.

„Epona!“, schnaufte er verärgert und drehte sich zu der schönen Stute um, die wiehernd, beinahe kichernd an ihn herantrabte und ihn schon wieder mit dem langen Kopf in den Rücken stierte. „Was ist denn?“, murrte Link und starrte misstrauisch in die blauen Augen des Pferdes. Epona schabte mit einem Vorderhuf auf dem sandigen Weg und wackelte mit ihrem Kopf verdächtig, deutete in die Richtung des Weges, wo sich nur noch die Dunkelheit der Wälder zeigte.

„Du willst also wirklich, dass wir dort langgehen?“, sagte Link und klopfte seiner guten Freundin auf den glänzenden Hals. „Aber auf deine Verantwortung und wehe du läufst weg und lässt mich in dieser Schwärze allein!“ Epona wieherte, als ob sie Link auf seinen Kommentar eine eindeutige Antwort geben wollte. Als wollte sie ihn auslachen...

Aber Epona wusste sehr genau, welchem Weg sie trauen durften und vielleicht war es die Anwesenheit einer weiteren hylianischen Seele, die sie animierte dem uneinladenden Weg zu folgen.
 

Nur wenige Meter weiter bemerkte Link eine Gestalt, die auf dem Weg wandelte. Neugierig galoppierte seine Stute näher und näher, bis sich die Gestalt durch lautes Schnaufen als ein weibliches Geschöpf des hylianischen Volkes herausstellte. Unbemerkt gelangte Epona näher und Link erkannte den gewichtigen Grund für das unduldsame Keuchen und Japsen aus dem Mund der Gestalt. Ein grauer Umhang bedeckte den Rücken und den Kopf eines Mädchens, welches zwei schwere Koffer des Weges schleppte.

„Ariana mach’ dies. Ariana mach’ jenes...“, grummelte sie. Eine schöne Stimme, dachte Link. Ein wenig verwaschen, aber dennoch tiefgehend, stark und hell, fast ein wenig unecht, vielleicht geschauspielert. Aber dennoch angenehm.

„Verdammt! Warum muss mein lieber Herr Vater mich auch in diesen Schlammassel hineinzerren?“, murmelte sie vor sich hin und stieß fluchend während des Laufens einen der schweren Koffer von sich weg. Sie sank auf ihre Knie und schimpfte vor sich hin.
 

Link sprang vom Sattel, und das fremde Mädchen bemerkte erstmals, dass sich jemand hinter ihr befand. Rasch drehte sie sich um und musterte den jungen, schlanken Mann eindringlich, der dümmlich dreinblickte. Er vermied es ihr direkt in die Augen zu sehen, so wie er es in den letzten Monaten einfach nicht schaffte, in der Seele irgendeines Wesens zu lesen. Er wollte nicht sehen, was manche Augen ihm sagen konnten. Er konnte es nicht sehen, als ob er es nicht ertrug, etwas zu erkennen, was sich über Licht und Schatten in Augen zeigen wollte.

Er umging ihren freundlichen, begrüßenden Blick und trat stattdessen ein wenig näher, die prallgefüllten, sich beulenden Koffer rechts und links von dem Mädchen begutachtend.

„Hallo“, sagte die unbekannte Dame, stand auf und reichte Link eine begrüßende Hand. Schüchtern, so wie sich der naive Held häufig gegenüber Mädchen verhielt, ohne dass er es wollte verständlicherweise, nahm dieser die Geste an und schüttelte die warme Hand seines Gegenübers. Link brachte stotternd ebenso ein: „Hallo“ über seine Lippen und streifte mit seinen tiefblauen ernsten Augen kurz jene des Mädchens, die ihn interessiert beäugten.
 

Tatsächlich war es ein sehr hübsches Mädchen, welches ihm gegenüberstand. Pechschwarzes glattes langes Haar seilte sich offen über ihren Schultern hinab und bedeckte fast den gesamten Rücken. Bernsteinfarbene Augen funkelten aus einem schmalen Gesicht, welches Link an jemanden erinnerte. Ein schönes Gesicht. Zartes Kinn. Kleine Nase. Hohe Wangenknochen und ein kleiner Leberfleck an der linken Wange zum Ohr hin.

„Mein Name ist Ariana Blacksmith. Bist du auf dem Weg zur Ritterschule?“, meinte sie.

„Ähm... ja...“, sagte Link leise und löste seine Hand schnell aus der freundschaftlichen dieser Dame. Er drehte sich gen Epona und versuchte die Anspannung zu ignorieren, ebenso wie eine merkwürdige Nervosität, die ihn mit einem Mal aufsaugte. Er fuhr sich durch die honigblonden Haarsträhnen und atmete tief ein.

,Schön zu hören…’, dachte die junge Dame.
 

Das fremde Mädchen empfand sein schweigsames Verhalten als ziemlich unwirsch. Leicht verärgert stapfte sie mit ihren hohen Stiefeln um Link herum und näherte sich seinen Augen mit eindringlichem Blick. Die Tatsache, dass sie ihre Hände in die Hüften stemmte, ließ einen Außenstehenden unzweifelhaft erkennen, dass sie Links Verhalten mehr als missbilligte.

„Wenn du schon vor mir stehst, könntest du mir wenigstens höflicherweise deinen Namen sagen, du komischer Kerl, du!“ Link wich baff zurück und blickte erstaunt ein wenig länger in ihre merkwürdigen, bernsteinfarbenen Augen. Vielleicht die Augen einer Hexe oder einer Magierin, dachte der junge Kämpfer. Irgendwie unwirklich…

„Link. Ich heiße Link.“

„Aha“, entgegnete sie. „Und du bist an dieser Schule, wie betitelt man die noch mal, Söhne des schicken Saals?“

„Söhne des Schicksals“, verbesserte Link sie entrüstet.

„Ach so. Klingt ja auch viel besser, was?“, eiferte sie spaßhaft.
 

Link verleierte die Augen und blickte wieder zu den gigantischen Koffern, die verbreitet auf der Straße lagen, als ob sie lebendig wären und sich nicht mehr von ihrer Stelle bewegen lassen wollten.

„Du folgst hier ganz alleine diesem Weg? Hast du denn keine Angst vor dem Schatten der Wälder?“, sagte Link, der so allmählich seine merkwürdige Nervosität unter Kontrolle brachte. Aber warum war er so nervös gegenüber diesem fremden Mädchen? Welchen Grund gab es dafür?
 

„In diesem Laubwald befindet sich nichts vor dem sich Hylianer fürchten müssten. Du selbstverständlich nicht. Auch ich nicht.“, sagte sie und trat ein wenig abseits des Weges, durchforstete die Dämmerung zwischen den alten Laubgeschöpfen.

„Bist du denn keine Hylianerin?“, meinte Link daraufhin und nahm an ihrem Ausblick teil. Auch Link starrte tief in das unheilvolle Dämmerlicht, welches einer unechten Gefahr Ausdruck verlieh. Ariana drehte sich zu ihm um und wischte sich einige schwarze Strähnen ihres langen Haares hinter ein Elfenohr.

„Was glaubst du denn, was ich bin?“, erwiderte sie und schmunzelte angesichts des irritierten Gesichtes Links, welches ihr eine Spur Hilflosigkeit zu flüsterte. Sie hauchte ihren warmen Atem frech ins sein Gesicht, schmunzelte und legte lachend eine Hand über ihren roten, breiten Mund.

„Hilfst du mir die Koffer tragen?“, sagte sie dann liebäugelnd und lächelte dem jungen Helden erwartungsvoll entgegen.

Dieser zuckte mit den Schultern und griff nach dem einen Koffer, sich fragend, ob darin Steine gelagert waren, so schwer war dieses Stück Stoff mit Lederbezug. „Gerne, ich hab’ doch nichts anderes zu tun“, murmelte er vor sich hin, ärgerte sich aber ein wenig über sich selbst. Warum nur ließ er sich von hübschen Damen immer so leicht einwickeln?
 

Im Hintergrund kicherte Epona leise und trabte hinter den beiden Gestalten her, die jeweils einen Koffer des Weges beförderten.
 

Die junge Ariana warf ab und an einen Blick zu Link, der nur wenige Schritte vor ihr lief. Ein tückisches Grinsen formte sich auf ihrem Gesicht, während sie den attraktiven Elfen musterte. Link war einen halben Kopf größer als sie, sehr athletisch, was daraufhin deutete, dass er schon viel Training abbekommen hatte. Als wusste sie um sein hartes Training mit dem Schwert genausten Bescheid.

„Du bist ausgesprochen hilfsbereit für einen pubertierenden Jugendlichen.“

„Und du bist ziemlich vorlaut und übermütig für ein junges Mädchen.“, erwiderte Link, der Ariana so einschätzte als besäße sie das gleiche Alter wie er selbst.

„Was machst du überhaupt zu so später Stunde hier?“, ergänzte der Heroe.

„Ich befinde mich auf dem Weg zur Mädchenschule von Madame Morganiell.“ Link blieb stehen und blickte sich überrascht zu der schwarzhaarigen jungen Dame um.

„Mädchenschule?“

„Wusstest du noch nichts davon? Aber die Mädchenakademie liegt doch gleich neben der Ritterschule.“ Ariana blickte misstrauisch drein und stapfte zu Link heran. Sie deutete mit ihrem spitzen Zeigefinger direkt auf die Nase des anderen Jugendlichen.

„Du bist gar nicht an dieser Schule, oder? Sonst hättest du doch wissen müssen, dass nebenan Mädchen zu feinen Ladys erzogen werden.“ Sie machte nur eine kurze Pause zwischen ihren Worten. Keine Zeit für Link also die Sache zu erklären.
 

„Was bist du denn für ein Hallunke? Läufst einfach hier entlang und versuchst unschuldige Mädchen anzulabern, oder was?“ Link wich zurück, als er eine kleine bedrohliche und doch geschauspielerte Warnung in ihren bernsteinfarbenen Augen sah. Respekt, Respekt, dachte er. Dieses Mädchen wusste sich sehr gut zu wehren.

„Also, was sind deine Absichten, Kerl?“, sagte sie laut und warnend. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und machte eine Andeutung an Links Schienbein treten zu wollen. Der junge Held wich zurück, vollführte einen Salto und begann sich langsam aber sicher über dieses Mädchen zu amüsieren. Link begann frech zu grinsen. Etwas, was er lange schon nicht mehr getan hatte. Ein wenig verwundert über sich selbst unterband er das Grinsen wieder und schaute nachdenklich zu Boden.

„Bei den Sieben Weisen, kannst du endlich mal was zu dem Thema sagen, Junge?!“ Doch wieder zeigte sich der Versuch eines Grinsens auf Links Gesicht, während Ariana den jungen Heroen unverständliche anstarrte.

„Du willst dich also wirklich mit mir anlegen, was?“, murrte das Mädchen.

Link schüttelte den Kopf und sagte endlich: „Nein. Sorry, ich habe nur gerade über etwas nachgedacht. Und damit du dich beruhigst. Ich schwöre bei Farores Blut, dass ich tatsächlich auf dem Weg zur Ritterschule bin. Allerdings wird es mein erstes Jahr dort.“ Das unechte Misstrauen wich sehr schnell aus den bernsteinfarbenen Augen der Lady vor ihm.

„Bei mir ist das ähnlich. Auch ich habe einiges nachzuholen.“, sagte sie fest und lief mit dem einen Koffer weiter.
 

Link folgte mit dem anderen Koffer und einem pustenden Ausatmen der Luft aus seinen Lungen. „Du bist nicht gerade vertrauensselig“, fing er an.

„Ich habe auch nie den Grund dazu gehabt, vertrauensselig zu sein. Ganz im Gegenteil.“

„Wie meinst du das?“ Nun war Link doch neugieriger und interessierte sich aus irgendeinem Grund für das geheimnisvolle Mädchen, welches vor ihm lief.

„In meiner Welt gab es nur eine Person, der ich vertraut habe. Aber dieser Hylianer scheint nicht mehr das zu sein, was er einst gewesen ist.“ Trübsinn überschattete ihre Worte. Und doch erschien vieles an ihr dem jungen Helden der Zeit irgendwie... vertraut.

„Und wo ist das, ich meine, deine Welt?“, fragte Link wissbegierig und beschleunigte seine Schritte, sodass er mit Ariana auf selber Höhe lief. Ein Lächeln huschte dem hübschen Mädchen über das Gesicht und Link schaute verlegen zu seinen braunen Lederstiefeln.

„Ich bin bei meinem Vater aufgewachsen. Einem Schmied, der nur eine kleine Werkstatt besitzt.“

„Aha, das klingt ja interessant.“ Eine Spur Neid kam in Link auf. Er hätte wohl auch gerne einen Schmied als Vater gehabt.

„Nur, dass sich mein Vater wohl eher einen Sohn als eine Tochter gewünscht hätte und deswegen aus mir nicht gerade eine Lady geworden ist.“ Sie schmunzelte darüber. Kleine Erinnerungsfetzen zogen an ihren Augen vorüber. Wie oft hatte sie sich gegen die Anweisungen ihres Vaters gestellt und lieber ihren Dickkopf durchgesetzt.

„Und deshalb gehst du jetzt in diese Mädchenschule?“

„Ja genau. Mein Vater hat jahrelang dafür gespart und möchte, dass ich mich endlich wie ein Mädchen und nicht wie ein Raufbold benehme“, lachte sie.

„Soso, dann hattest du wohl viel mit Waffen zu tun. Hast du etwa kämpfen gelernt?“ Sie nickte mit ihrem schönen Kopf. „Ich bin schon der Meinung, dass ich einigen Idioten eine ordentliche Lektion erteilen kann.“ Link lachte kurz auf und schloss für einen Moment seine Augen.
 

Inzwischen stand der Mond am Himmel und die beiden Jugendlichen liefen immer noch durch die stickige Dunkelheit, folgten dem einsamen Pfad und erhaschten Tiere, die sich gelegentlich auf den Weg wagten.
 

„Du erinnerst mich an jemanden“, meinte Link leise.

„Wirklich?“, meinte die Schöne und blickte scharfsinnig in die blauen Augen ihres Gegenübers. „Fang’ jetzt ja nicht damit an mir Komplimente zu machen. Das zieht bei mir nicht“, zickte sie. Link blickte die Dame hilflos an und wusste nicht, wie er auf ihre dreisten, teilweise gemeinen Aussagen reagieren sollte.

„Nun guck’ nicht so belämmert.“ Sie grinste. „Das war bloß ein gutgemeinter Hinweis von meiner Seite.“

„Da bin ich aber beruhigt…“, nuschelte Link dämlich vor sich hin und trug wieder den schweren Koffer vorwärts. Diese Person hatte eine ungeheure, große Klappe. Wie bitte schön sollte aus so jemanden eine feine Lady werden? Das musste ein schlechter Scherz von ihrem Vater sein, sie in diese Mädchenschule zu schicken, dachte Link.
 

„Und an wen erinnere ich dich nun?“, meinte sie und setzte zügig einen Fuß vor den anderen.

„An eine gute Freundin, die sich auch ständig den Anordnungen ihres Vaters geweigert hat.“

„Das hat sie nur richtig gemacht“, sagte sie, denn sie war selbst übertriebenermaßen stolz auf ihren eigenen Wildfang.

„Stimmt. Niemand hätte ihr dafür einen Vorwurf machen dürfen“, meinte Link abschließend.
 

In dem Augenblick spürte er einen ekelhaften, stichigen Schmerz in seinem Nacken und ließ den Koffer einfach sinken. Ariana drehte sich verwundert um, aber Link konnte ihren Gesichtsausdruck nicht mehr deuten. Er fühlte erneut, wie langsam sein Puls anstieg und sich ein marterndes Gefühl seine Blutadern entlang zog. ,Nicht schon wieder…’, dachte er, als eine Schweißperle seine Stirn abwanderte. Seine merkwürdigen Anfälle setzten schon wieder ein…

Die Nerven halb verlierend wühlte Link in den Satteltaschen Eponas herum, bis er sich daran erinnerte das robuste, schwere Glasfläschchen mit dem magischen Heilmittel, welches Zelda ihm schenkte, in seinen Rucksack gepackt zu haben. Nach wenigen Augenblicken fand er das Gefäß und löste den glasigen, dicken Stöpsel. Was hatte Zelda gesagt? Nur ein winziger Tropfen reicht? Okay, sagte er zu sich.

Er führte die Flasche an seine Lippen und hob es soweit an, dass nur eine winzige Perle auf seiner Zunge landete. Die silbrigschimmernde Substanz lief wärmend seinen Hals entlang, und in Sekundenbruchteilen verschwand das Herzrasen, der Schmerz in seinen Gliedern und ebenso der Schweiß. Beruhigt und erleichtert räumte Link das Fläschchen wieder weg und ignorierte das verwunderte Gesicht Arianas.
 

Der junge Held der Zeit widmete sich wieder dem Koffer und suchte nach einer Frage, damit Ariana sich nicht in Dinge einmischte, die sie einfach nichts angingen.

„Du sagtest vorhin, dein Vater habe Geld gespart, damit du auf diese Schule gehen kannst.“

„Ja, warum?“

„Ist das bei der Ritterschule auch so? Muss man dafür zahlen, dort zu lernen?“ Sie schaute ihn verschmitzt an. „Du hast wohl keinen Rubin bei dir, oder?“

„Nein, das ist es nicht unbedingt. Aber, wenn man dafür zahlen muss, etwas zu lernen, dann bringe ich mir die Sachen doch lieber selbst bei…“ Dieser Junge war schlau, dachte Ariana, was man an seiner eher gebildeten Sprach bemerkte oder der Art und Weise, wie er seine Gedanken preisgab.

„Hast du eine Anmeldung für die Schule?“

„Ja, die habe ich.“

„Zeig’ mal her!“ Link zögerte zunächst. Was wollte diese Dame denn damit? Link begann zu feixen: „Du willst dir das Schriftstück wohl unter den Nagel reißen und dann damit verschwinden, he?“ Wütend trampelte das Mädchen mit ihren Stiefeln auf dem Boden umher und maulte: „Da versucht man schon mal freundlich zu sein. Aber wie du willst, ist ja deine Sache, ob du dich bei der Schule dumm und dämlich bezahlst. Pah.“ Sie verschränkte ihre Arme beleidigt und zickte. Ihr Temperament und Zynismus erinnerte ihn gewaltig an eine Gerudokriegerin. Vielleicht hatte Ariana Gerudoblut in ihren Venen...
 

„Schon gut, schon gut“, meinte Link widerrufend und kramte nach der Pergamentrolle und hielt Ariana das Schriftstück vor den Kopf. Sie griff zu und las. Ihr Gesicht wandelte sich von Überraschung zu Erstaunen und schließlich zu katastrophalem, teilweise geschauspielertem Entsetzen. Als ob sie bereits vorher wusste, was in dem Schreiben stand.

„Hast du Trottel dir das schon mal durchgelesen?“

„Nein, stimmt was nicht?“ Sie drückte ihm das Schreiben mit blanker Bewunderung zurück in die Hand. „Du hast eine Empfehlung von Prinzessin Zelda persönlich. Du bezahlst nicht einen Rubinsplitter für das Studium an der Schule. Glückspilz.“

Link war sprachlos und las sich die Anmeldung erstmalig selbst durch. Tatsächlich, Zeldas feine Handschrift zeichnete sich auf dem Blatt ab und rundete die Anmeldung mit hochachtenden Sätzen ab.

Ein kurzes melancholisches Lächeln trat in Links Gesicht, der sich jene weisen Sätze einige Mal durchlas. Sie beruhigten ihn auf vertraute Weise.

„Hochachtung, Glückspilz. Wenn man eine Empfehlung von Prinzessin Zelda hat, sollten sich einige Dinge an der Schule wohl zu eigenem Gutdünken entwickeln. Sei froh, dass du so eine gute Freundin hast.“ Zuerst erstaunt, dann mächtig verwundert, woher Ariana um jene Freundschaft wissen konnte, steckte er die Rolle zurück in seinen Rucksack und ignorierte Arianas Scharfsinn.
 

„Ich habe gehört, die Söhne von Rittern dürfen auch ohne weitere Kosten an der Schule lernen, falls aber beispielsweise ein Bauernjunge sich dort Kampfkünste aneignen will, dann muss er jede Stunde Unterricht bezahlen.“

„Das finde ich ungerecht. Wer weiß schon um die Talente eines einfachen Jungen, der eben einfach nur in eine Familie aus Bauern hineingeboren wurde. Gerade da stecken doch allerlei Potentiale.“ Ariana machte große Augen. Weise Worte aus einem fünfzehn Jahre alten Mund. Aber Link hatte Recht. Auch sie vertrat diese Meinung… schon immer.

Es spielte keine Rolle aus welchen Kreisen jemand kam, solange er wahre Talente besaß, sollte auch einem Bauernjungen ein Studium an der Ritterschule erlaubt sein.

„Wir sollten weiter ziehen. Nachts tummeln sich an manchen Orten noch Moblins, selbst hier, Ariana“, sagte Link bedacht und schaute verdächtig in die tiefe Schwärze des Waldes. Klarerweise teilte die fünfzehnjährige Hylianerin diesen Gedanken und stapfte neben Epona hinter einem wachsamen Link her.
 

Es dauerte eine geschlagene Stunde, ehe die beiden Spitzohren aus dem Waldverschlag heraustraten. Direkt vor ihnen thronte auf einem grünen Hügel ein riesiger, dunkler Gebäudekomplex, wobei viele alte, dickstämmige Bäume um die festen Steinmauern standen. Ein hohes Tor versperrte den Zugang in den Innenhof, wo sich zwei gigantische, graue Festungen gegenüberstanden. Die Mädchenschule und die angesehene Ritterschule. Link und Ariana standen gelangweilt vor dem Tor, als ein Wärter, ein gewöhnlicher, hylianischer Mann mit kurzem, dunklen Haar und stattlicher Figur, näher trat.

„Ihr beide seid ziemlich spät“, sagte er und öffnete ihnen einen kleineren hölzernen Zugang wenige Meter weiter. „Hier drüben.“ Tatsächlich war es annähernd Mitternacht und kaum ein Jugendlicher hatte zu so später Stunde noch das Ersuchen, sich anzumelden.

Epona und die zwei anderen Gestalten zwängten sich durch die kleine unauffällige Tür rechts, bis sie voller Erstaunen in dem riesigen Innenhof standen. Überall waren kleine Trainingsarenen abgezäunt, hier und da die verschiedensten Beete mit allerlei Blumen, die den Innenhof neben den gefährlichen, kraftraubenden Arenen für die Jungen in ein prachtvolles Paradies verwandelten. Link hatte nur einmal einen ähnlich großen und schönen Innenhof gesehen wie diesen und jener war ein Teil des Schlosses der Königsfamilie gewesen…

„Folgt’ mir bitte.“, sagte der Wärter und trat an ein hohes dickes Eichentor heran, welches den Eingang zur edlen Mädchenschule darstellte.

Ariana schnappte sich den Koffer, den Link immer noch hinter sich herzerrte und murmelte ein liebgemeintes; „Danke“, über ihre Lippen. Der junge Held nickte schüchtern.

„Bis bald, Glückspilz“, sagte Ariana und verschwand hinter dem hohen Tor.
 

Link lief nervös und voller Erwartung hinter dem Wärter her. Vorbei an einem Brunnen, vorbei an einer gemütlichen Wirtsstube, in die es die Jugendlichen zu ihrer freien Zeit zog, führte der Weg ohne Umschweife in eine Stallung. Ein Stallbursche mit verschlagenem Blick nahm ihm dann schnell Epona ab. Und in Kürze stand Link vor einer dicken Eisentür mit vielen Verzierungen und Gravierungen. Die Namen ehrenhafter Ritter waren in das Material eingehauen worden- ein Dank für deren rumreichen Taten.

„Du bist ziemlich spät dran, was für dich heißt, dass du nicht mehr bei dem Direktor vorgestellt wird. Aber Kommandant Orson kümmert sich noch um einigen Papierkram. Er wird dich einweisen.“

„Kommandant Orson?“, meinte Link begeistert.

„Ja, stimmt etwas nicht damit?“

Link fuchtelte abtuend mit seinen Händen in der Luft herum. Denn er war angenehm überrascht, jenen Kommandanten hier anzutreffen und erfreut darüber einen Freund aus alten Tagen wiederzusehen. Denn er kannte jenen vierzigjährigen Mann sehr gut, der im Gegenzug sehr viel von Link und seinen Fähigkeiten hielt.

„Wann geht der Unterricht eigentlich los?“

„Kommenden Mittwoch. Du bist wahrscheinlich der letzte, der sich anmelden will.“

„Besser zu spät als nie“, murmelte Link und stapfte gespannt voran. Nach einem langen Gang in der dunklen Eigenheit der Burg mit ihren vielen Fackeln an den Wänden, erreichte Link eine Steintreppe ohne Geländer. Der Wärter deutete auf jene und auf die hohe halbeingefallene Tür, welche sich anschloss. „Folge dahinter dem Gang bis zur Kreuzung. Nimm’ den Weg zu deiner rechten und klopfe an die spitzbogenartige Tür vor dir. Dahinter liegt das Büro des Kommandanten.“

„Danke“, meinte Link und trottete mit seinem Rucksack auf dem Rücken, dem einfachen Schwert am Gürtel zu seiner rechten Seite geschnallt und einem komischen Gefühl im Magen die steinernen, uralten Treppenstufen hinauf.
 

Noch einige Tage und der Unterricht würde beginnen. Aber was eigentlich lehrte man in dieser Ritterschule? Was lehrte man hier, das Link nicht schon konnte? Orson würde den unwissenden Heroen, so wie er selbst hoffte, sicherlich über alles Nutzbringende informieren.
 

Es dauerte nicht lange und Link stand vor der kleinen Tür, die in ein gemütliches Büro führte.

Er klopfte aufgeregt an dem Eichenholz, klopfte erneut und aus Ungeduld ein weiteres Mal.

„Ja. Was gibt’s denn so spät noch?“, brüllte eine tiefe Männerstimme vom Innenraum her. Genervt und ruppig wurde die Tür dann aufgezerrt und der schwarzhaarige Kommandant Orson stand mit einer rauchenden Pfeife und einem Dreitagebart, mit Hemd und Schlabberhose vor Link. Er blinzelte und wischte sich griesgrämigen Schlafsand aus den Augen, bis er Link erkannte.

„Nanu. Ja, bei den Drei Göttinnen. Ist das nicht Link?“ Und ein herzliches Grinsen zierte das vierzigjährige Gesicht des Mannes. Er klopfte dem Jugendlichen erfreut auf das Haupt, nahm ihn vor Freude in seinen Schwitzkasten und rubbelte über seinen blonden Schopf. Link wurde verlegen und löste sich mit hohem Kraftaufwand aus der freudigen Begrüßungszeremonie.
 

„Nun sag’ schon, was verschlägt den Helden der Zeit in diese Schule?“

„Der Rat der Prinzessin.“, meinte Link ehrlich und nahm Platz auf einem Stuhl direkt vor dem Schreibtisch Orsons. Link senkte sein Haupt und verschwieg den wahren Grund für sein Erscheinen an der Ritterschule, der Tatsache, dass er hier neuen Lebensmut finden sollte. Verwundert schaute Orson in das nachdenkliche Gesicht des jungen Mannes vor ihm, der so viele Hürden in seinem Leben mit Bravur gemeistert hatte und nun einfach vor einem Abgrund stand, den er nicht zu überwinden wusste. Link kramte seine Anmeldung für die Schule aus seinem Gepäck. Wie ein wertloses Stück Papier knallte er das Schreiben auf den Tisch, worauf Orson im flackernden Kerzenlicht die Zeilen genau durchlas.

Als er geendet hatte, blickte er grinsend in das jugendliche Gesicht ihm gegenüber.

„Und du meinst, du hast ein Studium hier mit deinen Fähigkeiten noch nötig.“

„Nein, es hat wohl andere Gründe, warum ich hier bin.“

„Aha, Prinzessin Zelda und ihre Vorahnungen, habe ich Recht?“, sagte Orson, der auf diese rhetorische Frage keine Antwort erwartete und gähnend aufstand.

Er fuhr erheitert fort: „Wie dem auch sei, Link, du bist nun hier. Und ich hoffe, dass du hier findest, was du suchst.“ Widerrum nickte der junge Heroe.
 

Geschwind durchwühlte Orson ein hohes Bücherregal, in welchem zerstreut vielerlei Papierstöße lagen.
 

„Da du eigentlich zwei Jahre zu spät dran bist, erwartet dich nächste Woche ein Test gegen einen gut ausgebildeten Kämpfer, den du sicherlich bestehen wirst. Du bist im Übringen nicht der Einzige, der diesen Test absolvieren muss. Es gibt genügend Sitzenbleiber und Nachzügler. Außerdem wirst du an einigen Fächern noch nicht teilnehmen können. Es gibt aber für dich genügend Gelegenheiten, den Stoff nachzuholen. Lerngruppen und Selbststudium zum Beispiel.“, nuschelte er, während er Link einige Papierstöße in die Hände drückte. „Was ist das?“, erwiderte Link und las nur einige Zeilen, die ihm von missverständlichem Zeugs erzählten.

„Das sind die vielen Praxisseminare. Der Pflichtunterricht und die vielen Wahlfächer.“ Link sah sich nur die erste Seite an und schon hatte er das Gefühl die Auswahl würde ihn erschlagen. „Ach du meine Güte und wie soll jemand aus diesem Chaos herausfinden?“

Orson schmunzelte: „Das ist deine erste Aufgabe, Link.“ Doch der Held verzog nur verdattert sein Gesicht und bereute den Entschluss hier zu sein immer mehr. Frustriert schaute er auf den Zettel vor seiner Nase, las in Gedanken viele Titel der Schulfächer und wurde aus manchen einfach nicht schlau. Was bitte schön verstand man unter dem ,Kurs der Höhen’, von dem es ganze drei Teile gab, die sich auf das erste Drittel des ersten Jahres beschränkten? Was war der Zweck der Tranceübungen, die gelegentlich stattfanden? Was verbarg sich hinter dem Unterricht von Lius Lorraux?
 

„Das dritte Jahr ist das schwerste und auch das umfangreichste. Einige Prüfungen wirst du nachholen müssen, ansonsten kannst du dich am nachfolgenden Unterricht nicht beteiligen. Wenn du mit der Fächerwahl nicht klar kommst, dann wende dich an einen der Lehrer, die dir in den nächsten Tagen über den Weg laufen werden.“ Link nickte, dachte aber still und heimlich, vielleicht als Resultat seines übertriebenen Stolzes, dass er damit schon alleine zurecht käme. Er würde nicht den hilflosen Außenseiter spielen und irgendeinen Lehrer um Hilfe bitten.
 

Derweil zündete sich der Kommandant wieder eine Pfeife an und lehnte sich in seinem breiten Sessel zurück. Eine Qualmwolke stieg empor. Der Duft eines feinen Krautes sammelte sich in dem Räumchen.

„Weshalb eigentlich nimmst du hier Anmeldungen entgegen, Orson?“, meinte Link, der mit seinen neugierigen Hylianeraugen gelassen vom Blatt aufsah.

„Ich wurde darum gebeten“, antwortete er prompt. „Aber morgen schon reise ich wieder ab, habe ja meine Verpflichtungen.“ Schade, dachte Link. Der Gedanke Orson selbst wäre einer der Lehrkräfte war ein beruhigender Gedanke. Angenehm war es von einem Elfen nicht belächelt oder einfach nur ungerecht behandelt zu werden und Link würde von fremden Augen sicherlich mit Achtung oder auch Neid und Missgunst angeschaut werden, egal, ob jene Augen wussten, welchen Titel der junge Link trug. Egal, ob sie wussten, wer er war oder nicht, der junge Waise würde aus den Reihen der Jugendlichen durch seine Fechtkünste oder seine Reife herausstechen… Schade, dass Orson wieder abreiste.
 

Der Kommandant stand erneut auf und legte eine Hand auf Links Schulter. Verwundert sah Link in die bräunlichen Augen des kräftigen Mannes ihm gegenüber.

„Ich habe gehört was man dir vor wenigen Tagen noch vorgeworfen hat.“

„Ach, die Sache auf der Ranch?“, murrte Link, verkniff sich einen angewiderten Unterton.

„Link, mir ist schon klar, dass du nichts ungerechtes getan hast, denn dafür kenne ich dich zu gut. Aber ich möchte dich gerne warnen.“ Mit ernstem Blick schwankte Links Kopf zu dem einzigsten Fenster hinter dem Schreibtisch. Der Sturm wütete draußen erneut… Regen klatschte unheilvoll und drohend an die alte, graue Fensterscheibe.

„Wovor?“, meinte der junge Held.

Orson wich aus seiner kühlen, gefassten Haltung und schraubte an dem Ehering an seiner Hand herum. „Einige Ritter Hyrules sind nicht gerade gut auf dich zu sprechen. Denn einige wissen mehr als sie zugeben wollen.“ Links hellbraune Augenbrauen zogen sich hinab und eine Spur Misstrauen mischte sich mit der Aufregung in seinen Adern. Link beugte sich nach vorne, sodass er sich mit den Ellenbogen auf dem Holztisch abstützte.

„Sir Viktor zum Beispiel wird deine Anwesenheit hier alles andere als genießen.“

„Dieser Kerl ist hier?“, knurrte Link und sprang entgeistert auf seine Beine.

„Mehr noch…“, erklärte der gute Mann Orson. „… er hat sogar die Stelle des Direktors angetreten.“

„Nicht der!“, jammerte Link vor sich hin und bemerkte bei dem Gedanken an diesen schmierigen Mistkerl ein kurzes Brennen auf seinem linken Handrücken. Eiligst riss sich Link den linken Handschuh herunter und begutachtete sein Triforcefragment.

„Stimmt was nicht, Link?“

„Nein, ich dachte nur…“ Aber er beendete seinen Satz nicht. Für einen kurzen, unbedeutenden Augenblick hatte Link das Gefühl gehabt, sein Fragment würde endlich wieder zum Leben erwachen, auf etwas der Außenwelt reagieren. Aber immer noch gab sich die Macht der Göttinnen nur verblasst auf seiner Haut preis…
 

Seufzend ließ sich Orson wieder in seinen Sessel sinken und nahm einen langen Zug seiner Pfeife. Seine Augen lasen erbaulich in denen des Helden der Zeit.

„Also Link. Ich möchte, dass du versuchst unauffällig zu bleiben. Vielleicht ist es gut, wenn du gewisse Fähigkeiten lieber solange unter Verschluss hältst bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Und sei’ nicht aufmüpfig gegenüber dem Lehrpersonal so wie es sonst immer deine Art ist.“ Ein dämliches Grinsen ging über das vierzigjährige Gesicht, der versuchte den Jungen aufzuheitern. Link nickte mit dem Versuch eines Lächelns und hüpfte wieder auf seine Beine. „Wie spät ist es?“

„Schon nach zwölf.“

„Gut, ich sollte dann vielleicht…“ Ja, was eigentlich?

„… dein Quartier aufsuchen?“

„Ja, genau“, murmelte Link verlegen und hielt sich eine Hand hinter dem Kopf, was nicht nur dümmlich, sondern ausgesprochen ulkig aussah.

Orson wühlte verbissen in einer kleinen Schublade seines tollen Schreibtisches herum, bis er einen Schlüsselbund fand, den er Link zuwarf.

„Dein Zimmerschlüssel, der Kellerschlüssel und ein Zugang zu der Waffenkammer. Ich bin der Meinung, dass du vertrauenswürdig genug bist, um den letzten Schlüssel an dich zu nehmen.“

„Danke“, sagte Link anständig und nahm seinen halb zerflederten Rucksack wieder auf den Rücken. Orson zog sich eine dunkle Tunika über den Kopf, nahm sich sein Schwert, welches er ständig bei sich trug und öffnete die Tür.

„Ich zeige dir deine Bude. Dein Zimmerkollege ist auch nicht von der schlechtesten Sorte“, ergänzte Orson und lief vorneweg. Link folgte schweigsam.
 

„Ich glaube, ich muss dir noch einige Dinge erklären, Link, damit du nicht ganz auf verlorenem Posten stehst.“ Aufmerksam lauschte der Fünfzehnjährige den Worten des kräftigen Hylianers, der mit einer Öllampe den schwarzen Gängen folgte. Nicht ein Fenster zur Außenwelt. Kein Lichtpunkt. Nur dunkle, furchteinflößende Gänge lagen vor ihnen.

„Jedes Jahr in der Ritterschule für hylianische Jungen ist aufgeteilt in drei große Abschnitte und nach jedem Abschnitt folgen einige Tage Pause.“ Orsons tiefe Stimme hallte in den verlassenen Gängen.

„Am Ende jeden Jahres finden die Prüfungen und ein kleines Turnier unter den Jugendlichen der Schule statt. Der Sieger erhält meistens eine Auszeichnung und einen kleinen Preis. Wer gut ist, kann das Studium auch in kürzerer Zeit als sieben Jahren bewältigen, obwohl das fast niemand schafft. In diesem Zusammenhang sollten noch die Ränge erwähnt werden. Es gibt insgesamt fünf von ihnen.“

„Ränge? Wozu sollen die denn gut sein?“

„Es ist wohl nur so eine Art Hinweis auf die Geschicklichkeit und den Mut der Knaben. Die höheren, älteren Schüler haben häufig den fünften Rang.“

„Interessant“, meine Link lediglich und blickte durch die Dunkelheit hinauf an das Deckengewölbe. Sie passierten einen großen Saal, wo viele Linien auf dem Boden aufgezeichnet waren, die sich nur durch den Schein der Öllampe preisgaben. Erneut ein Saal. Eine Verbindungstür zu einem Aufenthaltsraum und schließlich eine Wendeltreppe ins nächste Stockwerk.
 

Kurze Zeit später standen der große und der kleinere Hylianer in einem bemerkenswerten Korridor, wo erstmalig einige Fackeln an den Wänden für Licht und Wärme sorgten. Am Ende des Flurs ließ eine gläserne Tür den Blick zu einem gemütlichen Gemeinschaftsraum zu, wo neben einer kleinen Bibliothek einige Übungsschwerter aus Holz ins Auge fielen.

„Hier ist der zweite Korridor unserer Jungs.“ Und Link schaute zu den vielen, vielen Türen. „Es gibt noch einen ersten, kleineren Gang für die dreizehn und vierzehn Jahre alten, direkt unter diesem. Und einen dritten, für die älteren Kämpfer direkt über diesem.“

„Und wo ist jetzt mein Zimmer?“

„Die letzte Tür am Ende des Korridors.“

„Gut“, meinte der junge Held und schaute ein wenig entschlossener und der stillen Hoffnung in seinem Herzen mit dem Aufenthalt hier würde sich in seinem Leben endlich wieder etwas ändern zu der letzten Holztür. Ein wenig melancholisch wand er sich zu Orson ein letztes Mal zu. „Bis bald, Link. Ich würde ja gerne deinem Test beiwohnen, aber ich muss schon in sechs Stunden wieder auf dem Weg nach Calatia sein.“ Link nickte und ließ den leichten Trübsinn nicht wieder die Oberhand gewinnen.

„Bis irgendwann, Orson“, entgegnete Link und der freundliche, gutherzige Kommandant verschwand langsam mit seiner Öllampe in der Dunkelheit, bis das wärmende Licht dieser von der Schwärze absorbiert wurde…
 

Seufzend schob der Hylianer einen im Licht der Fackeln glänzenden Eisenriegel vor der Tür zur Seite und stieß jene einige Zenitmeter zurück, sodass er unbemerkt eintreten konnte. Im Innenraum herrschte genau dieselbe Nacht, wie er sie auf den Gängen des Schlosses vorgefunden hatte und doch stach etwas aus der furchtvollen Schwärze hervor. Ein sattes, stechendes gelbes Augenpaar vom hinteren Zimmerbereich. Instinktiv wanderte Links Schwertarm zu seiner Waffe, als aber ein Jugendlicher die Stille brach und den Docht einer winzigen, beinahe abgebrannten Öllampe entfachte. Geblendet von dem hellen Schein der Lampe kniff Link seine Augen zu und taumelte einige Meter rückwärts. In dem Moment haschte eine große Kreatur mit gelben, gefährlichen Augen auf den unaufmerksamen Helden zu, stellte sich auf die riesigen Hinterpfoten und riss den jungen Mann nieder. Kreischend landete Link auf einfachem Steinboden und versuchte anstrengend die riesige Kreatur von sich wegzudrücken. Nur schwerlich öffnete er seine Augen, spürte plötzlich eine riesige, schleimige Zunge in seinem Gesicht, die ihn abschleckte. Verdutzt krabbelte Link weiter und weiter, bis er mit dem Rücken an der Wand lehnte.
 

Erst jetzt registrierte er das herrliche Gelächter einer tiefen Knabenstimme in dem geräumigen Quartier und erkannte ein wolfsähnliches Getier vor sich. Erleichtert nahm der junge Held einen tiefen Atemzug und richtete sich auf.

„So sieht man sich wieder, guten Morgen...“, brummelte ein Fünfzehnjähriger schläfrig und streckte seine Arme und Beine auf seinem Bett breit auseinander. Jener brauchte wohl einen Moment um zu verstehen, dass es noch nicht früh Morgens war.

Link kannte den Jungen, war ihm bereits vor wenigen Tagen über den Weg gelaufen, ebenso wie diesem riesigen, aber ungefährlichen Hund, wie der junge Kerl ihn nannte. Während Link den Dreck von seiner Hose wischte, murmelte er ebenso ein „Hallo“ vor sich hin und schaute sich schnell in dem Quartier um. Ein schickes, großes Zimmer für vier Jungs. In der Mitte stand ein viereckiges Tischchen mit vier klapprigen Stühlen herum. Ein Spiel mit bemalten Karten stand darauf.

Und in jeder Ecke konnte man sich in einem Bett herumwälzen, wobei direkt daneben jeweils ein Regal und Nachtischschrank angebracht waren. Alles in allem ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer, welches sogar einen Kamin hatte und in welchem es sich sicherlich eine Weile aushalten ließ. Die dunkelbraunen Betten waren mit weißen Lacken überzogen. Etwas, was Link selbstverständlicherweise nicht kannte. Und eine Sache fand der junge Held im wahrsten Sinn des Wortes gemütlich, ein mit Fransen überzogenes, kirschrotes Sofa vor dem Kamin. Lediglich zwei der Betten waren belegt, was bedeutete, dass vielleicht in den nächsten Tagen noch jemand hier einziehen könnte.

Link trat näher und sein nachdenklicher, im Moment mutloser, Blick schweifte zu dem vorbereiteten Bettchen ganz hinten, wo das kühle Mondlicht sich ab und an verlor.
 

Der andere Zimmerbewohner hüpfte erfreulich auf seine Beine, wischte sich den Schlafsand aus den Augen und reichte dem vergessenen Helden der Zeit eine begrüßende Hand. Als Sache einer Formalität nahm Link diese entgegen und sagte leise: „Dein sogenannter Wolfshund fällt wohl jeden an, was?“

Überrascht meinte sein Gegenüber: „Nein, eigentlich ist er nur zu Freunden und zu meiner Familie so nett, normalerweise haut er jeden in Stücke.“ Ein verschlagenes Grinsen formte sich auf dem fünfzehnjährigen Gesicht des Schülers, der in einem hässlichen, altmodischen, bräunlichen Nachthemd bekleidet war. Etwas, wogegen sich Link weigern würde, es zu tragen...

„Da hab’ ich ja Glück gehabt, was?“, meinte der Held und stellte seinen Rucksack besitzergreifend auf das Bett direkt neben einem großen Fenster mit schwarzbemaltem eisernem Beschlag. Der andere Kerl grinste daraufhin und meinte: „Also, wie war noch mal dein Name? Link?“ Der junge Held nickte bloß und verbarg den heimlichen Groll auf seinen eigenen Namen.

„Und du hießest?“

„William Laundry“, sagte er stolz, denn er bräuchte sich mit seinem fabulösen Stammbaum und den Taten seiner Ahnen nicht zu verstecken. „Aber du kannst Will sagen.“

„Okay“, meinte Link und sah nachdenklich hinaus zu dem Fenster.
 

Zufrieden schwang sich Will wieder auf sein Bett und kraulte seinem Wolfshund den Hals, der sich quer über das Bett gelegt hatte.

„Ist ja echt lustig, dass du nun doch noch hier Unterricht nimmst“, sagte Will. „Wolltest du nicht... ach ja... in die Kokiriwälder?“ Erstaunt darüber, dass William diese Sache noch in Erinnerung hatte, schaute Link auf und zog sich die grüne Tunika über den Kopf.

„Richtig“, meinte Link kurz angebunden, aber hatte keinen Bock diesem unwissenden Neuling alles auf die Nase zu binden. „Aber eine Freundin hat mir dazu geraten hierher zu kommen und da...“ Link unterbrach sich selbst, als er aufgeregtes Wiehern der Pferde in dem Stall vernahm und irgendwie einige Schatten im Innenhof der Burg erblickte. Schnell krabbelte er über sein Bett zum Fenster und schaute hinaus in die Nacht.

Zwei smaragdgrüne Augen schnellten ebenso hinaus. Irritiert flüsterte William zu Link: „Was, meinst du, ist das da unten?“

„Weiß nicht...“ Links tiefblaue Augen erkannten in etwa zehn Gestalten, die sich zum Teil mühsam, stolpernd, aber auch schnell und zielsicher vorwärtsbewegten. In dem Moment begann der Wolfshund im Raum zu knurren und jaulte. Plötzlich sprang er vom Bett herunter und keifte immer gefährlicher, sprang mit großen Sätzen von einem Bett auf das andere.

„Wulf! Hör’ auf!“, rief William und sprang mit einigen großen Sätzen zu dem Getier, welches knurrend mit den Pfoten auf dem Steinboden schabte. Wulf ging in Deckung und fletschte unheilvoll die Zähne. Mit vorsichtigen Schritten wagte sich William näher und erreichte seinen Hund, der sich durch dessen Streicheleinheiten allmählich beruhigte.
 

Link jedoch schaute nachdenklich hinaus und sah einige kleinere Kreaturen hinter einer etwas größeren herlaufen. Es war stickig, so schwarz außerhalb, dass Link nicht mehr als einige Umrisse erkennen konnte. Einige Gestalten verloren sich, als ob sie mit der Dunkelheit verschmolzen waren. Andere eilten zu den Hauseingängen, teilten sich auf, bis in dem Innenhof niemand mehr war...
 

Link atmete laut aus und hatte trotzdem ein merkwürdiges Gefühl in seinem Magen, ähnlich einer Erinnerung an den alternativen Zeitpfad, den niemand so kannte wie er, ähnlich einer Vorwarnung.

„Sind sie weg?“, flüsterte William aufgeregt und krauelte sachte den mit Speichel besudelten Hals seines Haustieres.

„Ja...“, sagte Link kühl, spähte dennoch wachsam hinaus in die stürmische Nacht, wo sich die Gewitterwolken wieder zuzogen.

„Was, meinst du, war das?“

„Keine Ahnung“, meinte der unerkannte Held. „Aber sicherlich nichts Beunruhigendes. In dieser Burg halten sich doch etliche Ritter auf. Was soll’ hier schon herumspucken?“

„Stimmt“, entgegnete Will und kroch wieder unter seine Bettdecke. „Aber warum ist denn Wulf so ausgetickt?“

„Frag’ ihn das doch“, sagte Link belustigt. Bildete sich William wirklich ein, hier an der Schule würden irgendwelche dunklen Kreaturen schaurige Treiben veranstalten? Also wirklich... zu diesen friedlichen Zeiten? Quatsch, sagte Link zu sich selbst und schüttelte innerlich den Kopf, da er selbst vor wenigen Augenblicken an die mörderischen Teufelsgeschöpfe von damals denken musste. Irrsinn, wir haben Frieden. Dämonen waren Schnee von Gestern... genauso wie die Moblins auf der Lon-Lon- Farm, die er sich, so seine Annahme, auch nur eingebildet hatte...

William sah unbeeindruckt drein und ließ seinen müden Kopf auf ein Federkissen sinken.
 

„Wie kommt es eigentlich, dass Wulf hier schläft. Ist es nicht untersagt, an der Schule Haustiere zu halten.“

„Schon“, sagte Will belustigt. „Aber was niemand weiß, macht niemanden heiß.“ Er grinste Link tückisch entgegen, so als ob er erwartete, dass auch Link über Wulfs Anwesenheit schwieg. Der junge Held der Zeit konnte einfach nicht anders als zu nicken. „Richtig.“, meinte Link. „Und seit wann bist du schon hier?“

„Seit fünf Tagen, so wie die meisten. Ich muss sagen, du bist ziemlich spät dran.“

„Ja, du bist jetzt schon der dritte, der mir das auftischt. Ich weiß, verdammt“, murrte Link, der ohnehin nicht wusste, was er hier tun sollte. Er zog die Schnüre seines Rucksackes auseinander und packte sein Gerümpel aus. Ein paar Kleidungsstücke, einige Karten, seine Geldbörse, ein angebissenes Brot, einen Kompass, die Okarina der Zeit, sowie jene Babydecke, welche der Dekubaum ihm übergeben hatte. Sofort räumte er letzteres wieder in den Ranzen und packte den gesamten Kram in seinen Schrank.

Interessiert beobachtete Will den Plunder in Links Händen, fand den jungen Hylianer vor ihm immer merkwürdiger und konnte sich nicht vorstellen, dass ein Fünfzehnjähriger so viele abenteuerliche Sachen mit sich herumschleppte.

„Sag’ mal, was machst du eigentlich mit dem ganzen Zeugs?“ Und Will deutete neugierig auf Links Ramsch, der verteilt auf dem Bett lag.

„Das hat dich nicht die geringste Bohne zu interessieren“, murrte Link verärgert, denn immer wenn jemand sich in sein Leben einmischen wollte, wurde er giftig. Er ertrug das Gefühl nicht mit den Augen eines Freundes angesehen zu werden. Er ertrug es nicht, beachtet zu werden. Und er ertrug es noch weniger, bemitleidet oder in letzter Instanz geliebt zu werden...

„Tschuldigung, hab’ ja nur gefragt“, meinte Will und drehte sich genervt gen Wand.
 

Daraufhin setzte Link murmelnd hinzu: „Es ist besser für dich, wenn du nicht zuviel weißt...“

Aber Will gab nicht so schnell auf. Das Blut einiger hartnäckiger, tapferer Ritter floss durch seine Venen. Vielleicht war dies der Grund, dass er sich aufrichtete und zu Link hinüber watschelte. Wulf hatte es sich auf einem zotteligen Pelz vor dem wärmenden Kamin gemütlich gemacht, wo noch einige Kohlen schwach glühten.

„Du bist vielleicht ein unfreundlicher Kerl“, sagte Will und gab Link einen Klaps an seinen Hinterkopf. „Was machst du dann an einer Schule, wo neben den eigenen Künsten Teambereitschaft gefragt ist.“ Link drehte sich unbeeindruckt zum Fenster.

Eine Pause entstand.
 

„Hast du deinen Stundenplan schon zusammengestellt?“ Und William machte einen zweiten Versuch mit dem rätselhaften Link ins Gespräch zu kommen.

„Nein, wann denn?“

„Brauchst du Hilfe dabei?“ Und ein gutgemeintes Grinsen ging über Wills schmales Gesicht, welches hellbraunes Haar abrundete.

„Danke“, sagte Link abtuend. „Aber ich krieg’ das schon alleine hin.“

„Wie du meinst“, sagte Will und verstand, warum seine Mutter diesen Kauz als einsam abstempelte. Link hatte etwas Seltsames an sich, wirkte vielleicht sogar unwirklich in den Augen anderer Hylianer.

Will machte es sich neben dem Wolfshund vor dem glühenden Kohlenrest bequem. „Aber es ist ziemlich schwer aus dem Plan herauszufinden.“, sagte der Jüngling dann.

„Das klappt schon irgendwie.“

„Okay, aber sag’ nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

„Ist gut, ich merke mir den Ratschlag.“

„Glaub’ ich nicht“, murmelte William frustriert. Erzürnt drehte sich der junge Heroe um und gaffte in die grünen Augen seines Mitbewohners. „Du gibt’s wohl nie auf.“ Doch William schüttelte erheitert den Kopf. „Wenn man aus einer solchen traditionsreichen Familie kommt, wie ich, dann fühlt man sich schwach, wenn man aufgibt“, meinte er. Link runzelte die Stirn. Es war unbestreitbar, dass Link jemals aufgegeben hätte. Aber er brauchte keine traditionsreiche Familie für derartige Charakterzüge. Es erwuchs aus seinen Inneren, dass er immer schon so lange kämpfte, bis er sein Ziel erreicht hatte. Er gab niemals auf, auch ohne einen Vater in toller Ritterrüstung hinter sich stehen zu haben.

„Und du? Kommst du auch aus einer Ritterfamilie?“ Link nickte lediglich und wand seinen traurigen Blick in die andere Ecke des Zimmers.

„Dann musstest du also auch keinen Rubin für das Studium bezahlen.“

„Nein, nicht einen. Aber ich habe eine Empfehlung, weil...“ Link stoppte sich selbst. Wollte er diesem jungen, unwissenden Kerl jetzt tatsächlich erzählen, weshalb er keinen Stammbaum vorweisen konnte.

„Wer sind deine Vorfahren? Vielleicht kennt man Vater ja deinen?“

„Ich habe keine Ahnung und jetzt hör’ auf mit deinen Fragen. Du bringst mich noch um den Verstand“, endete Link mürrisch und zog sich ein blassblaue Seidenhemd über den Kopf und entledigte sich der Stiefel.
 

William gab ein ohrenbetäubendes Schnaufen von sich und erstarrte plötzlich, als Link sich das Hemd von dem Oberkörper streifte. Er wollte nicht schon wieder etwas Falsches sagen, also hielt er seinen großen Rand. Auch, wenn nun tatsächlich Mitleid und Verwunderung in seinen smaragdgrünen Augen lagen. Es war nicht nur Links Rücken, der von einigen hässlichen Narben übersät war, sondern auch die Statur, die William von einem Jungen seines Alters noch nie gesehen hatte. Aber das Schlimmste waren wohl die Narben, welche von scharfen Klingen, von Feuer, kochendem Wasser und tiefen Klauen stammen mussten. William setzte entsetzt eine Hand an seinen Mund und schien sein freches Schandmaul verloren zu haben. „Bei Nayrus göttlichem Segen, was hast du denn gemacht?“, entfuhr es ihm. Aber Link drehte sich bloß mit runzelnder Stirn und fragendem Blick um.

„Wo hast du denn die ganzen Narben her?“, entkam es Wills entgeisterten Miene. Link warf ihm einen genervten Blick zu, der William verstummen ließ.

„Schon klar, ich frag’ nicht noch mal.“ Doch innerlich schüttelte William mit dem Kopf und starrte den einstigen strahlenden Helden nur an. Zum Teufel, dachte er, nicht einmal sein Vater hatte solche Wunden je getragen und William wusste um einige harte Kämpfe seines Vaters gegen die verschiedensten Fieslinge. Woher also trug ein Fünfzehnjähriger derartige Verletzungen? William fand dafür nur wenige Erklärungen. Entweder war dieser Kerl einst in einen Raubüberfall verwickelt, man hatte ihn gefoltert, oder er hatte schon mehr Köpfe abgeschlagen, als William Holzschwerter ruiniert hatte.
 

Link ließ sich erschöpft auf das Bett sinken und blickte müde zu Will hinüber. „Ich habe einige...“ Der Heroe sann über das richtige Wort und entschied sich für ein belangloses. „... Dinge... hinter mir“, endete er ruhig. Irgendwie selig und zufrieden zog er eine dicke Federdecke über den Kopf, konnte sich nicht erinnern jemals in einem so bequemen Bett geschlafen zu haben und gähnte herzhaft.

„Das tut mir leid“, meinte William und wollte ihm eigentlich ehrliche Anteilnahme schenken. „Jedem tut es leid. Hast du eine Ahnung, wie mir das auf den Wecker geht? Ich brauche kein Mitleid, das habe ich nie gebraucht...“, murrte Link und drehte sich gen Wand. Zum Teufel, warum musste er mit diesem Kerl jetzt darüber reden? Halt’ einfach die Schnauze, sagte er zu sich selbst und hoffte, sein Triforcefragment würde ihm dabei helfen, sein vorlautes Mundwerk zuzunähen. Cholerisch drückte er das Kissen über den Kopf.
 

„Vielleicht sollten wir jetzt schlafen, Link. Gute Nacht.“, sagte Will und starrte nachdenklich an die Wand. Er war ein guter Mensch, das war eines der Dinge, die er sich immer wieder einredete. Und Will war sich sicher, dass auch Link unter seiner eiskalten, harten Schale einen weichen Kern haben musste. Was hatte dieser Fünfzehnjährige bloß durchgemacht? Will war einer von der neugierigen Sorte und er wusste, dass er irgendwie herausfinden würde, was sich hinter einem so interessanten Hylianer verbarg, wie Link es war.
 

Einige Stunden verstrichen in der alten Ritterschule und doch war für einige Geschöpfe die Nacht noch lange nicht vorbei. Denn einige... lebten nur in der Nacht. Kreaturen der Finsternis machten sich nichts aus dem Gestank des Tages, wie sie ihn nannten. Sie hassten die abscheulichen Sonnenstrahlen und verbrannten sich doch nur die Finger am reinen Licht. Geschöpfe des Todes, der widerlichen Dunkelheit, erschufen sich ständig neu aus dem alten Element, welches als ein Gegenspieler von Licht das Gleichgewicht der Welt erhalten musste. Gegensätze waren unabdingbar auch für eine Welt wie das alte Hyrule...

Und so krochen niedere Seelen immer dann aus ihren Schlupflöchern, wenn nicht einmal der Mond das Sonnenlicht reflektieren konnte...
 

Link wälzte sich in seinem Bett herum, hatte Träume so wie jede Nacht. Schatten der Nacht, die er nicht verstand...
 

Er befand sich ein weiteres Mal in jenem Saal, wo ein kleiner Wandteppich die Kahlheit und Leere des Ortes unterband. Ein Wandteppich, auf dem ein altes Ritterwappen eingestickt war. Etwas rüttelte an ihm, schlitzte in seinem Herzen, als er das Symbol betrachtete...

In dem Saal herrschte Leere und Kälte, ebenso wie in seinem erfrorenen Herzen. Ein Ort der Traurigkeit. Ein Ort der Erinnerung...

Sorgsam trat Link um seine eigene Achse, erblickte eine runde Tafel vor sich und eine riesige Karte Hyrules hing an der Wand, in einem Saal, der ausgefüllt war von schillernden Farben in allen Varianten. Das Schlitzen in seinem Herzen wurde bedrückender, wie eine eisige Hand, die sich über die Seele legte, eine Hand, die das Herz erschütterte.

Er fühlte eine Träne über seine Wange tropfen. Hier zu sein war fremd, obwohl er den Ort kennen sollte. Hier zu sein quälte ihn, obwohl es ihn freuen sollte. Wie ein kleines Kind brach er auf seine Knie und fühlte sich innerlich zerrissen von Mächten der Vergangenheit.

Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Schulter und ein paar warme Arme schlangen sich um ihn, zogen ihn in eine innige Umarmung.

„Du musst zurückfinden, Link“, sagte eine verträumte Stimme. „Aber du musst nicht alleine gehen... Lass’ mich dir helfen“, flüsterte jene Stimme. „Ich möchte dir helfen...“ Er traute sich nicht, die Gestalt anzusehen und verharrte in jener Haltung, als der Raum zu verblassen schien. Verblassen... wie die Schriftzeile irgendeines Buches, welches der Macht der Zeit unterlag.

„Lass’ mich dir bitte helfen...“, sagte eine sanfte, helle Stimme. „Und jetzt... wach’ auf...“
 

Wie auf Kommando schnellten Links Augenlider nach oben und er richtete sich auf. Der Traum war so beruhigend, so angenehm wie noch nie ein Traum, den er träumte...

Der Versuch eines Lächelns umspielte seine Lippen. Diese Stimme, sie war so vertraut, so wohlig in seinen Ohren. Er griff sich an seine Stirn, fühlte sich entspannt und frei und wischte sich eine Träne unter den Augen weg... Bei Farore, noch nie hatte er so einen schönen Traum gehabt, und noch nie, nicht einmal in der Wirklichkeit hatte Link eine Umarmung so genossen... War das Glück? War das jenes Gefühl, jenes Etwas, was Link in seinem einsamen Leben stets und ständig vermisst hatte? Zwanghaft versuchte er zu begreifen, wer sich in seinen Traum eingeschlichen hatte und ob er die Gestalt kannte. Aber Link fand keine Antwort.
 

Seine tiefblauen Augen schweiften in dem Moment zu dem Fenster des Zimmers. Ein kühler Nachtwind peitschte ihm entgegen, obwohl doch schon lange die Sonne am Horizont stehen müsste. Links Augen sahen genauer hin und erschrocken erkannte er, dass jenes hohe Fenster mit den dunklen Metalleinschlägen sperrangelweit offen stand. Nanu?

Link krabbelte über seine Matratze und blickte für wenige Sekunden hinaus zu dem tobenden Sturm, der sein Zentrum direkt über den grauen, gutbefestigten Zinnen der gigantischen Ritterschule hatte. Kalter Regen gemischt mit Hagelkörnern schlug ihm ins Gesicht, worauf er das Fenster schnell ohne Weiteres schloss.
 

Weiterhin über den angenehmen Traum nachsinnend ließ sich Link wieder auf die weiche Matratze sinken, spähte durch die Dunkelheit zu William und zu dem angsteinflössendem Wolfshund, der laut schnarchend nebst Will auf der Zudecke hockte.
 

,Wach’ auf’, hatte die Stimme in seinen Träumen gesagt. Was das wohl zu bedeuten hatte? Aufwachen? War er denn nicht wach, gerade in dem Augenblick. Oder sollte Link etwa wieder als der Held aufwachen, der doch tief in seinem Bewusstsein schlummerte?
 

Gerade als Link die dicke Federdecke über seinen müden Körper ziehen wollte, spürte er einen weiteren Luftzug in der Kammer, obwohl er das Fenster fest verschlossen hatte. Denn die Dunkelheit haftete auch hier in diesem Raum. Es gab so viele Ecken, in welcher sie sich unbemerkt einschleichen und verstecken könnte. Die Dunkelheit, vor der sich die kleinen Kinder immer fürchteten. Link erinnerte sich kurz an eine Geschichte des ehrwürdigen Dekubaumes, die Kokiri warnte sich zu später Stunde noch in die verlorenen Wälder zu begeben. Es hieß, dass Kokiri, die unartig waren, die Lügengeschichten erzählten, die den Wald mit ihren bösen Gedanken Schande zufügten, in den tiefen Wäldern zu später Stunde von geflügelten Schatten geholt werden würden. Link, der immer dachte, die Wälder waren sein Zuhause, hatte die Geschichte geglaubt, auch wenn er dann doch irgendwann bei Nacht dem Pfad in die Verlorenen Wälder folgen musste...
 

Dunkelheit und die Kreaturen, welche sie verbarg, ja, überall nistete sie sich ein und hatte ihre Spione...
 

Leise richtete sich Link wieder auf und blickte durch die Nacht von einer Ecke in die andere. Es schien mehr als nur die Stimme in seinen Träumen gewesen zu sein, die ihn aufschreckte. Oder bildete er sich das nur ein? Vielleicht träumte er ja noch. Mit einem lauten Quietschen der Matratze sank der Held der Zeit nieder, schloss seine Augen und lauschte der stillen Melodie der Nacht, dem Plätschern des Regens an die Scheibe oder dem Tosen des wütenden Windes außerhalb...
 

Von einer Sekunde auf die andere aber hatte Link das Gefühl, in diesem Raum mit Wulf und Will nicht mehr alleine zu sein. Er spürte regelrecht die Anwesenheit von fremden Augen, von fremden Gemütern und verruchten Seelen...
 

Wieder richtete er sich auf und ließ seine Beine aus dem Bett hinausbaumeln. Langsam und leise berührte er mit den nackten Füßen einen kleinen abgenutzten Teppich vor seinem Bett, fühlte wie seine Füße in das Material sanken. Auch eine Empfindung, die Link noch nie zu schätzen gewusst hatte. Denn in seinem Heim bei den Kokiri gab es so etwas wie dicke, pelzige Teppiche nicht...

Seine tiefblauen Augen glühten ein wenig in der Dunkelheit, besonders dann, wenn eine der schwarzen Wolken sich vom hellen Schein des Mondes besiegen ließ, ihm untertänig war, wie das helle Licht der Hoffnung kalte Schatten aus Erinnerungen verbannen konnte. Das merkwürdige Gefühl, als würde sich etwas ihm annähern, blieb. Und nur als Folge jener heimlichen Empfindung von Dunkelheit, die die Sinne betäubte, stützte der Fünfzehnjährige langsam seinen Körper auf die Beine, blickte wachsam um sich.
 

In dem Moment sprang etwas Pelziges, Kaltes direkt neben seinem Fuß vorbei und verschwand knisternd in der Dunkelheit des Zimmers. Aufgeregt hüpfte Link zur Seite und griff intuitiv nach einem Dolch, den er irgendwann eher unbewusst unter seinem Kopfkissen versteckt hatte.

Einige Sekunden verstrichen, während Link seine Ohren spitzte, während er versuchte das Geschöpf der Nacht an ihrem eigenen verdächtigem Atmen zu erkennen, zu spüren und zu stellen.
 

Ein Quietschen ging durch den mit dunklen Farben bemalten Raum, gefolgt von zermürbenden Kratzen und eifernden Zischen. Erneut hetzte etwas in dem Raum umher, hastete auf klappernden Pfoten über den gesäuberten Steinboden und schien verstummend unter einem leeren Bett zu verschwinden. Ohne das Bett auf der anderen Seite aus den Augen zu lassen, kramte Link sorgsam nach einem Streichholz, lief zu Wills Nachttischschränkchen und entzündete schnell die Öllampe. Wulf gab ein Murren von sich, aber schien zu verschlafen, als dass er etwas bemerkte. Toller Wachhund, dachte Link und widmete sich wieder der Kreatur, die sich still und heimlich unter dem hinteren Bett versteckte.

Ein milder Schein der Wärme flatterte über den Steinboden, bis zu dem Bett, wo etwas Unbekanntes wartete. Leise und barfuss schlich Link hinüber, kniete nieder und lugte sorgsam unter das Bett, versuchte etwas zu erkennen. Das kleine Licht der Öllampe flackerte und anscheinend war es dem Licht zu verdanken, welches Geschöpfe der Nacht störte, dass das unbekannte Wesen einen zischenden, abstoßenden Laut von sich gab. Link wich zurück, als zwei glühende Augen im Schatten des Bettes erglommen.
 

Eine kurze Erinnerung kam auf... lebendige Schatten, die lästernd vor Links innerem Auge tanzten. Seine erste Begegnung mit einem Dämon der Finsternis schüttelte seinen Geist. Er erinnerte sich. Vor einst sieben Jahren, die doch nicht wirklich sein durften, die man weggesperrt hatte, als ein Schutz der Welt vor dem Bösen, erstarrte der junge ehemalige Kokiri, als er alleingelassen, mit einem kindhaften Kurzschwert den Weg ins Innere des Dekubaumes bestritt. Ein Kampf folgte nur kurz nach dem Eintritt in den vergifteten Kern eines weisen, sprechenden Baumes. Ein Kampf gegen Horden von fleischfressenden Pflanzen, die ihn von allen Seiten schmaler Gänge attackiert hatten.
 

Es war sein erster Kampf gewesen und den ersten Kampf gegen das Böse vergisst man nicht...
 

Und auch jetzt würde er einen Kampf bestreiten müssen, denn das Etwas, das Namenlose, unter dem Bett gehörte sicherlich nicht zu harmlosen Geschöpfen einer guten Seite der goldenen Macht.
 

Zwei dreckige Pfoten mit vielen, vergifteten Krallen schossen plötzlich unter dem Bett hervor begleitet von dem widerlichen Zischen. Link schnellte nach hinten und brachte das Nachtischlein von Will zum Wackeln. Dann ging alles plötzlich sehr schnell. Die Öllampe landete mit einem heftigen Schlag auf dem Steinboden und verlor ihr angenehmes Licht. Wulf richtete sich schlagartig auf, begann zu knurren und war mit einem riesigen Satz in der Nähe des Geschöpfes, welches unter dem unbenutzten Bett unartikulierte, zänkische Laute ausstieß. Aufgeregt wedelte Wulf mit seinem Schwanz, begann heftig zu heulen und schien sich mit dem Dämonengeschöpf unter dem Bett anzulegen.

Das Gezischel und Zürnen wurde lauter, bis das Geschöpf jauchzend unter dem Bett vorsprang und gen Tür hetzte. Laut heulend sprang der Wolfshund hinter dem zischenden Dämonengeschöpf her. Hektisch wurde die alte Tür mit dem Riegel geöffnet und ein schwarzes Geschöpf der bitteren Nacht stürmte zischend dunkle Gänge entlang, während ein wildes Getier heulend hinterher stürmte.

Aufgebracht und mit einem Dolch bewaffnet hetzte Link hinter dem Gespann her, durchschritt dunkle Gänge, sauste eine Wendeltreppe abwärts und hörte sich weiter und weiter entfernend den Zischlaut und das beißende Kratzen eines Teufelsgeschöpfes gemischt mit dem Knurren und Fauchen des Wolfshundes.
 

Die Laute endeten abrupt und Stille kehrte zurück in die Ritterschule. Link erreichte atemlos das Ende der Wendeltreppe und blickte sorgsam in den rötlichen Korridor mit vielen scharlachfarbenen Behängen. Und überall führten einfache Holztüren in verschiedene Zimmer. Aha, dachte Link, dies war also der Aufenthaltsort der jüngeren Schüler. Er lief langsam weiter und sah den aufgeregten Wolfshund seines Mitbewohners an einem offenen Fenster am Ende des Ganges hocken. Sein markerschütterndes Heulen ging in die Nacht und sendete ein einprägsames Echo zurück. Aber keine Spur des finsteren Geschöpfes, welches sich klammheimlich in das Zimmer des Helden der Zeit und William Laundry geschlichen hatte. Niemand bemerkte die winzigen Augen eines Dämonenwesens, das die Abflussrinne hinabsegelte. Niemand hörte das Kratzen vieler Krallen an dem verrosteten Eisen, wo Wassertropfen aufgefangen wurden. Und niemand würde jemals glauben, was Link soeben erlebt hatte...
 

Link kniete zu dem stolzen Getier nieder und streichelte gedankenvoll über dessen Kopf. Auch der Heroe schaute hinaus in die stürmische, kalte Nacht und wendete sich dann mit seinen tiefblauen Augen dem schönen, wenn auch eigenwillig gefleckten, Fell des Hundes zu. Ein halbes Grinsen zeigte sich in Links Gesicht, als das brave Haustier ihm einen schleimigen Schlecker mit der riesigen Zunge gab. „Mach das bloß nicht zu oft, Wulf. Sonst wird dein Herrchen noch eifersüchtig“, sagte die kindliche Seite des Helden der Zeit. Wahrlich eine seiner Ungewöhnlichkeiten. Denn innerhalb von Sekundenbruchteilen konnte diese naive Seite von einer gefährlichen, scharfsinnigen verdrängt werden. Wulf gab ein Bellen von sich und nickte mit dem schmalen Kopf. Link strich unter der kalten Schnauze des Geschöpfes entlang, dem diese Form der Betätschelung anscheinend gefiel.

„Und du scheinst ziemlich aufgeweckt zu sein, was?“ Wiederrum nickte Wulf, als ob er Links Worte verstehen könnte. Link hätte beinahe angefangen zu lachen, vielleicht, weil er über sich selbst lachen musste. Denn er redete offener und spaßiger mit einem Tier als mit irgendeinem Hylianer. Vielleicht war das eine seiner Tücken und Probleme, das Unvermögen mit jemandem zu kommunizieren oder in Interaktion zu treten.

„Ich war auch mal so eifrig, weißt du. Ich war auch mal mutiger und klüger, wenn es um Geschöpfe des Bösen ging. Aber... diese Zeit ist lange vorbei...“, sagte Link traurig. Die Melancholie und nervige Depressivität der letzten Tage machte sich wieder ans Werk, den Jugendlichen fertig zu machen...

Wulf ließ den Kopf schief hängen und gab ein Kläffen von sich. Gerade so als versuchte er den Helden damit aufzuheitern.

„Du scheinst der richtige Mann, ähm Hund, für den Job eines Helden zu sein“, bemerkte Link und wanderte mit seinen tiefblauen Augen zu den glimmend gelben des Hundes. Es war kein pures Gelb, sondern überzogen mit einer Spur giftgrün, die sich davon abhob.

„Ein Held, der ich nicht mehr sein kann und nicht mehr sein will...“, murmelte der Fünfzehnjährige trübsinnig, verbarg den Schmerz der Erinnerung vor seinem eigenen Herzen und schämte sich schon fast wieder, mit einem Hund, anstatt mit einem Wesen seines Gleichen darüber zu reden...
 

Versunken in seinen Gedanken an das Damals, registrierte Link nicht die sich nähernden Schritte. Der helle Schein einer Fackel ging durch die Dunkelheit und verlor sich auf Link. Erschrocken sah der Schüler auf und blickte in ein dunkles Augenpaar, welches sich hämisch an der Miene Links amüsierte. Ein stattlicher Ritter, muskulös und großgewachsen, stand vor ihm, verborgen unter einer grauen Kutte. Die Gestalt beugte sich näher und lachte hochmütig: „Na, wen haben wir denn da noch zu so später Stunde?“ Der Mann zog seine dreckige Kapuze hinab und schnalzte mit seiner Zunge. Hastig blickte Link rechts neben sich. Aber Wulf war wie vom Erdboden verschluckt. Dann wanderte der unschuldige Blick des Helden wieder zu dem großen Mann, der ernüchternd mit seinem Zeigefinger wackelte.

Ein Stechen kam aus ein paar schwarzen Augen. Es war nicht nur Abneigung, die sich in der Nacht dieser kalten Augen wiederspiegelte, vielmehr war es pure Antipathie, wenn nicht sogar Ekel. Link kannte diese hochnäsigen Blicke aus einer hässlichen Fratze mit einer schmalen Nase und hervorstechendem Kinn. Er war diesem Kerl in dem Gefängnis Doomrent über den Weg gelaufen. Ein Ritter, der seinen Namen nicht verdient hatte und gleichzeitig wohnte ihm das Amt des Direktors inne.

„Du bildest dir wohl ein, nur weil du ein angeblicher Held bist, dass du dir Dinge erlauben kannst, die anderen Schülern untersagt sind?“, zürnte er, erwartete aber auf seine giftige Frage keine Antwort. Der junge Mann verstand nun, was Orson ihm ans Herz legen wollte. Einige hochrangige Ritter wussten um den alternativen Pfad der Zeit und einige schienen nicht gut auf ihn gestimmt zu sein. So wie Sir Viktor, der mitten vor ihm stand.
 

Link sagte nichts und hatte ein merkwürdiges Gefühl, diesem hochmütigen Hylianer länger in die Augen zu sehen. Also sah er weg, unterdrückte den Zwang sich zu rechtfertigen, denn er konnte diesem Widerling doch nicht wirklich erzählen, was sich hier gerade abgespielt hatte. Aus Schutz seines Zimmergenossen, der ein Haustier hatte, welches nicht gestattet war und aus Schutz seiner eigenen Haut. Denn wer schon hielt es für möglich in einer solchen Ritterschule kleine Dämonen anzutreffen. Verrückt würde man den Helden nennen, dessen abenteuerliche Geschichte aus einer anderen Dimension sowieso für Erfindung, Märchen oder Lüge gehalten wurde. Verrückt. Paranoide. Und geistig krank.

„Rede gefälligst“, ertönte eine garstige, unmenschliche Stimme, die man aus Tausenden wiederfinden würde. „Was hast du hier gedreht?“

„Ich habe nichts zu sagen“, murrte Link und trampelte langsam den Gang entlang. Doch Sir Viktor packte den Jungen erbost am Kragen und wirbelte ihn zurück.

„Nehmen Sie ihre schmierigen Pfoten vom mir!“, zischte der junge Held und warf ihm einen Blick zu, der ein ganzes Moblinheer hätte spalten können. Schmerzhaft schlug Link auf die knochigen Hände des Ritters. Ein überlegenes Augenspiel streifte den jungen Hylianer.

„Ach, du bist wohl noch dümmer als dein Ruf, du mieser, nutzloser Held.“ Sir Viktor grinste unecht, neigte sein Haupt mit den dürren hellblonden Haaren zu Link hinab und warnte seinen beißenden Atem hauchend: „Du hast gegen die Hausordnung verstoßen, da du zu so später Stunde noch hier umhergeschlichen bist. Deine Strafe besteht darin, die Toiletten zu putzen.“ Viktor lachte selbstherrlich, und zupfte sich ein störendes Haar aus einem Nasenloch. Angewidert schaute Link zu Boden, verkniff sich ein beleidigendes Schimpfwort und hörte das wütendmachende Lachen, als der Kerl davon eilte. „Ach, Heldchen, dein Arbeitstag beginnt übrigens sechs Uhr, in einer Stunde. Halt dich also ran, wir wollen doch, dass die Aborte sauber sind... lach...“

Schnippisch äffte Link den Idioten nach, als dieser außer Reichweite war und begab sich murrend in das Stockwerk, wo Will ungeduldig wartete.

Es war eine unvergleichliche Schande. Mehr noch. Es war wohl das Respektloseste, Erniedrigendeste, und Dümmste, was Link in seinem Leben jemals über sich hatte ergehen lassen müssen. Toiletten putzen... Link hörte sich selbst schon die geschmacklosesten und beleidigendsten Schimpfwörter über seine Lippen gleiten lassen. Und alles hatte er diesem Möchtegernritter mit Namen Viktor zu verdanken...

Noch nie in seinem heldenhaften Dasein hatte der junge gutmütige, einstige Kokiri solchen Abschaum wie es ihn in den alten, verdreckten Aborten der Ritterjungenschule gab, beseitigt. Bestückt mit einem Stahleimer, Besen und Unmengen von Lappen- wie eine Putzfrau sah der kleine Fünfzehnjährige aus- war er in das stinkende Dreckloch hineingestapft. Und das jener bekannte, häufig benutzte Ort nur ein Dreckloch war, hatte der junge Held auf bittere Art und Weise erfahren müssen.

Frohen Mutes und sich mit der Strafarbeit abfindend war er in das muffige Etwas, denn welcher Gott würde einen solchen verbotenen Ort noch als einen Raum bezeichnen, hineingetreten. Als der junge Held dann das aus den Toiletten sprudelnde gelbliche Wasser, die abgerissenen Papierstücher, die sich wie zermatschte Kartoffelstückchen in einer Suppe in jener geblichen Brühe auf dem glänzenden Boden wogen, beäugte, den peinigenden, übelkeitserregenden Geruch vernahm, und das Stück Arbeit als folternd erkannte, verging ihm der frohe Mut wieder.

Aber Helden machen sich gerne die Finger schmutzig, nicht wahr? Das war der einzige Satz, der ihm eingefallen war, um die Wut in seinem Inneren ein wenig in Grenzen zu halten. Und so eine Gemeinheit früh morgens, an dem ersten Tag, den Link in der geachteten Ritterschule verbrachte. Das konnte ja heiter werden, dachte der baldige Schüler, und machte sich mit einem wütenden und gedemütigten Gesicht an die Arbeit...
 

Ab und an kamen einige Jugendliche hereinspaziert, ältere, wie auch jüngere Schüler, die ihm dann grinsende, lachende oder auch bemitleidenswerte Blicke zu warfen. Link hasste es. So oft in seinem jungen Leben wurde er von anderen verspottet, gedemütigt und aufs Übelste gehänselt. Und nun schien sich der Alptraum zu wiederholen. Erneut diese entehrenden Blicke. Erneut das Gaffen von fremden, unerwünschten Augen.

Link schruppte gerade genervt über eines der zehn Waschbecken, als ein Schüler sich einen Kommentar nicht verkneifen konnte. Ein komischer, junger Spund mit magerer, langer Gestalt und einer hässlichen, großen Hakennase im Gesicht, die sofort ins Auge sprang, sprach ihn an. „Schau mal einer an. Haben wir eine neue Putze für die Toiletten?“, lachte er und sorgte mit seinem Lachen für Aufsehen. „Guckt mal, Leute, wir haben eine neue Putze für unseren Dreck... haha...“ Weitere Augenpaare belustigten sich an dem jungen Helden der Zeit. „Macht es denn Spaß, die Aborte zu reinigen, du armer Kerl?“ Links Zorn schien sich in dem Moment zu verselbständigen. Mit einem wütenden Blick drehte er sich zu der inzwischen lachenden Menge um. Es waren fünf, sechs Schüler einer höheren Jahrgangsstufe und alle hatten schwarze Schultuniken mit silbernen, aufgesetzten, kleinen Triforceabzeichnungen.

„Es würde mir genau dann Spaß machen, wenn ich jeden von euren stinkenden Köpfen in das gelbe, ekelhafte Wasser tauche, das nur halb so dreckig ist wie euer Gefasel“, murrte Link.

Die Worte des Fünfzehnjährigen nicht für vollnehmend, trat der Unruhestifter näher und meinte erbost: „Wie war das?“

„Ich habe laut und deutlich genug geredet, wasch’ deine dreckigen Ohren, wenn du die Leute in deiner unmittelbaren Gegenwart nicht verstehen kannst“, muckte Link und starrte angewidert in ein dunkles, fast schwarzes Augenpaar. Dünne, aschblonde Haare, die bei einem genauen Blick ausfallen könnten, hingen in einem langgezogenen Gesicht und eine übertriebene Eitelkeit stach aus seinen schlitzigen Augen.

„Ich glaube, ich muss dir eine Lektion erteilen. So redet man nämlich nicht mit Schülern dieser bekannten Schule.“

Link grinste plötzlich und knackte mit seiner linken Faust. „Dann versuch’ es doch!“, zischte der junge Hylianer mit den tiefblauen Augen. Denn das beleidigende Gebrabbel dieses Schülers machte ihn nicht nur krank, sondern stachelte das Kämpferblut in seinen Adern an... „Lass gut sein, Ian“, sagte ein weiterer Schüler. „Hast du wirklich Lust, dir an so einer Ratte die Finger schmutzig zu machen?“

„Dieser kleine Mistkerl ist auf eine Tracht Prügel aus und hat es nicht anders verdient“, entgegnete Ian. Jener Schüler krallte sich einen der Besen, wirbelte ihn ungeschickt herum und rannte damit auf Link zu.
 

Inzwischen staute sich der gesamte Toilettenraum und viele neugierige Augenpaare sahen dem Geschehen zu. Einige Pfiffen, andere sahen nur erstaunt zu, wohl, weil sich hier niemand gerne mit Ian anlegte. Denn jener Kerl war unter den jungen Leute an der Schule sehr respektiert. Viele harte Prüfungen hatte er schon bestanden, auch wenn man munkelte, dass Ian einige unehrenhafte Vorteile besaß. Einige behaupteten sogar, dass jener hochnäsige Schüler der uneheliche Sohn einer der Lehrkräfte war.
 

Wie angestochen schwang Ian den Stab gegen Link, aber der junge Held blieb unbeeindruckt stehen, entdeckte innerhalb von Sekundenbruchteilen die vielen Schwachpunkte an der Kampftechnik seines Gegners. Gewaltsam sauste der harte Besenstiel auf Link hinab und einige, vor allem jüngere Schüler hielten sich vorsorglich die Augen zu.

Aber der umfunktionierte Besenstiel würde den jungen Hylianer niemals treffen. Mit einem Ruck umfasste Links starker Kämpferarm den Stiel und hielt diesen knapp vor seinem Gesicht still. Ian glotzte überrascht und versuchte mit aller Kraft gegen Links Zugriff zu drücken.

Unbeeindruckt ließ Link seinen Kopf schief hängen und sah ermüdend drein. „War’ s das schon? Du bist nicht gerade talentiert, aber das weißt du bestimmt bereits“, eiferte Link und setzte ein gerechtfertigtes, wenn auch überhebliches Grinsen auf. Ehe Ian reagieren konnte, kreiste der Besenstil in Links Hand und entzog dem überraschten Ian den Boden unter den Füßen. Sofort spürte der arrogante Schüler die Spitze des Stabes unter seinem Kinn. Ein nie da gewesener kleinlicher Laut entkam der Kehle Ians, während die harte Holzspitze an seine Kehle drückte.
 

Plötzlich brach die Menge auf und einige Schüler hetzten aus dem Raum.

„Was ist da los?“, rief eine laute, befehlsgewaltige Stimme. Ein stattlicher, junger Mann betrat die Szenerie und bemerkte gerade noch, wie Ian aufstand und mit lautem Gezänke aus der Toilette verschwinden wollte. Doch der junge Mann packte den arroganten Schüler am Kragen und meinte kühl: „Schön hier bleiben. Was hast du nun schon wieder angestellt, Ian?“ Doch jener warf nur einen gemeinen Blick zu der als Putzfrau verkleideten Gestalt. „Der da hat angefangen.“ Links Temperament ging mit ihm durch: „Wie bitte? Du wolltest mir eine Tracht Prügel verpassen, du schmieriger, mieser Kerl!“ Der stattliche Herr, der ebenso eine Schultunika trug, diese aber mit einem dreifarbigen Triforceabzeichen beschmückt war, ließ Ian daraufhin los. Brummelnd und verächtlich zu Link blickend verließ er den Raum.

„Ihr da, verlasst sofort diese Räumlichkeit.“ Und der junge Herr deutete mit einem Pfiff an, dass jegliche andere Schüler auf der Stelle verschwinden sollten. Die Schüler gingen diesem Appell erstaunlich bereitwillig nach.
 

Genervt trat Link gegen den Stahleimer und grübelte schon nach Möglichkeiten, sich vor diesem jungen Spund rechtfertigen zu müssen. Eindringlich sah Link den Kerl nun an und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte diesen jungen Kerl schon einmal gesehen. Vor einigen Tagen hatte er ihn beobachtet, wie er ein Gespräch mit Zelda und dem König persönlich führte. Das war also der neue Held an Zeldas Seite, dachte Link. Trübsinnig und die innere Traurigkeit deswegen nicht begreifend sah Link zu Boden. Umständlich schluckte er die Spucke in seinem Mund herunter und versuchte das Gefühl der Eifersucht zu verdrängen. Doch warum war Link auf diesen Kerl eifersüchtig?
 

Erstaunlicherweise reichte der Typ dem jungen Helden die Hand. Überrascht sahen die tiefblauen Augen Links auf und erhielten ein Lächeln aus dem jungen Gesicht jenes Mannes.

„Hallo, mein Name ist Valiant von Hyrule. Ihr wisst es vielleicht nicht, aber ich habe schon sehr viel von Euch gehört, Link.“ Jener schüttelte schockiert die Hand des Kerls und konnte nicht glauben, was er da hörte.

„Valiant von Hyrule?“

“Ja, genau der bin ich“, sagte der Kerl erheitert, als er sich eitel eine dunkelblonde Haarsträhne aus den Augen wischte.

„Und Ihr seid ein Schüler an dieser Schule.“

„Richtig.“

„Sieht man an der Tunika. Habt Ihr die Eure denn noch nicht erhalten?“ Link schüttelte beinahe benommen den Kopf. Am liebsten würde er auf diesen Typen losgehen, da er anscheinend ein sehr enges Verhältnis zu Zelda hatte. Der neue Held, schwirrte es durch den jugendlichen, starrsinnigen Kopf des Fünfzehnjährigen. Valiant von Hyrule. War dieser Typ der Königsfamilie zugehörig? War er womöglich sogar mit Zelda inniger als es eine Freundschaft hergab. Kaum begreifend, was Link so anstachelte, sah er wieder zu Boden und verkrampfte seine Hände.

„Nein, ich habe noch keine Schuluniform.“

„Folgt mir bitte. Ich werde Euch ein wenig über die Dinge an der Schule aufklären“, sagte Valiant freundschaftlich. Aber Link wollte eine solch herzliche Anerkennung von diesem prahlerischen Adligen einfach nicht. Er murrte genervt: „Ich schaff’ das schon alleine...“

„Das sehe ich anders. Die Prinzessin meinte, Ihr könntet Hilfe gebrauchen.“ Link atmete laut aus und schaute zu Boden, verkniff sich eine bissige Bemerkung.

„Wegen Ian“, meinte Valiant, als er aus dem Waschraum trat und Link eine Andeutung hinterließ, ihm zu folgen. „Lasst Euch von ihm nicht provozieren. Große Klappe. Wenig Köpfchen-Köpfchen und keine Spur eines Talentes.“

„Das habe ich schon gemerkt“, meinte Link trocken. Der junge Herr lächelte nach dieser Bemerkung und erwiderte: „Ihr müsst ja wahrlich Ahnung haben von Talenten und stumpfsinniger Schwerttechnik, nicht wahr?“

„Wie meint Ihr das?“, meinte Link und starrte dem aufgeplusterten Typen hinterher, als sie den Gang folgten.

„Ich wurde über alles unterrichtet, was Euch und die Zukunft angeht, die vergessen wurde.“ Link blieb ungläubig stehen. „Zelda?“

„Ja, genau, sie erzählte mir von Euren Taten.“ Link verdrehte die Augen: „Hängt es bitte nicht an die große Glocke und hört auf mich so höfisch anzureden. Das macht mich ganz wahnsinnig.“

„Okay“, sagte Valiant erheitert. „Der Held der Zeit darf auch mich duzen.“ Er zeigte es nicht, aber er wusste nun, was seine kleine Cousine so an Link schätzte. Es war seine Natürlichkeit, seine Bescheidenheit und vielleicht auch das unschuldige Gesicht, welches Link herumtrug. Valiant verstand bereits jetzt schon sehr gut, weshalb dieses Kind des Schicksals ein so außergewöhnlicher Held war.
 

Valiant führte den jungen Helden der Zeit vorbei an einer riesigen Waffenkammer, zeigte ihm die verschiedenen Unterrichtsräume, die Gemeinschaftsräume, den Speisesaal, mit der niederschmetternden Nachricht, dass Link durch seine Strafarbeit bereits Frühstück und Mittag verpasst hatte. Und schließlich gelangten sie in die märchenhaften, gutbeaufsichtigten Schlossgärten, wo die Mädchen der anderen Schule die bunten Blumen aller Sorte und Generation pflegten. Die Sonne strahlte am Himmel, ließ kaum etwas von dem gestrigen Sturm erahnen oder an die dunklen Kreaturen denken, die mit kranken Gelüsten im Innenhof umhergeschlichen waren.

Einige junge, hübsche Mädchen saßen auf weißen Bänken, lasen Bücher oder hatten Stickzeug in ihren Händen. Eine Schar Mädchen lief an ihnen vorbei. Auch die eigenwillige, stolze Ariana mit dem pechschwarzen Haar war unter ihnen. Sie lächelte und winkte Link verträumt zu.

„Du hast dich bei den Schönen dort anscheinend schon beliebt gemacht, was?“ Link sah verlegen zu Boden und wurde tiefrot im Gesicht. Zufrieden erkannte Valiant die Schwachstelle des Helden neben ihm und kicherte lauthals los.
 

„Na egal, schau’ mal da hinten“, sagte Valiant und deutete auf einen Stuhlkreis unter einem weißen, riesigen Pavillon. Die verschiedensten Hylianer saßen dort und unterhielten sich. Einige hatten Papierstöße in den Händen. Ein anderer stach aus der Gesellschaft heraus, da er rotzfrech ein Schwert in seinen Händen schärfte.

„Das ist unser Lehrpersonal. Sie haben gerade eine Besprechung bezüglich des Unterrichtes am Mittwoch.“

„Warum fängt der Unterricht eigentlich mitten in der Woche an?“, fragte Link dann, als sie beide näher an den Pavillon herantraten.

„Am Mittwoch ist Tages-Nacht- Gleiche. Ein besonderer Tag, wusstest du das nicht?“

Link sah überrascht auf und nickte. „Hab’ ich glatt vergessen. An diesem Tag sollen magische Rituale hier in Hyrule besonders gut funktionieren.“

„Stimmt. Vielleicht erhofften sich die früheren Ritter, ihre Jungen würden bei der Einschulung an einem solchen Tag irgendwann zu ganz großen Taten fähig sein.“

„Wer’s glaubt“, schmunzelte Link und ließ sich zufrieden auf die grüne Wiese sinken.
 

Es war schon seltsam, dachte Link. Seit langer Zeit einmal wieder hatte er keine Zweifel und ansatzweise fühlte er sich irgendwie aufgehoben und erleichtert. Zelda kam ihm in den Sinn und ihre Worte von vor wenigen Tagen. Sie hatte einmal wieder Recht gehabt, wie sollte sie auch nicht mit ihrer wunderbaren Weisheit, dachte er. Sie hatte Recht gehabt, dass ein anderer Tagesablauf und andere Gewohnheiten ihm helfen würden, ein wenig abzuschalten, auch wenn die Fragen in seinem Kopf und die Zweifel geblieben waren...
 

Valiant leistete ihm Gesellschaft auf der Wiese und deutete wieder zu dem Stuhlkreis, wo das Lehrpersonal sich aufgeregt unterhielt. „Siehst du denjenigen, der ein wenig abseits sitzt.“ Und Link schaute zu einem erwachsenen Hylianer, der geduldig sein Schwert schärfte. Ohne den Lehrer aus den Augen zu lassen, fragte der Fünfzehnjährige: „Was ist mit dem?“

„Er ist ein neuer Lehrer für den Praxisunterricht oder einfach Training genannt. Der alte ist im Ruhestand.“

„Aha...“, murmelte Link während er neugierig zu dem Kerl hinüberschielte. Etwas lag in den Augen des Mannes, etwas Vertrautes, Vorwitziges. Und ein Lächeln zeigte sich auf dem makellosen Gesicht des Typen mit den dunklen, kurzgeschorenen Haaren. Undefinierbare Augen lasen genauso eindringlich in dem Blick Links, wie der junge Held ihn aussendete.

„Und was wird dort gelernt?“, meinte Link neugierig, die Augen des neuen Lehrers immer noch im Blickfeld.

„Vieles“, sagte Valiant mit einem Schmunzeln und der Schönling wischte sich wieder eine Strähne seines gepflegten, lockigen, dunkelblonden Haares aus dem ansehnlichen Prinzengesicht. „Es ist mehr eine Art Unterricht in allem möglichen und beginnt ab dem dritten Schuljahr.“

„Also ist das wenigstens ein Fach, in dem ich nichts nachholen muss...“, meinte Link nachdenklich, immer noch in die undefinierbaren Augen des neuen Lehrers starrend.

„Du beginnst ab dem dritten Jahr?“

„Ja, anders geht es wohl nicht.“

„Sei aber gewarnt, dass du deswegen viel extra Arbeit auf dem Leib hast.“

„Ich krieg’ das schon irgendwie hin...“, nuschelte Link vor sich hin, der mit den Gedanken wo ganz anders war. Plötzlich stand der neue Lehrer auf und ging seines Weges hinein in das gigantische Schloss der Ritterschule.
 

„Und dieser dort in dem rosafarbenen Anzug. Das ist Lius Lorraux. Ein sehr merkwürdiger Zeitgenosse, der Tanzunterricht gibt. Aber nur für das erste Schuljahr, danach ist es ein Wahlfach.“ Link bekam ein dummes Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, als er jenen Hylianer beäugte. Ganz in rosa gekleidet und irgendwie nicht von dieser Welt wirkte das Auftreten dieses Kerls, irgendwie schräg und verboten.

„Und was ist mit diesen Rängen?“ Eine Frage, die den jungen Link schon lange beschäftigte, seit Orson ihm etwas darüber erzählt hatte.

„Ach ja. Eine berechtigte Frage“, meinte Valiant. „Ab und an gibt es kleine Kämpfe hier in der Schule und am Ende des Jahres ein großes Turnier. Wenn man verschiedene Prüfungen und Kämpfe gut gemeistert hat, kann man sozusagen in den Genuss eines anderen Ranges kommen.“ Daraufhin deutete Valiant auf das dreifarbige, kleine Triforceabzeichen, welches er auf seinem Herzen trug. „Ich beispielsweise habe schon den höchsten Rang erreicht. Außerdem gibt es noch vier weitere, von weiß, zu bronze, silbern, golden und letztlich eben dreifarbig. Wenn man einen höheren Rang besitzt, dann hat man Vergünstigungen, muss an manchen Unterrichtstunden nicht mehr teilnehmen und besitzt nebenbei mehr Achtung unter den Schülern.“

„Verstehe“, sagte Link. Ein weiterer Ansporn für ihn, endlich aus seiner Irrfahrt der letzten Monate aufzuwachen. Ein schwermütiger Ausdruck trat auf das niedliche Gesicht des jungen Helden, als er an die letzten Wochen dachte, an die Einsamkeit, an die merkwürdigen Anfälle. Kurz überprüfte er den Inhalt seiner kleinen Ledertasche am Gürtel auf den Verbleib des Heilmittels von Zelda. Glücklicherweise befand es sich unbeschadet darin. Der Aufenthalt hier würde eine mittlere Katastrophe sein, wenn der junge Heroe jene Substanz nicht hätte. In seinem kränklichen Zustand hätte er keine Chance an dem durchaus harten Unterricht teilzunehmen. Er kramte das kleine Fläschchen heraus und betrachtete sich die silbrigschimmernde Substanz im Sonnenlicht.

„Aber das ist ja...“, meinte Valiant verblüfft.

„Ja, Zelda gab es mir.“ Wieder ein Gedanke an sie und wieder keimte in Link diese tosende Eifersucht auf. Ein komisches Gefühl sauste in seinem Magen herum, als er daran dachte, dass dieser Kerl Zelda einen Arm um ihre Schultern gelegt hatte.

„Dir ist aber schon klar, dass dieses Heilmittel so wertvoll ist wie zehntausend Rubine, und aus der Schatzkammer der königlichen Familie stammt?“ Links Augen wurden immer größer und ihm fiel vor plötzlicher Aufregung nicht ein vernünftiges Wort mehr ein. Baff musterte er den Inhalt der Flasche und konnte nicht begreifen, dass die Prinzessin Hyrules ihm so etwas Wertvolles geschenkt hatte.

Valiant sprang auf und reichte Link eine helfende Hand, die jener aber nicht annehmen wollte und alleine aufstand. Sie folgten zwischen Unmengen von Schülern einen kiesigen Weg hinein in das Schloss.
 

Kurze Zeit später stand Link vor einem kleinen Büro, aus dem Valiant mit einer schwarzen Tunika in Links Größe herauskam. Kein Abzeichen haftete daran, denn dies musste sich Link erst einmal ordentlich verdienen. „Danke, Valiant“, meinte Link und wollte gerade verschwinden.

„Warte, Link. Ich möchte noch, dass du eines weißt.“ Verwirrt blickte Link in die grauen Augen des Adligen. „Zelda sagte mir, dass du gut auf dich Acht geben sollst und sie möchte, dass ich dich warne.“

„Vor den Geschundenen der Macht. Ist gut, ich kann auf mich aufpassen“, sagte Link kühl.

„Ja, und bewahre bitte Schweigen über dieses Bündnis.“

„Gut.“

„Noch etwas.“

„Ja?“, meinte der Heroe genervt. Sicherlich war er über die Hilfe des jungen Adligen ihm gegenüber dankbar und erfreut, aber die enge Vertrautheit dieses Kerls mit Zelda schlug dem Helden der Zeit... irgendwie... auf den Magen.

„Meine Cousine macht sich Sorgen um dich...“, sagte Valiant leise. Mit überrascht- verzerrten Gesichtszügen drehte sich Link um, knickte beinahe um und vergewisserte sich, den Satz richtig verstanden zu haben. „Cou- Cousine?“

„Ja, Zelda ist meine Cousine. Wusstest du das nicht?“ Link schüttelte, überwältigt von seiner Dummheit, banal den Schädel. Valiant war Zeldas älterer Cousin, nicht ihr neuer Held. Link griff sich mit einer Hand an den Kopf und babbelte: „Wirklich?“

Valiant grinste und nickte mit seinem hübschen, ein wenig hochnäsigen Kopf.

„Cousine...“, wiederholte Link, als ob er es immer noch nicht verstanden hatte.

„Ja, meine kleine Cousine, drei Jahre jünger als ich es bin.“ Ein dümmliches Kichern entkam dem Mund des Helden der Zeit. Verlegen kratze er sich am Kopf und schabte mit einem Stiefel auf dem Boden herum. Aus Angst, Valiant könnte die täppische, verräterische Röte in seinem Gesicht sehen, blickte Link zu seinen braunen Lederstiefeln.

„Bei den Göttinnen, was dachtest du denn?“, schmunzelte Valiant, der diese auffällige Verlegenheit sofort seiner hübschen Cousine unter die Nase reiben würde. Der adlige Mann klopfte mit einer Hand auf Links Schulter und sagte: „Also, Link, man sieht sich. Spätestens bei dem Test am Montag, den du doch mit Bravur bestehen wirst.“

„Jahaha...“, stotterte der Blondschopf. „Bis dann, Valiant.“
 

Als dieser außer Reichweite war, ließ Link erleichtert seine Schultern hängen und sah hinauf an das strahlende Himmelszelt. Valiant war Zeldas Cousin, nicht ihr neuer Beschützer. Warum nur war Link so schwachköpfig gewesen sich einzubilden, sie hätte einen neuen Helden an ihrer Seite. Er war es, der die ganze gemeinsame Zeit vergessen und als etwas Nutzloses heruntergespielt hatte- Zelda aber hütete die vielen glücklichen, oder auch weniger glücklichen Momente ihrer Zeit mit Link wie einen wertvollen Schatz. Melancholie und eine fremde Form der Nostalgie legte sich in den Blick des jungen Heroen nieder, als er an Zelda dachte. Gedanken an die gemeinsame Zeit streifte wie ein warmer Luftzug seine Sinne. Und er wusste, sie würde ihn auch jetzt noch als den Freund akzeptieren, der er einst für sie gewesen war. Ein „Es tut mir leid, Zelda...“, entkam seinen Lippen. Eine Entschuldigung für sein abweisendes Verhalten, auch wenn er dieses ihr gegenüber nicht erklären konnte. Auch, wenn er sich bei einem Blick in ihre Augen der Entschuldigung schämte...
 

Trübsinnig und mit einem leichten, kränkelnden Gefühl in seinen Gliedern, denn die Anfälle wollten nicht aufhören, tapste Link hinauf in sein Zimmer, wo William bereits fleißig an seinem Stundenplan herumbastelte.
 

Als Link in sein Quartier trat, befand sich William Laundry im Schneidersitz auf seinem Bett, hatte eine verkorkste Feder in der Hand und ein großes Blatt vor sich liegen. Ringsherum stapelten sich Papierstöße. Aber kein Anzeichen von Wulf, dem Wolfshund.

„Ist Wulf immer noch nicht zurück?“

Trübsinnig sah Will auf und schüttelte mit dem Schädel, sodass sein schulterlanges, hellbraunes Haar hin und her pendelte.

„Seit gestern abend ist er nicht wieder gekommen.“

„Das heißt nach dem Vorfall mit dem komischen Geschöpf in unserem Zimmer.“, meinte Link und ließ sich mit brummenden, ohrenbetäubend knurrendem Magen auf die zerflederte rote Couch vor dem Kamin sinken. Ausführlich hatte der junge Held der Zeit früh mit seinem Zimmergenossen über das merkwürdige Vieh unter dem Bett diskutiert.

„Genau.“ Will stopfte die Feder wieder in das schwarze Tintenfass. „Aber er kommt sicherlich bald wieder...“

„Ja, hoffentlich“, sagte Link und hielt sich die Hände an seinen teuflisch knurrenden Magen.

„Ich frage mich nur die ganze Zeit, welche Kreaturen es so spät in diese Schule verschlägt?“

„Keine Ahnung“, murmelte Link und tat so als hätte er keinen Schimmer von irgendwelchen dunklen Kreaturen.

„Aber sollten wir dieser Sache nicht auf den Grund gehen?“

Gelangweilt wanderten Links blaue Augen zu Will, der sich wunderte, weshalb der fremde, komische Kauz hier, ihm erstmalig in die Augen blickte. Wenn, auch nicht lange.

„Ich wüsste nicht, was uns das angeht“, schnaufte Link.

Er machte kurz die Augen zu und hatte dann eine schöne Idee. Vergnügt sprang er auf seine Beine und begann in seinen Sachen herumzukramen. Es dauerte nicht lange und Link hatte seine geliebte Okarina in den Händen.

„Wo willst du denn hin?“, sagte William, als Link schon auf dem Sprint zur Tür war.

Ohne sich umzudrehen, öffnete Link die Holztür. „Nachdenken und ein wenig die Gegend erkunden.“

„Solltest du nicht langsam deinen Stundenplan anfertigen?“, bemerkte er.

„Keinen Bock. Bis später.“ Damit war der junge Held der Zeit verschwunden und Will schüttelte nur den Kopf, mit der guten Gewissheit, dass Links Stundenplan absolut nicht sein Problem war...
 

Mit der Okarina an den Lippen und ab und an ein altes Lied aus seinen Erinnerungen herunterträllernd watschelte Link durch die dichtgewachsenen, moosigen Wälder in der Nähe der Ritterschule. Über Stock und Stein marschierte er dahin, verlor sich in traumhaften, alten Wäldern, wo das Sonnenlicht beruhigend durch hohe Kronen strahlte. Ein vertrauter Ort. Ein Ort der Entspannung. Genau das Richtige, um einige Gedanken zu sortieren und die vielen bedeutsamen Ereignisse der letzten Tage Revue passieren zu lassen.

Da waren zum Beispiel Links seltsame Anfälle. Und er wusste, dass etwas aus der Vergangenheit es war, was ihn auf diese Weise quälte und merklich zusetzte. Doch was war es nur, das Link erfahren musste? Was war geschehen in dem Land ohne Namen, was sich den Erinnerungen des Helden der Zeit entzog?

Genau so ein Rätsel waren die Geschundenen der Macht und ihre heimlichen Machenschaften. Denn, wenn der junge Held sich nicht einbildete, dass wirklich die Farm grässlichem Feuer unterlag, dann war die einzigste logische Konsequenz, dass jenes teuflisches Bündnis eine unmessbare Macht besaß. Eine Macht, die Wirklichkeit zu betrügen oder für die meisten Augen zu verschleiern. Woher hatten diese Teufelsdiener jene Macht?

Und noch einen zermürbenden Gedanken wert war das kleine Biest von gestern, was wohl irgendwie den jungen Link beobachtet hatte. Als wollte es ihn ausspionieren...
 

In seine Gedanken versunken bemerkte der junge Spund zunächst nicht das Paar hohe dunkle Stiefel, welches hinter ihm herschlich.
 

Verträumt flötete der junge Hylianer auf seiner Okarina, ließ die Fingerspitzen sanft über die vielen in den Ton eingebrannten Löcher gleiten und spielte nichts Fassbares, formte mit seinen Gedanken eine neue Melodie. Der moosige Pfad führte vorbei an einem kleinen Brunnen mit vielen großartigen Steinfiguren ringsherum, an denen der Zahn der Zeit nagte. Das kristallene Wasser der Quelle führte steil bergabwärts und das lustige Plätschern drang noch von weit her an die spitzen Ohren des Helden.

Neugierig, ob das Wasser sich irgendwann in einem Teich oder See fangen würde, folgte Link dem Bachlauf, flötete wieder dumpfe Töne in die Luft und horchte auf das Pfeifen vieler Singvögel, die ihn auf sein Spiel eine Antwort gaben.
 

Nur wenige Minuten später erreichte Link einen steilen Wasserfall, wo das eher wenige Wasser des Baches hinunterrauschte. Achtsam näherte sich der junge Hylianer dem Abgrund und schielte mit seinen tiefblauen Augen hinab. Eine beträchtliche Höhe, dachte er und besah sich genau das genügend große Auffangbecken unten. Es war ein Teich mit klarem Wasser und selbst von hier oben konnte Link den Grund des Beckens ausmachen.

Mühevoll kletterte der erfahrene Todesbergbesteiger an der rauen Felswand hinab, bis er gedankenvoll in das reine Wasser des Teiches blickte. Zum Baden nicht einmal schlecht, dachte Link. Denn das Wasser war mindestens einen Meter tief, vielleicht an manchen Stellen sogar so tief, dass Link ein wenig schwimmen gehen könnte.

Weiter blickte er um sich und entdeckte am Rande des Teiches eine alte, halbzerfallene, mit Bäumen umwuchernde Holzhütte mit einem Stockwerk und dem Dachboden darüber. Nanu? Ob diese bewohnt war? Neugierig trat Link näher und stieg über drei steinerne Treppenstufen, wobei die unterste noch vom Wasser berührt wurde, auf eine Art Vorbau. Ein klappriger, abgenutzter Schaukelstuhl mit gespaltenen kaputten Balken stand zu Links rechter Hand. Zwei milchigglasige Fensterscheiben ließen keinen Blick in das Innere vermuten.

Wissbegierig pochte Link an eine robuste Holztür, wo eine verrostete Eisenklinke hing. Doch niemand öffnete ihm. Auch nicht, als er ein weiteres Mal an die Tür klopfte.

„Hallo? Ist da jemand?“, rief der junge Held, öffnete die Tür an der Klinke und stieß jene seiner Größe entsprechende Pforte langsam in den Innenraum.

„Hallo?“, wiederholte Link vorsichtig und setzte einen Fuß in das kleine, gemütliche Häuschen.
 

Er schloss die Tür hinter sich und roch sofort einen morbiden Duft, so als ob schon seit Jahrzehnten niemand diesen Raum mehr betreten hatte. Das helle Tageslicht fiel nur schwach durch die beschlagenen, rauen Fenster und doch reichte ihr Licht für ein wenig Sicht. Link schlich gemächlich in den Innenraum der Hütte und hinterließ seine Fußspuren im flockigen Staub.

Ein Schreibtisch mit allerlei unnötigen Kram, wie eine Karte, ein Globus, eine abgebrannte Kerze stand seitlich direkt an eine Wand geschoben. Ein kleiner Kamin gegenüber könnte für Wärme sorgen. Ein verdrecktes Tierfell lag genau vor der Wärmequelle. Ein Esstisch. Eine kleine Sitzgelegenheit mit üppigen Handtüchern und eine alte Liege, wo viele Decken darauf gestapelt waren. Alles in allem ein gemütliches Fleckchen, welches man mit ein wenig Arbeit wieder zu einem beschaulichen Häuschen herrichten könnte.

Link besah sich dann eine kleine Falltür, die er mit einem schweren Ruck umlegte. Ein paar glitschige Steinstufen luden ihn ein, sich den Keller genauer anzusehen. Es handelte sich um eine Vorratskammer, und sogar alte verrostete Waffen hingen schräg und unordentlich an den Wänden oder lagen nutzlos herum.
 

Ein vergilbtes Portrait einer jungen, sehr hübschen Frau stand an der feuchten Wand angelehnt neben einem eingerissenen Schwert.
 

Wie hypnotisiert, wie magisch angezogen nahm Link das Abbild dieser Frau in die Hände und pustete den Staub von der Leinwand. Sein Blick versank auf dem Bild, als wollte es ihn in einer andere Dimension zerren. Sie hatte starke Gesichtszüge und etwas Tiefsinniges, Entschlossenes trat aus ihren blauen Augen. Hellblondes Haar war geflochten an ihrem Kopf hochgesteckt und betonte des Gesicht dieser Lady. Ein sanftmütiges Gesicht, kleines Kinn und auffällig perfekt zueinanderstehende Augen. So schön, dachte er. Ob diese Dame auch in der Wirklichkeit und nicht nur auf einem Blatt so wunderschön aussah?

Neugierig drehte er das Portrait einige Male und fand auf der Rückseite eine Aufschrift.

,Die schöne Medilia’ Toller Titel, dachte Link. Dass jene Dame unleugbar hübsch aussah, brauchte man ja eigentlich nicht noch auf der Rückseite vermerken. So ein Unsinn.

Vorsichtig stellte Link das Bild auf einem klapprigen Tisch ab. Viel zu schade, um auf dem Boden zu liegen, dachte er und trampelte aus dem Keller heraus.
 

Schließlich blieb nur noch der Dachboden. Sachte ging Link knarrende, teilweise kaputte Holzstufen hinauf und stand vor einem kleinen Raum mit derselben Größe und Höhe wie der Wohnraum im Erdgeschoss. Ein zerwühltes Bett stand vor einem dreieckigen Fenster und ein kleiner Schrank knapp neben der Treppe.

,Hier könnte es sich doch aushalten lassen’, dachte Link und er streckte genüsslich gähnend seine Arme in die Höhe. Und wenn dieses Häuschen niemandem gehörte, da könnte Link hier ab und an seine Ruhe finden, immer dann, wenn er diese benötigen würde.
 

Link ging langsamen Schrittes hinaus an die frische Luft und setzte sich beinbaumelnd auf einen kleinen Felsen am Rande des Teiches. Erneut schallten für wenige Minuten angenehme Okarinaklänge durch die Lüfte.
 

Abrupt stoppte Link das Musizieren und er sah mit entschlossenem Blick auf. Still und ohne weitere Bewegungen schwankten seine tiefblauen Augen nach rechts. Denn Link spürte, dass er alles andere als alleine an diesem Ort war. Vorhin schon war ihm ein leises, wenn auch gut getarntes Stiefelgeräusch nicht entgangen. Ruhig und doch herausfordernd blieb Link sitzen und konzentrierte sich auf die Aura hinter ihm. Eine Gestalt lauerte dort, umhüllt mit einem grauen Mantel verbarg sie sich im Schatten eines Baumes. Nur kurz schaute die umhüllte Person nach hinten, vergewisserte sich keiner weiteren Gestalt hier in den Wäldern.

Doch diese Sekunde schon war genug und Link schien aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden zu sein. Der mürrische, trübsinnige Hylianer saß nicht mehr am Rande des kleinen Gewässers, schaute nicht mehr auf die Wasseroberfläche und baumelte nicht mehr mit den Beinen. Die graue Gestalt gab sich aus dem Schatten der Wälder preis und stand nun ebenso am Rande des Sees. Sie blickte um sich, aber nirgendwo ein Zeichen von Link. Hasste er die Anwesenheit anderer Seelen inzwischen so sehr? Ertrug er Gesellschaft so wenig, oder warum war er plötzlich weg?
 

Mit einem Schlag streifte ein kleiner Luftzug die Person und eine scharfe Schwertklinge saß an der mit einem Kragen zugeschnürten Kehle. Grob packte eine andere Hand beide der Person und hielt diese feste am Rücken zusammen. Erschrocken kreischte die Gestalt auf. Eine helle Mädchenstimme zerstörte die Ruhe in den Wäldern.

„Was schnüffelst du mir nach?“, fauchte Link. „Mach’ schon. Antworte!“ Der gewandte Kämpfer kam in dem Augenblick zum Vorschein. Da nicht prompt eine entsprechende Antwort kam, drückte er die Klinge fester an die Kehle.

Doch mit allem hatte Link gerechnet, nur nicht damit, dass er plötzlich einen harten Tritt an sein Schienbein erhielt und sich die eher zierlichen Hände flink aus seinem festen Zugriff lösten. Hastig hetzte die Person aus seiner Reichweite und zog die Kapuze hinab. Pechschwarzes Haar fiel aus der Kapuze heraus. Und bernsteinfarbene Augen sahen vorwitzig in die des jungen Helden. Link kannte dieses Mädchen von gestern. Er hatte ja ganz nach Gentlemanmanie einen ihrer gewichtigen Koffer geschleppt. Ariana war ihr Name, dachte Link.

„Und ich dachte schon, du bemerkst nie, dass ich dir folge“, meinte sie schmunzelnd.

Link ließ leicht grinsend die Schwertspitze sinken und ließ sich auf das Spielchen ein. „Und ich dachte nicht, dass du glaubtest, ich hätte dich nicht bemerkt.“ Ariana schmunzelte und trat näher zu ihm heran.

„Aber jetzt mal ernsthaft, du bist nicht mal schlecht“, meinte sie und ihr Blick verweilte durchdringend in denen des Schülers der Ritterschule.

„Und trotzdem...“, fing sie an. „... nicht gut genug.“ Unauffällig und hinterlistig entriss sie Link mit einer ungewöhnlichen Bewegung das Schwertheft, machte einen Handstand nach hinten und hielt die Waffe langgestreckt vor sich.

Verdutzt beäugte Link das Schauspiel. Sicherlich, er wusste um die Kampfbereitschaft und die Schnelligkeit der Shiekah und ebenso kannte er den feurigen Kampfstil der Gerudo, aber vonseiten einer Hylianerin hatte er mit einem solchen Angriff nicht gerechnet.

Sie verdrehte grinsend den Kopf und lud Link mit einer Handbewegung ein, sie anzugreifen.

Im Sprint griff Link an den Bund seiner Stiefel und hatte in Handumdrehen einen schönen, langen Dolch in seinen Händen. Knallend prallten Dolch und Schwert aufeinander und beide Kämpfer rangen grinsend miteinander. Das Mädchen presste die Lippen zusammen, denn Link war viel zu stark für sie, das wusste sie und das spürte sie im Augenblick. All ihre Kraft legte sie in das Schwert und doch rang Link es mit dem Dolch nieder, sodass es auf dem Boden aufschlug. Diesmal war der junge Held derjenige, der das Heft des Schwertes geschickt aus der Hand des Mädchens lösen konnte.

„Du kämpfst unfair!“, sagte sie laut und rannte wehrlos, ohne jegliche Waffe hinüber an den See. „Und du kämpfst eben wie ein Mädchen“, meinte Link und wollte kapitulierend stehen bleiben. Aber sie entgegnete eifernd: „Aber noch hast du nicht gewonnen, du dussliger Held.“ Irritiert blieb Link wurzeln und sah sich das Gesichtchen der Dame ihm gegenüber nur an. Warum nahm selbst sie jetzt das Wort Held in den Mund? Verdammt, Link wollte endlich raus aus diesem Heldendasein. Er hatte genug davon und wollte nicht ständig daran erinnert werden. Doch dieses Mädchen hatte jenes Wort wohl eher unabsichtlich verwendet.

Sie sagte lächelnd: „Du hast erst gewonnen, wenn du mich fängst.“

Link sah so drein, als müsste er sich diesen Vorschlag reiflich überlegen, aber diese freche, handgreifliche Dame hatte so ein erstaunliches Feixen in ihrem schönen Gesicht, dass der kleine Frauenheld Link keineswegs wiederstehen konnte. Mit einem Nicken raste er hinter ihr her und musste sich eingestehen, dass sie durchaus sehr gut weglaufen konnte und ziemlich fix zu Fuß war. Mit großen, schnellen Schritten eilte die Verfolgte laut lachend davon, versteckte sich hinter dicken Baumstämmen und streckte dem gedemütigten Fünfzehnjährigen ihre vorlaute Zunge heraus.

Dies schien Link erst Recht auf die Palme zu bringen. Mit ratloser Miene und einem erstaunten offenen Mund sah er die Dame an und verstand den Sinn dieser Aktion einfach nicht. „Wie konntest du mir eigentlich folgen?“

„Ich bin deiner Flöte gefolgt, weißt du, ich liebe die Okarina“, meinte sie und streckte ihm wieder die Zunge heraus.

„Übringens, du bist ziemlich lahmarschig, so wird das heute nichts mehr.“ Sie lachte und stemmte ihre Hände in die Hüften: „Du hast verloren. Verloren.“ Sie neckte und reizte ihn damit, als wüsste sie sehr genau, wie man das Blut in Links Adern zum Kochen brachte. Sie wiederholte lauter: „Verloren.“

Entnervt ballte Link seine Hände zu Fäusten und rannte so schnell wie ihn die Beine seines angeschlagenen Körpers tragen konnten näher. Überrascht wich die Schöne nach hinten aus und sauste davon. Mühevoll versteckte sie ihr Abbild hinter einem dichten Himbeerstrauch und lugte nur kurz mit ihren bernsteinfarbenen Augen daraus hervor. Dann spürte sie ein leichtes Handtippen auf ihrer Schulter und eine junge Kämpferstimme meinte schon fast erheitert: „Du bist dran.“ Wortlos wand sie sich zu ihm und grinste hämisch. Wie ein kleiner, unreifer Knilch rannte der Held der Zeit davon und kannte dieses Versteckspiel von früher sehr gut. Wie oft hatte er mit Zelda Fangen gespielt und war diesem Spiel mit ihr doch nie müde geworden.

Beinahe hätte er das erste ehrliche Lächeln dieser Tage hinbekommen, aber es war nur ein kleines Grinsen, das um seine Lippen spielte.

Und nun hetzte Link vor ihr davon, streckte die Arme in die Höhe und tat so, als würde er Angst haben. In gewisser Weise hatte der einstige grünbemützte Held ja tatsächlich Angst und unverbesserliche Scham vor den merkwürdigen Geschöpfen, die sich Mädchen nannten. Nur bei Saria war das immer etwas anderes gewesen.
 

Knapp am kleinen See blieb Link stehen und zwinkerte der Dame unaufgefordert zu, sie möge ihren Hintern ein wenig schneller in seine Richtung befördern. Sie ließ sich nicht zweimal bitten und Link sah es schon kommen, dass sie durch ihr schnelles Tempo und ohne auf das Gewässer hinter ihm achtend, losstürmen würde. Und vielleicht war sie dann als Folge eines Wegrutschens am Teichrand so durchgeweicht, dass er gewonnen hatte.

Link sah sie rasend auf ihn zu eilen, wollte schon einen Schritt zur Seite gehen, um den Weg in das nasse Paradies freizugeben, aber da geschah etwas, was selbst ein Hellseher vielleicht nicht hatte erahnen können.

Das Mädchen stolperte schreiend über eine fette, mit Knubbeln versehene Wurzel, ruderte wie wildgeworden mit ihren Armen in der Luft herum und doch tat es nichts zur Abhilfe. Es gab einen lauten Schlag durch einen Zusammenstoß, gefolgt von einem entgeisterten Schrei Links, der mitsamt der Dame, die ihn buchstäblich umhaute, in einer flachen Wasserstelle des Gewässers aufschlug. Wasserperlen wirbelten in der Luft herum, während die durchdringenden, überraschten Schreie der Dame verstummten.

Total durchnässt und mit einem schmerzendem Rückrat sah Link das Mädchen über ihm an, das mit roten Ohren und in Blut getränkten Wangen seinen Blick erwiderte.

Hastig und sich aus seinen Armen lösend stand die Schöne auf und rang sich die pechschwarzen Haare aus.

„Du könntest mir wenigstens aufstehen helfen, wenn du mich schon umhaust“, muckte Link, der sich diesen hitzigen Kommentar nicht verkneifen konnte.

„Ich sorge gleich dafür, dass du dort liegen bleibst, wenn du solche hohen Ansprüche stellst“, gab sie bissig zurück. Genervt schlug Link mit seinen Händen in dem Wasser herum und richtete seinen Oberkörper auf. „Aber du bist an dieser Situation schuld. Du bist schließlich gestolpert.“

„Aber was kann ich denn dafür, dass du mir direkt im Weg stehen musstest.“

„Wieso ich. Sei doch froh, dass ich dich aufgefangen habe, du undankbare Schnepfe, sonst wäre auch noch der Rest von dir durchgeweicht.“

Sie rümpfte die Nase und gab schließlich nach. Sie wollte Link eine helfende Hand reichen, die er aber wegschlug. „Vielen Dank, den Rest schaffe ich jetzt auch alleine“, meinte er mürrisch und sprang auf seine Beine. „Dann kann ich mir das ja für das nächste Mal merken“, murrte sie und lief laut davon stapfend in das kleine Häuschen, wo genug unbenutzte Handtücher auf einem Stapel lagen.
 

Link ging der hübschen Dame unvermittelt hinterher und wollte gerade nach einem Handtuch greifen, als aber schon wieder Gezänke zwischen den Beiden losging. Denn das Mädchen hatte sich bereits alle der Handtücher gekrallt.

„Hey, so geht das aber nicht!“, zürnte Link.

„Was geht so nicht?“

„Gib’ mir gefälligst auch ein Handtuch!“, sagte er erbost.

Sie zischte sofort zurück, während ihre bernsteinfarbenen Augen glühten: „Du bist aber nicht gerade ein Gentleman, ganz und gar nicht ehrenhaft.“

„Ich wollte nie ehrenhaft sein.“ Und die junge Lady sah beleidigt zu Boden, als hätte ihr dieser Kommentar mehr als nur das Wort genommen. Ohne weitere Diskussionen reichte sie ihm zwei Handtücher und trocknete sich selbst mit zwei weiteren, die sie besaß.
 

Einige Minuten der Stille liefen vorüber und Link schaute vorsichtshalber nach der Okarina der Zeit, die doch hoffentlich nicht durch den Sturz vorhin im Eimer war. Zelda würde ihn dann Köpfen, Vierteilen, Verfluchen und die gesamte Palette an möglichen Foltermethoden gegen ihn einsetzen, wenn er jenen teuren Schatz so unliebsam behandelt hätte.

„Das ist ein schönes Musikinstrument, Link“, fing das Mädchen an.

„Du hast dir meinen Namen gemerkt?“ Erstaunt drehte sich der Schüler um, denn die gesamte Zeit über hatte Ariana, der Name dieses Mädchens, ihn nicht so angesprochen.

„Du meinen doch auch, oder?“

Er nickte bloß, ein wenig verlegen, ein wenig bußfertig, da er diese Dame vorhin auf gemeine Art und Weise angefahren hatte.

„Ariana, nicht wahr?“

„Genau der“, sagte sie und band ihre glänzenden Haare zu einem langen Zopf zusammen. „Ist das eigentlich erlaubt, hier einfach einzutreten.“

„Nein, aber anscheinend gehört diese Hütte niemandem“, sagte Link und lief wieder hinaus an die frische Luft, wo die Sonne lachte.
 

Er streckte sich und gähnte herzhaft. Kurze Zeit später stand Ariana wieder hinter ihm. Eine Spur genervt, dass sie immer noch hier war, drehte sich Link um und wollte gerade fragen, was sie sich von seiner Anwesenheit erhoffte, als sie ihn freudig anlächelte und mit einem genauen Blick in seine Augen meinte: „Und hast du dich in der Ritterschule schon eingelebt?“

Sofort wich Link ihren Augen aus, wollte nicht und konnte niemanden in die Augen sehen, der hinter seine Fassade blickte.

„Wie soll’ das denn so schnell gehen, ich bin doch erst einen Tag dort.“, murrte er. Er schnappte sich einen Stein und warf diesen geschickt über die Wasseroberfläche, dass das Steinchen tanzte. Ariana gab ihm einen Klaps an seinen Hinterkopf und erwiderte belehrend: „Wenn du so unfreundlich bist, brauchst du dich nicht wundern, wenn du dich niemals einleben wirst. Egal, was du in deinem Leben durchgemacht hast, hör’ auf so gemein zu anderen zu sein!“

Fuchsteufelswild, sodass das Kämpferblut in seinen Adern zu wirken begann, wand er sich zu ihr und meinte: „Du bildest dir wohl ein, du würdest mich kennen, was?“

„Oh, vielleicht kenne ich dich ja besser, als es dir lieb ist.“

„Das bezweifle ich“, sagte er kalt und schob die Dame seitwärts. Seinen Weg durch den Wald fortsetzend, ignorierte Link, dass Ariana ihm geduldig hinterherlief.
 

Schweigsam erreichte Link einen kleinen abgetrampelten Waldweg, der nur wenige Meter von besagtem Haus und Teich entfernt lag. Während des Weges versuchte Ariana häufig den mürrischen Jugendlichen, der verbittert auf sein eigenes Schicksal, keine Lust hatte, mit irgendjemanden darüber zu reden, in ein Gespräch zu verwickeln. Aber Link tat entweder so, als hätte er sie nicht gehört, oder als hätte er sie einfach nicht verstanden.

„Zum zehnten Mal“, fing sie an, schon aus Wut ihre Kräfte nicht mehr unter Kontrolle. „Hast du gestern auch diese Kreaturen im Schlossinnenhof gesehen?“

Aber das überraschte Link dann doch noch und er drehte sich nickend zu ihr um.

„Was waren das für Dinger?“

„Ich vermute mal... Moblins... oder vielleicht Petiblins des fünften Grades. Es könnten aber auch einige Ratten gewesen sein, die häufig in Dämonennestern herumkriechen und somit von deren Pest des Bösen angesteckt worden sind.“ Link führte eine Hand an seine schmerzende Stirn und überlegte weiter: „Allerdings gab es Kreuzungen zwischen den unterschiedlichsten Dämonengeschlechtern, wobei...“ Link brach ab und sah irritiert auf.

„Warum erzähle ich das dir überhaupt?“

„Keine Ahnung, musst du doch wissen warum. Ich sehe nur, dass du ein sehr komischer aber interessanter Vogel bist, Link.“ Er drehte sich wieder um und lief seines Weges. Ariana folgte inzwischen neben ihm und schielte zu den tiefblauen Augen des vergessenen Helden Hyrules.

„Woher weißt du soviel über Dämonen? Ich meine, mir ist schon klar, dass es in der Ritterschule ein spezielles Fach dafür gibt, aber du hast doch erzählt, es wäre dein erstes Jahr dort.“

„Nun...“, meinte Link leise und sorgfältig. Was sollte er denn auch sagen? Sollte er sagen: ,Hey, Ariana, wusstest du das noch nicht? Ich bin der Held der Zeit, jawohl, der Held des kleinen Ammenmärchens, welches alte Weiber ihren Kindern als Gute-Nacht-Geschichte erzählten.’ oder vielleicht: ,Ich habe schon etliche von derartigen Dämonen getötet, weil sie mir nach dem Leben trachteten, daher muss ich über alles Bescheid wissen...’. Link schüttelte mit dem Kopf.

Und erneut entschied sich Link für die Unbedeutsamkeit seiner Selbst. Und belog sich doch nur mit seiner Verharmlosung der Geschehnisse. Wie oft hatte er folgenden Satz schon gesagt, wenn jemand nach ihm fragen wollte. Wie oft hatte er diesen dummen Satz gesagt, der doch keine Aussage hatte, die keinen großen Sinn ergab.

„... ich habe einige Dinge... hinter mir“, murmelte er gedämpft und kniff die Augen zu bei dem absurden Gedanken, er könnte Ariana über die vielen unwirklichen Ereignisse wissen lassen. Überraschend legte sie eine Hand auf seine Schulter und sagte ruhig: „Musst du dich eigentlich immer selbst belügen, Link.“ Ihre Stimme klang plötzlich so anders, irgendwie noch vertrauter als vorher, noch angenehmer. Der junge Held wollte schon etwas sagen, wollte Ariana bitten, was ihr Wissen verbarg, was dahinter steckte.
 

Aber plötzlich humpelte ein alter, kleiner Greis an ihnen vorbei. Eine Glatze mit einem Büschel Stroh oder so war alles, was von seinem braunen Haar geblieben war. Und ein hässlicher Sonnenbrand schmückte gerade das, was nicht von dünnem, grauen Haar bedeckt wurde. Er trug eine braune Kutte und ein lumpiger Krückstock half ihm über den abgetrampelten Pfad mit den knorrigen Wurzeln.

„Hallo, die Jugend.“, piepste er und schaute aus seinem faltenreichen Gesicht hinauf in zwei Gesichter, die nicht wussten, was sie von seiner in die Jahre gekommenen Gestalt halten sollten.

„Guten Tag, werter Herr“, meinte Ariana und reichte ihm die Hand, ähnlich einer Lady eben. Sie versuchte ihr bestes, eine etwas gehobenere Sprache und Haltung anzunehmen.

„Ihr beide habt die alte Hütte am kleinen Glücksteich entdeckt?“, sagte der Alte und setze ein Lächeln auf, wobei man seine mit Lücken übersäten Zahnreihen nicht übersehenen konnte.

„Glücksteich?“, meinte Ariana, während Link sich stumm zurückhielt und kein Wort für sinnvoll hielt. Er schwieg, so wie immer...

„Ja, man erzählt sich jemand mit einer herben Zeit hinter sich, soll hier an diesem Ort die wahre Liebe erfahren und das Glück soll ihn nie wieder verlassen haben. Daher nennt man diesen kleinen See schon seit Hunderten Jahren Glücksteich.“ Grinsend wand sich Ariana zu Link und meinte: „Glückspilz findet einen Glücksteich. Vielleicht findest auch du dort dein Glück, du dussliger Held.“

Er äffte sie verärgert nach und sah genervt in Richtung des Pfades.

„Jaja, die Helden. Sie werden zu Helden gemacht in der Ritterschule“, meinte der Alte.

„Arbeitet Ihr dort?“, meinte Ariana.

„Ja, mein Kind. Der Hausmeister bin ich dort.“ Interessiert wanderten seine lebenserfahrenen Augen zu denen des jungen Schülers.

„Und du scheinst einer der Ritteranwärter zu sein. Nein... nein...“, sagte er, tapste näher an Link heran und streckte sich mit seiner kleinen Gestalt, sodass er in den Augen Links lesen konnte. „Ich kannte dich doch schon einmal. Aber ja... du bist bereits mehr als man sieht... Da war jemand, der dein Gesicht trug. Jaja... die Vergangenheit.“ Der Fünfzehnjährige sah gedemütigt zu Boden. Die vergessene Zukunft schien sich bei vielen bereits ohne Links Einverständnis herumgesprochen zu haben. Die grausame Zukunft, in welcher er so oft, so nah dem Tode gewesen war.

Oder ahnte der Alte etwas, was nicht der Vergessenheit, sondern einfach nur der Vergangenheit zugehörig war?

„Ich kannte ihn, Arn Fearlesst, ein bemerkenswerter Mann.“ Link erinnerte sich grob. Schwindler hatte in der Gefängniszelle von diesem Typen gesprochen. Vermutlich hatte jener Ritter hier gelehrt...
 

Ariana aber schien ein wenig geschockt zu sein. Sie packte den Alten am Arm und meinte: „Arn Fearlesst? Bitte erzählt mir mehr von ihm!“ Sie flehte fast und sah den Mann eindringlich an.

„Gerne Kindchen“, sagte der alte Mann und humpelte wenige Meter weiter. „Aber möchtet ihr beiden nicht lieber eine andere Geschichte hören. Sagt, kennt ihr die alte Legende der Helden Hyrules?“ Ariana nickte und blickte vorsichtig in das schwermütige Gesicht des jungen Burschen neben ihr. Doch der Blondschopf ließ einfach nur sein Haupt hängen, als ignorierte er diese Geschichte, von der er ein Puzzleteilchen war.

„Die Geschichte des Helden der Zeit ist nur ein Abschnitt von jener gigantischen Legende“, erklärte Ariana. So als wüsste sie, dass der Held der Zeit neben ihr stand, suchte sie den Blick Links. Etwas Trauriges verbarg sich plötzlich in den bernsteinfarbenen Augen Arianas. Aber es war kein Mitleid, eher Zuneigung und Verbundenheit.
 

Sie trat zu ihm und legte eine warme Hand auf seine rechte Wange.

„Geh zurück zu der Hütte, die niemandem gehört. Vielleicht findest du dort die Ruhe, die Zeit, um nachzudenken.“ Sie blickte zu Boden und lief zusammen mit dem alten Mann aus den Wäldern hinaus. „Bis irgendwann“, meinte sie und schien aus Links Blickwinkel schneller zu verschwinden als eine gewöhnliche Hylianerin...

Mit nun extrem knurrendem Magen trat Link in die große Cafeteria ein. Ein hübscher, hoher Speisesaal mit einer endlosen hölzernen Theke, wo man sich mit den verschiedensten Speisen eindecken konnte. Und hinter der Theke lief eine alte Frau mit langem, grauem Haar hastig hin und her und bediente die Jugendlichen. Links Blick wanderte zu den langen Bänken, wo einige Schüler ihn ziemlich seltsam angafften. Aber diese Blicke konnten sich nicht auf Links Aussehen beziehen, denn vorhin hatte er bereits seine grüne Tunika gegen die schwarze Standardtunika der Schule ausgewechselt. Es musste einen anderen Grund geben, warum einige so gafften, wie sie eben gafften.

Ein Schüler stach aus der Menge heraus und winkte Link zu. Es war William, der an einer Bank hinten in einer Ecke saß und von zwei weiteren Schülern eingekesselt war. Link nickte begrüßend und stellte sich an der Reihe an, starrte gebannt auf das Essen, während ihm das Wasser im Munde zusammenlief.
 

Wenig später saß er an der Holzbank gegenüber von William und zwei anderen Gesellen des dritten Schuljahres. „Guten Abend, Link.“

„Abend, Will“, meinte Link und die beiden anderen bei Tisch guckten ihn nur grinsend an. Einer hatte kurzgeschorenes schwarzes Haar und der andere war irgendwie ziemlich eitel, besaß lockige blonde Haare, die bis über die Brust fielen.

„Du bist auch einer der neuen?“, meinte der eine eitle Bursche. Er reichte dem Fünfzehnjährigen die Hand, die Link annahm. „Ich heiße Artus McDawn. Nett, dich kennen zulernen. Dein Name ist Link?“

„Jep, ist er wohl“, entgegnete der junge Held.

Der andere Typ begrüßte den Neuen auch und meinte: „Hi, mein Name ist Robin Sorman, du bist also derjenige, der Ian eine verpasst hat? Alle Achtung, das hat noch keiner gewagt.“
 

Link grinste blöde und lugte mit seinen ernsten Augen nach oben, als er einen Suppenlöffel in seinem Mund stecken hatte.

„Dieser Kerl hat mich beleidigt, alles nur weil ich diese verdammte Strafarbeit aufgebrummt bekommen habe“, schmatzte er.

„Ian beleidigt so ziemlich jeden, und meistens hat er das Glück, dann mit einem blauen Auge davon zu kommen. Man munkelt sich, er hätte unfaire Vorteile an dieser Schule“, sagte Robin. Zufrieden und mit gefülltem Magen lehnte jener sich zurück.

„Also ist die Schule doch nicht so toll, lobenswert und ruhmreich, wie mein Vater sagte.“, stellte William fest. „Dabei war mein Vater auch einige Jahre hier, bevor er mit Mutter aus Hyrule geflohen ist.“

„Der Krieg um die Vorherrschaft. Der Krieg um die Vorherrschaft in Hyrule...“, meinte Robin wiederholend und den alten Tagen gedenkend. Artus stützte sich mit seinen Ellenbogen auf dem Tisch ab und beugte sich näher. „Was erzählte man sich? Angeblich soll nur ein einziger junger Gerudo an dem Krieg die Schuld getragen haben. Ein einzigster, der dafür sorgte, Hass und Misstracht unter den Völkern Hyrules zu sähen.“

„Stimmt“, entgegnete Robin. „Und dieser einzelne trägt die Schuld an Tausenden Toten. Auch einige Ritter dieser Schule sollen auf dem Schlachtfeld gefallen sein. Berühmte Leute, wie zum Beispiel Arn Fearlesst, der sogar ein Vertrauter des Königs gewesen ist. Oder Nimrod Doomrent, ein talentierter Bogenschütze.“
 

Link hörte nur aufmerksam zu und sagte kein Wort... Schon immer war ihm das Gerede vom damaligen Krieg zu wider. Es war Vergangenheit, nicht von Bedeutung. Link wusste, dass auch seine Eltern durch die Hand des Krieges von damals den Tod fanden. Vielleicht wollte und konnte er deshalb sich nicht an dem Gespräch beteiligen. Er würde durch Reden und unnötiges Geschwätz die Gerudo noch mehr hassen, als er ohnehin tat... nein, er hasste nicht direkt die Gerudo, nur einen jenes Wüstenvolkes, der ihm damals sogar das letzte Licht seiner Welt nehmen wollte...
 

„Vor diesem Krieg war die Schule der Söhne des Schicksals sicher lobenswerter. Das Lehrpersonal soll auch fairer gewesen sein“, meinte Artus. „Heute beschäftigt man sogar Gerudos. Gibt’s denn so was?“

William fiel die Gabel aus der Hand. „Wie bitte?“ Und auch Link sah auf.

„Nun tut doch nicht so überrascht. In Bogenschießen und jeglichen anderen Kampftechniken haben wir ab diesem Jahr eine Gerudo, die uns zeigt, wo’s langgeht. Und knackig soll sie sein“, schmachtete Robin.

„Knackig?“, sagte William belustigt. „Fällt dir nichts Besseres ein? Das ist doch kein Ausdruck.“ Robin muckte auf und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Willst du damit sagen, ich weiß Schönheit nicht zu schätzen?“ Doch Will grinste bloß mit seinen gefährlich- neckischen durchdringend grünen Augen und lachte.

„Beim Triforce, man kann hübsche Frauen auch anders bezeichnen als knackig. Stimmt’s, Link?“ Völlig aus seinen Gedanken gerissen, sah der unerkannte Held auf, tat so, als wäre es eine Hürde sich von seinem vollgepackten Teller zu lösen und babbelte mit Essen im Mund: „Wie?“

Alle Hylianer in der fröhlichen Runde begannen zu lachen und schüttelten nur den Kopf. Es war Links unverbesserliche Naivität, das Kindliche, was anderen stets ein Lächeln auf das Gesicht zaubern konnte.

„Ist gut, Link. Erfreu’ dich lieber an deinem Essen, anstatt an einer reizenden Dame“, sagte Artus abtuend. „Aber die Gerudo soll ziemlich temperamentvoll sein. Mit der ist nicht gut Kirschen essen.“

„Gerudo sind nun mal so...“, sagte Link und aß heißblütig von der großen Salatschüssel auf seinem Teller.
 

„Na ja... gibt es sonst noch etwas Wissenswertes?“, sagte William und gähnte.

„Vielleicht bloß der neue Lehrer Newhead im Allerlei- Training. Ich habe den Typen sich mit Viktor anlegen sehen. Den könnten wir doch fragen, ob er unseren: ,Wir hassen Viktor- Club’ leiten will.“ Grienend lachte Will und schlug mit seinem Schädel unkontrollierbar auf dem Holztisch auf. „Wir -hassen -Viktor -Club?“

Artus und Robin nickten gleichzeitig. „Der ist vor einem Jahr entstanden, weil dieser Giftzwerg uns ständig auf dem Kieker hatte und keine Gelegenheit ausließ, uns zu demütigen. Wir haben schon eine große Anhängerschaft, weil der Typ jeden, absolut jeden, ohne Ausnahme fertig macht.“
 

„Da ich ja schon auf wunderbare Weise erfahren habe, welch’ ein Ekel Viktor ist,“ und Link erinnerte kurz das nervige, unsägliche Toilettenschrubben. „würde ich mich diesem Club gerne, sofort und ohne Zweifel, anschließen.“

„Das klingt gut. Bist ab heute dabei“, grinste Artus. „Und warum hast du eigentlich diese Strafe bekommen?“

„Ich war bloß nachts unterwegs, weil sich ein Moblin- Insekt hierherum geschlichen hat.“ Ohne nachzudenken, ließ Link das Dämonenwort über seine Lippen gleiten. Will sah verwundert und leicht enttäuscht drein. „Hast du nicht gemeint, du wüsstest nicht, was es war.“

„Das war bevor ich mir die Sache überlegt habe...“, entgegnete Link gedämpft und wünschte sich, er würde besser nachdenken, bevor er sein heraussprudelndes, naives Mundwerk in Bewegung setzte.

„Ein Moblin?“, bemerkt Artus. „Und das sagst du so einfach? Wieso sollte das passieren?“ Link schnaufte und meinte mürrisch: „Das weiß ich auch nicht. Also hör’ auf mich auszufragen. Ich weiß nichts und werde nichts wissen.“

Die Blicke an der Runde verrieten Unverständnis und Ungläubigkeit. Es war das Misstrauen, die Ziehmutter des Verrats, welche in den drei hylianischen Gesichtern am Tisch lag. Und sie sagte vieles, ohne das ein Wort erklang. Link sah reumutig auf seinen Teller und schwieg.
 

„Wie auch immer...“, meinte Robin. „Wir treffen uns immer Samstags in der Kneipe ,Zum lustigen Hylianer’, gleich neben der Schule. Kommt doch einfach vorbei, wenn ihr beide Lust habt.“ Will nickte grinsend.
 

„Du hast einige Neider durch deine kleine Schlägerei mit Ian gewonnen“, sagte Artus mit einem Blick seiner hellen Augen zu Link und trank seine Milchtasse leer. Er stand auf und klopfte mit seinen Fingern auf den Tisch. „Man sieht sich. Hab’ noch was vor“, meinte er grinsend. „Die Pflicht ruft.“, fügte er schmunzelnd hinzu.

„Richte Elena schöne Grüße aus!“, eiferte Robin. Artus nickte bloß, kämmte sich seine blonden Locken mit einem Kamm, den er ständig bei sich trug und verschwand fröhlich, beinahe tanzend aus dem Raum.
 

Als der blonde Schönling schon außer Reichweite war, erklärte Robin. „Elena ist seine Freundin. Deshalb ruft immer die Pflicht, wenn sie eine Verabredung haben.“

„Ist sie auf dieser Mädchenschule gleich nebenan?“, meinte William.

„Genau! Die Damen dort sind nicht zu verachten.“ Robin grinste und schunkelte näher.

„Wie sieht’s bei euch aus. Auch schon auf Mädchenfang?“ Will schüttelte labial mit dem Kopf und Link sah rotwerdend auf seinen Teller. Was sollte das überhaupt sein, dieser komische Besitzanspruch über ein Mädchen, dachte er. Seine Freundin? Was sollte das heißen? Schon oft hatte Link gehört, dass andere darüber diskutierten. Aber er konnte damit einfach nichts anfangen, weder in der alternativen Zukunft, noch hier...

„Hey, war ja nur ne Frage“, rechtfertigte sich Robin, ein ziemlicher Schürzenjäger, der schon so einige kurze Affären hinter sich hatte.
 

Link aß derweil zufrieden von seinem Teller und spürte immer noch Blicke von anderen in seinem Genick, etwas, was er nicht gerade leiden konnte.

„Du musst was drauf haben, wenn du dich mit Ian anlegen kannst“, meinte Robin.

„Ja, das kann ich nicht abstreiten. Ich habe schon einige Kämpfe gekämpft.“

„Dann müsstest du auch keine Schwierigkeiten haben, in den Genuss höherer Ränge zu kommen und du könntest vielleicht eine hohe Platzierung beim Turnier erhalten.“ Robins lange, ausgeprägte Nase rutschte näher auf den Tisch. „Es gibt Leute, die haben gesagt, dieses Jahr könnte man eine Audienz bei Prinzessin Zelda gewinnen. Gibt’s so was?“
 

„Was ist denn schon dabei?“, sagte Link, der nicht daran dachte, dass kaum einer der Jugendlichen hier schon einmal Prinzessin Zelda einen Besuch hatte abstatten dürfen. Will und Robin sahen Link ziemlich erstaunt und ungläubig an. „Bist du nicht mehr bei Sinnen? Das ist schließlich ein Treffen mit der Prinzessin höchstpersönlich. Bei Farore, die Prinzessin!“

„Ihr tut gerade so, als wäre sie ein Gott oder ein Vorführungsobjekt. Zelda ist auch nur eine Hylianerin“, murrte Link und schaufelte sich Kartoffeln in seinen vorlauten Mund.

„Und du tust fast so, als würdest du sie kennen.“ Links tiefblauen Augen sahen langsam auf und vielleicht machte er sich durch seine verräterische Mimik erst Recht verdächtig. Der Fünfzehnjährige zuckte mit den Schultern und tat so, als würde der Teller vor ihm wesentlich interessanter sein, als die faszinierende Prinzessin Hyrules.
 

„Also, mein Vater hat gesagt, sie wäre ein Juwel“, meldete sich William zu Wort.

„Ein Juwel?“, sagte Link. „Das trifft es ja nun wirklich nicht ganz.“ Fast scherzhaft fuhr er fort. „Ein Wildfang ist sie und abenteuerlustig, aber alles andere als eine versnobte, eigenwillige Prinzessin.“ In seinen Gedanken sah er Zeldas Bild vor sich und brachte das erste Mal, seit William ihn kannte, ansatzweise so etwas wie ein Lächeln zustande. Er erinnerte sich an ihre Zeit zusammen, als sie im Schlossgarten spielten, als sie miteinander lachten, aber diese Zeit war vorbei.
 

Ungläubige Gesichter sah er an dem Tisch, als er aufblickte. „Ist was?“, meinte er genervt. Doch William und Robin schüttelten nur verwundert den Kopf.

„Du scheinst sie entweder wirklich zu kennen, was mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu eintausend zutrifft, oder du hast einfach nur eine paranoide Wahnvorstellung.“ Beschämt sah Link wieder auf den Teller. Zum Teufel, warum hatte er sich gerade so verhaspelt. War es, um Zelda zu verteidigen? Oder war es, um einfach nur anzugeben?

„Nein, ich kenne sie nicht. Ich habe dieses Wissen nur von... Bekannten.“

„Ach so“, maulte Robin. „Du hast mich schon geschockt...“

„Aber hübsch soll sie trotzdem sein“, meinte Will, der von Zelda, der Prinzessin Hyrules, wohl ganz von Sinnen war. „So toll ist sie nicht, okay“, murrte Link und stand frustriert auf. „Bis später“, meinte er und lief langsam durch die Reihen.
 

Schon wieder setzte ein eigenwilliges Getuschel ein und die Leute ringsherum warfen Fetzen des Erstaunens oder Bewunderns in den Raum.

Link hörte einige Wortfetzen und wäre den jungen Burschen dafür am liebsten an die Gurgel gesprungen. „Da der Neue, der hat Ian zu Boden gerungen. Na, der kann sich auf was gefasst machen“, sagte ein unwichtiger Wichtigmacher.

Weitere Stimmen flüsterten ihr Getuschel durch die Reihen. „Haha... er hat Ian fertig gemacht. Wie dumm.“ Und immer noch tuschelte es und ein Gemurmel drang an seine spitzen Ohren. „Wenn das jemand erfährt...“

Und mit jedem weiteren, dummen Flüstern steigerte sich eine bekannte Form der Wut in Links Gliedern. Er hasste es. Er verfluchte dieses dumme Gerede über ihn.

„Haltet die Schnauzen“, sagte er, zunächst leise. Es schäumte in ihm und etwas in seiner linken Hand begann zu pulsieren.

„Haltet eure verdammten Schnauzen“, sagte er lauter und kniff die Augen zu, als sich altbekannte Bilder in seinem Geist zeigten. Blut. Feuer. Und Tod. Er lief langsam in Richtung Ausgang des Speisesaals. Schon wieder Getuschel, wie wahnsinnige Stimmen in dem eigenen Kopf, die einen beschwörenden Reigen anstimmten.

Und dann ging ein so lautes Brüllen aus Links Mund, dass plötzlich alle Schüler in dem Saal verstummten. Kein Wort fiel mehr. Nicht ein Laut, bis Link den Raum verließ.
 

Schwankend folgte der junge Held einem dunklen Gang und hatte nur noch ein verschwommenes Gesichtsfeld vor sich. Alles drehte sich um ihn, während er nicht mehr wusste, wo sein Weg ihn hinführte. Eine gläserne Vitrine zog seine Aufmerksamkeit auf sich, wo goldene, silberne und kristallene Pokale mit den verschiedensten Edelsteinen beschmückt sein Interesse auf sich zogen. Ein besonders hervorgehobener Pokal stand direkt in der Mitte auf einem weißen Tischdeckchen und der Name Arn Fearlesst war auf einer goldenen Platte eingraviert. Er musste ein bedeutendes Ritterturnier gewonnen haben, oder etwas zu den damaligen Zeiten spektakuläres vollbracht haben, sonst würde sein Name sicherlich nicht so bedeutungsvoll hier lobgepriesen werden. Aber egal, dachte Link. Dieser Mann, wer immer er auch gewesen war, gehörte in die Vergangenheit und er war sicherlich auf dem Schlachtfeld gestorben... so gut konnte er also nicht sein, wenn er im Krieg fiel.
 

Erneut fühlte sich Link marode und seine Herz spannte sich grausam zusammen, als ob eine Hand von außen es zerquetschte. Hastig kramte Link nach dem Heilmittel von Zelda und trank einen winzigen Tropfen. Doch aus irgendeinem Grund war das, was nun mit ihm passierte, nicht mit einem Heilmittel zu beheben. Er stützte sich erschöpft auf seine Knie und fühlte ein hässliches Brennen in seinem Kopf. Was war das denn schon wieder? Erneut ein teuflischer Fluch ohne Sinn und Verstand? Dann hörte er jemanden seinen Namen sagen, immer wieder, ständig und überdauernd. Und der Schmerz in seinem Kopf wurde gewaltsamer, bis er sich hinein in sein junges Herz zog, während immer wieder eine Stimme in seinen Gedanken ertönte und nichts weiter tat, als seinen Namen zu flüstern. Er verstand nicht, was diese alte Stimme wollte. Er hörte geradeso viel, um jenes Säuseln als eine Frauenstimme wahrzunehmen.
 

Doch dann brach die Stimme ab und Link hatte einen unerträglichen Druck in seinem Magen, als würde sich sein Inneres nach Außen stülpen wollen, als quälte man ihn mit einem grässlichen Gift, dass ihn innerlich auffraß.

Er öffnete seine tiefblauen, ernsten Augen einen schmalen Spalt, nur um zu erkennen, dass doch nichts mehr um ihn herum lag. Die Welt außerhalb seiner Sinne wurde unwirklich, die Zeit stoppte ihren Rhythmus und ein Wesen mit Fleisch und Blut sollte vergehen, da die Vergangenheit in Gefahr schwebte.

Link stützte sich hechelnd an eine nahe Wand, spürte gerade noch die Raue, Unebenheit der Wand, bis er auch diese Empfindung nicht mehr genießen sollte. Wenn man nicht fühlt, dann hatte die eigene Existenz nur noch den Sinn eines begleitenden Schattens.

Schluchzend, denn er ertrug es einfach nicht mehr. Gefoltert in den besten Jahren seines Lebens. Gebrandmarkt und Vergessen.

Link wollte um sich blicken, wollte wissen, was bei Nayrus göttlicher Liebe, nur mit ihm passierte. Er blickte auf seine Hände, suchte nach seinen Händen, die er nicht vorfand. Verschwunden. Unexistenziell.

Link wollte aufstehen, wollte seine Beine bewegen, aber er konnte nicht. Denn wenn der Besitz etwas Selbstverständlichen plötzlich verging, setzte jeglicher Verstand aus. Auch seine Beine fand er innerhalb von Sekundenbruchteilen nicht mehr vor.

Er verblich, sowohl innerlich mit seinen Gedanken, seiner Einstellung zu der Welt und seiner Sinnhaftigkeit. Er verging auch äußerlich und das ansehnliche Gesicht mit den rätselhaften tiefblauen Augen wurde dem Nichts untertänig.
 

Weit entfernt im königlichen Schloss Hyrules kniete eine langjährige Vertraute vor Prinzessin Zelda nieder, die nachdenklich mit ernster Miene auf ihrem Thron saß. Ihr Vater hatte eine wichtige Audienz mit einem Vertreter Holodrums und so kümmerte sie sich um weitere Angelegenheiten, die es zu tun galt.

Eine Hand als Stütze an ihrem Kinn seufzte die Prinzessin laut auf, und fühlte sofort die starke Hand ihrer Vertrauten auf der Schulter.

„Impa?“ Fragend sahen die großen blauen Augen Zeldas in die scharlachroten der Shiekah.

„Belastet Euch etwas?“ Zelda nickte nur und stand auf. Es war spät und keine Soldaten befanden sich auf ihren Wachposen hier im majestätischen, riesigen Königssaal mit den roten Teppichen und langen Vorhängen an den riesigen Fenstern. Mit eleganten Schritten trat Zelda an das dicke Fenster heran.

„Irgendetwas ist im Gange, Impa. Ich fühle es nur undeutlich, kann nicht verstehen, was es ist. Und doch mache ich mir Sorgen, um die Zukunft, um die Gegenwart und um die Vergangenheit. Es scheint, als würde sehr bald alles aus dem Gleichgewicht geraten...“ Es dauerte nur Sekundenbruchteile und Impa trat in ihrer selbstgerechten, stolzen Haltung direkt neben der Jugendlichen. Schweigsam sahen sie beide einige Sekunden aus dem Fenster, beobachteten die Nacht und das ewige Mondleuchten.

„Hattet Ihr schlechte Träume, Prinzessin?“ Die Angesprochene schüttelte unbeeindruckt mit dem Schädel. „Wenn dem so wäre, würde ich vermutlich nicht so ruhig am Fenster stehen. Aber eine leise Vorahnung lässt mich nicht los...“ Zelda neigte ihr Haupt und wand sich wieder dem königlichen Thron zu. So viel Verantwortung verbarg jener Thron. So viel Pflicht und Schicksal...
 

Und es schien in dem Moment, dass Zelda die zündende Idee hatte, um ihr Gemüt ein wenig zu beruhigen. „Impa, ich habe eine Mission für dich.“ Mit großen Augen und trotzdem bereit dem Wunsch der Prinzessin Folge zu leisten kniete Impa wieder vor Zelda nieder.

„Reise durch Hyrule und suche Antworten, Impa. Suche Antworten! Sammle Wissen über die Geschundenen der Macht und finde heraus, was es sein könnte, was sie auf der alten Lon-Lon-Farm gesucht und gefunden haben könnten.“ Zelda machte eine kurze Pause und unterband ihre plötzliche Aufregung.

„Finde heraus, wozu dieses Bündnis geschmiedet wurde, seit wie vielen Jahren sie tätig sind und welche Taten auf ihre Zusammenkünfte zurückgehen.“

Impa nickte und hatte doch Erstaunung in ihren roten Augen. „Selbst, wenn es lange dauern wird?“

„Selbst, wenn es ewig dauern wird. Ein schlechtes Gefühl umfängt mich bei einem Gedanken an dieses dunkle Bündnis.“ Impa nickte. „Wann wünscht Ihr, dass ich aufbreche?“

„Morgen früh. Erkunde die Pfade Destinias, der Schicksalsgöttin.“

Impa bestätigte und verzog auf ihrem stolzen Gesicht nicht eine Miene.

Zelda machte nur eine kurze Pause und setzte hinzu: „Und versuche das Farmmädchen Malon zu finden.“ Erneut nickte die Dienerin des Schattens und verlor sich in dem Element ihrer strittigen Herkunft, während Zelda mit scharfem Blick in Richtung des einsamen Hügels im Norden schaute.
 

Als Link zu sich kam, lag er mitgenommen, sogar mit einer Decke überzogen in einem breiten Schaukelstuhl. Er sah um sich und wusste auf Anhieb, wo er war. Das war doch das kleine Büro, wo Kommandant Orson ihn eingewiesen hatte.

Aufgeregte Stimmen wurden außerhalb des Büros laut. Aber Link erkannte nur die von Sir Viktor, dem miesen Direktor. Die andere war ihm zwar nicht wirklich neu, aber er konnte diese nicht ihrem Besitzer zu ordnen.

Sir Viktors kratzige, garstige Stimme, ähnlich dem Schneidegeräusch einer verrosteten Klinge, entfernte sich. In dem Augenblick schob jemand den Riegel der Tür zur Seite und trat brummelnd in den Raum ein. Aha, der neue Lehrer, von dem Valiant gesprochen hatte. Wie war das? Er gab Unterricht in... allem Möglichen?

Das Brummeln des gutaussehenden Mannes mit kurzem braunen Haar erstarb, als er in die wachen Augen des Schülers schaute.

„Na, Kleiner, auch schon aufgewacht?“, fragte er vorwitzig und pflanzte sich zufrieden auf seinen bepolsterten Sessel. Link wurde das Gefühl nicht los, diesen Mann zu kennen.

„Die Gänge sind wahrlich nicht der bequemste Ort für ein Nickerchen, Kleiner.“

„Aber ich habe nicht...“, fing Link an und erinnerte sich an den Vorfall von vor wenigen Minuten. Das Verblassen. Das Verschwinden... Er hielt eine Hand hinter seinen Kopf und schauspielerte. „Oh... das... ach ja.“ Der Lehrer ihm gegenüber zog nachdenklich seine dunklen Augenbrauen nach oben. Er beugte sich über den Tisch, während undefinierbare Augen Links Verhalten anscheinend lustig fanden. Amüsiert sah der Ritter drein.

„Wer seid Ihr eigentlich?“, meinte Link.

„Newhead ist mein Name, die neue Lehrkraft in Sachen Allerlei. Der Kurs der Höhen zählt zum Beispiel dazu, und ich wurde beauftragt, dir etwas zu überreichen, Kleiner.“ Schleunigst kramte der muskulöse, sehr sympathische Mann in einer Schublade seines Schreitisches und holte eine mit dem königlichen Falken versiegelte Rolle hervor. „Bitte sehr.“

„Was ist das?“

„Ein Brief.“

„Schön, das sehe ich auch. Ich meine, was soll ich damit.“ Der Kerl rutschte näher und meinte leise, als ob niemand hören sollte, was er sagte: „Dieser Brief ist von Prinzessin Zelda und ich soll ihn dir übergeben, Kleiner.“

„Wieso das denn?“

Zackig bekam Link einen Klaps von dem Kerl auf seinen Hirnkasten.

„Was fragst du mich das denn, Kleiner?“ Link schwieg und nahm die versiegelte Rolle an sich. Neugierig blickte er auf die Rolle und dann wieder in das Gesicht des neuen Lehrers. Irgendwoher kannte Link diesen Hylianer, der in etwa dreißig Jahre alt war. Link erinnerte diese undefinierbaren Augen und doch war dieses beinah ungeschundene Gesicht ihm neu.

„Wundert Ihr Euch denn nicht, dass ich einen Brief der Prinzessin persönlich bekomme?“

Sir Newhead schüttelte den Kopf und tippte auffällig an zwei Finger seiner einen Hand.

„Warum sollte mich das wundern? Zumal braucht auch eine Prinzessin ihre Freunde und zweitens sitzt schließlich der Held der Zeit auf diesem Stuhl.“

„Ihr wisst also auch Bescheid“, sagte Link trübsinnig. Denn er hatte gehofft, einen neuen Anfang zu machen, stattdessen wusste hier fast jeder Lehrer über das wahre Ich, das wahre Gesicht und die wahren Fähigkeiten Links... Wie sollte er dann einen neuen Anfang bewerkstelligen?

„Niemand weiß tatsächlich Bescheid über das, was in der vergessenen Zeit geschehen ist und sollte dir deswegen einen Strick drehen. Ist gut, Kleiner. Es ist schon spät.“ Link nickte und fühlte sich durch Newheads Worte sichtlich erleichtert und irgendwie beruhigt.

Gähnend stand Link auf und suchte sein Quartier auf. Vergessen war das seltsame Verblassen von vor wenigen Minuten. Vergessen, wie die bedeutende Vergangenheit...
 

Als Link in sein Zimmer eintrat, war sein Zimmerkollege William Laundry bereits schlafen gegangen und schnarchte laut.

Tief ausatmend öffnete Link seine kupferne Gürtelschnalle, und zog sich die schwarze Tunika über den Kopf. Ein trübsinniger Blick wanderte hinaus in den klaren, dunklen Nachthimmel, wo der Vollmond stand. So erhaben war er im Augenblick, so mächtig, stand über allen Geschöpfen und wusste vielleicht um eine Spur des Schicksals, was für seine Betrachter vorgesehen war. Das Schicksal. Früher begleitete das Licht jener Macht den Pfad des Jungen. Doch jetzt war Schicksal für den Helden der Zeit nur eine grausame Macht, die sein Leben verachtete, seine Existenz für ungerechtfertigt empfand.
 

Müde und erschöpft krabbelte Link in das warme Bett, wollte nicht schlafen, wollte keine Träume haben, egal, ob sie ihn lediglich verwirrten oder schlimmer noch, weh taten...
 

Erneut krachten widerliche Gedanken auf ihn nieder. Bilder der Geschundenen der Macht. Bilder aus Kriegszeiten, die niemand verstehen könnte. Ein gigantisches Heer der Dunkelheit stand vor einem winzig kleinen der guten Seite, einem Bündnis der Hylianer, der Zoras, der Goronen und der letzten Shiekah. Link schüttelte abtuend den Kopf, wollte diese Gedankenspaziergänge von etwas, was geschehen könnte oder geschehen war, nicht sehen. Er schirmte dieses Schicksal von sich und wollte schon lange bloß... vergessen...

Der Brief von Zelda fiel ihm wieder ein und er entzündete mit einem Streichholz die Öllampe neben seinem Bett. Er bemerkte nicht die neugierigen grünen Augen Williams, die heimlich beobachteten, was Link tat.

Jener öffnete wie als befände er sich unmittelbar vor einem Trancezustand das Siegel aus Wachs und las die Zeilen langsam durch, spürte den heimlichen Wunsch, Zelda würde die Worte darauf nicht nur geschrieben haben, sondern mit ihrer beruhigenden Stimme zu ihm sagen.
 

An meinen Helden,
 

verzeih’ mir bitte, dass ich nicht persönlich mit dir reden kann. Und doch empfinde ich dich und dein wahres Gesicht in den letzten Tagen als so weit weg, dass ich möglicherweise nicht das Recht besitze, dich zu besuchen, deine Ruhe zu stören, oder eben simple Worte an dich heran zu tragen. Vielleicht weisen geschrieben Worte die Aussagekraft auf, die erzählte nicht haben können...

Ich möchte mich aufrichtig bei dir entschuldigen. Zum einen dafür, dass ich nicht in der Lage bin, herauszufinden, was mit dir geschehen ist. Zum anderen dafür, dass ich mich erneut in dein Leben einmische und das Recht auf deine Freundschaft mit meinen Entscheidungen mehr und mehr verspiele.

Und trotzdem will ich, ersinne ich für dich, eine größere Zukunft, als sie dir das Leben in den Wäldern hätte bieten können. Bitte urteile nicht voreilig über mich und meinen Wunsch, dass du an die Ritterschule findest. Meinen törichten Wunsch, den ich an den Dekubaum herangetragen habe. Verzeih’ mir dafür.

Wenn du es wünschst, dann besuche mich beim nächsten Neumond in den Gärten des Königsschlosses. Wenn es uns möglich ist und wenn es dein Wunsch ist, könnten wir dort die unbekannten Kräfte deines Triforcefragmentes entdecken und vielleicht den Grund für deine Vergessenheit der letzten Monate, den Grund für die merkwürdige Krankheit, die dich überfällt, erkennen. Ich werde in den Gärten warten, mit der nahen Gewissheit, dass du nicht erscheinen wirst...

Eine weitere Sache würde ich persönlich mit dir bereden wollen, falls du mich noch als einen Freund respektieren kannst...

In tiefer Zuneigung, Prinzessin Zelda.
 

Link rieb sich unbeholfen über seine Stirn und legte den Brief unachtsam einfach neben die Öllampe. Es interessierte ihn im Moment einfach nicht, was Zelda dachte und was ihr auf dem Herzen lag. Der einstige Held der Zeit schmollte und würde nicht auf den Pfiff der Prinzessin zu ihr in den Schlossgarten tanzen. Nein, dachte Link eingeschnappt, soll’ sie doch selbst vorbei kommen. Sie hatte ihm den ganzen Ärger mit der Ritterschule und in letzter Instanz auch das Latrinenschrubben eingebrockt. Link löschte die warme Öllampe und drehte sich um, zog die weiche Decke über den eingeschnappten Kopf und schlief schnell ein, schlief so tief, wie lange nicht mehr.
 

Es war nur etwa eine halbe Stunde später, dass William Laundry auf Zehenspitzen an das Bett des jungen Helden schlich. Seine smaragdgrünen Augen und seine guten Ohren vergewisserten sich, dass Link tief und fest in seinen Träumen schwelgte. Dies schien der Fall zu sein... Auch er schaute kurz auf den Brief, erkannte das Zeichen der königlichen Familie darauf vermerkt und war zu neugierig, als den Brief nicht ansatzweise durchzulesen. Im hellen Mondlicht hatte William gerade die Sicht, die letzte Zeile zu lesen und erschrak in dem Augenblick, als sein Kopf das Geschriebene verarbeitete. ,In tiefer Zuneigung, Prinzessin Zelda?’ Geschwind legte William den Zettel wieder beiseite. Vielleicht als Resultat seines Entsetzens, seiner Überraschung oder, weil er nun langsam ahnte, dass dieser junge Kerl Link mehr war, als er nach außen zeigen konnte.
 

In dem Augenblick drehte sich der Fünfzehnjährige in dem Bett, unternahm einen lauten Seufzer und der Name der Prinzessin entkam seinen Lippen. Geschwind legte William den Brief wieder auf das Nachttischschränkchen und hastete in sein Bett zurück. Doch das Grübeln bezüglich Link, der ein Held sein sollte, ging weiter und weiter. Wer war dieser Link, dieser verdrießliche Jugendliche, der nicht lachen konnte? Was verbarg sich in der Vergangenheit eines solchen Jungen, dass er bereits mehr Narben trug als ein Mann mit langjähriger Kriegserfahrung? Und aus welchem Grund hegte ausgerechnet die Prinzessin Hyrules eine so tiefe Zuneigung, wie es in dem Brief hieß, für ihn? Er hatte beim Abendbrot nicht gelogen. Er hatte tatsächlich Kenntnis darüber, wer Zelda war und wie sie war...

William Laundry würde dem alten Ritterblut in seinen Venen gerecht werden und dieser fantastischen, unglaublichen Sache auf den Grund gehen!

Als der junge Held der Zeit das Licht seine blauen Augen benetzen ließ, stand sein Zimmergenosse bereits an seinem Schrank und wühlte nervös darin herum. Nicht nur der Krach, den er mit seinem Gewühle fabrizierte, ließ auf seine Spannung und Aufgeregtheit hindeuten, nein, William schien so zerstreut zu sein, dass er sich zwei verschiedene Strümpfe angezogen hatte, seine schwarze Tunika verkehrt herum trug, der Gürtel an seiner Hüfte halb herunterbaumelte und sein hellbraunes Haar aufgewühlt und struppig in die Höhe stand.
 

Link ließ ein Murren aus seinem Mund erlauten und richtete sich auf.

„Morgen“, meinte William, der gerade Verbandszeug in seinen Händen hatte. Verdutzt beäugte der junge Held der Zeit die Bandagen. „Morgen. Was willst du denn damit?“

„Ähm... nichts weiter“, entgegnete der Schüler und knallte das Zeugs wieder in den Schrank. Aber Wills Nervosität schwand nicht. Zappelig nahm er einen Schluck Wasser aus einem Krug und verschüttete bei seinem unglücklichen Trinken die Hälfte. Link ließ sich faul in das Bett zurücksinken und starrte mit leerem Blick an die kratzige Decke. Erneut hatte er etwas Seltsames geträumt und wieder war diese Alte Frau mit den blauen Augen darin erschienen...

Seufzend meinte Link, um sich von dem Traum abzulenken: „Gibt es einen Grund für deine Nervosität?“

„Du bist ein guter Beobachter, nicht wahr?“ Link nickte. William trat näher und setzte sich auf einen runden Hocker vor dem Bett.

„Aber mich wundert es, dass du nicht nervös bist... Heute ist schließlich der Test.“ Link warf Will einen genervten Blick zu, gemischt mit sturer Langeweile.

„Ach so“, sagte der junge Held der Zeit unbeeindruckt. Warum sollte er vor diesem Test auch Angst haben?

„Du bist nicht aufgeregt deswegen?“

„Nein, warum sollte ich?“, sagte Link und seufzte laut auf, schloss seine Augen kurz und dachte heimlich an einige Kämpfe aus der alternativen Zukunft oder die Kämpfe in Termina. Vor so etwas sollte man Angst haben, nicht vor einem billigen Test gegen einen gut ausgebildeten Kämpfer, wie Orson sagte.

Das schockierte Gesicht Wills ignorierend, sah Link nachdenklich aus dem Fenster zu seiner linken.
 

„Du sag’ mal. Du bist zwar mein Mitbewohner, aber ich weiß absolut noch überhaupt nichts über dich.“

„Ja und?“, sagte Link genervt, sprang aus dem Bett und hüpfte in ein paar Latschen. Sofort verstand der junge Laundry, dass Link ein Einmischen in seine Angelegenheit hasste. Und sofort unterband Will seine Fragen.

Link stand nur mit dem Rücken zu Will, fuhr sich durch die blonden Haarsträhnen und meinte leise, weicher als sonst: „Versteh’ das nicht falsch, aber es ist besser für dich und deine Familie, wenn du nicht zu viel über mich weißt.“
 

Damit verließ William verunsichert den Raum und Link machte sich bereit für den Test in wenigen Minuten...
 

Der Test fand in einem abgelegenen Teil des Parks statt. Nur Familienangehörige und einige Lehrer waren anwesend, sowie diejenigen Schüler, die sich der Prüfung unterziehen mussten. Zehn Jungspunde, einschließlich Link, standen aufgereiht vor dem Direktor, der gerade die Platzierung vorlas. Zu Links Bedauern war er der letzte, der an der Reihe war.

Einige Holzbänke waren vor der kleinen Arena aufgebaut. Der Kampfschauplatz war nicht besonders groß und doch breit genug, um ordentlich das eigene Können zu demonstrieren. Dem Weglaufen war hier kein gutes Kraut gewachsen, da die kleine Arena umzingelt mit einem hohen Holzzaun niemanden das Entkommen ermöglichen würde. Ja, in jener Hinsicht hatte dieser Test wahrlich etwas Beängstigendes. Aber weniger gefährlich war der Gegner...

Valiant von Hyrule stand inmitten der Szenerie. Es handelte sich bei dem gutausgebildeten Kämpfer also um keinen anderen als ihn, den Cousin Zeldas...
 

Und eine weitere Kleinigkeit zog Links Interesse auf sich. Ein großer Käfig ganz links, der von einem grauen Tuch abgedeckt wurde. Was sich darin wohl verbarg?

Zudem wurde jeder, der kein eigenes Schwert bei sich trug mit einem aus der Waffenkammer versorgt. In wenigen Minuten würde der erste Test eines Sitzenbleibers stattfinden. Die Jugendlichen trainierten aufgeregt und nervös mit ihren Vätern oder untereinander. Nur Link saß abseits auf der Holzbank und wartete auf das, was da kommen möge.
 

Plötzlich fühlte er eine warme Hand auf der Schulter, und der junge Kerl fühlte sich am Rande der Geschehnisse, als ob das wilde Kampfgeschrei der Jungen mit ihren Vätern erloschen wäre. Trübsinnig blickte er auf und sah die schöne Belle Laundry, die Mutter von William, neben ihm sitzen.

„Hast du niemanden, der bei deinem Test beiwohnt?“ Link schüttelte kurz den schwermütigen Kopf und stützte diesen wieder in die Hände.

„Das macht doch nichts“, sagte Belle mit ihrer warmherzigen Art und deutete mit einem Arm auf die Wiese, wo ihr Sohn mit seinem Vater trainierte.

„Wenn du möchtest, dann beteilige dich an Williams kleinen Kampf gegen seinen Vater.“

„Dieser Mann dort ist Williams Vater?“, sagte Link überrascht. Es handelte sich um einen breitschultrigen Mann mit dunkelbraunem Haar. Und das Abzeichen der Farore haftete an der Ritterrüstung, Link hatte diesen Ritter bei seinem Schlossbesuch gesehen und... er ihn... Oh je, dachte Link. Hoffentlich erinnerte sich dieser Herr nicht daran, dass Link im Schloss herumgestiefelt war.
 

„Ja, das ist Lassario. Mein geliebter Mann“, meinte Belle und lachte. Eine Pause entstand.
 

„William hat uns schon erzählt, dass du mit ihm ein Zimmer teilst. Er hat sich richtig gefreut.“

„Wirklich?“ Das überraschte Link nun doch ein wenig. Wenn man die Abweisung und Gemeinheit, der er diesem William ins Gesicht geschmettert hatte, bedachte, ließ sich wohl kaum abstreiten, dass jener William ein ziemlich geduldiger Zeitgenosse war, der einen Sprung in der Schüssel haben musste, dachte Link...
 

Belles Arm schwenkte und sie deutete zu einem Apfelbaum, wo ein Kind herumsprang, sich anscheinend hinter dem Baum vor sich selbst versteckte. Ein Kind, das genau dasselbe dunkelrote Haar besaß wie Belle Laundry. „Und dieses Mädchen dort“, erklärte sie. „Das ist Lilly. Meine Tochter.“ In dem Moment hüpfte das kleine Mädchen in einem dunkelgrünen Kleidchen mit grauer Schürze bekleidet näher und grinste zu Link, der sofort den Blick unterband.

Sie setzte sich auf den Schoß ihrer Mutter und strahlte Link mit genauso grünen Augen an, wie ihre Mutter sie besaß. „Hallo, Linkelchen“, piepste Lilly und grinste neckisch. Ihre Mutter streifte mit bitterbösem Ausdruck die Lachfalten des Kegels. Es war schon verwunderlich, dass jenes Kind den Namen des Fünfzehnjährigen wusste.
 

„Hallo“, murmelte der unerkannte Held.

„Also Link, wie wäre es, willst du nicht doch noch mit Will und Lassario trainieren?“

Doch der junge Held schüttelte den Kopf, wollte sich nicht beteiligen, da er das Training nicht nötig hatte und sich in das Verhältnis eines Vaters mit seinem Sohn nicht einmischen wollte.
 

„Mami, Mami“, sagte Lilly dann, während ihre durchdringenden, riesigen Glubschaugen beinahe aus den Höhlen fielen. „Das ist doch ein goldener Hylianer.“ Belle zog ihre Augenbrauen nach oben und meinte ernst: „Lilly, mein Schatz, jetzt fang’ nicht wieder mit deinem Hokuspokus an.“

„Aber unser Linkelchen ist vergessen worden“, sagte sie schmollend.

„Lilly!“, meinte Belle nachdrücklich und scharf.

„Du bist unwissend, Mami“, bockte die Kleine und steckte sich ihren Daumen in den Mund. Sie sabberte und sprach trotzdem weiter zu Link gewandt. „Da ist jemand ganz, ganz doll böse auf dich. So richtig böse böse. Und der sitzt im Nebel, in schwarzen Rauch. Mami, Mami, das ist ein ganz böser Ort. Mach’, dass der böse Mann dort nicht weggeht.“ Sie quengelte plötzlich und fing zu weinen an. Geschockt wanderten Links tiefblaue Augen zu dem Mädchen und er erkannte, dass sie mehr wusste, als man ihr zutrauen würde.
 

Sie rieb sich die Augen und schaute auf. „Der Mann hat niemanden lieb. Der ist dreckig, der ist hässlich und hat so einen bösen, bösen Blick.“ Beschämt sah der junge Held der Zeit zu Boden und wich einige Zentimeter nach hinten.

„Lilly, jetzt hör’ endlich auf mit deinem Unsinn!“ Sie entriss sich dem Zugriff ihrer Mutter und hüpfte auf die kleinen Kinderbeine. Sie streckte der Mutter schmollend die Zunge heraus und rief laut umher: „Und trotzdem hat Linkelchen die Zeit betrogen, genauso wie das andere Mädchen mit der blauen Okarina. Linkelchen war weg und ist wieder da.“
 

Mit einem lauten Gezanke stolzierte sie wieder zu dem Apfelbaum und versteckte sich vor sich selbst. Link sah dem kleinen Kind verwirrt hinterher. Woher wusste sie das alles? Dieses Kind wusste um den Betrug der Zeit. Sie wusste von Zelda und sie wusste vom Großmeister des Bösen. Entgeistert ließ sich Link wieder auf die Holzbank sinken und starrte zu seinen Füßen auf das frischgemähte, grüne Gras. Ein Kind wusste alles... Konnte es sein, dass auch andere über die vergessene Zukunft mehr wussten, als es das Schicksal erlauben wollte?
 

„Vergiss’ Lillys Gefasel. Zu jedem sagt sie unheimliche Dinge. Nimm’ es nicht so ernst, Link.“

„Okay...“, meinte er lediglich und spazierte mit den Augen wieder zu Lilly, die ihm verspielt zu winkte.

„Wegen ihrem seltsamen Gerede waren wir bereits bei einer Heilerin, aber sie meinte, es sei für ein außergewöhnliches Kind wie Lilly kein Fluch, sondern eine Gabe. Manchmal erzählt sie Dinge, die sich tatsächlich bewahrheiten, manchmal tut sie so, als wüsste sie die Vergangenheit einiger Menschen um sie herum. Ihrem großen Bruder beispielsweise hat sie prophezeit, er werde der beste Freund des größten Helden Hyrules sein.“

Belle lachte auf, während Link sich verlegen am Kopf kratzte.

„Und wollt ihr deswegen nicht einmal bei einem Weisen Rat fragen. Immerhin hat Lilly schon eine seltsame, verantwortungsvolle Gabe erhalten“, meinte Link scharfsinnig.

„Bei einem Weisen, sagst du?“

„Ja, ihr könntet den Weisen Rauru in der Zitadelle der Zeit um Antworten fragen.“ Belle sah überrascht auf. „Meinst du, er würde seine Zeit für so etwas Minderes hergeben.“ Diesmal war es an Link, der dümmlich grinste und beinahe angefangen hätte zu lachen.

„Zeit? Raurus wahre Gestalt befindet sich schon lange im Jenseits. Sein Geist, der in der Zitadelle wandelt, hat mehr als genug Zeit.“ Die Überraschung in Belles Gesicht stand ihr einfach nicht.
 

Damit lief Link zu Lilly hinüber, die unbedingt einen reifen roten Apfel von einem Ast haben wollte. Sie hüpfte mit aller Kraft und doch erreichte sie den Ast nicht.

„Möchtest du so einen Apfel?“, meinte Link und traute sich irgendwie nicht wirklich die Augen des wissenden, beinahe unheimlichen Kindes anzuschauen.

„Gerne“, quiekte sie und ihre roten Wangenbäckchen erweckten den Eindruck, als wären sie mit Speck eingerieben worden.

Gekonnt krallte Link sich einen Ast und zog sein gesamtes Körpergewicht hinauf. Er pflückte drei Äpfel, alle unterschiedlich gemustert und sprang flink den Baum herunter. „Hier, die anderen zwei kannst du mit heim nehmen.“

„Du bist ganz doll lieb, Linkelchen.“

„Ist gut, Lilly.“

„Der dumme Direktor hat schlimme Sachen mit dir vor. Du musst gleich ganz doll aufpassen. Da hinten in dem Käfig ist was Böses“, meinte sie. Link ging auf seine Knie und zwang sich dazu der Kleinen in die Augen zu sehen. „Wie meinst du das, Lilly.“

„Weiß nicht?“, druckste sie herum und zog ihre Unterlippe über die Oberlippe.

„Wenn du siehst, Lilly. Wie siehst du die Dinge?“ Sie lächelte und hatte plötzlich unermessliche Freude in ihren smaragdgrünen Augen.

„Da ist überall Licht, was zeigt, wohin ich gehen soll.“

„Licht“, sagte Link nachdrücklich und versuchte zu lächeln, auch wenn es ihm einfach nicht gelingen wollte. „Das ist gut, Lilly. Licht ist wunderbar. Geh’ weiter deinem Weg in das Licht, ja?“

Sie nickte und biss genüsslich in einem reifen, knackigen Apfel.
 

In dem Moment ging ein schrilles Pfeifen durch die Luft, welches alle Anwesenden aufblicken ließ. Sir Viktor trampelte mit seinen lackierten Stiefeln und den übertrieben lobgepriesenen Orden und Abzeichen an seiner fettigen Ritterrüstung näher.

„Der Test beginnt“, sagte seine kratzige Stimme und der erste Schüler wurde aufgerufen.

Ein Sitzenbleiber mit Namen Mondrik Heagen, der jedes Jahr diesen Test über sich ergehen lassen musste. Sicherlich besaß jener Junge eine ruhmreiche, traditionsbewusste Familie, und doch war er einfach nicht zum Ritter geboren. Durch sein gewichtiges Äußeres würde man ihn viel eher einer Mönchs- oder Bauernfamilie zu ordnen.

Langsamen, ängstlichen Schrittes wagte er sich in die Kampfarena und das hölzerne Tor hinter dem Jungen wurde abgesperrt. Der Kampf begann. Ein einfacher Kampf, in welchem Valiant behutsam und sicher den Gegner herausforderte und die Schwachstellen testete.
 

Währenddessen streckten Lassario und sein Sohnemann beide ihre Glieder in alle Himmelsrichtungen und machten sich auf der Holzbank breit, wo Link saß und dem Geschehen zu sah. Mehr und mehr erwuchs in ihm das Gefühl, nicht einen Hauch seiner Kampfkünste hier preisgeben zu müssen. Denn Mondrik Heagen beispielsweise hatte fast gar nichts an Technik, die er sauber ausführen konnte.
 

„Du bist also Link“, sagte Lassario und wollte mit dem Jungen anscheinend ins Gespräch kommen. Er hatte eine freundliche Stimme, die sehr klar war. Der unerkannte Held nickte lediglich und sah zu Boden, aus Angst dieser Mann könnte etwas fragen, was für ihn selbst peinlich war, wie die Tatsache...

„Und hast du keinen Nachnamen?“ Genau das hatte Link kommen sehen. Er besaß keinen Nachnamen, denn den wusste er nicht. Kokiris hatten keine Nachnamen wie es in der Außenwelt Gang und Gebe war. In Kokiri waren Nachnamen nicht nötig...

„Entschuldigung“, sagte er und lief aus dem Park hinaus in einen menschenleeren Winkel. Er lehnte sich mit dem Kopf vornüber in einen kleinen Brunnen und beobachtete sein trauriges Spiegelbild. Konnten die Menschen in seiner Umgebung es nicht selbst sehen? Musste er jedem erklären, was mit ihm nicht stimmte?!

Wütend schlug er mit der Faust auf das Gestein des Brunnens auf und kniff verzweifelt die Augen zu.
 

„Hab ich etwas falsches gesagt?“, meinte Lassario, als er Belles schimpfenden, beißenden Blick sah. „Ja, das hast du, werter Ritter!“

„Und was habe ich in meiner geachteten Position nicht bedacht?“, sagte er neckisch, denn er wusste genau, wie er sich mit seiner Frau unterhalten musste, damit sie ihm für seine grobe Art vergab.

„Hast du bemerkt, dass es niemanden gibt, der diesem Jungen beiwohnt. Zum Teufel, ich habe dir das schon mal gesagt, werter Herr. Hast du unser Gespräch von neulich vergessen, Liebster? Ich vermute mal, Link ist wirklich ein Waisenkind“, sagte sie. Ein erstaunter Blick ging aus Williams Gesicht, welches im Augenblick die gleichen Züge aufwies wie das seines voreiligen Vaters.

„Und vielleicht kennt er seinen Nachnamen nicht einmal.“

„Oh...“, meinte Lassario widerruflich. „Das kann ja niemand vorhersehen...“

„Meinst du, das ist der Grund für Links merkwürdiges, abweisendes Verhalten?“, setzte Will hinzu. Belle nickte. „Bestimmt, mein Sohn.“ Und auch William sah trübsinnig drein. Er dachte für einen Moment daran, seine Eltern nicht zu haben, dachte daran, auf der weiten Welt ganz und gar alleine zu sein. Wenn man niemanden hatte, dann war Abweisung und Distanz vielleicht ein Weg mit sich selbst klar zu kommen...
 

Sodann erfolgten lange Kämpfe, jeweils eine halbe Stunde für einen Schüler.

Im Nu waren drei Stunden verstrichen und William Laundry wurde aufgerufen.

„Hals- und Beinbruch, Junge“, sagte Lassario, während in Wills Magen die Hölle umherging.

„Du schaffst das“, meinte Belle anspornend. Und William wagte sich in die Höhle des Löwen.
 

Auch Link kam derweil wieder von einem kleinen Trip rings um das Anwesen. Es linderte den Hass auf sich selbst und kühlte seinen Ärger ab. Trübsinnig setzte er sich wieder auf eine Holzbank und beobachtete mit seinen scharfen, tiefblauen Augen den Kampf. William war nicht einmal schlecht, dachte Link. Und mit ein wenig Übung und einer ordentlichen Portion Fleiß könnte William seinem starken Vater sicherlich Konkurrenz machen.

Nach einer halben Stunde war der Test gelaufen und Valiant gab ein zufriedenes, positives Daumenzeichen. Der junge Laundry hatte den Test mit Bravur bestanden.

Erleichtert und bis an beide Spitzohren grinsend rannte William zurück zu seiner Familie. Ihre Mutter drückte ihn und ihr Vater gab ihm einen Klaps auf den Schädel. Nur Lilly sah traurig blickend zu Link, der das familienidyllische Geschehen neidisch beobachtete.
 

Der Schauplatz leerte sich mit jedem weiteren Kampf. Der vorletzte Schüler war dran und sein Test würde sich in wenigen Minuten entschieden haben. Nur Viktor, vier ältere Schüler, Valiant und die kleine Familie von Will waren noch anwesend.

Auch die Laundrys wollten sich auf den Weg machen, an einem anderen Ort ein Mittagessen zu sich zunehmen. Doch Lilly schmollte. „Können wir Linkelchens Kampf nicht mit ansehen?“, bat sie inständig.

„Linkelchen?“, lachte Will und blickte seine kleine Schwester dümmlich an.

„Ja, unser Linkelchen!“, zürnte Lilly und ging mit den Fäusten auf ihren Bruder los, auch wenn sie bloß bis zu seinen Knien reichte.

„Lilly!“, warnte ihre Mutter. Sie kniete zu ihr und sagte mit Nachdruck: „Link wird den Test gut bestehen. William meinte, er ist ein guter Kämpfer, nicht wahr, Schatz?“ Der Fünfzehnjährige nickte erheitert. Immer noch amüsierte er sich über das seltsame Wort: ,Linkelchen’. Tz... tz... Linkelchen...

„Nein.“, bockte sie und deutete auf den Käfig, den vier ältere Schüler auf Geheiß des Direktor näher an den Schauplatz beförderten.

„Lilly, wir gehen jetzt und Schluss!“ Diesmal war es die Stimme ihres Vaters, der sauer wurde. Doch das kleine Mädchen begann zu weinen und quengelte: „Aber sie tun ihm doch weh.“ Ihr kleines Gesichtchen war rot und verweint und immer noch bockte sie. Sich den Anweisungen ihres Vaters hatte sich das Kind noch nie widersetzt, doch diesmal war es anders. Sie lief heulend einige Meter zurück und legte sich breit wie sie war auf die Wiese, aus Trotz, dass sie jemand mitnehmen wollte.

„Lilly!“, schimpfte Lassario.
 

In dem Augenblick war der Test zu Ende und Link an der Reihe. Langsam lief er auf das Eingangstor zu, zog sein Schwert und wollte gerade zu Valiant in die Arena eintreten, als Viktor aber krankhaft amüsiert rief: „Für dich ist heute die Testung vorbei. Du kannst gehen, Valiant.“ Verwundert trat der Adlige aus dem Trainingsgrund aus und klopfte bloß mit einer Hand auf Links Schulter. „Tut mir leid, Link“, sagte er und lehnte sich dem Geschehen zusehend an eine graue Felswand.
 

Vier ältere Schüler schoben jenen großen rechteckigen Kasten, der mit einer Decke verborgen hielt, was in ihm schlummerte, in die Arena hinein. Ein weiterer Schüler mit einem bedauerlichen, mitleidigen Gesichtsausdruck untersuchte Link, ob er noch andere Waffen als das Schwert bei sich trug. Da dies der Fall war, nahm man ihm seine Dolche und zusätzlich die kleiner Ledertasche mit dem Heilmittel von Zelda ab.

„Was wird das?“, sagte Link entrüstet.

„Dein Test“, höhnte Viktor von außerhalb und machte sich auf einem extra für ihn vorbereiteten Stuhl breit. „Ihr da.“ Und der Direktor deutete auf die jungen Kerle, die seinem Befehl nachgingen. „Verschwindet jetzt!“

Link zögerte und trat nicht in die Arena ein. Stattdessen warf er einen misstrauischen, bissigen Blick zu Sir Viktor.

„Was ist? Willst du deinen Test nicht bestehen? Wenn nicht, dann fliegst du... haha...“ Und der schmierige Kerl lachte nur selbstherrlich und gebieterisch. „Geh’ schon, wir wollen doch, dass der nutzlose Held seinen Test übersteht, nicht wahr? Oder Prinzessin Zelda wird gar nicht von ihm begeistert sein.“ Wütend und das Kämpferblut in seinen Venen nicht unter Kontrolle trat Link in die Mitte der Arena, hörte wie sich hinter ihm das robuste Tor schloss und schaute entschlossen zu dem Käfig, wo sich sein wahrer Gegner verbarg. Stur und eigenwillig ging Link in Kampfstellung, würde niemals vor einem Gegner davon laufen und diesem verdammten Viktor endgültig zeigen, was in ihm steckte.
 

Belle sah kurz zu Link, der eingekesselt in einer Zelle stand und dann wanderte sie mit ihren warmen Augen zu Valiant, der mit ernstem Blick an einer Mauer lehnte. Sie stoppte ihren Ehemann, als er versuchte Lilly auf seine Schulter zu nehmen und sagte mit bangem Blick. „Dort stimmt etwas nicht.“ Ihr Zeigefinger ging zu dem jungen Helden der Zeit, der nur mit einem Schwert in der Hand auf einen übermenschlichen Gegner wartete. Lassarios Gesicht verzog sich, als er den jungen Schüler in dem Gefängnis sah und plötzlich das Tuch über dem Käfig hinabgezogen wurde.
 

Das abscheuliche Abbild eines Blutsmoblins gab sich preis. Die bestialischste, gefährlichste und mordlüsternste Sorte der Moblins. An Höhe zweimal so groß wie ein normaler Moblin, muskelbepackt bis zu seinem verkrüppelten Kopf war ein solcher Gegner dem einstigen Großmeister des Bösen fast ebenwürdig. Dunkle Haut stach an manchen Ecken seiner mit Stacheln besetzen, schweren Rüstung hervor. Schleim und Blut tropften an seinen vernarbten Mundwinkeln hinab. Ein stechendes, böses Glühen kam aus seinen Augen, bereit seinen Gegner gnadenlos niederzumetzeln. Und wie jener Blutsmoblin töten konnte. Zwei Klingen hatte er in je einer Hand und viele zusätzliche Dolche um seinen stinkenden Pelz geschnallt. Von außen wurde quietschend, laut lärmend das eiserne Gittertor hinaufgeschraubt, bis der Dämon brüllend, zischend seine Hände gegen den Käfig stemmte und das harte, verrostete Eisen mit bloßen Krallen auseinander riss.
 

Benommen taumelte Link einige Schritte rückwärts. Seine Augen weit aufgerissen sah er zu Valiant, der ihm nicht in die Augen sehen konnte. Immer weiter trat der junge Held der Zeit rückwärts, spürte das Ende der Arena mit jedem Schritt an seinen Rücken aufprallen. Ein Schrei der kleinen Lilly hallte umher, die sich aus dem Griff ihrer entsetzten Eltern losreißen wollte. Noch ein Aufschrei und wieder ein heller, markerschüttender Klageton.

„Besondere Gäste verdienen besondere Tests“, jauchzte Viktor außerhalb und lachte polternd.

In blankem Überlebenswillen gefangen, sah Link um sich, hastete zu dem Holztor, trat und schlug so kräftig dagegen, wie es nur ging und doch gab es keinen Weg hinaus, aus diesem Schlachtfeld, diesem gigantischen Alptraum.
 

Aufgeregt und schockiert hetzte Lassario näher und packte Sir Viktor energisch am Kragen. Seine tiefe Stimme schallte umher, sodass die Vögel in den Bäumen ihre Schlumpfnester verließen. „Holt ihn sofort dort raus!“, brüllte er.

Doch der Direktor lachte nur und sagte: „Der Kleine dort hat mehr drauf, als die gesamten jämmerlichen Schüler hier. Er wird’s schon überstehen.“ In seinen dunklen Augen glimmte nichts anderes als blanker Wahnsinn hervor. Erbost stieß er Lassario zurück und sagte: „Wenn Ihr unbedingt wollt, dann helft ihm doch. Euren zum Töten unfähigen Sohn könnt Ihr gleich mitnehmen.“
 

Gerade da begann der blutrünstige, mörderische Kampf des jungen Link gegen eine der verderbendrohendesten Kreaturen ganz Hyrules. Mit lautem Brüllen, groben Stapfen seiner mit Eisen bestückten, kantigen Stiefeln preschte das Ungeheuer näher, hatte mit einem Schwung lange, scharfe Schwerter in jeweils einer verkrüppelten, hässlichen Hand. Moblins... der größte Abschaum Hyrules, unfähig Liebe zu zeigen... Sie töteten und mordeten, denn etwas anderes kannten sie nicht. Unzählige Geschlechter jener Rasse des Bösen existierte in Hyrule, unzählige mutierte, widerliche Bestien, die ihre wahren Gesichter vor allem bei Nacht zeigten. Moblins... eine teuflische Brut, perfekt, nur dann, wenn sie auf der Seite des Bösen stehen konnten.

Näher und näher hetzte die Brut des Bösen, während der Boden mit jedem Schritt des Blutsmoblins erschütterte. Hass und Mordlust waren wie Schrauben in die schwarzen Augen des Dämons eingedreht worden, begleitet von dem unheimlichen Stechen und Glimmen der Finsternis.
 

Belle schrie im Hintergrund laut auf, gefolgt von dem Wimmern der kleinen Lilly. William stand geschockt und den Mund sperrangelweit aufgerissen einfach nur neben seiner Familie. Noch nie hatte er einen der gefährlichsten Moblins beim Kampf beobachtet, geschweige denn überhaupt einen lebendigen Moblin gesehen. Das Einzigste, was er je hatte erblicken dürfen, waren einige abgeschlagene Moblinköpfe auf einem Friedhof und einige Pelze von Moblins, die sein Vater von einer Schlacht mitgebracht hatte. Wills Knie zitterten und seine Hände wurden feucht, obwohl er nicht einmal in der Arena stand. Link war es, der hier einen grausamen Kampf hinter sich bringen musste. Doch warum, fragte sich Will? Warum musste der junge fremde Kerl eine solch scheußliche Prüfung hinter sich bringen? Schockiert blickte der junge Schüler zu seinem Vater, der sich lautschnaufend gegen Viktor behauptete und mit jedem weiteren Wort aus Viktors stinkender Kehle, wütender wurde. Und dann wanderte Wills Kopf erneut mit Entsetzen zu dem Kampfgeschehen.
 

Gespenstisch und hart schlugen die Teufelsklingen auf Link nieder, der nur das einfache Schwert als Waffe und Schutzschild einsetzen konnte. Der junge Kämpfer handelte instinktiv, rollte sich geschickt über den Boden und ließ seine Klinge an der dreckigen, rauchfarbenen Wade des Dämons entlang sausen. Aber kein Schmerzschrei erklang, stattdessen wurde das Vieh aufmerksamer, schneller und attackierte mit mehr und mehr Kraft. Mit allem Mut, allem Willen trotzte Link mit seinem Schwert den Angriffen, wehrte die Hiebe ab, achtete auf seine Deckung und doch fühlte er viel zu schnell seine Kräfte schwinden. Der Schweiß triefte von seiner Stirn und lief ihm schmerzhaft in die Augen. Sein Puls beschleunigte sich heftig, sodass das wilde Schlagen und Pochen in seinen Gliedern schon weh tat.

Der Blutsmoblin lachte und trat in einem Moment der Unachtsamkeit nach dem jungen Helden, der nur einen Bruchteil jener einstigen Macht des Helden der Zeit besaß. Sein Körper konnte gegen diesen Gegner im Moment nicht bestehen. Er war zu mitgenommen von den rätselhaften Anfällen und auch Links Herz, seine Tapferkeit und Kämpfergewandtheit von einst waren lange aufgebraucht. Markerschütternder Schrei hallte umher, als Link knackend an einer Wand aufschlug. Regungslos blieb er liegen, während dickes Blut aus einer Platzwunde seines Kopfes sickerte.
 

Sir Viktor lachte bellend auf, genoss seinen Triumph, denn er wollte mit allen Mitteln beweisen, dass der angebliche Held der Zeit nichts weiter als eine große, große Lüge war. Mit allen Mitteln wohlgemerkt, auch mit unfairem Treiben und verachtungsvollen Ansichten. Kräftig höhnend warf sich Viktor in seinem breiten Stuhl hin und her und schien vor Freude am Morden des Moblins zu ersticken.

Lassario blickte mit Entsetzen zu dem Kampfschauplatz, fühlte mehr als nur Mitleid für den Jungen, der regungslos am Boden lag. Seinen Zorn nicht mehr unter Kontrolle packte Lassario den Direktor gewaltsam am Kragen, beförderte ihn mit einem schmerzlichen Schlag von dem Stuhl und setzte ihm ein Schwert an die Kehle. „Schließt endlich die Tür auf! Oder ich verliere den letzten Funken Anstand, Viktor!“, drohte Wills Vater. Doch Viktor schäkerte erneut, ließ nicht mit sich reden und lachte kollernd.
 

Belle hetzte mit ihren Sandalen näher und näher: „So tut doch was!“, schrie sie. Und ihre warme helle Stimme wurde energisch und beißend. „Helft ihm endlich!“ Ihr verzweifelter Blick wanderte vom bewusstlosen Link, der gefährlich nah vom Moblin umzingelt schien zu Valiant, der ebenso fassungslos zu sah, sich nicht rührte und dessen kreidebleiches Gesicht sich kaum vom Mauerwerk abhob.

„Ihr dort, Valiant“, rief Belle aufgeregt, während Will vergeblich versuchte seine kleine, weinende Schwester zu beruhigen. „Tut etwas! Warum tut denn niemand etwas?“
 

In dem Augenblick bewegten sich Link in Dreck gefärbte Hände, wanderten nach vorne und die linke zu dem Heft seines Schwertes. Er schnappte erbarmungslos nach Luft, wie ein ertrinkendes Lamm, welches sich nicht retten konnte. Link kämpfte, auch wenn seine Beine und Arme zitterten. Mühsam zerrte er sich an dem Schwert nach oben, stützte sich einige Sekunden darauf ab, fütterte seinen Lebenswillen mit Gedanken an die alternative Zukunft, besann sich, wollte sich an sich selbst und seine Stärke erinnern. Blut rann über seine Stirn, tropfte an der rechten Augenbraue hinab und perlte sich wie ein kostbares Gut an seiner Wange, bis es trocknend auf den staubigen Boden fiel. Taumelnd bewegte er sich vorwärts, Stück um Stück näherte er sich dem widerlichen Ungeheuer, dessen teuflischer Gestank nach Hölle und Blut durch die Luft gierte. Ein kurzer verächtlicher Blick aus Links Augen sendete eine Schockwelle zu Viktor, der nicht einmal den Sinn des Blickes verstand.

Verfolgt und erneut gefangen in den Kämpfen gegen das Böse trat Link auf seinen bleischweren Beinen näher, griff das Ungeheuer ohne mit der Wimper zu zucken an. Denn er musste kämpfen, nicht nur, um seine Haut zu retten, sondern vielleicht um damit seine Seele zu heilen. Er musste kämpfen, eine Wahl hatte er nicht.
 

Der Überlebenskampf näherte sich einer zweiten Runde und Link hetzte todesmutig näher, wich den scharfen Klingen der Kreatur geschickt aus und vergrub das Schwert mit einem wilden Kampfschrei in der Brust des Monsters. Einige lange Sekunden voller Stille raubten dem Wind seine Fähigkeiten. Kein Blatt raschelte. Der staubige Boden wurde nicht mehr aufgewirbelt. Das Ungetüm zischte, warf sich zurück, schickte seine Schwerter in einem zügellosen Reigen umher und schoss jene Teufelsklingen in die hölzernen, robusten Wände. Aber kein schwarzes, unheilvolles Blut spitzte und kein Schmerzenschrei des Dämons war zu vernehmen. Es war dem Sterben zu müde und der Welt des Bösen zu schade, als dass es gehen sollte.

Ein heftiger, brutaler Kampf, verfolgt von vielen entsetzten Augen, näherte sich dem Höhepunkt. Im Hintergrund das durchbohrende, amüsierte Lachen Viktors, das geängstigte Wimmern und Weinen der kleinen Lilly und das hilflose Geschrei Belles.
 

Ein die Haut aufreißender, sich in die Unschuld einer Seele grabender Morgenstern, vorher befestigt am Rückrat des Giganten, war nun die mörderische Waffe gegen die Link alles geben musste. Er sprang zur Seite, fühlte den Boden vibrieren, als sich der Morgenstern in den Sand hineinfraß. Und doch schwanden Links Kräfte zusehends. Er schwitzte, fühlte sich am Ende, und doch hielt ihn seine eigene Sturheit davon ab, den Versuch zu wagen, an der Holzwand hinaufzuklettern. Ich laufe nicht weg, sagte sein jugendlicher Hochmut und dennoch, so erkannte er, würde er jenen Kampf nicht überstehen.

Denn mit jedem Hieb, mit jeder Attacke des Bösen begannen Links Arme mehr und mehr zu zittern, etwas, was ihm noch nie geschehen war. Zittern... das dümmste und kläglichste, was einem Heroen in Kämpfen gegen das Böse passieren konnte. Der Held der Zeit zitterte und fühlte sich schwach. Der Held der Zeit wurde zum Schwächling, manifestierte es sich in Links Gedankengängen. Ich bin nicht mehr der Held der Zeit, sagte eine kindische Stimme in ihm, die flehte, die aufgeben wollte...
 

Link blieb plötzlich stehen und auch der Moblin stoppte seine Attacken, aus Unverständnis, aus mangelnder Notiz, dass sein Gegner nicht fähig war zum Töten und nicht fähig war, überhaupt zu kämpfen...

Der Moblin schmetterte seinen mit Stacheln besetzen Morgenstern nach ihm und wirbelte jenen durch die Luft, doch Link kapitulierte und blieb stehen. Irgendetwas stimmte nicht mehr. War er denn jemals der Held der Zeit gewesen? Link begann wahnsinnig zu lachen, zog sein blutüberströmtes Haupt in die Höhe und lachte lauter und schriller als Viktor es tat.

Erschüttert verstummte der Direktor, die Laundrys und auch Valiant, der trotz allem beeindruckt zu sah, den Gedanken hegte, dass noch nie jemand sich alleine einem Blutsmoblin auf weniger als zwanzig Meter genähert hatte. Und Link lachte, ließ sein Schwert fallen und fauchte: „Töte mich ruhig, ich bin ein besseres Monster als du!“

Aufgebracht, wütend, wie eine Wildsau, raste das Ungetüm auf den Helden zu, der die Arme in die Breite gezogen seine Augen schloss und vielleicht auf ein Wunder hoffte.
 

Dann ging alles viel zu schnell. Ein riesiger Schreckensschrei hallte durch die Luft und kam doch nicht von innen der Arena, ließ den Moblin und auch Link in seinem Tun blenden. Sir Newhead rannte angestochen näher, winkte Lassario und Valiant zu und fauchte: „Worauf wartet Ihr?“ Hastig kletterte er eine Holzleiter hinauf, sprang mit Schwert und Schild bewaffnet auf die Kampffläche und versetzte einige harte, schmerzliche Hiebe dem teuflischen Gegner. Valiant, der sich endlich gegen das Wort des Direktors behauptete, folgte zusammen mit Lassario. Drei Schwerter, verbunden im Team, zwangen den Blutsmoblin nieder und versetzten der Brut des Bösen den finalen Stoß.
 

Stille herrschte nun in dem kleinen Schlossgarten, überschattet lediglich vom Rauschen des Windes und dem pfeifenden Atmen Links, der ungläubig vom toten Boden aus zu den drei Kämpfern blickte. In sich gekehrt und leblos wanderten seine tiefblauen Augen hinab, er ignorierte das Flüstern Wills, der seiner Mutter etwas wissen ließ.

Sir Newheads Stiefel kamen näher, denn mehr sah Link nicht. Er registrierte noch eine helfende Hand vor sich, die er aber beleidigt und enttäuscht von sich selbst, den Kampf nicht alleine gemeistert zu haben, schmerzhaft wegschlug. Zu stolz, zu eitel und zu kindisch um Hilfe anzunehmen... Benommen und taumelnd trat Link auf seine zitternden Beine, versuchte sich zu dem verschwommenen Holztor zu bewegen. Er ignorierte den entschuldigenden Blick Valiants und den mitleidigen Lassarios. Es machte keinen Sinn für ihn. Konnten diese drei ihm denn mit Blicken etwas geben, was er brauchte, nein...
 

Als das Tor geöffnet wurde, standen alle außer Link starr. Alle blickten reumütig, Verstand und Herz noch im Kampf mit den Ereignissen. Nur Link setzte langsam einen Fuß vor den anderen, nahm die Gürteltasche mit Zeldas Heilmittel an sich und folgte mit leerem Blick, stur und teilnahmslos dem Weg, verabscheute einen Blick in Viktors selbstgerechtes Gesicht, wo neben Verachtung Hass heraustrat und lief, lief weiter vor sich selbst und seiner grausamen Vergangenheit davon.
 

Es war nur wenige Meter weiter, dass Link ungesehen von anderen Augen, überwältigt von dem Blutverlust, dem ohnehin schwachen Gefühl in seinen Gliedern und der merkwürdigen Krankheit, die langsam seine Venen zerfraß, auf die Knie brach...

Mit einer Hand auf ihrem Herz stand Prinzessin Zelda an einem hohen bunten Spitzbogenfenster in einem Empfangszimmer. Sie sah nachdenklich, fast mutlos, hinaus in den Himmel, wo graue Wolken das strahlende Blau verbargen. Und je länger sie dem melancholischen, langsamen Ziehen der Wolkenschleier zu sah, umso erdrückender und stärker wurde ein einzelner Gedanke. Ein Gefühl. Eine Ahnung, die von einem Umbruch in ganz Hyrule erzählte.

Die Zeiten waren in Gefahr. Das was geschehen ist, das was noch geschehen sollte, da das Schicksal als oberste Macht es so wollte, zerbrach an einem Ereignis der Vergangenheit. Etwas würde geschehen und das alte Kräftegleichgewicht würde sich wieder preisgeben, bewahrheiten und alles Leben vor eine große Prüfung stellen...
 

Trübsinnig hob die Prinzessin ihr edles Haupt und konnte es doch sehen, fühlen und erahnen. Die Zeit... das Schicksal... all dies würde sehr bald nicht mehr dasselbe sein...
 

Ein Klopfen an der verzierten Eichenholztür riss sie aus den Gedanken, die das Wohl Ganz Hyrules im Sinn hatten.

„Bitte...“, sagte sie laut und drehte sich vom Fenster weg, stolzierte mit ihrem schweren Gewand- beim Triforce, wie sie diese Kluft hasste, vor allem die schweren, goldenen Schulterplatten- zu einem großen dunklen Schreibtisch und entzündete mit einem Hauch Magie einige Kerzen in der zunehmenden Dunkelheit.

Ein Ritter trat in den Raum. Braunes, kurzes Haar und undefinierbare Augen sahen gedemütigt zu Boden.
 

„Guten Abend. Warum ersucht Ihr Audienz, Newhead?“, meinte Zelda kühl und ahnte doch den triftigen Grund für das Erscheinen dieses Lehrers. Zelda selbst hatte vor wenigen Stunden abschreckende, schmerzhafte Gefühle bei einem Gedanken an ihren Seelenverwandten empfunden. Etwas stimmte nicht... als ob man den Daseinsgrund des einstigen Helden der Zeit auszulöschen versuchte.

„Verzeiht die späte Störung, Prinzessin...“, meinte der Lehrer des Allerlei- Trainings und blieb gebrandmarkt vor dem Schreibtisch der fünfzehnjährigen Prinzessin stehen. Er legte den Orden ab, welchen er vor wenigen Stunden von der Prinzessin erst erhalten hatte.

Der Triforce- Orden. Eine Anerkennung für beispiellose Taten.
 

„Ich bin des Abzeichens des Triforce nicht würdig.“ Zelda lehnte sich zurück und blickte den jungen Mann verständnisvoll an.

„Newhead... vor wenigen Stunden habe ich Euch ins Vertrauen gezogen. Ich erzählte Euch von Link, dem Helden der Zeit, sowie vom alternativen Zeitpfad. Ich erzählte Euch von den Geschundenen der Macht, die Euch bereits ein Begriff sind. Und meine Entscheidungen verfehlen nicht den Sinn, den ich ihnen zumesse. Nehmt den Orden wieder an.“
 

Aber der Lehrer schüttelte trübsinnig den Kopf. „Ich konnte ihn nicht beschützen, Prinzessin, Ich habe versagt.“ Zelda blickte mit ihrer warmen Art auf das goldene Abzeichen, welches unbedeutend und nutzlos auf dem Schreibtisch ruhte. Sie nahm den kleinen Anhänger in ihre Hände, stand auf und trat nur wenige Zentimeter vor Newhead. Sie schaute mit ihren wissenden, blauen Augen in die undefinierbaren des gutmütigen Ritters.

„Glaubt Ihr denn, dass es so ist?“, sagte sie sanft. Aber der Ritter schüttelte nur den Kopf und starrte in den flammenden Docht einer Kerze.

„Ihr habt nicht versagt.“

„Aber er wurde ohne Vorwarnung in diesen Käfig mit einem Blutsmoblin gesteckt und ich war zu spät, um...“

„Um was zu verhindern? Zu verhindern, dass Viktor den jungen Helden der Zeit auf diese Weise herausfordert? Um zu verhindern, dass Link gegen einen Blutsmoblin kämpft?“, sagte Zelda energisch und lief aufgeregt zurück hinter den Schreibtisch.

„Nein... ich wäre beinahe zu spät gekommen, um zu verhindern, dass Link sich selbst aufgibt.“
 

Die Prinzessin führte eine Hand an ihre Stirn, kämpfte mit einem inneren Druck in sich, welches ihr zuflüsterte, wie schlecht es dem jungen Helden der Zeit im Moment ging. Es flüsterte und rief sie. Schon wieder. Immer wieder und es quälte allmählich...

„Ich weiß...“, flüsterte sie leise. Verzagtheit war es, was nun aus ihren Worten erklang.

„Aber Ihr seid nicht zu spät gekommen“, sagte sie warmherzig und drehte sich um. Die Hoffnung persönlich strahlte aus den Augen der blonden Hylianerin. Hoffnung und Zuversicht.

„Und dennoch habe ich Euer Vertrauen, Eure Hilfe, ein neues Leben zu beginnen, nicht verdient. Es wird der Tag kommen, da ich zu spät sein werde.“ Sie schüttelte den Kopf. „Nein, dieser Tag wird nicht kommen, denn Link wird zu seinem wahren Ich zurückkehren, noch bevor Ihr ihm ein weiteres Mal zur Seite stehen müsst.“ Sir Newhead beugte schwerfällig das Haupt.

„Und auch für Euch wird der Tag kommen, da alles gut wird“, meinte sie.
 

Eine Pause entstand, in welcher Zelda mit langsamen Schritten an das Fenster trat und erneut den rauchiggrauen Himmel besah, sich wünschte, er wäre nicht so vergänglich wie es die Wirklichkeit für ihn bereithielt.
 

„Verzeiht mir die Frage, aber wie könnt Ihr mir Vertrauen schenken, Prinzessin? Nach allem, was man mir vorwirft, mir, demjenigen, der nur ein verfluchter Schwindler ist.“

„Ich kenne Eure Geschichte und seid Euch gewiss, dass ich nicht nur sehe, was ich sehen will. Sondern die Wahrheit“, sagte Zelda entschlossen und spürte das Umschlagen des Wetters. Ein Gewitter näherte sich... und jener Sturm würde lange dauern, viel zu lange, als dass ein Gott ihn verhindern könnte. Denn jener Sturm beschwor die Geschichte Hyrules selbst. Jener Sturm war grausam stark...
 

„Ihr seid ein guter Mensch, auch wenn man Euch beschimpfte ein Schwindler zu sein. Es hat doch niemand Verdacht geschöpft?“

„Nein, meine wahre Identität ist weiterhin ein Geheimnis, nur Link wird es wahrscheinlich herausfinden.“

„Ja, das hoffe ich“, sagte Zelda erheitert. Denn Link brauchte Freunde und dieser Ritter mit der nebulösen Vergangenheit, mit den vielen Verlusten in seinem Leben, war dem jungen Link nicht einmal unähnlich.
 

„Prinzessin, ich habe eine Bitte.“

„Und die wäre?“

„Setzt Viktor als Direktor ab. Er ist unehrenhaft, handelt unfair und nutzt seine Vorteile auf hinterhältigste Art und Weise aus.“ Zelda schloss traurig die Augen.

„Verzeiht, aber das liegt nicht in meiner Macht. Noch nicht.“

Entsetzt breitete Newhead seine Arme auseinander. „Warum?“

„Ich kann ihn erst nach vier Wochen Tätigkeit und nach einem weiteren fatalen Fehler seines Amtes entlassen.“

Newhead wurde rasend vor Wut: „Aber wenn das so weiter geht, dann bringt Viktor den Kleinen noch um! Das kann Euch doch nicht egal sein!“

„Glaubt Ihr, es ist mir gleich?“, meinte Zelda leise und verzweifelt. In jenem Moment verriet die stolze Prinzessin erstmals Schwäche vor dem jungen Lehrer der Ritterschule.

„Link ist mir das Teuerste und Wertvollste in meinem Leben. Ich würde mich hassen, wenn ihm etwas zustößt.“ Newhead neigte sein Haupt zum Boden und murmelte mitleidig: „Dann wird es Euch schmerzen, zu hören, dass Link nach dem Vorfall spurlos verschwunden ist...“ Newheads Stimme wurde leiser und leiser.
 

Doch das konnte Zelda nicht wissen. Diesen Umstand hatte sie nicht gefühlt. Erschrocken wand sie sich zu Newhead und taumelte einige Meter näher.

„Wie meint Ihr?“

„Nach dem Kampf hat ihn niemand mehr gesehen. Ich habe überall nach ihm gesucht und doch scheint er wie vom Erdboden verschluckt.“

Zelda blickte uneins mit sich selbst zu dem deutlich erkennbaren Triforcemark auf ihrer Hand. „Aber ich kann seine Anwesenheit fühlen. Und ich fühle, dass er sich nicht in Lebensgefahr befindet“, sagte sie standhaft.

„Nun gut“, ergänzte sie und schaute entschlussfreudig zu einer Pendeluhr, die ihre Schläge in die Nacht hinausträllerte. Ohne weiteres zog sie sich einen grauen Umhang über, um nicht von jedermann erkannt zu werden. Sie wand ihr gottesgleiches Abbild dem jungen Ritter entgegen und meinte klar und entschieden: „Es ist bereits zwölf Uhr und doch... lasst uns aufbrechen.“

„Ihr möchtet in die Schule?“

„Genau das ist meine Absicht.“

„Aber Euer Vater würde...“

„Mein Vater hat keine Macht vorzuweisen, um mich festzuhalten oder mich daran zu hindern, einem Freund zu helfen. Außerdem sind es auf dem kürzesten Weg zu Pferde nur drei Stunden bis zur Schule“, sagte sie kühl und Newhead verlor schnell das Wort gegen die zukünftige Herrscherin.
 

Zelda schnallte einen Gürtel mit ihrem Lieblingsschwert, ein Langschwert, um die Hüfte und zog eine graue Kapuze über. Fast zornig entkam es ihr: „Ich habe eine Mission und mit Sir Viktor ein großes Huhn zu rupfen. Auf geht’s, Nicholas.“ Der junge Ritter nickte lediglich, erstaunt über diese Prinzessin und ihre vielen, irrsinnigen und bemerkenswerten Gesichter.
 

In der Nacht um Drei, kein Mond leuchtete an düsteren Himmel auf, trabte Prinzessin Zelda in Begleitung Newheads mit ihrem treuen Ross Silberregen in den Innenhof der Ritterschule. Ein Stallbursche schien sehr irritiert, als er dem Lehrer und der Unbekannten die Pferde abnahm, grummelte während seines Weges. Wer bei den Göttern konnte es sich wagen, den armen Stallburschen um die Uhrzeit aus seinem Bett zu befördern? Brummerisch führte er die Pferde ab.

In dem Moment, zog die weise Prinzessin des hylianischen Landes ihre graue Kapuze zurück und erweckte den Anschein sich das erste Mal hier zu befinden. Ihre durchdringenden, glühenden Augen schweiften zu den hohen Zinnen der Jungenschule, wanderten auf Suche und Vorahnung weiter, bis sie sich in der Nähe der hohen Laubbäume des dunklen Waldes manifestierten, dort verhaarten, als ob sie gefunden hatte, was sie suchte.
 

Ein angenehmes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Ich weiß, wo sich Link befindet...“, sagte sie. „Und er möchte allein sein.“ Newhead verfolgte nachdenklich ihren Blick, aber konnte sich daraus keinen Reim machen.

„Aber jetzt werde ich Viktor um seinen Schlaf bringen. Der wird nie wieder ruhig schlafen“, sagte sie überheblich und ballte ihre Fäuste. Die hilflose Lehrkraft stand nur daneben und fragte sich inständig, ob es eine richtige Lösung war, die Prinzessin in ihrem zügellosen Temperament auf Viktor loszulassen und ob es richtig wäre, nicht einzuschreiten...
 

„Folgt mir, Prinzessin“, meinte Nicholas und lief auf das hohe Eisentor der Jungenschule zu. Es dauerte nicht lange und die beiden Hylianer durchquerten mit Fackeln in den Händen einen langen Gang.

„Nicholas, eine weitere Frage“, begann Zelda. „Wo war Valiant, als Link seinen Test meistern musste?“

„Er stand einfach nur daneben.“ Zelda schnaufte enttäuscht und eine ungewöhnliche Bitterkeit gegenüber ihrem Cousin stieg in ihr auf. Stets hatte sie Valiant Vertrauen geschenkt. Stets hatte er ihr zugehört. Warum war er nicht eingeschritten? Wollte er zu sehen, wie Link litt? Wollte er vielleicht nur wissen, wozu der Held aus den Legenden fähig war? Valiant, dachte sie, wie kannst du nur so grausam sein...
 

Während sie so dem Gang folgten, spürte jener Ritter, der ein neues Gesicht dank Prinzessin Zelda trug, ein paar Augen in der Dunkelheit. Überraschend und ohne Vorwarnung stürzte sich Nicholas zur Seite und packte einen Jungen am Kragen, der heimlich durch die Gänge stöberte und nach Hinweisen auf den Verbleib seines Zimmergenossen suchte.

Kreischend laut klagte eine tiefe Knabenstimme auf, als er mit dem Kopf an die Wand gedrückt wurde. Erst als Newhead die Fackel zu dem Gesicht des Jungen führte, schwand dessen Misstrauen und er ließ das Schwert sinken.
 

„Beim Triforce, ich habe doch niemandem was getan?“, schimpfte der Fünfzehnjährige und riss sich aus dem Zugriff des Lehrers, während in den Gängen die Fackeln knackten. Prinzessin Zelda trat näher und gab ihr wunderschönes Abbild preis. Ihre liebreizenden Augen lasen eindringlich in den smaragdgrünen des Jungen.

„Was...“, murmelte der Knabe verwundert, als er die junge Schönheit bewunderte. Prinzessin Zelda kicherte und legte sich eine Hand über den Mund. Sie kniff die Augen zu und lachte. Will wurde feuerrot, und dachte schon, ihm wären Hörner gewachsen, seine Tunika wäre irgendwo zerrissen oder er hätte seine Strumpfhose verkehrt herum an. Denn er verstand nicht, warum er so belächelt wurde.
 

Auch Newhead fand ein Grinsen und meinte: „Was machst du denn noch so spät hier, Will?“

Er knurrte erbost und blickte die Dame ihm gegenüber bissig an. Wehe, du lachst weiter, sagte er sich. Vielleicht sollte jemand den Junge darüber aufklären, dass die Prinzessin des Schicksals ihm gegenüber stand.

„Verdammt, ich suche bloß was...“

„Tatsächlich?“, sagte Nicholas belustigt.

„Ich suche nur meinen Mitbewohner, der hat sich nämlich nicht mehr blicken lassen.“ In dem Moment mischte sich Prinzessin Zelda ein und reichte Will eine warme, mit einem Handschuh überzogene Hand. Doch der Junge beäugte das Gesicht der reizenden Lady lediglich, wusste nicht, dass es solche Schönheit überhaupt gab. Wer zum Teufel war sie? Ein Engel, geisterte es in seinem Kopf herum. Eine Fee?
 

„Du suchst nach Link?“, meinte sie mit ihrer warmen, beruhigenden Stimme und lächelte ihm freundlich zu. Doch Will musste sich zusammenreißen, nicht auf der Stelle vor diesem gottesgleichen Geschöpf auf die Knie zu fallen und versank in seiner Schamesröte. Er nickte verlegen.
 

„Man könnte meinen, du bist mit Link irgendwie verwandt. So ähnlich bist du ihm. In deinem Auftreten, deiner Art...“

„Wer... bist... du?“, sagte Will leise und langsam.

Aber Zelda lächelte bloß und erwiderte: „Das wirst du früh genug herausfinden, William Laundry. Suche nicht nach Link, er ist an einem Ort, wo ihn niemand finden wird, denn er sucht die Einsamkeit...“ Ihre Stimme wurde trübsinniger mit jedem Wort, das sie sagte.

William sah die Dame unentwegt an und begann schon zu schwärmen. Himmel, dass es so was gibt, dachte er. Er hatte bisher nicht den Draht, nicht den Hang oder das Interesse an Mädchen verspürt. Aber das... dieses Mädchen. Sie war einfach... überwältigend.
 

„Geh’ zu Bett. Wenn Viktor dich erwischt, darfst du sonst Toiletten putzen gehen. Gute Nacht, William“, sagte Newhead und führte die junge Dame weiter des Weges.
 

Es dauerte nicht lange und Prinzessin Zelda stand mit fabulös entschlossenen, erhabenen Blick vor dem großen, luxuriösen Büro des Direktors. Der kann sich auf was gefasst machen, dachte sie und klopfte mit Unterstützung ihrer Magie ohrenbetäubend, einen schrillen, unechten Klang hinterlassend an die Eichenholztür des angeblichen Geschäftsraumes.

Ein kratzender Schrei ertönte von innerhalb.

Ein Murren und dann ein metallisches Knistern, so als ob Viktor seine Schwertklinge hatte fallen lassen, erweckten Zeldas Zufriedenheit und bescherten ihr Freude bei dem Gedanken, dass sie diesen Tyrannen Viktor tatsächlich aus seinen Träumen gerissen hatte.

Die Prinzessin Hyrules lachte und schaute Newhead äußerst feixend in die undefinierbaren Augen, bis plötzlich mit aller Gewalt das Schloss geöffnet wurde und die Tür mit einem Schlag an eine Backsteinmauer knallte.
 

„WER ZUM TEUFEL MACHT SICH UM DIESE UHRZEIT WICHTIG?“, kreischte der Direktor, der nur mit einer Unterhose begleitet und ein scharfes Schwert in der Hand danach gierte, dem Störenfried die Kehle durchzuschneiden.

Verachtend musterte er die junge Schönheit und den neunmalklugen, neuen Lehrer für die unterschiedlichen Trainingsstunden.

„Sir Viktor. Es wird Zeit, Euch in jene Schranken zu weisen, die Ihr bisher nicht kanntet“, sagte Zelda stur. Nicht ein Funken Nervosität, keine Furcht vor dem miesen, brutalen Antlitz des Direktors ließ sie sich anmerken. Beinahe erstarrt stand Viktor nun vor seinem Büro und schaute ungläubig in Prinzessin Zeldas Antlitz.
 

„Gewährt Ihr uns Eintritt oder muss ich mir diesen mit anderen Mitteln verschaffen?“, sagte sie ruhig mit einem sarkastischen Unterton. Augenblicklich trat Viktor zur Seite und glotzte angewidert der jungen Schönheit hinterher, als sie in sein Arbeitszimmer schritt. Mit Stolz und Eleganz, die nur die Prinzessin des Schicksals auszeichnete.
 

Murrend folgte Viktor und im Anschluss der neue Lehrer Newhead, dessen wahre Identität ein großes Geheimnis darstellte. Das Büro war ziemlich verwüstet, verschiedene Dinge lagen auf dem Boden und der Schreibtisch war vollkommen leergeräumt und zwischen drin, das Auffälligste, lagen teilweise zerfetzte Kleidungsstücke.
 

Ein bissiger, unbeherrschbarer Kommentar kam Newhead über die Lippen. „Hattet Ihr eine wilde Nacht, was?“, muckte er und sah Viktor streitsuchend in die Augen.

Zelda schritt ein und meinte laut: „Newhead! Wir sind in einer dringenden Mission hier, ich habe keine Lust und Zeit Eure und Viktors Streitereien zu bekunden.“ Sofort schaute Newhead zu Boden und unterband den Hass, das Rachegefühl, gegenüber dem Direktor.
 

Lachend und äußerst überheblich ließ sich Viktor in einen breiten Sessel sinken.

„Also, was führt Euch hierher?“, sagte der Vierzigjährige kollernd, wollte Zeldas Scharfsinn, ihre wunderbare Tugend und Stärke, sowieso nicht als wahr erachten und setzte belustigt hinzu: „Sucht Ihr nach einem jungen, knackigen Kerl hier in der berühmten Ritterschule?“ Zeldas Blick wurde tosend, flüchesaugend. Ein einziges Wort aus ihrem Mund und der Direktor der Schule wäre Geschichte.

Newhead schlug mit der Faust auf den Tisch: „Wie redet Ihr eigentlich mit der Prinzessin?“

„Ach... Ich muss wohl übersehen haben, dass so eine weitsichtige und intelligente Person vor mit sitzt“, sagte er kalt, während seine schwarzen Augen dafür sorgten, die Kälte im Raum zu steigern.

„Wenn Ihr mich noch mehr anwidern würdet, könnte ich sehr schnell meine Manieren verlieren...“, sprach Newhead gelassener und setzte sich ebenfalls auf einen Holzstuhl.
 

Zelda führte nachdenklich eine Hand an ihr Kinn, funkelte Viktor an, als würde sie seine Lebensgeschichte aussaugen und drang mit ihren leuchtend blauen Augen zu den widerlichsten Seiten seiner Seele hervor.

„Eure Ansichten, Euer fehlendes Mitgefühl, der kranke Wahnsinn sich am Leid anderer zu erfreuen, führt mich hierher“, sagte sie selbstbewusst und unterband nicht den Blick in jene eisigen, selbstherrlichen Augen.

Viktor lachte kratzend auf. „Haha... Redet Ihr von der Testung des armseligen Helden der Zeit?“ Zeldas Puls stieg an. Vor Wut kochten ihre Wangen und das Triforcefragment sendete leichte Schockwellen aus, die selbst Newhead schon bemerkte. Gerade dieser demütigende Satz brachte die Ruhe aus Zeldas Gemüt. Es war Link und das schlechte Gerede über ihren liebsten Freund, der dazuführte, dass Zelda ihre Selbstbeherrschung verlor.
 

„Er hat’s doch überstanden, nicht?“, schmunzelte Viktor. „Oder schadet es Eurem hübschen Gesichtchen, dass er auf diese Weise getestet wurde. Habt Ihr Gefallen an diesem unschuldigen, dämlichen Jungen gefunden und bezeichnet ihn deshalb als einen Helden, der nicht real ist?“ Zeldas Blick wandelte sich und ihre Hände schwitzten. Ihre Augen blinzelten nur kurz, eine Druckwelle baute sich vor ihr auf und Viktor wurde grob und zielsicher von seinem bequemen Sessel gestoßen. Er fiel rücklings nieder und stieß einen quälenden Schrei aus. Sie stand auf und nun war es nicht mehr die liebliche Zelda, die Worte der Ernüchterung sprach. Es war beinahe gottesgleich und tyrannisch, wie sie sich darstellte.

Ihre Stimme wurde tief und drohend: „Fordert mich nicht heraus, Viktor!“ Und der Kerl krabbelte angstverzerrt in Richtung des Fensters. „Ihr seid der billigste Abschaum unter den Rittern Hyrules. Es würde mir ein Vergnügen sein, dafür zu sorgen, Eurem kranken Wahnwitz ein Ende zu machen.“ Und diesmal schwieg Viktor.
 

In dem Moment wurde eine kleine Verbindungstür aufgerissen und eine mit Höschen und Korsett begleitete Halbgerudo trat in den Raum. Feurig langes, gekräuseltes Haar fiel ihre Schultern hinab und zwei unterschiedlich farbige Augen blickten beinahe besorgt zu dem niedergeschmetterten Direktor. Allein an ihrem Auftreten erkannten Zelda und auch Newhead, dass sie aus den niedersten Kreisen stammte und vermutlich von den Gerudo aufgrund ihrer Halbzugehörigkeit verstoßen wurde.

Gerudoblut war gewöhnlicherweise äußerst dominant. Nur wenn zu viele Einflüsse von außerhalb vorlagen – denn irgendwo mussten sich Gerudos ja die notwenigen lebensspendenden Säfte beschaffen, um sich fortzupflanzen – dann machten sich jene hylianische Einflüsse im Aussehen der Kinder bemerkbar.
 

„Ich sagte, du sollst im Nebenraum bleiben, Weib!“, giftete Viktor, worauf die junge Halbgerudo wiederrufend und beinahe ängstlich in das Nebenzimmer hastete und die Tür verriegelte. „Keine Gehirnzellen, diese Schlampen...“, nuschelte Viktor dem noch jungen Mädchen hinterher.
 

Erneut ein hitziger Kommentar aus Newheads Mund: „Soso, Ihr erfreut Euch anscheinend wieder an jungem Frischfleisch?“, giftete der unerkannte Nicholas. „Genügt es Euch nicht eine schöne Frau zuhause zu haben?“ Spott und Hass lagen in Newheads Worten und doch trumpfte Viktor nur lachend auf. „Nein, natürlich nicht. Zwei sind besser als eine.“ Viktor stand vom Boden auf. Prinzessin Zelda legte stolz und kopfschüttelnd ihre graue Kapuze über den blonden Schopf und wischte sich über die energiegeladene rechte Hand.

Mit langsamen Schritten wandelte sie zur Tür. Ohne sich umzudrehen sagte sie. „Sehr bald werdet Ihr nicht mehr lachen, den Ruf dieser Schule in den Schmutz ziehen und den Helden der Zeit schaden können. Doch heute noch habt Ihr eine Chance verdient, Euer verlogenes Ich in tiefste Kerker zu schließen. Wenn Ihr aus diesem Rat keinen Nutzen zieht, wird Euch das Schicksal einholen, welches für Euch vorgesehen ist.“

Mit diesen rätselhaften Worten endete Zelda, und öffnete ohne ihre Hände zu bewegen die Tür. Auch der unerkannte Nicholas verschwand aus dem Büro und verabschiedete die Prinzessin...
 

Als die feurigrote Morgensonne ihren wärmenden Schein über das Land senkte, ihre Ausläufer an die verborgendsten Orte Hyrules schickte, wachte William Laundry aus seinen Träumen auf. Er wusste nicht, was er träumte, denn Träume hatten für ihn nie einen Sinn gehabt. Einige Wochen war es her, ja, da hatte er einen furchterregenden Alptraum hinter sich, aber dieser blieb ihm nicht in der Erinnerung, wie jegliche anderen. Warum? Weil jener Jugendliche mit beiden Beinen im Leben stand und nur in der Wirklichkeit Fuß fasste.

Er gehörte zu der Sorte Mensch, die nicht viel auf Wunschvorstellungen und Visionen gaben. Den Glaube an das Märchen hatte er schon vor langer Zeit abgelegt. Auch wenn seine kleine Unsinn-prophezeiende Schwester stets und ständig babbelte, er werde seine Einstellung bereuen und um eine ganze Achse ändern.
 

Seine lange Nase in die Höhe streckend, herzhaft gähnend stand er aus seinem Bett auf, fühlte sich unausgeruht, wacklig, auch wenn er nicht wusste warum. Suchend wanderten seine Augen zu dem Bett Links. Nur spärlich gab es sich in dem noch trüben Dämmerlicht preis. Und doch konnte Will enttäuscht erkennen, dass sein merkwürdiger Mitbewohner nicht hier war.

Der junge Laundry erinnerte kurz den gestrigen Tag, erinnerte die Kampfbereitschaft und diesen beispiellosen, schwachköpfigen Mut, den sein Zimmergenosse gezeigt hatte. Nicht auszuhalten war der Gedanke, dass er sich ohne mit der Wimper zuzucken, auf wenige Zentimeter diesem blutrünstigen, stinkenden Blutsmoblin genähert hatte. Das war nicht mehr mutig, dachte Will, das war lebensmüde und dumm. Und trotzdem empfand er Mitleid mit Link, wenn auch er den Grund dafür nicht kannte.

Mitleid. Das einzige, was Link kannte und aus logischer Konsequenz verabscheute.

Aber warum hatte Viktor diesen fremden, familienlosen Kauz nur so herausgefordert? Warum hatte er ihm so zugesetzt? War Link denn neben der nebulösen Aura um ihn herum noch aus anderen Gründen nicht ansatzweise so normal wie Will, wie Robin, Artus oder jeder andere Jugendliche in der alten Ritterschule?
 

Will fuhr sich nachdenkend über das Kinn und erinnerte die Worte seiner Eltern von vor wenigen Minuten, die ihm sagten, er solle mit niemandem über diesen Vorfall, wie sie es komischerweise nannten, reden. William sollte Schweigen über das Talent des Waisen, sollte darüber schweigen, sowohl in der Gegenwart Links, als auch in der Gegenwart anderer. Und er sollte schweigen über den Blutsmoblin, den Sir Viktor, der dreckige, unwürdige Direktor in diese Schule schleppte...
 

Er wagte kurz einen Blick auf die kleine, lustige Kuckucksuhr an der Wand, die seine Mutter als Verschönerung ihm hinterlassen hatte und entschied sich dafür, seine Augen für eine weitere Runde faulen Schlummerns dichtzumachen...
 

Wenige Minuten später öffnete jemand mit sanften Bewegungen die Tür und trat unbefugt hier ein. Nicht einmal ein Klappern hinterließen die Schuhe der Gestalt, die doch wusste, wie man sich unauffällig fortbewegte. Sie wusste, wie man sich die Geheimnisse in den Schatten zu nutze machte. Schatten waren dem Licht nicht einmal so unähnlich, wenn man selbst für viele Jahre im Schatten lebte und die Vorzüge der dunklen Eigenheit lernte. Denn Schatten und Licht, so dachte sie still, entsprangen hier in Hyrule aus der selben Quelle. Manche Schatten folgten nicht mehr ihrem Besitzer. Manche Schatten erkannten mit den grausamen Jahrhunderten Hyrules blutiger Geschichte ihre Unabhängigkeit oder waren aus den Reihen ihrer Meister ausgestoßen worden.
 

Noch immer lag ein trüber Morgenmantel in dem Zimmer. Heiße rote Lichtstrahlen verloren sich auf Links Bett und hinterließen nicht die Wärme, die sie vorsahen. Denn sein Bett war leer. Und sie wusste es, wusste doch, wie unnötig er Gesellschaft ansah, wenn er innerlich, als auch äußerlich blutete...

Sachte zog die Gestalt ihre graue Kapuze zurück und besann sich auf das mit Schatten überzogene Herz ihres Seelenverwandten. Denjenigen, der genauso wie sie ein gesegnetes Abzeichen der uralten Götter trug. Denjenigen, der schon immer so gewesen war, wie er nun mal sein musste.
 

Zu stolz, um schwach zu sein.

Zu eitel, um Hilfe anzunehmen.

Zu traurig, um aus tiefstem Herzen zu lachen.
 

Es war das Schicksal, wusste sie. Sein einzigartiges Schicksal, was ihn nun so belastete, das Schicksal, welches er nicht mehr erfüllen wollte.
 

Blonde Strähnen, teilweise gelockt, fielen aus der Kapuze heraus. Das goldene Haar war ein wenig zerzaust, ein wenig struppig und doch tat es dem Abbild der Prinzessin keinen Harm. Ihre kräftigen blauen Augen, strahlend und leuchtend, wenn sie es wollte, schweiften zu dem einfachen Holzschrank neben dem ungenutzten Knabenbett, wo die Sachen und der unnötige Krempel des Helden der Zeit versteckt dem Staub der Vergessenheit verfiel.
 

Zelda lief langsam zu einem klapprigen, mahagonibraunen Schrank, bedacht, den jungen Laundry nicht aufzuwecken. Ein kleines quietschendes Geräusch zerstörte die Ruhe, als sie eine Schranktür öffnete und sich Zugang zu der Privatsphäre des unerkannten Helden verschaffte.

Zwei drei Hemden hingen darin, weiß, mitgenommen mit vielen Nähten.

Ein Kompass, dessen Glas in der Mitte zersprungen war und der nicht mehr funktionierte.

Ein altes Teleskop, jenes, das der junge Held sich in Termina gekauft hatte, um in den Sternen vielleicht so etwas wie seine Familie zu sehen.

Einige vergilbte Karten und andere Gegenstände lagen unnütz auf dem Boden des Schrankes.
 

Zeldas Augen wanderten, suchend nach der Okarina der Zeit. Sie schillerte, dachte sie. Selbst in der dunkelsten Nacht schillerte die rätselhafte Okarina aus dem Besitz der Königsfamilie, da sie Macht in sich trug, da sie ansatzweise eine Seele in sich trug...

Doch die Okarina war nicht hier...
 

In einem Fach lag ordentlich zusammengelegt die waldgrüne Tunika Links. Schwankend und Ruhe findend sank die Prinzessin mit dem Stückchen Stoff auf das weiche, knarrende Bettchen, fuhr verträumt darüber und doch kam in dem Augenblick die Traurigkeit wieder hoch. Die Angst und marternde Sorge um Link, dem jemand Teuflisches angetan hatte...
 

Sein Geruch haftete an dem einfachen Leinenstoff und vielleicht etwas Wärme, die er doch nicht mehr zeigen wollte. Sie erinnerte, als eine kleine Träne ihre schwachrosa Wange hinabtropfte. Sie erinnerte sich an die alternative Zukunft...
 

Es war einst in der Nähe des Hylia-Sees. Früh am Morgen, wo ein kühler Nebelschwaden sich verräterisch, anschleichend, über einen kleinen Laubwald zog, erklangen erbarmungslose Stimmen, kämpfend, schreiend, bis jene Stimmen von Vieh, von Dämon und Hylianer verstummten. Eine Krähe wetterte ihren kläglichen, kratzenden Reigen hinaus, sang ein Lied zu dem ekelhaften Nieselregen, der vom Himmel rückte.
 

Nicht weit am Ufer des Sees, nicht weit von einem erbarmungslosen Schlachtfeld gegen Kreaturen der Dunkelheit, Moblins, Skelettritter und andere teuflische Brut, vermischte sich das klare, gereinigte Wasser, welches kristallen schimmerte, mit hylianischem Blut...

Kostbar und einzigartig perlten sich kleine Blutstropfen hinab, tropften von einem aufgerissenen Mundwinkel und verschwanden, wurden unsichtbar, als sie das Wasser berührten.

Kniend und seinen Atem aufgrund eines gewaltigen Schmerzes in der rechten Schulter anhaltend, hockte ein junger Hylianer vor dem flachen Wasser, hatte die Augen zusammen gekniffen und wartete, wartete auf einen günstigen Moment. Er schöpfte ein wenig Wasser und spritzte es sich in das Gesicht, hoffend, es könnte sein verschwommenes Gesichtsfeld normalisieren...

Er krächzte, fühlte sich elend, auch wenn er gerade einen mörderischen Kampf dank seiner Talente, seines edlen Mutes und der hitzköpfigen Entschlossenheit lebend gemeistert hatte.
 

Auf der Jagd waren jene Moblins, jener Abschaum des Schreckensfürsten. Auf der Jagd nach Link, der dafür mehr als nur die Erklärung ersann, der Held der Zeit zu sein. Es musste einen weiteren Grund geben, weshalb der Gebieter des Teufelsturms ihn ständig versuchte auszumerzen.

Ein kurzes, flaches Atmen entkam seinen Mund und die linke Hand des Helden hob sich träge, umgriff einen dickstämmigen Pfeil, der durch seine Schulter gebohrt wurde. Aber er lebte, sagte sich immer wieder, so leicht mach’ ich es dir nicht, Ganon...
 

Ein schriller, herzzerreißender Schrei entkam seiner trockenen Kehle, als er sich mit einem heftigen Ruck den Pfeil aus der Schulter zog, atmete schmerzhaft ein und aus, hatte das Gefühl zu ersticken.

Mit einem Schlag landete der Pfeil im Wasser und der junge Held presste eine Hand zähneknirschend auf die blutende Wunde, hustete und lehnte sich im selben Augenblick an alte, morsche Rinde eines Laubbaumes. Kleine Regentropfen seilten sich am kalten Baumstamm entlang, benetzten die grüne Mütze des Heroen, bedeckten zerkratztes Gesicht und blonde Haare.

Lethargisch und den Regen irgendwie bewundernd, hob er eine Hand, fühlte den kühlen Regen auf seiner Haut, als wäre es das erste Mal.
 

Etwas so kleines. Etwas so schönes... Auch der Regen schien eine Seele zu besitzen, hier in der magischen alten Welt Hyrules. Eine Seele, dachte Link und wusste, dass er seine eigene Seele mit jedem Kampf, mit jedem Mord belastete. Hatte er denn noch so etwas wie eine Seele, ein warmes Etwas, direkt im verborgenen Teil seines jämmerlichen Herzen?
 

Immer verschwommener wurde der Regen vor seinem Antlitz, immer düsterer und schwächer wurde alles um Link herum, bis er angelehnt an jenem Baum in eine tiefe Bewusstlosigkeit fiel...
 

Aber sein Schlaf währte nicht sehr lange. Irgendetwas war da draußen, hier am Hylia-See und beobachtete alles, beobachtete die Wahrheit, das Ziehen und Spannen in der zerfetzten Schulter des Helden der Zeit.
 

Link wusste zu dem Zeitpunkt nicht, ob er schlief, ob er träumte, in einer Zwischenwelt schwebte oder einfach nur halluzinierte. Es war ihm gleich, solange das, was geschah, ihm half, seine Schmerzen linderte und sein trübsinniges Gemüt stärkte.

Er dachte zu blinzeln, und fühlte zwei warme Hände, die zuerst seine Schnüre am Kragen des zerrissenen Hemdes öffneten. Zwei angenehme Hände, so weich, eine einzigartige Empfindung, die, so nahm der junge Held an, nicht real sein konnte. Er blinzelte wieder, spürte einen heftigen Ruck, als seine eisblaue, verrissene Tunika, die er im Moment trug, mit einem Messer oder ähnlichem auseinander geschnitten wurde.
 

Seine tiefblauen Augen öffneten sich, in einem bedeutungsvollen Moment, wo nichts als Licht neben seinem mitgenommenen Körper leuchtete. Licht, so warm, vertraut und angenehm. Der Nebel in jenem kleinen Laubwald wich vor dem Licht zurück, der Regen verbrannte, überall dort, wo jenes Licht wandelte. Die Sonne kam am einst so düsteren Himmel zum Vorschein, entlockte dem jungen Heroen ein kleines Lächeln.

Eine Gestalt hob sich von dem wärmenden Schein ab und langes Haar lief weich und wunderschön an einem strahlenden, feinen Gesicht ab.

Link blinzelte wieder, nicht sicher, wo er war, warum er hier war, und ob nur irgendetwas dieses Ereignisses Sinn ergab.

Und das Licht blendete, nur schwerlich erkannte Link die Umrisse einer so vertrauten Gestalt, nach der sich sein Herz sehnte.
 

Erneut spürte er diese zarten Hände, die mit Mullbinden und einem kräuterartigen Wundmittel an der Pfeilverletzung hantierten. Nur schwach erklang seine Stimme und doch verständlich: „Wer... bist du?“, sagte er leise und packte schwerfällig eine jener angenehmen Hände. Doch zugleich legte sich ein schmaler Zeigefinger auf seine spröden Lippen.

„Sch... du bist verwundet. Rede nicht. Nicht jetzt...“ Diese Stimme, hell und beruhigend. Konnte es sein?
 

Er versuchte sich aufzurichten, wollte dieses Licht als das erkennen, was er sich wünschte. Doch verbietend drückten ihn zwei starke Hände wieder nieder, besiegelten seine überflüssigen Bewegungen mit einem straffen Verbot.

„Steh’ nicht auf, Link. Bleib’ liegen!“ Er ließ sich leicht überzeugen und doch verwunderte ihn dieses Licht, welches jener Gestalt kein Gesicht geben wollte. Er führte seine linke Hand hinein in diese Silhouette aus märchenhaftem Licht, tastete nach einem Gesicht, tastete nach Lebendigkeit und Wahrheit. Er fühlte reine, satinartige Haut unter der rauen Kämpferhand. Eine warme Wange, die vor seiner Berührung nur kurz zurückzuckte, aber dann eine dieser Hände auf seine eigene legte.

„Ruhig... ich bin da...“

„Bist du...?“ Aber wieder war ein Zeigefinger auf seinen aufgerissenen Lippen, die zum Schweigen gebracht wurden. Link sank erschöpft zurück, schloss träge die Augen und schien zu verzaubert, als dass er sich gegen jene Gestalt wehren könnte. Verzaubert tief in seinem Herzen. Einfach verhext von einer lieblichen Stimme und zwei wundervollen Händen, die ihm einen Verband um die Schulter wickelten...
 

Kurze, nichtssagende Augenblicke zogen an seinen Sinnen vorbei und allmählich klang der bissige Schmerz ab. Link hob eine Hand gegen seine Augen, wünschte sich die Gestalt hinter dem Licht zu sehen. Aber sie versteckte sich vor ihm, und vielleicht zum Teil auch vor sich selbst...

„Verzeih... aber ich sollte nicht hier sein“, meinte sie leise, so sanft. Das Licht wollte vergehen, wollte sich zurückziehen und doch würde der junge Held dieses Davonschleichen nicht schon wieder akzeptieren.
 

„Nein... bitte bleib“, sagte er und hielt das rechte Handgelenk der warmherzigen Gestalt fest in seiner linken Hand. Sie beugte sich kurz näher, und das glimmende, reine Licht schenkte ihm mit einer sinnlichen Berührung, die eigentlich nicht sein konnte, einen Kuss auf die schwitzende Stirn. Links Augen tränten, da er verbissen versuchte, das Licht zu umgehen, die Wahrheit zu sehen. Doch jenes sich Erkennen, sich Preisgeben war noch nicht Schicksal. Es war nicht der angemessene, vorbestimmte Zeitpunkt, dass erkannte und wusste Link. Das Schicksal würde sich nicht so wie die Zeit betrügen lassen...
 

„Zelda...“, flüsterte Link und wünschte sich, er wäre nicht so dumm, zu glauben, dass sie es wirklich war. Er streckte eine Hand nach ihr aus und doch versank das reine Licht mit jeder Sekunde mehr und mehr in einem dichten Gewächs aus Schatten...

„Zelda? Geh nicht...“, sagte er fiebrig und verfiel endgültig der Macht des Schlafes...
 

Als der blonde Hylianer seine Augen öffnete, zwitscherten Vögel von den Laubbäumen herab. Die Sonne schien und blendete ihn fordernd. Verwundert blickte Link auf den Verband und fühlte sich irgendwie... so kräftig... so seltsam stark, selbst mit der tiefen Wunde und der zerfetzten Schulter...

Sein müder Blick wanderte umher und verweilte auf einem blauen Punkt, direkt am Rande des Sees.

„Shiek?“, sagte Link heiser und doch hörte der Shiekah ihn im Augenblick nicht. Nachdenklich blickten scharlachrote Augen hinaus auf den See, bis er schließlich in einer Schale Wasser schöpfte. Als der eigensinnige, geheimnisumwitterte Kerl näher trat und zunächst überrascht schien, dass sich der junge Held wieder bei vollem Bewusstsein befand, konnte Link nicht anders als dämlich zu grinsen.
 

Kopfschüttelnd kniete Shiek neben Link und sah ihm eindringlich in die vorwitzigen Heldenaugen. „Wenn du in deinem Zustand noch grinsen kannst, scheint die Wunde ja nicht allzu schlimm zu sein.“

„Hallo Shiek. Herzlich willkommen“, kam es beinahe lachend aus Links Kehle. Dennoch klang seine Stimme trocken und kraftlos. Sofort reichte Shiek ihm eine Schale Wasser.

„Danke. Was für ein Service“, meinte Link und blickte immer noch lächelnd- bei Nayru, er bekam das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht- zu dem gigantischen Hylia- See.

„Nanu? So gut gelaunt?“, meinte Shiek mit seiner untypischen Männerstimme und setzte sich im Schneidersitz neben Link, der gierig das Wasser herunterwürgte.
 

„Ja... besser könnte es gar nicht sein.“

„Und womit hängt dein fröhliches Gemüt zusammen? Ich kann nicht glauben, dass es die Wunde ist, worüber du dich so extrem freuen kannst, Held der Zeit.“ Links Blick wurde weicher, richtig mild und angenehm. Irgendwie nicht normal, nicht zum Begreifen geeignet war dieser Blick.

„Zelda war hier“, sagte er gefühlvoll und sah fröhlich, entspannt und frei in den blauen Himmel, wo einige Schwalben ihre Runden drehten. Shieks rätselhafte Miene sprach viele Kapitel eines Shiekahredewendungenbuches. Denn nichts davon würde irgendjemand, der die Schatten nicht so verstand wie jenes ungewöhnliche Volk, überhaupt lesen können.

„Bist du dir sicher?“

„Jep, ganz sicher“, lachte er und stützte sich mit den Handflächen auf dem Gras ab. Shiek zuckte kurz mit den Schultern. Denn der Rotäugige wusste doch, wie sehr Link Zeldas Anwesenheit benötigte, um die kommenden Kämpfe zu überstehen. Shiek wusste doch genau das, was Zelda wusste. Bekanntermaßen resultierte Shieks Dasein wohl nur aus dem Schutze Zeldas...
 

„Wie auch immer, du dussliger Held. Kannst du aufstehen?“ Link grinste schief und ließ sich von dem jungen Shiekah aufhelfen. „Dort drüben, in Richtung Westen, keine fünf Meter entfernt befindet sich ein altes Gasthaus. Dort könntest du etwas zu dir nehmen, wenn es dein Wunsch ist.“ Link nickte und trampelte vorsichtig mit Shieks Unterstützung weiter des Weges...
 

Plötzlich schrillte ein entsetzliches, aufweckendes Kuck- Kuck durch das Quartier. Und ein ausgestopfter, verunglückter Vogel platzte aus dem Inneren der Uhr hervor, machte seinem hässlichen Gesang alle Ehre und beförderte die halbe Ritterschule aus ihrem Schlummer.
 

Zelda quiekte laut auf, zunächst überfordert und nicht in der Lage das Geräusch als von einer Kuckucksuhr stammend zu identifizieren und fiel mitsamt Links Tunika in ihren Händen von der Bettkante.

Hastig und laute Geräusche produzierend stand sie auf und blickte schockiert und dann beruhigt zu dem unsäglichen Mordinstrument für spitze, empfindliche Hylianerohren.
 

„Bei allen Göttern. Du verdammtes, dämliches Stück Holz. Mach’ die Klappe wieder zu!“, brüllte Will und schmetterte mit einem gewaltvollen Schlag ein Kissen gegen Belles herzliche, lustige Kuckucksuhr, die sie selbstverständlicherweise nur angebracht hatte, um Will um den jugendlichen Verstand zu bringen. Schnaufend stand er auf und lugte ungläubig, begleitet mit einem hässlichen schilffarbigen Nachthemd zu der nervtötenden Uhr, die kichernd an der Wand hing.
 

„Na warte!“, sagte Will nachdrücklich, mit einem geschauspielerten Unterton und hüpfte zu der Uhr.

In dem Augenblick aber sah er etwas aus seinem Augenwinkel und fuhr aufgeregt herum. Er dachte schon, Link wäre zurück. Doch der Anblick einer attraktiven, bildhübschen Hylianerin, und das musste Will einsehen, war weitaus interessanter.

Unschuldig grinsend sah er zu ihr, zu dem wunderschönen Geschöpf, das mit Links Tunika in den Händen auf dem Boden hockte und mit großen, fragenden Augen zu der verdammten Kuckucksuhr lugte.
 

„Ja, spinn ich denn? Was machst du denn hier?“, sagte William erschrocken und hüpfte, ein wenig unwohl diesem hübschen Gesicht mit einem fransenden, zum Erschrecken hässlichen Nachthemd gegenüberzutreten, wieder zu seinem Bett und verkroch sich schnaufend in seiner Decke.

„Verzeih’, ich wollte dich nicht erschrecken oder deinen Schlaf stehlen, William Laundry.“, sagte sie klar und ihre Ruhe wiederfindend. Mit Links waldgrüner Tunika in den Händen stand sie auf und ließ sich erneut auf der Bettkante nieder. Da erkannte der Schüler die junge Lady von vorhin wieder und konnte lediglich ihre strahlend blauen Augen bewundern, die leuchtend aus der grauen Kapuze lugten. Wie zwei Kristalle funkelten sie, als sie in Wills Blick gleich in einem Buch blätterte.
 

„Du bist doch... ähm... ach ja... das Mädchen von vorhin“, quasselte Will wie ein Wasserfall, hin- und hergezerrt von einer unheimlichen Nervosität. Die unerkannte Prinzessin nickte nur und kicherte kurz. Sachte zog sie die Kapuze vollständig von ihrem bildhübschen Kopf und legte den grauen Umhang ab.

Zugegeben, Zelda trug ihre aufwändige Tiara nicht, war nicht in ihrem teuersten Kostüm begleitet und doch war ihr außergewöhnliches weiß-violettes Kleid, versehen mit zahlreichen Stickereien, und dem königlichen Falken auf der Schürze, Hinweis genug für ihr wahres Gesicht.

Will blieb jegliche Spucke im Hals stecken, als er das prachtvolle Kleid, welches sich schlängelnd um die tolle Figur des Mädchens wand, anstarrte.
 

„Ja, das bin ich... und noch einiges mehr“, sagte Zelda leise und legte Links warme, gefütterte Tunika zurück in den alten Schrank neben dem Bett.

„Bist du ein Freund Links?“, meinte Will und sah das hübsche Mädchen verlegen an. „Oder bist du vielleicht...“ Aber Zelda unterbrach ihn und winkte mit ihrer rechten Hand ab. „Diese Frage kann dir nur Link beantworten.“

„Weißt du, wo er steckt? Ich wollte unbedingt mit ihm reden. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was dieser verdammte Hurensohn Viktor mit ihm angestellt hat.“

„Oh doch, das kann ich sehr gut. Ich weiß, was geschah.“ Und William richtete sich auf, blickte die Dame verwirrt an. „Wie kannst du das, du warst doch gar nicht dabei!“ Zeldas blaue Augen wanderten belustigt in die Nähe des Fensters und ein sanftmütiger Blick ging hinaus aus zu dem trüben Morgenhimmel, wo gleißende Sonnenstrahlen durch Nebel und letzte Nachtspuren drangen. „Man muss nicht immer mit den Augen sehen, William. Es gibt andere Wege, weniger versperrte und weniger gefährliche Wege, als einfach nur mit den Augen die Wirklichkeit zu lesen.“ Wills Mund klappte auf und er erstarrte vor Ehrfurcht.
 

„Ich kenne Link schon sehr lange, viel zu lange, um nicht zu wissen, was geschehen ist.“ Damit wand sie sich zu William und ihr blondes Haar fiel an einzelnen Strähnen, die nicht in einem Zopf gebunden waren, über das edle Gesichtchen.

„K-Könntest du mir dann sagen, warum Link so ist, wie er ist? Warum benimmt er sich so freudlos, handelt so mürrisch und weigert sich länger als zwei drei Sätze mit jemandem auszutauschen. Wenn das so weiter geht, frage ich, ob ich ein anderes Zimmer haben kann.“, sagte er eingeschnappt und starrte zur Decke.
 

Zelda sah einsichtig und nachsinnend zu Boden: „Tu’ das, was du für richtig hältst, William.“, sagte sie gedämpft mit unglaublicher Ruhe und Andacht. Anmutig lief sie hinüber zu dem fünfzehnjährigen Laundryjungen. Erneut las Zelda in seinen grünen, vorwitzigen Augen.

„Denn das ist stets das einzige, was man mit seinem Gewissen vereinbaren kann...“, endete sie. Und dachte still und heimlich an ihre vielen, unerwünschten Entscheidungen, die sie im Leben treffen musste. Entscheidungen zum Wohle Hyrules- zum Nachteil eines Freundes...
 

„Kennst du die Legende vom Helden der Zeit?“, fragte Zelda unschuldig klingend und setzte sich graziös auf die nahe kaminrote Couch.

William Laundry fixierte mit seinen dreisten Augenglimmen die junge Lady, besah sie sich ganz genau und jede Eigenheit ihres makellosen Gesichtchen. Reine, ungeschundene Haut, zartrosa Wangenbäckchen und ein verführerischer, teuflischer, roter Mund. Rotwerdend blickte William weg und murmelte: „Mein Vater erzählte sie mir einst.“

„Dein Vater ist ein rechtschaffener Ritter, William.“

„Ach bitte, nenn’ mich Will. William klingt so abgedroschen und anständig.“

„Heißt das, du bist nicht anständig, Will?“ Auf frischer Tat erwischt und knallrot im Gesicht, wurde ihm heiß. Er fühlte geradezu, wie kochendes Blut in seine Wangen stieg.

„Wie auch immer. Was hältst du von der Legende?“

„Ist Blödsinn. Ich glaube nicht an Märchen“, meinte er kaltschnäuzig. „Auch wenn mein Vater und Lilly ständig meinen, der Kerl würde irgendwo in Hyrule tatsächlich existieren...“

„Lilly?“

„Meine verrückte, durchgeknallte Schwester. Stell’ dir vor, sie hat Link als einen goldenen Hylianer bezeichnet und gemeint, er hätte die Zeit betrogen. So ein Quark.“ Anscheinend fand William diese Tatsache ausgesprochen amüsant. Denn er kicherte bei dem Gedanken.
 

„Du bist ignorant und eigensinnig, wenn du annimmst, in Hyrules wäre kein Platz für Märchen.“ Will schaute teilweise erbost, teilweise überrascht auf.

„Warum sollte hier, in einer magischen Welt wie Hyrule, wo viele zaubernde Wesen wie Feen, seltsame Geschöpfe wie Kokiri, Shiekah, Goronen und Zoras existieren. Warum sollte hier kein Platz für Magie und Legenden sein?“

„Also...“, fing Will an, wanderte mit seinen grünen Augen an die Decke und trotzdem fiel ihm kein Sinnvolles Argument ein.

„Es sind nicht die Kinder, die die Welt der Erwachsenen ins Lächerliche ziehen, nein, es sind wohl die Erwachsenen, in deren Herzen kein Platz mehr für Legenden ist.“, sagte Zelda standhaft. „Es gibt sie noch, die alten Märchen, die einzigartigen Legenden.“ Und Zeldas Lächeln, so angenehm und schön schien auszureichen, dass Will begann über seine eingefahrene Einstellung kräftig nachzudenken. Mit einem Funkeln in ihren schönen Augen stand Zelda auf und lief wieder zu dem ungenutzten Bett ihres besten Freundes, dem einstigen Kind des Waldes.
 

„Und irgendwo gibt es den Helden der Zeit, William. Irgendwo schlägt sein Herz, genauso tosend und lebendig wie deines. Irgendwo lacht er, empfindet Glück und irgendwo wird er sich selbst wieder finden.“ Sie machte eine kleine Pause. Ein kurzer Gedanke an Links tiefblaue Augen. Seinen damaligen Charme. Seinen wahren Mut, die Kampfgewandtheit, die in ihm schlummerte. All diese Dinge kamen ihr in den Sinn und sie vermisste es. Sie vermisste ihn...

„Du solltest dir ihn als Vorbild nehmen.“ William drehte seinen eigenwilligen Kopf in Richtung der Wand und schwieg einige Minuten.
 

Die Zeit rannte davon, als der Kuckuck erneut aus seinem Schlupfloch kam und sich an der vollen Stunde mit grellem Gebrüll erfreute. Zelda wühlte ein weiteres Mal in den Sachen Links herum, mit der Hoffnung, einen Hinweis darauf zu finden, was mit ihm nicht stimmte, was geschehen war in dem Land ohne Namen, hinter der westlichen Grenze Hyrules...
 

Will zog sich währenddessen einen Pelz über und trat zu der hübschen Lady heran. Er lugte über ihren Kopf, denn sie war bestimmt einen Kopf kleiner als er und konnte nur mit dem Schädel wackeln. Was erlaubte sie sich hier? Schnüffelte einfach in Links Sachen herum, als ob es eine Selbstverständlichkeit für sie wäre...

„Sag’ mal, was tust du denn da?“, sagte Will und musterte die Dame eindringlich. „Nichts, was dich interessieren sollte... noch nicht.“

„Aber du kannst nicht einfach in Links Privatsphäre herumstöbern. Schon mal dran gedacht, dass er das nicht leiden könnte?“ Sie lachte laut auf. „Wenn du wüsstest, wie oft ich schon bei ihm herumgeschnüffelt habe, ohne dass er es gemerkt hat.“ Shieks Erinnerungen erheiterten ihren Geist mit zunehmender Freude...
 

„Du kennst ihn gut, oder?“ Zelda drehte sich den Kopf schief hängend zu Will und meinte leise: „Besser als jeder andere... wir haben einige Dinge zusammen durchgestanden“, setzte sie hinzu. William verschränkte seine Arme und sah grüblerisch drein.

„Wenn dem so ist, dann verrate mir eines.“

„Das wäre?“

„Aus welchem Grund hat man Link diesen grausamen Test unterzogen?“ Trübsinnig blickte Zelda zur rechten Seite, legte eine Hand auf ihr Herz und neigte ihr Haupt ein wenig.

„Warum ist Link so mürrisch und lacht nie?“ Erneut schwieg die unerkannte Prinzessin des Schicksals.

„Weshalb kann er so gut mit einem Schwert umgehen? Man könnte meinen, er hätte ein Leben lang Training. Was...“ Doch William unterbrach seine neugierigen Fragen, als Zelda ihm den Rücken zu drehte und ihren bleifarbenen, unauffälligen Mantel an sich nahm. Sie zog die Kapuze vollständig über ihren Kopf und verband graue Schnüre am Kragen.

„Es wäre eine Fehlhandlung von mir, dich über die Dinge wissen zu lassen und doch...

William, bitte kümmere dich um ihn. Er ist nicht so hart und kalt, wie sich gibt. Er ist der sanftmütigste, warmherzigste und wundervollste Hylianer, den es gibt. Bitte hilf ihm...“
 

Noch ehe Will etwas darauf sagen konnte, war die unbekannte Schöne verschwunden und die holzige kleine Tür fiel hinter ihrem Rücken klappernd ins Schloss...

Der morgendliche Nebel stand schützend, wie ein weißer Arm aus Frische in den Mischwäldern. Ein Reh sprang hastend in ein kratziges Brenneselgebüsch, vielleicht um sich vor der aufgehenden Morgensonne zu verstecken oder aber, weil ein rohes Kampfgeschrei hier die Ruhe zerstörte. Ein kleiner Fisch, der sich verspielt in dem klaren Wasser des Glücksteiches aalte, tauchte kurz an die Oberfläche und sank wieder hinab.
 

Nur wenige Meter weiter schwang Link mit freiem Oberkörper wie wildgeworden sein Schwert, führte jegliche Attacken aus und spürte zunehmend eine erbärmliche Schwäche, die sich über seine Muskelfasern legte. Mit jedem Hieb, der einst so leicht und beherrscht über seine Hand ging, schreckte ein Schmerz ihn ab, weiterzumachen. Genervt, fast angewidert von sich selbst, holte er aus zu einer Wirbelattacke, wollte seine magische Kraft nutzen, aber nichts tat sich. Keine Kraft. Keine Stärke...
 

Schwitzend, laut keuchend, brach Link auf die Knie, stützte sich mit seinen wackligen Armen auf dem Gras ab und spürte Schweißtropfen an seiner aufgeplatzten Stirn hinabwandern. Schweißperlen, die in dem dunklen Erdboden versanken.

Er atmete heftig, bekam kaum Luft. Verzweifelt schlug er mit der Faust auf den Erboden ein und begann sich selbst schon für seine Armseligkeit zu hassen.
 

„Verdammt!“, murmelte er mitleidig. „Was passiert nur mit mir?“
 

Noch nie in seinem Leben hatte sich der Held der Zeit so elend, so schwach gefühlt. Das war nicht seine Stärke, sein Mut, all das, was ihn einst so heldenhaft machte...

Unbeholfen rieb er sich über die schmerzende Stirn und ließ das Schwert auf das sattgrüne Gras fallen. Sein Körper wollte einfach nicht mehr, spielte nicht mehr mit. Doch aus welchem Grund? War Link wirklich verflucht worden oder gab es noch mehr Gründe als diesen? Gründe, die in der Vergangenheit zu suchen waren?
 

Nach Luft schnappend stand Link auf, lief zu seinem Rucksack, der vor der Eingangstür der alten Holzhütte stand und kramte den Papierstoß mit den blöden Wahlfächern, dem Pflichtunterricht und dem anderen Müll, der für ihn keinen Sinn ergab, hervor. Also gut, dachte er. Irgendwann müsste er diesen bescheuerten Plan ja mal zusammenstellen und außerdem wäre dies eine Möglichkeit sich von seinem verdammten Schwächegefühl abzulenken...
 

Er nahm sich eine große Schiefertafel, ein Stückchen weiße Kreide und warf einen ermüdenden Blick auf die Pergamentstapel. Sorgsam las Link die ersten Tabellen durch und hätte die Zettel am liebsten auf der Stelle auseinandergerissen.

Denn das Chaos auf dem Blatt war nicht nur unsäglich, sondern fies. Von Sprachunterricht, Völkerkunde, Kartenlesen, der gesamten Historie Hyrules, einschließlich der Kriege und Legenden, über Training in allem möglichen, wo Tauchen, Reiten, Schocktraining, Muskelaufbautraining und anderer Kram angegeben war, führten die Zettel die Augen des weniger erfreulichen Lesers zu Kenntnissen in der Wundheilung, Schwerttechnik und nicht zu vergessen das Bogenschießen und das Strategische Denken.
 

Der blanke Horror, dachte Link. Wie, bei Nayrus blauem Haar, sollte er aus diesem Wirrwarr einen ordentlichen Plan zusammenstellen? Warum habe ich mich nicht eher um diesen Rotz gekümmert, schallte es durch Links Gehirngänge? Farore, was bin ich blöd...
 

Nicht zu vergessen, dachte Link. Mit rot markiert war das wichtigste Fach- der Umgang mit dem Schwert. Aber was war das? Link blätterte ein wenig und fand eine weitere erstaunliche Eigenheit dieses Chaos’. Einige der Fächer wurden nur jeweils in einem der drei Abschnitte eines Jahres angeboten. Und einige der sinnlosen Fächer waren wohl nur zum Spaß da, weil es zwar Anwesenheitspflicht aber keine Prüfungen darin gab.
 

Und was sollte das? Mit Entsetzen las Link die Verteilung der Fächer über die Woche. Fast jeden Tag hatten die armen Schüler fünf Stunden Schwerttraining am Stück? Welch ein Schlamassel. Link hob seinen frustrierten Schädel in die Höhe, hatte irgendwie das Gefühl in seiner Freiheit eingeschränkt zu werden, bei dem Gedanken, dass ein so bescheuerter Tagesablauf in dieser Schule sich von früh um sechs bis abends um acht oder sogar zehn hinziehen konnte. Vor allem, da er noch so viel aus zwei ganzen Jahren nachholen durfte.
 

Und weiterhin verzweifelte Link, suchte nach Hinweisen, welche dieser gesamten Fächer er überhaupt nachholen musste. Zwei, drei Stunden zogen sich so dahin und Link hatte noch keinen Strich auf die Schiefertafel gesetzt.
 

Müde von der langweiligen Fächerauswahl legte Link den Kopf auf seine Knie und dachte einmal mehr an Gestern, hatte Wunschvisionen, was wäre, wenn er ein wenig mehr Kontakt zu irgendjemanden hätte, was wäre, wenn er nicht immer, stets und ständig alleine alles zu bewältigen hätte. Seine Augen schlossen sich lethargisch. Sein Herz und sein Verstand... beides war zu müde, um zu denken, um zu kämpfen.

Was wäre, wenn er irgendwo, vielleicht doch, auch wenn nicht so, wie er wollte, einen Platz hätte. Nur einen Platz irgendwo in der Welt, mit ein bisschen Verständnis aus einem warmherzigen Gesicht, mit ein bisschen Zuneigung. Nur ein bisschen, mehr verlangte er doch nicht. Warum waren die Göttinnen so grausam zu ihm... ausgerechnet zu ihm, wo er den Teufel auf Erden ins Grab gebracht hatte...
 

Eine Familie... so schön klang das Wort und irgendwie unwirklich. Eine Familie, ein seltsames Wort, das Link einfach nicht über seine Lippen brachte. Es war dem Wort Liebe in seinen Augen fast gleich. Ebenso ein Wort, welches er nicht verstand, welches in seiner Welt irgendwie keinen Sinn ergab.

Familie...
 

Plötzlich hielt ihm jemand einen ausgestopften, zerflederten Kuckuck vor die Nase. Überrascht sah Link auf und schaute in die vorwitzigen, smaragdgrünen Augen seines geduldigen Zimmerkollegen, der seine hellbraunen Augenbrauen verwundert nach oben zog.

„Nanu? Und ich dachte schon du bist eingeschlafen“, sagte Will mit seiner tiefen Stimme. „Vielleicht sollte ich dich jetzt immer mit Kuckuck anreden oder diesen billigen Vogel benutzen, dass du aufsiehst“, ergänzte er. Sofort räumte er den Kuckuck aus der Uhr Belles wieder weg.
 

„Hallo“, entgegnete Link kühl und sprang auf seine Beine. Er wollte keine Gesellschaft, er wollte nachdenken. Aber wie beim Triforce konnte William ihn eigentlich finden?

Abweisend lief Link zu dem Schwert, welches nutzlos im Gras lag. Genauso kam der junge, unerkannte Held sich vor. Nutzlos und ohne Bedeutung, weil niemand sehen würde, weil niemand verstand.
 

Will blickte währenddessen zu der leeren Schiefertafel und dem Stückchen unbenutzter Kreide. Dann schielte er zu dem Papierstoß und wusste auch so, dass Link es nicht geschafft hatte aus dem Wirrwarr herauszufinden. Er räumte das Zeugs zusammen und setzte sich auf eine hölzerne Treppenstufe der klapprigen Holzhütte.
 

„Wie konntest du mich hier eigentlich finden?“, meinte Link, setzte sich im Schneidersitz vor den Teich und begann sein Schwert mit einem ordentlichen Wetzstein zu schärfen.

„Sir Newhead sagte mir, dass du hier bist. An diesem Glücksteich, so heißt der doch, oder?“

„Ja“, sagte Link kurz und hoffte, William würde endlich mit der Sprache herausrücken, was er wollte und dann wieder verschwinden. Denn der Held der Zeit konnte im Augenblick einfach keine Gesellschaft vertragen. Nicht nach dem Kampf gegen den Blutsmoblin, nicht nach der Erkenntnis, den seltsamen Anfällen oder dem merkwürdigen Fluch nicht entkommen zu können...

Auch wenn Lilly, das kleine weise Mädchen behauptete, William würde der beste Freund des Helden Hyrules sein...
 

„Aber woher weiß Sir Newhead, dass ich hier bin?“

„Da war so ein komisches Mädchen mit diesem Ritter in der Schule unterwegs und sie wusste es wohl allem Anschein nach.“ Überrascht drehte sich Link in Wills Richtung, sah aber bewusst an ihm vorbei. „Komisches Mädchen?“

William kratzte sich abtuend am Kopf und setzte hinzu. „Sie hat sich nach dir erkundigt und...“ Er verhaspelte sich und versuchte nicht zu stottern. „... und dann hat sie in deinen Sachen herumgeschnüffelt. Sorry, aber ich konnte das nicht verhindern. Die hat eine ziemlich große Klappe gehabt...“

Du Schwächling, dachte Link. Allerdings ahnte er sehr wohl um die Person, die sich nach seinem Befinden erkundigt hatte. Und sich gegen die Prinzessin Hyrules zu behaupten, war schon eine Lebensaufgabe...
 

„Hatte sie honigblonde Haare? Blaue Augen? Und schien sehr wissend zu sein?“ Der junge Laundry blickte überrascht auf, hüpfte auf seine Beine und trat zu Link heran, der teilnahmslos auf den See starrte. „Ja! Kennst du sie gut?“

„Sie ist...“ Link überlegte nach dem richtigen Wort, wollte schon sagen, dass sie eine gute Freundin war, aber das erschien ihm ungerechtfertigt und dumm...

„Sie ist eine Bekannte...“, meinte er dann und warf einen Stein in den Glücksteich. Will hinter ihm schien aber angesichts dieses Satzes schon zu jubeln. „Du meinst, sie ist nicht deine Freundin? Das ist toll.“ Und der Schüler mit der schwarzen Schultunika klatschte einmal mit der Faust in die Hände, hatte plötzlich so einen entschlossenen, zielsicheren Blick und ein aufgeregtes Leuchten in seinen stechenden Augen.

„Dann wird sie meine Freundin!“, protzte er und stieß mit seinen Mundwinkeln beinahe an die Ohren.
 

Irritiert drehte sich Link zu dem schmunzelnden, auf Wolke sieben schwebenden Jugendlichen um und konnte sich aus dessen Getue keinen Reim machen. Sicher, dachte Link. Er hörte die Leute immer erzählen, wenn sie sich verliebten und das Getuschel, welches daraus entstand schien bei den Hylianern irgendwie angesagt zu sein. Aber er selbst wusste damit einfach nichts anzufangen. Er war zu sehr danach bestrebt frei zu sein, war zu unwissend um den tiefen Sinn hinter der Liebe zu verstehen und dachte immer nur daran, wie komisch es aussah, wenn sich zwei Hylianer die Zungen gegenseitig in den Rachen steckten...
 

„Deine Freundin?“, sagte Link nachdrücklich und hoffte, Will würde ihm irgendwie mitteilen, was es mit diesem Wort auf sich hatte.

„Ja, genau. Aber...“ Und das Grinsen schwand sehr schnell aus Wills Gesicht. „Wie heißt die denn eigentlich?“

„Ihren Namen würdest du mir sowieso nicht glauben. Und nur damit du Bescheid weißt, sie ist nicht leicht zu beeindrucken.“ Nanu, war das etwa eine Form der Eifersucht, die Link plötzlich in die Venen stieg? Genauso wie zu dem Zeitpunkt, als Valiant ständig von Zelda redete und dem armen, unwissenden Helden erst später bewusst wurde, dass Valiant der Cousin der Prinzessin ist? Eifersucht... Quatsch, mahnte sich Link. Warum sollte er eifersüchtig sein?
 

„Aber ich fand sie trotzdem cool. Und du sagtest, sie wäre nur eine Bekannte?“ Link nickte und blickte trübsinnig zu Boden. Er wünschte sich in letzter Zeit eben einfach keine näheren Beziehungen, keine Freundschaften und wurde dem Gespräch mit Will schon wieder zu müde.

„Weil sie mir einiges über dich erzählt hat...“, setzte Will hinzu und pflanzte sich nebst Link auf die grüne Wiese. Ein kleiner Wind kam auf und brachte das Wasser in dem Glücksteich dazu, kleine Wellen zu schlagen. Es war wie, als würde sich die Göttinnenmutter Destinia in dem Spiel mit dem Wind bemerkbar machen. Denn nichtkörperlich war sie überall, im Wind, in den weißen Wolkenschleiern, hinter der aufgehenden Sonne und in jedem Element, welches lebte. Destinia, die Delegierte des Schicksals...
 

„Diese Dame erzählt viel, wenn der Tag lang ist. Sei’ nicht zu leichtgläubig. Also, was willst du hier?“ Kurze Sätze hinterlegt mit Abweisung. Doch Will gab darauf keine Antwort. Er schwang sein Gesäß wieder auf die Beine und tauchte einige Fingerspitzen in das kühle Nass.
 

„Mein Vater sagt immer, es ist kein Fehler, es zeigt keine Schwäche, jemanden um Hilfe zu bitten, jemandem zu vertrauen. Gerade die sind schwach und feige, die sich nicht trauen jemandem zu vertrauen.“ Wills aberwitzige Stimme hatte sich gewandelt.

„Es ist einer der Ehrenkodexe in unserer Familie.“ Link schwieg dazu, und hatte das Gefühl die Stimme verloren zu haben. Warum sagte William ihm das? Hatte Zelda diesem Quacksalber etwa alles auf die Nase gebunden, ihm gesagt, wer der trübsinnige Hylianer war, ihm gesagt, was mit ihm nicht stimmte?
 

Verärgert trat Link an den Schüler heran und sagte mit energischem Tonfall: „Sag’ schon, wie viel hat sie dir erzählt?“ Seine Augen beißend und stechend.

„Wie meinst du das?“

„Das hübsche Mädchen in unserem Zimmer. Was hat sie dir über mich erzählt? Weißt du Bescheid?“, giftete Link. Aber ebenso besah er sich das erstaunte Gesicht Williams, der nicht wusste, warum der unerkannte Held plötzlich so eine schlechte Laune hatte.

„Worüber Bescheid?“ Link wich zurück und blickte betreten zu Boden.

„Über mich...“, sagte er. Doch William schüttelte den Kopf. „Sie hat nur gemeint, dass sie dich sehr gut kennt. Nichts anderes...“ Sich den Schlafsand aus den Augen wischend und über die schmerzende Stirn streichend, drehte sich Link um, nahm sein Schwert und lief zu der kleinen Hütte.

William folgte ihm stur. Er hatte dieser Dame, nachdem sie verschwunden war, innerlich versprochen sich um Link zu kümmern, also würde er das jetzt auch tun. Und basta. Er war hartnäckig, mutig und kampfbereit. Na, wenn das kein Kampf war, diesen komischen Vogel Link näher kennen zu lernen...
 

„Du hast den Plan noch nicht fertig, oder?“, sagte Will, als er zu der Schiefertafel blickte und feststellte, dass absolut gar nichts auf dieser vermerkt war. Link schüttelte mit dem Kopf und biss sofort wieder die Zähne zusammen angesichts der kleinen Gehirnerschütterung, verursacht durch den erbarmungslosen Kampf gegen den Blutsmoblin. Er amtete scharf durch die Zähne ein und stützte eine Hand an den Schädel.

„Du solltest vielleicht mal in dem Krankenflügel vorbeischauen.“

„Ich brauch’ keine Hilfe“, sagte Link mürrisch und ließ sich auf einer Holzstufe nieder. Will nahm sich an ihm ein Beispiel, gesellte sich ebenso auf eine Treppenstufe und holte ein großes Stück Pergament aus seiner Tasche.

„Schau’ mal. Das ist mein Plan. Da wir beide so ziemlich, nein, eigentlich genau dasselbe nachholen müssen, stimmt dieser exakt mit dem überein, was du absolvieren musst. Du kannst ihn gerne abschreiben.“ Baff und extrem verwundert sah Link auf. Will gab ihm einen dussligen Blick. „Nun guck’ nicht so vertrottelt. Ist das das erste Mal, dass dir jemand ein bisschen Arbeit abgenommen hat.“ Aber Link glotzte tatsächlich ungläubig drein, so als war Wills Handlung mehr als nur einer Auszeichnung wert. Und es war sicher eines der ersten Male, dass jemand ihm half...
 

„Nun nimm’ diese Hilfe schon an. Du kannst das, wenn du zu stolz dafür bist, auch gerne auf andere Weise wieder gut machen.“

Link schüttelte mit dem Kopf und wollte diese Hilfe gerade verschmähen, als Will dazusetzte: „Lilly meinte, wenn du keine Hilfe von mir annimmst, würde sie mir erzählen, was dein größtes Geheimnis ist. Und glaub’ mir, mein Schwesterchen weiß mehr als uns allen lieb ist. Obwohl ich ihr trotzdem nicht alles abkaufe.“

„Mein größtes Geheimnis? Und wenn schon, die halbe Ritterschule weiß es und du wirst es sowieso bald erfahren.“ Aber war denn das Heldsein sein größtes Geheimnis? Gab es nicht eine andere Sache, die sich für den Klatsch und Tratsch noch mehr eigenen würde?
 

„Toll, ich will’s aber nicht wissen. Mit den Geheimnissen ist das so ne Sache. Wenn ich mir vorstelle, jemand würde mein größtes Geheimnis einfach so herausposaunen, wäre ich bestimmt auch verbittert und genervt.“ Verdammt noch mal, dachte Link, redete William alles schön, oder war das seine aufrichtige Einstellung zu den Schattenseiten der Hylianer um ihn herum?

„Ist das wahr? Ich meine...“, sagte Link umständlich. „... denkst du wirklich so, oder willst du mir bloß einen Bären aufbinden?“

William grinste tückisch. „Das war meine Erziehung.“, eiferte er. „Meine Mutter hat schon ein paar edle Ansichten zu allerlei Themen, musst du wissen.“

„Du kannst froh sein, eine solche Mutter zu haben...“, sagte Link und konnte im nächsten Moment nicht glauben, dass gerade er so etwas gesagt hatte. War das wirklich sein Mundwerk, das derartige Worte erschaffen hatte? Waren es seine Lippen, die sich öffneten um diesen Satz aus seiner Kehle gleiten zu lassen.

„Jo, meine Mutter ist schon toll!“, lachte William. „Also, willst du diesen Plan nun haben? Ich könnte ihn dir auch erklären.“ Link zögerte zunächst, aber aus uneinleuchtenden Gründen waren die Zweifel mit jemanden zu reden wie weggewaschen. Vielleicht war es die Tatsache, dass William Laundry ein sehr helles und waches Gemüt hatte, oder aber, da er aus einer sehr edlen, rechtschaffenen Familie stammte. Link wusste es nicht. Aber aus irgendeinem Grund wuchs in ihm mehr und mehr das Gefühl, William ansatzweise, wenn auch mit vielen Einschränkungen, vertrauen zu können.
 

Schwankend stand Link auf seinen müden Beinen und sagte: „Ich nehme an, das hat sich sowieso erledigt.“

„Wie meinst du...“

„Hast du meinen Test vergessen? Ich habe versagt... versagt...“ Als ob das Wort auf der Zunge zergehen müsste, wiederholte Link es. Versagt. Gerade er hatte versagt... Ein Held, der versagte, war in Links Augen kein Held mehr. Denn Helden waren geboren, um nicht zu versagen, sie waren geboren, um erbarmungslos zu kämpfen und niemals eine Niederlage hinzunehmen. Ein Held, der versagte, war nichts wert für ihn...
 

„Ich habe den Test nicht bestanden.“ Link kniff gedemütigt die Augen zu, schämte sich so ungeheuerlich für sich selbst und diese irrsinnige Schwäche. Verdammt noch mal, das bin nicht ich, sagte er immer wieder in seinen Gedanken. Das bin ich einfach nicht...
 

„Beim Triforce, Link.“, sagte Will aufgebracht. „Was erwartest du eigentlich von dir? Kein Hylianer hat sich jemals einem Blutsmoblin alleine gestellt. Kein Ritter der hylianischen Tafelrunde hat jemals einen Blutsmoblin so mutig ins Antlitz geschaut, ihm getrotzt wie du! Anstatt stolz auf dich zu sein, bist du verbittert und enttäuscht von dir selbst, weil du diesen fetten Dämon nicht in die Flucht geschlagen hast? Bei den Göttinnen, du dachtest doch nicht wirklich, dass Viktor mit einem so unfairen Test durchkommt?“

Aber Link maulte: „Du hast doch keine Ahnung.“

„Mag sein, dass ich die Umstände nicht kenne. Mag sein, dass ich nicht weiß, warum Viktor dich bis in die tiefste aller Höllen wünscht. Aber nicht einmal dieser untreue Ritter hätte dieses Ekel in dem Käfig bezwingen können. Du solltest froh sein, dass du noch lebst.“ Damit gab Will dem dussligen Held der Zeit einen Klaps an seinen Gehirnskasten.

„Ich war vorhin bei Sir Newhead. Und der meinte, ich solle dir von ihm schöne Grüße bestellen. Er hofft, dass es deinem Schädel nicht allzu schlimm geht. Außerdem soll’ ich dir ausrichten, dass du auch ohne Test ein Anrecht hättest, hier zu lernen. Ich versteh’ zwar nicht wieso, aber so sagte er es.“ So langsam hatte Link das aberwitzige Gefühl, Will verstand vieles nicht, so wie das gripsmäßig hochangesiedelte Gefasel seiner kleinen Schwester.
 

Ein wenig weitschweifig, ein wenig scheu, brachte Link ein „Also gut“ über die trockenen Lippen und wanderte mit seinen tiefblauen Augen den ersten Wochentag ab. „Montag früh haben wir Shiekahredewendungen. Ein traditionsreiches Fach, welches von einem alten Zwergprofessor unterrichtet wird. Die Sprache der Hylia und Dämonenkunde haben wir auch bei ihm. Aber diese zwei Fächer müssen wir nachholen. Um sieben fängt der Montag an.“

„Was so früh?“, murrte Link ungläubig. Er war schon ewig ein Langschläfer und hatte absolut keinen Nerv um diese frühe Stunde offen herumzuhampeln.

„Sei’ doch froh, dass wir nicht schon um fünf rausmüssen. Ich hab’ gehört, Viktor lässt einige Jungs Frühsport machen, wenn diese in seinem Unterricht versagt haben.“

„Was unterrichtet der eigentlich?“, maulte Link und überflog den Montag. Kartenlesen und Schwertkunst und nach dem Mittagessen wieder Schwerttraining... sowie der Kurs der Höhen am späten Nachmittag.
 

„Der Hurensohn Viktor?“

„Ja“, meinte Link ruhig und blies bei dem Anblick des vollgestopften Montags einen Luftstrom an seinen Haaransatz.

„Die Schwertkunst und Verteidigung. Fast jeden Tag fünf Stunden.“

„Na da kann ich mich ja auf was gefasst machen“, murrte der junge Held und wanderte mit einer trübsinnigen Geste hinaus in das klare Wasser des Glücksteiches. Will sah auf, hatte etwas verständnisvolles in seinen grünen Augen und doch verriet ein böser Funken Neugier seinen Standpunkt.

„Warum hasst er dich denn so?“ Link verkrampfte seine schwitzenden Hände und begann: „Weil..“ Aber er stoppte in den Worten und rieb sich über das feuchte Gesicht. Sollte er William erzählen, dass dieser Kerl annahm, Link hätte ein Mädchen entführt?
 

„Kennst du Malon, das Farmmädchen?“

„Mensch, bist du ne hohle Nuss. Da will man mal was wissen und du fängst gleich mit dem nächsten Thema an.“ Wills Enttäuschung sprühte Funken. Da hatte er geglaubt, er hätte endlich einen Draht zu seinem oberkomischen, einsamen Mitbewohner und dann mogelte er sich um das Thema. Link ließ den Kopf schief hängen und rechtfertigte seine Worte vor sich selbst. Er hatte ja schließlich versucht, mit der Wahrheit anzufangen...

„Ja, ich habe Malon schon mal gesehen, ist aber nicht mein Typ. Warum? Ist sie dein Typ?“

Mit geweiteten Augen drehte sich Link um und räusperte sich. „Nein, nicht Malon...“

„Und was willst du dann von ihr?“

„Nichts weiter... aber ich kenne sie.“ Will runzelte die Stirn und schüttelte banal den Schädel. Link war wohl einfach nur hoffnungslos verloren...
 

Der Waise wagte wieder einen Blick auf den Stundenplan und besah sich nun wissbegierig den Dienstag. Wie schön, dachte er neben dem Umgang mit dem Schwert gab es an dem Tag ein wenig Bogenschießen, Armbrusttraining und überhaupt war der Tag vollgefüllt von den Stunden bei der Gerudokriegerin. „Der Dienstag is okay, da sind wir auch etwas früher entlassen. Dann der Mittwoch, wo wir die Vorlesung über die Historie und Kriege Hyrules bei Lord Aschwheel besuchen müssen.“, setzte William hinzu. Aschwheel, dachte Link. Lord Aschwheel, der alte Humpelnde aus der Doomrent- Festung.
 

„Was weniger schön ist“, begann William, während seine grünen Augen auf dem Stückchen Papier versunken schienen. „... der Donnerstag, da haben wir von früh um sechs bis spät abends um zehn Unterricht.“ Link schüttelte abtuend mit den Schultern.

„Ich gehe sowieso nicht überall hin...“, meinte er beiläufig und schien extrem gelangweilt.

„Aber das kannst du nicht. Du kannst doch nicht den Unterricht schwänzen. Das geht doch nicht.“

„Natürlich geht das. Alles geht.“, sagte er, nahm sein Schwert wieder in die Hand und wollte gerade einen sauberen Schwertstreich ausführen, als ihm das lederne Heft mit einem Ruck aus der Hand fiel. Ein übler Schmerz zog sich seinen Schwertarm entlang, allein der Gedanke an seine einstige Kraft, die Macht des Helden der Zeit, tat weh...
 

„Was’n los?“, meinte Will und hüpfte näher. Doch Link schwieg. Es war gerade so, als wollte ihm jemand verbieten zu kämpfen. War das vielleicht gerade die Absicht von den dunklen Mächten, die ihn folterten, die seine Seele in den Abgrund geschickt hatten, wo er jetzt fest stak.

„Nichts“, nuschelte Link über die spröden Lippen und begann sich wieder selbst zu belügen. Achtlos ließ er die Klinge im Gras liegen, stolperte zu dem Häuschen und verschwand dahinter. Die alte Holztür stand immer noch einlandend offen und doch blieb der junge Laundry wenige Sekunden auf dem dichten, saftigen Gras stehen.

Ein seltsames Gefühl umfing ihn. Es war wie als ob er auf der Spur eines großen Geheimnisses wäre. Als ob mit jeder weiteren Minute sich ein unaufhaltbares Ereignis der Wirklichkeit näherte...
 

Ein Wesen gekleidet in grauem, langen, unauffälligen Mantel wandelte in der Zitadelle der Zeit, einem Ort der Ehrerbietung, einem Ort, wo die Zeit selbst ausgesperrt schien. Die Kälte schlüpfte heimlich durch viele, kleine Risse in dem Gestein.

Dumpfe Schritte hallten hier, verursacht durch jene Gestalt, die suchend an das geheiligte Masterschwert herantrat. Noch immer zeugte die Handschrift des Rostes von ihrer Zerstörungsgewalt. Feine braunrote Spuren des Verderbs zogen sich vom Zeitenfels hinauf bis hin zu dem amethystfarbenen Schwertheft mit den goldenen Metalleinschlägen. Rost, der Schimmel der Zeit...

Es war die Prinzessin, die erneut hier wandelte um den Zustand der mächtigsten Waffe Hyrules zu überprüfen. Doch wieder fand sie nur ein altes, unbenutzbares Schwert vor sich, welches sich nicht einmal von einem berufenen Träger aus dem Fels ziehen lassen würde.
 

Mit genügend Abstand blieb sie vor der Klinge stehen, denn sie wusste und erkannte das, selbst wenn jenes geweihte Schwert verrostet schien, eine alte Seele in ihm lebte. Ein Schutzmechanismus, der verhinderte, dass irgendjemand, der nicht bestimmt war, die Waffe zu berühren, von ihrer Macht Gebrauch machen konnte.

Ein Dämon, nicht mächtig des Herzens seiner selbst, würde sich an der Klinge die Finger verbrennen. Und ein unehrenhafter Hylianer oder ein Dummkopf würde am eigenen Leib die Gewalt und Wahrheit der Weisen zu spüren bekommen, die jenes Schwert einst vor vielen Hundert Jahren schmiedeten.
 

Eine weitere Gestalt trat näher. Stiefelgeklapper in den geheiligten Räumen der Zitadelle. Ein junger Mann, sehr eitel, denn es entsprach seinem Stand, trat aus dem Schatten der Säulen hervor. Eine edle Rüstung mit ausgestopften Orden, einem goldenen Schulterlappen über der rechten Brusthälfte hängend und teurem königsroten Stoff, der an vielen Ecken unter der Silberrüstung hervorstach, wurde von dem wenigen Fackellicht enttarnt. Ohne sich umzudrehen, sprach Zelda ruhig und gelassen.
 

„Was erwartest du hier zu finden, Valiant?“ Zielsicher trat der junge Königssohn näher an das sagenumwobene Schwert, welches stets von den Tapfersten der Tapferen, von den wahren Helden von Generation zu Generation geführt wurde.

„Im Grunde...“ Und Valiants hellgraue Augen ruhten beinahe verlangend auf der tückischen Waffe, die nicht in falsche Hände fallen durfte. Nicht ungewöhnlich und doch bedenklich war Valiants Suchen und Erstaunen bei dem Anblick der geheiligten Waffe. Denn jeder Kämpfer in Hyrule, der schon einmal getötet hatte, konnte von dem Masterschwert geblendet werden. Sein beißender Blick. Ein Funkeln verborgen. Die Gier nach Besitz eines solchen Tötungsinstrumentes...
 

„Im Grunde... nur ein Blick. Nur ein Schwingen. Nur ein Windstreif...“ Und er blieb wenige Meter vor der Waffe eines wahren Helden stehen.

„Aber warum ist es verrostet?“, sagte er klar. Die Macht über seine Sinne wiedergewinnend, zog Valiant seine Fingerspitzen zurück, bedacht, das seelenbesitzende Schwert nicht aus den Augen zu lassen.
 

Blaue Augen stachen aus der grauen Kapuze Zeldas hervor.

„Du hegst Interesse an dem Schwert des Lichts, dem Schwert der Wahrheit, welches sich seinen Träger selbst wählt?“ Und sie wand sich zu ihrem Cousin, der noch ganz nah an der alten Waffe wachte. „Ist dies Tun nicht weniger als deine Pflicht?“

„Gewiss“, sagte der junge Edelmann, geneigt, wahre Absichten zu kaschieren. „Und doch frage ich mich, wie es sein mag, wie es sich anfühlt, jene Waffe zu tragen, sie zu schwingen. Das Masterschwert zu einem Diener der eigenen Stärke zu machen.“

„Du unterschätzt das Schwert, wie jene, die ihm zum Opfer gefallen sind. Jene, deren Blut sich nicht mehr der stählernen Klinge entreißen lässt. Hüte deine falsche Begierde, Valiant.“
 

Verärgert drehte sich jener um und fuhr energischer fort. „Wer sagt uns, dass jenes Schwert nur für den wahren Helden geschmiedet wurde?“, sagte er eindringlich, sodass seine Stimme in den unterirdischen Hallen umherschallte.

„Ist es nicht Wahnwitz, diese Macht hier enden zu lassen. Ist das Rosten nicht ein Hinweis, dass Link nicht mehr würdig ist, es zu tragen?“ Zeldas sonst so warmherzige Augen zogen sich enger. Eindringlich argumentierte sie: „Sind das deine Schlüsse? Woher kommt dein Recht die Wahrheit zu hintergehen? Sagt dir dein geblendeter Verstand, dass Link nicht mehr würdig ist, das Schwert zu führen?“ Valiant blickte betreten zu Boden.

„Nein... verzeih’ es ist wohl der Begehr dieses Schwertes, welches mich meine Schlussfolgerungen ziehen ließ.“ Ebenso wie andere wurde der junge Königssohn Opfer der Gier, das Schwert der Schwerter in Händen zu halten.
 

„Soso... war es auch dieser dreckige Begehr, welcher dich den jungen Helden der Zeit ohne Hilfe gegen einen Blutsmoblin kämpfen ließ. In seinem Zustand!“ Herausfordernd wand sich die junge Thronfolgerin zu ihrem Cousin. Eine magische Windböe umflatterte den grauen Mantel und ließ den Staub hier wüten. Valiant blickte schief auf und ein wenig Reue stand neben seiner eitlen Mimik.

„Verzeih’ mir dafür, Cousinchen...“ Zeldas Schultern sanken von der angespannten Pose hinab und ihre Angriffslust sank allmählich zurück in den Nebel der Macht in ihrem Innersten.

„Was waren deine unhaltbaren Gründe? Neugier? Oder etwa doch die Lust das Masterschwert zu deinem Eigen zu machen?“, sagte sie zynisch.

„Ich wollte wissen, wozu Link fähig ist“, sagte er mit ernstem Ton und blickte wieder forschend zu der geheiligten Klinge, wo sich der Rost von Sekunde zu Sekunde gleich einer Schlange wand, gleich einer tötenden Schlinge, die um einen Hals zugezogen wurde. Wie ein Lebendiges sich selbst strickendes Kostüm kleidete der Rost die Klinge, die niemals vergessen werden sollte.

„Dann hast du wohl nun erfahren, wozu er im Moment nicht fähig ist...“, sagte Zelda und drehte sich gen Ausgang. „Und die Frage scheint, ob er jemals wieder zu dem fähig ist, was in seiner Verantwortung gegenüber dem Schicksal liegt.“
 

Als die Prinzessin Hyrules mit übler Laune bereits wieder im Sonnenschein wandelte und sich in aller Ruhe unerkannt über den Marktplatz bewegte, erwachte in Valiant erneut das zügellose Bedürfnis nur einmal von der Macht des Schwertes zu kosten, nur einmal das wunderbare Masterschwert zu berühren, das Schwertheft zu streicheln. Ganz langsam, neugierig, wie die verspielten Hände eines Kindes bewegten sich seine Fingerspitzen an das feine Schwertheft heran, wollten erfahren und fühlen. Valiants graue Augen wuchsen. Feine rote Blutäderchen des Glaskörpers darin zerplatzten, hinterließen rote Striemen in den Augen Valiants.
 

Es war ein Spiel mit dem Feuer. Und doch schien der junge Adlige nicht dagegen ankämpfen zu können. Ein Spiel mit der Macht, wobei doch immer nur jene eine Macht selbst gewinnen konnte, welche das Spiel steuerte.

Das mächtige Masterschwert spiegelte sich verräterisch und ohne für gewöhnliche Augen sichtbare Roststriemen in den geweiteten Pupillen des Hylianers. Seine rauen Fingerspitzen nahten sich der geheiligten Waffe eines wahren Helden...
 

Nur kurz war die Berührung von Haut auf magischem Leder. Nur ein kurzer Effekt, nicht erfahrbar für die Sinne eines sterblichen Wesens wie Valiant es war. Und der gesamte dunkle, stille Raum färbte sich plötzlich und tosend hell. Ein gleißender, schrecklicher Atem der Macht stach gefahrbrünstig hervor. Die Luft brannte vor Energie und ein ohrenbetäubendes Grölen schickte alle empfindlichen Hylianerohren im Umkreis von hundert Metern in den Wahnsinn. Der junge Adlige platzte schreiend an die Wand, verlor für kurze Augenblicke die Beherrschung und das Verständnis über seinen Körper. Jede Körperzelle saugte nach Energie, jede Körperzelle hatte erfahren, wie dumm der Wunsch nach Macht, der Durst nach dem geheiligten Masterschwert, sein konnte...
 

Als sich die Szenerie leerte und das gigantische, stahlweiße Licht sich wie eine Woge aus Nebel langsam über den Boden bewegte, sich wieder in dem Schwert sammelte, rappelte sich Valiant auf, hetzte wie ein flüchtendes Stück Vieh aus den uralten Räumen, furchtvoll und ehrerbietig, diesen Ort nie wieder aufzusuchen...
 

In dem Moment betrat der unwissende Laundry das dunkle, behangene Holzhäuschen. Stickige Luft schlug ihm entgegen, als er das kleine, unaufgeräumte Wohnzimmer mit smaragdgrünen Augen durchstöberte.

Link stand gebeugt vor dem kleinen Kamin, ihm den Rücken zugewandt und stützte sich heftig atmend am Kaminsims ab.

Sein Körper fühlte sich an, als wollte er zerbersten, aber weniger aus Schmerz, sondern aus einer gigantischen Energie heraus, die sich in jeder Faser seines Körpers voranbahnte. Wie ein energiegeladenes Floß auf einer hohen See. Links Augen waren erglommen, belegt mit silbrigem Schimmer, während sein Puls in die Höhe schoss.
 

„Ist was passiert?“, meinte William. Aber Link würde seinen Mitbewohner jetzt nicht vollkommen verstehen, denn seine Ohrmuscheln schienen dem Einfluss starker Energie ausgeliefert zu sein. Der Heroe richtete sich abrupt aufrecht, gleichzeitig rauschte ein Strom kribbelndes Feuer seinen linken Arm hinauf.

„Ja...“, seufzte Link. Sein Blick schwankte hinaus aus einem beschlagenen, staubigen Fenster. Er rieb sich nachdenklich sein Kinn und ließ den aufgeladenen Schwertarm bedacht an seiner Seite hinabbaumeln, aus einer Vorsichtsmaßnahme heraus.

„Und was?“ Will verzog sein Gesicht.

„Wenn ich das mal wüsste...“ Ein Pochen zerrte sich seinen Schwertarm nach oben, in Begleitung von Druck und dem gleichzeitigen Gefühl von Schwerelosigkeit. Es schien ein Zustand des Auffressens zu sein, wonach einst verwendete Magie nun zurückforderte, was der Nutzer ihr schuldig war. Wärme und Kälte, die Ströme aus denen sich das Gute und Böse schöpfte, arbeiteten nun in jeder Faser, in jedem Knochensplitter seines Armes. Unbegreiflich, und doch eher sich selbst neutralisierend war die Erfahrung des Momentes.
 

Schwerttanz... so hatte Link das Gefühl damals genannt. Denn er, der Held der Zeit, der doch mit dem Masterschwert und der heiligen Okarina in den Wellen der Zeit segeln konnte, hatte manchmal und nach Kämpfen häufiger jene sekundenlange Empfindung, die das Masterschwert aussendete. Schwerttanz, da Link zwischen den Zeiten tanzte und das Masterschwert diesen Tanz immer begleitet hatte...
 

Link kratzte sich am halbzertrümmerten Schädel und blickte dann beinahe grinsend in Wills irritiertes Gesicht.

„Aber egal...“ Und damit tat Link jene Empfindung des Schwerttanzes ab, denn sie konnte nicht sein und warf einen weiteren Blick auf den zermürbenden Plan. „Wie sieht denn der Freitag aus?“

„Schrecklich...“, entgegnete Will und blickte sich in der muffigen Hütte ein wenig genauer um. Er öffnete einen klapprigen Schrank, durchwühlte eine rabenschwarze Truhe mit harten Eisenbeschlägen und begann damit den Gerümpel hier und da, Teller, Lederbeutel, Dosen, heruntergebrannte Kerzen, einen zerbrochenen Spiegel und einige verstaubte Bücher in den Schrank ganz rechts, unter der Treppe hineinzustecken.
 

„Sprache der Hylia, Unterricht bei Newhead, Schwerttraining und Magieunterricht stehen da an.“

„Magieunterricht? Wozu das denn?“ Und der junge Held half dem scherzhaften William die kleine Bude auf Vordermann zu bringen. Er stopfte die gelöcherte Tischdecke in den Schrank, der nun bald aus den Nähten platzte.

„Hast du denn kein Interesse am Magieunterricht? Ist zwar bloß eine Stunde am Freitag, aber vielleicht hat ja einer von uns ungeahnte magische Fertigkeiten. Ist ja hier in Hyrule nichts allzu außergewöhnliches.“
 

Link nahm sich seufzend einen Staublappen und alsdann putzten und schrubbten die beiden Jugendlichen das versteckte Häuschen am Glücksteich, bis es blitzblank glänzte. Sie räumten den kaputten Hausrat heraus, stellten die restlichen, noch brauchbaren Stücke in eine schöne Ordnung, wedelten mit Staubbesen und hängten verschönernd ein paar graue, zottelige Tuchlappen als Vorhänge vor die milchgläsernen Fenster.
 

„Fehlen nur noch ein paar Leute, ein wenig hylianischer Schnaps und ein ordentlicher Schuss gute Laune“, sagte Will erfreut. „Und dann steht einer ordentlichen Sause nichts im Weg.“ Was? Das konnte Will doch nicht ernst meinen. Link hatte gehofft, er könnte hier seine Ruhe haben. Er brauchte im Moment keine Stimmungskanonen...

„Nur der Dachboden fehlt noch.“ Und Will schnipste eifrig mit den Fingern. Gerade wollte er die einsturzgefährdeten Treppen hinauf, als Link ihn zurückhielt.

„Nimm es mir nicht übel, aber kann diese Hütte nicht unser Geheimnis bleiben?“

„Warum?“ Und Wills Augenbauen nahmen beinahe die ganze Stirn ein, aus Ungläubigkeit.

„Weil ich hier gerne ab und an meine Ruhe haben möchte“, sagte Link ehrlich und drehte sich weg. Will zuckte mit den Schultern, war aber einsichtig. „Na gut, wenn du möchtest.“ Und beinahe wäre dem jungen Helden ein Danke über die Lippen gefahren.
 

Augenblicklich gab sich das erste Mal ein verräterisches Kratzen in dem kleinen Keller unter der Falltür preis. Dann etwas wildere Geräusche.
 

Vor Aufregung machte William einen Luftsprung und stolperte unglücklich auf das jugendliche Gesäß. „Beim Triforce? Was war das denn?“ Laundrys Blick heftete sich furchtvoll auf das nahe, unheimliche Geräusch. Derweil griff Link sorgsam nach dem Dolch an seinem braunen Ledergürtel. Planvoll lief er in Richtung der gefährlichen Falltür.

„Du hast doch nicht ernsthaft vor, die Tür aufzumachen“, platzte es aus Wills trockenem Mund hervor.

„Oh doch!“, schmunzelte Link beinahe.

„Mach’ das nicht! Und wenn dort unten was gefährliches ist?“, sagte Will entgeistert.

„Dann kannst du immer noch weglaufen, du Angsthase.“ Abrupt stand der grünäugige Jugendliche auf den Beinen. „Ich und weglaufen? Meine Ahnen sind auch nie weggelaufen. Ich würde mich schämen, wenn ich weglaufen würde.“ Link rollte die Augen und meinte frech: „Dann wirst du wohl gleich einen Grund haben, vor Scham ganz tief im Boden zu versinken.“ Herausfordernd klopfte Link mit einer Hand auf das alte Holz der Falltür, bedacht, was immer in dem Keller lauerte aus der Deckung zu locken.
 

„Du Spinner!“, brüllte Will energisch. „Hör’ gefälligst auf, das Ungetüm noch anzustacheln.“ Aber Link drehte sich nur dümmlich um und schielte mit den tiefblauen Augen in das zu Tode geängstigte Gesicht seines ach so tapferen Zimmergenossen. Nur unter Aufwendung allen Mutes stapfte Will zu Link heran. Aber unbeeindruckt wanderten Links Hände an den verrosteten Riegel der Falltür.

„Beim Triforce, du kannst doch nicht... wenn da unten ein Dämon ist...“ Das Zittern in Wills tiefer Stimme war nicht zu überhören.

„Wenn du damit anfangen würdest, die Luft anzuhalten, könnte ich mich um das sogenannte Ungetüm kümmern. Also spiel’ hier nicht den Feigling, Will.“ Und mit einem lauten Schlag zerrte Link die Türe auf, wobei die Holzbekleidung teilweise abbröckelte.

Aufgeregt kroch Will auf allen vieren in eine Ecke, krallte sich eine Vase und harrte voller Empörung den grausamen Dingen, die da kommen mögen.
 

Vorsichtig lugten Links dunkelblaue Augen in die Tiefe. Ein wenig zerstreut und doch sicher, beständig war sein Blick. Als ob er die wahre Stärke in seinem Inneren allmählich erinnern wollte...
 

Genau in dem Atemzug platzte etwas Großes, Zähnefletschendes, Schleimabsonderndes aus dem Keller hervor. Wills tosender Schrei ging zwischen dem plötzlichen, aufgeregtem Kläffen eines Haustieres unter. Link begann zu lachen, als sich ein großes, weißschwarz geflecktes Tier auf ihn stürzte und mit einer riesigen, schlabberigen Zunge begrüßte.

Als der junge Laundry seinen Wolfshund erkannte, atmete er erleichtert aus und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Bei den Göttern, was hatten sie beide doch für ein Schwein...
 

Er humpelte näher und begann das kräftige Tier zu betätscheln. Er schüttelte mit dem Kopf und sagte zu Link gewandt: „Hast du etwa gewusst, dass Wulf in dem Keller ist?“

„Was meinst du, Wulf, habe ich das gewusst?“ Das Tier jaulte und schien mit dem Kopf zu wippen. „Ein paar schöne Kasper seid ihr beide. Haltet mich bloß nicht noch mal zum Narren. Eine Minute länger und ich hätte mir vor Angst in die Hose gemacht.“

Es war eines der wenigen Male, dass sich Links ansehnliches Heldengesicht zu einem kleinen Grinsen verzog. Will erstaunte nicht schlecht, beließ es aber dabei, den merkwürdigen Spund darauf anzusprechen.
 

Link gähnte plötzlich und fühlte mal wieder einen kleinen Schwächeanfall. Er streckte sich und marschierte mit Wulf, der schwanzwedelnd hinter ihm herhüpfte, zu der Treppe. Will folgte stur. Denn es gab noch viele Dinge, die er über Link wissen wollte. Die Tatsache, dass Link die Prinzessin Hyrules kannte, war nur eines der Dinge, die Wills Wissbegierigkeit unterlagen.
 

Sie brachten die Unordnung auf dem Dachboden in ein anständiges Maß zurück und putzten das Fenster. Der Abend brach an, als sich Link kränkelnd auf die Bettkante niederließ und den stechenden Kopf in die rauen Hände stützte.

„Wir können zufrieden sein. Die Hütte ist so gut wie neu!“, meinte William begeistert und schob einen Nachttischschrank mit fehlender Schublade an das Bett. Der erschöpfte Held sah nur auf und hatte schon wieder etwas Tieftrübsinniges in seinen Augen.
 

„Darf’ ich dir eine Frage stellen?“, sagte Will leise und hüpfte schwungvoll auf das knarrende Bett. Wulf bellte laut los und leckte erneut über das traurige Gesicht des Helden der Zeit.

„Ja, worum geht’s?“ Verwundert blickte Link zu dem nachdenklichen Gesicht Wills.

„Du bist Waise, habe ich recht?“ Doch damit hatte Link nicht gerechnet. Noch nie hatte ihm jemand eine so eindeutige Frage gestellt. Nicht Zelda, denn sie wusste es bei einem Blick in seine Augen. Nicht einer der Bekannten in Termina, denn es waren nur Bekannte. Nicht einer der Kokiri, denn sie wussten nicht, was Eltern überhaupt waren...

Aber Link antwortete nicht, denn er brachte jetzt wieder keinen Ton hervor.
 

„Bei Nayrus allmächtiger Liebe. Das ist ja bestimmt nicht deine Schuld. Was ist denn mit deinen Eltern passiert?“

„Ich weiß nicht genau...“, nuschelte er vor sich hin und fühlte eine immense Wut und Anspannung in sich keimen.

„Sie sind in dem Krieg vor fünfzehn Jahren umgekommen. Ich weiß eigentlich nichts über sie.“ Und damit stand Link auf und lief hinüber zu dem kleinen Fenster, welches mehr einem Guckloch entsprach und schielte in den untergehenden Feuerball am hylianischen Abendhimmel.

„Aber du weißt, dass dein Vater Ritter war, nicht? Oder war deine Mutter die Schwester eines Ritters?“

„Ja, das könnte beides sein.“

„Und wo bist du aufgewachsen, ich meine, du musst ja irgendwo gelebt haben.“ Inzwischen konnte Will mit seinen Fragen nicht mehr aufhören und wurde ersichtlich grob. Wulf sprang von der Matratze und hastete vergnügt zu Link hinüber, suchte Streicheleinheiten und wohlgesonnene Ablenkung.
 

Link blickte leicht verärgert drein. „Sicherlich habe ich gelebt, sonst würde ich ja jetzt nicht hier stehen.“, maulte er. Er ließ sich auf den Holzboden sinken und setzte sich in Schneidersitzmanie neben das Fenster.
 

„Entschuldige“, meinte Will widerrufend. „Kennst du den Namen deines Vaters?“

„Nein...“, flüsterte Link beinahe.

„Das ist schade. Und wo bist du nun aufgewachsen?“

„In den Kokiriwäldern.“ Erschrocken fuhr William hoch. „Was? Deshalb wolltest du in diese Wälder aufbrechen, nachdem wir dich mit den Karren angefahren haben?“ Wills smaragdgrüne Augen drehten sich mit jedem weiteren Wort aus dem Gesicht. „Du bist tatsächlich in den alten Wäldern groß geworden. Das ist ja krass!“

„Behalte das bitte für dich“, sagte Link nachdrücklich.

„Okay, kann ich machen. Und wo hast du so kämpfen gelernt? Etwa auch im Wald?“

„Nein... und nun hör’ auf mit deinen Fragen. Das reicht jetzt“, giftete Link und drehte sich abweisend gen Fenster.
 

William zuckte mit den Schultern und seufzte. Das Bett hier war wirklich gemütlich. Warum eigentlich zurück in diese dämliche Schule gehen. Hier war es doch viel interessanter, vor allem, da er endlich einen Draht zu diesem komischen Typen Link gefunden hatte. Außerdem hatte auch William Laundry trotz seiner gutmütigen Seite, einen unwiderruflichen Hintergedanken. Wenn Link schon so unglaublich elegant, anmutig und stolz kämpfen konnte. Dann könnte er sich doch ab und an... ein paar Scheiben davon abschneiden oder diesen Link irgendwann darum bitten, mit ihm zu trainieren.
 

„Übrigens, wir haben auch Samstag Unterricht und Sonntag früh auch zwei Stunden.“

„Willst du mich verarschen, oder was?“, sagte Link glaubenslos.

„Nein, das ist mein Todernst.“

„Aber Sonntag, das geht doch nicht! Da gehe ich eben einfach nicht hin“, sagte er abschließend. Wie konnte jemand nur auf den Dreh kommen ihm seinen heißgeliebten Sonntag zu nehmen? Schließlich wollte er ja auch mal mit Epona Ausreiten, neue Orte in Hyrule entdecken, und da konnte er nicht jeden Tag in dieser blöden, nutzlosen Schule bleiben.
 

Links Blick schweifte gedankenvoll zu dem Glücksteich und er sah zwei weitere Gestalten an dem See stehen. „Nanu?“, meinte er verwundert. „Da draußen stehen zwei Mädchen am Teich.“

„Was? Wie?“ Will hüpfte auf die Füße, rückte seine Frisur zurecht und eilte neugierig zu Link hinüber. Nicht mal schlecht, dachte der junge Laundry, als er sich die beiden jungen Damen betrachtete. Die eine hatte wildes, schwarzes Haar bis zur Hüfte. Eine Schönheit ohne gleichen.
 

Was Will nicht wusste... Link kannte das schwarzhaarige, temperamentvolle Mädchen bereits, hatte wohl keine Chance die bernsteinfarbenen Augen jemals wieder zu vergessen, welche so herzensbrecherisch verhexen konnten.

Die andere war weniger toll, ein wenig kräftig, obwohl füllig und fleischig es wohl eher trafen. Sicherlich wollte William nicht voreilig über die Dame urteilen, aber sie schien sich ab und an zu viele goronische Steinzuckerkekse, kalorienreiche Zoralakritze, Wundererbsenragout mit Zimtwaffeln oder die guten hylianischen gebratenen Sahneteufel in den Mund zu stecken.
 

„Wow, guck’ dir mal die an mit der großen Oberweite. Die scheint für ihr Alter ziemlich reif zu sein. Und dann der Hintern, wie der von einem Brauereisgaul“, muckte Will und kicherte belustigt. Link aber schien sehr unbeeindruckt von diesem Kommentar. „Hast du nichts anderes zu erzählen, du abnormer Kerl?“ Aber Link wusste wohl nicht, dass Jungs in seinem Alter schon ein allmähliches Interesse am anderen Geschlecht entwickelten. Die Frage war, warum Links Instinkt diesbezüglich, seine unbewussten Triebe und die unverbesserliche Natur eines Mannes, irgendwie nicht richtig oder aber verkehrt arbeiteten. War es die fehlende Erziehung?
 

„Sag’ bloß, das interessiert dich nicht?“, fragte Will verdutzt. Link runzelte verwirrt die Stirn. „Was genau meinst du denn?“ Naiver geht’s wahrscheinlich nicht mehr...

Will räusperte sich und begann um die Nasenspitze himbeerrot anzulaufen. Er schluckte die Spucke in seinem Hals umständlich herunter und setzte plötzlich zu einem jauchzenden Schrei an. Sein Blick heftete sich fassungslos nach draußen zu den beiden Mädchen, die sicherlich von der Mädchenschule stammten.
 

„Was machen die denn da?“, stotterte er. Denn die Damen nahmen wohl an, unter sich alleine zu sein. Das andere, eher dickliche Mädchen begleitet mit einem dunklen Latzkleid zog plötzlich ihre braunen Sandalen aus und fummelte an ihrem Kleid herum. Wills Augen wurden immer größer, sein Mund stand sperrangelweit offen und Wasser sammelte sich um seine Mundwinkel. Beinahe erstarrt sah er zu, was da draußen vor sich ging. Bei der Göttinnenmutter Destinia, diese Mädchen hatten doch nicht etwa vor in dem Teich schwimmen zu gehen... und das... nackt?

Das an manchen Ecken gestopfte Latzkleid landete auf dem Boden und die dickliche Gestalt stand nur noch in einem cremefarbenen Höschen und einem zerflederten Korsett da, welches an einer Stelle aufgerissen schien. Das Fett schien nur so an ihren prallgefüllten Hüften herauszutreten. Die Dame kicherte und setzte sich belustigt an den Teich, streifte sich langsam die restlichen Stofffetzen vom Körper.
 

Wills Kopf glühte als ob man ihn in einem Backofen gesteckt hätte und sein hellbraunes schulterlanges Haar stand in alle vier Himmelsrichtungen. Ihm war so heiß, dass er keine andere Möglichkeit sah, als vom Fenster wegzuspringen und wie bescheuert auf und ab zu laufen.
 

Derweil wanderte Links Blick, zugegeben ein wenig neugierig zu Ariana, der stolzen Tochter eines Schmieds. Sie fuhr mit ihren Händen an den Seiten ihrer roten Miederbluse entlang und knöpfte jene langsam auf. Sicherheitshalber wanderte sie mit ihren durchdringenden Augen hin und her, bedacht jeden Spion ausfindig zu machen, blickte zu den dickstämmigen Bäumen, zu den vielen Sträuchern, und auch zu dem kleinen Guckloch. Ihre Augen quollen auf, als sie einen mit der Nasenspitze an der Fensterscheibe klebenden Link entdeckte, der auch noch so unverschämt war mit einer Hand, und zu allen Übel plötzlich unschuldig grinsend, zu winken. Sie brüllte etwas, was der gute Link glücklicherweise nicht verstanden hatte, knöpfte augenblicklich ihre Bluse zu und zeigte ihm einen drohenden Finger. Höflich wand er sich vom Fenster und sah Will nervös in dem Zimmer Kniebeugen, Handstände und Sprintübungen machen.
 

„Äh, sind sie weg?“, stotterte er.

„Nein, aber die eine hat mich gesehen, als ich gewunken habe.“, sagte Link, als ob das eine Selbstverständlichkeit war. Bei den Kokiris war es gang und gebe, dass die Kinder in dem See ohne Scham voreinander schwimmen gingen. Aber Link hatte wohl nicht bedacht, dass diese zwei attraktiven Wesen außerhalb schon lange keine Kinder mehr waren.

„Die haben... du hast... was?“ Schockiert wie er war, wollte William diese Sache nicht begreifen.
 

Plötzlich wurde mit lautem Getöse die Holztür in das Häuschen aufgeschlagen und Arianas merkwürdige Stimme schallte außer Rasche durch die Hütte. Einem Erdbeben gleich fielen Vasen, Geschirr und Bilder von den Wänden.

„Link!“, brüllte sie. „Du mieser Spanner. Wo hast du dich verkrochen?“
 

Ein simples: „Oh oh...“, entkam seiner Kehle.

„Was musst du auch winken, du Idiot!“, bemerkte Will entrüstet und hielt Ausschau nach einem Versteck hier zwischen Spinnweben und Motten. Gerade wollte sich Will in dem alten Kleiderschrank verstecken, als mit hörbarem, verärgerten Fußstapfen so laut, dass sich im wahrsten Sinn des Wortes die Balkon bogen, eine miesgelaunte Ariana Blacksmith auf den Dachboden stolzierte. Ihr Kopf rauchte vor Wut, als sie einen wehrlosen Link und nur wenige Meter weiter einen noch wehrloseren William Laundry vorfand. Sie hatte einen stabilen Ast in der Hand, presste vor Zorn kochend ihre schönen, roten Lippen aneinander und schlug mit dem Ast gleich einer Peitsche in ihre andere Handfläche.
 

„Was hast du zu deiner Verteidigung zu sagen, du kleiner Lustmolch?“ Link wich dümmlich zurück und verstand keineswegs Arianas überschäumenden Wutanfall.

„Link!“, schimpfte sie cholerisch. Das pechschwarze, aufgewühlte Haar schien magisch aufgeladen zu sein. Doch der junge Held wedelte umständlich mit den Händen und meinte nur gehässig: „Aber was habe ich denn falsch gemacht?“ Arianas hübscher Kopf drehte sich zu dem anderen Mädchen, welches gerade die erste Treppenstufe genommen hatte und mit roten Ohren schamhaft zu Boden blickte.

„Deine hohle Rübe verdient eine ordentliche Belehrung. Was wollen wir mit diesem Spund machen, Olindara?“ Ariana meinte das schüchterne, rundliche Mädchen, welches ihre Kleider wieder angezogen, auf der ersten Treppenstufe, verharrte.
 

Schüchtern entkam es dem trockenen Mund des anderen Mädchens: „Weiß nicht...“ Sie stotterte und fühlte sich, als ob sie gleich im Boden versinken würde. Bei Din, ein Junge hatte sie nackte gesehen, während sie am Teich saß. Ein Junge!

„Aber ich weiß es!“, fauchte Ariana und trat näher, immer noch beachtete sie Wills banges Gesicht nicht und stach dem jungen Helden Link vor Aufregung und Hitze mit dem Ast in ihrer Hand beinahe die Augen aus.

„Ich erwarte, dass du dich auf der Stelle bei Olindara entschuldigst!“, sagte sie und drohte ihm mit einem gewaltigen Hieb des Astes.
 

Link schmollte. Wozu sollte er sich entschuldigen? Er hatte doch gar nichts Unrechtes verbrochen.
 

„Ihr seid doch selbst dran schuld, wenn ihr beide euch hier auszieht!“, giftete er. Doch was zu viel war, war eindeutig zu viel. Ariana holte gewaltig aus und der Ast sauste gnadenlos auf Link herab. Jedoch traf sie ihn nicht. Flink und sportlich wie er eben war, hüpfte er mit einem Salto nach hinten.

Er wollte gerade anfangen sich zu rechtfertigen, als ihm aber eine weitere Sache einfiel: „Außerdem...“ und sein Blick ging zu einem schamroten William Laundry, der immer noch versuchte sich in dem Schrank zu verstecken.

„... William hat genauso geguckt. Und er hat gesagt, das andere Mädchen hätte eine gewaltige Oberweite.“
 

Ein herzzerreißender Schrei kam von unten herauf und dicke Tränen kullerten Olindara über die Wangen. Verletzt und gekränkt schrie sie auf, wischte sich die Wasserbäche von den Wangen und hastete weinend aus der Hütte heraus.
 

„Vielen Dank auch, du unsensibler Idiot!“, brüllte Ariana. „Bist du so bescheuert, oder kapierst du das nicht?“ Aufgeregt breitete sie ihre Arme auseinander. „Es ist das schlimmste für ein Mädchen, wenn ein Junge unbefugt die Grenze zu ihrer Intimsphäre betritt und du hackst einfach so auf ihren Gefühlen herum. Hast du keinen Funken Mitgefühl?“
 

Link schaute stumm werdend zu Boden. Er kapierte das nicht. Woher sollte er das auch wissen? Er hatte absolut keine Ahnung von Mädchen, auch wenn sie immer hinter ihm her waren, und noch weniger wusste er etwas über deren Geheimnisse.
 

„Und du, William Laundry? Warum hast du Link nicht mitgeteilt, dass man so was nicht macht?“

„Also... ich hab’...“ Er war zu verlegen und zu gefangen in dem Anblick des Mädchens von vorhin, dass er ganz vergessen hatte, Link darüber in Kenntnis zu setzen, dass man so etwas nicht machte.

Ariana schüttelte eingeschnappt mit dem Kopf. „Hat es sich für euch beide wenigstens gelohnt?“, zischte sie. William kratzte sich am Kopf und murmelte dümmlich: „Ja... doch... irgendwie schon.“

„Du bist das letzte, Idiot! Du bist genauso hirnlos wie Link!“, fauchte sie und schmetterte den Ast wuchtig auf den schutzlosen William. Der Holstab landete krachend an Wills Kopf, der daraufhin wie ein Brett zu Boden ging. Mit einem lauten Schlag kam der bewusstlose Körper der jungen Laundry auf dem Boden auf.
 

„Äh? Will?“, sagte Link laut und entrüstet.

„Keine Sorge, du Dussel, er hat nur eine Beule!“

Ariana trat einen weiteren Schritt an Link heran und sagte aufmüpfig. „Du bist ganz schön frech!“ Aber Link schwieg dazu und blickte in die wachen Augen das Wolfshundes, der bisher geschlafen hatte und nun gefährlich mit seinen gelben Augen leuchtete. Er richtete sich auf, schüttelte sein zotteliges langes Fell und hüpfte schnuppernd in Arianas Richtung.

Als er näher trat und auffallend mit seiner nassen Nase schnüffelte, wich Ariana Sicherheit suchend zurück, versteckte sich hinter Links Statur und krallte sich mit beiden Händen an seinen linken Arm fest. Link verleierte die Augen genervt, kniete nieder und wollte dem Wolfshund die Wangen kraulen. Wulf jedoch war im Moment für Streicheleinheiten nicht zu haben. Misstrauisch schlich er um Ariana herum, die sich nicht zu rühren wusste. Als Wulf zu knurren anfing, wurde es ihr zu viel und sie hetzte schnellen Schrittes zur schmalen Treppe, während Link den Wolfshund zurückhielt.
 

Ariana trotze, Link die Zunge herausstreckend und marschierte wütend von dannen. Als sie aus der Hütte heraustrat, kamen leise und mit ernstem Ton unterlegte Worte über ihre Lippen. „Was bist du doch ahnungslos, Link...“
 

Wenige Sekunden später wachte William aus dem kleinen Trauma auf, und rieb sich fluchend über den mit Beulen gesegneten Schädel.

„Vielen Dank auch. Was musst du mich unbedingt verpetzen?“, sagte Will und blickte ziemlich dümmlich drein. Ein Hinweis, dass er die Sache nicht so ernst sah, wie andere.

„Ich habe nur die Wahrheit gesagt“, schmunzelte Link und reichte seinem Zimmerbewohner eine helfende Hand. Sofort schlug Will ein und blickte belustigt aus dem dreieckigen Fenster.

„Diese Dame war aber ziemlich temperamentvoll...“

„Wie eine Gerudo, oder?“ Will nickte und griff sich an den trommelnden Schädel.

„Und was meinst du dazu?“, sagte er gut gelaunt, selbst wenn er eine kleine Gehirnerschütterung davon tragen könnte. „Hat es sich gelohnt, dass wir geguckt haben?“, lachte er.
 

„Ich befürchte schon, oder“, sagte Link verräterisch und hatte das erste Mal seit langem ein echtes Grinsen auf dem Gesicht, welches William nicht bemerkte. Ein richtiges, herzhaftes Grinsen. Es war so entspannend und frohstimmend für den jungen Helden der Zeit. Auch Will feixte: „Ja, ich denke, es hat sich durchaus gelohnt, obwohl ich gerne Ariana mal ohne Wäsche gesehen hätte.“ Verhohlen guckte Link den jungen Laundry an, als er diesen Gedanken äußerste. Das ging nun doch noch ein bisschen zu weit, oder?

„Die hat eine schöne Figur, musst du doch zugeben, oder?“ Link nickte schief und fuhr sich verlegen durch die blonden Haarsträhnen.
 

„Aber woher kennt die dich denn?“

„Och... ich habe ihre Koffer getragen, als wir auf dem Weg zur Schule waren. Ich habe sie nur zufällig getroffen.“

„So langsam ist es seltsam, wie viele Damenbekanntschaften du hast.“, meinte William abschließend. Aber auf diese doch sehr bissige, scheinbare rhetorische Frage war keine Antwort nötig.

„Da war zum Beispiel das engelsgleiche Mädchen gestern Abend, Malon, dann Ariana und...“ Verwundert drehte sich Link zu Will, der anscheinend nicht mit der Sprache herausrücken wollte. „Und?“

William dachte insgeheim an den erstaunlichen Brief von Prinzessin Zelda, den er ansatzweise gelesen hatte. Und allem Anschein nach hatte Link eine Verbindung zu der begnadeten Prinzessin der Hylianer.

„Vergiss’ es wieder“, beendete William die Diskussion. Es gab sicherlich noch günstigere Momente, Link mit diesem Thema zu löchern. Der junge Laundry hatte heute wahrlich genug über Link in Erfahrung gebracht...
 

„Du hör’ mal“, meinte William ernst, als sie nach einer Weile einem moosigen Pfad folgten und sich das sattgrüne Moos bis über die Wurzeln der Bäume legte und an den Rinden hinaufwanderte.

„Ja?“

„Wir sollten uns trotzdem bei Ariana und der dicken Olindara entschuldigen…“

„Sicher...“, sagte Link und trat vorsichtig neben einen Laubfrosch, der gurgelnd auf dem Weg saß. Auch wenn er nicht wirklich wusste wieso und warum, so dachte er... dass er es wohl auch nicht so berauschend finden würde, wenn Ariana oder Olindara ihn nackt gesehen hätten.
 

„Aber mal was anderes... Meinst du, es ist die richtige Lösung Wulf bei der Hütte zu lassen?“ Und Link schweifte mit seinen tiefblauen Augen zurück zum Glücksteich, der schon wieder einige Minuten Laufen entfernt war.

„Ja, Link. Glaub’ mir, der kommt besser alleine klar als mancher Hylianer...“

„Wenn du das sagst.“
 

Die Dunkelheit legte ihren trüben Abendmantel über das alte Hyrule, als die beiden Jugendlichen zufrieden und sich auf den ersten Unterrichtstag freuend in der alten Ritterschule eintrafen. Aber die Dunkelheit hatte ihre bösen Augen überall haftend diese Nacht. Und viele finstere Augen würden zu der dreizehnten Stunde, dann wenn nach alten Ritualen die Kräfte des Bösen und des Guten im Gleichgewicht waren, sich von der Nacht durch ihren Verderb und ein tückisches Glühen preisgeben. Denn es war Tagesundnachtgleiche in jener Welt. Ein besonderer Tag, ein gefährlicher Ausdruck von Macht, besonders zur dreizehnten Stunde, die Hexen als das lüsterne, verschwenderisch und mörderische Werkzeug von alten Handlungen am Rande des gewöhnlichen Zeitverlaufs benutzten...

Eine vergnügliche Runde in der Cafeteria bei fettigem Gänsebraten und hylianischem Gewürzkorn brachte Abwechslung unter die Ritteranwärter in der alten Schule der Söhne des Schicksals. Und ein einfacher Tag schien dem Ende zu begegnen, und ein Schleier des Nebels verbarg in der Dunkelheit noch mehr als die Geschöpfe der Nacht...
 

Gedankenversunken stand Link in dem großen, nach Pferdeäpfel und Heu müffelnden Stall, der direkt neben der Ritterschule angeschlossen war. Sorgsam bürstete er das goldbraune, glänzende Fell Eponas, der diese Aufmerksamkeit auffallend gefiel. Doch dann wieherte sie heftig und schabte mit den Vorderhufen.

„Nanu? Passt dir irgendetwas nicht, mein Mädchen“, fragte Link und striegelte die weiße, dichte Mähne des schönen Tieres. Epona reckte ihren Kopf in die Höhe, und Link folgte dem Hinweis. Aufmerksam schaute er hinaus in die finstere Nacht und nicht einmal das Leuchten der Abendsterne, das beschützende Licht des Mondes, schirmte diese Nacht das Gute vom Bösen ab. Denn es war kalt geworden und jeder Atemzug schickte Nebelschwaden in die Nacht.
 

Der junge Held tätschelte den schlanken Hals seiner prächtigen Stute und lehnte den eigenen Schädel dagegen.

„Ach, Epona, wie gut du es doch hast, ein Pferd zu sein...“, murmelte er und erhielt einen wiehernden, beinahe kichernden Stups der Stute, die mit ihren feuchten Nüstern an seine Stirn kam.

„Epona“, brummte Link beinahe lachend. Zuerst hatte der Held noch den Eindruck seine Stute wollte sich einen Scherz erlauben, so wie es für sie üblich war. Aber plötzlich stellte sie sich wiehernd auf die Hinterläufer.

„Dieses Getue kommt mir doch ziemlich bekannt vor.“ Denn immer wenn sein Mädchen so handelte, dann war irgendetwas im Gange, als ob jemand ebenso im Stall verweilte, oder als ob ihn jemand beobachtete. Sorgsam schaute sich der junge Held in dem Stall um, schwenkte mit den in der Schwärze so dunkelblauen Augen in jede Ecke des Stalls, von dem Tor zum Stall zu den anderen Pferden, die ebenso aufsahen und immer unruhiger zu werden schienen.
 

In dem Moment fühlte Link eine alte Hand auf der Schulter. Mit einem ungewollten Schrei und einer erschreckenden Pause seines Herzrhythmus’ drehte er sich um und schaute in die grauen Augen des am Krückstock laufenden Hausmeisters. Link atmete erleichtert aus und ein und meinte umständlich: „Guten Abend, Herr Hopfdingen.“ Ein seltsamer Name für hylianische Herkünfte, aber so hieß dieser alte Greis.

„Guten Abend“, sagte der Kerl in einer kratzigen Stimme und schaute sympathisch blickend zu Link, der misstrauisch mit dem Augen hin und her schweifte.

„Ein schönes Tier ist das“, sagte er und klatschte mit einer runzligen Hand an den Hals Eponas.
 

Link nickte bloß und schien immer noch abgelenkt zu sein. Die Nacht war keine gewöhnliche, ja, das wusste er. Tagesundnachgleiche... Sein Gefühl für das Böse in Hyrule, sein Instinkt, dass etwas Gefahrvolles in der Luft lag, hatte ihn bisher noch nicht betrogen und daher...
 

„Ihr solltet zurück in die Schule gehen, Herr Hopfdingen“, meinte Link ernst.

„Gewiss, gewiss... aber du solltest ebenso in dein Zimmer gehen, junger Arn, denn die Türen werden bald geschlossen.“ Link erhob seinen Zeigefinger und meinte belehrend. „Entschuldigung, aber mein Name ist nicht Arn, ich heiße Link.“

Die alten, wissenden Augen des kleinen Greis rutschten näher zu dem unerkannten Helden heran und die Stirn des Alten verzog sich zu mehr und mehr Falten als er ohnehin schon besaß. „Wirklich? Dabei...“ Sein grauer Kopf hing schief und er schien Link zu mustern. „Link also? Sehr absonderlich... sehr absonderlich...“, meinte er und setzte seine Beine in Bewegung.

Zuerst irritiert, dann schon wieder wissbegierig lief Link schnellen Schrittes hinter dem Greis her.
 

„Was ist so absonderlich“, sagte Link laut und streng.

„Wie meinst du“, fragte der Alte.

„Ihr habt doch gerade etwas von Absonderlichkeit erzählt.“

„Wie? Oh, absonderlich, absonderlich...“, sagte der Alte und schien zu grübeln. „Du, junger Edelmann, bist äußerst absonderlich“, setzte der Alte hinzu und gaffte Link entschieden an.

Link schüttelte mit den Händen, blickte trübsinnig zu Boden und ignorierte aus irgendeinem Grund dieses Gerede. Er wollte es einfach nicht wissen und hatte keine Lust mit dem Alten über seine verflixte Unnormalität zu reden.

„Schon gut. Ich bin hier gleich fertig, dann könnt Ihr die Türen schließen.“ Der Alte verzog seine blassen Lippen zu einem breiten Lächeln. „Gut, aber geh’ nicht zu spät schlafen, wie sonst immer, hitzköpfiger Arn.“

„Aber ich bin nicht...“, wollte Link erklären, aber da war der Alte schon aus der Hütte verschwunden.
 

Schleichend folgte der alte Hausmeister Herr Hopfdingen den Weg, klammerte sich an den Krückstock, der ächzend und raspelnd in den alten Burggängen widerhallte. Ein schiefes, müdes Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht, denn er humpelte zielstrebig zu seinem kleinen Zimmer, wo er sich ausruhend in den breiten Sessel sacken lassen konnte. Und noch mehr freute sich der Alte auf seine Pfeife mit dem besten Kraut in Hyrule, selbstgezüchteter Strauchtabak... ein Genuss für die alte Nase und ein sinnliches Schwelgen für den müden Schädel.

Der zerriebene Krückstock schleifte mit lautem Getöse über den Boden, zimmerte einen groben Schatten an die steinerne Wand und doch wurde jener Schatten mit einem Zischen unterbrochen von weiteren kleinen Schatten, die in den Gängen hin und her huschten. Winzige Schatten seilten sich an den mit Kerzenschein erhellten Gängen hinauf, während ein dreistes Kichern ihren Tanz des Vergnügens begleitete. Und doch waren nirgends Besitzer jener Schatten, die lachend und kollernd über raues Gestein trampelten, Worte einer alten Dämonensprache aufzählend, garstig und dreckig.
 

Herr Hopfdingen blickte sich erschrocken um, sah kleine, unzählige Boten des Wahnsinns, denn sie lachten irrsinnig, selbstherrlich in den verschiedensten Halbtönen, die die Instrumente in Hyrule von sich geben konnten. Zitternd krallte er sich an den hölzernen Krückstock, blieb auf den überlasteten, verschrumpelten Füßen stehen, während seine knorrigen, mit Gichtknoten versehenen Finger klapprig um den Holzstab schabten. Ein auffälliger Ring an seiner rechten Hand klapperte.
 

Dämonen in der geachteten Ritterschule?

„Wer ist da“, rief er hinein in das unendliche Schwarz vor seiner Nase, wagte sich vorsichtig mit dem Stab und einer Fackel nach vorne und sah erneut kichernde Schatten an den kahlen Wänden entlang hüpfen. Einmal mehr rufend. Einmal mehr dämonisch und schauerlich in ihrer mit der Pest des Bösen umwucherten Sprache flüsternd.
 

Humpelnd bewegte er sich weiter, verfolgt und manipuliert von den Biestern mit ihren kindlichen, schiefen Stimmen, die nach Blut gierten. Geleitet von Vergessenem. Geleitet von Todgeglaubten.
 

Nur wenige Sekunden, die in der alten Welt Hyrule so langsam dahintickten, vergingen.

Der alte Hausmeister wanderte kraxelnd durch Dunkelheit, vielleicht zu neugierig über das, was ihn erwartete, oder weil er vielleicht dem Schicksal zu sehr vertraute... Geführt von den lichtblinden Dämonen, versagten nun auch seine Augen und etwas Mächtigeres als die einfachen Dämonen selber, trug ihn hinein in den Bannkreis alter Lebensbestandteile, in den heimlichen Teufelszirkel, der geschmiedet für nichtsehende Augen, dort zusammenfand, wo gerade die Lichtblindgeborenen Zutritt hatten.

Tapsend erreichte der Alte, sich auf dem Krückstock abstützend eine unechte, nichtexistenzielle Steintreppe hinab. Doch der Ort, welcher sich im Jetzt preisgab, würde für viele fremde Augen nicht einmal mit einem Blick erfahrbar sein.
 

Eine alte, in dunklem Rauch gekleidete Halle gab sich dem humpelnden Hopfdingen preis, auf Wegen, die er nicht beschreiben, nicht erinnern und niemanden mitteilen konnte, denn die vielen Lichtblinden in dem hohen Gewölbe begehrten Blut, egal ob alt oder jung, sie begehrten die wohl kostbarste und reinste Substanz des Lebens. Dickes, treues Blut...
 

Noch immer tanzten zänkische Schatten an den Wänden, wurden gestaltharter mit jedem Schritt hinein in den schier nebulösen Webstoff des Bösen...
 

Die lebenserfahrenen Augen des Greis erfuhren neuen Glanz und Schimmer, neue Wissbegierigkeit, dort, wo Überraschungen nicht mehr ihren Zweck erfüllten. Näher und näher tastete sich der Hausmeister der Schule voran, fühlte sich angezogen und gleichzeitig auf die dümmste Art und Weise übermütig und doch gab es kein Zurück, denn das Unbekannte zog fest an seinem Herzensgrundstein.
 

Als die groben, zischenden Schatten ihren Reigen beendeten, sich verbargen in noch größeren Denkmälern der Begierde und Lust nach Macht, flüsterte der Nebel sein Abschiedslied, bewegte sich leise raschelnd hinaus und wurde von milden, kühlen Luftschüben verbannt. Viele Personen gekleidet in dunklen Kutten verbargen sich vor dem Antlitz Hopfdingens in den unterirdischen Gefilden, die seit Jahrhunderten in der Schule niemand mehr betreten hatte.

Suchend verbarg sich der Alte hinter einer langen Standsäule, sich seiner selbst so übersicher, nicht gesehen zu werden, obwohl die Augen der Finsternis seiner schon lange bezeugt hatten.
 

Eine starke, feste Stimme, lärmend, ungenüsslich und bitter zischte sie aus dem Inneren des Kreises, ertönte zuerst. Und niemand wagte zu reden, jeder verbat sich den Ton angesichts jener morbiden, fauchenden Erhebung von tiefgelegenen Stimmbändern.

„Die Schlüssel... besorgt die Schlüssel...“, schallte es furchterregend. Ein Riss im Gewebe, ein Riss in der stehenden Luft hier unten, gewaltsam erfasst von dem bestialischen Lebewesen in der Mitte des Zirkels, bedeckt von dunklen Mänteln.

„Lord Chadarkna...“, begann einer der Anwesenden und erfüllt die Luft mit Angst und leisem Flehen, denn sein Meister spürte sofort, wie fraglich und unüberwindbar diese Aufgabe zu sein schien. „... die Schlüssel, die ihr sucht. Die Schlüssel, die wir suchen, sind nicht auffindbar...“, endete einer der Schurken in den Mänteln.

„Sprich mir nicht diese Unwissenheit zu...“ Leise erklang die flüsternde Stimme. „...Aß...“, endete jene Stimme zischend. Und derjenige, der die Stimme erst erhoben hatte, brach schlagartig zu seinen Füßen, vibrierte angesichts einer teuflischen, dunkeln Magie, die sich schon viele lebende und auch unsterbliche Opfer gesucht hatte.

„Aber man wird sich uns in den Weg stellen, Lord Chadarkna.“ Ein heftiger Windstoß erfolgte und die flüsternde Kreatur in der Mitte des Zirkels haschte mit teuflischen Augen, die jegliche Farben der Gesetze in sich verbargen, umher.

„Nicht mehr...“, sprach jener langsam. „... denn auch Helden... sind nur... Sterbliche...“ Jedes einzelne Wort erklang stoßweise und genießend aus einem vernarbten Schandmund.

„Der Held ohne Gesicht... ohne Hoffnung, kann seiner selbst nicht mehr gerecht werden... denn seine Stunden... in der Gegenwart... in der Vergangenheit... und der... Zukunft... sind gezählt...“ Erneut zischendes, beißendes Gezeter drang tief aus einer mit Staub der Vergessenheit belegten Kehle.

„Und die Prinzessin des Schicksals? Sie wird wissen, denn sie hat das zweite Gesicht.“

„Schweig“, erklang es morbid aus dem Rachen des Chadarkna. „Denn auch sie wird nicht mehr der Aufgabe... gerecht... welche Destinia ihr auferlegte...“ Stolz flatterte der schwarze Umhang des Oberhaupts um den kräftig gebauten Körper.

„Die Wirklichkeit gehorcht nur mir... und diese Monarchie gehört... schon lange... uns“, drang seine versenkte, bodenlose Stimme umher. „Doch nun sollten wir...“ Laut hechelnd holte er Luft und schien sich an dem Einatmen von verbrauchter, abgestandener Luft zu erlaben. „... wir... den Gast begrüßen, den... Destinia... uns schickte...“
 

Und Augen erfüllt mit sonnenverbrannten, tiefroten, galligen und dunklen Splittern in der Regenbogenhaut wanden sich dem hinter einer Säule verborgenen Hopfdingen zu, der seinen Krückstock fest umkrallt, nur zurück stolperte und sofort, mit aufgerissenen Augen die alten Steinstufen hinaufhastete. Seine alten Beine bewegten sich so schnell wie er nur irgend konnte. Der Holzstab fest in der Hand erfüllte den Dienst eines dritten Beines schwerfällig. Schleppend erreichte der Greis den alten Gang, in welcher vorher so zahlreich die Boten der Nacht tanzten, die kleinen Dämonen ohne Gesicht.

Angst und Schock in den lebenserfahrenen Augen trampelte der Alte weiter und weiter, spürte und hörte hinter sich seine gefährlichen Verfolger, spürte das brausende Hecheln und angsteintrichternde Rascheln todbringender Kreaturen aus der dunklen Zeit Hyrules.

Newhead, der einzige Name der ihm in dem Augenblick einfiel... Newhead... er musste zu ihm, ihm mitteilen, noch bevor die Dunkelsten der Gequälten ihn einholten, bevor ein Bündnis gegen die bestehende Monarchie ihre Ziele durchsetzen konnten. Aber von welchen Schlüsseln sprachen sie? Und warum waren die Stunden der Helden gezählt?
 

Kriechend, sich mühsam mit der Gehhilfe über den Steinboden zerrend, erreichte der Alte die Latrinen der Knaben, als er mit einem heftigen Stoß gegen die alte Holztür bretterte, erfasst von zahlreichen dunklen Sehnen, gespannt von denjenigen, die noch immer über schwarze Magie wachen mussten. Stupides Lachen, wahnsinniges Giften und Schnalzen von absurden, teilweise aufgeschnittenen Zungen hinter ihm. Gelächter und Mordlust...

Die verrostete Tür zu den Jungenaborten knallte laut dröhnend aus den Angeln in Richtung der weißgeputzten Waschbecken und noch ohrenbetäubender war der Ton, als jene aufgrund des harten Aufpralls zerlegt wurde und sich die durchlöcherten, angefressenen Holzsplitter in alle Richtungen verteilten.

Die schwarzen Sehnen, ähnlich der lustvollen, giftigsten Schlangensorte aus der Vorzeit, wanden sich schmerzhaft um die Gelenke des Greis’, gruben sich tiefer, saugten von dem alten Blut, labten sich an der Energie des Lebens, welche litt, welche sich ängstigte. Sie richteten den geschockten, erstarrten alten Körper hinauf, hielten den mittlerweile bewusstlosen Hylianer krankhaft gierend in die Höhe, wanden sich tiefer hinein in Fleisch, zerbarsten alte, dünne Knochen, rissen an Venen, saugten an dickflüssigem Blut, pechschwarzer und falber Galle, tranken von Wasser und dem letzten Hauch Leben in einem gerichteten Körper.
 

Zischend wand sich ein Geschöpf des Bösen näher, blickte leckend und befriedigt hinauf und doch hatte es noch nicht genug. Der Ring an Hopfdingens rechtem Daumen purzelte zu Boden und wurde von der Kreatur der Nacht grölend geraubt.

Plötzlich schossen messerscharfe Klingen aus Finsternis durch den leblosen Körper, stießen den Rest Leben aus dem Greis, sanken tiefer. Blut spritzte in alle Richtungen, bedeckte die gesäuberten Becken, verteilte sich tropfend auf dem Boden, als die Klingen aus Bosheit stoppten und auch das Geschöpf erfasst wurde von einem Webstoff aus klirrender Dunkelheit, und mit jener Schwärze in eine tiefere, unwirklichere überging.

Der Greis Hopfdingen hing leblos und unsäglich zugerichtet an der rauen Decke, die Augen ausgerissen, der Mund zerfetzt, der Körper gerissen in viele Stücke, und der Krückstock, gerade noch umklammert landete krachend, einen Laut nur für den Jungen mit der tiefsten Muteigenschaft im Herzen produzierend zu Boden. Ein Klacken, welches sich spärlich von dem herabsegelnden Blut abhob. Ein Klack, tief vergraben in den Träumen eines besonderen Jungen. Erneut ein Klack...
 

Schweißgebadet und mit hetzendem Puls wachte Link aus seinen leidenserfüllten Träumen. Er atmete so laut, dass er das Gefühl hatte, seit Minuten keinen Luftzug mehr genossen zu haben. Hastig richtete er sich auf, stolperte aus dem zerwühlten Bett, sank verletzlich in die Knie und blickte zitternd an die Kuckucksuhr...

Sein Triforcefragment brannte glühend und schickte eine Woge Energie in den dunklen Raum...
 

Derweil rieb sich ein bierfassartiger Junge, knapp fünfzehn Jahre alt und schon so viel Fett rings um seinen kindlichen Körper, dass es für zehn Leben ausreichen könnte, den trockenen Schlafsand aus den Augen. Gähnend tapste er mit einer verstaubten Öllampe durch die Gänge und spielte an dem vergilbten Nachthemd um seine breite, aufgedunsene Gestalt. Sein Name war Mondrik Heagen, und er war nur hier an dieser namhaften Ritterschule, weil es sein Vater verlangte und es die Gesetze des untersten Adels ihm bestimmten. Er machte sich nicht viel aus Schwertern und dem Kampf an sich. Nein, er hasste es. Er fürchtete es... und er hoffte auf ein baldiges Ende dieser verdammten Schule, wo er ständig versagte.

Seine Blase drückte und daher wandelte er durch die Gänge, noch zu müde um einige getrocknete Blutspuren auf dem kalten Steinboden zu bemerken.
 

Doch als der Jugendliche gähnend und seufzend in den Toilettensaal eintrat, war nichts wie es sein sollte. Wie gewöhnlich stellte er die Öllampe auf ein kleines Regal direkt neben dem Eingang, wo gewöhnlich grobe Handtücher lagen. Mit halbzugekniffenen Augen tapste er durch eine am Boden sich ansammelnde Flüssigkeit, auf die er nicht achtete. Denn schon immer waren die Toiletten überflutet, schon immer musste man die Stiefel oder Pantoffeln nach dem Benutzen dieses Ortes reinigen.

Still und leise tapste Mondrik weiter, und wanderte schlaftrunken zu einem Waschbecken. Auf halbem Weg tropfte etwas Flüssigkeit auf seinen dunkelhaarigen Schopf, und der wärmende Schein der Öllampe flatterte zu ihm hinüber. Unbeholfen und etwas schmieriges auf seinem Haar bemerkend, wischte er es sich vom Kopf, blickte nur kurz auf seine Hand und sah eine schwarze Substanz auf seiner Handfläche entlang laufen. Zunächst war es noch Verwunderung, die der junge Heagen verspürte, als er die Flüssigkeit in seinen Fingerspitzen zerrieb, als weitere Tropfen des dunklen Wassers auf sein Haupt niedergingen. Tropf. Tropf.
 

Erst jetzt realisierte er, dass das Tropfen, die kleinen Platschgeräusche, nicht nur von den undichten Ventilen, von den verrosteten Wasserhähnen stammen konnte.

Langsam wanderten seine neugierigen Augen in die Höhe, blieben weit aufgerissen an einem großen Punkt an der Decke haften.
 

Plötzlich durchbrach ein markerschütternder Schrei die nächtliche Stille in der Ritterschule. Ein lautes Wimmern ging in der Toilette umher, dort, wo der Hausmeister Hopfdingen mit aufgeschnitztem Körper, tot und zugerichtet, an der Decke hing...
 

Will wurde in dem Moment von einem aufgeregten Link, der vorher einen Lederhandschuh über die energiegeladene linke Hand gezogen hatte, schäbig und gemein gerüttelt. „Wach endlich auf, Will!“, sagte Link energisch und fauchte irgendetwas in das rechte Hylianerohr seines Mitbewohners.
 

„Was’n los“, murrte der Jugendliche und schob frustriert und schwachwerdend die warme Decke über den Schädel, ignorierte den aufgeregten Kerl in dem Raum, und wollte wieder genüsslich in die Traumwelt abgleiten.

„Verdammt noch mal, Will“, fauchte Link. „Steh’ auf. Draußen in den Gängen stimmt was nicht!“ Und das rechte Augenlid des jungen Laundrys hob sich auffallend langsam, als wollte er es nicht verstehen. Sachte richtete er sich auf und glitt in seine warmen Hausschuhe.

Link wühlte aufgebracht in seinen Haaren herum, spürte geradezu Gefahr in der Luft, denn das erste Mal seit einer halben Ewigkeit erglomm das Fragment des Mutes auf seinem Handrücken. Dann weitere Geräusche vom Flur.

Hastend zogen die Jugendlichen sich die schwarzen Tuniken über, und Link streifte vorsorglich sein einfaches Schwert über den Rücken.

„Wozu das denn“, fragte William beiläufig.

„Sicher ist sicher. Ich habe keine Lust auf unliebsame Überraschungen“, sagte Link kühl und öffnete geduldig und ruhig die Tür nach draußen. Will zuckte nur verdächtig mit den Schultern und hatte keine Lust den geheimnisumwitterten Helden erneut wie einen pubertären Pickel auszuquetschen. Aber die Gänge waren noch dunkel und nur ein klägliches Wimmern durchbrach die stehende Ruhe in der Nacht. Ein Wimmern, welches ähnlich einem weinenden Poltergeist aus den Abgründen Hyrules herrührte. Schluchzend. Jammernd.
 

„Was mag das sein“, flüsterte William, bedacht hinter Link zu laufen. Er hatte nicht den Hang dazu, seinen Mut hier einer gefährlichen Probe zu unterziehen, also... schlich er mit großen, ängstlichen Augen hinter einem übermutigen Link hinterher.

„Es ist auf jeden Fall elfisch...“

„Bist du bescheuert? Warum sollte es nicht elfisch sein“, brachte der junge Laundry gaffend hervor und trat einen Meter zurück. Aber Link schwieg und trat hinein in die Schwärze, dort, wo selbst die letzten Fackeln heruntergebrannt waren.

Näher und näher kam er dem rasselnden, jammerndem Geräusch, näher und näher stapfte er an die alten, schäbigen Toiletten heran. Das Wimmern wurde lauter und schockte den mit den Nerven fertigen Will, der sich halb hinter Link versteckte.
 

Sachte und neugierig trat Link mit gezogenen Schwert in den Raum, fand einen weinenden Knaben auf dem mit rosa Wasser überschwemmten Boden hocken.

„Hey, was ist denn los“, murmelte Link und trat gemächlich an den Kerl heran, der plötzlich zu einem Schrei ansetzte, als Link mit einem Platsch durch die Pfützen näher tapste. Der Bursche auf dem wasserüberströmten Boden wand sich dann hastig zu ihm und tat nichts anderes als mit einem zitternden Arm in die Höhe zu zeigen. Langsam folgte Link dem Weg durch die Luft mit seinen tiefblauen Augen, die hier in den wenig beleuchteten Latrinen so dunkel schillerten. Entsetzt blieb sein Blick am Gewölbe haften, empfand Ekel, Mitleid angesichts des leblosen Hopfdingen an der rauen Gewölbedecke und eine Form von Hass gegenüber der Kreatur, die einen Hylianer so schändlich zugerichtet hatte. Link kannte einst jemanden, der genauso wütete, sich genauso an aufgerissenem Fleisch, an geronnenem Blut und zerstörten Seelen labte. Er erinnerte kurz und schmerzerfüllt die Leiden des Zeitkriegs, die niemand so gesehen hatte wie er.
 

Grob packte er den anderen Kerl und sagte mit markanter Heldenstimme: „Raus hier!“ Zitternd und winselnd trat Mondrik Heagen hinaus in Begleitung von Link, der ohne weiteres an William gerichtet sagte: „Hol’ Sir Newhead, oder eine andere Lehrkraft.“ William wollte gerade anfangen Fragen zu stellen, als Link ihn messerscharf zu nagelte: „Jemand wurde umgebracht. Sofort“, fauchte er, worauf William trotzig durch die Gänge tapste.
 

Als der junge Laundry mit einem mürrischen Sir Newhead wiederkam, der gerade aus seinen tiefsten Schlummern gerissen wurde, hatte Link den geschockten Jugendlichen mit Namen Mondrik schon über den gesamten Vorfall ausgefragt.

Genervt und mit mieser Laune trat Newhead näher und hatte sich bloß ein langes Hemd ohne Gürtel oder anderen unnötigen Kram übergezogen. „Ich hoffe, es gibt einen Grund, dass ihr mich aus meinem Schlaf gerissen habt, ihr Nervenzwerge...“, maulte er und blickte in des tränenüberströmte, geschockte Gesicht des jungen Mondrik Heagen und dann in das entschlossene des Helden der Zeit.

„Link“, sagte Newhead und funkelte mit seinen undefinierbaren Augen umher. „Was ist denn passiert?“

„Seht selbst“, entgegnete Link kühl und deutete mit einem Finger auf den halbzerfetzten Eingang der Latrinen.

Sofort schritt Newhead, noch immer schlaftrunken und mit verzerrten Gesichtszügen, in den bluttriefenden Raum, wo nur eine kleine Öllampe für Licht und Wärme sorgen konnte. „Bei der Göttinnenmutter Destinia! Ausgerechnet heute an der Tagesundnachtgleiche!“, brüllte es aus seinem Mund und kam sogleich wieder mit seinen durchnässten Pantoffeln aus dem Raum gestürmt.

„Wer von euch war zuerst hier?“, sagte er laut und blickte seine Ruhe bewahrend durch die dunklen Gänge, vielleicht um der Sicherheit willen, denn immer noch könnte sich der Angreifer hier irgendwo verstecken.

„I-ich...“, sagte Mondrik Heagen.

„Und hast du irgendwen gesehen“, ergänzte die Lehrkraft.

„N-ein...“, wimmerte er.
 

Gerade in dem Augenblick ging ein kleines, unmerkliches Zischen durch den Gang. Instinktiv griff Link nach dem lederartigen Heft seines Schwertes. Die Klinge horizontal in die Höhe gehalten sagte er gefasst, die bleichen Gesichter der anderen ignorierend. „Wir werden beobachtet.“ Trocken und mit kühler Haltung lief der unbekannte Heroe direkt hinein in die Dunkelheit.

„Link! Warte“, rief Will, der genauso wie andere das fremde, klirrende Zischen in der Nacht nicht bemerkt hatte. „Link“, rief er, aber der rätselhafte Jugendliche folgte ohne Gegenwehr der Anziehungskraft des Bösen, das sich immer wieder in sein Leben einmischen würde. Denn es war sein Schicksal, seine unzweifelhafte Bestimmung...
 

Gerade als William Laundry seinem Mitbewohner folgen wollte, packte Newhead ihn am Arm. „Lass’ ihn. Er tut das Richtige.“ Ungläubig musterte William den Lehrer im Allerlei- Training und starrte im Anschluss nachdenklich in die Schwärze der Nacht.

„Wir müssen jetzt zunächst den Direktor verständigen und infolge dessen die Friedenswachenden, die kleine Gesellschaft für Morde und Regierungsangelegenheiten, die den Fall untersuchen.“ Damit packte Newhead den jungen Laundry an seinen Oberarmen und sagte nachdrücklich: „Verständige sofort Viktor.“

Auch Will nahm die Beine unter die Arme. Und Newhead befragte alsdann ruhig und die Fassung behaltend den geschockten Mondrik Heagen.
 

Link hetzte währenddessen mit gezücktem Schwert durch den leeren, finsteren Flur, ständig verfolgt von einem beißenden Zischen. Zisch... Zisch... An einer Kreuzung blieb der Heroe stehen, funkelte mit seinen Instinkten durch die Schwärze, behielt seine Entschlossenheit bei, auch wenn sein Herz kochend und hitzig das Blut in seine Venen presste und ihm unweigerlich der Schweiß über die Stirn trat.
 

Das Zischen wetterte mit unglaublichem Reiz durch die Gänge, als wollte es Link herausfordern, ihn gerade zu befehlen, ihm zu folgen... und er wusste zielsicher um diese Sorte von Dämonen, einer niedrigen Klasse von Moblins, die er immer Insekten nannte. Weil sie zum einen beinahe aussahen, wie größere, mutierte, schleimige Heuschrecken und zum anderen sich verhielten wie Krabbeltiere. Ständig spionierten sie alles aus, auf der Suche nach Fressen und einen anderen Zeitvertreib als fressen und sich fortpflanzen hatten diese dummen Kreaturen nicht. Zudem dienten sie aus Angst davor gefressen zu werden, meist höhergestellten Moblins, im Austausch von Schutz und Immunität.

Link nahm den Gang rechts und hoffte, dieses Biest zu erwischen, bevor es sich heimlich und jegliche Spuren verwischend, davonstahl.
 

William klopfte derweil mit umgedrehten Magen an der hohen Tür in das selbstherrliche, luxuriöse Büro des Direktors. Er klopfte immer wieder und doch öffnete niemand die Tür, geschweige denn dröhnte eine Antwort aus dem großen Maul Viktors. Nanu? War der Direktor, der doch immer auf seinem Posten sein sollte, nicht hier? Wenn ja, wo war er?
 

In dem Moment spürte William eine vom Kampf gezeichnete Hand auf seiner Schulter. Mit heftigem Schrei sauste der Jugendliche herum und sah das ernste Gesicht seines Mitbewohners vor ihm. „Heilige Scheiße. Link, du Hornochse, musst du mich so erschrecken“, fauchte Will und drohte dem Heroen mit der Faust. Verschmitzt sah Link drein und wischte sich über die schweißnasse Stirn. „Sorry. Ist denn der Direx nicht da?“

„Nein, wohl nicht. Und wo bei Farores göttlichem Mut warst du?“

„Ich bin bloß einer Spur nachgegangen, aber ich habe sie verloren...“, sagte Link, nahm sich die Fackel von der Wand und leuchtete dem Weg. „Wir sollten wieder zu Newhead gehen.“

„Okay, wenn du mir vorher sagst, was genau du verfolgt hast.“ Link biss sich nachdenklich auf die Lippe.

„Also...“, fing er an und wollte Will irgendwie schonen und ihm nicht mitteilen, dass erneut ein Moblin durch die begnadete Ritterschule hüpfte, ohne dass ein Ritter Hyrules das hätte verhindern können.

„Sag’ schon“, murmelte der Jugendliche und boxte Link scherzhaft an seinen Arm.

Link griff sich an seine Schläfen, fühlte schon wieder ein Stechen im Schädel, wohl nur, weil er dem Bösen erneut auf den Grund gehen wollte und ihm irgendetwas verbat, sich einzumischen.

„Da war...“, fing er an und lehnte sich an die unebene Backsteinwand. Ein Ziepen zog sich durch sein Genick, wanderte weiter nach vorne zu seiner Kehle und rüttelte krampfhaft an seiner Atmung. Will ließ währenddessen den Kopf schief hängen und sagte: „Du siehst blass aus“, stellte er fest. Link nickte bloß und kramte das Heilmittel von Zelda hervor. Ein kleiner Tropfen der silbrigen Substanz würde ausreichen, würde helfen. Edel und kostbar formte sich ein kleiner Schluck des Heilmittels auf der Hand des Heroen. Wie eine Perle aus Tränensubstanz, wie Spiegelwachs, die magische Substanz von der die Alten immer sprachen, wenn sie Pforten hinter Spiegel und Raum betraten und dort einem anderen Volk die Treue schworen.
 

„Was ist das denn? Die Tränen der Nayru?“

„Weiß nicht, wie man es nennt. Aber es ist ein sehr starkes Heilmittel“, sagte Link schwächlich.

„Sieht aber so aus, wie die Tränen der Nayru. Mein Vater erzählte immer, dass Großmutter einst diese Substanz hergestellt hätte. Und die Tränen der Nayru sind, so weit ich weiß, ein teures, silbriges Heilmittel.“

„Deine Großmutter?“ Überrascht lugte Link in den wissenden, grinsenden Ausdruck auf Wills Gesicht. „Sie war so was wie eine Hexe, zumindest haben die Leute sie immer so genannt. Manche meinten auch, sie wäre nur eine schlaue Kräuterfrau gewesen. Aber Lilly, mein durchgeknalltes Schwesterlein, soll ihre Fähigkeiten geerbt haben.“

Link schluckte die kleine Perle herunter, bevor diese ganz und gar zu einem kleinen Kristall erstarrte und sagte leise, spürend, wie ein magischer Heilungsprozess sich über seine Kehle legte und den Herzrhythmus in letzter Instanz verlangsamte: „Wir sollten wieder zu den Latrinen gehen...“

„Richtig“, meinte Will und lief nachdenklich hinter Link her. Erneut eine Sache, die der junge Laundry nicht kapierte. Wie um Alles in der Welt war Link an ein solch teures Heilmittel gekommen und wozu brauchte er es? Denn er wusste, dass sich seine gewitzte Großmutter mit dem Heilmittel mehr als ein luxuriöses Leben hatte leisten können...
 

Als die beiden Jugendlichen erneut an den Ort des Schreckens gelangten, waren bereits viele Schaulustige anwesend, die ab und an versuchten einen Blick in das stinkende, schwarze Gewölbe zu wagen, nur um Neugier und Wissbegierigkeit zu befriedigen. Einige Schüler standen gaffend mit ihren schilffarbenen Nachthemden neben den Lehrern, die heftig und beinahe streitend diskutierten. Noch immer war der Direktor nirgends aufzufinden und so beratschlagten der halbseitiggelähmte Aschwheel, eine junge Gerudo mit kurzgeschorenem feurigen Haar, Newhead und der kleine Zwergprofessor Twerckfuss über die Vorkommnisse.
 

„William Laundry, wo ist denn der Direktor“, sagte Aschwheel belehrend und blickte dann misstrauisch zu dem jungen Link, der todernst zu dem Toiletteneingang schaute.

„Das wissen wir nicht... er war nicht in seinem Büro.“

„Wo bei Dins Feuer ist dieses Arschloch abgeblieben“, zürnte Newhead und lief zähneknirschend auf und ab. „Und so was nennt sich Direktor!“ Einmal mehr kochte der unerkannte Schwindler angesichts des Pflichtversagens des eingebildeten Ekels und des Hurensohns Viktor. „Amüsiert der sich wieder“, platzte es aus seinem wütenden Mund.
 

Misstrauisch blickte nun auch Link auf und verfolgte die Zornesspuren in den undefinierbaren Augen, die ihm so bekannt vorkamen. Gerade in dem Augenblick ging ihm das einsichtige, helle Licht auf. Scheiße, dachte Link, dass ist doch...

Ein eher ungewolltes Grinsen kam dem jungen Heroen über die Lippen. Das war Schwindler, aber wie? Wieso hatte er ein so ungeschundenes, reines Gesicht ohne die gesamten Narben? Und wo waren die zwei fehlenden Finger an seiner rechten Hand? Wieso war er so... gepflegt... ganz und gar nicht, wie der Kerl, der zusammen mit ihm in einer stinkenden Zelle saß...

Sich gar nicht richtig zusammenreißend, stemmte sich Link an die Wand und grinste verdächtig in das Gesicht des Lehrers Newhead. Er fühlte sich irgendwie dankbar, dass Schwindler hier war, dankbar für das Schicksal, oder dankbar gegenüber der Person, die hinter der ansehnlichen Maskerade von Nicholas steckte...
 

Gerade in dem Moment stapften mit Eisen beschlagene Stiefel selbstgerecht durch die Gänge und Sir Viktor kam gekleidet in seiner Rüstung aus der Dunkelheit hergeschlichen. Er stach aus der Menge Schüler und Lehrer heraus, nicht nur durch sein Aussehen, vielleicht auch durch die Überheblichkeit in seinen giftigen Augen.

„Was macht ihr Würmer denn alle hier?“ Denn noch schien er bloß die vielen gaffenden Schüler bemerkt zu haben. Sein selbstsicherer Blick wanderte durch die Runde. „Wollt ihr alle Strafarbeiten auf dem Hals haben. Abmarsch“, zankte er, machte wieder ausnutzenden Gebrauch von seiner Vormachtstellung. Brummend traten die meisten Jugendlichen wieder von dannen. Lediglich Link, William und der ungeschickte Mondrik Heagen blieben angewurzelt stehen.
 

„Was ist denn noch“, murrte der Kerl und roch ein wenig nach verbranntem Alkohol, gemischt mit frischverarbeiteten Lederriemen. „Gibt’s einen Grund für euren Auflauf hier“, sagte er belustigt und bemerkte jetzt erst das zertrümmerte Tor zu den Knabentoiletten.

„Viktor, in den Latrinen ist schreckliches geschehen. Der Hausmeister Herr Hopfdingen wurde darin... wie ein Lamm zugerichtet und aufgehängt.“ Ungläubig und amüsiert trat Viktor in eine Pfütze Regenwasser, die sich vor den Toiletten sammelte. „Der war sowieso schon zu alt, um nicht sofort vom Stängel zu fallen. Wurde Zeit, dass ihn mal jemand von seinem kränklichen Dasein erlöst.“ Und zu allem Überfluss lachte der Direktor noch.
 

Und nun war es Link, der vor Zorn kochte. Es würde ihn nicht wundern, wenn Viktor selbst für das Unheil verantwortlich war. Dieser Kerl, der keinerlei Achtung vor dem Leben hatte.
 

Kurz verschwand der Ritter in den schäbigen, blutüberlaufenen Aborten und kam mit wahnsinnigem Gelächter wieder. „Wer das auch immer bewerkstelligt hat, scheint ja wahrhaft Ahnung vom Töten zu haben.“

„Was seid Ihr doch krank, Viktor“, sagte Aschwheel ruhig und humpelte auf seiner intakten Körperseite weiter. „Ich werde versuchen, die Friedenswachenden zu verständigen.“ Damit war Lord Aschwheel verschwunden. Und nur Newhead, der sich bisher immer wieder auf die Zunge gebissen hatte, nur, um nicht plötzlich diesen verlogenen Viktor zu hylianischen Rührei zu zerschlagen oder ihm die dreckiggelben Zähne aus dem großen Schandmaul herauszuprügeln.

„Solltet Ihr nicht auf schnellstem Wege die Prinzessin oder den König verständigen“, sagte Newhead spitzfindig und unterließ es dem kranken Blick des Direktors zu begegnen.

„Warum? Um aus dieser Sache ein Drama zu machen? Am besten wir begraben den Alten neben dem Komposthaufen, da fällt er wenigstens nicht auf. Und wir wollen doch die hübsche, armselige Prinzessin nicht aus ihrem Schönheitsschlaf reißen. Es könnte ihrem schönen Gesicht schaden, wenn sie eine Leiche sieht.“

„Das reicht jetzt“, entkam es den bisher versiegelten Lippen des jungen Heroen, der sich das hässliche Theater von Viktor lange genug angehört hatte. „Wagt es nicht, den Namen der Prinzessin in den Schmutz zu ziehen“, fauchte Link und trat beinahe todesmutig und den Kopf verlierend vor Viktor. Bereits den Griff seines Schwertes umklammert, spürte Link einen heftigen Klaps von Newhead auf seinem blonden Hinterkopf. Überrascht wanderten Links Augen zu den undefinierbaren des unerkannten Schwindlers, der nur langsam und warnend den Kopf schüttelte.
 

„Was willst du eigentlich, Heldchen? Deine hochgelobte Prinzessin verteidigen“, zischte Viktor und hob drohend einen Zeigefinger in die Höhe. „Verschwinde auf dein Quartier, oder sonst darfst du den gesamten nächsten Monat die Latrinen säubern.“ Und Viktors eisiger Blick huschte wie ein Blitzgewitter von Link zu William und zu dem wehrlosen, kleinen Mondrik Heagen. Seine Zähne aus Wut knirschend drehte sich Link um und folgte seinem Mitbewohner und dem kleinen Mondrik Heagen hinauf in das Stockwerk für die Fünfzehnjährigen.
 

Als Link mit William in dem Zimmer stand, hatte der junge Held als erstes nichts Besseres zu tun, seine mit Magie aufgeladene linke Faust in die Wand neben seinem Bett zu schlagen, sodass ein wenig Putz bröckelte. Bei Farore, war er vielleicht wütend. Nicht auf Viktor, sagen wir nicht nur. Sein eigentlicher Zorn ging gegen sich selbst, weil er nicht verhindern konnte, dass der gute, alte Hopfdingen noch ehe er ihn besser kennen lernen konnte, wie von Tieren zerfetzt, wie auf der Schlachtbank zugerichtet wurde... Er war ein Held. Und Helden hatten ihre Pflichten gegenüber dem Leben, den Unschuldigen. Erneut hatte er versagt, obwohl dieses Versagen seinem Titel nicht gerecht wurde. Ein Mord, direkt vor seinen Augen, ausgeführt von Kreaturen der Nacht, dem Abschaum Hyrules.
 

„Ja, sag mal, spinnst du denn“, wetterte Will, der hastig zu der eingekerbten Stelle in der Wand hinübersprang und ungläubig den soeben geschlagenen Hohlraum fixierte.

Will kratzte sich am Kopf und musterte mit den größten grünen Augen überhaupt die Stelle. „Wie hast du das denn angestellt?“ Neugierig krallte sich der junge Laundry die linke im Handschuh verpackte Hand des unbekannten Heroen und starrte diese noch ungläubiger an als das Loch in der Wand von vorhin.

„Was ist denn“, maulte der Held und zog den Arm weg.

„Unglaublich, keine Verletzungen“, stellte er fest und sagte erfinderisch: „Du verfügst über Magie?“

Link zuckte mit den Schultern, fühlte sich schon wieder überfordert und ertappt. Er seufzte gelangweilt und ärgerte sich über seine eigene Hitzköpfigkeit.

„Ja, ein wenig“, log Link. Denn eigentlich floss durch seinen Körper ein ziemlich großer Anteil einer geheiligten Magie, die das Triforcefragment als Schöpfer hatte. Aber auch ohne das Fragment war Link in Sachen Magie schon begabt, ohne es zu begreifen... und eines Tages sollte er herausfinden, dass es seine Ahnen waren, die ihm bereits einige magische Wurzeln beschieden hatten...
 

Nur kurz besann sich der einstige Kokiri auf einen kleinen Zwist in den alten Wäldern, den er gegen den ärgerlichsten Streitsuchenden überhaupt gewonnen hatte. Mido, der struppigste, arroganteste Kokiri überhaupt. Wenn Link es nicht besser wüsste, würde er eine nahe Verwandtschaft von Mido mit Viktor annehmen. Bis auf das Aussehen waren die beiden sich verflixt ähnlich, bedenke man die Tatsache, dass beide den armen Link auf den Kieker hatten.

In jenem kleinen Gefecht hatte der junge Link das erste Mal eine unbekannte, geheime Magie eingesetzt, damals, als ein warmer Frühlingstag vorüberzog und die Kokiri mit ihren grünen Badesachen in dem kleinen Teich im Dorf schwimmen gegangen waren. Der Alptraum überhaupt für Link, denn als einziger besaß er einen Nabel, etwas, was die Kokiri bei ihm witzig und seltsam fanden, noch seltsamer als die Tatsache, dass Link keine Feenbegleiterin hatte. Mido hatte zu dem Zeitpunkt so lange auf dem jungen Helden herumgetrampelt, ihn gereizt und provoziert, bis Link wütend auf Mido losgegangen war und nur einen magischen Schlag ausführte. Einen Schlag mit der linken Faust in Midos Sommersprossen übersehenes Gesicht. Doch dieser Schlag schon reichte aus, dass der Kokiri in eine schwere Bewusstlosigkeit fiel und in den nächsten Wochen einfach nicht aufwachte, bis man ihn zu dem heiligen Dekubaum brachte, der den Lebensgeist Midos neu entfachte.

Die nächsten Tage in Kokiri waren erfüllt von Leere und toten, anklagenden Blicken. Keiner, außer Saria wollte überhaupt mit Link reden... aus Angst vor seiner Ungewöhnlichkeit...
 

Will schüttelte mit den Händen fächerartig vor dem ansehnlichen Gesicht Links herum und fragte sich, wo denn der Gute mit seinen Gedankengängen abgeblieben war.

„Link, hallo? Bist du noch da?“

Mit den Augen rollend sah der Heroe auf. „Also, du hast ein wenig magische Fähigkeiten? Wow!“, sagte Will. „Warum sagst du das denn jetzt erst?“

„Weil du nicht gefragt hast...“ Und damit stand Link auf und lief zu seinem Schrank. Doch Will stürmte ihm augenblicklich hinterher. „Und was kannst du so alles“, meinte er und seine grünen Augen leuchteten voller Erwartung.

Leicht verärgert drehte sich Link um: „Will, jetzt hör’ doch mal.“

„Jo, ich höre die ganze Zeit zu.“

„Erstens habe ich nur ein kleines bisschen irgendeiner Fähigkeit. Zweitens kann ich nichts davon kontrollieren. Und drittens hat mich das nie interessiert. Das Schwertfechten reicht vollkommen aus. Also mach’ bitte keinen Hehl draus, verstanden?“
 

Link mal wieder nicht für voll nehmend presste William seine vorlauten Lippen aneinander.

„Das bedeutet ja nicht, dass du nicht anfangen könntest, dich dafür zu interessieren“, sagte der junge Laundry argumentierend.

„Aber ich brauche das einfach nicht.“

„Das kannst du doch gar nicht wissen. Vielleicht ist es dir irgendwann mal nütze.“

„Ich bin aber bisher in den meisten Fällen gut ohne extra Magie zurechtgekommen“, meinte Link. Recht hatte er, denn außer den Fähigkeiten der heiligen Feen in Hyrule und seiner aufgeladenen Wirbelattacke, hatte er nicht gerade zusätzliche Magie für notwendig befunden... in keinem Abenteuer. Sicher, ein wenig heilsame Magie hier, ein paar Flüche dort, aber das Schwert hatte bisher bei den Kämpfen einen viel wertvolleren Dienst erwiesen, als diese magische Energieverschwendung...
 

„Das heißt wiederum nicht, dass du in der Zukunft ohne Magie zurechtkommst. Und wenn dann der Tag kommt, wo du ein wenig Magie nötig gehabt hättest, dann bereust du deine Halsstarrigkeit irgendwann.“ Link zog seine Augenbrauen mürrisch nach oben.

„Hör’ auf mich zu belehren, ich bin kein Kind mehr“, murrte Link und kramte in seinen Sachen herum, schaute, ob alles noch an seinem rechtmäßigem Platz war. Will lachte laut auf. „Kein Kind mehr? Na ja, aber wir sind doch beide erst aus dem Kindsein herausgewachsen.“

„Nicht ganz...“, murmelte Link undeutlich und biss sich auf die Lippen. Welchen Sinn hätte es, dam jungen Laundry mitzuteilen, dass Link in irgendeiner Weise schon sieben Jahre älter war- zumindest auf der geistigen Ebene.
 

Er fuhr sich nachdenklich über das Kinn und hatte irgendwie das Gefühl, dass in seinem Schrank etwas fehlte, aber im Grunde genommen war doch alles vorhanden.

„Sag’ mal, das blonde Mädchen in unserem Zimmer, hat sie irgendetwas mitgenommen?“

„Nein, die Hübsche hat bloß an deiner grünen Tunika herumgefummelt.“ Leicht errötet sah Link zu Boden, als plötzlich jemand mit hetzenden Schlägen an die Tür klopfte.
 

„William, mach’ die Tür auf. Ich bin’s“, schallte es außerhalb. Eine raue, kräftige Männerstimme. „Das ist mein Vater. Was will der denn?“

Als der junge Laundry die Tür öffnete, kam der Ritter in voller Montur hereingeplatzt. An einem durchnässten Umhang auf seinem Rücken tropfte pausenlos Wasser herunter. „Beim Triforce, muss denn in Hyrule um diese Jahreszeit immer der Himmelsgeist so viele Tränen weinen“, schimpfte er, nahm den Umhang ab und schüttelte diesen aus. Sein erster Blick galt Will.

„Guten Morgen, mein Sohn.“

„Hi, Dad. Was machst du denn hier?“

„Die Friedenswächter wurden verständigt und zu meinem Übel... alle aus den Federn geschmissen. Was musste ich mich auch auf diesen Job einlassen...“, murrte er, gähnte und streckte seine breiten Arme auseinander. Erst in dem Augenblick schien er den anderen Jugendlichen im Zimmer zu bemerken. „Hallo, Link.“

„Morgen“, sagte dieser trocken. „Ihr seid bei den Friedenswachenden?“

„Genau“, sagte der Mann. „Aber du kannst ruhig Lassario zu mir sagen.“

„Okay, dann solltest du, Lassario, sofort zu den Toiletten eilen. Dort ist jemand abgeschlachtet worden“, meinte Link beiläufig, tapste barfuss zu dem kalten Kamin, warf einige Holzscheitel hinein und versuchte mit einem Kohleanzünder ein wenig Wärme in das Quartier zu bringen. Aber Lassario grinste bloß und ließ sich hinter Link zufrieden auf dem Sofa nieder. Ohne Manieren landeten seine Dreckstiefel auf dem roten Bezug.

„Von da komme ich gerade. Einige Friedenswachenden untersuchen die Latrinen, verwahren den geschundenen Körper Hopfdingens und verfolgen jede Spur. Ich bin bloß hier, um euch beide noch einmal wegen dem Vorfall zu befragen“, meinte er nüchtern.

„Vorfall“, knurrte Link. „Das war kein Vorfall, das war Mord.“

„Ja, du hast recht“, sagte der Mann. „Aber Viktors Auffassung nach, und er hat einige mehr Stimmen in unserem Ministerium als ich oder ein anderer Ritter, war es nur ein Vorfall.“

„Dieser verdammte Scheißkerl“, fauchte Link. „Wie kann man bloß so wenig Achtung vor dem Leben haben. Prinzessin Zelda soll diesen Spinner endlich absetzen.“ Kopfschüttelnd pflanzte sich Link wieder auf sein Bett und blickte schwermütig hinaus in den Nebel. Die ganze Ritterschule war umhüllt mit den weißen Schwaden und es nieselte im Augenblick.
 

„Wie auch immer“, begann William und setzte sich neben seinen Vater auf das Sofa. „Was genau willst du denn jetzt von uns wissen? Solltest du nicht Mondrik Heagen befragen, der hat den Hausmeister ja schließlich zuerst gefunden.“

„Auch das habe ich schon erledigt. Der arme Knirps ist so geschockt, dass er keinen Ton mehr herausbekommt. Der ist alles andere als tapfer, entgegen seinem Vater. Heagen gilt als sehr weitsichtig und als ein schlauer Kopf unter den Reihen der Ritter. Seine strategischen Einfälle zeigen immer wieder ausgefuchste Brillanz, stolze Eigensinnigkeit und sind geprägt von einem stetigen Sieg. Es gibt keinen besseren für die Verteidigungspolitik unseres schönen Hyrule...“ Ein tolles Grinsen zeigte sich auf Lassarios Gesicht. Und wie er grinsen konnte. Beinahe wuchernd zogen sich die Falten auf Lassarios Gesicht in alle Wege... Link fragte sich, ob das dem Manne sein liebsten Hobby war.
 

„Wie seid ihr beide eigentlich darauf gekommen mitten in der Nacht in den Gängen herumzugeistern. Ihr werdet ja nicht beide gleichzeitig den Drang gehabt haben, das stille Örtchen aufzusuchen.“

„Link meinte, draußen in den Gängen stimmte was nicht“, antwortete William und wanderte mit seinen stechenden, neckischen Augen zu dem unerkannten Helden. Dieser nickte nur und wand sich dann schläfrig mit dem Gesichtsfeld ab, zog die Decke halb über seinen Kopf und gähnte laut.

„Tatsächlich“, sagte Lassario. „Woher wusstest du das?“ Und Link wusste, dass der grinsende Ritter nicht locker lassen würde. Verständlich, denn es war sein Job, Informationen bezüglich des sogenannten Vorfalls einzuholen.

„Woher schon“, murmelte Link beinahe belustigt unter seiner Zudecke hervor. „Ich habe draußen ein Geräusch gehört.“

„Und dann seid ihr zwei Hohlköpfe einfach nach draußen gestürmt“, meinte Lassario und wand sich streng zu seinem Sohn. „Ich erwarte von dir, dass du das nächste Mal ein wenig mehr deine Gehirnzellen einschaltest. Da draußen könnte wer weiß was gewesen sein. War es deine aberwitzige Idee der Sache auf den Grund zu gehen?“

„Also...“, meinte Will und sah kindlich zu Boden. Link richtete sich rasch auf und sagte laut: „Nein, ich war es.“ Ein strenger, fast väterlicher Blick heftete sich auf den einstigen Kokiri. „Ist dir klar, dass du damit in einen großen Schlamassel hereingeraten könntest. Handle nicht so gedankenlos, Link.“

„Was weißt du denn schon? Sollten wir etwa ein Auge zu machen, während auf den Gängen irgendwelche Dämonen entlang kriechen?“ Der Held der Zeit sprang verärgert aus seinem Bett, sodass die Matratze quietschte.

„Dämonen?“ Und der Ritter zog eine braune Augenbraue hoch. „Bist du dir da sicher.“

„Ja, verdammt. Ich weiß genau...“ Und Links Stimme wurde leiser mit jedem weiteren Wort, das über seine sonst so versiegelten Lippen gelangte. „... ganz genau... wie Moblins... zischen...“

Lassario verstummte als er den trübsinnigen Ausdruck auf dem ansehnlichen Knabengesicht bemerkte. „Na gut...“ und der Ritter schwang seinen durchgeweichten Mantel wieder über den Rücken. „Ihr beide habt demnach nicht mehr erfahren, als nötig ist. Und William...“ Damit trat der muskelbepackte Veteran zu seinem Sohn und legte eine Hand auf dessen Schulter. „Ich möchte, dass du und dein Mitbewohner demnächst länger und gewissenhafter nachdenkt, bevor ihr euch in ein solches Abenteuer stürzt. In unserem schönen Hyrule scheint etwas im Gange zu sein und daher bewahrt Ruhe und Schweigen. Und nicht, dass ihr beide so übermütig seid und auf den Dreh kommt, der Sache auf den Grund zu gehen. Das übernehmen die Friedenswächter. Außerdem wird der Unterrichtsbeginn auf morgen verschoben und ihr beide macht jetzt am besten wieder die Augen zu.“

„Na gut, Vater“, meinte Will und nickte. „Aber, wenn wir nun zufällig in irgendetwas hineingeraten und... so ganz unabsichtlich versteht sich... mitbekommen, was vor sich geht... dann“, druckste Will herum und lugte hinterhältig in das grinsende Gesicht seines Vaters. „Dann... kann wohl niemand was dafür“, setzte der Ritter hinzu. Er lief langsam gen Tür und meinte, bevor er dahinter verschwand. „Aber erzähl’ bloß deiner Mutter nichts davon, sonst jagt sie mich zur Hölle.“ Damit ließ William einen lauten Lacher los und hüpfte knarrend auf sein Bett. Die Tür fiel ins Schloss und Link zuckte bloß ratlos mit den Schultern. Lassario Laundry schien genauso ausgefuchst und im wahrsten Sinn des Wortes fidel zu sein wie William.
 

Die beiden Jugendlichen hauten sich wieder lässig in ihre Federbetten und waren einander einig, die Geschehnisse der Nacht für den Auenblick zu vergessen. Denn die nächsten Tage würden sich die jungen Kerle ihre Mäuler an der Schule noch genug an diesem Thema zerfetzen.

Als sich die ersten Sonnenstrahlen am Horizont regten und den schleichenden, bitteren Nebel der Nacht verscheuchen wollten waren sowohl der junge Held der Zeit, als auch William Laundry dabei sich in süßen Träumen wiegen zu lassen. Oder sagen wie lieber... kurz davor...
 

„Sag mal, Link“, flüsterte Wills tiefe, prägnante Stimme.

„Mmh...“, murrte er lethargisch und wollte sich perdu nicht aus seinen Träumen reißen lassen. „Bist du so was wie ein Moblinjäger?“

„Wie bitte“, sagte der Angesprochene eindringlich und richtete sich auf, stützte sich leicht in der Matratze ab.

„Nun sag’ schon...“, seufzte Will in seinem Halbschlaf.

„Bist du bescheuert? Warum sollte ich ein Moblinjäger sein?“

„Weil du dich so verhältst“, antwortete William prompt.

„Und wie bei Farore kommst du darauf?“

„Vater erzählte mal, dass er früher einen Freund hatte, der sich um die Dämonen in Hyrule gekümmert hat. Das war so ne richtige kleine Gesellschaft für den Abschaum Hyrules.“

„Aha, und was hat das mit mir zu tun?“

„Weiß nicht... ist mir bloß so eingefallen.“

„Du Hohlrübe... stell’ mir nicht noch mal so eine belämmerte Frage“, murrte Link und ließ sich wieder in sein Bett sinken. Er machte gerade die Augen zu, als Will meinte: „Und kennst du die Legende des Helden der Zeit?“ Was sollte denn das jetzt? Verblüfft und ein wenig unsicher ließ Link die Beine von der Bettkante baumeln.

„Ich wünschte, ich würde sie nicht kennen...“, sagte er trübsinnig und doch wusste William nichts mit dem Satz anzufangen.

„Wir sollten ihn uns als Vorbild nehmen, Link.“

„Warum? Ist dieser Kerl denn überhaupt einen Gedanken wert, weil er nur eine Legende ist? Ist dieser Kerl denn überhaupt etwas wert, wenn sich niemand an ihn und seine Heldentat erinnern kann? Ist dieser sogenannte Held denn für irgendetwas gut? Wenn er ein Held wäre, dann hätte diese Nacht Hopfdingen nicht sterben müssen. Dieser Held ist bloß eine Lüge“, sagte Link kühl und verbittert. Er ließ den Kopf hängen, schüttelte mit dem Kopf und zog sich in der Dämmerungslichte des Raumes den Handschuh herab. Einmal mehr war sein Fragment verblasst und zog sich immer weiter in die Vergessenheit zurück...

„Der Held der Zeit...“, murmelte Link. „... ist seinem Titel noch nie gerecht geworden... eine Lüge, eine Erfindung... ein Verräter... mehr ist er nicht.“ Denn er selbst hatte viel zu viel Blut vergossen, um sich als ein Held, als ein Heiliger aufspielen zu können. Ein Held, der nur in Blut getränkt war, weil es sein Schicksal darstellte zu töten, hatte das Recht auf den Titel Held schon lange verspielt. In Links Augen war der Held der Zeit, auch wenn es sich um ihn persönlich handelte, den Dämonen, die er hinrichtete, gleichzusetzen...
 

Wills grüne Augen stachen durch das Dämmerlicht des Zimmers und begannen langsam zu begreifen, dass Link nicht so rätselhaft war, weil er ein aus Kokiri stammender Waise war, nein, wohl eher, weil er Geheimnisse in sich trug, die ein gewöhnliches hylianisches Herz nur schwerlich verstehen konnte...

Alle Knaben schliefen träumend in ihren Betten, auch wenn die Morgensonne schon weit am Himmel stand. Doch keiner machte den Jungen einen Vorwurf deswegen nach dieser grausigen Nacht.

Jeden einzelnen hatten die Friedenswachenden unter die Lupe genommen, ob man etwas gehört oder gesehen hätte. Aber keiner der gewöhnlichen Jugendlichen hatte von etwas Notiz genommen. Nur Link stach mit seiner Wahrnehmung heraus, und die Ritter, die um sein wahres Ich wussten, würden wohl nun ein stärkeres Auge auf ihn werfen.
 

Lassario Laundry hätte wohl gerne die Informationen bezüglich dem Zischen eines Dämons, welches der Held der Zeit gehört hatte, verschwiegen. Aber seine Pflicht gegenüber der Krone und sein Ansehen bei den Reichen und Schönen Hyrules würde damit ungerechtfertigt sein... Er besaß nicht das Recht eine solche dringende Information zu verschweigen, selbst wenn sie aus dem Munde eines Helden stammte, an dem kein Adliger und kein Ritter interessiert war.
 

Und wie Link in Sachen Wahrnehmung sich von anderen unterschied, so unterschied er sich wohl auch durch seine Schlafgewohnheiten...

Hellwach kramte er in seinen Sachen umher und fand ein altes Badetuch. Lust auf eine Dusche außerhalb, denn es gab hier in der Ritterschule, dort wo sich die Großküche befand, in einem Hinterhof einige Duschen, die wunderbar ihren Zweck erfüllten. Also tapste der junge Heroe langsam die Wendeltreppen hinab, trat aus dem Haupttor der Schule heraus und steuerte seinen geschwächten Körper in Richtung der Duschen.
 

Als er durch den Schlossinnenhof tapste, standen die Zeiger an der Uhr des höchsten, grauen Turmes der Burg auf sieben Uhr. Ein absurder Gedanke an die schreckliche Nacht geisterte durch seinen Schädel. Warum musste der Hausmeister sterben? So ein alter, langweiliger Greis. Was versprachen sich Moblins davon? Denn Link war sich ziemlich sicher, dass es Moblins waren, die dahinter steckten...
 

Während der junge Kerl durch den Innenhof lief, und verträumt die großen, im Wind wippenden Blätter der dickstämmigen Linden betrachtete, umspielten aufgeregte Stimmen seine spitzen Ohren. Und je länger Link lief, umso deutlicher konnte er das Streitgespräch vernehmen. Es waren größtenteils männliche Stimmen, aber auch einige weibliche. Eine warmherzige Stimme stach heraus, die Link kannte. Belle Laundry. Was machte die denn schon wieder hier?
 

Neugierig schlich er näher, versteckte sich hinter einem dicken Baumstamm und schaute in die fröhliche Runde, wo neben Viktor und einer weiteren Frau, auch Nicholas und tatsächlich die Laundrys standen.

„Und was gedenkt Ihr jetzt zu tun, Viktor?“, maulte Newhead, der neue Lehrer.

„Na was wohl? Wir kehren diesen Vorfall unter den Teppich. Ansonsten ist der Ruf der Schule im Eimer.“

„Das wird euch nur leider nicht mehr gelingen“, mischte sich Lassario Laundry ein. „Denn die Friedenswächter haben sich schon darum gekümmert und informieren die Prinzessin, sobald diese zu sprechen ist.“

Viktor lachte höhnend auf und rutschte mit seinen groben Händen an der blankpolierten Rüstung entlang. „Die Prinzessin mal wieder... Das Kind auf dem Thron. Meint Ihr nicht, dass es dumm ist, einem Kind so etwas zu unterbreiten? Sie könnte traumatisiert werden angesichts der grausamen Dinge, die geschehen sind. Die Ärmste“, scherzte er.

Die Dame, welche nur knapp neben Viktor stand, neigte ihr Haupt und konnte nicht glauben, welch’ Trottel Viktor doch war. Denn ihr Blick war giftig, soviel verstand Link. Und allem Anschein nach hielt sich nicht viel von ihm.

„Haltet Euren Mund, Viktor“, sagte Lassario und verschränkte die Arme. „Es gibt wichtigeres als sich im Moment über die Prinzessin Hyrules zu mokieren.“

„Ja“, sagte Nicholas, der die Dame neben Viktor irgendwie merkwürdig anstarrte. „Wir müssen umgehend eine Gebetstunde für Hopfdingen arrangieren. Hinter dem Verlassenen Hügel, nordwärts, liegt ein kleiner Friedhof, wo einige hier Verstorbene ohne Familie liegen. Es ist das Beste, Hopfdingen dort seine Ruhe finden zu lassen.“

Lassario nickte. „Ich werde mich darum kümmern.“ Und er klopfte Nicholas auf die Schulter.
 

Arrogant und teilnahmslos packte Viktor den Arm der Frau, die neben ihm stand, seine Gattin vermutlich, und marschierte mit ihr davon.

Nicholas sah den beiden hinterher und ließ dann irgendwie trauriger als man es von ihm gewohnt war, den Kopf hängen.
 

Auch die Laundrys verschwanden, glücklicherweise, denn Link hatte keine Lust auf den mitleidigen Blick Belles, die in seiner Seele lesen wollte. Erst recht nicht nach dem Kampf mit dem Blutsmoblin... Langsam trat er näher und prüfte den Lehrer Newhead erneut, musterte ihn und fragte sich, ob das wirklich derjenige war, für den er ihn hielt. Nicholas, der Knacki aus Doomrent.

Link machte sich mit einem ,Ähm’ bemerkbar und sah dann die Sorgenfalten auf Newheads Stirn. „Oh, Link“, sagte Newhead. „Was bist du denn schon auf den Beinen?“

„Soll’ man nach der Nacht noch ruhig schlafen können?“, sagte Link prompt und erhaschte kurz einen Blick in diese merkwürdigen undefinierbaren Augen.

Nicholas erhielt sein Grinsen wieder und schaute in den rotgefärbten Morgenhimmel. „Was würde Viktor jetzt sagen: Es ist doch nichts passiert“, äffte er ihn nach. Beinahe kindisch. Beinahe dumm.

„Nehmt Ihr Euch an diesem Giftzwerg ein Beispiel?“ fragte Link und erhielt ein ausgefuchstes Lachen von dem einstigen Schwindler. Newhead legte eine Hand auf Links Schulter und meinte: „Wo denkst du hin? Aber viel wichtiger. Wie geht es dir denn, Link. Ich wünschte, ich hätte den Kampf mit dem Blutsmoblin verhindern können. Niemand musste in dieser Schule jemals gegen einen solchen Dämon kämpfen und das gilt auch für dich. Tut mir leid, Link.“ Der Angesprochene senkte sein Haupt gen Boden und erinnerte diese verdammte Schwäche. Früher wäre es kein Problem für Link gewesen, drei Blutsmoblins auf einmal auszuschalten...
 

„Will meinte, ich hätte auch ohne Test das Recht hier zu lernen. Wie ist das gemeint?“ Nicholas machte große Augen und meinte gedämpft. „Du bist schließlich ein Held, Link. Ein Vorbild. Genau das ist es doch, wozu man die Jungs ausbilden will.“ Er nickte bloß. Wie gerne hätte Link einen anderen Grund dafür gewusst.
 

Alsdann watschelte der Junge mit seinen schwächlichen Gliedern zu dem kleinen Hinterhof, wo sich die Duschen befanden. Eine interessante Anlage, wie Link feststellen musste. Es war wirklich ein kleiner Hinterhof mit dichten Laubbäumen, aber das blöde war, dass jeder, der Lust und Laune hatte, knackige Ritteranwärter zu bespannen, hier auf wunderbare Vorteile stieß.
 

Wie auch immer, dachte Link. Es war früh am Morgen und die umliegenden Räume mussten irgendwelche Räumlichkeiten für den kommenden Unterricht sein. Außerdem war dieser verwinkelte Innenhof nicht so leicht zu finden. Also entledigte er sich seiner Klamotten und hatte vor sich eine kühle Dusche in der Morgenfrische zu gönnen.
 

Aber es gab eben immer wieder neugierige Zeitgenossen, die von dem Begriff Spannen mehr Ahnung hatten als der gute Link. Und sehr hinderlich, ja beinahe misslich für eine ungesehene, kühle Dusche in vollkommener Nacktheit war wohl die Tatsache, dass die Mädchenschule mit vielen hübschen Damen gleich um die Ecke lag.

Aber der gute Link scherte sich ja nicht um Mädchen, so hieß es immer für ihn, und so dachte er, würde es immer heißen. Er hatte keine Ahnung von Mädchen und sah Saria, wie auch Ruto beispielsweise als Freundinnen an. Aber eben nur als Freundinnen. Man konnte es dem einstigen Kokiri eben in keiner Weise übel nehmen, dass er so wenig Ahnung davon hatte, dass es insbesondere bei Mädchen und Jungs ganz andere, interessantere Dinge gab, die folglich auch mehr Spaß machten.
 

Ein Gedanke an die alternative Zukunft geisterte durch den Schädel Links. Und manchmal da fragte er sich, worüber eigentlich immer so getuschelt wurde, wenn eine Frau plötzlich einen dickeren Bauch hatte, oder wenn manche Mägde davon erzählten, welche Kerle sie in der Nacht aus dem sogenannten Liebeshaus in der großen Handelsstadt Kakariko herauskommen sahen. Link hatte einst neugierig, wie er war, und man sollte erwähnen, dass er da noch nicht in einem achtzehnjährigen Körper steckte, unbeholfen an der großen Pforte in das angebliche Liebeshaus geklopft, weil er wissen wollte, was man denn da Großartiges kaufen konnte. Nicht gerne erinnerte sich Link an einen schäbigen, großen Klotz, der ihn mürrisch anglotzte und meinte: „Du bist nun wahrlich noch zu jung für dieses Haus.“ Und als Link, so unwissend wie er war, gefragt hatte, warum, da lachte der Kerl so laut, dass er halb Kakariko um den Verstand hätte bringen können. Genervt war Link abgerauscht und hatte in dem Augenblick vielleicht die einzige Möglichkeit verpasst, ein wenig... sagen wir... aufgeklärt zu werden...
 

Seufzend zog sich Link die schwarze Standardtunika über den Kopf und hing diese ordentlich über einen nahen, stabilen Ast. Dann folgten die dunkelbraunen Stiefel, die er korrekt unter dem Ast platzierte. Auch seines weißen Hemdes und der Strumpfhose entledigte er sich, bis er aus einer fast zu den Knien reichenden Unterhose ebenso schlüpfte. In vollkommener Blöße stand der stählerne, sonnengebräunte Körper nun in dem Hinterhof, auch wenn sich die merkwürdige Schwäche an Links einst so durchtrainierten Körper bemerkbar gemacht hatte. Er hatte einiges an Muskelmasse eingebüßt und hier und da schien Link ein wenig zu dünn geworden zu sein. Aber dieser Mängel könnte er, wenn er die Ursache für seinen kläglichen Zustand endlich entdeckte, ganz leicht wieder beheben.
 

Er schraubte fluchend an einem verrosteten, zinkfarbenen Wasserhahn, als ein Strahl kältesten Wassers auf sein blondes Haupt niederprasselte. Einen lauten, kreischenden Laut sonderte Link ab und er hüpfte schräg zur Seite. Das Wasser war nicht nur kalt, sondern bösartig frostig. Er schüttelte das Wasser in den Haaren ab, rubbelte sich über die kalten Oberarme und trat dann wieder zaghaft unter die eisige Dusche. Er kniff die Augen zu und dachte bloß, dass diese Dusche einem Vergleich mit dem eisigen Wasser in Zoras Reich, und das auch noch bei Winter, sowieso nicht standhalten könnte. Also, was beschwerst du dich, du angeblicher Held? Es war ja deine eigene, unverbesserliche Ideenvielfalt, die dich dazubrachte, hier in dem Hinterhof duschen zu gehen, dachte er.
 

Und während sich der Jugendliche an das kalte Wasser gewöhnte und die Dusche beinahe genoss, stibitzen ein paar schlanke, gerissene Mädchenhände die schwarze Tunika von dem Ast. Bernsteinfarbene Augen wanderten zu Links attraktiver Rückenansicht, bis sie grinste und dem Armen auch die Unterwäsche raubte. Und als könnte diese Böswilligkeit nicht schon genug sein, kam das ausgefuchste Mädchen auch noch auf den Dreh, das alte, ausgewaschene Handtuch mitgehen zu lassen.

Das Grinsen um ihren roten Mund wurde breiter, als sie den unwissenden Heroen vergnügt beäugte. Link sah gut aus, dachte sie. Und sie machte sich nicht viel aus der Nacktheit eines Mannes. Es gab nicht viel, was eine Ariana Blacksmith den Boden unter den Füßen weghauen konnte und Links Körper gehörte wohl dazu. Er hatte nichts, was sie nicht schon gesehen hatte.
 

In dem Augenblick schaute Link verwundert nach hinten und sah gerade Ariana hämisch grinsend neben dem Baum stehen. Auch die Tatsache, dass sie Links Klamotten auf dem Arm hatte, blieb ihm nicht fern. Geschockt stand Link nur da und bedeckte spärlich seinen Schambereich mit beiden Händen. „Bist du noch ganz dicht!“, fauchte er. „Was machst du denn da?“ Sein Kopf sah aus, als wäre er in einen roten Farbtopf hineingefallen.

„Keine Sorge, du dussliger Held. Das...“ Und sie zeigte direkt auf das, was der drollige Möchtegernheld so vornehm und verheimlichend versteckte. „... das habe ich alles schon mal gesehen.“, lachte sie und stolzierte mit der Kleidung Links auf dem Arm einige Meter von dannen.

„Was zum Teufel soll das!“, fauchte Link. „Gib’ mir sofort meine Sachen wieder!“ Aufgeregt watschelte er auf seinen mit Schlamm besohlten Fußballen hinter Ariana her. Sie drehte sich feixend um. „Nein“, sang sie halb und schwenkte ihren Zeigefinger hin und her. „Das ist die Rache dafür, dass du mich und Olindara beim Baden beobachtet hast. Und richte Will schöne Grüße aus. Der Gute bekommt auch noch sein Fett weg.“ Sie kreischte vor lauter Lachen und hetzte wie der Blitz von dannen. Bettelnd rannte Link hinter ihr her, konnte aber durch das unglückliche Bedecken seines Intimbereiches nicht mit der hinterlistigen Ariana mithalten, stolperte über eine Wurzel, krachte gedemütigt mit dem Gesicht in einen weiteren Dreckhaufen und sah Ariana mit seinen Klamotten aus dem Hinterhof entschwinden.
 

Er schlug mit den Fäusten auf den Erdboden ein und konnte nicht glauben, was soeben passiert war. Diese Schlange hatte seine Klamotten gestohlen. Diese Schlange hatte ihn zu einer Witzfigur gemacht. Diese Mädchen. Teuflisch waren sie. Unberechenbar. Diese Mädchen!

Er kratzte sich beschämt am Kopf bei dem Gedanken, dass er nackt durch die Schule laufen müsste, um in sein Zimmer zurückzufinden und dort seine grüne Tunika anzuziehen. Farore, bitte hilf mir... Was gebe er jetzt darum, die schlummernden Kräfte in seinem Fragment zu aktivieren!

Entmutigt sah er sich um und schaute, ob sich hier irgendwo eine Hintertür befand, wo er ungesehen in der Schule verschwinden und nicht durch den gesamten Schlossinnenhof laufen müsste. Oder vielleicht ein kleiner Schleichweg, durch den er in dem nahegelegenen Wald untertauchen konnte und dann in dieser Hütte beim Glücksteich sich irgendetwas anzuziehen, was ein früherer Besitzer dort hatte liegen lassen. Ja, die Idee war doch nicht schlecht. Der Haken war nur, dass es keinen Weg gab, der den armen Helden die Demütigungen, vor denen er nun panische Angst hatte, hätte ersparen können. Kein anderer Weg führte hinaus. Die einzige Möglichkeit wäre, in eines der Fenster einzusteigen. Sich Mut machend, untersuchte Link ganz in seiner herrlichen Blöße einige Fensterrahmen. Immer wieder blickte er um sich, hoffte man würde ihn nicht für einen der Kerle halten, die sich daran erfreuten ihre Nacktheit in aller Öffentlichkeit zu präsentieren und wünschte sich das Wunder der Wunder.
 

Nach einigen Minuten fand er ein Fenster, welches nicht richtig verschlossen war. Ohne Zeit zu verlieren, stemmte sich Link in die Höhe und kletterte über den kantigen Rahmen in das Innere. Es musste sich um einen Raum für die Vorlesungen bei Lord Aschwheel handeln. Denn in der Mitte befand sich ein Podest und ein einzelner, gemütlicher Sessel. Und ringsherum verliefen Bankreihen über Bankreihen...
 

Link hüpfte schnellstens durch die Bankreihen und zerrte wie ein Inhaftierter an dem Türenriegel. Eine Spur beruhigter öffnete er die Tür und dachte für einen Moment, dass das Schicksal ihm wohl doch noch gnädig gestimmt sein müsste. In dem Augenblick hörte er Schritte und er sah die alte Köchin um eine Ecke biegen. Schleunigst zog er die Tür wieder zu sich heran und wartete schwitzend einige Minuten in dem Vorlesungsraum.
 

Diese verdammte Ariana, dachte Link. Die war ja giftiger als der schlimmste Giftzwerg und zickiger als die hochnäsigste Prinzessin. Bei Nayrus Gutmütigkeit, er verfluchte sie, hatte den Wunsch ihr grinsendes Gesicht in einen Schlammhaufen hineinzuwerfen und konnte nicht anders als wütend gegen die Tür zu treten. Die nächste unüberlegte Handlung und der dusslige Heroe würde sich selbst bald vor Peinlichkeit nicht mehr im Spiegel erblicken können. Denn die Schritte von vorhin wurden lauter und die alte Köchin Horali tapste auf ihren krummen, dicken Füßen näher. Link kroch entnervt unter eine der Bankreihen und verbarg seinen rotglühenden Schädel unter den Armen. Wut und Scham wechselten sich in seinem aufgeregten Gemüt ab...
 

In dem Augenblick ging die Tür und die grauhaarige Köchin kam schnaubend in den Raum. Sie kannte die fiesen Streiche der jungen Hylianer, die immer wieder etwas neues in ihren spitzbübischen Köpfen hatten. Denn sie kochte schon seit Jahren an dieser Ritterschule und versorgte dreimal täglich die vielen hungrigen Bäuche der jungen Kämpfer. Und manchmal, da nahmen die Flausen in den pubertären Köpfen zu, daher lugte sie überprüfend in dem Raum umher, auf der Suche nach den geplanten Schandtaten, die jene Jungspunde im Sinn hatten. Nur... die gute Horali hatte wohl im Augenblick keinen blassen Schimmer davon, dass einige der Damen aus der Mädchenschule keineswegs unter das Motto: Sittsam fielen und sich genauso wie einige der hier lernenden Jungs an fiesen Gemeinheiten erfreuten...

Und der unwissende, naive Link war gerade in diesen Minuten das Opfer einer heimtückischen, jungen Dame geworden, die sich ihren Mund nicht verbieten ließ. Mit zusammengekniffenen Augen lauschte er dem Tapsen der Holzpantoffeln Horalis, die sich seinem unglücklichen Versteck annäherten. Angstschweiß tropfte an seiner Stirn hinab und das Tapsen schien mit jeder tickenden Sekunde lauter und lauter zu werden.
 

Plötzlich jedoch ging die Tür erneut und die dumpfen Schritte verschwanden im Nichts. Erleichtert linsten Links tiefblaue Augen über die Tischkante und sahen niemanden in dem geräumigen Vorlesungssaal. Ein Blick auf die Uhr und Link sah, wie sich die Zeiger auf die frühe achte Stunde zu bewegten. Na toll, dachte er. Wenn er sich nicht beeilte, dann würde er schon wieder das Frühstück verpassen.

Auf Zehenspitzen trottete der sich schämende Kerl aus dem Vorlesungssaal und hoffte, in dem Gang wäre die Luft rein... Hetzend folgte er einem roten, fleckigen Teppich und gelangte unbemerkt in ein weiteres Stockwerk. Aber er kannte diesen Flügel des großen Gebäudes einfach nicht, war hier noch nie gewesen und sein brillianter Orientierungssinn würde ihm hier auch nicht helfen, den richtigen Weg zu finden. Dabei war Link an den am meisten verwinkelten Orten ganz Hyrules gewesen und hatte sich nicht verlaufen...
 

Dann vernahm er Stimmen. Und sehr deutlich erkannte er die Stimme von Sir Viktor. Mit hochgeschraubten Puls hüpfte Link von einer Ecke in die andere und hatte das Gefühl, dass die größte Katastrophe seines Lebens bevorstehen würde. Wenn der verdammte, dreckige Direktor ihn hier einfach so erwischen würde, dann würde eine Toilettenreinigung noch das harmloseste sein, worauf sich der Held der Zeit gefasst machen konnte. Auch die Damenstimme war ihm geläufig von vorhin.

„Lavender. Ich will Euch endlich haben. Heute abend auf meinem Schoss. Wie lange wollt Ihr Euren Geehelichten noch abweisen“, spottete Viktor.

„So lange wie es nötig ist. Erfreut Euch lieber an den Huren, die ihr so reichlich mit Euren Trieben beschenkt. Ihr widert mich an.“ Sie warf ihm die missbilligenden Worte unentwegt an den Kopf, obwohl sie einen starken Ritter vor sich hatte. Dann hörte Link nur noch einen Schlag und folglich Funkstille.
 

Zugegeben, Link hätte gerne in Erfahrung gebracht, was passiert war, aber nicht unter diesen nackten Tatsachen...
 

Geschwind versteckte er sich ab und an hinter den vielen, langen Behängen der Fenster und war so dankbar, demjenigen, der diese vielen Gardinen in jener Burg als Verschönerung angebracht hatte.
 

Dem Glück noch mächtig trat Link nach einer langen, nervenaufreibenden Suche nach dem richtigen Weg mit nacktem Körper in das Zimmer ein, wo William ein Buch studierend auf seinem Bett saß. Er blickte verwundert auf, als Link die Tür verriegelte und konnte plötzlich nicht mehr vor Lachen. Er zeigte auf Link und sagte feixend: „Haha, was hast du denn angestellt?“ Link hätte am liebsten angefangen zu heulen, denn er fühlte sich so gebrandmarkt wie noch nie in seinem Leben. „Ariana hat mir meine Klamotten gestohlen“, jammerte er und ging flugs zu seinem Kleiderschrank, wo er sich als erstes ein Hemd überstreifte.

„Sag’ bloß, du bist nackt durch die Ritterschule gewandert?“, grinste Will und rieb sich die tränenden Augen. Der beste Brüller des Tages. Er hielt seine Hände an den angespannten Bauch und lachte unentwegt weiter.

„Hör’ auf zu Lachen. Das ist nicht lustig. Sie hat gemeint, du bist auch noch dran.“ Und damit verging ihm das Grinsen wieder. Wills Gesichtsausdruck änderte sich zu weiterer Verwunderung. „Und wie konnte diese Göre denn überhaupt an deine Wäsche? Ihr habt doch nicht...“ Aber William getraute sich das, was sein pubertierender Verstand gerade dachte, nicht auszusprechen. Link streifte sich zufrieden seine waldgrüne Tunika über und fuhr sich durch die dicken, blonden Haarsträhnchen, die in seine Augen fielen.
 

„Ich war duschen, dort im Hinterhof. Und diese Gans hat sich einfach herangeschlichen und mir die Sachen geklaut. Sogar das Badetuch.“

„Nicht wahr“, staunte William.

„Doch.“

„Die hat es ja faustdick hinter den Ohren. Hat sie sich denn gar nicht... nun ja... geniert, als sie dich gesehen hat?“ Link schüttelte den Kopf und hoffte nur, Ariana würde diese Peinlichkeit nicht in ihrer Schule verbreiten. Denn dann war Link das Gesprächsthema bei den hübschen Damen in der feinen Mädchenschule.

„Ist ja seltsam. Wir leben schließlich nicht in Hyrules Urzeit, wo Mädchen und Kerle nackt voreinander herumlaufen. Die muss sich doch geschämt haben“, meinte Will.

„Hat sie aber nicht.“ Und Link zog sich das Ersatzpaar Stiefel an. In dem Augenblick hatte er einen sehr furchteinflössenden Gedanken. Wo war Zeldas Heilmittel?
 

Hastig kramte er in dem Schrank herum und fand es nicht sofort. Genauso die Okarina der Zeit. Außer Sinnen zerlegte Link halb den wehrlosen Schrank.

„Suchst du was?“

„Mein Heilmittel. Und die Okarina“, äußerte Link aufgeregt. Er redete so schnell, dass ihm beinahe die Luft fehlte. Was, wenn Ariana sein Heilmittel entwendete hatte? Was, wenn sie die wertvolle Okarina der Zeit für falsche Zwecke verwendete?

„Mach’ doch mal nicht so einen Stress“, sagte der junge Laundry und half ihm Suchen. „Wenn du Ariana inständig darum bittest, dann wird sie dir deine Sachen schon wieder zurückgeben.“

„Aber das Heilmittel. Ich brauche es unbedingt.“ Das stimmte nur nicht vollkommen. Sein Leben hing im Augenblick davon ab.

„Warum?“ Ratlos blickte William in den demolierten Schrank, wo Gerümpel und Kleidung durcheinander lagen. Schweigend sank der junge Heroe auf die Bettkante und schaute hinaus in den Innenhof. Dann kramte er in seinem Nachttischschränkchen herum und William hatte verstanden. Link wollte wie immer... nicht darüber reden...
 

Der junge Held rieb sich dann verzweifelt über die Stirn.

„Verdammt, sie hat die Okarina.“ Jener Gegenstand, den er persönlich von Prinzessin Zelda anvertraut bekommen hatte, war für Link vielleicht noch tausendmal wichtiger als ein Heilmittel, welches ihm das Leben retten konnte. So viele Erinnerungen verband er damit. Schöne Momente, besonders jene, als er mit Shiek damals Okarina gespielt hatte. Wenn die Okarina in falsche Hände geriet, würde damit der Weg für großes Unheil freigemacht werden... und Link hatte in der vertrauensvollen Aufgabe die Okarina der Zeit zu hüten versagt, so wie in seiner Verantwortung als Held der Zeit...
 

„Aber das ist doch bloß ne Flöte“, sagte Will.

„Nein, das ist eben nicht nur eine Flöte“, zischte Link aufgeregt. „Diese Okarina ist so wertvoll wie das Masterschwert. Wenn sie in falsche Hände fällt, dann kann ich mich gleich hängen lassen.“

„Das Masterschwert? Sag’ bloß, du glaubst an solche Märchen.“

„Das habe ich nicht gesagt.“, murrte Link und musste wohl oder übel einsehen, dass seine Dussligkeit daran schuld war, dass nun sowohl das wertvolle Heilmittel als auch die Okarina in den Händen der ausgefuchsten Ariana Blacksmith lagen und es nur Ausdruck ihrer Güte sein sollte, dass sie dem Heroen seine Sachen zurückgab. „Außerdem ist das Masterschwert kein Märchen. Vielen Besuchern ist es gestattet es zu betrachten.“

„Wirklich?“

„Jep... ich habe es auch schon mal gesehen. Hat dir dein Vater davon nichts erzählt?“ Link schüttelte den Kopf und glotzte Link daraufhin bissig und neugierig an, so intensiv wie noch nie. „Erzähl’ mir von dieser Okarina.“ Aber der junge Heroe schüttelte mit dem Kopf.

„Dann eben nicht.“ Und der junge Laundry zuckte mit den Schultern. Links Geheimnisse herauszufinden war eben ein Ding der Unmöglichkeit.
 

„Was hältst du von Frühstück, Link?“, meinte er, als der Heroe wieder melancholisch auf seinem Bett saß. „Du weißt schon. Die vielen frischen Brötchen. Kürbismarmelade und die Sahneteufel als Nachtisch.“ Doch Link war abwesend, als würde er mit jemandem telepathisch kommunizieren.

„Hyrule an Link, wer immer sich auch hinter seiner hylianischen Fassade verbirgt... Dein Mitbewohner fragt dich gerade mürrisch, ob du Lust auf ein ordentliches Frühstück hast.“ Wieder keine Antwort. Aber der junge Laundry konnte sehr geduldig sein, wenn er wollte.

Dann blickten Links tiefblaue Augen trübsinnig auf.„Aber das Heilmittel. Ohne es bin ich aufgeschmissen.“

„Na komm’ schon. Das Frühstück wirst du wohl noch ohne es überstehen. Dann kannst du doch bei Madame Morganiell, der Leiterin der Mädchenschule, fragen, wo Arianas Zimmer ist.“

Link rieb sich unbeholfen über seine Stirn und sah im selben Moment ein, dass er im Augenblick sowieso keine andere Wahl hatte, als, ohne die sogenannten Tränen der Nayru auszukommen...
 

Hungrig traten Link und William in die Cafeteria ein. Artus und Robin saßen wie immer an der Bankreihe direkt am Fenster, worauf Will grinsend zu ihnen hinüberschlenderte.
 

Link aber musterte kurz den sogenannten Ian, der erste, mit dem er in eine Schlägerei vor einigen Tagen in den Toiletten verwickelt war. Jener fixierte ihn mit seinen stechenden dunklen Augen und trat murrend näher.

„Na, du Putze? Hast du keinen Bock die Galle, das Blut und den verdorbenen Schleim des alten Hopfdingen wegzuwischen? Das machen Putzen doch, nicht wahr?“, meinte jener belustigt und hatte nicht die Spur einer Ahnung, dass dem guten Link heute sowieso schon eine Laus über die Leber getrampelt war. Wenn Ian wüsste, dass der Held der Zeit persönlich vor seiner arroganten, besserwisserischen Nase stand, würde er sich wohl schnell eine andere Anrede aneignen.

„Halt’ deine Schnauze, Ian“, meinte Link kühl, ließ sich von so einer Pflaume nicht ärgern und stellte sich in der Reihe für den hylianischen Eierkuchen an.

„Wo hat die Putze denn ihre Schultunika gelassen? Oder tragen Außenseiter jetzt grün, damit sie wenigstens ein bisschen auffallen.“ Das Blut in Links Adern begann langsam zu kochen... Ein Glück, dass er ein paar Handschuhe trug, sonst wäre des Triforcefragment des Mutes kein Geheimnis mehr. Link fühlte einen hitzigen Druck auf dem linken Handrücken. Eine Ahnung. Ein Anzeichen für Energie, die danach strebte auszubrechen... Links tiefblaue Augen so kalt wie ein anbrechender Morgen, kühl und neu...
 

„Was provozierst du mich überhaupt? Bist du so scharf auf eine gebrochene Nase oder möchtest du gleich das gesamte Schuljahr im Krankenflügel verbringen?“, sagte Link deutlich und bissig und umkrallte mit seiner rechten Hand das linke Handgelenk. Zumindest das hielt die druckartige Energie noch ein bisschen zurück.

„Wir werden ja sehen...“, sagte Ian und stapfte davon. Er ließ sich murrend neben einigen Schülern der dritten Stufe nieder, die interessiert zu dem Erscheinungsbild Links blickten.
 

Schulterzuckend freute sich der junge Held dann auf sein Frühstück und die magische Ansammlung von Macht in seiner Hand verlor sich wieder.
 

Erheitert und verführt von dem süßen Duft seines Essens pflanzte sich Link wenig später neben William auf die Holzbankreihen. Die anderen zwei Jugendlichen schienen gerade eine heftige Diskussion über den gestrigen Vorfall zu führen und der Heroe hörte mit halben Ohr zu.
 

„Kaum zu glauben. Ein Mord an unserer Schule. Und ich dachte, in den sieben Schuljahren passiert nix weiter“, meinte Robin, der faszinierte Schürzenjäger.

„Ja, schon merkwürdig. Und verwunderlich, dass niemand gestern Abend was von den Dämonen gemerkt hat. Ich meine, es halten sich zwanzig Ritter hier auf, geschultes Lehrpersonal, und keiner will etwas gespürt haben. Und da sagt meine Großmutter immer, die Hylianer würden die besten Ohren des gesamten Weltenreiches besitzen.“, stimmte Artus ein.

„Weiß denn jemand, wer den armen Hopfdingen zuerst entdeckt hat?“

„Mondrik Heagen“, murmelte Link, während er eine riesige Portion Apfelmus verschlang.

„Was der?“, sagte der blonde Artus dann. „Ausgerechnet Mondrik. Na der Wicht hat ja jetzt den Schock seines Lebens erfahren, oder?“

„Habt ihr es gesehen? Habt ihr gesehen, wie der Hausmeister von der Decke baumelte?“, mischte sich Link wieder ein. Aber die anderen schüttelten bloß ihre Häupter. „Dann könnt ihr euch ja nicht gerade anmaßen von einem Schockerlebnis zu sprechen, dass der kleine Mondrik jetzt durchmacht...“

„Du hast es gesehen?“ Und Link nickte bloß, scheute die Augen der anderen Kerle bei Tisch und glotzte auf sein dampfendes Essen. Robin beugte sich halb über den Tisch und gaffte Link an. „Erzähl’ schon. Wie sah das ganze aus?“, betonte er und wollte unbedingt diese Geschichte aus Links Nase ziehen.

„Wie schon?“, murrte Link. „Wie ein zerfetztes Stück Fleisch, dass gefoltert von der Decke baumelte. Aber wenn du so viel Interesse daran hast einen Toten zusehen, dann kannst du dich diesem Arsch Viktor gleich anschließen. Er will Hopfdingen hinter dem Komposthaufen begraben. Ein Glück, dass Wills Vater sich darum kümmert, dass der Hausmeister ein ordentliches Grab bekommt...“ Damit endete Link und die anderen wurden immer misstrauischer, was Links Ideale, seine Sinneswandel und Gemütszustände betraf.
 

Nach einer Pause meinte Robin. „Dein Vater ist Friedenswächter?“ Und Will nickte bloß. „Jo, er hat diesen Job bekommen, als wir vor einigen Wochen nach Hyrule gereist sind.“

„Aha.“

„Dein Vater ist doch auch Ritter und besitzt eine Stimme in der Gesellschaft des Königs, oder?“ Nur gut, dass die jungen Kerle bei Tisch nicht wussten, dass der unauffällige, unterschätzte, naive Link bei des Königs Tochter alle Stimmen besaß, die ein Hylianer haben konnte...

„Jahhh“, sagte Robin Sorman, der noch drei ältere Brüder hatte, die allesamt an dieser berühmten Schule gelernt hatten. „Er ist für ein paar Angelegenheiten an den Grenzen des Königreiches tätig und daher nicht oft zuhause.“ Was sollte das denn jetzt, dachte Link. Tauschten diese Idioten sich nun aus, wie toll ihre Väter waren? Genervt stocherte der junge Heroe in seinem Essen herum und hoffte, die Jungspunde würden dieses selbstgefällige Thema beenden. Überraschenderweise war es Artus, der das Thema wechselte und erneut Dinge über den gestrigen Vorfall zu erkunden versuchte.
 

„Noch mal wegen gestern. Gibt es denn irgendwen von den Schülern, die an der Trauerfeier teilnehmen wollen? Vorhin erst, habe ich mich mit den anderen darüber unterhalten und keiner wollte hingehen. Wie steht’s mit euch.“

Sofort meldete sich Link zu Wort. „Ich gehe hin. Ich war vielleicht der letzte, der Hopfdingen lebend gesehen hat.“

„Wieso das?“ Verwirrtheit sprach aus Wills Augen.

„Ich war gestern abend im Reiterstall und habe mich mit dem alten Greis unterhalten. Deshalb werde ich zu der Gebetsstunde gehen. Außerdem hat Hopfdingen keine Familie, und es muss schlimm sein, wenn bei einer Trauerfeier niemand ist, der der Seele Hopfdingens eine gute Reise ins Jenseits wünscht.“ Will biss sich auf die Lippe. „Na gut, ich bin auch dabei. Und ihr?“ Williams Blick ging zu Robin und dann zu Artus. Aber beide schüttelten die Köpfe.
 

Eine Pause entstand.
 

„Es ist schon merkwürdig, dass dieser Mord ausgerechnet an der Tagesundnachtgleiche passiert ist und dass es auch noch diesen griesgrämigen, vergesslichen Greis erwischt hat. Vielleicht sollte jemand anderes sterben und Hopfdingen hat war nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort?“, meinte Artus.

Auf diese Worte horchte Link auf und ihm fiel das Besteck aus der Hand. Ein anderer? Er vielleicht? Hatten es diese Moblins schon wieder auf ihn abgesehen?
 

Es gab Monate, da waren ständig irgendwelche Kreaturen auf seinen Fersen, bloß weil sie Ganons Tod rächen wollten. Und Link hatte Wochen damit zugebracht, irgendwelche rachepläneschmiedenden Dämonennester auszurotten, bloß, um ab und an mal faul auf der Haut liegen zu können und nicht ständig mit einem Mordanschlag konfrontiert zu werden...
 

„Da stimme ich dir zu“, meinte William. „Aber wer sollte sich denn hier aufhalten, der von den Dämonen so sehr gehasst wird, dass er einen solchen Tod verdient hat?“ Daraufhin führte der Schönling Artus einen Zeigefinger an seinen Mund und flüsterte so leise wie möglich. „Ich habe gehört, es gibt eine Person an dieser Schule, die das Dämonenvolk so sehr hasst, wie das Licht selbst.“ Sein Kopf rutschte weiter auf die Tischmitte zu und auch die anderen Jugendlichen neigten ihre Schädel. „Man munkelt sich, der Held der Zeit wäre an der Schule.“
 

Und der unerkannte Heroe hatte vor Schreck keinen anderen Weg gefunden seinem Missmut Ausdruck zu verleihen, als knackend vom Stuhl zu fallen. Ein schaurig- entsetzlicher Ausdruck trat auf sein Gesicht. Na Prima, irgendwer musste wissen, wer der sogenannte Held der Zeit war oder hatte sich dieser schleimige Viktor verquasselt?
 

William und die anderen lachten erheiternd. „Hat dich die Nachricht so sehr geschockt?“, sagte Robin belustigt. „Kann ich dir nicht verübeln. Stell’ dir mal vor, der Held der Zeit wäre unser neuer Lehrer. Wenn ja, dann können wir echt einpacken. Gegen die Fähigkeiten des Vernichters des Bösen haben wir unbeholfenen, unerfahrenen Novizen nun wahrhaft keine Chance.“

„Ihr kennt euch ja alle ziemlich gut aus, was diese Legende betrifft, was?“, meinte Link und stellte auffällig seinen Holzstuhl wieder zurecht.

„Unsere Väter haben es uns erzählt und die wissen vom König persönlich, dass der Held der Zeit nicht nur eine Legende ist“, stimmte Artus ein. „Deshalb wissen wir Bescheid. Aber es gibt nicht so viele Leute, die wirklich an seine Existenz glauben.“
 

,Glaubt ruhig dran, ich sitze ja schließlich vor euch...’, höhnte Link in seinen Gedanken und fühlte sich irgendwie überlegen und belustigt, da er diese Kerle alle im Unwissenden lassen würde. Und wie er es auskosten würde... Ein siegessicheres Grinsen trat auf sein verschmitztes Heroengesicht, welches die andere nur als Heiterkeit zu deuten wussten.

War das Zeldas Absicht gewesen, als sie ihm zu dieser Schule riet? Die Tatsache, dass Link eine Art Vorbild sein könnte, ohne, dass irgendjemand tatsächlich wusste, wen sie mit ihren Lobpreisungen huldigten? Wusste Zelda, dass ihm ein wenig Lob und Ehrerbietung helfen konnte, die Irrfahrt der letzten Monate zu vergessen?

Die Prinzessin Hyrules und ihr zweites Gesicht... sie wusste einfach zu viel, dachte Link für einen Augenblick, war seiner Seelenverwandten aber unheimlich dankbar für ihre Vorahnungen...
 

„Mich hat auch jemand überzeugt, an den Helden der Zeit zu glauben. Denn obwohl mein Vater mir immer gesagt hat, dass dieser Kerl existiert, habe ich es für ein Märchen gehalten.“

Robin klopfte Will auf die Schulter. „Glaub’ ruhig daran, ich wünschte, ich würde wissen, wer der Kerl ist. Ich schwöre, ich würde mir ein Autogramm holen.“ In dem Augenblick begann Link vor lauter verschwiegener Wahrheit zu lachen, erfreute sich an seiner eigenen Hinterlistigkeit. Sogar seine Augen tränten angesichts dieses Gedanken, er könnte Autogrammstunde geben.

„Was lachst du denn so?“, murrte Robin. „Es gibt bestimmt fünfzig Mädchen an Morganiells Schule, die für ein Autogramm vom Helden der Zeit, die Wände hochgehen würden.“ Link hielt sich die Hände über den Bauch, der vor Lachen schon schmerzte.

„Echt? Sind die so hohl?“, meinte er lallend.

„Nein, aber fanatisch.“
 

„Meint ihr, die Moblins an der Schule hatten bloß die Absicht den Helden der Zeit auszuschalten“, meinte William dann.

„Na, da haben sie sich aber ein Ding der Unmöglichkeit ausgesucht. Die Leute sagen doch immer wieder, dass der Held der Zeit unbesiegbar wäre.“ Link verdrehte die Augen und meinte: „Ihr übertreibt. Der Held der Zeit ist doch auch nur ein Hylianer und jeder Kämpfer, egal, ob er auf der guten oder auf der bösen Seite steht, hat schließlich seine Schwächen. Auch ein Held ist sterblich, das vergesst mal lieber nicht.“ William seufzte und nickte bloß, während Artus und Robin mit den Schultern zuckten.
 

„Apropos Mädchen... kommenden Samstag hat die Kneipe zum lustigen Hylianer offen und da wir schon fünfzehn sind, können wir wenigstens bis zwölf dort unser Treffen abhalten. Wenn wir Glück haben und alles gut läuft, dann kommen ein paar Damen von Elenas Freundeskreis. Wir wollen ja schließlich etwas Abwechslung haben, nicht?“, sagte Artus. Dann wisperte er wieder. „Wisst ihr, was mir Elena erzählt hat?“ Alle anderen drei Kerle schüttelten die Köpfe und hörten aufmerksam zu. „Es gäbe in der Jungenschule zwei Kerle, die einfach schamlos Mädchen beim Ausziehen beobachtet hätten.“
 

Daraufhin blickten sich Link und Will sehr einleuchtend und beschämt an.

„Das war ein Missverständnis“, meinte der junge Laundry. „Es gibt in den Wäldern so ne alte Hütte, die Link und ich neu hergerichtet haben, weil sie niemandem gehört. Und außerhalb befindet sich ein schöner kleiner Teich mit Wasserfall. Und als wir mit dem Saubermachen fertig waren, standen draußen am Teich zwei Mädchen und wollten gerade baden gehen. Es war nie unsere Absicht, die beiden zu bespannen.“

Artus grinste: „Ihr wart das also?“

Und Robin lachte lauthals los. „Ist doch toll. Kein Grund sich zu rechtfertigen, Will. Was denkst du denn, wie oft sich einige Jungs rüber in die Mädchenschule schleichen, um so was zu sehen.“ Sein Lachen wurde richtig tosend. Der jüngste der Sorman Brüder schien sich in diesem Hobby wohl schon sehr gut auszukennen. Die Frage war wohl, wie lange er diesem Hobby schon nachging...
 

„Und wen habt ihr eigentlich beobachtet?“

„Eine gewisse Olindara, von der ich den Nachnamen nicht weiß und Ariana Blacksmith.“

„Olindara? Die hässliche Schlammkugel? Das ist Mondrik Heagens Zwillingsschwester“, meinte Robin. „Das hat sich ja gar nicht gelohnt. Aber diese Ariana? Von der habe ich auch noch nicht gehört. Ist die neu?“

„Jep“, sagte Link und leerte anständig seinen Teller und biss dann genüsslich von seinem Lieblingsobst, dem grünen Apfel.

„Sie ist ganz schön... gerissen...“, sagte der unerkannte Heroe und stand dann auf. „Bis dann, ich muss mit dieser arroganten Zicke mal ein Wort sprechen.“ Und Link hatte die tollkühne Absicht, sich von dieser gemeinen Schlange nichts mehr gefallen zu lassen. Unumstritten war sein Ziel die Mädchenschule von Madame Morganiell aufzusuchen, um sein Heilmittel und die wertvolle Okarina wieder zu haben.
 

Am Empfang der Mädchenschule saß hinter einem hohen Empfangsschalter eine alte Frau mit großer, eckiger Brille auf der Nase und wackelte mit ihrer Nase, als Link fragend vor ihr stand. „Ähm... Hallo!“

„Was willst du, Kerlchen?“

„Ich möchte bitte Ariana Blacksmith sprechen.“ Die Dame wackelte wieder mit der Nase und blätterte in einem staubigen Buch herum, wo ihre lange, spitze Nase beinahe hineinrutschte.

Wenig später sah sie wieder auf und krächzte. „Nichts zu machen. Sie ist nicht da.“

„Was? Aber warum denn nicht?“

„Weil sie“, die Alte machte eine kurze Pause und fing dann an zu singen: „nicht daaa ist.“

„Und wann kommt die wieder?“

„Nichts zu machen.“ Link rollte mit den Augen und schlug mit der Faust auf des Holz des Empfangsschalters.

„Was? Soll das heißen, sie kommt gar nicht wieder?“

Die Alte schüttelte ihr graues Haupt und meinte: „Nein, aber man weiß nicht wann.“ Sie fing an ein hylianisches Volklied zu singen, worauf Link kopfschüttelnd zu Boden sah...
 

Link konnte es einfach nicht glauben. Nicht nur, dass dieses falsche Mädchen ihm seine Sachen geklaut hatte, nein, die Schöne besaß sogar die Frechheit nicht auffindbar zu sein. Na toll, dachte Link. Wenn Ariana die Okarina der Zeit irgendwo gegen schlechte Rubine verkaufte, dann würde Zelda bestimmt nicht mehr so freundlich und hilfsbereit gegenüber ihm sein wie bisher. Sie würde ihm... den Kopf abreißen und in Tausend Stücke hauen...
 

In dem Augenblick hasteten kichernd einige junge Mädchen vorüber, warfen dem jungen Schönling schmachtende Augen zu, grinsten um die Wette, wobei die eine dem unschuldigen Heroen zusätzlich einen Kussmund zuwarf. Sich am Pony kratzend grinste dann auch Link und hastete täppisch aus der Schule heraus.

Zufrieden und sich auf einen Ausritt mit seiner rotbraunen Stute Epona freuend, tapste Link aus dem runtergekommenen Reiterstall heraus. Einige Schüler standen außerhalb und trainierten mit Holzstäben, während junge, hübsche Damen applaudierten und pfiffen. Auch Ian war mit unter ihnen und setzte einem anderen Spund ganz schön zu. Schulerzuckend ging Link vorüber und ließ gedankenlos die Ritterschule hinter sich.

Was sollte er auch tun? Ariana, die sein Heilmittel besaß, war einfach nicht aufzufinden... er konnte nicht tatenlos herumsitzen und auf die nächste Krankheitsattacke warten. Wenn es passierte, dann musste Link ohne das Mittel mit den Schmerzen fertig werden.

Und trotzdem war jener Gedanke sehr unangenehm...
 

Plötzlich hörte er jemanden seinen Namen rufen. Überrascht drehte Link seinen Schädel herum und sah Will mit einem Friesen auf ihn zu traben.

„Hey? Machst du einen Ausritt?“, fragte der Laundryjunge. Link nickte und bewunderte den stolzen Hengst, von dem sich sein Mitbewohner über die Lande tragen lassen wollte.

„Wo hast du denn den geklaut?“, meinte Link.

„Ach, das ist das Pferd von Artus, Stormynight. Du glaubst nicht, wie wohlhabend die McDawns sind.“

„Echt, sind die das?“

„Ja, schließlich gehören die zu einem wirklich alten Rittergeschlecht. Sie haben Unmengen von Ländereien, Villen und Besitztümer. Aber dein Pferd ist ja auch nicht ohne!“

Und Link klopfte seiner Epona an den glänzenden Hals, bis er sich in lässig in den Sattel schwang. „Jep, Epona ist eine sehr kluge Stute. Sie hat mir sogar schon mal den Hals gerettet“, meinte Link und grinste ansatzweise.
 

Das war damals vielleicht ein Tag, dachte er. Damals in der alternativen Zukunft... Die Nerven verlierend hing er einmal mit gebrochenem Bein an einer Klippe, alles nur wegen einem verdammten Moblinoberhaupt, das ihn mit über den Abgrund gerissen hatte- am südlichen Ufer Hyrules, wo ein gigantisches Meer schäumte...

Und aus dem Nirgendwo kam Links gute Epona angetrabt, hatte einen Freund mitgebracht, der Link auf sicheren Boden half und pflegte...
 

Alsdann folgten die beiden Reiter einem abgetrampelten Pfad über herrliche grüne Hügel Hyrules während die Sonne brennend vom Himmel stierte.
 

„Wusstest du, dass die älteste Tochter der McDawns sogar mit Valiant von Hyrule verlobt sein soll.“

„Verlobt?“ Es war nichts Ungewöhnliches, das Link nachfragte... er wusste bis heute nicht ganz genau, was es bedeutete. Auch wenn er bereits einen lächerlichen sogenannten Verlobungsring von der Zoraprinzessin- die Götter mögen bitte dafür sorgen, dass sie diese Sache vergessen hatte- erhalten hatte.

Will ließ den Kopf schief hängen und seufzte: „Du weißt schon, dieses heilige Versprechen, dass sich zwei hylianische Seelen geben, nur um miteinander für immer zu leben bis zum Eintritt in das Himmelshaus.“ Ach so, dachte Link. Das war also so eine Art Beteuerung oder Gelübde, dachte er. Nur damit zwei Hylianer also zusammenlebten. Aber was sollte denn so ein Versprechen, dachte der junge Heroe.
 

„Na und?“, fragte er. „Ich meine, wozu?“

„Was na und? Wozu wohl? Würdest du dich nicht bis zum König hoch verheiraten lassen wollen?“ Link schüttelte mit dem Kopf.

„Valiant ist zwar nicht der Thronfolger. Aber er wäre es, wenn nicht die Prinzessin Zelda den Thron übernehmen würde. Und dann würde die älteste der McDawns locker Königin werden an Valiants Seite.“ Link blickte bloß, verwundert, und verstand langsam, einen, wenn auch weniger wichtigen Sinn hinter dem ehelichen Bündnis...
 

Die Pferde trabten gelassen über eine breite Steinbrücke, die eine einzige Überquerung über die Schlucht der Tausend Geister darstellte. Eine tiefe Schlucht, von der man sich erzählte, dass einst eine Hexe tausend rachesuchende Geister eingesperrt hätte, damit jene das Königreich Hyrule nicht länger quälen konnten.
 

Vorbei an einem kleinen See, den man den Kreuzsee nannte, weil hier von vier verschiedenen Richtungen Bäche den See speisten, gelangten die Zugtiere mit den beiden hylianischen Reitern an eine alte Ruine. Einst war jener Ort eine strahlende Burg, in der eine namhafte Familie gelebt haben sollte, und nun war jener Ort mit Moos bewachsen und das Gestein verwittert…
 

Vergnüglich schwang sich der junge Heroe von seiner treuen Stute und blickte sich neugierig das alte Gemäuer von außen an. Während sich sein Blick auf ein altes, zerfallenes Tor haftete, kam einmal mehr ein trübsinniger Gedanke auf. Ein Gedanke an das, was er vermisste, was irgendwann hätte sein können, wenn die Götter seinen Eltern nicht den frühen Tod beschert hätten. Er würde die quälende Einsamkeit nicht kennen, würde den Schmerz nicht kennen… Sicherlich wäre er auch nicht als der Held aus den Legenden erwacht und er hätte Zelda niemals kennen gelernt…
 

„Hey, du Träumer“, murrte William und riss den Nachdenklichen aus seinen finsteren Gedanken. Irritiert blickte Link in die smaragdgrünen Augen Williams, der auf einen einzelnen, riesigen Baum in der Mitte des alten Burginnenhofs deutete.

„Wir könnten die Pferde an der alten Linde festschnüren und dann ein wenig die Gegend erkunden. Was hältst du davon?“ Link nickte bloß und führte Epona hinein in die Ruine.
 

„Dieser Ort ist irgendwie traurig…“, sagte William dann. „Ich weiß zwar nicht warum, aber es ist immer schade, wenn etwas vergessen wird.“ Er tätschelte den starken, glänzenden Hals von Stormynight, während Link das Gefühl umfing, wie traurig es ebenso war, dass eine so bedeutende Heldentat wie seine, einfach vergessen wurde. Aber konnte man sich gegen das Schicksal stellen? Konnte er seinem Schicksal, ein Held zu sein, der vergessen wurde, den Kampf ansagen? Hätte ein solcher Kampf einen Sinn?
 

Will pflanzte sich auf eine bröcklige Steinmauer und kramte ein an einigen Ecken bearbeitetes Holzstück hervor. Dann hatte er plötzlich ein scharfes Messer in der anderen Hand und schabte konzentriert einige Späne von dem Stück Holz.

„Du entwirfst Holzskulpturen?“, meinte Link verwundert und betrachtete sich das helle Holzstück.

„Jo, schon seit ich denken kann. Das ist mein größtes Hobby musst du wissen.“

Link schien plötzlich sehr begeistert zu sein und murmelte: „Kann ich mir das mal ansehen?“

„Gerne.“ Und der Held erfreut sich mal wieder an etwas so kleinen, woraus ein freudespendendes Kunstwerk entstehen könnte. Link grübelte nach den passenden Worten und musterte die Skulptur wieder.

„Was soll es werden?“

„Eine Balletttänzerin für Lilly. Mein Schwesterlein hat sich so etwas immer schon gewünscht.“ Links tiefblaue Augen wanderten zu Boden, durchsuchten mit gestochen scharfen Blicken das saubere, saftige Gras und schienen danach zu grübeln, wie er eine Bitte in Worte wandeln konnte. Ob William ihm das beibringen würde?

Der Heroe reichte das Holzstück seinen Mitbewohner wieder und vergrub verlegen die Hände in den Hosentaschen. Ratlos beäugte der junge Laundry seinen merkwürdigen Kumpel und fragte sich allmählich, was es nun schon wieder war, was Link nicht mitteilen konnte. Denn so allmählich begann Will diesen familienlosen Kauz zu verstehen und er verstand die Tatsache, dass Link einfach hilflos war, wenn es darum ging, jemanden um etwas zu bitten.
 

„Soll’ ich dir das beibringen?“, sagte William und hüpfte auf die Beine. Überrascht sah Link auf und nickte bloß.

„Sag’ das doch gleich.“, murrte der junge Laundry und wies den unwissenden Helden dann ein, wie man Holzskulpturen bastelte.
 

Nach zwei mühseligen Stunden hatte Link den Dreh raus. Sicherlich musste er noch viel üben, aber aller Anfang war schwer… und diesen Anfang hatte er mit Bravur gemeistert.
 

Als Will seine Holzskulptur fertiggeschnitzt hatte, klatschte er fröhlich in die Hände und packte jene Balletttänzerin in eine von Stormynights Satteltaschen. Doch auch er hatte einen außerordentlichen, unverschämten Hintergedanken. Sich an seinem Kinn kratzend, in der Hoffnung, der anfängliche, spärliche Bartwuchs würde sich endlich ausbreiten, denn das würde ihn reifer wirken lassen, tapste er hinüber zu Link, der fasziniert an einem Holzgebilde herumbastelte.

Und es war in dem Augenblick, dass William irgendwie verstand.

Links naive, kindliche Seite, die gerade jetzt zum Vorschein trat, zeigte deutliche Spuren von einem alleingelassenen Hylianer, der sich in seinem Leben anscheinend bloß einen Platz wünschte. Das Bild das blonden, blauäugigen Hylianers auf der bemoosten Steinumzäunung war nur das Bild eines Kindes… auch wenn jenes Kind manchmal reifer und wissender erschien, wenn es um bestimmte Bereiche im Leben ging. Aber jenes Leben, das Link kannte, hatte wohl nichts mit der Gewöhnlichkeit zu tun, die William so genoss…
 

„Ich fordere einen Deal“, meinte William Laundry und trat entschlossen vor den unbekannten Helden. Verwundert zog Link beide Augenbrauen nach oben und wartete auf Wills Vorschlag.

„Dafür, dass ich dir Holzbasteln beigebracht habe, möchte ich, dass du mir auch etwas beibringst.“ Link nickte entschieden und hatte mit nichts anderem gerechnet. Denn in seiner Welt gab es niemanden, der einfach nur Hilfe und Freundlichkeit zeigte ohne etwas dafür zu verlangen. In Links Welt hatte alles ein Opfer, eine Gegenleistung, ebenso wie ein wenig Freundlichkeit.

„Ich möchte, dass du mir eine Frage beantwortest.“ Link nickte wieder und schaute abwartend zu Epona hinüber, die gerade von Stormynight beschnüffelt wurde.

„Wo hast du kämpfen gelernt? Ich weiß, ich habe dir diese Frage schon einmal gestellt, aber ich hoffe doch, dass du mir sie jetzt beantworten kannst.“ Aber Link schwieg im Moment und es schien als grüble er nach einer passenden Ausrede.
 

„Hattest du einen guten Lehrmeister?“ Der Heroe schüttelte mit dem Kopf, widmete sich wieder seiner Holzschnitzerei und meinte leise: „Ich kann es dir nicht sagen.“ Wills Gesichtsausdruck wurde verzerrt und er presste seine Lippen energisch aneinander.

„Aber ich weiß, was du im Sinn führst“, meinte Link dann und hüpfte auf die Beine. „Ich soll’ dir kämpfen beibringen“, sagte er trocken und schaute zu den zertrümmerten Türmen der alten Feste.

„Du hast es erfasst.“

„Ich soll’ dir also töten und vernichten beibringen? Ist es das, was du willst?“ Daraufhin rannte William hinter Link her, der trübsinnig davon stiefelte.

„Das habe ich doch gar nicht gesagt, ich möchte nur, dass du mir hilft, durch die Prüfungen mit sauberen Leistungen zu kommen. Das ist alles. Wenn nicht, dann ist das auch okay. War ja bloß ne Frage“, brummte er.
 

Link stoppte seinen schnellen Schritt und schaute entschlossen auf. „Einverstanden.“

Und Will sah bloß ungläubig drein. Hatte Link nicht gerade dagegen argumentiert.

„Äh… wirklich? Du würdest das tun?“

„Ja, mit einer Einschränkung.“

„Und die wäre?“

„Du verwendest dein Können nicht zum… Töten…“, murmelte Link langsam und stockend.

„Sicher.. ich bin doch kein dreckiger Mörder, außerdem heiße ich nicht Viktor.“

„Okay. Und es gibt noch ein Problem“, sagte Link dann und erinnerte sich an seine Schwächeanfälle. Zur Zeit war es für ihn einfach ein Ding der Unmöglichkeit nur irgendeine seiner Begabungen zu zeigen. Denn immer wenn er versuchte zu kämpfen, wenn er versuchte den Grund für seine Schwäche herauszufinden, war da etwas, was ihn hinderte… Anfälle, Krankheitsattacken, eine Daseinslöschung…
 

„Ich bin zur Zeit… einfach nicht… in der Lage… zu kämpfen.“ Allein dieser Satz war schon eine große Hürde für den blonden Hylianer. Allein diese Worte auszusprechen fühlten sich an wie Tausende Demütigungen.

„Warum denn nicht?“, entgegnete Will, der einfach sein neugieriges Gemüt nicht belehren konnte, in entscheidenden Situationen den Schnabel zu halten.
 

Links Augen wurden kühl und bissig. „Ich habe keinen Bock einem Unwissenden alles mitzuteilen. Also hör’ auf mich danach zu fragen. Es ist genug mit diesem Thema.“ Und Link marschierte von dannen. William aber schüttelte traurig mit dem Kopf. Er fand Link wirklich sympathisch und er wollte ihn unbedingt in seinem Freundeskreis haben, aber manchmal da schien er wie ausgewechselt, als ob er innerhalb einer Sekunde ein anderer Elf wäre…
 

Verärgert folgte der junge Held dann einem kahlen Pfad, wo einige Pflastersteine in den Boden gehämmert waren und erreichte einen kleinen Hinterhof, wo viele verschiedene Sträucher und Kräuter wucherten. Es schien als hätte man jenen Ort seit Jahrzehnten nicht mehr gepflegt, denn alles wuchs kreuz und quer und viele Disteln und anderes Unkraut sammelte sich hier und da.
 

Plötzlich hatte der Heroe das Gefühl ihm wurde der Erdboden unter den Füßen weggesaugt. Murrend krallte er sich an einen der Sträucher und wusste doch, was folgte. Innerhalb von Sekundenbruchteilen zog sich ein schlangenartiges Brennen von seinen Beinen aufwärts, wanderte zu seinen Rücken und hinein ins Genick, hämmerte dort entsetzlich

„Nicht schon wieder… nicht…“, fauchte er. Er stützte eine Hand an die Stirn, die innerhalb von Sekunden begann zu glühen… Und ausgerechnet jetzt hatte er Zeldas Heilmittel nicht parat. Ausgerechnet in dieser Situation begann der Alptraum…
 

Für wenige Sekunden schloss der junge Held seine Augen, wartete darauf, dass die Schmerzattacke schwand oder noch schlimmer wurde.
 

Und zu seinem Unbehagen befand sich der neugierig William Laundry nur wenige Meter weiter und wunderte sich vermutlich schon, weil Link nicht wiederkam.
 

Erneut begann sein Herz zu rasen, pumpte das Blut so schnell durch seinen Körper, dass er das Gefühl hatte, jegliche Blutader wollte zerreißen. Sein Kopf wurde immer schwerer, während sich Stimmen in seinen Verstand hineinbrannten.

„Wie… fühlt es sich an, wenn man… alles… verliert?“, sagte es in seinen Gedanken. „Wie fühlt es sich an, wenn das… Teuerste… gefoltert wird und ein nutzloser Held nur… danebenstehen kann, nicht fähig zu kämpfen, nur fähig zu leiden…“
 

Wütend schlug Link mit der Faust an eine alte Steinmauer, erzeugte einen aufhetzenden Schlag mit überflüssiger Magie, die die gesamte Mauer schlagartig schwarz färbte. „Ich breche dich… ich zerbreche dich…“, flüsterte es, als Link schmerzhaft atmend auf die Knie sank. Um ihn herum begann die Welt blutrot anzulaufen, die Blätter zerbröselten zu Asche und die grüne Wiese verwelkte. Der Himmel weinte Blut und Pech und nur Link stand inmitten des Alptraumes, war allein, war vergessen.
 

Als er zusammenbrach und das Bewusstsein verlor, kamen flüsternd, gleich einen Gebet wenige Worte über seine Lippen: „Verzeih’ mir… Zelda…“
 

Grüblerisch saß William auf einer Steinmauer, hier am Rande der Vergessenheit und besann sich auf die merkwürdigen Worte, die Link vorhin erläuten ließ. Warum sollte es gut für ihn selbst sein, wenn er über diesen eigensinnigen Kauz nicht mehr wusste? Und warum konnte Link mit seinen Geheimnissen nicht herausrücken?

Wie eine Erleuchtung kam der Brief der Prinzessin Zelda persönlich in Wills jugendliches Gedächtnis zurück und die Tatsache, dass anscheinend die Königstochter eine Freundin Links war. Was für ein furchteinflössender Gedanke, dachte Will. Link, der Freund der Prinzessin. Bei den Göttern, wenn er das jemandem erzählte, würde man ihn sofort in das Verrücktenhaus in Hyrules riesiger Hauptstadt stecken...

Versunken in seine Gedanken tapste er hinüber zu Stormynight und drückte den Kopf gegen den Hals des schönen Pferdes.
 

Plötzlich spürte er ein ausgemachtes, hinterhältiges Fingertippen auf seiner Schulter und es zog dem jungen Laundry beinahe die Stiefel aus, dass sich jemand so unauffällig an ihn heranpirschen konnte. Mit kläglichem Aufschrei wand er sich um und dachte für einen Moment es wäre Link, der sich einen so gemeinen Scherz erlaubt hatte. Aber es waren ein paar bernsteinfarbene Augen, die den jungen Laundry beinahe zum Herzkasper gebracht hätten. Feixend und giftig war der Blick dieser Ariana Blacksmith und nur, um auf der sicheren Seite zu stehen, hüpfte Will einen Meter zurück und wollte auf alles vorbereitet sein. Immerhin belehrte Links Warnung bezüglich dieser falschen Schlange seine Person... und soweit er wusste, hatte sie ja noch eine Rechnung mit ihm zu begleichen.
 

„Na, du Spanner?“, sagte sie zischend und hielt ihm einen Zeigefinger unter die vorwitzige, lange Laundrynase.

„Ich bin kein Spanner!“. rechtfertigte er sich.

„Nein?“ Sie machte eine Pause und zog ihre schwarzen Augenbrauen auffällig an, als ob sie einen geplanten Angriff ausführen wollte. „Aber du bist ein mieser Kerl und viele Kerle sind Spanner.“

„Das ist ja wohl eine bodenlose Frechheit!“, kreischte er und hätte dieser Ariana am liebsten eine reingewürgt, auch wenn sie ein Mädchen war. „Die Ritter Hyrules sind größtenteils anständige Kerle und keine Lustmolche, die sich an nackten Frauen erfreuen!“, schimpfte er.
 

In dem Augenblick zogen sich Arianas Mundwinkel nach oben und sie lachte herzhaft. „Nun gut, William Laundry, ich gebe dir ausnahmsweise mal recht.“ Und sie reichte ihm die Hand, anscheinend zur Versöhnung, auch wenn William dieses Verhalten noch nicht so geheuer war...

„Was ist?“, meinte sie, daraufwartend, dass William ihre Hand annahm.

„Hast du Angst vor einem Mädchen?“ Und wieder zeigte sich ein teuflisches Grinsen um Arianas superroten Mund.

Sofort seine Männlichkeit unter Beweis stellend, nahm er die ihm angebotene Hand und wunderte sich zunächst, dass dieses ausgefuchste Mädchen anscheinend doch nichts weiter im Sinn hatte- zumindest im Moment nicht...
 

Sie lächelte ihm dann freundlich zu und William fasste sich ein Herz- seinen guten Manieren entsprechend, die er von seiner Mutter gelernt hatte- einen Entschuldigung über seine Lippen zubringen. „Also, wegen der Sache am See... ich wollte dich um Verzeihung bitten“, sagte er, worauf Ariana beinahe sprachlos zurückwich.

„Tatsächlich?“ Will nickte seine Ehre verteidigend.

„Dann muss ich dich auch um Entschuldigung bitten. Du weißt schon, wegen dem Ast, den ich dir auf den Pelz geschleudert habe.“

„Entschuldigung angenommen“, murmelte er, während Ariana plötzlich besorgt zu Epona und dann zu einem der verwinkelten Orte der alten Burg schielte.

„Link ist mit dir?“

„Ja, warum fragst du?“ William musterte nachdenklich Arianas ernstes Gesicht.

„Wir sollten ihn suchen gehen...“
 

Noch immer lag der einstige Held der Zeit bewusstlos in dem kleinen Garten mit den vielen unsortierten Kräutern und umwucherten Pflanzen… aber er war vielleicht auf einer anderen, geistigen Ebene nicht mehr allein… Allein, gerade das, so nahm er an, war immer sein Fluch gewesen. Das Alleinsein- Ein Martyrium, wenn man nicht wusste, wohin man gehen sollte und wo man etwas gegen die Einsamkeit tun konnte…
 

Aber entgegen dem schmerzhaften Zusammenbruch von vorhin war im Augenblick alles so warm hier, als ob Hunderte Sonnen vom Himmel schienen in einer angenehmen Frühlingsdämmerung… es war weich… und sanft…

Träge öffnete der Heroe seine Augen und versuchte zu verstehen, versuchte zu erkennen, woher diese angenehme, hoffnungsvolle Wärme strahlte.
 

Zunächst blendeten ihn feine Lichtstrahlen und endlich fühlte er zwei Hände, die seine Gesichtszüge mit schmalen Fingern abwanderten. Und doch war alles an diesen Händen so zart… so beruhigend…

Als sich sein Bewusstsein für mehr öffnete, als ihm im Moment zugänglich war, hörte er eine sanfte Stimme sprechen. Ruhig und erhaben war sie… so wie nur eine Stimme, die er in seinen tiefsten Träumen herbeigesehnt hatte.
 

„Wach’ auf, mein Held…“, sagte sie, als Link endlich das Gesicht über ihm als das seiner Prinzessin erkannte. Wunderschön mit feinen Gesichtszügen. Einzigartig und sinnlich…

Seine tiefblauen Augen lasen eindringlich in ihren, so wie er sie schon lange nicht mehr mustern konnte. Schon lange hatte der junge Heroe Angst bei dem Blick in Zeldas warmherzige Augen… doch nun schien jene Angst wie weggeweht.
 

„Wo…“, murmelte er bloß und registrierte im Augenblick eine weitere überraschende Tatsache. Sein Kopf lag in ihrem Schoß…

„Du bist an einem Ort, den du irgendwann wieder betreten wirst…“ Erstaunt blickte er sich um und schielte von einer Hecke in jenem Garten zu den zerbröselten Steinmauern hier und da…

Er atmete tief ein, fühlte sich entspannt in der Anwesenheit seiner Seelenverwandten, fühlte sich mutig und bereit jedes Unterfangen zu bestreiten. Aber war er denn jener Link, der im Traum gerade von seiner Prinzessin mit wohltuenden Berührungen verwöhnt wurde?
 

Zelda streichelte durch sein blondes Haar und nahm ihm verspielt die grüne Mütze ab, die er im Augenblick trug.

Suchend wanderten seine Augen zu ihren, die gerade so anders glänzten als sonst. Es war mehr, was in ihren Augen strahlte und nach außen drängte, mehr als Link jemals verstanden hatte…
 

„Zelda… irgendetwas stimmt nicht… meine Anfälle…“, meinte er leise. Aber sie verbat ihm darüber zu reden und legte einen Zeigefinger auf seine Lippen. „Entschuldige Ariana dafür… wegen dem Heilmittel…“ Ariana?

„Ariana hat es einfach übersehen… sie wusste nicht, dass es in deinen Sachen verborgen war“, meinte sie. Und Link nickte, immer mehr verwundert, wie zärtlich und liebevoll sich Zelda im Augenblick verhielt. Dann schloss er seine Augen und murmelte: „Verzeih’ mir Zelda… ich bin nicht mehr der, den du kanntest…“ Aber sie schien diesen Satz nicht ernst zu nehmen und zwickte ihn in eine Wange. „Du Dummkopf bist genau der, der du sein solltest… würde die Prinzessin Hyrules dich sonst so sehr lieben?“
 

Doch diese Worte waren mehr als Link im Augenblick verstehen konnte. Zelda erzählte soviel von Lieben und von Verzeihen… ergaben diese Worte im Moment überhaupt einen Sinn? Langsam hoben sich die trägen Augenlider des Helden und er musterte sie genauer, sah das blonde, gepflegte Haar, die goldene Tiara mit den teuren Edelsteinen auf ihrer Stirn, sah die weichen Lippen.

„Wir haben noch einige Minuten… Bringst du uns dann zurück zum Schloss?“, sagte sie sanft. „Zum Schloss?“

„Ja, du dussliger Held…“ Erneut las Link in den blauen Augen der Prinzessin, während über den grünen Grasflächen Schmetterlinge umher tanzten, sich im Wind wogen und dem Rhythmus der alten Magie lauschten.
 

Langsam führte der junge Held eine Hand an die rechte Wange der Prinzessin, hatte sich so sehr gewünscht, er hätte dies tun können, als er Zelda nach einer halben Ewigkeit im Schloss besuchte, wünschte sich, er hätte die Zeit genutzt… aber warum hier? Warum wagte er sich Gefühle zu zeigen in einem Traum?
 

Noch ehe er verstand, was geschah, senkte sich Zeldas Haupt seinem entgegen und sie küsste ihn mit viel Gefühl auf die spröden Heldenlippen, suchte nach einer Erwiderung, die der junge Held aber nicht sofort fertig brachte. Warum geschah dies mit ihnen? Link verstand den Grund des Kusses nicht, wie sollte er auch? Er hatte keine Ahnung von den tiefen Gefühlen und Wünschen, die ein Kuss begleiten konnte und genoss im Augenblick einfach nur diese wunderbare, neue Erfahrung, verstand nun, warum Hylianer sich gelegentlich küssten. Es war schön und so warm…

Auch wenn er immer wieder ignoriert hatte, dass er für Zelda grundverschieden empfand als für andere Elfen in seiner unmittelbaren Umgebung, war diese Empfindung selten und so schön, dass er keinesfalls aufhören wollte.
 

Während des Kusses murmelte sie: „Ich hab’ dich lieb, mein Held…“
 

Benommen wachte Link auf und hüpfte auf die Beine, torkelte einige Meter weiter, aber hielt sich dennoch standhaft auf den Beinen. Er blinzelte und fühlte sich, als hätte man ihm einen Schub heilsame Magie verpasst, auch wenn der Traum von eben nicht mehr in seinen Erinnerungen verweilte…

Verwundert sah er sich um und er verstand… die Anfälle hatten ihn wieder heimgesucht und irgendetwas musste ihn wieder aufgeweckt haben. Irgendetwas musste diese Qual seiner merkwürdigen Krankheit beendet haben…
 

Erleichtert wischte er sich den Schweiß von der Stirn und lief langsam aus dem unsauberen Kräutergarten heraus… Als er in den Burginnenhof torkelte, sah er verschwommen seinen Mitbewohner sich mit einer weiteren Person unterhalten. Na prima, dachte Link. Die durchtriebene Diebin Ariana hatte also von selbst zu ihm gefunden. Wenn sie jetzt nicht seine Sachen herausrücken würde, dann so dachte der Heroe, könnte er für nichts mehr garantieren. Tief durchatmend lehnte er sich an eine bröselnde Steinmauer.
 

In dem Moment sah Ariana mit ernster Miene auf und rief sogleich den Namen des Helden. Verwundert blickte Link auf, machte aber keine Anstalten näher zutrampeln. Ein bitterböser Blick stach aus seinen blauen Augen. Vorwürfe, weil dieses verdammte Mädchen sein Heilmittel gestohlen hatte. Ohne die Worte einer Begrüßung zischte er: „Na, hast du das Heilmittel und die Okarina schon verscherbelt, du miese Schlange?“ Gekränkt stapfte sie mit ihren langen, rostfarbenen Stiefeln näher und belehrte ihn eindringlich, sodass Link ihren Atem in seinem Gesicht spüren konnte: „Urteile nicht so über mich! Ich habe übersehen, dass du so wichtige Dinge mit dir führst.“

„Das ändert nichts daran, dass du die Sachen einfach mitgenommen hast. Gib’ sie mir gefälligst wieder!“, schimpfte er und stützte eine Hand an seine schweißgebadete Stirn.

„Na schön, ich habe voreilig und verantwortungslos gehandelt, aber das gibt dir noch lange nicht das Recht mich als eine miese Schlange zu bezeichnen. Heb’ dir diese Beleidigungen lieber für Leute auf, die so etwas verdient haben.“

„Im Augenblick hattest du das aber verdient“, murrte Link und rang nach den lauten Worten nach Luft.
 

Räuspernd mischte sich William ein und kratzte sich am Kopf. „Mann, nun haltet doch mal eure Giftmäuler. Ihr benehmt euch ja schlimmer als ein zänkisches Ehepaar.“ Doch diesen Satz hätte der junge Laundry unterlassen sollen. Denn sowohl Link als auch Ariana schenkten ihm sofort bissige, zum Schweigen verdammende Blicke. Und Will schwieg.
 

„Kannst du mir meine Sachen dann bitte zurückgeben?“, flüsterte der Heroe und blinzelte angesichts der hellen Sonnenstrahlen. Ariana musterte ihn sorgfältig, als wollte sie in seine Seele sehen.

„Das Heilmittel und deine Okarina befinden sich in der Mädchenschule“, sagte sie leise und sah ihm irgendwie an, dass er das Mittel unbedingt brauchte.

„Okay, wir sollten schnell zu der Schule zurück.“ Und sie hetzte zu Epona hinüber, die sich gegenüber der schwarzhaarigen Schönheit auffallend zahm verhielt.
 

„Geht’s dir nicht gut?“, sagte Will und ließ seinen Kopf schief hängen. Aber Link schüttelte bloß den Kopf und taumelte schläfrig zu seinem Pferd hinüber.
 

Überraschenderweise war die voreilige Ariana bereits mit einem Sprung auf der guten Stute und hatte allem Anschein nach vor, keinesfalls zu Fuß zu der Schule zu watscheln. Genervt stand Link daneben und sah ermüdend nach oben. „Kannst du das nicht unterlassen... ich habe keine Lust, mich mit dir anzulegen...“, sagte der Schüler und gähnte laut auf.

„Was soll’ ich unterlassen?“, zickte sie und klimperte mit ihren Wimpern.

„Mich herauszufordern...“, sagte Link. Verständnislos schielte Ariana mit ihren bernsteinfarbenen Augen hinunter.

„Nein, es macht Spaß dich zu ärgern, Link. Obwohl ich nicht ganz verstehe, was du im Augenblick ersinnst?“ Link packte Epona an den Zügeln und sein Gesichtsausdruck wandelte sich ein wenig mehr, wurde finsterer und finsterer. Straff hielt er Epona zurück.
 

„Steig’ endlich ab. Ich tue dir nicht den Gefallen neben dem Pferd her zulaufen.“

Sie zwinkerte und grinste verdächtig. „Das sollst du auch nicht.“ Und sie reichte ihm bereitwillig eine Hand von oben herab. „Mach’ schon, ich beiße nicht und bin alles andere als giftig.“

Schüchtern schaute der junge Heroe hinauf und sah nur das herrliche Grinsen aus dem hübschen Gesicht Arianas. Er wusste einfach nicht, was er von ihr halten sollte und wusste noch weniger, was ihre Handlung bezweckte...
 

„Was ist denn Link? Hast du Angst vor mir?“, reizte sie ihn, als wüsste sie, dass es die größte Beleidigung für Link darstellte, wenn man ihn des Angsthabens bezichtigte.

„Mit keiner Silbe, du...“, brummte er und trat dann genervt auf einen Steigbügel und ließ sich hinter Ariana in den Sattel gleiten.

„Na bitte, geht doch“, lachte sie und drehte grinsend ihren Schädel mit den schwarzen Strähnen zu dem verlegenen Jugendlichen.

„Aber es fehlt noch etwas.“ Link bekam seinen Mund gar nicht mehr zu, als sie seine Hände packte und sich diese auf ihrem gertenschlanken Bauch wiederfanden. „Du musst dich schon festhalten, oder willst du runterfallen?“, lachte sie lauthals, sodass auch William verwundert das Schauspiel begaffte. Der schüchterne Link blieb weiterhin sprachlos, auch dann als Ariana die Stute über die grünen Hügel preschte. William folgte ein wenig später auf Stormynight...
 

Die Abenddämmerung legte sich verschleiernd über die berühmte Knabenschule. Die Ereignisse des letzten Tages nur noch eine Erinnerung, die in den Gemütern allmählich verblasste...
 

Brütend saß Newhead in seinem kleinen Büro und überlegte, wie er den ersten Unterrichtstag bei den Jungspunden gestaltet sollte. Zugegeben, es war immer sein Wunsch gewesen, in die Fußstapfen seiner eigenen Lehrmeister zu treten, aber dass es so schwer sein würde, einen Unterrichtstag zu gestalten, vor allem noch in einem traditionsreichen Fach, wie die Ausbildung in allen möglichen, wie es gerne hieß. Ein Fach, welches nicht nur die Geschicklichkeit und Ausdauer der Jugendlichen trainieren sollte, sondern auch ihren Mut...
 

Gewöhnlicherweise war am Donnerstag kein Praxisunterricht, eine mehr oder weniger zutreffende Bezeichnung für das Fach, vorgesehen, aber die Gerudo für den Bogensport war noch nicht eingetroffen, also wurde kurzerhand Newhead beauftragt einzuspringen...
 

Einen Stift hinter sein rechtes Hylianerohr gesteckt, grübelte der Lehrer verbissen darüber nach, wie er den Unterricht interessant und animierend gestalten konnte, ohne dass die Jungs sofort die Lust verloren.
 

Die Kerze auf seinem Schreibtisch flackerte plötzlich und ein wenig Wachs fand sich auf dem Blatt vor seiner Nase. Ein kurzer Gedanke an Hopfdingen geisterte durch Newheads Kopf. Schon ewig kannte er den Hausmeister, denn als er hier zusammen mit seinem nun verstorbenen Bruder lernte, war dieser Hausmeister bereits zugegen. Wie oft hatte Hopfdingen die jungendlichen Raufbolde nachts erwischt und sofort beim Direktor angeschwärzt. Ein Grinsgesicht erschuf sich, während Nicholas darüber nachdachte.

Doch nun war der gute alte Hopfdingen ermordet worden. Ausgerechnet hier, ausgerechnet in der Ritterschule, ausgerechnet zur Tagesundnachtgleiche.

Aber warum Hopfdingen? Der alte Hausmeister hatte nun wahrlich nichts besonderes an sich. Und Newhead kannte ihn gut genug um zu wissen, dass jener alte Greis keine Fliege was zu leide tun konnte. Einen solchen heimtückischen, grausamen Mord hatte niemand verdient, der so eine ehrliche Haut besaß wie Hopfdingen...
 

Gähnend und sich vergnüglich streckend blickte der unerkannte Nicholas hinaus in den kohlrabenschwarzen Innenhof, nahm einen Schluck glühenden Wein aus seiner Tontasse und zupfte sich an seinem kurzen, braunen Bart.
 

Irgendetwas stimmte in Hyrule nicht mehr... und Nicholas hatte gerade jetzt den Wunsch es mit allen Mitteln herauszufinden.
 

Grüblerisch tapste er, nur begleitet in einer einfachen Tunika, ohne Gürtel, ohne Unterbegleitung oder Rüstung hinüber zu einem spärlich eingerichteten Regal und wollte gerade ein verstaubtes Buch mit eingerissenen Seiten aus dem Regal nehmen, als jemand an die kleine Tür seines Büros klopfte. Nanu? Besuch um diese Uhrzeit? Und ein Blick auf seine Taschenuhr sagte, dass Mitternacht schon lange vorüber war.

Verwundert, wer um diese Uhrzeit noch störte, meinte er eindringlich: „Bitte?“

Zaghaft wurde die robuste Tür geöffnet und eine schöne Frau trat mit halbherzigem Lächeln über die Türschwelle.

„La... Lavender?“, meinte Nicholas und bekam schon seinen Mund gar nicht mehr zu. Denn er kannte diese Frau schon sehr lange, kannte ihr Inneres und Äußeres haargenau und wusste doch, wie dumm es in dieser Minute war, dass sie zu ihm gefunden hatte. Er wand seinen Blick mit den undefinierbaren Augen genau in die ihrigen und suchte nach etwas in ihrem erhabenen Blick, was sie nicht zeigen durfte.
 

„Guten Abend, Nicholas“, sagte sie. Ihre Stimme fest und standhaft.

„Du solltest nicht hier sein“, entgegnete er und empfand keinerlei Scham, dieser schönen Frau mit dieser schlabberigen Tunika gegenüberzutreten. In dem Augenblick wand sie sich näher, strich mit ihren Fingern erforschend und beeindruckt über das narbenlose Gesicht, welches sie so nicht kannte.

„Ist dies Destinias Magie?“, meinte sie. „Die Magie, die dich zu einem Aussätzigen werden ließ und dir nun ein Gesicht gibt, das nicht deines ist?“

Nicholas führte ihre warmen Hände von seiner Maskerade weg und drehte sich zum Fenster. „Du solltest nicht hier sein, Lavender“, sagte er erneut. „Wenn Viktor dich hier findet, lande nicht nur ich wieder in der Gefängniszelle Doomrents. Nein, auch dir wird dann der Prozess gemacht werden...“ Sie trat langsam an ihn heran und schlang die Hände über seinen Bauch. „Denkst du, es fällt mir leicht mit Viktor eine geschauspielerte Ehe aufrechtzuerhalten?“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Verzeih’ meine Worte, Lavender...“
 

Eine Pause entstand, in welcher sich die braunhaarige Frau an den Rücken Nicholas lehnte.

„Ich wusste, dass du Hyrule nicht verlassen konntest... nachdem man dir den Vorwurf des Mordes gemacht hat“, flüsterte sie und wanderte mit ihren Händen über seine Brust. Der neue Lehrer atmete tief ein und dachte nur daran, wie falsch das war, zu was sie sich gerade hinreißen ließen. Aber nach allem, was die letzten Monate geschehen war, die einsamen, kalten Nächte in der Todeszelle... hatte er denn da nicht ein wenig Wärme und Liebe verdient?
 

„Was führt dich zu mir?“

„Wie könnte ich nicht meine große Liebe besuchen wollen“, sagte sie sanft und stützte den Kopf an seine Schulter. „Nicholas... ich bin es leid, Viktor abzuweisen, mit ihm ein Haus zu teilen. Ich ertrage es einfach nicht mehr...“ Daraufhin wand er sich um und strich seiner Geliebten durch das braune, lange Haar.

„Wie konnte ich nur jemals von dir verlangen, dass du diese Schmach erträgst“, sagte er leise und erhielt einen sanften Blick aus ihren Augen.

„Ich habe es nur getan, weil ich dich liebe, Nicholas. Destinias Handel nur für dich...“ Er zog sie an sich und lehnte, seine Augen schließend, den Kopf für wenige Sekunden an ihre Stirn, bis er ihre Lippen suchte. Sie küsste ihn distanziert zurück und brach den Kuss zuerst. „Dein Handel...“

„Zur Hölle mit Destinia“, meinte er und liebkoste ihren Hals. Sie stöhnte leise auf und fühlte seine Bedürfnisse brodeln. Er brauchte sie jetzt. Das spürte sie. Und er wollte sie jetzt...
 

Seine rechte Hand, die Hand wo einst zwei Finger fehlten, wanderte streichelnd über ihre Brust, während die andere mit dem Reißverschluss ihres Kleides spielte. Oh, es war so falsch, was sie hier taten, dachte sie und doch konnte sie im Augenblick ihre starke Sehnsucht nach ihm nicht mehr zügeln. Ihre Küsse wurden tiefer, während sie beide einige Schritte rückwärts stolperten.
 

Stürmisch zog er an ihrem Haar, sodass sie wie auf Befehl ihren Kopf zurücklegte. Wild liebkoste er ihr spitzes Kinn, ihren langen Hals, und senkte seine Lippen an ihr Schlüsselbein.

Er wusste, was sie mochte und dies gehörte zu jenen Dingen, die nur er durfte, nur er kannte und fühlen sollte. Seufzend wanderten ihre zitternden Fingerspitzen durch sein kurzes braunes Haar am Hinterkopf.
 

Es war so lange her, dass sie einander auf diese Weise begehren konnten. Die lange Trennung, der Entzug voneinander, war die Ursache für ihr beider mangelndes Pflichtgefühl. Sie, weil sie bereits jemanden geehelicht hatte. Und er, weil ein Handel mit der Göttinnenmutter es ihm verbot, Lavender zu beschenken.

Aber wie leicht Liebe doch jegliche Verantwortung in die Winde schlagen konnte, erst recht, wenn Liebe so tiefe Wurzeln besaß, wie jene zwischen diesen beiden Hylianern.
 

Hastig packte er sie bei den Oberschenkeln und hob die Frau in die Höhe, die er seit er denken konnte, liebte. Er platzierte sie auf den Schreibtisch, sodass er direkt vor ihr stand und mit seinen Liebkosungen fortfahren konnte.
 

Sie war so sanft und weich... das seidige Haar... die bemalten Lippen und reine Haut... Sie hatte ihn unter ihren Bann gezogen, wie schon immer. Ein unartikulierter Laut entkam seiner Kehle, wie der Laut eines Tieres, das gerade bekam, was es wollte. Seine Hände, schwitzend und ein wenig grober als sie es gewohnt war, schoben beinahe quälerisch den Reißverschluss des dunklen Kleides hinab.
 

Und als er ihre Bekleidung langsam über ihren Kopf zog, waren es auch ihre Hände, die ihm die Tunika entreißen wollten. In dem Augenblick packte er sanfter als die zügellose Leidenschaft vorher zeigend ihre Hände und murmelte: „Warte...“

Er blickte tief in jene Augen, die er nicht lieben durfte, nahm sich besinnlich einige Haarsträhnen und küsste diese. So viele Zweifel standen plötzlich in ihren Augen, dass er sich unumgänglich fragen musste, ob er noch das Recht hatte, sich zu nehmen, was er in dem Moment so sehnlich begehrte.

„Ich liebe dich, Lavender...“, flüsterte er langsam und drückte sich näher an sie, ließ sie spüren, wie stark das Bedürfnis in ihm war, eins zu sein mit ihr. Sie atmete scharf ein und reckte den Kopf erneut zurück, ließ sich mit ihm auf den kalten, harten Schreibtisch sinken und befreite endlich seinen stattlichen Körper von der dreckigen Tunika.
 

Die Kerze auf dem Tisch flackerte erneut, als die schöne, reife Frau ihn süß und sehnsüchtig in ihrem Inneren erwartete...
 

Sich über sich selbst ärgernd lief Link in das Erdgeschoss der Burg und befand sich zielstrebig auf dem Weg in das Büro von Newhead, in der Hoffnung der Lehrer für die vielen unterschiedlichen Übungsstunden würde ihm helfen, um diese Uhrzeit noch eine schwarze Schultunika aufzutreiben. Hätte er nicht am helllichten Tag daran denken können? Denn Link, so klug auch der Kopf war, den er mit sich herumtrug, besaß auch seine vergesslichen Seiten... und manche Dinge, die er in den letzten Wochen vergessen hatte, wichtige Dinge, die sich vielleicht um das bevorstehende Schicksal Hyrules drehten, diese Dinge schienen wie unter einem Bann der Unwirklichkeit zu stehen. Als wäre nichts geschehen...
 

Und so trampelte er durch die dunklen Gänge, schmiedete Rachepläne gegenüber dieser eigenwilligen, boshaften Ariana, die doch wahrlich auch noch die Frechheit besaß nach dem Ausritt zu verschwinden! Kaum hatte Link seine Epona in den modrigen Stall geführt, war diese Schnepfe doch schon wieder verschwunden. Die konnte ihn mal kreuzweise. Bestimmt verschepperte sie die teure Okarina und das lebensrettende Elixier trotzdem irgendwo. Diese...
 

Link schüttelte bloß den Kopf und verkniff sich das Schimpfwort in seinen Gedanken. Zielstrebig marschierte er auf das Büro von Newhead zu, ohne zu wissen, dass jener Lehrer gerade mit viel vergnüglicheren Dingen beschäftigt war.
 

Als Link in den schmalen Gang eintrat und die kleine Bürotür ansteuerte, vernahm er plötzlich ein Poltern aus dem Zimmer. Natürlich war Links erster Instinkt näher zutreten und herauszufinden, ob vielleicht irgendetwas nicht stimmte. Gerade als er klopfen wollte, waren aber in dem Raum noch andere Geräusche. Ein heftiges, lustvolles Stöhnen, welches Link irgendwie nicht verstehen konnte. Wie sollte er auch...

Neugierig legte er ein spitzes Ohr an das Holz und erstaunte angesichts dieser Laute, ausgestoßen von einer Frau und diesem Newhead persönlich. Was bei den Göttinnen trieben die denn da drin, dachte Link. Seine Augenbrauen verzogen sich verwirrt, als das Stöhnen intensiver wurde. Und als die Frau in dem Augenblick einen heftigen Schrei von sich gab, dachte Link, dass irgendetwas nicht in Ordnung sein musste. Er klopfte, aber niemand öffnete. Sich Mut fassend trat er einfach ein und sah das Bild seines Lebens. Ein Bild, an welchem der unwissende Link noch einige Tage zu knabbern hatte.
 

Eine Frau mit langem, braunen Haar saß breitbeinig und nackt auf dem Schreibtisch und hielt Newhead, der vor ihr stand, ebenso entblößt, eng in ihren Armen.
 

„Oh...“, sagte Link auffällig, worauf die beiden entsetzt von einander abließen und den unwissenden Störenfried zuerst bestürzt und dann scherzhaft beäugten.

„Ähm... ich... bin dann gleich... wieder weg“, sagte Link stotternd, da er schon das Gefühl hatte, dass sein Verhalten einer riesigen Peinlichkeit entsprach, obwohl er nicht wusste, was da abging.
 

So schnell wie er diesmal die Gänge abrannte und die Treppenstufen hinaufhetzte, war Link noch nie irgendwo davon gelaufen. Mit diesem Tempo hätte er diesem verdammten Marathonläufer auf der Steppe um das Zehnfache eingeholt. So schockierend war dieses Bild für ihn, beinahe traumatisiert hatte es ihn, weil er absolut nicht verstand, was Newhead mit dieser Frau angestellt hatte.
 

Als er schmerzhaft atmend in das warme Quartier zurückkam, lag William erwartungsfroh auf seinem Bett. Er hatte einen kleinen Ball in der Hand, den er immer wieder in die Höhe warf und auffing. „Na, hast du ne neue Tunika?“, meinte er. Als er aber dann in das schockierte Gesicht des jungen Helden der Zeit blickte, fiel ihm nur ein blöder Kommentar ein.

„Hat sich die Tunika als böswilliges Monster herausgestellt, oder was?“

Links Mund stand sprachlos offen, während er sich auf dieses entsetzlich, schaurige Bild besann. „Ähm... Newhead war nicht alleine in dem Büro.“

„Ach so. Hat er dich wieder weggeschickt?“

„Nicht so direkt...“

„Na, was denn dann?“ Und der kleine Springball purzelte aus Williams Hand und landete vor Links Füßen. Laundry musterte ihn dann genauer.

„Da war eine Frau bei Newhead und...“, fing Link an. „Die haben irgendwas komisches gemacht...“
 

William schlussfolgerte: Ein Mann und eine Frau. Zu später Abendstunde. Etwas Komisches...
 

„Inwiefern komisch?“, behaarte Will und grinste blöde.

„Ich weiß auch nicht so genau...“, sagte der unwissende Link und kam nicht auf den Dreh, dass William genau wusste, was da ,Komisches’ passiert war. William hatte seine Eltern häufig genug bei diesem ,komischen’ Thema erwischt... Das war ja nun wirklich nichts Schlimmes, dachte der Rittersohn.

Aber den jungen Link schien diese ,komische Sache’ schon ziemlich aus der Bahn geworfen zu haben. Neugierig stemmte Will seine Hände auf den runden Tisch in der Mitte des Quartiers und schielte Link eindringlich an. „Na sag’ schon, wie haben die es angestellt?“

Es, fragte sich Link. Nannte man das so? Als der junge Heroe aber puderrot um die Nase wurde, sparte sich Will weitere Fragen und lachte in einem außerordentlichen, krankhaften Anfall.
 

„Ach, Newhead hat die Frau wohl einfach nur verführt“, meinte Will mit seiner untypischen, tiefen Knabenstimme und hüpfte auf seine Beine. Link zuckte mit den Schultern und hatte keine Lust mehr über ein Thema nachzugrübeln, wovon er sowieso keine Ahnung hatte... außerdem fühlte er sich irgendwie unwohl in seiner Haut bei dem Gedanken nicht zu wissen, was eine Frau und ein Mann zu später Abendstunde so komisches anstellten... es war wahrscheinlich besser, er fragte irgendwann eine andere Person bezüglich des Themas...
 

„Und was mache ich jetzt?“, meinte Link und schwang sich auf das knarrende Bett. „Wenn ich morgen ohne schwarze Tunika im Unterricht aufkreuze, werde ich sofort zum Gespött dieser Schule.“ Nachdenklich wanderte sein Blick an das Zimmergewölbe.

„Mmh...“ William ließ seine Daumen kreisen und erläuterte: „Du hast drei Möglichkeiten. Erstens könntest du mit der grünen Tunika den Hampelmann spielen. Die zweite Möglichkeit besteht darin, morgen früh, noch bevor alle anderen wach sind, die Schule nach einer neuen Tunika auf den Kopf zu stellen, was anstrengend ist. Und als dritten Vorschlag...“ Wills smaragdgrüne Augen funkelten in nie da gewesenem Zauber.
 

Wenig später befanden sich zwei dreiste Möchtegernritter bei purer Dunkelheit auf den Kieselwegen in dem Innenhof. „Ich kann nicht glauben, dass ich mich überreden lassen habe, so einen Schrott zu versuchen“, maulte Link, als sie über die sauberen, gepflegten Beete huschten und an dem Haupttor zu der luxuriösen Mädchenschule standen. Will lachte auf diesen Kommentar und schielt unter einer grauen Kapuze durch die Nacht.

„Ach, du fauler Hund. Die Lösung liegt ja auf der Hand. Ariana umgehend um deine Sachen zu bitten, ist echt der beste Weg.“

„Aber, dass wir dazu unbedingt in die Mädchenschule schleichen müssen, ist mir einfach nicht geheuer.“

„Nicht geheuer?“, lachte Will auf. „Die werden uns schon nicht gleich erwischen.“

„Aber das meinte ich doch nicht...“, sagte Link gedämpft und schielte ebenso in die Nacht hinaus.

„Was denn dann?“, meinte der junge Laundry ungläubig. „Hast du Angst die hübschen Dame würden uns dabehalten wollen?“, entkam es lachend aus seinem Mund. Rotwerden blickte Link zu Boden und verkniff sich weitere peinliche, verräterische Worte.

„Lass’ uns die Sache schnell hinter uns bringen, dann passiert schon nix.“ Und damit deutete der junge Laundry zu einem getarnten Nebeneingang.
 

Die beiden impertinenten Burschen, so gutmütig und sympathisch sie auch waren, hatten zu ihrer eigenen erfreulichen Unverschämtheit auch noch das Glück, jene Nebentür offen vorzufinden. Ohne nachzudenken betraten sie die einladende Seitentür...
 

Geräuschlos schlichen die beiden voran, Link vorneweg, dicht gefolgt von dem Laundryjungen, der bewundernd Links Geschick beobachtete. Wie als ob die Geister ihm zuflüstern würden, was er zu tun hatte, wandelte Link vorneweg, schaute mit erschreckendem Feingefühl, einer schwindelerregenden Fingerfertigkeit um die Ecken, vergewisserte sich der Leere in den Gängen, stoppte, wann immer Geräusche erklangen und versteckte sich vor möglichen, neugierigen Augen.

Wieder eine Sache, aus der William einfach nicht schlau wurde. Der komische Waise aus den Wäldern hatte so viele Fähigkeiten, die einen gewöhnlichen Jungen in diesem Alter einfach nicht standen. Es war wie, als wäre dieser Kerl tatsächlich ein Moblinjäger, wie Will von Anfang an angenommen hatte.
 

Es dauerte nicht lange und die zwei übeltäterischen Raufbolde befanden sich in dem Empfangssaal, wo der große, dicke Wälzer einer Sekretärin lag, die stets Aufzeichnungen darüber machte, wer, wann und wieso das große Haus von Madame Morganiell betrat. Glücklicherweise waren in dem Buch auch die Zimmernummern der ganzen Mädchen angegeben. Mit einer kleinen klappernden Öllampe überflog Link genau und bedacht die Seiten, bis er den Namen Ariana Blacksmith auf einer der ersten Seiten fand. Aha, Zimmer siebenundsiebzig... ein großes Doppelzimmer im ersten Stockwerk. Sofort fiel Link eine Kleinigkeit auf, die auf irgendetwas hindeutete. Vor dem Namen Ariana befand sich mit dunkler Tinte ein großes Kreuz. Unbedingt wissen wollend, was das bedeuten konnte, blätterte Link ein wenig länger in dem Buch herum, aber kein anderer Name war mit der Tinte so hervorgehoben wie der von Ariana...

„Worauf wartest du denn noch?“, flüsterte Will, dem langsam die Knie weich wurden vor Nervosität.

„Siehst du das?“ Und der unerkannte Heroe deutete auf die kleine Markierung. „Kein anderer Name hat eine solche Auffälligkeit.“

„Und was, glaubst du, soll das bedeuten?“

„Weiß nicht, aber es scheint, als ob diese Ariana Blacksmith ihre Geheimnisse hat.“

„Schlimmer als deine Geheimnisse können die ja nun wirklich nicht sein“, murrte Will, worauf der junge Held seinen Leidensgenossen bloß verärgert nachäffte.
 

„Vielleicht hat sie bloß irgendetwas angestellt. So ausgefuchst wie die ist, würde mich das nicht wundern“, sagte der Laundryjunge.

„Oder es könnte daran liegen, dass sie keine Adlige ist.“ Will schüttelte mit dem Kopf. „Nein, so weit ich weiß, gibt es noch einige Mädchen hier, die keiner Adelsfamilie, nicht mal einer untersten Ritterfamilie angehören. Das kann nicht der Grund sein.“ Seine grünen Augen leuchteten verwundert auf. „Was interessiert dich das eigentlich?“

Link fuhr sich durch die blonden Haarsträhnen und schwieg auf Wills Frage. Seine Nachforschungen bezüglich dieser Ariana ergaben ja nun wirklich keinen Sinn...
 

„Hast du dich verknallt?“ Irritiert drehte sich Link um und schaute unter seinem ausgestopften Mantel hervor. „Quatsch, ich weiß auch nicht warum.“

„Du bist jedenfalls verdächtig.“

„Na und?“

„Also hast du dich doch verknallt. Kein Wunder, so wie du und Ariana heute zusammen Epona geritten haben.“

„Ich habe mich nicht verknallt“, schimpfte Link lauter, und ärgerte sich maßlos über Williams unfaire Verdächtigungen. Wie sollte das denn überhaupt funktionieren? Link hatte sich noch nie verliebt und wusste nichts damit anzufangen.

„Sicherlich nicht?“

„Nein!“, fauche Link giftig und schüttelte zornig den Schädel. Will klopfte tückisch auf Links rechte Schulter und meinte lediglich, dass er ihm sein herzliches Beleid dafür ausspräche, sich in eine eitle, gerissene Zimtzicke wie Ariana verliebt zu haben. Tosend entkam der Name des Grünäugigen über die Lippen des Helden der Zeit, so laut, dass plötzlich der Saal von hellem Licht geflutet wurde...

„Hallo? Ist da jemand?“, rief eine kratzige, alte Damenstimme in dem großen Empfangssaal. Eine schmale Brille auf der Nase, die noch etwas von der übriggebliebenen Sehkraft unterstützte, blinzelte sie in jede Ecke des Raumes, lugte hinter einige Marmorsäulen und doch schien niemand anwesend zu sein. Zumindest sah die eigenwillige Empfangsdame, welche schon unterrichtete als Williams Mutter hier zur Schule ging, nichts und niemanden. Der magische, mit Hunderten Kerzen bestückte Kronleuchter verlor sein Licht erneut und die Alte kroch aus dem Zimmer heraus.
 

Erleichtert seufzten Link und der junge Laundry. Gerade so hatten sie sich unter dem Bürotisch am Empfang verstecken können. Gerade noch rechtzeitig...

„Und was lernen wir daraus?“, meinte Link. „Du solltest dir das nächste Mal überlegen, ob es ratsam ist, mich in so einer Situation auf die Palme zu bringen.“ Will verdrehte die Augen, beließ es aber zu kontern.
 

Alsdann schlichen die zwei Querköpfe in den ersten Stock, auf der Suche nach dem Zimmer siebenundsiebzig. Sie leuchteten gerade mit der kleinen Öllampe die Nummernschilder ab, als aus einem der Räume viele, heftige Stimmen erklangen. Neugierig schlichen die beiden Jungs näher, versteckten sich hinter einem großen Schrank.

Plötzlich wurde eine Tür so stark aufgeschlagen, dass sie an die glatte Hauswand prallte. Ein paar hübsche Damen in größtenteils weißen Nachthemden, und Kerzenständern in den Händen, traten heraus und stapften aufgeregt und schimpfend in Richtung eines Raumes am Ende des Korridors. Der Name Ariana fiel und eine böswillige Beschimpfung als sittenlose Diebin, die in dieser noblen Schule nichts verloren hatte.
 

„Scheint so, als wärst du nicht der einzige, den Ariana bestohlen hat.“, flüsterte Will.
 

Die Damen klopften wütend gegen eine weitere Tür, auf deren bemaltem Holz die Nummer siebenundsiebzig mit goldenen Ziffern abgebildet war.

„Ariana, du Bauerntrampel, mach’ diese Tür auf und gib’ Petrilana den Schmuck zurück, den du gestohlen hast!“, fauchte eine der Damen. Augenblicklich wurde die Tür energisch aufgezerrt und Ariana stand mit einem weißen Spitzenhemd und kurzer Hose- ganz und gar nicht mädchenhaft- einfach nur da und warf den Störenfriede Blicke zu, die jeden Moblin im Umkreis zu Stein hätten erstarren lassen können.

„Ich habe keinen Schmuck gestohlen, wie oft soll’ ich das euren dummen Köpfen noch sagen!“, zickte sie. „Ich hasse tonnenschweren Schmuck.“

„Aber du bist die einzige hier, die es gewesen sein könnte. Du bist neu hier, und vorher gab es keine Diebe in unseren Reihen.“

„Ei, ei, ei... sieh’ einer an. Man spricht von ,unseren Reihen’. Glaubt ihr, ihr seid etwas besseres als ich? Nur, weil ich keine Adlige bin?“
 

Die Augen der anderen Dame verengten sich und sie zog die Nase eitel nach oben.

„Ihr solltet euch schämen mit euren unhaltbaren, falschen Verdächtigungen, mit eurem sinnlosen Denkstrukturen, und eurer übertriebenen Ignoranz. Es gibt keinerlei Hinweise, dass Petrilanas Schmuck tatsächlich von irgendwem gestohlen wurde. Und zudem keinen Anhaltspunkt, dass ich etwas damit zu tun habe!“, fauchte sie. Stolz und eigenwillig war Ariana und vielleicht lag es tatsächlich daran, dass sie keiner Adelsfamilie entsprang, ansonsten würde sie sich ihren Mund wohl nicht auf diese Weise verbieten lassen.

„Aber du bist keine Adlige. Dein Wort zählt minder.“

„Lieber bin ich klug als adlig“, konterte Ariana und wartete grinsend auf ein dümmliches Argument von dieser eitlen Tussi ihr gegenüber.
 

In dem Moment spürte die Tochter eines Schmieds aber noch etwas anderes in dem Gang. Verdächtig schielten ihre bernsteinfarbenen Augen zuerst zu dem Mobiliar, wo sich Link und Will versteckten und dann bewusst und fast erschrocken in die stickige, entfernte Dunkelheit der Gänge.
 

„Ich werde Madame Morganiell morgen berichten, wie unerhört ungezogen du bist und mitteilen, dass man dich bei deinem Diebstahl beobachtet hat und dann wirst du diese Schule nie wieder betreten können.“ Auf diese Bemerkung lachte Ariana und machte einen Freudensprung. „Mach’ ruhig. Du weißt nicht, welchen Gefallen du mir damit tun würdest. Ich habe nie darum gebeten, in dieser Schule von irgendwelchen kasperartigen Unterrichtsstunden mit geschmacklosen, billigen Inhalt zu profitieren.“

„Da, genau das ist es!“, zickte eine weitere Person mit weißer Haube auf einem braunen Lockenkopf. „Du redest wie ein Bauerntrampel. Kein Wunder, dass manche behaupten, du wärst eine sittenlose, verräterische Aussätzige, eine Verbannte aus dem Spiegelvolk, das einst die Königsfamilie vernichten wollte.“ Doch diese Bemerkung ließ sich die anmutige Schmiedstochter nicht mehr bieten. Erbost gab sie ihrem Gegenüber eine Mauschelle, die sich gewaschen hatte.

„Rede gefälligst nicht so von einem Volk, das du nicht kennst, und hör’ auf über Dinge zu urteilen, die sich deinem Verständnis entziehen. Du hast kein Recht Hyrules Geschichte mit deinen Worten zu vergiften!“
 

Daraufhin suchten einige der Mädchen das weite, weil sie einerseits keine Lust hatten, sich mit Streitereien abzugeben oder aber weil es nicht ihren guten, gepflegten Manieren entsprachen, sich auf diese Weise demütigen zu lassen. Mädchen an Morganiells Schule zofften sich nicht. Denn das ziemte sich einfach nicht. Mädchen an dieser Schule waren klug und gingen jeglicher Form von Ärgernissen aus dem Weg. Sie lernten zu akzeptieren, lernten ruhig Blut und kühle Köpfe zu wahren, lernten geduldig zu sein. Mädchen schwiegen, senkten ihre Häupter und durften sich angeblich nicht gegen das Wort eines Mannes behaupten.

Und vielleicht war es Arianas Ohrfeige, die dazu führte, dass sich die Damen hier ihren altmodischen Idealen wieder bewusst wurden...
 

Die Geohrfeigte allerdings hatte bloß eine einzige Reaktionsmöglichkeit vorzuweisen. Sie schrie laut auf, und fing an zu heulen und kreischte, auch noch als sie in einem weiteren Schlafsaal verschwunden war, dass sie Madame Morganiell morgen früh alles berichten werde.
 

Ariana stand schließlich kopfschüttelnd mit einem Feixen in dem wunderschönen Gesicht im Korridor und konnte plötzlich ihre Lachmuskeln nicht mehr zähmen. ,Wenn mein Vater das erfahren würde, wärt Ihr alle einen Kopf kleiner’, dachte sie.

Lauthals fing sie an zu lachen. Lachte über die Stumpfsinnigkeit und diesen billigen Gehorsam, den viele dieser hirnlosen Mädchen gegenüber ihren Vätern oder gegenüber anderen Autoritätspersonen zeigten. ,Zum Teufel damit’, dachte sie. Und wenn sie von dieser Schule fliegen würde, dann hätte ihr Vater endlich wieder ein außerordentliches Beispiel für den entehrenden Wildfang und haarsträubenden Dickkopf seiner „lieblichen“ Tochter.
 

Sie krallte sich einen Kerzenständer mit drei Lichtquellen und marschierte barfuss grinsend zu dem alten, verzierten Schrank in dem Gang. Vorhin schon war ihr eine gewisse Aura dahinter nicht entgangen. Sie tapste langsam näher, bis sie nur noch wenige Zehenspitzen von dem Versteck zweier Kerle trennten, die sich hier eine Menge Ärger einfangen konnten.

„Und ich dachte, jemand wie du kennt bessere Verstecke als einen billigen Holzschrank.“, sagte Ariana gehässig und hüpfte dann hinter die Ecke, und rutschte so nah in Links überraschtes Gesicht, dass ihre beiden Hylianernasen zusammenstießen. Erneut lachte sie und reichte Link eine helfende Hand, damit er auf seinen schlaksigen, schwächlichen Gliedern stehen konnte. „Guten Abend, du Dussel“, sagte sie. „Du bist hier wegen deinen Sachen?“ Er nickte bloß. „Ich habe mich schon gefragt, wann du kommst.“
 

William, der bisher links liegen gelassen wurde, stand ebenso auf seinen Beinen und starrte zuerst äußerst aufgeregt und begeistert zu den schlanken, langen Beinen, die Ariana besaß. Sofort ein bissiger Kommentar: „Glotz’ gefälligst woanders hin, William Laundry.“

Und der Angesprochene unterließ seine gefährlichen Freudenblicke.
 

Die Jungs folgten der leicht bekleideten Ariana und dem schönen, hellen Kerzenschein, der sinnierend in den Gängen tanzte. Erstaunt betraten sie ihr großzügiges, rustikales Zimmer, welches sie mit Olindara Heagen teilte.

Ariana ließ geräuschlos die Türe zu fallen, stellte den Kerzenständer in die Mitte des Raumes, worauf jener seinen lodernden Schein flüssig in dem Raum verteilte. Ein hoher Raum mit schönem Gewölbe, wobei drei Pfeiler verschönernd die Wände abstützten. Das herrlichste, teuerste Mobiliar umrahmte das luxuriöse, kleine Reich und an den Wänden hingen dicke Vorhänge aus edlem roten Samt. Lediglich zwei Himmelbetten waren hier vorzufinden.
 

Dann schnappte sich die schwarzhaarige Schönheit einen Umhang aus einfachem, weinroten Leinenstoff und warf sich diesen über. „Warum setzt ihr beide euch nicht?“, meinte sie und deutete mit einer eleganten Handbewegung zu einem geschmackvollen Sofa mit weicher Polsterung. Die Jungs gingen artig dem Appell nach und ließen sich müde in die Couch sinken.

Nachdenklich starrte Link an das Deckengewölbe mit den saubergezimmerten Figuren und den anderen Eigenheiten. Gerade lehnte er sein Genick über eine hölzerne Couchkante, als die bernsteinfarbenen Augen von Ariana ihn von oben herab amüsiert musterten.

„Müde, Link?“, meinte sie und lächelte. Erneut verwundert schaute er sich das rätselhafte Gesicht dieser Dame an und wusste nicht genau, was es war, aber vielleicht hatte sie so eine Art Magie, die ihn irgendwie beruhigte und einnahm. Er fühlte sich irgendwie wohl in ihrer Gesellschaft und aufgehoben. Schon bei dem Ausritt heute war ihm das aufgefallen...

Kurz bedachte er den heutigen Tag...
 

Ariana brachte die starke Stute gerade in ein leichtes Galopp, als Link schon wieder das Gefühl hatte, irgendwie müde und schlapp zu werden. Sicherlich widerstrebte es ihm vor einem Mädchen den Schwächling zu spielen, aber er hatte einfach keine Wahl... Er stützte eine Hand an seinen Kopf und war gerade dabei seinen Halt- oder besser die Klammerung um Arianas Bauch- schleifen zu lassen, als die junge Lady die gute Stute mit sanfter Gewalt stoppte. „Alles okay?“, murmelte sie und schaute über ihre rechte Schulter zu Link, der immer blasser im Gesicht zu werden schien.

„Was soll’ schon sein?“, meinte er bissig und rollte die Augen. Gleichzeitig bereute er aber seinen harschen Tonfall aus irgendeinem Grund.

„Bitte sei’ nicht so gemein...“, entgegnete sie, aber es lag kein Hauch von Ärgernis oder Verachtung in ihren Worten, was den jungen Heroen irgendwie erstaunte...

„Ich bin nicht gemein... es ist nur...“ Und er stoppte inmitten des Satzes. Was sollte das, fragte er sich? Willst du etwa dieser Ariana alles erzählen, belehrte er sich selbst und bezeichnete sich in seinen Gedanken als einfallslose Hohlrübe.

„Schon gut... ich verstehe dich“, sagte sie leise und brachte Epona wieder in ein schnelles Galopp. „Aber festhalten musst du dich trotzdem“, setzte sie hinzu, worauf Link der Aufforderung nachging und sich sogar wagte, den müden, stechenden Schädel auf ihrer rechten Schulter niedersinken zu lassen. Es war angenehm... beruhigend...

„Ich bringe uns so schnell es geht zurück in die Ritterschule.“

„Danke.“ Eines der ersten gefühlvollen Wörter, die Link in den letzten Wochen und Monaten über die sonst so kalten, verschwiegenen Lippen brachte. Und als Epona in der Ritterschule das Tor passierte, wäre der junge, dusslige Heroe doch tatsächlich angelehnt an die geheimnisvolle Ariana eingepennt...
 

„Link?“ Und Ariana riss ihn aus seinen Gedankenspaziergang, indem sie ihm einen Stups mit der Hand an die Nasenspitze verpasste.

„Äh... ja, ich bin ein wenig müde.“

„Und du William?“ Der ärmste hatte die ganze Zeit schon gedacht, er wäre unsichtbar geworden, weil diese beiden Gestalten ihn bisher einfach ignoriert hatten.

„Ich? Ein Laundry ist niemals müde“, protzte er. Aber Ariana hatte wohl so ihre eigenen Ansichten zum Thema Schlaf. In ihrer Welt besaß Schlaf viele interessante Dinge, die er mit sich bringen konnte. Die Pforte in die Traumwelt war nur eines der Dinge, die sie am Schlaf so schätzte und verehrte.

„Aber Schlaf ist von großer Bedeutung für uns Hylianer“, sagte sie und wandelte in ihrem weinroten Mantel zu einem mit schwarzen Einschlägen verzierten Spitzbogenfenster. „Schlaf ist eine Möglichkeit die Seele ruhen zu lassen, vor allem dann, wenn man im Leben ohnehin eine große Last zu tragen hat. Schlaf erweckt Phantasie in Gestalt unserer Sehnsüchte, unserer Träume. Ein mancher Erfinder schöpft seine Ideen aus einem Reich fern abseits des wachsen Zustandes, indem er die Tore in eine andere Welt betritt. Schlaf bewirkt, verstärkt und hütet viele Dinge und manche Seelen führt er in die Vergangenheit oder die Zukunft. Und andere hören die Stimmen der Götter in ihren Träumen“, endete sie und ärgerte sich ein wenig über ihre rührselige Erzählung...
 

,Verflixt, du blöde Kuh’, sagte sie sich...

Kannst du deine Weisheit reichhaltigen Predigten nicht an anderen Orten kundtun?
 

Überrascht sah Link auf und durchblickte Ariana ganz genau. Schon wieder... diese unglaubliche Eigensinnigkeit wärmte ihm irgendwie das Herz.
 

„Wie auch immer. Möchtet ihr beide etwas trinken?“, sagte sie, um vom Thema abzulenken und holte eine langhalsige Flasche aus einer kleinen Bar. Eine limettefarbene Flüssigkeit war darin aufbewahrt, um bei Nacht den Gaumen zu erfreuen. „Das ist selbstgemachte Limonade von unserer Chefköchin.“

Gleichzeitig nickten ihre beiden Gäste. Aber Ariana stellte nicht nur drei, sondern vier Gläser auf den runden Tisch vor dem Sofa.

„Warum vier?“, meinte Will verblüfft.

„Meine Mitbewohnerin möchte ja bestimmt auch etwas“, sagte sie und fuhr William ein wenig über den Mund mit ihrer Wortwahl.

„Und wo ist diese Mitbewohnerin bitte schön?“

„Sie nimmt gerade ein Kräuterbad.“ William überlegte. Ein Kräuterbad? Soso... Er kannte diese Späße. Seine Mutter hatte ständig so einen Fimmel im Kopf und machte sich manchmal sogar auf Kräutersuche. Und was sie nicht alles schon ausprobiert hatte. Von Bädern, die lediglich die Haut verwöhnten gab es sogar Kräuterbäder, die angeblich dem Körper Schritt für Schritt das Fett entziehen würden... für ein schlankeres Aussehen...
 

In dem Moment fiel dem jungen Laundry ein mit einem Tuch behangener Gegenstand in der hinteren Ecke auf, wo wahrscheinlich etwas tolles verborgen sein musste.

Und dann rückte ein hylianisches Spiel in seine Augen. Mächtezirkel, eine Art Roulette, das Lieblinsspiel der Hylianer für beliebig viele Personen. Manche spielten es bloß zum Vergnügen, andere, vor allem Kerle in ihren Wirtsstuben spielten um Rubine... und man konnte es auf unterschiedliche Art und Weise spielen.
 

„Dich interessiert das Spiel?“, meinte die stolze Dame und pflanzte sich auf Schaukelstuhl, der vor dem Kamin stand. „Jo, ich habe das früher immer mit meiner Familie gespielt, als wir noch in Labrynna lebten“, sagte Will.

„Aha, ihr seid aus Labrynna hierher gereist?“ Neugierig kramte Ariana in der Vergangenheitskiste des Laundryjungen.

„Ich vermisse Labrynna ein bisschen, meine Freunde dort und die Lebensweise.“ Aufmerksam hörte die Dame zu. „Erzähl’ ruhig weiter.“ Und ihre bernsteinfarbenen Augen blitzten.

„Was hat euch dazubewogen nach Hyrule umzusiedeln“, fragte sie wissbegierig.

„Vater wollte es unbedingt. Wir stammen ja aus Hyrule ab. Als dann vor einigen Wochen ein Brief an meinen Vater adressiert wurde, in dem der König Hyrules ihm ein schönes Angebot als Friedenswächter gemacht hatte, waren Vater und Mutter sich einig, endlich wieder heim zu kehren, in das Land unserer Vorfahren.“
 

,Zurück in das Land unserer Vorfahren.’ Ein schöner Satz, wenn man noch lebende Vorfahren hatte, dachte Link. Und wieder quälte ihn die Frage, was er hier in Hyrule überhaupt wollte... Sich niederlassen? Glücklich werden? Ein Heim gründen?
 

„Und Lilly hatte gemeint, es wäre unser Schicksal wieder hier zu leben.“

„Lilly ist deine kleine Schwester, nicht wahr? Ihre Fähigkeiten sind mir bereits ein Begriff.“ Schreck lass’ nach, dachte sie. Konnte sie nicht ihre Klappe halten?

„Wie das?“, meinte Will verwundert. Feixend und nach einer ordentlichen, verratslosen Ausrede suchend, hüpfte Ariana wieder auf ihre Beine. „Ich habe deine Eltern und Lilly zufällig, nun ja, belauscht“, sagte sie dann und schaute in Richtung Fenster, wo erneut Regentropfen hinabwanderten.
 

„Aber ich glaube, dass der Brief meines Vaters nicht der einzige Grund gewesen ist, nach Hyrule zurückzukehren“, begann Will dann und leerte mit einem kräftigen Zug sein Glas.

Link stützte den Kopf derweil in die Hände und murmelte schläfrig: „Gab es noch einen anderen Grund?“

„Ja, ich habe meine Eltern sich einmal heftig streiten hören. Es ging um irgendwelche familiären Angelegenheiten.“

„Irgendwann zieht es uns eben immer zurück zu unseren Wurzeln, nicht wahr?“, sagte die Schmiedstochter und blickte durchdringend in Links weichen Blick.
 

In dem Augenblick wurde die bemalte Tür in das Doppelgemach vorsichtig geöffnet und eine dicklichere Gestalt trat herein. Ein hellgelbes Nachthemd beschmückte das rundliche Mädchen und ein schwerer, dunkelblauer Umhang überdeckte sogar ihre Füße, aus Scham jemand könnte ihren dicklichen Körper beschmähen. Verwundert schaute sie zunächst in die gemütliche Runde der Jugendlichen. Als sie aber den Spanner William Laundry und diesen perversen Link entdeckte verging ihr die Verwunderung. Ihre Miene wurde bleich und verängstigt.

„Gut, dass du da bist, Olindara. Die beiden sind hier um sich bei dir zu entschuldigen“, sagte Ariana und blickte freundlich in das Gesicht ihrer Zimmergenossin.

„Wirklich?“, meinte sie schüchtern.

„Wenn ich es doch sage!“, betonte die Schwarzhaarige, hüpfte schwungvoll zu der scheuen Olindara hinüber und zerrte sie zu Link und William. Wie auf dem Präsentierteller fühlte sich Olindara nun, beschämt und belächelt. Bestimmt waren diese bösen Jungs bloß hier, um sie zu verspotten oder auszulachen. Denn Verspottung in jeglicher Form kannte Olindara bereits, seit sie denken konnte.

„Link!“, sagte Ariana streng, worauf jener sofort verstand und sich anständig entschuldigte. Auch Will kam ein: ,Verzeihung, gnädiges Fräulein’ über die Lippen und reichte der schüchternen Dame eine Hand, die sie vorsichtig annahm.
 

„Und jetzt!“, freute sich Ariana, dass diese Streitigkeiten passe waren. „Setz’ dich zu uns, Olindara.“ Es war, wie als müsste man der Schwester von Mondrik Heagen jede einzelne Anweisung geben, damit sie überhaupt etwas tat. Einen solch unsicheren, scheuen Hylianer hatte Link noch nie kennen gelernt. Sicherlich, er war auch nicht der extravertierteste und der offenste, wenn es um eigene Geheimnisse ging. Aber Olindara war wohl exakt des Gegenteil von diese Ariana, mit der sie sich ein Zimmer teilte. Ein Wunder, dass sich diese beiden Mädchen überhaupt verstanden. Allerdings schien die Schmiedstochter wohl eine sehr eigenwillige, kluge Person zu sein, die nicht vorschnell über die Tücken und Vorzüge der Elfen in ihrer Umgebung urteilte.
 

Als die Jugendlichen zusammen am Tisch saßen, war es Ariana, die als erste die Stille brach.

„Olindara ist eine Meisterin in Mächtezirkel.“

„Echt?“, meinte William, der wohl ebenso viel Interesse am Spiel hegte.

„Das kannst du mir ja mal beweisen“, sagte er und versuchte freundlich zu sein. Immerhin hatte er dieser Olindara, auch wenn sie eben fett war, ein Unrecht getan. Sie nickte bloß und bereitet das Spiel vor. Und so spielte William mit dieser Olindara um die Wette, wollte unter allen Umständen beweisen, dass er kein Verlierer war und dieses Mädchen um jedes Triforcefragment schlagen konnte...
 

Während die beiden spielten, verlor Link mehr und mehr die Lust zuzusehen. Er fühlte sich müde, fühlte sich irgendwie am Ende seiner Kräfte und wünschte sich im Moment nichts sehnlicher als in sein eigenes Bett zu fallen, zumal sie morgen früh raus mussten.
 

Ariana stand nachdenklich am Fenster und schielte irgendwie besorgt nach draußen, als Link zu ihr hinüberhampelte. Er nahm an ihren Ausblick teil, bis er verwundert zu der fünfzehnjährigen Schönheit blickte, die so gedankenvoll in den dunklen, grauen Teppich mit ihren verhexenden Augen starrte. Da war Wärme in ihren Augen, die Link bis zu dem Zeitpunkt noch nicht bemerkt hatte. Mitgefühl und eine Form der Übermacht...

„Etwas ist im Gange...“, sagte sie leise und wand sich zu Link, der sich irgendwie schon wieder besser fühlte in Arianas Gegenwart.

„Ja, Hyrule verändert sich“, sagte Link darauf.

„Aber dagegen muss man etwas tun können“, protestierte sie. „Man sollte den König oder die Prinzessin sprechen, wenn man Vorahnungen hat.“

„Vorahnungen reichen aber leider nicht aus für solche Behauptungen“, warf Link ein und musterte die bernsteinfarbenen Augen, in die er ohne Scheu blicken konnte. Und man sollte bemerken, dass ein Blick in die Augen für Links gespaltene Seele momentan nicht das einfachste war, nicht die einfachste Geste gegenüber seinen Mitmenschen. Zeldas Augen zum Beispiel waren da ein Martyrium... in das Blau ihrer Augen zuschauen war wie eine Folter für ihn, wie ein Verbot, für Selbstschutz und Sicherheit.

„Aber der Mord an der Ritterschule ist doch ein Beweis, dass etwas vor sich geht. Die Ritter müssen etwas dagegen tun.“ Link versuchte zu lächeln und diese stolze Hylianerin irgendwie zu beruhigen, vielleicht als Dankeschön, weil sie irgendwie seine Seele wärmte. Aber es blieb wieder bei einem unglücklichen Versuch.

„Keine Sorge, es gibt doch genug Ritter, die nicht einfach wegschauen. So wie Wills Vater oder Sir Newhead.“

„Meinst du das wirklich?“

Link klopfte sich auf sein Herz und grinste: „Ganz wirklich!“

„Wirklich wirklich?“, spaßte sie und schenke ihm ein entzücktes Lächeln.

„Ganz wirklich wirklich“, sagte er und hätte diese Schmiedstocher wohl am liebsten umarmt, weil sie ihn beinahe zum Lächeln gebracht hatte.
 

Im Hintergrund maulte ein verärgerter William gerade verbittert: „Du spielst wie einer der Sieben Weisen. Das ist ja unfair...“ Aber Olindara sagte nichts dazu und reichte ihm die Karten für eine neue Runde.
 

Ariana schnippte mit den Fingern, als die beiden Spieler gerade von der Limonade tranken, und hastete zu ihrem Schrank. Ordentlich zusammengelegt, gefaltet auf einem Stapel, brachte die hübsche Dame Links Klamotten heran. Sorgsam überreichte sie ihm diese und gab ihm einen Kartoffelsack, in die er seine Kleidung legen sollte.

„Und die Okarina?“, fragte Link, während er auf den Stapel starrte. Sofort holte sie aus einer Seitentasche die magische Flöte, und überreichte sie ihm langsam, sodass sich ihre Hände dabei berührten. Rotwerdend sah der junge Heroe weg und erblickte das Heilmittel Zeldas in einem Regal. Zerstreut lief er hinüber und ließ die wertvolle Substanz in einer Tasche verschwinden.
 

„Sag’ mal, warum hast du eigentlich wirklich meine Sachen geklaut? Bloß, weil wir dich beinahe beim Baden beobachtet hatten?“

Sie schmunzelte und streckte ihm spielerische die Zunge heraus. „Nein“, lachte sie. „Es ist einfach über mich gekommen...“

„Du bist ja eine tolle vornehme Lady“, eiferte Link daraufhin.

„Gut, nicht? Mich gibt’s jedenfalls nicht zweimal.“ Und sie zwinkerte mit ihren unausweichlichen, verhexenden Augen.

„Das wäre ja auch schlimm genug“, sprudelte es aus Links tollkühnen Mund.

„Treib’ das Spielchen mal nicht zu weit, mein Freund.“ Ariana schüttelte wieder ihren Zeigefinger als Belehrung, sich nicht mit ihr anzulegen. Aber wer wäre der Held der Zeit, wenn er sich nicht mit einem Mädchen anlegen könnte.

„Und was, wenn doch?“

„Dann erlebst du dein blaues Wunder!“
 

In dem Augenblick schleuderte ein fuchtiger William gerade erbost wegen seiner eigenen Dummheit sein strategisches Wissen nicht mehr beisammen zu haben, die Karten in seiner Hand auf den Tisch. „Ach, ich verliere schon wieder. Wie beim Triforce machst du das bloß?“, fragte er seine Mitspielerin. Aber Olindara war ohnehin eine sehr schweigsame Gestalt und auf Wills Bemerkung zuckte sie bloß mit den Schultern. Ihre katzengelben Augen ruhten wie immer konzentriert auf ihren eigenen Karten.

„Noch eine Runde. Und wenn ich jetzt nicht gewinne, dann aber!“, schimpfte er und sie begannen eine neue Runde Mächtezirkel.
 

Derweil starrte Ariana wieder gedankenversunken aus dem Fenster. „Wenn du und Will nachher aufbrecht, seid bitte vorsichtig“, sagte sie und legte ihre Hände in einer typischen, hylianischen Gebetshaltung auf die Fensterbank.

„Warum sagst du das?“, erwiderte Link, worauf die bernsteinfarbenen Augen der jungen Lady eindringlich zu seinen schwenkten. Sofort unterband der junge Heroe seinen Blick.

„Gestern Nacht sind hier in der Schule ebenso Schatten die Wände hinaufgeklettert, die keinen gewöhnlichen Ursprung hatten und es waren nicht die Schatten von dem Shiekahvolk.“

„Gestern Nacht, sagst du?“ Sie nickte. „Und habt ihr deswegen nicht die Friedenswachenden verständigt?“ Betrübt sank ihr Haupt nieder. „Mir glaubt niemand. Nur Olindara hat meinen Worten Vertrauen geschenkt.“

„Aber ich glaube dir auch.“ Darauf lächelte sie so sanft und erleichtert, dass es Link beinahe aus den Socken gehauen hätte. ,Ich weiß, Link...’, dachte sie.
 

Gedämpft meinte Link dann, bedacht die richtigen Worte zu wählen: „Wir haben vorhin mitbekommen, wie die anderen Mädchen dich behandelt haben...“

„Nicht jeder wird von anderen so geachtet, wie er es verdient hat. Ich denke, das weißt du am besten, Link...“ Ihre Worte gesprochen mit so vielen Rätseln. Wusste sie vielleicht tatsächlich über die wahre Identität des Jugendlichen, der ihr gegenüberstand, obwohl sie eine Fremde war? Obwohl sie nicht an den großen Ereignissen des Zeitkrieges teilgenommen hatte und sich genauso wie andere nicht erinnerte?

„Macht dich das nicht traurig, von den anderen so verachtet, und vielleicht gehasst zu werden?“ Sie nahm seine linke Hand in ihre und formte auf dem Rücken seines Handschuhs das Muster eines Dreiecks ab. Auch ihr Blick verlor sich darauf.

„Doch, natürlich tut es das. Aber... viele dieser jungen Adligen kennen mich nicht. Wenn, würden sie mich mit ganz anderen Augen sehen.“ Sie machte eine kleine Pause, in welcher sich ein mildes Lächeln um ihre Mundwinkel regte. „Du...“
 

Aber plötzlich wurde sie von einem verärgerten William Laundry unterbrochen, der nun vom Lieblingsspiel der Hylianer die Nase gestrichen voll hatte. Genug von Olindaras beleidigendem Spielerverhalten. Das machte so einfach keinen Spaß mehr. Ständig musste er mit ansehen, wie sie abräumte und ständig musste er mit ansehen, wie er dem Verlieren immer näher rückte.

Er hüpfte zu Link hinüber, packte seinen Kumpel am Kragen und schleifte ihn mit zu der Tür. „Wir gehen jetzt, ist ohnehin schon spät!“, schimpfte er. Ariana nickte und murmelte noch einmal, bevor der junge Laundry die Tür öffnete: „Seid vorsichtig und passt auf euch auf. Man weiß nie so genau, was die Dunkelheit an Boshaftigkeit bereithält.“
 

Link nickte, wünschte den beiden noch eine Gute Nacht und stapfte hinter einem mürrischen Laundryjungen her, der die Demütigung nicht ertrug in Mächtezirkel gegen ein fettes Mädchen verloren zu haben...

Dunkles Dämmerlicht fiel hinein in ein gemütliches Zimmer, wo abgenutzte Kleidung müffelnd und unordentlich auf dem Boden lag. Schläfrig öffnete Will seine smaragdgrünen Augen, als die böswillige Kuckucksuhr mit ihren Scherzen anfing. Und obwohl er dachte, dieses Teufelsinstrument hätte den Geist aufgegeben, so folterte es erneut seine empfindlichen Hylianerohren.

Will hüpfte murrend aus dem Bett, als ihm aber etwas anderes auffiel. Link wälzte sich in seinem Bett hin und her, brachte beinahe schaurige Töne aus seinem Mund und murmelte ständig Worte der Vergebung vor sich hin. Er wimmerte, bettelte gerade zu um Erbarmen, was den jungen Laundry irgendwie stutzig machte. Noch nie hatte der komische Kauz sich schwächlich verhalten, irgendwem gezeigt, was mit ihm innerlich los war...

Geschwind und neugierig zündete Will eine Kerze an und tapste bedacht zu dem wimmernden Kerl hinüber. Er hielt die Kerze sorgsam und nicht zu nah an das kreidebleiche Gesicht eines Heroen, der vergessen wurde. Sein Gesicht schimmerte vor Schweiß. Seine Augen waren zusammengekniffen, als ob er nicht sehen wollte und durfte, was man ihm in den Träumen zeigte. Plötzlich zuckte er von einer Seite auf die andere und ließ einen Schrei aus seiner Kehle dringen. Was folgte war wieder ein unhaltbares Wimmern, wie das eines kleinen Kindes. Was beim Triforce träumte er?
 

Link jedoch befand sich in seinen schicksalhaften Träumen erneut auf der alten Farm Lon-Lon. Der Boden unter seinen Füßen ausgedorrt und verwittert. Eine kalte Nachtluft wehte streng und bedrohlich um seine Ohren und die Farm schien leer. Das alte Lehmhaus war zerstört, der Stall und die kleinen Schuppen, wo das Futter für die Tiere lag, heruntergebrannt. Und inmitten des großen Auslaufgeheges für die kräftigen, muskulösen Pferde der Farm stieß ein bodenloser Krater in die Tiefe. Er sah die dunkle Wirklichkeit in erschreckender Erkenntnis, das wusste und fühlte Link in seinen Träumen. Er sah das, was andere nicht konnten.

Seine müden, schweren Beine trugen ihn inmitten eines Ortes des Schicksal, dort wo eine Truhe, vielleicht auch ein Sarg, etwas noch Größeres und Gefährlicheres, das Antlitz der Lebenden vor demselben schützte. Stimmen wurden laut, schnalzend zogen sich ihre erbärmlichen, beißenden Laute über das staubige Steppengras. Geister wüteten vor seinen trübsinnigen Augen. Sie tanzten über das Gras, beachteten Links Anwesenheit nicht, als ob er tot wäre, ein Geist unter jenen, die selber vor dem Tode flohen, als ob sein Daseinsgrund nicht mehr zählte.

Und da fegten jene an ihm vorbei, die dem neuen Bösen zu Diensten waren. Hylianer mit schwarzgefleckten Kutten und einem blutroten Dreieck auf der Stirn. Sie labten sich an Macht und Dummheit, sangen das letzte Leben aus dem einst so blühenden Lon-Lon. Sie sangen hetzend, umschmeichelt von schwarzer Magie und einem glühenden Atem der Macht, die ihnen versprach, wonach sie gierten. Die schwarzen Mäntel tanzten vor seinen Sinnen, entsetzlich und giftige Dämonensprache jaulend. Schwarze Mäntel brannten sich in seine unschuldige Seele, die doch schon lange mit Moblinblut befleckt auf Erlösung hoffte. Und die kindliche Seele weinte, während die schwarzen Mäntel sich ihrer annäherten und absurd kichernd um ihn tänzelten wie Clowns einer neuen Lächerlichkeit lobpreisend. Sie tanzten verachtend und kichernd, bis der junge Heroe gequält auf die Knie brach.

Und die Finsternis auf der Farm nahm zu, lief wie Nebel aus dampfendem Pech über das verdorrte Gras, wo der junge Heroe wie ein Kind winselte...
 

Plötzlich fühlte Link einen unangenehmen Druck auf seiner rechten Wange und hörte von irgendwo im Nebel eine Stimme nach ihm rufen. Er wollte aufwachen, wusste aber nicht, ob er wirklich in einer gewöhnlichen Traumwelt weilte.
 

Und William Laundry bekam beinahe eine Krise, während er neben dem knarrenden Bett stand und dröhnend auf den schlafenden Kerl einredete und dieser lediglich wimmerte und sich hin und her wälzte. „Link! Verdammt noch mal, was treibst du denn in deiner Traumwelt!“, brüllte er und gab dem schlafenden die zweite Ohrfeige.

„Scheiße, was mache ich denn jetzt?“, fluchte Will und kratzte sich an seinem Stoppelbart. Er wollte gerade losstürmen, um Newhead zu holen, als Link plötzlich, und auch das musste ein Außenstehender erst mal begreifen, in ,Dunklem Hylianisch’ redete. Will verstand nur ein paar Brocken dieser alten Sprache, die die Hylianer damals sprachen, als die Epoche der Kriege vor Tausenden Jahren, begann. Und Link redete wie ein Wasserfall in jener Sprache. Wo, beim heiligen Dreieck der Macht, hatte er das gelernt?

Dann urplötzlich, genauso schnell wie es angefangen hatte, unterbrach er sein Wimmern, die Worte blieben in seiner Kehle und die heftigen, schreckhaften Ruderbewegungen mit den Armen und Beinen endeten.
 

Benommen öffnete Link die tiefblauen Augen, fühlte sich dreckig und verdammt... Wie hypnotisiert starrte er an die Decke und schon wieder war das, was seine Augen preisgaben, so untypisch für ihn. Da lag grenzenloser Schmerz, Wut und Hass auf das ungerechtfertigte, dumme Schicksal, welches auf seinen Schultern lastete.

Will schaute mit prüfendem Blick nieder und meinte belustigt: „Gut geschlafen?“ Sicherlich, er meinte es nur gut, aber sein Kommentar erzielte genau die gegensätzliche Wirkung. Link starrte ihn mit einem so hasserfüllten, beißenden Blick an, sodass Will zurückwich.

„Hör’ auf mit deinen nutzlosen, idiotischen Scherzen!“, brüllte Link und drehte sich gen Wand. „Du machst mich krank damit!“

Doch so hatte sein Mitbewohner ihn noch nie angefahren, geschweige denn in diesem lauten, dröhnenden Tonfall. Verstummt ging Will zu seinem Schrank und zog sich graue Strumpfhose, schwarze Tunika und die Stiefel an.

Als Will die Tür öffnete um sich in einen Badesaal zu begeben, kam ein leises: „Sorry“, über Links Lippen. Ein Seufzen entkam Wills Mund begleitet von einem Kopfschütteln.

„Du solltest aufstehen, der Unterricht beginnt in einer halben Stunde.“ Aber Link reagierte lethargisch und starrte benommen und unwirklich an die Zimmerdecke. Erneut ein Alptraum, der von Gefahr und Verdammnis erzählte. Den Dingen, vor denen Link in den letzten Monaten ständig weggelaufen war... Er hasste es... bei Farores grünem Blut, er hasste es einfach... und er wollte es einfach nicht mehr...
 

Damit verschwand Will und Link, so krank wie er sich fühlte, nickte noch einmal ein...
 

Inzwischen zählte die Zeit kurz vor sieben, der Unterrichtsbeginn war nun gekommen, und Link lag immer noch erstarrt und leblos in seinem Bett. Seine Gedanken waren leer und ohne Sinn, sie schirmten ihn vor jeglichem Gefühl für die Realität in Hyrule ab...
 

Verärgert tapste William Laundry einen langen Gang entlang. Verärgert über diese verdammte Ignoranz und Eigensinnigkeit dieses komischen Kauzes, mit dem er sich ein Zimmer teilte. Er hatte bloß versucht zu helfen. Warum musste Link ihn gleich so anfahren und so mies behandeln? So eine Gemeinheit...
 

Grummelnd folgte der junge, schlanke Kerl einigen Treppenstufen in das Erdgeschoss, wo sich der große Vorlesungssaal für den Unterricht bei Lord Aschwheel befand. Beim Triforce, Will war so aufgeregt und freute sich beinahe heißblütig auf den Unterricht. Auch, wenn das Fach ziemlich interessant sein sollte, weil man vieles über alte Zeiten in Hyrule und vor allem Kriege erfuhr, so war dies nicht der einzige Grund, weshalb Will das Blut in den Adern kochte.

Lord Aschwheel war ein geachteter Ritter mit einer langen beispiellosen Tradition und sein Wissen bezüglich der Historie Hyrules war schon fast legendär...

Der einzige Nachteil war wohl das Gerücht, dass Aschwheel in seinen Unterrichtsmethoden mehr als streng sein sollte...

Und ausgerechnet heute musste sein mürrischer Mitbewohner wieder auf einem seiner komischen Trips sein und lethargisch im Bett liegen, denn Will hatte den jungen, unbekannten Heroen weder im Badesaal, noch beim Frühstück angetroffen. Link musste wieder eingepennt sein, dachte Will und lief zielstrebig einen Gang entlang.
 

Gedankenvoll lief er um eine Ecke, als ihn jemand provokant, vielleicht auch bloß unaufmerksam anrempelte. Wills Pergamentblätter, die magische Schiefertafel, die ihm seine hexende Großmutter vermacht hatte, und eine Feder purzelten aus seinen Händen. Er zankte sofort los und achtete erst gar nicht auf die Gestalt, die bedauernd aus zwei ungleichen Augen zu ihm blickte. Will schimpfte, nahm die Dinge wieder an sich und hatte erst jetzt das Bedürfnis die Person anzublicken, die beinahe seine Unterrichtsmaterialien ruiniert hätte.

Großer Drache Volvagia, dachte er. Was war das denn? Verwundert musterte er ein junges, dürres Mädchen mit langem gekräuselten Haar, das in den rostroten Farben der Gerudo aufleuchtete. Ihre Augen waren unentschlossen und wässrig. Aber Will interessierte sich nicht für den Kummer, der in ihren Augen stand, sondern für die zwei gegensätzlichen Farben. Das rechte Auge erstrahlte in reinem, hellen Gold. Das andere aber zeugte von der finstersten Nacht überhaupt. Und noch etwas passte nicht in das Erscheinungsbild einer Gerudo... ihre spitzen Ohren...
 

„Kannst du das nächste Mal nicht aufpassen, wo du hinläufst?“ Sie schaute ängstlich zu Boden und erst da bemerkte Will, wie sie zitterte.

„Was machst du eigentlich hier?“ Ihre Augen verengten sich, als jemand danach fragte. Sicherlich, sie war eine Gerudo und sie war weiblich... zwei Gründe, für die man sie hier in der Schule belächelte. Sie war eine der Dirnen, die dem ein oder anderen Ritter hier eine Freude bereiten sollte, auch wenn es sie anwiderte, auch wenn sie es hasste. Es war die einzige Möglichkeit für sie zu überleben, da sie ohne Stand und Respekt von den Gerudo verstoßen wurde, und nichts gelernt hatte, was ihr helfen konnte, ihren Alltag zu bewältigen.

„Entschuldigung. Ich wollte Euch nicht im Weg stehen“, meinte sie sachlich und ausgesprochen höflich, in der Hoffnung dieser Jugendliche würde nicht wie andere sich das Recht herausnehmen, ihr eine Ohrfeige zu verpassen. Ihre Stimme war voll und führend wie die Wellen des großen Ozeans, der Hyrule umgab.
 

Sie war selbst erst siebzehn und trotzdem war es für sie Gang und Gebe, dass Jungs von irgendwelchen eingebildeten Rittern, die noch nicht einmal das dreizehnte Lebensjahr erreicht hatte, auf sie einprügelten...

„Schon gut... ich habe auch nicht wirklich aufgepasst. Sorry“, murmelte Will und trat dann an ihr vorbei, in Richtung einer großen Tür, die ihn sogleich verschluckte. Die Halbgerudo jedoch schaute irritiert drein...
 

Schwermütig blickte der junge, vergessene Heroe in seinem Schlafzimmer an das dunkle Deckengewölbe. Immer noch hingen seine Gedanken in den Wirbeln der prophezeienden Träume seines Schicksals. Er konnte es ignorieren, er könnte es vergessen... aber damit war die Sache einfach nicht gegessen.

Er steckte die Hände hinter den Kopf und grübelte verbissen über den Sinn dieser komischen Geschundenen der Macht. Und was war mit der Farm geschehen? Jeder, der die stolzen Gebäude der berühmten Lon-Lon-Farm erblickte, sah doch nicht das, was Augen in der Wirklichkeit sollten. Link wusste, dass Flammen meterhoch schlugen an jenem Tage, wo Verräter dieses Königreiches eine dunkle Truhe ausgegraben hatten. Und dann noch diese biestigen Moblins. Absurd war der Gedanke jener Dämonenunrat war einigen Hylianern zu Dienste gewesen. Nicht auszuhalten war jener Gedanke, ein Hylianer würde sich mit unreinem Moblinaas verbinden... einfach nur widerlich, dachte Link.

Er warf einige Blicke auf die Uhr, wo es fünf vor sieben stand. Er wusste, dass es Zeit war aufzustehen, aber er wollte einfach nicht. Zum einen langweilte ihn sicherlich der Unterricht und zum anderen... fühlte er sich so schlapp...
 

Gerade da öffnete jemand die Tür und trat unvermittelt und ungesittet in den Raum.

„Was wollt Ihr hier?“, murrte der junge Heroe und richtete sich auf, indem er sich auf die wackligen Ellenbogen stützte. Das Licht in dem Zimmer war noch so trüb, dass er nicht erkennen konnte, wer da in den Raum hineintrat. Und ein Umhang, vielleicht hellbraun, war das einzige, was er in der Düsternis erkennen konnte.

Du dummer Junge, es wird Zeit, dass du aufstehst!“, sagte eine tiefe Stimme. Ein wenig kratzig. Ein wenig streng. Es musste eine ältere Frau sein, die hier missbilligend seine Leier begutachtete. Dann trat sie näher. Ihre Holzschuhe klapperten stetig auf dem Steinboden.

„Lass’ dich nicht so hängen, dummer Junge. Willst du dein eigenes Schicksal beleidigen?“ Wie von Sinnen starrte er die Gestalt an. Dunkelblaue Augen stachen vom Umhang hervor. Tiefsinnig und ehrfürchtig...

„Was wollt Ihr von mir? Schert Euch vom Acker“, murrte der Heroe. Aber das hätte er lieber unterlassen sollen.

„Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Ihre Stimme war alt und doch unleugbar gewaltsam. Sie packte den mürrischen Kerl unsanft und grob an einem Arm und zerrte ihn aus dem Bett heraus. „Du beschmutzt mit deinem schwächlichen Getue den Namen, den Ruf und die Würde deiner Ahnen.“ Link landete schockiert auf dem Teppich vor seinem Bett und starrte verwundert in die dunkelblauen Augen jener alten Dame. Das einzige, was er von ihrem faltenreichen Gesicht sehen konnte.

„Dein Vater würde sich für dich schämen, dummer Junge.“ Links Augen wurden immer größer angesichts dieser Worte und bekam keinen Laut mehr aus dem Mund.

„Steh’ auf!“, brüllte sie. Link wollte sich soeben rechtfertigen und dieser Dame eine ordentliche Standpauke vermitteln, weil sie ihre Nase nicht in seine Angelegenheiten stecken durfte. Die hatte von nichts eine Ahnung, wusste schließlich nicht, was mit ihm geschehen war, außerdem war sie eine Fremde. Was also wollte sie von ihm?
 

Link schloss nur kurz die Augen und öffnete sie wieder. Aber er lag wieder in seinem Bett, auf dem Rücken, die Arme hinter den Kopf geschlagen. Er sah irritiert um sich... Eine Vision?
 

„Steh auf und kämpfe... deine Ahnen würden sich für dich schämen...“, erklang es in seinen Gedanken. Er atmete tief ein und plötzlich stand er auf den torkelnden Beinen.

Also schön, dachte er. Reiß dich zusammen, du angeblicher Held... Er trank einen Schluck Wasser vom dem Tonkrug, begann schon wieder zuzittern und rieb sich über die schmerzende Stirn. „Warum... kann... das... nicht... aufhören!“, brummte er. Er sprach jedes Wort einzeln und genervt. Er trampelte verbittert an das Bett und trat dann an den Schrank. Es dauerte ewig, ehe er mit der Schulkleidung aus dem Zimmer kroch.
 

Mit hängenden Schultern lief er hechelnd die Stufen hinab und wollte am liebsten seinen Schädel in das neben ihm befindliche Steingemäuer schlagen. Und was war der Grund neben den Kopfschmerzen? Der einst so orientierungsvolle Held, der immer wusste, wo Westen und Osten waren, der immer eine ausgefuchste Vorstellung der Architektur von Orten verinnerlichte, die er betrat, wusste einfach nicht mehr, wo der Vorlesungssaal war...
 

William saß in dem Augenblick heißblütig auf seinem Platz in der dritten Reihe, hatte eine Feder hinter das Elfenohr gesteckt und starrte zu der großen dunklen Tür. In dem Moment ging die Glocke, trällerte eine alte hylianische Morgenbegrüßung herunter und der einseitig gelähmte Aschwheel kam schleichend in den Raum. Und noch keine Spur von Link... Schon am ersten Tag zu spät zu kommen, war echt das dümmste, was er tun konnte...
 

In dem Moment schlug Aschwheel geräuschvoll ein dickes Buch vor seiner Nase auf und setzte eine einarmige Lesebrille auf die Nase. Seine Augen beherrscht und stechend wanderten respektschaffend durch die tratschenden Reihen. Ian, der möglicherweise geachtetste bei vielen Jungs in der Schule, hatte wie immer seine schmierigen, schwarzen Lederstiefel lässig auf die Schreibfläche der hintersten Reihe gelegt und wartete grinsend auf Aschwheels Belehrung. Aber dieser ignorierte ihn vorerst, auch wenn es ihn wunderte jenen Nervenzwerg schon wieder hier anzutreffen. Denn eigentlich hatte dieser niedrigrangige Junge den ersten Teil der Vorlesung schon besucht.

Dann blickte der alte Greis interessiert in die Reihen der neuen Gesichter. Er sah William Laundry, dessen Vater ein guter Ritter war. Guter Mann und guter Hylianer. Aber das Gesicht, welches er wirklich suchte, welches ihn verwunderte und irgendwie erstaunte, das war noch nicht hier.
 

„Ruhe!“, ertönte es schließlich vom Vorlesungspult aus, da das nervtötende Getratsche der künftigen Ritter unter der hylianischen Flake unerträglich schien. Und sofort verstummte ehrfürchtig der Saal. Aschwheel stemmte seine linke Hand, denn die rechte war gelähmt, auf das Pult. „Geht doch“, sagte er und begann mit einem ausführlichen Plan zu dem Stoff für das erste Trimester. „Beginnen werden wir in Hyrules ausführlicher Geschichte mit der alten Legende der Göttinnen. Und der verwunschenen Vermählung Destinias, der Göttinnenmutter, mit den Sternen. Weitere wichtige Hauptabschnitte, die sich um die Dunklen Zeiten drehen, um die Kriege der Alten, sowie die Vernichtung des Dämonenvolkes der Chadarkna, möchte ich hier als Einblick anmerken. Den ausführlichen Plan...“ Damit nahm Aschwheel seinen Krückstock und humpelte zu einer Tafel, die an einer Backsteinwand stand. „...werde ich hier anbringen.“ Und er heftete die langen Liste von Themen mit Magneten an die Tafel.

„Gibt es Fragen?“, sagte er laut und streng. Seine alte Stimme dröhnte durch den Saal.

Sofort meldete sich ein Knirps des ersten Schuljahres.

„Bitte!“

Eine unsichere Kinderstimme piepste von oben herab: „Werden wir auch die Legende der Helden Hyrules behandeln?“

„Ja, aber erst im dritten Trimester.“

„Weitere Fragen?“ Und Aschwheels gesunder Arm wanderte zu einem älteren Jungen, der verbissen und übertrieben seinen Arm in die Höhe reckte.

„Stimmt es, dass der Held der Zeit existiert und an der Schule ist?“ Und plötzlich ging ein lautes Tuscheln durch den Vorlesungssaal. Jeder diskutierte. Jeder war außer Rand und Band.
 

In dem Augenblick öffnete jemand mühevoll und schon fast erbärmlich die hohe Pforte in den Vorlesungsraum und das Tratschen verstummte wieder. Ein blonder Schopf kam zum Vorschein und ein müder Ausdruck stach aus einem blassen Gesicht.

„Verzeihung... ich habe den Raum nicht gefunden“, hechelte der Spätkommende und wartete auf eine Predigt Aschwheels. Hoffentlich erinnerte dieser alte Kerl sich nicht daran, dass Link mit Schwindler vor wenigen Tagen in der Zelle saß...

Aschwheel nickte, entgegen aller Erwartungen, entgegen aller Gerüchte über seine angebliche Strenge und meinte in ruhigem Tonfall: „Dann setz’ dich, Link.“ Verblüfft schaute der junge Heroe auf und nahm sofort auf der ersten Reihe Platz, wo niemand saß außer ihm. Und es passte zu ihm... abgesondert und allein saß er in der ersten Reihe. Ein Ausdruck von Besonderheit. Ein Ausdruck von Ungewöhnlichkeit.
 

Lord Aschwheel blätterte ungeduldig in seinem Buch, als sich wieder jemand meldete.

„Sir, ihr habt die Frage noch nicht beantwortet.“ Seine lebenserfahrenen, weisen Augen drangen umher und landeten schließlich bei Link, der sofort den Schädel neigte und lieber auf seine Pergamentblätter starrte.

„Eine Frage, die ich nicht beantworten werde. Wenn euch interessiert, ob der Held der Zeit an der Schule ist, oder wenn ihr wissen wollt, wer er ist, dann müsst ihr das schon selber herausfinden. Ihr seid schließlich junge Ritteranwärter. Beweist Eure Tugenden und erfahrt selbst“, sprach er und verweilte mit den Augen auf Link, der bewusst die Hände zu Fäusten ballte.
 

Da meldete sich William Laundry zu Wort und fragte ohne sich zu melden: „Ist es wahr, dass er einer der Schüler ist?“ Aschwheel funkelte ihn streitsüchtig an. „Ich sagte, ich beantworte keine Frage zu diesem Thema mehr. Und das nächste Mal wartest du, bist du aufgefordert wirst.“ Will wich zurück und ließ sich ernüchtert in den Platz sinken.

„Andere Fragen?“ Und diesmal meldete sich niemand mehr.

„Nun, dann zu dem wichtigsten: den Prüfungen in diesem Fach.“, meinte der Alte. „Am Ende des Trimesters werden immer schriftliche Prüfungen stattfinden, die sich auf den behandelten Abschnitt in der Literatur beziehen. Wer die Prüfung verpasst oder nicht besteht, wird von mir persönlich geprüft.“, erläuterte er und schaute mit seiner Lesebrille herausfordernd zu Ian. „Das gilt auch für dich Ian“, meinte Aschwheel mit verengten Augen. Wie oft hatte dieser Möchtegernritter schon die Prüfungen wiederholt. Wenn es nach Aschwheel ginge, wäre jener untalentierte Kerl schon lange der Schule verwiesen worden. Aber der Direktor hatte immer ein gutes Wort für Ian vorgewiesen. Kein Wunder... die beiden passten charakterlich ja auch zusammen wie Pech und Schwefel, dachte der Lehrende.
 

„Also gut. Literatur zu den Vorlesungen findet ihr zusammengefasst in dem ,Lebensbuch Hyrules’. Aber leider sind unsere Ausgaben jenes Buches beim Brand vor fünf Monaten vernichtet worden. Daher müsst ihr auf die Schlossbibliothek zurückgreifen.“

Sofort hob sich Wills Arm in die Höhe und diesmal platzte er nicht einfach herein.

„Ja?“

„Aber das sind zu Pferd drei Stunden zum Schloss.“

„Wo ist das Problem, William?“

„Und zu Fuß mehr als die Hälfte.“

„Wenn du dich schon zu Beginn über zusätzliche Arbeit beschwerst, hättest du mal lieber nicht mit dem Studium an der Ritterschule beginnen sollen“, murrte Aschwheel und alles an ihm, seine gereizte Tonlage, die Langeweile in seinem beißenden Blick machten seine Einstellung zu Wills bescheidenen, unüberlegten Fragen deutlich. Beschämt schaute Will auf die magische Schreibtafel seiner Großmutter und schwieg.
 

„Gut. Dann möchte ich jetzt mit der Vermählung Destinias mit den Sternen beginnen.“ Und Aschwheel erzählte in wenigen Sätzen einen alten Mythos über die Göttinnenmutter, die sich an dem Antlitz der Sterne so erfreut hatte, dass sie ihnen mit Leib, Seele und Macht verfallen war und ihr Dasein in tausend Stücke riss, um mit jedem Stern am weiten Himmelszelt verbunden zu sein. Es hieß, sie hätte sich mit dem Licht der Sonnen vermählt und aus jener Vereinigung wäre in einem Regen aus Licht und Macht die Göttinnendreiheit entstanden. Farore, Din und Nayru waren es, die schließlich voller Gnade und Schöpferwille das große, gigantische Hyrule mit all seinen Völkern und auch Schattenseiten- denn jede Welt brauchte Licht und Dunkelheit- erschaffen hatten.
 

Während einige junge Kerle erstaunt und fasziniert zu hörten, war Link dabei einzupennen. Wie oft hatte er diese Geschichte schon gehört... Zelda hatte sie ihm einige Male erzählt und Rauru, der Weise des Lichts, hatte den ganzen Tag nichts anderes zu tun, als jedem Besucher diesen Mythos unter die Nase zu reiben. Etwas, was Nerven kostete und Link davon abhielt länger als einige Minute in der geistreichen Gesellschaft Raurus - geistreich in vielen Hinsichten- zu verbleiben.

Inzwischen entkam ein Gähnen dem Mund des vergessenen Heroen und die Augen tränten voller Druck, weil sie ihm zufallen wollten und er sie angestrengt offen hielt. Er streckte sich, gähnte herzhaft und versuchte den Eindruck zu erwecken, aufmerksam mitzuschreiben...

Die Hälfte der Stunde war vorüber, als plötzlich jemand mehrmals und in merkwürdigen Abständen an das Tor klopfte.

„Schon wieder?“, murrte der Alte, tapste näher und öffnete mühselig das quietschende Tor. Als es zur Hälfte offen stand, wurde mit großer Wucht, das Tor ganz aufgedrückt und den einseitiggelähmten Aschwheel, welcher knapp daneben wankte, schlug es an die Steinmauer.
 

Ein aufgeregter, dürrer Lehrer mit rosa Wams unter einer kupferfarbenen Rüstung rannte wie angestochen in den Raum und schielte aufgeregt zu dem Pult. Wie ein begossener Pudel lief er um das Pult herum, knisterte mit den Zähnen, sonderte merkwürdige Stottergeräusche ab und streichelte sich selbst andauernd über die rechte Wange.

Jedem Schüler, der ihn kannte, huschte ein Grinsen über das Gesicht, denn diese Witzfigur war alles andere ein Grund zum Ernstnehmen. Lius Lorraux war sein Name und der eitle Kerl, der es sogar pflegte sich seine Fingernägel zu lackieren, hatte wohl keinen ungewöhnlicheren Namen verdienen können. Gewiss, jener ungeschickte Ritter, der so etwas wie zwei mehr als linke Füße und Hände hatte, war einer der hylianischen Lehrkräfte, aber man hatte ihm kein unwichtigeres Fach als den Tanzkurs und das Höfische Benehmen- welches sowieso kein Ritter als Tugend ansah- zuweisen können. Man munkelte sich sogar, der Kerl wäre einer jener, die ein wenig vom anderen Ufer stammten...
 

Link wich zurück, als der komische Kerl ihn mit bräunlichen Augen fixierte und dabei wieder über seine eigene rechte Wange streichelte.
 

„Wo ist denn nur Aschwheel? Es ist so viel passiert...“, jammerte er und doch konnte niemand ihn ernstnehmen. Denn Lorraux ganzer Tagesablauf bestand aus einem unersättlichen, angeblichen Trubel.

Lord Aschwheel kam angehumpelt, schenkte Lius einen müden Blick und schüttelte den Schädel. „Wie kommt Ihr dazu, meinen Unterricht zu stören?“

„Aber... es ist doch... so viel passiert!“, jammerte er wieder und klimperte mit den Wimpern. Er faltete seine Hände in der Gebetshaltung der Göttinnen und meinte: „Ich muss doch die Anmeldungen für den Tanzkurs herumreichen.“

„Das könnt Ihr auch in Eurem Fach.“

„Aber da weiß ich doch noch nicht, wer kommt.“

„Das wisst ihr jetzt auch nicht. Verschwindet aus meinem Vorlesungssaal!“, murrte Aschwheel und konnte einfach nicht fassen, wie dümmlich dieser Lorraux doch war. Aus welchem Grund nur war dieser Ritter ein Lehrer an der Schule? Man müsste ihn eigentlich zu einer leichteren, dümmeren Arbeit verdonnern!

„Aber deswegen bin ich nicht hier... es ist doch so...“ Aschwheel unterbrach ihn: „Ja, soviel passiert.“

„Der Direktor meinte, ich soll diesen Link dort holen, weil so viel passiert ist.“ Und Aschwheel, wie auch Lorraux schauten zu dem verwunderten Kerl, dessen Name so eben fiel. Erneut ging ein Tuscheln durch die Bänke.
 

„Wieso das?“, wisperte Aschwheel, sodass es nicht einmal die erste Reihe hörte.

„Man will ihn verhören wegen dem Mord des Hausmeisters.“

„Aber der Junge dort hat doch nichts damit zu tun!“, sagte Aschwheel lauter.

„Möglicherweise doch. Möglicherweise doch“, flüsterte der schräge Typ.

Aber der Alte ließ sich nicht darauf ein. „Nicht jetzt. Wir sind im Unterricht. Er kann ihn in der Pause befragen, die nach der Vorlesung ist.“ Das Gesicht des Tanzlehrers wurde ängstlicher und verriet mehr Jämmerlichkeit. Als ob zehn Gibdos um ihn standen, schielte er in jede Ecke des Raume. „Aber Viktor wird das nicht gefallen.“

„Es ist mir gleich, was ihm gefällt und was nicht. Unterricht bleibt Unterricht und Pause bleibt Pause. Und jetzt verzieht Euch, Lorraux.“ Jener aber schüttelte nur dem Kopf, wo sich die braunschwarze Perücke beinahe löste. Er schaukelte mit dem Kopf hin und her und rieb sich wie eine Katze erneut seine Wange, als er den Saal verließ.
 

Verärgert trat Aschwheel wieder an das Pult und las weitere Geschichten und eindrucksvolle Mythen über Hyrules Ursprung vor...
 

Am Ende der Vorlesung stürmten einige frohstimmend in ihre Pause, nachdem Aschwheel noch kurz ein Fest am Sonntag erwähnte, welches auf dem Innenhof zu Ehren der neuen Schüler stattfand.

Link saß immer noch grüblerisch auf seinem Platz, sah William ihm zuwinken und dann aus dem Saal treten. Als der junge Heroe der letzte Schüler im großen Saal war, tapste er zu Aschwheel nach vorne. Ganz versunken in seiner Lektüre bemerkte er zunächst nicht den Blondschopf vor ihm und sah überrascht auf, als Links tiefblaue Augen das alte, zerflederte Buch musterten.

„Noch Fragen, Link?“ Und Aschwheel zuckte mit den schokoladenbraunen, dicken Augenbrauen.

„Ähm... ja. Wisst Ihr, wann die Trauerfeier Hopfdingens stattfindet?“

„Soweit ich weiß ist sie für Morgen Mittag angesetzt. Darf’ man fragen, was dich das interessiert?“

Link blickte schräg an dem Lehrer vorbei und meinte ehrlich: „Ich wollte daran teilnehmen.“

„Soso.“, murmelte Aschwheel skeptisch. Was kümmerte sich ein junger Ritteranwärter wie Link darum?

„Ist es falsch, jemandem zu verabschieden, der einen solch grausamen Tod erleiden musste?“, rechtfertigte sich Link, der den Argwohn in dem alten Lehrergesicht sehr gut zu deuten wusste. Aber der Alte lächelte. „Du bist edelmütig, fast schon blaublütig, genau wie Nicholas sagte...“ Doch das wiederum erstaunte Link in vollem Maße. Er nickte scheu und lief langsam auf das Tor zu.

„Noch ein Tipp“, sagte Aschwheel im Hintergrund und Link blieb stehen, drehte sich aber nicht um. „Wenn du von Viktor verhört werden solltest, lass’ dich nicht herausfordern.“ Schweigsam verschwand der Heroe aus dem Saal.
 

Der gewitzte Laundryjunge wartete währenddessen neben der Tür auf seinen Mitbewohner und musste ein lautes ,Hey’ über die Lippen gleiten lassen, dass Link ihn überhaupt bemerkte. So sehr war er in seine Gedanken versunken. So sehr lastete der sogenannte Vorfall in den Jungtoiletten an seinem Gemüt. Und obwohl er so viele abscheuliche Dinge in seinem Heldendasein gesehen hatte, war ihm irgendetwas an dem ganzen Schrecken neu. Irgendetwas verunsicherte ihn. Irgendetwas störte.

„Hat dir die Vorlesung gefallen?“, meinte Will.

„Ja, aber ich kannte die Mythen schon...“

„Tatsächlich?“ Und der großgewachsene, kräftige Laundry war schon wieder verwundert über diesen Waisen ohne Nachnamen. Link nickte nur und ging nicht darauf ein.

„Du musst zu Sir Viktor, was?“

„Genau, das hätte ich beinahe vergessen. Ich frag’ mich bloß, was der von mir will“, murrte Link, der sich ärgerte, dass dieser Mistkerl ihn um die Pause bringen wollte.

Will klopfte seinem Kumpel auf die Schulter und meinte belustigt: „Nun ja, ich sehe dich dann beim Tanzunterricht. Bei dem schrägen Lorraux.“

„Bis dann. Und wegen heute früh... entschuldige noch mal.“

„Kein Thema.“

Und Link machte sich auf den Weg sich einem Gespräch, oder was auch immer, mit dem Direktor zu unterziehen, erleichtert, dass Will nach seiner üblen Aktion heute früh überhaupt noch mit ihm redete.
 

Genervt klopfte der Held der Zeit an die große wengefarbene Tür und knirschte mit den Zähnen bei dem Gedanken Viktor, das falschgeratene Elend, würde ihm irgendetwas in die Schuhe schieben wollen. Denn das, so nahm Link an, konnte der einzige Grund sein, dass man ihn hierher beorderte.

In dem Moment hörte er einen heftigen Schlag, ein Weinen und ein heulendes, rothaariges Mädchen stürmte aus dem Raum. Sie hielt sich ihre linke, wunde Wange, blickte kurz zu Link und rannte den Gang entlang.

Sicherlich, der junge Heroe kannte das Mädchen nicht und hatte keine Ahnung, was Viktor ihr eigentlich angetan hatte, aber er kam nicht umher Viktor aus irgendeinem Grund noch mehr zu hassen. Frauen und Mädchen schlug man nun mal nicht, das entsprang immer schon seinen Idealen.
 

Die Tür stand sperrangelweit offen, Viktor saß lässig in seinem breiten Sessel und hatte die schweren, mit Eisen beschlagenen Dreckstiefel auf den Schreibtisch vor seiner Nase gelegt. Er stocherte mit einem Stück spitzen Holz in seinem vernarbten Mund herum und quietschte plötzlich laut auf. Zur Freude Links hatte sich dieser Kerl das Stück Holz in unangenehme Partien seines Zahnfleisches gerammt.

„Ich hatte dich vor einer Stunde bestellt!“ Und Viktor ließ seine schweren Stiefel niederkrachen. „Und nicht jetzt. Warte gefälligst bis du aufgerufen wirst.“ Viktors schwarze Augen verengten sich missbilligend. Murrend lief der junge Heroe dann eine Ewigkeit vor dem geschlossenen Tor entlang. Die Pause verging... und der Tanzunterricht musste auch schon angefangen haben...
 

Zu genau jenem Zeitpunkt trat Prinzessin Zelda gedankenvoll in ihre luxuriösen Gemächer ein. Sie war in Eile, so wie immer die letzten Tage, trug weder eine Tiara noch irgendwelchen anderen königlichen Schmuck und sie genoss es, sie kostete es aus, einfach mal wieder das Prinzessinnensein zu verschmähen. Die Dämmerung brach herein und Zeldas warmherzige Augen beobachteten mit ungeduldiger Angespanntheit, preisgegeben durch silbrige Schimmer in ihrer Regenbogenhaut, die roten Fühler der Sonne, welche in alle Richtungen strebten. Einzigartig und magisch war jeder Morgen für sie. Ein Genuss, wenn man die schwärzeste Nacht sieben Jahre lang überlebt hatte... Ein Geschenk, dachte sie.
 

Sie schnippte mit den Fingern und erinnerte den Grund für ihre aufgeregte Stimmung. Sie war auf der Suche nach einem bestimmten Gegenstand, den die Königin Hyrules ihr einst vermacht hatte. Zeldas Lächeln wurde milder als sie eine alte, nach Lack muffelnde Truhe öffnete und sie in allen möglichen Krimskrams herumwühlte. Jener Gegenstand, den sie suchte, war vor einigen Jahren noch, vielmehr ein Kinderspielzeug für Zelda gewesen, bis sie an einem bedeutenden Tage mit Entzücken und einer erschreckenden Erkenntnis die Wahrheit über jenen merkwürdige Gegenstand herausgefunden hatte. Alles nur, weil Link ihr einst über das Auge der Wahrheit erzählt hatte. Eine nützliche Waffe, mit der man das sichtbar machen konnte, was nicht gesehen werden wollte.

Und das Geschenk ihrer Mama bestand ebenso aus einer besonderen Linse, die sich im Inneren eines Kaleidoskops verbarg. Und wenn man durchblickte, so bildeten sich in jenem Kaleidoskop nicht verschiedene Muster, zusammengesetzt aus bunten Steinchen, sondern eine fremde, beängstigende Wahrheit, die ebenso wie das Auge der Wahrheit, Dinge sichtbar machen konnte. Es machte das den Hylianern zugänglich, was zwar gesehen werden will, aber nicht darf.

Das Kaleidoskop der Erkenntnis durchbrach die Schleier der Unwirklichkeit, die man manchen Orten, Menschen und Dingen auferlegt hatte... und vielleicht brach es ebenso Flüche...
 

Denn die junge Prinzessin kannte einige Flüche, mit denen man die Wirklichkeit auf herabwürdigende Art und Weise vernebeln konnte, vor den Sinnen und vor dem Schicksal...
 

Sie lachte laut auf, als ihr das weißliche, porzellanartige Kaleidoskop wieder in die Hände fiel. Von außen her sah es aus wie ein kleines Rohr, vielleicht ein Fernrohr, aber es war abgenutzt.
 

Ein Klopfen an die große, dunkle Tür in Zeldas geschmackvoller Wohnstube riss sie aus ihren Gedanken und sie murmelte sogleich: „Bitte?“

„Ich bin es, Valiant. Du wolltest mich sprechen?“

„Ja, tritt’ herein.“ Und die große Tür öffnete sich beinahe geräuschlos. Valiant von Hyrule trat ein, bekleidet in seiner schwarzen Tunika und den vielen Abzeichen an seiner Brust.

„Was gibt es denn, Cousinchen?“ Zelda wand sich lächelnd zu ihm. Ein wunderbarer Ausdruck in ihrem ebenmäßigem Gesicht. Zauberhaft... vielleicht ein wenig verträumt. Jeder junge Bursche im hylianischen Lande würde seinen Kopf herhalten, wenn ihm dieses Lächeln gelten würde. Aber jener, dem eine Geste so voller Wärme und Mitgefühl geschenkt wurde, hatte nur Mitleid als Grund und Ursache ihres Blickes akzeptiert. Und es war dumm, dachte Valiant. Nur dem Helden der Zeit galt dieser Blick und er war zu stur, zu stolz um die Wärme darin anzunehmen oder zu erwidern. Es mochte vielleicht ein Wunder sein, dass Zelda stetig darauf vertraute, dass Link eines Tages wieder der sein würde, der er einst für sie war. Ein Wunder, dass die Prinzessin dem Mut für diesen ehrlichen Blick nicht abgeschworen hatte.
 

„Das tut dir nicht gut, Cousinchen.“ Und Valiant trat näher, legte ihr die Hände auf die Schultern, nur um ihr Verständnis zu schenken, aber Zelda ließ das hübsche Haupt sinken.

„Ich weiß...“, flüsterte sie und legte eine Hand auf ihr Herz.

„Aber ich kann ihn mir nicht einfach aus der Seele reißen...“ Sie wich zurück und rieb mit allen Fingerspitzen an ihren Schläfen.

„Und was willst du stattdessen? Dich verletzen lassen?“ Trübsinnig sah sie auf.

„Er wird dich verletzen, Zelda.“, sagte Valiant.

„Das nennt man ausgleichende Gerechtigkeit“, sagte Zelda kühl und einer nie da gewesenen Halbherzigkeit. „Wie oft habe ich ihn verletzt, im Stich gelassen und sein Vertrauen enttäuscht. Alles nur, weil das Schicksal es verlangte. Nimmst du wirklich an, ich würde gerade jetzt, in dieser herben Zeit, nicht mehr zu ihm stehen wollen? Nach all’ den Ereignissen?“ Da war Empörung in ihrem Blick, belegt mit der wenigen Hoffnung an Links einstige Stärke...
 

„Aber du verlangst mehr als er dir jemals geben kann.“ Zeldas Augenbrauen zogen sich hinab und ihre Augen formten sich zu Schlitzen. Sie schüttelte missbilligend den Kopf und sagte beflissen. „Bitte schweig’, Valiant.“

„Den Teufel werde ich tun, Zelda. Er ist nicht in der Lage zu lieben, das weißt du, das wusstest du immer schon, weil er unter ganz anderen Umständen aufgewachsen ist. Er hätte niemals so bestialisch töten können, wenn sein Herz nicht aus Stein wäre...“
 

Doch dies ließ Zelda sich nicht mehr bieten. Diese Einstellung teilte sie einfach nicht. Was waren das für billige Argumente, die Valiant vorbrachte?

Sie wusste, dass sich ihr Heroe immer nach Wärme und Zuneigung gesehnt hatte. Und nur weil er nicht unter gewöhnlichen Umständen aufgewachsen war, nur weil er dem Tod in die Augen gesehen hatte, mehr als einmal, so hieß das nicht, dass er kein Herz hatte. Ganz im Gegenteil... Sie spürte die Güte in Links Seele, sie spürte unermessliche Bedürfnisse nach Frieden und Innigkeit. Dinge, die ein Herz auszeichneten, welches lieben und begehren konnte. Und in den nächsten Wochen würde sie die Beweise dafür erbringen, dass selbst ein Held, der möglicherweise durch tragische Momente im Krieg abgestumpft war, lernte zu hassen, lernte zu vergessen, in der Lage war ehrlich und aufrichtig zu lieben. Sie würde es beweisen, mit allem Mitteln, egal wie...
 

„Doch... Link ist in der Lage zu lieben, anders und reiner als du es dir vorstellen kannst“, sagte sie trotzig und setzte erneut das markante Lächeln auf, wenn sie an ihn dachte. „Und irgendwann wirst du sehen können, was in ihm schlummert. Er ist kein Unmensch und er ist nicht so kalt, wie er es jedem beweisen will. Sein Herz ist voller Sehnsucht und Güte... bitte verschone mich mit deinen Ratschlägen, Valiant. Ich weiß, was ich tue...“, endete Zelda und blickte erneut in das strahlende Rot der Morgendämmerung.

„Dann sag’ mir aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt... Denn er wird dir das Herz brechen.“

,Das ist es doch schon lange...’ , setzte sie in Gedanken hinzu. ,Seit Links Abreise nach Termina...’ Eigentlich schade, dass Zelda so wenig über seine Abenteuer in der sagenumwobenen Parallelwelt wusste... aber sie würde eines Tages schon herausbekommen, was damals geschehen war...
 

„Zelda?“

„Ja? Möchtest du mir weiterhin raten, mich von Link fern zu halten?“

„Nein... aber ich möchte, dass du wenigstens ein wenig Abstand hältst. Ich möchte, dass du an deine eigenen Kräfte denkst, denn Hyrule braucht dich.“

„Genauso wie es seinen Helden der Zeit braucht...“ Valiant seufzte angesichts Zeldas steinharten Dickschädel. Und wie sie trotzen konnte... Schon damals, als sie beide noch Kinder waren, hatte die junge Prinzessin immer ihren Kopf durchgesetzt, wenn nötig war sie damit sogar durch die Wände gegangen. Und vermutlich würde es immer so bleiben.
 

„Was war nun der Grund, dass du mich hierher bestellt hast?“, fragte Valiant und schüttelte mit dem Kopf, ignorierte diese Hartnäckigkeit, die Zelda fast vollständig umhüllte, wenn sie an Link dachte und ärgerte sich über sich selbst und seinen eigenen Einfallspinsel.

„Ich möchte, dass du Link etwas überreichst, sobald du ihn wiedertriffst.“

„Aber warum ich? Gibt es dafür nicht Boten?“

„Ja, aber ich möchte, dass du als Vertrauter und als Mitglied der königlichen Familie ihm etwas überreichst.“ Und Zelda drückte das Kaleidoskop in die rauen Hände Valiants.

„Das ist ja... das Kaleidoskop deiner Mutter...“

„Richtig, aber Link wird es in Zukunft gebrauchen können. Sag’ ihm bitte, dass es nicht wie das Auge der Wahrheit arbeitet, sondern sichtbar macht, was zwar gesehen werden will, aber nicht darf, okay?“

Valiant seufzte: „Na gut, Cousinchen...“

„Danke!“ Und Zelda drückte einen kleinen Kuss auf Valiants Wange, grabschte nach einem dunkelgrauen Mantel und warf sich diesen um. „Entschuldige, ich bin in Eile.“

Valiant nickte und verabschiedete seine Cousine...
 

Derweil stieg dem jungen Link vor Wut das Blut in den hitzigen Kopf.

„Und was bitte schön soll’ ich hier?“, äußerte der Heroe bissig als er stur und genervt in das Büro Viktors gebeten wurde.

Der Direktor legte seine Arme auf den Tisch und sagte streng: „Du warst einer der ersten, die den toten Hausmeister gesehen haben.“

„Und? Macht mich das verdächtig?“, sagte er sarkastisch.

Und die Lehrkraft strich sich mit überheblichem Blick über die Aknenarben in seinem hochmütigen Gesicht. Er lachte hämisch und ließ sich knarrend in seinen Sessel zurücksinken.

„Wo hast du ihn versteckt!“

„Was habe ich versteckt?“

„Hopfdingens Ring.“

„Ich habe keinen Ring!“

„Du brauchst gar nicht so unschuldig zu tun. Mondrik Heagen wurde schon befragt. Also bleibst nur du.“

„Aber ich weiß nichts von einem Ring.“

„Das werden wir sehen. Ich veranlasse eine Zimmerdurchsuchung. Wenn wir den Ring des Hausmeisters dort finden, fliegst du. Und dann hilft dir dein angeblicher Titel oder eine noch so gute Beziehung zur Königstochter Hyrules auch nicht aus der Patsche, Heldchen.“ Links Blick durchbohrte den Direktor wie ein Speer, bevor der Heroe aus dem Raum tapste.
 

Und die zweite Unterrichtsstunde, bei der sich der Heroe entschuldigen müsste... Verärgert stand er vor dem Tanzsaal dieses Lorraux, aber als Link eintrat, war der Saal bereits leer. ,Na wunderbar’, dachte er. Er hatte seine erste Stunde geschwänzt und das nicht mal absichtlich...
 

Es folgte der Schwertunterricht, wo Link und William die einzigen älteren Schüler zwischen einer Horde von unerfahrenen Dreizehnjährigen waren. Die Sonne lachte, ein Grund mehr, dass Viktor seinen Unterricht nach draußen verlagerte. Aufgereiht standen sechsundzwanzig junge Burschen vor dem Direktor, der jeden von oben herab beäugte und sofort über den ein oder anderen urteilte. Sechsundzwanzig junge Anwärter, denen bald das Schwertkämpfen keinen Spaß mehr machen würde...

Viktor klapperte mit seiner Rüstung und lief von einem Ende der Reihe zur nächsten, bedacht den ersten Schweißtropfen der Angst von einem der Bengel zu bemerken. Link verzog nicht eine Miene und sah kampfbereit drein. Sein Blick hätte jeden Moblin im Umkreis zu Stein erstarren lassen können, so gefährlich und doch über die Maßen beherrscht war jener Blick. Ein Ausdruck von Macht, den nicht einmal Viktor deuten konnte. Das Klappern der teuren Silberrüstung des Lehrers stoppte und jener stand herausfordernd, wie auch herablassend vor Link, der nicht einen Mucks machte.

„Langweilt dich dieser Unterricht denn nicht, Heldchen?“ Aber Link schwieg und fühlte seine eigene Macht brodeln, und manchmal schlug die Energie des Helden der Zeit über die Ufer... und wenn jener Moment käme, würde sich Viktor verbieten solche Äußerungen zu halten.
 

William neben Link jedoch ließ sich durch diese Bemerkung aus der Reserve locken und schwenkte seinen Kopf zu Viktor, erstaunt, dass jener Kerl ,Heldchen’ zu Link sagte.
 

Aber auch wenn William nicht von schlechten Eltern war und eine Menge Grips vorweisen konnte, so käme er nicht einmal beim Tag des letzten Vollmondes auf den Dreh, dass der legendäre Held der Völker Hyrules direkt neben ihm stand.
 

Viktors Mundwinkel zogen sich nach oben. Bellend sagte er: „Na bitte, da haben wir ja unseren ersten Freiwilligen.“ Und er ließ Will vortreten, der nun die Belehrung seines Lebens erhalten würde.
 

Gefasst hielt Will ein abgenutztes Holzschwert in der Hand und stand furchtvoll vor Viktor. Grinsend musterte Viktor Wills kindlichen Ausdruck mit dem Schwert und schien angesichts seiner krankhaften Vorfreude zu explodieren. Der Freude, dem ersten Jungspund beizubringen, wie unfähig er war. Er leckte sich über die Oberlippe und forderte William mit einer provokativen Handbewegung heraus.

Aber Will zögerte und schaute ratsuchend zu Link. Es war der Blick des unbekannten Heroen, der dem jungen Laundry schon wieder nur Rätsel aufgab...

„Was ist? Muss man dir erst Feuer unterm Hintern machen?“, reizte Viktor und trat einen Schritt näher. Das Übungsschwert fest umfasst stürmte Will näher und spürte sofort den Gegenschlag des anderen Schwertes, welches Viktor mit übermäßig viel Kraft führte. Will verschlug es aufgrund der Wucht meterweit nach hinten und er landete auf dem schmerzenden Hosenboden. Viktor lachte und stützte sich zufrieden auf das Holzschwert. Den Kopf hängend trat William zurück in die Reihe und schaute gedemütigt zu Boden.

Link neben ihm gab ihm einen gutgemeinten Stups.
 

„Wer will der nächste sein?“ Keiner antwortete. „Auch gut“, quiekte der Kerl und hielt sich vor Lachen den Wanst fest. Alsdann forderte Viktor die jungen Burschen auf, sich zu setzten und aufmerksam seine Bewegungen mit dem Schwert zu folgen. Überaus stolz auf seine eigene Eleganz brachte er den baldigen Rittern die Grundlagen bei...
 

Link kratzte währenddessen genervt undefinierbare Buchstaben mit dem Zeigefinger in den Sand, hörte Viktors trockene Stimme nur noch von Weiten und hoffte auf ein Ende dieser Stunde, zumal sich Viktors angebliche Erfahrungen im Umgang mit dem Schwert als ein guter Scherz herausstellten...

Der Held der Zeit sah auf, sah Viktors Bewegungen langsam... wie in Zeitlupe... träge und lahm... ablaufen. Viktors einzige Stärke war für Link schnell ersichtlich... Kraft... Kraft... lediglich Kraft...

Links Gedanken wurden schwerer... während er den Bewegungen Viktors zusah, der kraftvoll sein Langschwert führte. Die scharfe Klinge sauste zischend durch die stumme Luft, kitzelte den Nerv der Luftgeister, die das unsichtbare Blut daran leckten...

Die Klinge glitzerte im heißen Sonnenlicht begleitet von den schrillen Kampfgeschrei aus Viktors belegter Kehle. Und doch, obwohl jeder Schüler einschließlich Will gebannt zusah, war es nichts. Nichts für den Helden der Zeit.

Es war der Kern der Bewegungen, jede Kleinigkeit, die Link nun ins Auge fiel. Und sie waren hinkend, hässlich... unelegant, ohne Ehrgeiz und Mut...

Prüde sah der junge Heroe zu dem Sandboden, schaute auf das, was er selbst ohne Wissen in den Sand geschrieben hatte. Ein hylianisches, altes Zeichen, welches für den Buchstaben ,F’ stand...
 

Der weitere Unterricht bei Viktor gestaltete sich als eine Belehrung über den Gebrauch von Schwertern, und als Spitze des Eisberges durften die jungen Schüler einige ermüdende, trockene Übungen mit einem Holzschwert durchführen, wobei Link sich schauspielerisch so dämlich wie möglich anstellte...
 

Link verfluchte den Schwertunterricht jetzt schon...
 

Am Ende des Schwertunterrichts, stürmten gerade einige Mädchen der naheliegenden Schule aus einem hohen Tor und platzierten sich im Park mit bunten Decken auf der saftiggrünen Wiese. Die meisten hatten Sticksachen und einige Schalen mit einer Salatmischung in den Händen. Träumerisch schaute der junge Heroe zu ihnen hinüber und wunderte sich, dass unter dem Haufen Mädchen Ariana nicht auszumachen war. Aber was interessierte ihn eigentlich der Verbleib dieser kleinen Hexe? Ariana Blacksmith war nicht nur hinterhältig und streitsüchtig, sondern konnte einem anständigen Hylianer mit ihren unabsehbaren Handlungen das ganze Leben kaputt machen, dachte er. Also konnte es ihm doch total egal sein, was dieses Biest so trieb...
 

„Suchst du mich?“, sagte eine freche Stimme hinter ihm.

„Eher würde ich die Hölle aufsuchen...“, murrte Link und drehte sich um zu ein paar bernsteinfarbenen Augen, die ihn fast trübsinnig musterten.

„Dann pass’ bloß auf, dass du den Weg aus der Hölle wiederfindest“, muckte sie und schüttelte verbittert den Schädel.

„Das ist ja wohl nicht dein Problem.“

„Es ist mehr mein Problem als du heute und hier vermutest, Link.“ Sie trat einen Schritt näher und blickte direkt in seine tiefblauen Augen, als würde sie etwas darin erforschen wollen. Link wich zurück. Aber Ariana rückte um so näher. „Und genau das ist eines deiner Probleme. Du bist nicht in der Lage Nähe zuzulassen.“ Baff sah er drein und suchte nach einer entsprechenden Fluchtmöglichkeit.

„Du hast überhaupt keine Ahnung von meinen Problemen, du billige Pute“, schimpfte er. Was nahm sich diese Ariana überhaupt heraus?

„Zähme deine verdammten Schimpfwörter, sonst bleibt dir das nächste tückisch im Hals stecken!“

„Was soll das denn sein? Denkst du, ich lass’ mir von dir Rede und Antwort stehlen?“

„Ja, alles in allem, denke ich das.“ Verärgert breitete der Heroe seine Arme auseinander und einige Muskeln in den Armen und Händen spannten sich an. Ariana wich wieder näher, sodass sie nur wenige Millimeter von seiner Nasenspitze entfernt schien.

„Wenn jemand versucht dir zu helfen, zu dir durchzudringen, wirst du grantig und herzlos. Ein weiteres deiner sogenannten Probleme. Du weist andere ab, obwohl du dir wünschst, geachtet und respektiert zu werden.“

Link starrte sprachlos zu Boden. Entsetzlich, wie viel Ariana über ihn wusste, obwohl sie ihn noch nicht lange kannte. „Obwohl du dir wünschst, geliebt zu werden...“ setzte sie leise hinzu und legte eine Hand auf Links rechte Wange.

„Du weißt überhaupt nichts!“, fauchte er, schlug ihre Hand weg.

Er stapfte irritiert von dannen und hörte Ariana noch hinter ihm herrufen. „Lauf’ bloß weg, du Feigling. Aber es kommt der Tag, wo du dich an meine Worte erinnern wirst.“ Ihre Stimme laut und eindringlich.

Ariana blickte dem verärgerten Heroen noch eine Weile hinterher, bis er in der Ritterschule verschwand und dachte leise, ihre Hände über dem Herzen. ,Irgendwann wirst du auch meine Nähe zulassen.’
 

Wutentbrannt starrte Link auf das Essen seines Tellers. Der wohlige Hähnchenduft, das rahmige Gemüse und die dampfenden Kartoffeln interessierten ihn im Moment nicht. Das bunte Getratschte im prallgefüllten Speisesaal hörte er nicht.

Seine Gedanken waren bei Ariana, dem unverschämten Trampel, das ihn ,Feigling’ genannt hatte. Bei Farore, wie er dieses Wort verabscheute, wie er es hasste. ,Feigling. Du Feigling...’ Das konnte er doch nicht auf sich sitzen lassen.
 

Will neben ihm stocherte gerade in seinem Essen herum, als Link ihn ansprach: „Sag’ mal, denkst du... ich bin ein Feigling?“ Doch das wunderte William, wo Link doch immer so verschwiegen war. Eines der ersten Male, wo er wissen wollte, was andere von ihm hielten.

„Wie kommst du denn darauf?“, meinte Will. Nun war es Link, der im Essen herumstocherte.

„Ariana nennt mich einen Feigling.“ Ein markantes Grinsen kam zum Vorschein, gespeist von Bewunderung in ein paar grünen Augen. „Na das nenn’ ich ja mal ne Leistung.“, lachte Will.

„Was ist daran denn so komisch?“

„Die Tatsache, dass sich Ariana wagt, dich zu beleidigen. Ich würde mir das nicht wagen.“, entgegnete Will.

„Wie meinst du das denn?“

„Nun... zumal du besser kämpfen kannst als ich“, entgegnete er. „Und sobald Ariana herausfindet, was du kannst, dann wird sie das sicher unterlassen.“ Und der junge Laundry stand auf. „Lass’ uns draußen essen. Hier versteht man ja sein eigenes Wort nicht mehr.“ Und das Getratsche in dem Saal dröhnte schon fast schmerzhaft in empfindlichen Hylianerohren.

Sodann schlängelten sich die beiden durch weitere hungrige Mäuler und platzierten sich auf eine Wiese außerhalb.
 

Link lag lässig auf seinem Bauch und aß zufrieden das Mahl. Seine Augen wanderten erneut ungewollt zu Ariana, einem Mädchen, von dem er nicht wusste, was er von ihr halten sollte. Gestern Abend zum Beispiel war sie so zuvorkommend und freundlich gewesen und heute zeigte sie ihm die kalte, hartherzige Schulter. Sie hätte ihn nicht beleidigen müssen und sie hätte dieses böswillige Schimpfwort nicht sagen müssen...
 

„Du magst sie, oder? Sonst würde es dir nicht so an die Nieren gehen, dass sie dich beleidigt hat.“ Und auch William schaute zu der eleganten, eigensinnigen Dame hinüber.

„Hübsch ist sie jedenfalls, dafür, dass sie bloß eine Schmiedstochter ist.“ Tatsächlich war sie das und es schien, als bemerkte Link ihre Schönheit gerade erst in diesem Augenblick. Ihre Haut war ziemlich weiß, fast blass, und schön, als ob sie in Milch baden würde. Das lange, gewellte Haar hatte sie geflochten über ihrer rechten Schulter liegen und lief bis über die Brust. Das dunkelgrüne Samtkleid, welches sie trug, mit aufwendiger Schnürung betonte ihre Maße. Nur eines störte. Ein paar lederne Stiefel, die sonst kein Mädchen in der berühmten, fabulösen Mädchenschule trug, stachen unter dem Saum ihres Kleides hervor.

„Ich weiß eigentlich nicht, warum mich das überhaupt ärgert... Zumal sie mich nicht kennt“, sagte Link.

„Na ja, dich kennt ja wohl auch niemand“, bemerkte William und ließ den Kopf schief hängen. „Ich meine, ich weiß jetzt ein paar Dinge über dich, aber was du zum Beispiel in der Schule willst, das begreife ich nicht.“

„Ich habe doch gesagt, dass mir jemand dazu geraten hat.“

„Ja, das hast du gesagt, aber man erfährt von dir kein Sterbenswörtchen über das Warum, Wieso, über deine Motive, oder über deine Vergangenheit.“ Link gab ihm einen müden, ehrlichen Blick. „Da gibt es nichts interessantes...“, meinte der Held und belog sich einmal mehr selbst mit seinen eigenen Worten...
 

Aber es würde der Tag kommen, da jeder wusste, was in ihm schlummerte. In wenigen Monaten müsste er sich seinem eigenen Schicksal stellen, er müsste sich offenbaren, weil die Zukunft Hyrules daran geknüpft sein würde...
 

„Was ich dir noch sagen wollte... wegen Viktor...“, begann Link und biss genüsslich von seinem Hähnchenschenkel. Das saftige Fleisch tropfte von seinen Lippen.

„Für eine Niederlage gegen Viktor braucht sich keiner hier schämen“, meinte er und erinnerte gestochen scharf dessen Kampfstil. „Auf einem Schlachtfeld zählt nicht nur Kraft! Sondern so viel mehr, wie Geschicklichkeit, Taktik, Mut. Mit Viktors Techniken und seinem billigen Kampfstil kommt man nicht sehr weit.“

„Woher weißt du das denn?“ Und Link grinste beinahe.

„Sagen wir es so... ich weiß es einfach... “ ,Denn der Held der Zeit muss es wissen’, setzte er in Gedanken hinzu.
 

In dem Augenblick tapste Ian mit seinem Schwarm von untergebenen Kerlen an Link vorbei, zielstrebig auf Ariana zu, die ein Buch in der Hand hatte und gedankenversunken darin blätterte. Sie saß alleine auf einer dunkellackierten Parkbank, direkt unter einer alten Linde und bemerkte nicht, wie Ians Gruppe direkt in ihre Richtung marschierte. Erst als die fünf Kerle zu lachen anfingen, blickte Ariana auf. Sofort ein temperamentvoller, feuriger Ausdruck voller Macht und Erhabenheit in ihren bernsteinfarbenen Augen.

„Hey, Schönheit“, sagte Ian, trat direkt vor sie, während die anderen Kerle wie Geier um Aas um sie herumschlichen. „Meinst du nicht, dass Bücher zu anstrengend und zu hoch für ein Mädchen sind?“ Und Ian zerrte schnell und ruppig das Buch aus Arianas Händen. Empört hüfte das schwarzhaarige Mädchen auf ihre Beine und grabschte nach dem Buch, aber Ian wich zurück und zwei andere Kerle aus seiner Gruppe packten Ariana an den Armen, beförderten sie zurück auf die Parkbank.
 

„,Allmächtige verzagen nie?’ Was ist das denn für ein Buch?“

Giftig fauchte Ariana: „Überfordert dich dieser Titel, du mieser Kerl.“ Überrascht funkelten Ians rabenschwarze Augen zu ihr herunter. „Sieh’ einer an. Du bist ja eine gang, ganz Rebellische, was?“

„Nein“, giftete sie. „Ich bin nur intelligenter als du, Trampel.“ Sie streckte die Hand und forderte ihr Buch zurück. „Her damit!“ Ians Grinsen war schmierig und uneinsichtig.

„Wozu? Du bist schließlich nur ein Mädchen und Weiber wie du haben nichts mit Büchern am Hut. Lesen ist was für Kerle und Bücher haben in deiner Welt nichts verloren. Beschäftige dich lieber mit dem Kinderkriegen, dem Sticken und Nähen und dem Ballett.“

Ariana sah gedemütigt auf. „Was nimmst du dir eigentlich raus, du Schwein.“

„Sieh’ einer an. Schimpfwörter kennst du wohl alle sehr gut, was?“, sagte Ian belustigt, während die anderen Kerle ebenso zu lachen anfingen.

„Nun sei’ nicht so zickig, Schönheit“, schleimte Ian. „Ich will dich doch nur kennen lernen.“

„Ich dich aber nicht!“ Standhaft blickte sie in sein unbeeindrucktes Feixen.

„Und was sagst du jetzt?“ Genießend riss Ian das handgeschriebene Buch in der Mitte entzwei und die Zettel flogen durch die Lüfte. Entsetzt sah Ariana zu, hetzte auf und krallte sich die Zettel, als wären sie das Kostbarste überhaupt.
 

Ihre bernsteinfarbenen Augen sahen auf und nun lag mehr als Verachtung darin. Es war eine Spur Verzweiflung. Dieses Buch war ihr wichtig gewesen, nicht nur, weil eine vertraute Handschrift darin stand. Es war das Buch ihrer Mutter.

„Haha... seht sie euch mal an. Wie ein Moblin auf der Streckbank zappelt sie herum“, quakte Ian. „Alles nur wegen ein paar dummen Zetteln.“

Gerade da sah Ariana auf. Ihr Blick voller Macht sprach das Ungesagte. Das, was sie im Moment nicht aussprechen konnte. Verachtung und Hass. Splitternde Muster in dem bernstein funkelten darin, als ob sich die Farbe bewegen würde.

„Verschwinde und geh’ mir aus den Augen, Mistkerl“, fauchte sie und krallte sich die restlichen Zettel, bis auf drei Papiere. Ian trat mit seinen dreckigen Schuhen darauf herum. Erneut ein giftiger Blick, den Ian anstachelte, sich weiterhin mit Ariana anzulegen.

„Geh’ runter, Ekel, oder ich hetzte dir einen Fluch auf den Hals, den du dein Leben lang nicht vergessen wirst.“ Sie zerrte an den Zetteln unter Ians Stiefeln, aber er sah es einfach nicht ein, seine Füße anzuheben. Inzwischen war ihr zum Weinen zumute, aber sie würde bestimmt nicht einen Hauch von Verzweiflung nach außen zugeben.

Entschlossen stand sie auf, schmetterte weitere Schimpfworte an den Kerl mit den dünnen, aschblonden Haaren und spukte ihm ins Gesicht. Ungläubig wischte er sich die Spuke aus dem Gesicht, hob die Hand langsam und verpasste der schwarzhaarigen Schönheit eine bittere, gewaltige Ohrfeige. Ein heller Schrei donnerte über den Innenhof.
 

William und Link sahen entgeistert zu, bis der junge Heroe die Sache nicht mehr mit ansehen konnte. Schnell wie der Blitz rannte er näher, packte Ian kräftig und schmerzhaft am Arm, drückte ihn herum, sodass jener überrascht aufschrie und innerhalb von Sekundenbruchteilen schlug das hochnäsige Gesicht Ians auf den harten Boden auf. Erbarmungslos hielt der Held der Zeit den Arm des Schülers hinter den Rücken gedrückt, während Ian kreischte. Und keiner seiner Leute wollte sich einmischen. Alle standen sie gaffend daneben und hörten vielleicht das erste Mal ihren Anführer um Gnade schreien.

„Na? Tut das weh?“, brüllte Link. „Nur ein bisschen mehr Druck und dein Arm ist ausgekugelt.“

„Was willst du?“, winselte Ian am Boden.

„Entschuldige dich auf der Stelle bei Ariana.“

„Was? Bei einem Weibsbild? Niemals!“, kreischte Ian.

„Dann habe ich wohl keine Wahl.“ Und Link drückte den Arm weiter und weiter in die schmerzende Richtung. Ian winselte vor Schmerz, kreischte und verdammte Link auf’s Übelste.
 

Währenddessen stand auch William in der Runde und blickte zu Ariana, die sich ihre schmerzende Wange hielt.
 

„Okay, okay, ich tu’s. Hör’ auf, ich tu’s“, wimmerte Ian. In dem Augenblick ließ Link ihn los. Gedemütigt ließ sich Ian von seinen Kumpels aufhelfen, murmelte ein undeutliches ,Entschuldigung’ vor sich hin. Er warf rachsüchtige Blicke zu Link und Ariana und lief mit seiner Gang aus dem Park hinaus.
 

Mit fahlem Gesicht schaute Ariana auf die Zettel in ihrer Hand. Was sollte sie jetzt damit? Ihr Buch war kaputt... Sie war den Tränen nahe, das sah Link ihr an. Er hob die restlichen Zettel, sowie den rotgoldenen Buchband auf und reichte sie ihr. Sie nahm sie wortlos entgegen... und hielt sich erneut mit der anderen Hand die Wange fest. Verärgert schaute Link auf ihre Geste, nicht sicher, warum er sich ein wenig schuldig dafür fühlte.

„Ich bin gleich wieder da“, sagte er und hetzte durch den Innenhof, verschwand dann durch die Hintertür der Großküche.
 

„Jetzt ist das Essen kalt...“, maulte Will. Mit den Händen über dem Kopf lief er hinüber zu den Tabletts mit dem Mittagsmahl, die auf der Wiese standen. Ariana folgte ihm schweigsam mit den vielen Zetteln auf ihren Armen.

„Ian ist ein Schweinehund“, meinte Will, und dachte, er könnte so mit ihr ins Gespräch kommen. Aber Ariana schaute nur trübsinnig auf ihre Blätter.

„Was ist mit den Zetteln?“

„Meine Mutter hat dieses Buch geschrieben... als eine Belehrung für mich, dass ich nie vergesse, welche Verantwortung auf mir liegt.“

„Verantwortung?“

„Als Hylianerin“, sagte sie ablenkend und sortierte die Zettel nach den Seiten.

„Deine Mutter ist eine Erzählerin?“ Ariana sah verwundert auf und schüttelte leicht den hübschen Kopf. „Nein... das war sie nicht.“

„Oh... sie lebt nicht mehr?“

„Sie starb kurz vor meinem sechsten Lebensjahr.“

„Das tut mir leid.“

„Braucht es nicht.“

Will nickte mitfühlend und aß seine kalte Mittagsspeise zu ende.
 

In dem Augenblick kam Link wieder, mit einem kleinen Stoffbeutel in den Händen.

Er war irgendwie verlegen rot im Gesicht, als er Ariana den Beutel reichte. Sie sah verwundert darauf. „Das ist kaltes Morgenblau... ein Kraut mit kühlender Wirkung für deine Wange...“, murmelte er scheu und kratzte sich an dem blonden Hinterkopf. Sie lächelte und nahm das Päckchen freudig an sich. „Danke.“ Ariana blickte ihn nur lächelnd an und Link bekam das verlegene Rot nicht mehr aus seinem Gesicht...

Der Heroe stürzte sich zur Ablenkung auf sein kaltes Essen und verschlang die restlichen Petersilienkartoffeln.

„Ist es okay, wenn ich bei euch sitzen bleibe?“, meinte die junge Schönheit, als sie sich den Stoffbeutel an die Wange presste.

„Natürlich“ sagte Link. In gewisser Weise mochte er ihre Anwesenheit, wusste aber nicht direkt wieso. „Ian ist ein mieser Dreckskerl, du solltest ihm aus den Weg gehen und dich nicht mit ihm anlegen, Ariana“, setzte der Heroe hinzu.

„Ich weiß...“ Trübsinnig schaute sie wieder auf ihre Papierstöße. „Aber ich kann mich nun mal nicht beleidigen lassen. Ich bin nicht so erzogen worden, meinen Mund zu halten.“

„Aber das könnte dich in gefährliche Situationen bringen. Denn hier in Hyrule... ist es manchmal einfacher zu ertragen und zu schweigen, als sich zu wehren.“

„Und das sagt mir Link, der hitzköpfigste Kerl überhaupt“, lachte sie und drückte das Morgenblau wieder fester an ihre Wange.

„Nun, ich kann wohl auch nicht meinen Mund halten.“

„Den Göttinnen sei Dank“, murmelte sie und nicht einmal Link begriff, was sie damit andeuten wollte.
 

„Ich helfe dir mit den Zetteln. okay?“, sagte der junge Held, bereitwillig, Ariana die Arbeit zu erleichtern. Er schaffte es sogar beinahe zu lächeln. Sie nahm seine linke Hand und sprach ermutigend und ein wenig entschuldigend: „Weißt du... du bist alles andere als ein Feigling.“

„Den Göttinnen sei Dank“, sagte er beschämt und wiederholte unabsichtlich ihre Worte von vorhin. Wie lange war es her, dass ihm jemand geschmeichelt hatte. Es war eines der Dinge, der er nicht kannte, die er ersehnte.
 

„Übrigens“, murmelte Link und streckte auf der grünen Wiese genüsslich alle viere von sich. „Viktor hat in unserem Zimmer eine Durchsuchung veranlasst, Will.“

„Wie bitte? Wozu?“, sagte er entrüstet.

Link richtete sich langsam auf und musterte seinen Mitbewohner. „Nun... ich war einer der ersten am Ort des Geschehens, als Hopfdingen an der Decke baumelte. Und nun behauptet Viktor, ich hätte den Ring geklaut, den der Hausmeister besaß.“

„Aber dazu hat er kein Recht“, entkam es den schönen, roten Lippen des hübschen Mädchens neben Link. „Nicht einmal er in seiner Machtposition darf sich erlauben, solche Urteile zu fällen, vor allem dann, wenn sie erstunken und erlogen sind. Es wird Zeit, dass er...“ Sie brach ab, aus Angst sich in ihren Gedanken und Handlungen verdächtig zu machen.

Link zwinkerte und sprach für sie weiter: „Es wird Zeit, dass er das Weite sucht.“

„Was genau ist das denn für ein Ring?“, meinte Will, worauf jeweils ein paar erstaunliche bernsteinfarbene und ein paar mutige tiefblaue Augen ihn musterten.
 

Link kratzte sich am Kinn und versuchte seinen Erinnerungen das notwendige Wissen zu entlocken. Denn manchmal, da sah der Held der Zeit dank seines Fragmentes mehr als es einem anderen erlaubt schien. Sein Gedächtnis... vielleicht einzigartiger und raffinierter als Link es bisher erkannt hatte. Er wusste nur, dass er in der alternativen Zukunft über einen erstaunlichen, fast schon gefährlichen Orientierungssinn und eine bemerkenswerte Gabe, Dinge zu erinnern, verfügte. Doch nun war jener Sinn wie weggeblasen. Seit dem Ereignis von vor einem halben Jahr waren Links merkwürdige Fähigkeiten, die er selbst nicht einmal als eigentümlich ansah, vergessen oder abgeschwächt...

Er stützte krampfhaft seinen Kopf in die Hände und zwang sich dazu, zu sehen, zu erkennen. Ein Blick aus seinen Augen genügte, das wusste er. Ein Blick und das Bild verweilte irgendwo in seinem Gedächtnis... es war im Moment nur zu schwer, es zu aktivieren... seine Fähigkeit zu aktivieren... Gerade da fühlte er seine linke Hand ein wenig pulsieren, vibrieren.

Vor Schreck ließ Ariana das Kraut von ihrer Wange gleiten und der Beutel plumpste auf die Hand des Helden. Als Link sie anblickte, schüttelte sie warnend mit dem Kopf. Sie wollte ihm untersagen, eine Fähigkeit zu aktivieren, die er unter Umständen nicht einmal kontrollieren konnte. Und zudem würden einige der Anwesenden, einschließlich Will, sofort erkennen, dass Link der gesucht Heroe war.

Wusste sie also wirklich über das Fragment unter seinem Handschuh bescheid? Woher?
 

„Ist an dem Ring was Besonderes? Oder warum interessiert sich Viktor so brennend dafür?“, meinte Will und informierte sich über die fortgeschrittene Zeit auf der großen Sonnenuhr am höchsten Turm.

„Sicherlich... ich nehme an, Viktor tut nichts ohne Grund“, erwiderte der Held.

„Meinst du, er will den Ring, weil dieser irgendetwas besonderes kann?“ Link nickte. „Es gibt in Hyrule genügend Ringe und andere Gegenstände mit seltsamen Fähigkeiten.“

„Aber könnte es nicht sein, dass irgendwer einen Anspruch auf den Ring hat und Viktor das Schmuckstück weitergeben muss?“

Link lachte: „Du glaubst doch nicht, dass dieser Ritter irgendetwas aus blanker Gutherzigkeit tut. Da ist irgendetwas faul.“ Will runzelte die Stirn grüblerisch.

„Vielleicht sollte jemand herausfinden, was es mit diesem Ring auf sich hat“, sagte Ariana und schaute erwartungsfroh in Links tiefblaue Augen. Er bemerkte diesen heimtückischen Blick, bis Ariana lächelte und nickte. „Du meinst doch nicht, ich soll...“, fing Link an und wollte sofort klarstellen, dass er sich in solche Sachen nicht mehr einmischen wollte. Sein Leben als Held war passe, er war auf einem neuen Weg. Nur unter Folter würde er sich überreden lassen, Viktor hinterher zuspionieren. Aber Arianas Blick wurde erfreuter und erfreuter. Da war ein seltsames Glitzern in dem bodenlosen bernsteinfarben. Etwas hob sich davon ab...
 

„Oh nein...“, belehrte Link die junge Schönheit und richtete sich auf.

„Bitte, Link. Du kannst das doch“, meinte sie.

Aber er schüttelte den Kopf mehrmals. „Nein, ich habe nichts damit zu tun und keine Lust auf ein neues Abenteuer.“

„Aber es wäre doch wichtig das Geheimnis eines solchen Ringes zu kennen“, sagte sie sanft und tätschelte ihm die Wange. „Bitte.“

Bei Nayru, ihr Lächeln war so schön, dachte Link. Aber er konnte sich doch nicht einfach von ihr einwickeln lassen. Sie lächelte verständnisvoll und sanft... wie eine Fee, dachte er.

„Aber...“, fing Link an. „Warum denn ich? Ich kann doch nicht einfach...“

„Doch, du bist genau der richtige für eine solche Aufgabe“, meinte Ariana und lächelte wieder schmuckhaft.

Er schluckte den Knoten in seinem Hals herunter und ärgerte sich, dass er sich von jungen Damen immer einwickeln ließ. Er konnte gar nicht anders. Es war immer das selbe. Wenn eines dieser teuflischen Mädchen, egal ob Malon, Zelda oder Ruto, mit den Augen funkelte, dann war er erledigt. Er konnte dann einfach nicht mehr ,Nein.’ sagen...
 

„Du brauchst dich bloß ein wenig umhören. Keiner fordert von dir, dass du Viktor aushorchst.“

„Und was hast du davon?“, mischte sich Will ein. „Was interessiert es dich eigentlich, ob ein solcher Ring Macht besitzt?“ Mit dieser Frage jedoch hatte Ariana nun nicht gerechnet und nicht aus dem Mund des jungen Laundrys. Gewitzt und raffiniert.

„Will hat Recht“, sagte Link, als Ariana dazu schwieg. „Du bringst dich mit deiner Neugier in Schwierigkeiten. Lass’ das lieber.“

„Aber es interessiert mich eben. Außerdem sollte ein solcher Ring, wenn er schon etwas Besonderes ist, nicht in Viktors Hände gelangen“, sagte sie und sortierte die Zettel.

„Ich sagte, du mischst dich nicht in solche gefährlichen Sachen ein und basta“, äußerte Link nun strenger. Verwundert sahen sowohl Ariana, als auch Will auf.

„Machst du dir Sorgen um mich?“, lachte sie. „Du bist ja drollig, aber ich kann gut auf mich selbst aufpassen.“

„Das haben wir ja vorhin gesehen, was? Gegen Ian hast du auch nicht die Hand erhoben!“, sagte Link und wusste selbst nicht, was an Ariana ihn irgendwie so tiefgehend faszinierte, dass er sie aus allen Gefahren heraushalten wollte.

„Das war nur wegen meinem Buch!“, pfefferte sie zurück. „Hätte ich ihm eine runtergehauen, hätte er die Zettel noch kleiner zerrissen also ohnehin schon.“ Link zog bockig die Nase hoch und hüpfte auf die Beine. „Dann mach’ doch, was du willst“, schnaubte er und deutete auf die Sonnenuhr. „Die Pause für uns ist vorüber, wir müssen zur nächsten Stunde.“, maulte er. Und nun lag wieder Kühle in seiner Stimme. Kein Hauch mehr von Besorgnis.
 

Ariana lief ihm unvermittelt hinterher. „Du hast versprochen mir bei dem Buch zu helfen...“, sagte sie scheu. „Samstag? Nach dem Unterricht?“, schlug Link vor.

„Aber da bin ich nicht hier... Samstag Abend ist doch Neumond, oder?“ Link runzelte kurz die Stirn. Neumond... war da nicht irgendwas?

„Ja da ist Neumond, aber warum bist du dann nicht hier?“

„Ich muss meinen Vater besuchen.“

„Na dann eben Sonntag Abend, nach dem Fest für die neuen Ritterjungen.“

„Gut“, lächelte sie. „Aber vergiss’ es bitte nicht.“

„Sicher nicht.“ Und Link blickte der jungen Ariana aufmerksam hinterher, besah sich einmal mehr ihre faszinierende Grazie, obwohl sie nur eine Schmiedstochter war.
 

Neumond? War an jenem Tag nicht doch irgendetwas gewesen? Hatte Link nicht etwas vergessen, was mit Neumond zusammenhing?
 

Gerade da bekam er von Will einen gemeinen Schlag ins Rückrat. „Na, sieh’ einer an. Du hast dein erstes Rendezvous.“

„Das ist kein Rendezvous“, rechtfertigte sich Link und kam gar nicht erst auf den Dreh aus einem Treffen mit einem Mädchen ein solches Theater zumachen.

„Du bist echt ne hohle Nuss in diesem Thema, was?“, feixte Will.

„Und du bist bescheuert“, murrte Link und stapfte zielstrebig hinein in das große Schulgebäude.
 

Link stand gerade vor einem Waschbecken in den gesäuberten Jungentoiletten. Er hatte die Schultern hängen, stützte sein Körpergewicht vollkommen auf den wackligen Armen ab, die sich am weißen Waschbeckenrand festhielten. In seinem Gesicht lag gebändigte Ruhe, begleitet von unheimlicher Konzentration, sich nicht ablenken zu lassen. Er starrte leer und haftend in das raue Spiegelglas, starrte und starrte in die kühlen Augen, die sich vor dem Antlitz der Welt schämten. Blau... so blau wie der Hylia-See, der vom höchsten Punkt des Todesberges gesehen werden konnte. Tiefblau wie ein Ozean, der verschlang und nicht mehr losließ... aber finster war etwas darin, so finster wie am tiefen Grund des Meeres... Ein finstere Gedanke des Hasses auf sich selbst und sein ungerechtfertigtes Schicksal. Und nun ging der Kampf weiter, das wusste und spürte Link.

Er strich über das verschwommene Spiegelglas, hauchte seinen pfeifenden Atem dagegen und wischte erneut über die Stelle. Das war es, dachte er. Hinter der Blässe, hinter dem leichten Wasserdampf lag soviel reines Spiegelglas... vermutlich war es mit den Hylianern dasselbe. Wie bei ihm. Irgendwo hinter dem Trübsinn und den stummen, leblosen Augen lag das versteckte Glück eines warmherzigen, jungen Mannes wie ihm. Irgendwo dort lag das, was er vermisste.

Er atmete träge ein, klatschte ein wenig eiskaltes Wasser in sein todbleiches Gesicht, in der Hoffnung, es würde die Bitternis darin wegwischen. Aber so ein reines Element des Wassers wie es in Hyrule gab, half ihm auch nicht mehr über die Flüche und den Hass von gestern hinweg...

Den Schrecken von gestern... Es war Zeit, dachte er. Es war Zeit, sich zu erinnern...
 

Weiterhin konzentrierte er sich, das linke Handgelenk mit der rechten kräftig umfasst, als wollte er die Macht darin ersticken. Sein Blick schien lebloser mit jeder weiteren Sekunde, sein Herz und Verstand arbeiteten nur noch an einem Bild.

,Lass’ mich sehen...’, murmelte er in seinen Gedanken, verschmolzen mit der Wahrheit. Und er wusste, welche Wahrheit er suchte- jene, die vielleicht nur dem Hausmeister Hopfdingen zu teil wurde. Die Wahrheit über einen Ring.

Und Links Gedanken wanderten, getragen von dem Vergessenen, begleitet von vergangenen Ereignissen. Seine Seele wanderte, beschritt die Wege hinein in das Gestern, während das Fragment in der Hand glühte, pulsierte und ein wenig schmerzte.

Mut und Neugier führten ihn auf seinen Wegen, zerschnitten die Gesetze der Zeit, während seine Seele wandelte. Er sah die Ereignisse von gestern innerlich ablaufen, sah den herrlichen Laubwald schnell und blass vorüberziehen, als Hopfdingen ihm erstmalig in Gesellschaft Arianas begegnete. Er war nur noch Sekunden entfernt. Sekunden, bevor er sich in jener Vergangenheit mit dem Hausmeister unterhalten sollte.
 

Er hörte fein und raschelnd die Blätter. Seine Nase umschmeichelt von den Düften und Gerüchen des Laubwaldes, als die Zeit langsamer rann...

„Musst du dich eigentlich immer selbst belügen, Link.“, schallte es. Worte, aus dem süßen, roten Mund Arianas.

Erstarrt harrte Link vor dem Spiegel, die Augen leer und ohne Funken Leben, geraubt von den Mächten, die er beschworen hatte um zu sehen...

Und da humpelte Herr Hopfdingen in seiner braunen Kutte an jenem Tage wieder vor ihm her. Seine Hände hatten den Krückstock fest umfasst und an der rechten Hand sah Link das, was er musste. Ein großer Ring... aber nicht golden... nicht silbern... nicht gewöhnlich... ein kupferfarbenes Metall mit dunkelblauen Striemen... dunkel... dunkel und begehrt...

Er sah den Ring nun in seinen Erinnerungen. Ein genaues, detailgetreues Bild in seinen Gedanken, die er zurückholte ins Hier und Jetzt. Und er kannte dieses Metall irgendwoher. Link selbst besaß einen Gegenstand, der die gleiche eigenwillige Farbe hatte... irgendwo zwischen seinem Gerümpel...

Ein Stöhnen entkam den Lippen des Heroen, der die Augen zusammenkniff und sich mehr und mehr über das Becken beugte. Er hatte gesehen...

Er hatte sein Fragment genutzt...
 

Hastig atmend riss er sich den linken Handschuh ab und sah das Fragment bläulich schimmern, bis sein Licht langsam in Links Hand versank. Aber warum in der Farbe Nayrus? Warum nicht grünlich?

Gerade zog er sich den Handschuh über, als Will aus einer der Kabinen stürmte und gähnend meinte: „Hey, ich habe noch was vergessen.“, fing er an. „Du musst dich bei Lius Lorraux zum Tanzunterricht anmelden.“

„Okay.“

„Morgen früh hat er gesagt. Ich habe dich nämlich entschuldigt.“

„Danke.“ Er musterte Link, der abstützend über dem Waschbecken hing.

„Was hast du denn schon wieder gemacht?“ Und Wills Augen wurden größer und größer, als stünde plötzlich der Sensenmann vor ihm.

„Warum?“

„Deine Augen!“, platzte es aus Wills Mund und er hob den Zeigefinger. Ungläubig schaute Link in den Spiegel und erschrak zunächst. Er taumelte zurück und wollte sich am liebsten mit den Fingerspitzen in die Regenbogenhaut fassen.

„Beim Triforce! Deine Augen!“, dröhnte Wills tiefe Stimme durch die Latrinen. „Heilige Nayru!“ Und Link stand nur erstarrt und stumm vor dem Spiegel, traute seinen Sinnen nicht mehr und wollte am liebsten weglaufen.

Ihm selbst entkam nichts aus den Lippen, weil er nicht verstand.
 

Etwas stimmte nicht mehr mit dem tiefblau... Das Tiefblau war verflucht... war verschwunden... Stattdessen war seine Regenbogenhaut gräulich bis weiß und nur ein schwarzer Rahmen grenzte sie noch von dem Glaskörper ab...
 

„Verdammt? Was hast du getan?“ Link aber verdeckte die Augen mit beiden Händen und wischte sich verzweifelt über die Stirn.

„Ich weiß nicht...“

„Du hast deine Augenfarbe ver... Was überhaupt?“ Link stütze sich mit zusammengekniffenen Augen wieder ab. „Das gibt’s doch nicht. Du hast deine Augen verhext!“ William konnte sich gar nicht mehr beruhigen, so baff war er.

„Was zum Teufel ist in dich gefahren?“

„Verflucht, ich weiß es nicht.“, fauchte Link. „Ich hab’ nichts weiter getan.“ Er wand sich um und fixierte Will mit den ungewöhnlichen, neuen Augen. „Was soll’ ich denn jetzt machen?“ Da lag Verzweiflung in seiner Stimme. Etwas, was Will in dieser Weise noch nie gehört hatte.

„Ich kann doch nicht als Monster durch die Schule laufen!“

„Gibt es nicht jemanden, der dir helfen könnte? Vielleicht irgendeine Heilerin oder Magierin in der Nähe?“ Und Link schüttelte aussichtslos den Kopf. Die nächste Heilerin war in der Nähe des Schlosses...

„Dann bleibt dir nichts anderes übrig als entweder den Unterricht zu schwänzen oder...“ Aber Link unterbrach ihn. „Nein... wegen so was laufe ich nicht weg.“

„... oder Newhead zu bitten, dass du nicht teilnehmen musst.“ Link schüttelte mit dem schüchternen Schädel. Er würde erst gar nicht damit anfangen, irgendeine Lehrkraft um etwas zu bitten. Nein, dazu war ein stolzer Bock wie der Held der Zeit nicht in der Lage.

Link schlug wütend auf das Waschbecken ein und sollte froh sein, dass er es mit seiner unkontrollierbaren Macht nicht zerhauen hatte. Warum eigentlich immer er? Musste er ständig in einen solchen verdammten Mist hineingeraten?
 

„Hach...“, fauchte er grantig. „Sollen die anderen doch tuscheln. Ich geh’ zum Unterricht und basta.“

„Du willst das wirklich wagen?“, meinte Will überrascht.

„Ja, sollen sie doch über mich reden... das kenne ich schon mein Leben lang...“, murrte Link und besah sich erneut diese komische milchige Augenfarbe. Einfach nur erstaunlich, dachte er. Erstaunlich und entsetzlich... Der Versuch das Fragment für ein wenig Erinnerung zu verwenden, hatte seine Augenfarbe aus der Regenbogenhaut gesaugt... wenn das überhaupt möglich war.

„Ich hoffe, das normalisiert sich wieder“, meinte er leise. Will klopfte freundschaftlich auf seine rechte Schulter. „Dann warte mal ein paar Tage und wenn es sich dann nicht ändert, kannst du ja mit deiner Stute mal zur nächsten Magierin reiten.“

„Mach’ ich“, flüsterte er.

„Tut das eigentlich weh?“, meinte Will, aber Link schüttelte unvermittelt den Kopf. In dem Augenblick hatte er eine weitere Idee. Aber ja, Zeldas Heilmittel würde ihm doch sicherlich helfen können. Links Mundwinkel zogen sich hinauf, als er das kleine Fläschchen in der Hand hatte. Er tropfte eine Perle auf seine Handinnenfläche und schluckte jene hinunter.

„Das hilft nicht“, sagte William. Überprüfend schaute Link wieder in den Spiegel, aber der junge Laundry hatte Recht. Es tat sich nichts.

„Aber warum denn nicht?“

„Weil das, was du hast, wohl keine Krankheit ist.“ Link senkte das Haupt und verstand. Er hatte Magie verwendet... unkontrollierbar verwendet... und das war das Resultat. Die Macht des Fragmentes hatte sich gegen ihn gerichtet... und ihm etwas genommen für eine andere unbezahlbare Gabe...
 

Als die beiden in den Gang traten, wo einige Schüler in Richtung des Klassenraumes von Newhead stürmten, bemerkte zunächst niemand, dass etwas nicht stimmte. Denn der Heroe lief mit gebücktem Rücken, hängenden Schultern und demutsvollen Kopf an anderen vorbei und keiner interessierte sich für seinen lausigen Zustand. Und er war es gewohnt...
 

Den Kopf auf der Schulbank saß Link im Raum von Newhead neben seinem Mitbewohner. Ein eigentümlicher Raum, rund, und der in die Höhe gezogene Eingang befand sich direkt hinter dem Lehrerpult und wurde wie ein Gesicht mit Haaren von zwei aufwendigen Gardinen verdeckt. Viele Dinge standen in dem Raum. Eigentümliche Schätze aus Hyrule in Vitrinen. Wills grüne Augen wanderten fasziniert zu jedem Gegenstand. Da waren Kompasse, Tauchutensilien, Zoraschuppen, magische Hanteln mit sprechender Fähigkeit, und von den meisten Waffen in Hyrule lag auch eine in den Glasbehältern oder hing an der grauen Steinwand.
 

Es war ein unglaubliches Grinsen mit dem Newhead vor den Schülern stand. Eine Faszination übte er aus, die jeder der Ritterjungen sofort bemerkte. Eine Faszination für sein eigenes Fach, eine Bereitschaft für den Kampf und die Liebe zum Schwert.

„Herrlicher Tag draußen, was?“, war der erste Satz, den Newhead sprach, als er einen Stapel Bücher auf den Tisch fallen ließ. Alle Schüler richteten die Aufmerksamkeit gespannt auf ihn. Gepflegt sah er aus. Gekleidet in einem saphirblauen, hylianischen Waffenrock...

„Einige von euch mögen mich vielleicht schon beim Namen kennen. Für diejenigen, die es nicht tun, mein Name ist ,Newhead’, klingt doppelt so streng wie ich bin“, meinte er und ließ sich gelassen mit den Armen auf dem Pult nieder. „Und nur halb so hohl wie ich bin“, setzte er hinzu, während einige der Schüler ihn interessiert und feixend musterten.

Seine Art irgendwie locker und angenehm. Seine undefinierbaren Augen schwenkten erfreut durch die Bankreihen, bis sie auf Link gerichtet blieben, der noch immer sein Gesicht verbergend den Kopf auf der Bank liegen hatte.

„Was gibt’s zu erzählen?“, meinte er, mehr zu sich, als zu der Klasse. „Ich selbst habe früher hier gelernt und der Praxisunterricht in allen Kampfkünsten war das Lieblingsfach der meisten, wohl, weil hier Dinge gelehrt werden, die über eure bisherigen Vorstellungen hinausgehen. Wenn ihr die höchste Prüfung hier im siebten Jahr abgelegt habt, werdet ihr mit allen Wassern gewaschen sein, soviel kann ich euch versprechen.“
 

Belustigt stützte er seine rechte Hand an das Kinn und murmelte: „Und auch die ein oder andere Blamage kann ich euch versprechen.“ Und Newheads Grinsen wurde breiter.

„Bevor wir mit dem Unterricht beginnen, hätte ich gerne einige Antworten von euch, darüber, was ihr von diesem Fach erwartet, was ihr euch versprecht.“ Aber niemand meldete sich zu Wort. Newhead runzelte die Stirn. „Na, ihr seid ja ein spontaner Haufen, was?“

Schulterzuckend hob Will seinen Arm. „Gute Noten.“, sagte er. Aber das überraschte Newhead, man sah es an seinem Blick. Denn für ihn waren jene zweitrangig. In erster Linie ging es hier um Spaß und das Abenteuer, welches in einem richtigen Ritterleben eher spärlich zufinden war.

„Gute Noten...“, äußerste der Lehrer gelangweilt. „Welch’ Schrecken... ein Schüler erwartet gute Noten? Ganz was neues“, lachte er und schaute wieder durch die Reihe.

„Was ist mit dir, Link. Was erwartest du von dem Fach?“, sagte Newhead und trat näher an die erste Bankreihe, wo er saß. Ohne den Kopf zu heben, murmelte der junge Heroe in den Stoff seiner Ärmel: „Eine Fähigkeit, mit der man Viktor den Kopf abhaken kann, ohne sich die Hände schmutzig zu machen.“ Auf diese Bemerkung fuhr Newhead vor lauter Lachen beinahe aus der Haut und einige Schüler kicherten.

„Okay, das war schon ganz gut.“

„Und du Mondrik Heagen? Was ist dein Ziel hier?“

„Ohne blaue Flecken und gebrochene Nase den Tag überstehen?“, flüsterte er nervös und sah errötet auf.

„Vortrefflich. Auch das ist ein Ziel.“ Alsdann taute das Eis und die Schüler berichteten frohlockend ihre Wünsche und äußerten alle möglichen Fertigkeiten, die sie sich von dem Studium erhofften.
 

„Nun dann, das, was dieses Fach bietet ist das Element eines jeden Abenteurers. Ihr werdet gefordert bis in die tiefsten Abgründe eurer Seele. Ihr werdet euch fürchten und ihr werdet versagen. Aber ihr werdet irgendwann auch siegen und auf die Herausforderungen stolz sein, die ihr gemeistert habt. Dieses Fach dient einem großen, allumfassenden Zweck, vielleicht dem einen Zweck, der euch auf einem Schlachtfeld gegen Horden von Feinden wirklich nutzen kann. Dem Zweck das zu stärken, was euch Hylianer von Dämonen unterscheidet. Dem Zweck euer Innerstes, eure Zielstrebigkeit, euren Einsatz und zu guter Letzt eine besondere Eigenschaft in dem Herzen eines wahren Kämpfers zu stärken. Dieses Fach ergreift Besitz, fordert und stärkt euren Mut.“ Voller Stolz gelangten jene Worte über Newheads Lippen, wie die Rede eines Königs. Erhaben und mächtig...

„Dieses Trimester werden der Kurs der Höhen und das Ausdauertraining angeboten. Ausdauer- die Vorteile der Hartnäckigkeit und natürlich verschiedene Aufträge, die ihr erledigen müsst, warten auf euch.“ Damit holte Newhead eine große Schale mit Dutzenden Zetteln aus einer der Glasvitrinen. „Hier sind verschieden Aufgaben vermerkt und jeder von Euch wird einen Zettel daraus ziehen. Einige Aufträge sind schwieriger, andere leichter, aber sie alle kosten Mühe und fordern euren Ehrgeiz, sowie Erfindergeist.“ Ein Schmunzeln gelangte über die Lippen der Lehrkraft. Mit großen Schritten lief Newhead durch die Bankreihen und er hielt jedem die Schale vor die Nase, damit sie ein Röllchen zogen.
 

Aufgeregt las sich jeder einen Auftrag durch, und achtete glücklicherweise nicht auf Newhead, der gerade dem faulenzenden Heroen die Schale vor die Nase setzte und ihm einen Stups in die Rippen gab. „Es wäre schön, wenn du ein wenig Aufmerksamkeit...“ Aber als Link den Kopf anhob und Nicholas die Augen sah, die nicht lebten, die verflucht waren, stockten seine Worte. Aufgeregt fisperte er: „Scheiße, was ist denn mit dir passiert?“ Link sah trübsinnig auf die Holzbank und schüttelte den Kopf.

„Zieh’ trotzdem einen Schnipsel, ja?“ Der unerkannte Heroe nickte lediglich, zog einen der Aufträge und las ihn zunächst nicht.

„Bleib’ nachher mal hier im Raum“, sagte Newhead so leise, dass es nicht mal Will gehört hatte.
 

„Noch etwas. Ich fordere von Euch, dass ihr diesen ersten Auftrag alleine bewältigt. Falls ihr Hilfe braucht, wendet euch zunächst an mich, bevor ihr euren Mitschülern die Arbeit überlasst. Das war’s dann für heute soweit. Macht euch von mir aus einen schönen Nachmittag. Denn davon werdet ihr bald nicht mehr allzu viele haben.“
 

Die Schüler packten ihre Sachen und stürmten zufrieden aus dem Raum. Will wollte seinen Kumpel Link am Arm zerren, aber jener ließ sich nicht darauf ein. „Geh’ schon mal... ich muss mit Newhead sprechen“, nuschelte Link auf die Schulbank und traute sich nicht, seinen müden Schädel mit den unfassbaren Zombieaugen anzuheben. Will tapste aus dem runden Raum, blieb aber neugierig neben der schmalen, langen Tür stehen, lauschend seine Fühler ausstreckend...
 

Als sich der Raum leerte, blieb Link weiterhin wie ein Häufchen Elend auf der Schulbank sitzen. Er schluchzte irgendetwas vor sich hin, begleitet von einer sich anbahnenden Wut. Newhead schob einen der Holzstühle zurecht und platzierte sich auffordernd vor dem unbekannten Heroen, der sich nicht traute jemanden mit seinen seltsamen Augen anzusehen. Der Lehrer legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter. Überrascht sah Link auf, noch mehr Verwirrung in den milchigglasigen Augen.

„Was ist geschehen, Link?“ Nicholas hatte vor einigen Tagen der Prinzessin persönlich versprochen, ein Auge auf den jungen Heroen zu haben... und nun hatte er zum zweiten Mal versagt... Schwindlers undefinierbare Augen glühten in einem Spektakel von Wut und Selbstverachtung auf.

„Ach, verdammt...“, murrte der Junge und riss sich den linken Handschuh hinab. „Dieses Mistding... ist einfach zu nichts zu gebrauchen“, schimpfte er. In dem Augenblick sah Will durch den Türspalt, konnte die Worte zwar nicht verstehen, hörte aber Aufregung aus dem Gespräch und konnte erkennen, dass Link sich aus irgendeinem Grund den linken Handschuh abgerissen hatte.
 

„Das Fragment?“, meinte Nicholas und verriet in dem Augenblick seine Identität, obwohl Link schon lange um Schwindlers wahres Gesicht wusste. „Was ist damit?“ Link sah trübsinnig auf und Nicholas bestaunte schockiert, aber auch irgendwie mit Bewunderung diese eigensinnige Augenfarbe, die sich nur schwach von dem umgebenden weiß abhob. Link trat an eines der Rundbogenfenster, blickte über die waldreiche Landschaft und erzählte leise: „Ich wurde heute in Viktors Büro bestellt und er glaubte, ich hätte einen Ring gestohlen... den Ring, der die Hand Hopfdingens zierte. Ich war zu versessen darauf, zu wissen, welchen Ring Viktor im Sinn hatte, welche mögliche Fähigkeit sich in dem Ring verbirgt... und so habe ich das Fragment benutzt, um mir mittels Zeitsprüngen Erinnerungen an diesen Ring zu beschaffen...“ Link drehte sich um und sah schwermütig zu Boden. „Ich habe das schon öfter ausprobiert... aber diesmal war es intensiver und dann...“ Er brach ab. Warum erzählte er Nicholas diese ganze Tragödie überhaupt? Konnte diesem Kerl doch egal sein, was mit ihm passiert war. Was kümmerte diesen Lehrer sein verfluchtes Schicksal?
 

Als der junge Heroe aufblickte, hatte er nichts anderes als ein verständnisvolles Grinsen vor sich, genau dasselbe Grinsen wie in der stinkenden Zelle Doomrents...

„Sieh’ das ganze doch nicht so dramatisch. Erst mal gibt es Schlimmeres, Kleiner. Und außerdem weißt du jetzt ein wenig mehr von deinem Fragment.“

„Na toll... Das hilft mir jetzt aber auch nicht, Nicholas“, bockte er und verschränkte die Arme. Erneut grinste der Kerl heftig. „Du hast es also herausgefunden? Mein Geheimnis?“

Link nickte. „Tja, ich hätte auch nichts anderes vom Helden der Zeit erwartet“, ergänzte Newhead und setzte ernster hinzu. „Jemand, den du sehr gut kennst, hat mir geholfen, eine neue Identität aufzubauen. Aber auch das muss Geheimnis bleiben, sonst bin ich echt am Arsch… Kann ich dir in der Hinsicht vertrauen?“

„Ich kann schweigen wie ein Grab...“

„Wenn dem so ist...“

„Aber dafür erzählst du niemandem, wer ich bin, sonst bin ich hier am Arsch!“, setze Link drauf. „In Ordnung.“ Und Schwindler gab dem jungen Kerl einen heftigen Klaps auf den blonden Schopf. „Noch eine Sache... wegen der Frau in meinem Büro...“, meinte Nicholas, auf einmal ein wenig verlegen, etwas, was überhaupt nicht zu ihm passte. Scham war es, was herausstach aus dem Bild dieses selbstbewussten Ritters.

„Behalte das bitte auch für dich.“

Link zuckte unwissend mit den Schultern. „Sicher.“ Er wusste sowieso nicht, wie er das, was an jenem Abend zwischen den beiden Hylianern abging, beschreiben sollte...
 

„Noch mal wegen dem Ring.“

„Ja?“ Und Link zog sich den Handschuh wieder über, bedeckte das im Moment blasse Fragment. „Kannst du ihn beschreiben?“

„Ja, dank des Fragmentes schon. Er passte an den Mittelfinger Hopfdingens rechter Hand, besaß eine kupferartige Farbe... aber es war kein mir bekanntes Metall, denn blaue Striemen zogen sich in dem Metall entlang. Und ich habe schon einmal einen Gegenstand gesehen, der dieses Metall hatte. Ich weiß aber im Moment nicht mehr, was es war.“

„Interessant.“ Nicholas führte bedächtig und grüblerisch eine Hand an seinen kurzen Bart.

„Ich werde Informationen dazu einholen.“, meinte er. Dann wanderten seine Augen scharf und fordernd zu denen Links. „Und du solltest unverzüglich Prinzessin Zelda aufsuchen, sie weiß sicherlich, was zu tun ist, um deine Augen wieder zu normalisieren.“
 

Doch dazu hatte Link keine Lust. Zelda wusste einfach zuviel... und dann würde sie wieder mit diesem Thema von Einsamkeit anfangen und ihm zu irgendetwas raten. Nein, diesmal nicht. Er war nicht auf die Hilfe einer Prinzessin angewiesen, dachte er, auch wenn sie seine Seelenverwandte war und sie einst viel Zeit miteinander verbracht hatten, er konnte sich nicht von Zelda bemuttern lassen. Das konnte und wollte er nicht.

Diesmal, schwor er sich, schaffte er es auch alleine...

Er war ihr ja dankbar für alles, was sie getan hatte, um ihn zurück auf einen Pfad des Lichtes zu bringen und er war ihr unendlich dankbar für ihre Anteilnahme, aber wenn er der Held der Zeit war, jener Auserkorene mit dem Fragment des Mutes, dann war es einfach seine Pflicht, die Proben des Schicksals alleine zu bewältigen... ohne Hilfe... und auch ohne Zelda...
 

„Das werde ich nicht“, sagte Link trocken und leicht bockig. „Ich bin nicht von Zelda abhängig.“ Irritiert sah Newhead drein. „Aber das hat doch niemand behauptet. Sie macht sich Sorgen um dich.“ Daraufhin verdrehte der Heroe die Augen, wo doch nur Nebel stand. „Und sie hat Angst um dich. Es ist wunderbar jemanden zu haben, der so empfindet“, sagte der Kerl. „Die Welt ist dann viel sonniger, wenn jemand da ist...“ Und Nicholas wand sich ebenso dem Fenster zu. „Wenn du ihre Zuneigung nicht willst, solltest du ihr das mitteilen. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass dies dein Wunsch ist.“ Und Link schwieg. Zelda hier... Zelda da... Link hatte während des gesamten Zeitkrieges und in Termina ständig an seine Prinzessin gedacht... Irgendwann war doch mal der Punkt angekommen, wo es reichte!

„Ich schaff’ das auch alleine“, murrte Link und trat in Richtung des Ausgangs.

„Aber deine wahre Stärke... bleibt dir dann untersagt, genau dann, wenn es niemanden gibt, für den du kämpfst, dem du vertraust...“ Erneut schwieg der Heroe und stand direkt vor der angelehnten Tür, wo Will dahinter hastig die Kurve kratzte.
 

„Und dabei dachte ich immer, der Held der Zeit und die Prinzessin des Schicksals wären Liebende“, meinte er und grinste schief. „Zumal sich Zeit und Schicksal wunderbar ergänzen…“ Wie angewurzelt stand der junge Heroe vor der langen Tür, fühlte sich wie im Schwebefieber. Sein Kopf rot angelaufen, als hätte er minutenlang die Atmung unterdrückt oder sich einen Sonnenbrand geholt. Erstarrt blickte er auf die Tür, fand den Gedanken schon fast unheimlich… Er und Zelda… ein Liebespaar? Niemals!

„Bist du von allen Göttern verlassen?“, schimpfte Link und breitete empört seine Arme aus. Niemals käme er auf den Dreh Zelda genauso wie andere, die sich ein Liebespaar nannten, die Zunge in den Rachen zu stecken. Das entzog sich einfach nur seinem Verständnis...

Aber der einstige Schwindler lachte nur gehässig und strich die Falten auf der Brust seines Waffenrockes zurecht. „Ja ja, Kleiner… ich verstehe schon“, grunzte er. „Auch du wirst gewisse Vorzüge irgendwann zu schätzen wissen. Glaub’ mir!“

Eingeschnappt drehte sich der Held wieder um und lief gen Ausgang.

„Wenn irgendetwas ist, dann wende dich bitte an mich“, sagte Nicholas noch und Link marschierte von dannen.
 

Inzwischen war der Abend gekommen... Die Jugendlichen in der geachteten Ritterschule saßen entweder fröhlich beisammen, oder –weniger wahrscheinlich- über ihren Aufgaben... Doch wenn man genau hinhörte, dann war etwas in der Schule anders... Eine sanfte Melodie wanderte Ohren und Herz verwöhnend durch das Gemäuer, eine Melodie, welche hier noch nie erklungen war... Und der rauschende Herbstwind untermauerte jene, verschleierte sie ein wenig mit ebenso viel Magie wie die Noten sie erzählten...

Unwissenheit spiegelten die Noten wieder. Unwissenheit über eigene Sehnsüchte, verborgene Wünsche, die sich in den Verstand eines fünfzehnjährigen Jungen hineingebrannt hatten, ohne, dass er es merkte. Die sanften Noten gaben mehr wieder als es der Spieler erlaubte...
 

Neugierig, woher die einfühlsamen Töne rührten, wanderte ein unwissendes, und häufig verspottetes Mädchen über den Innenhof. Ihre ungleichen Augen fasziniert auf der Suche nach dem Ursprung. Sie trat inmitten des Innenhofs, dort, wo das Mondlicht den Schatten der vielen, alten Linden abbildete. Ihr Gehör beflügelte sie, bezaubert von der Warmherzigkeit derartiger Töne einer Flöte, so dachte sie. Ein Wunderwerk, dachte sie... und vielleicht ein Heilmittel für gebrochene Herzen...

Ihre Augen, schattenhaft, wanderten zu den Türmen der Ritterschule, bis sie auf einem Dach eine dunkle Gestalt ausmachen konnte. Dort saß jemand und hatte eine Flöte in der Hand. Nur das Mondlicht offenbarte ihn, gab einen der jungen Ritteranwärter preis... sonst zeugten lediglich die dumpfen Flötentöne von seiner Anwesenheit...

Die Melodie wurde unruhiger und doch wärmte sie ihr irgendwie das Herz. Wärme in einer grausamen Welt wie es Hyrule für sie war. Wärme in den dunklen Nächten, wo sie sich verkommen, verbraucht und schmutzig fühlte...

Plötzlich raschelte es hinter ihrem Rücken. Reflexartig zog sie einen Dolch von ihrem Gürtel, hielt jenen schutzsuchend vor sich, aber nichts Bedrohliches, oder Unreines stand hinter ihr. Ein weiteres Mädchen musste es sein, was der schönen Melodie verfallen war. In dem Augenblick gab das silberne Mondlicht die schlanke Gestalt Arianas preis, die mit ihrem Samtkleid ebenso hier verweilte und sich an der Flöte erfreute... Sie kannte sogar das Lied, welches die jungen Kämpferhände spielten.
 

„Guten Abend. Genießt du auch das Spiel der Okarina?“, meinte die schwarzhaarige, geheimnisvolle Ariana zu dem Mädchen mit den gekräuselten, schulterlangen Haaren.

„Ja...“, meinte die andere lediglich und sah hinauf auf das Dach, wo der Junge immer noch auf seiner Flöte gedämpfte Töne erschuf.

„Es ist wunderschön... ich habe noch nie jemanden so schön Flöte spielen hören.“ Ariana trat näher und besah sich das andere Mädchen, ohne dass es jener offensichtlich war. Es reichte ein rechtschaffener Blick in ein ungleiches Augenpaar, welches man andeutungsweise im hellen Mondlicht erkennen konnte, und Ariana wusste um das Elend, welches dieses Mädchen mit sich herumtrug.

„Nun, es ist ja auch nicht ganz eine gewöhnliche Flöte... es ist eine Okarina“, sagte Ariana lächelnd und sie nahm an dem Blick teil, den jungen Heroen weit oben zu beobachten.

„Er kann das wirklich richtig schön...“, setzte Ariana hinzu.

„Wer ist er?“, meinte die Erstaunte. Ein Lächeln bildete sich auf dem Gesicht der Schmiedstochter. „Etwas Ganz Besonderes“, sagte Ariana leise und hörte auf den Schlag ihres Herzens...
 

Ariana trat näher und reichte der anderen die Hand. „Mein Name ist Ariana Blacksmith“, meinte sie freundlich. Verdutzt beäugte die andere jene Geste. Noch nie hatte jemand ihr die Hand gereicht, oder versucht mit ihr ins Gespräch zu kommen. „Ähm... mein Name ist... Midnehret...“ Zaghaft nahm jenes Mädchen die Hand Arianas an, fühlte einen leichten Druck und ein herzliches Schütteln ihrer Hand. „Schön dich kennen zulernen, Midnehret.“

„Ähm... danke...“ Und Ariana wusste endgültig über das wehleidige und verstoßene Mädchen Bescheid, ohne dies offenkundig darlegen zu wollen.

Sie hob ihren rechten Arm und deutete wieder auf das Dach. „Ich glaube, er wird jede Nacht spielen... oder fast jede...“

„Das ist schön. Ich glaube, ich würde es gerne jede Nacht anhören“, sagte Midnehret verträumt. „Wie kann man nur so schön spielen?“

„Ich glaube, genau dann... wenn man weiß, wie kostbar Glück ist“, sagte Ariana melancholisch. „Wir haben doch alle etwas, was wir verstecken... was wir wie einen Schatz hüten und manchmal, da verraten Hylianer mehr über ihre Sehnsüchte als sie wollen.“ Midnehret drehte sich neugierig zu der Schmiedstochter um und musterte ihre bernsteinfarbenen Augen, die im Mondlicht schillerten. „Du meinst, der Junge dort hat Sehnsucht?“, fragte sie.

„Ich glaube, er hat Sehnsüchte nach vielem, was anderen selbstverständlich ist.“

„Ich kenne das ebenso...“, meinte Midnehret und ließ das Haupt sinken.

„Wer kennt das nicht?“, erwiderte Ariana beherzt und grinste verschmitzt. „Irgendwo in uns... sind wir immer allein. Aber...“ Und Ariana schaute hoch zu dem Turm der Schule. „Irgendwo... leuchtet auch in dem unglücklichsten Herzen ein angenehmer Hoffnungsschimmer. Es kommt nur darauf an, den Augenblick zu erkennen und zu genießen.“ Ihre Worte so warm, so anteilnehmend. Midnehret lächelte mit den schmalen Lippen und schloss die tränenden, ungleichen Augen. Sie schluchzte, bedankte sich für das Gespräch und lief in die Quartiere der Mägde zurück.
 

Ariana aber folgte mit den Augen jedem Schritt, den das andere Mädchen tat. ,Keine Angst Midnehret. Eines Tages wirst du, selbst als verspottete Halbgerudo, mehr sein, mehr tun können als deine Erzeuger von dir erwartet hätten. Auch du bist besonders.’, dachte Ariana still und sah hinauf ans helle Himmelszelt. Ihre Augen tränten leicht als sie verbissen in das Mondlicht starrte, als sie die Sichel bewunderte, die der Mond heute annahm. Einer der Drachenboten, eine besonders große Vogelsorte Hyrules, flog in Richtung des Mondes, als die Okarinatöne endeten.
 

Der junge Heroe trat wenige Minuten später müde und ausgelaugt von dem langen Tag in sein Quartier. Seine Augen hatten sich immer noch nicht normalisiert und er selbst hatte seine unheimlichen Blicke nur durch Glück und Geschicklichkeit von nervenden Gemütern schützen können… Und morgen? Was sollte er morgen tun, wenn sich sein tiefblau nicht mehr neutralisierte? Er konnte schlecht den ganzen Tag mit gesenktem Haupt herumlaufen… zumal er morgen sofort das Anmelden zum Tanzunterricht nachholen müsste…
 

Aber Link musste einsehen, dass er einfach keine Wahl hatte, wenn er Hilfe nicht annehmen wollte. Im Moment jedenfalls blieb bloß die Hoffnung auf Besserung…
 

Als sich Link in seinem Quartier genauer umblickte, war aber etwas Besonderes in jenem Raum. Etwas, was hier nicht hingehörte. Auf seinem Nachttisch stand ein großes, dickes Marmeladenglas, randvoll gefüllt mit einer dunklen Konfitüre. Verwundert schaute der Held auf einen Zettel, der dabei lag. Eine ungewöhnliche Handschrift darauf erzählte Verwirrendes. „Keine Sorge, dummer Junge. Diese Marmelade ist für dich und ganz gewiss nicht vergiftet. Du kannst sie ruhig essen.“ Link zwinkerte und besann sich erstaunt auf die Vision heute früh... Die merkwürdige Frau darin hatte ihn so genannt.

„Du, dummer Junge...“

Ein trüber Morgen brach an. Hässliche Regenwolken umhüllten die Zinnen der berühmten Schule der Söhne des Schicksals und ihr reines Wasser spülte die letzten Spuren des Mordes von wenigen Stunden hinweg. Donner grollte von weiten, während Link vor offenem Fenster mit veränderten Augen Blitze am Horizont auszumachen schien. Er spürte ihre Energie, immer dann, wenn sie vom Himmel krachten und wenn er genau hinsah, fühlte und lauschte, konnte er gelegentlich den Zorn jener Götter vom Himmel wallen hören, die für einen heftigen Blitzsturm verantwortlich schienen.

Er war früh aufgewacht, beruhigt, von Zelda geträumt zu haben, auch wenn der Inhalt des Traumes nicht in seinen Erinnerungen verweilte. Sein Blick ging in Richtung der Mädchenschule und war unabsichtlich an jenen Spitzbogenfenstern angelangt, wo Ariana und Olindara schliefen. Vielleicht war es Arianas Ähnlichkeit mit Zelda... dass er diese Schmiedstochter so gut leiden konnte. Er stützte seine Hände ans Kinn und wünschte sich beinahe, Ariana würde aus dem Fenster schauen, ihm zu winken, eine Morgenbegrüßung schenken... alles nur, weil sie ihm irgendwie das kummervolle, einsame Herz wärmte... nicht mehr...
 

Gerade da sah der junge Held seinen Mitbewohner über den Innenhof hasten. Gekleidet in einer dunklen Regenkutte war Will vor sechs Uhr aufgebrochen um nach seinem Wolfshund zu sehen, sonderlich, dass er schon wieder zurück war.
 

Link schloss das Fenster, streifte das lange Hemd herab und trat vor den Spiegel. Ein magerer, einst so starker Körper spiegelte sich auf der Glasfläche. Dürre Beine. Der Oberkörper auch nur noch Haut und Knochen. Und dann die unheimlichen Augen... ohne Leben... verflucht...
 

Link trat vorsichtig an sein Bett und zog sich seine Schulbekleidung über.
 

Der Schnipsel mit dem Auftrag vom Allerleiunterricht purzelte lautlos über den Boden. Link lief dem gerollten Zettel hinterher und stoppte ihn mit einem nackten Fuß. Beinahe hätte er den Auftrag vergessen, den er doch wie andere Schüler erfüllen musste.

Er entrollte das Papierchen vorsichtig und las mit Bedacht die Schrift darauf.
 

„Berühmte Leute... Informiere dich über eindrucksvolle Persönlichkeiten Hyrules.“ Link zwinkerte... Was war das denn für ein Auftrag? Er hätte, weiß Nayru, ehrlich etwas... nun ja... abenteuerlicheres lieber getan. Und was hatte das mit dem Training, was Newhead unterrichtete, zu tun?
 

Murrend öffnete Will die Tür und hatte das Packet Fleischwurst, welches er heimlich aus der Küche stahl, wieder dabei. Ein schroffes ,Morgen’, erklang aus Wills schmalen Lippen.

Links Augenbrauen zogen sich irritiert nach oben und er packte den Schnipsel weg.

Wann hatte Will schon mal schlechte Laune? War es nicht eins seiner tollen Mottos, dass da lautete: Ein Laundry hatte niemals schlechte Laune?
 

Will pfefferte das Stück Fleisch in den Mülleimer und rang die vollgesogene Regenkutte aus.

„Wulf war nicht in der Hütte“, sagte er in harschem Tonfall. „Und ich mache mir extra die Mühe und schau’ nach dem Hund. Sauerei...“

Link zuckte mit den Schultern und begrüßte Will zunächst. „Wie wäre es, wenn du heute abend noch mal nach ihm schaust.“

„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig“, murrte er und prüfte mit seinen wachen grünen Augen die seltsame Farbe in Links Regenbogenhaut. Will trat näher, schnappte sich die Kerze vom Tisch und hielt diese an das irritierte Gesicht seines Kumpels. „Deine Augen sind nicht mehr weiß...“

„Was?“ Überrascht krallte sich Link den Spiegel auf seinem Nachttisch und schaute angestrengt hinein. Ja, Will mochte Recht haben: Seine Augen waren nicht mehr weiß. Aber seine Naturfarbe war trotzdem nicht wieder hergestellt. Wenn man genau hinblickte, war eine kleine Spur hellblau zusehen. Immerhin ein Fortschritt... Link atmete erleichtert aus. Das bedeutete, wenn er noch ein paar Tage warten würde, käme seine Augenfarbe von ganz alleine zurück. Bei Farore... ihm fiel gerade ein Steinfresser vom Herzen...

„Obwohl ich immer noch nicht verstehe, was mit dir passiert ist, Link“, meinte Will und packte seine Sachen für den Unterricht zusammen.
 

Eine gute Frage... jene nach dem Grund der Dinge... Aber nicht einmal der Held der Zeit würde ohne Hilfe die Antworten finden, welche auf derartige Fragen folgten. Zumindest schien sein Fragment in diesem Wirrwarr eine Rolle zu spielen. Und wenn er nicht demnächst achtsamer sein würde im Umgang mit dem Fragment, wäre eine Augenverfärbung vielleicht noch das Harmloseste, was einem Mächtigen wie ihm passieren konnte. Denn jede Macht hatte ihre Vorzüge, aber für ihre Vorzüge verlangte das Schicksal Gegenleistungen, ähnlich einer Waage, die im Gleichgewicht bleiben musste.
 

„Wir dürfen uns heute ein Übungsschwert bei Viktor aussuchen“, sagte Will, während er in seinem Schrank herumwühlte. Er sah kurz hinüber zu Link. „Da fällt mir ein... du musst doch vorher noch zu Lorraux wegen dem Tanzunterricht.“ Und Link klatschte sich genervt auf die Stirn. „Verdammt... das habe ich ja vollkommen vergessen.“

„Na, wenn du mich nicht hättest“, sagte Will und grinste schief. Und Will hatte Recht... es wurde Zeit, dass Link sich endlich für dessen gutgemeinten Ratschläge, für sein Vertrauen und seine Verschwiegenheit bedankte... Aber Worte des Dankes über die Lippen zu bringen, war eine Lebensleistung für den Helden der Zeit, also nickte Link nur, schaute trübsinnig zu Boden und lenkte vom Thema ab.
 

„Ähm... was ich dich noch fragen wollte...“, fing er an. Und der junge Kerl hüpfte zu seinem Bett und hielt das große, randvollgefüllte Marmeladenglas in seinen Händen. „Ist das vielleicht von Belle?“ Will schüttelte den Kopf. „Meine Mutter ist zwar ne gute Köchin und bereit auch selbst Marmelade zu, aber diese Riesengläser kenne ich nicht in unserem Haushalt.“ Neugierig nahm Will dem anderen Jugendlichen das Glas ab, öffnete den Verschluss, pfropfte eine Hand hinein und stopfte sich eine Portion in den Mund. Sofort bildete sich auf seinem Gesicht ein heißblütiges Verlangen nach mehr davon. „Himmel, das schmeckt zum Sterben lecker!“ Seine Stimme laut und begeistert. Cholerisch leckte er sich das süße Zeugs von den Fingern. „Herrlich, einfach nur herrlich!“

Link nahm ihm das Glas ab und probierte selbst. Tatsächlich schmeckte es unheimlich gut... aber Link konnte sich nicht erinnern, irgendwo im Leben schon einmal so etwas leckeres gegessen zu haben. Es war süß, aber hatte einen Geschmack wie die beste und cremigste hylianische Schokolade. Aus welcher hylianischen Frucht bereitete man so was leckeres zu? Wozu die Marmelade als Brotaufstrich verwenden? Die schmeckte so verdammt lecker, dass er das Glas am liebsten ganz verspeisen würde!
 

„Wer hat dir das Glas denn nun geschenkt?“, meinte Will. „Also meine Mutter war es bestimmt nicht!“ Link zuckte mit den Schultern, schraubte das Gefäß zu und versteckte es in seinem Kleiderschrank. „Mir hat noch nie jemand etwas geschenkt oder ohne Grund überlassen... deshalb frage ich mich... wer...“ Aber sofort biss er sich auf die Lippen und erstak die Worte mit Schmerz. Er wollte von William Laundry einfach nicht als kleiner, familienloser Jammerlappen eingeschätzt werden, der sich selbst dafür bemitleidete, keine Geschenke zu bekommen. Weder zum Fest der Göttinnen, noch zum Geburtstag... Aber selbst das war ein Problem für Link. Er konnte nur vermuten, dass er wirklich fünfzehn Jahre alt war. Seinen genauen Geburtstag kannte er nicht... in Kokiri hatte er immer nur den Tag gefeiert, an welchem er in das Dorf gekommen war... aber eben nicht als Geburtstag...

Der Dekubaum hatte ihm mitgeteilt, dass er mit großer Sicherheit fünfzehn Jahre alt war.
 

In dem Moment schallte ein Poltern von außerhalb und die Tür zu dem Quartier wurde erneut aufgestoßen. Ein ganzer Trupp Lehrer trat in den Raum, allen vorneweg Viktor mit schmierigem Grinsen.

„So, Jungs, Zimmerdurchsuchung. Ihr könnt verschwinden“, grunzte Viktor und hielt seine Hände protzend an die glänzende Ritterrüstung. Link verharrte an Ort und Stelle. Und Will marschierte aus dem Raum.

„Was ist, Heldchen? Schlechtes Gewissen?“ Link warf dem höhnenden Ritter einen giftigen Blick aus seinen neuen Augen zu und verschränkte die Arme. „Nicht so schlecht wie Eures sein sollte“, nuschelte Link zwischen seinen Lippen hervor. Verärgert starrte der Direktor aus seinen dunklen Augen. Es kümmerte ihn nicht die Bohne, weshalb dieser angebliche Heroe eine neue Augenfarbe hatte. Stattdessen machte er sich Gedanken um seinen Stolz. Er war es gewohnt, dass die Schüler ihn angstvoll achteten und keineswegs die Stirn bieten würden. „Dein großes Maul wird dir irgendwann den Hals brechen, Heldchen.“

„Nicht, bevor die Gerechtigkeit Eure Seele aus dem Körper reißt“, warf der Held zurück. Hitzköpfig wie eh und je... ohne zu überlegen und ohne an mögliche Konsequenzen zu denken. „Tja, wer sagt’s denn, du passt echt gut zu deiner vorlauten Prinzessin. Zieh’ Leine, oder du fliegst von der Schule.“ Grummelnd trat Link aus dem Raum und sah aus seinen Augenwinkeln gerade wie der kleine Professor Twerckfuss mit seinem langen, weißen Spitzbart in seinem Schrank herumwühlte. Nur gut, dass Link seine Okarina und das Heilmittel mit sich trug...
 

Will stand mit dem Rücken angelehnt an der Steinwand, hatte seine Arme verschränkt und blickte Link durchdringend aus seinen grünen Augen heraus. „Weißt du Link...“, fing er an und wand dem unbekannten Heroen den Rücken zu. „...manchmal denke ich, du unterschätzt deine gesamte Umgebung.“ Link zog die Augenbrauen bedenklich nach unten. „Du bist noch lange nicht so schweigsam wie du tust. Du machst dich verdächtig in deinen Handlungen und merkst es nicht einmal.“ Link schluckte die Spucke in seinem Mund zwanghaft herunter. „Und ich bin nicht so blöd, wie du mich einschätzt.“ Damit drehte sich Will wieder um und fixierte den Heroen mit eindringlichen, grünen Augen, Wills Gesicht todernst- so wie noch nie...

„Ich weiß dein größtes Geheimnis.“ Und der junge Laundry schaute plötzlich verschmitzt drein und ließ seinen Kopf auf eine Schulter sinken. Links Mund stand sprachlos offen. Will wusste es? Er wusste sein Geheimnis? Nicht in der Lage nachzudenken, befürchtete Link schon das Schlimmste. Er wurde todesbleich im Gesicht, wollte etwas sagen, aber unterband es, um nicht zu stottern. William trat näher und funkelte eindringlicher aus seinen schlauen, smaragdgrünen Augen.

„Du weißt...“ Die Ungläubigkeit in Links Gemüt brachte jeden Verstand zum Versagen...

„Ja, ich weiß es.“ Hau’ ab, sprach Link in Gedanken zu sich selbst. Verschwinde... Aber seine Füße waren vor Fassungslosigkeit mit dem Erdboden verschmolzen.

„Du weißt es also...“, brachte Link betäubt hervor.

„Ja, war ja nicht schwer“, sagte Will ruhig und standhaft. „Zumal du jede Nacht im Traum davon redest“, erklärte er dazu.

„Du weißt es also...“, wiederholte Link und stützte sich nun selbst an die Wand. Will wusste, wer der sogenannte, protzende, starke Held der Zeit war?

„Und wieso...“, sagte Link leise. Aber Will trat näher und hatte nun ein unverschämtes Grinsen im Gesicht. „Also wirklich, du hättest mir ja gleich verraten können, dass du die Prinzessin tatsächlich persönlich kennst. Ich hätte es auch nicht weiter erzählt!“

„Moment, du redest von Zelda?“

„Ja, du hirnlose Herzbeere, von was denn sonst?“ Erleichtert atmete Link aus. William meinte lediglich seine ungewöhnliche Freundschaft zu Zelda und nicht das Heldendasein... Schwein gehabt, dachte Link. Will gab Link einen Stups mit den Ellenbogen direkt in die Rippen. „Du bist also wirklich der Freund der Prinzessin“, eiferte Will. „Sag’ schon, wie hast du das angestellt?“ Link sah überrascht auf und verstand mal wieder nicht die Bohne von Wills Andeutungen. Er stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und grübelte. „Wie hast du es geschafft, die Prinzessin kennen zu lernen?“ Es war mehr als Neugierde in Williams Augen. Es war schon beinah Wahnsinn...

„Es hat sich so ergeben“, meinte Link gelangweilt, worauf Will ihm sofort einen Klaps auf den Hinterkopf gab. „Ich weiß inzwischen sehr gut, wann du nach Ausreden suchst“, lachte er. Der junge Heroe sah hinauf und wanderte mit den Augen langsam an der Decke entlang. Er wand sich in die Dunkelheit des Ganges. Symbolisch... denn schon damals, als der Wald hinter ihm lag, war es die Dunkelheit vor ihm, die Dunkelheit seiner Bestimmung, die ihn dazu anleitete, Zelda zu treffen, Ganondorf zu treffen...
 

Leise fing er an zu reden: „Als ich den Wald verlassen habe... ich meine Kokiri... war mein erster Weg in die Hauptstadt Hyrules. Die Leute erzählten von ihrem glücklichen Alltag, den ich nicht kannte, sie erzählten von Harkenia von Hyrule, dem König des Landes und sie erzählten von seiner Tochter.“ Er stoppte kurz und erinnerte sich mit leichtem Trübsinn an die alten Tage, wo er ansatzweise glücklich war. Glück... ja, in gewisser Weise war die Begegnung mit Zelda damals ein Bruchstück vom Glücklichsein...

„Ich hatte einen Auftrag vom Wächter des Kokiriwaldes...“, setzte er hinzu und wartete darauf, dass Will etwas sagte, etwas fragte, aber er schwieg und hörte aufmerksam zu. „Ich wollte die Prinzessin einfach treffen, aber ich hätte nicht gedacht, dass...“ Link stoppte. Denn seine Worte würden mehr verraten, als er selbst verstand. Beinahe hätte er die Wahrheit gesagt. ,Aber ich hätte nicht gedacht, dass... ich die Hylianerin treffen würde, für die ich mehr aufgeben sollte als ich verstehen kann...’

„Ich bin in der Hauptstadt umhergewandelt und habe sie dann dort getroffen. Ich wusste noch nicht einmal, dass sie die Prinzessin war.“ Er hatte beinahe ein Lächeln auf seinem blassen Gesicht.

„Und?“

„Was und?“

„Wie ging es weiter?“ William grinste schelmisch vor Aufregung. Das war besser als das neue Theater in der Hauptstadt Hyrules. Fehlten bloß noch die Schauspieler...

„Wir haben den Tag zusammen verbracht... bis... sie plötzlich verschwunden war...“

„Warum das denn?“

„Sie musste einfach weg. Ich wusste noch nicht einmal, wie sie hieß...“

„Und dann?“ Wills Augen wurden größer und größer.

„Ich wollte immerhin die Prinzessin treffen und dann habe ich mich ins Schloss geschlichen...“

„Voll cool. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich das auch mal versucht“, eiferte Will. „Und wie ist sie nun so?“ Link kratzte sich verlegen am Kopf, wollte schon sagen, dass sie einzigartig war, aber er wollte nicht zugeben, dass sie ihm am Herzen lag, also...

„Sie ist... temperamentvoll... ähm... hübsch... weise... und...“ Aber Will klopfte heimtückisch auf Links Schulter. „Jaja, ich weiß schon Bescheid, Link“, lachte der junge Laundry. „Du brauchst nichts mehr zu sagen...“ Damit lief Will die Arme hinter seinem Kopf und übel grinsend den dunklen Gang entlang.
 

Link sprintete so schnell es ging hinter ihm her und hielt ihn auf. „Aber bitte sag’ das nicht weiter...“ Er bettelte beinahe. Aber Will war diesmal uneinsichtig.

„Was? Warum denn? Wenn ich die Prinzessin kennen würde, würde ich damit angeben. Du bist einigen Jungs hier meterweit voraus!“

„Aber ich will nicht damit angeben!“, fauchte Link und kniff die Augen zu. „Ich kann es nicht ausstehen... wenn sich andere nur deswegen das Maul über mich zerreißen.“

Will klopfte wieder auf Links Schulter. Ein bärbeißiger Blick in den leuchtend grünen Augen. „Dich soll’ man erst mal verstehen.“

„Verdammt, ich fordere von dir, dass du das für dich behältst.“ Und Link fuhr wegen der Sache beinahe aus den Latschen. Verständlich, denn Zelda war die Elfe, mit der er sein Schicksal teilte. Er wollte nicht, dass andere damit eine übelriechende Gerüchteküche in Gang setzten.

„Kannst du das nicht verstehen? Zelda ist...“ Sie war das beste, was ihm jemals passiert war... Er wollte nicht, dass sich irgendjemand über seine Beziehung zu ihr mokierte... Seine Freundschaft zu ihr, seine erste Begegnung mit ihr, waren wie ein kleiner Schatz für Link gewesen, ein Schatz, den er mit allen Mitteln hüten wollte.

„Aber du könntest dafür geachtet werden.“ Links helle, nur schwach blaue Augen funkelten mit steigender Wut. „Ich will nicht geachtet werden für meine Freundschaft zu einer Prinzessin, Will. Wenn, dann dafür, was ich tue.“ Damit brach Link ab und sah zu Boden. Und Will seufzte laut. „Na gut, ich behalte es für mich, wie du meinst. Aber...“

Link rollte die Augen. Erneut eine Bedingung?

„Denk’ bitte dran, dass du mit mir trainieren wolltest, sobald es dir besser geht.“ Link nickte verschwiegen und Will begab sich zum Frühstück.
 

In dem Augenblick kam auch der Lehrertrupp wieder aus dem Zimmer der beiden Ritteranwärter gestiefelt, allen voran Viktor mit einem übel gelaunten Blick. Er hatte anscheinend nicht gefunden, was er suchte...

„Die Zimmerdurchsuchung ist gelaufen. Du kannst von Glück reden, dass du diesmal heil davon gekommen bist, Heldchen“, murrte der Direktor. Sie hatten also nichts gefunden, was Link auch gewundert hätte.

„Ist das eine Drohung?“, sagte Link giftig, ohne sich zurückzuhalten und erneut riskierte er ein lila Auge...

„Nein, nur ein gutgemeinter Hinweis“, lachte Viktor. Auffällig war, dass er mit irgendetwas in seiner Hand spielte. „Wer hat dir denn eigentlich den schönen Fluch auf den Hals gehetzt, mit dem du nun herummarschieren darfst?“, quiekte Viktor und deutete auf Links helle Augen. Link knisterte mit den Zähnen und ballte die Fäuste. ,Nein’, dachte er. ,Diesmal bringst du mich nicht zur Weißglut.’ Und Links Blick fiel wieder auf die rechte Hand des Kerls und endlich erkannte er den Gegenstand darin. Das war sein Kompass! Was zum Teufel wollte Viktor mit seinem Kompass?
 

Der Direktor trat an Link vorbei und war dabei sich fortzubegeben, als Link ihn in seinem Weg blockierte. „Ihr habt etwas, das nicht Euch gehört! Gebt’ mir sofort den Kompass zurück!“

„Nein, der ist beschlagnahmt.“

„Wie bitte?“ Und Link schüttelte vor Ungläubigkeit den Schädel.

„Das ist doch nur ein kaputter Kompass! Was willst du überhaupt damit!“, höhnte der Ritter.

„Mag sein, dass er kaputt ist, aber er gehört immer noch mir!“, sagte Link laut und eindringlich.

„Von jetzt an aber nicht mehr!“ Und Viktor stiefelte wieder weiter. Doch Link ließ sich in dem Moment diese ekelhaften Gemeinheiten nicht mehr bieten. Jähzorn und Hass erwachten in ihm und noch ehe er begriff, was er tat, hielt er dem Direktor einen scharfen Dolch vor die schiefe Nase, aus der dunkles Haar herausstach. „Nur weil Ihr hier der Direktor seid, habt Ihr noch lange nicht das Recht andere um ihren Besitz kommen zu lassen. Wie viele Schüler hier, habt ihr schon bestohlen!?“ Und beinahe verlor Link den letzten Rest Respekt.

„Du fühlst dich ja ungemein toll mit deinem kleinen Zahnstocherdolch, was? Hast du so die angeblichen Dämonen der alternativen Zeit in die Flucht geschlagen, Heldchen?“ Der Kerl hatte seinen Satz nicht zuende gesprochen, als er sich dem Dolch entzog und dem jungen Heroen einen unfairen Schlag direkt in die Magengegend verpasste. Mit einer derartigen Attacke hatte Link nicht gerechnet, er stolperte zurück und krümmte sich ein wenig vor Schmerzen.

„Für deine ungehobelte Respektlosigkeit mir gegenüber zahlst du!“, fauchte Viktor, zog in Sekundenschnelle sein starkes, breites Stahlschwert und holte mit einem zischenden Schlag aus, bereit dem unbekannten Heroen, die letzte Würde zu nehmen, bereit den Fünfzehnjährigen für alle Beleidigungen zahlen zu lassen, bereit zu töten...
 

Link wich nur knapp der scharfen Klinge aus, spürte die Luft vor der Klinge zurückweichen und stolperte nach hinten. Aber Viktor ließ nicht locker. Kraftvoll stieß er nach dem mitgenommenen Heroen, schlug ihm den Dolch aus der Hand und drängte ihn an die eiskalte Steinmauer. Viktors Blick war furchtlos und gefährlich. Keine Zweifel standen darin. Kein Gefühl...

Die Spitze der abgenutzten Klinge Viktors wanderte genüsslich an der Kehle Links entlang, der nicht einmal mit der Wimper zuckte. Er kannte dieses Spielchen. Viktor war schließlich nicht der erste, der ihn bedrohte oder das Leben entreißen wollte.

„Wenn ich dir den Hals durchschneide... ist nicht nur der Held der Zeit Geschichte“, zischte der Ritter. „Nein... denn dann ist die Zelda nur noch eine gebrochene Seele... und du merkst es nicht einmal...“ Links Blick wurde ruhiger, sanfter, als Zeldas Name fiel und er besann sich auf das, was hier gerade dabei war zu geschehen. Wollte er sich von einem hylianischen Ritter aufspießen lassen? ,Verdammt’, sagte er in Gedanken. ,Ich bin der Held der Zeit. Ich kann mich nicht so gehen lassen.’

Aber immer noch reagierte Link lethargisch, war wie erstarrt, wie dem Tode verfallen.
 

Plötzlich hasteten weitere Stiefel näher, allen voran Lord Aschwheel, der Humpelnde. Viktor ließ lachend die Klinge sinken und ignorierte die fragenden Gesichter des gesamten Lehrertrupps. „Was war hier los?“, sagte Aschwheel streng.

„Nichts“, erwiderte Viktor und seine dunklen Augen blitzten angewidert zu Aschwheel.

„Von wegen nichts“, mischte sich Link ein. „Er will mir meinen Kompass klauen.“ Und Aschwheel begutachtete jenen kleinen Kompass in Viktors Hand.

„Gebt ihm das wieder“, sagte er. Und Viktor lachte. „Ich habe ihn bloß für diesen Jungen aufgehoben. Kein Drama.“ Noch ein Grund, Viktor zu hassen, dachte Link. Zuerst hatte jener Kerl unehrenhafte Absichten und schließlich schmetterte er mit Lügen um sich, dass sich die Balken bogen. Das war kein Hylianer, dachte Link. Das war Aas...
 

Viktor rollte die Augen und ließ den Kompass einfach zu Boden fallen. Jener kullerte ein Stückchen und blieb dann direkt vor Links Füßen liegen.

Link hob ihn auf und sah den Lehrertrupp von dannen stiefeln. Viktor bildete das Schlusslicht und warf dem Heroen einen vielsagenden Blick zu, der da hieß: ,Es war nicht das erste und das letzte Mal, dass wir beide aneinander geraten. Du wirst dir wünschen, mir niemals begegnet zu sein...’
 

Als es still wurde in jenem dunklen Gang und das Feuer der Fackeln im Hintergrund knisterte, sprang mit einem Klick die Klappe des Kompass’ auf und Link erkannte.

Es war die Nadel in dem Kompass. Es war eine einfache Nadel.

Aufgeregt trat Link in den Schein der nächstbesten Fackel und überprüfte seine Vermutung. Die Nadel im Kompass bestand aus dem selben Metall wie der Ring Hopfdingens. Die gleiche Farbe... die gleichen blauen Striemen, die sich durch das Metall zogen.

Die Kompassnadel war also der Grund für Viktors Gier...
 

Nur wenige Minuten vor Unterrichtsbeginn hetzte Link die Gänge hinab, auf dem Weg zu dem Büro von Nicholas. Seinen kaputten Kompass mit der eingeschlagenen Glasscheibe hatte er fest in der Linken umkrallt.

Ohne zu klopfen stürmte Link in das Büro hinein und fand Nicholas laut schnarchend in seinem ledernen Chefsessel. Link schloss die Tür leiser als er sie geöffnet hatte, stemmte seine Hände auf dem antiken Schreibtisch ab und machte sich mit einem lauten Hüsteln bemerkbar.

„Nicholas!“, sagte der junge Heroe laut und eindringlich. Aber der Kerl grunzte nur und wackelte mit der Nase. Daraufhin wurde Link ein wenig missmutig und brüllte den Namen des Ritters schmerzhaft in dessen rechten Ohr. Schwindlers Kopf schoss nach oben und seine undefinierbaren Augen starrten mit klarer Offenheit in die mittlerweile hellblauen des jungen Heroen.

„Scheiße, was’n los!“, röhrte er. Aber Link grinste bloß verschmitzt, ließ sich schnaubend auf den gepolsterten Stuhl vor Newheads Nase sinken und legte den Kompass geräuschvoll auf den Tisch.
 

„Was ist damit?“, murmelte Nicholas und wischte sich den Schlafsand aus den Augen.

„Kannst du den für mich aufbewahren?“, sagte Link und schaute zu Boden. Allein diese Bitte zu äußern, war mal wieder eine schwierige Hürde... Aber es ging hierbei schließlich nicht um Links Bedürfnisse, sondern um Viktors unhaltbare Gier...
 

Nicholas nahm den Kompass in die Hand und meinte: „Sicher kann ich das, wenn du mir dann noch verrätst, warum, weshalb, wieso...“ Seine undefinierbaren Augen durchbohrten Link fast mit Neugierde.

Link holte tief Luft und erklärte. „Wie du ja weißt, interessiert sich Viktor für den Ring Hopfdingens und deswegen hatte er eine Zimmerdurchsuchung bei Will und mir veranlasst.“

„In der Annahme, der Ring wäre dort“, ergänzte Schwindler für den Fünfzehnjährigen.

„Genau. Den Ring hat er nicht gefunden, dafür aber etwas anderes, das ihn interessiert und von Nutze ist.“ Und Link deutete auf den mitgenommenen Kompass.

„Den Kompass?“, erstaunte Nicholas. „Aber wieso?“

„Öffne die Klappe“, sagte Link auffordernd und wartete auf die Reaktion des Lehrers. Jener musterte den Innenraum, fand anscheinend nicht sofort die Erklärung für Links Aufsehen, durchdrang mit seinen scharfsinnigem Blick erneut die Augen Links und wollte wohl bis zu seinem Hinterkopf geheime Gedanken ausfindig machen, bis er sich wieder interessiert dem kleinen, runden Gegenstand widmete. Der junge Heroe konnte gerade zu erkennen, wie es in Nicholas’ Gemüt Klick machte und jener überrascht aufschaute.

„Die Kompassnadel!“, äußerte er aufgeregt.

Link nickte, erfreut, dass Newhead genau das sah, was er selbst vermutete. Der Ritter hielt den Kompass gegen das schimmernde Kerzenlicht und erkannte zufrieden das eigensinnige Metall, aus welchem auch Hopfdingens Ring bestand.
 

„Was mag das bedeuten?“, sagte Newhead, aber Link zuckte mit den Schultern. „Ich hatte gehofft, du könntest mir etwas darüber sagen, genauso... warum Viktor sich für dieses Metall interessiert.“ Newhead schloss die Klappe des Kompass’, versteckte jenen in einem Schreibtischfach, und schloss das Fach zur Absicherung zweimal ab.
 

„Nun... du nimmst doch wohl nicht an, dass Hopfdingen bloß wegen dem Ring umgebracht wurde“, sagte Newhead leise und rückte mit seinen eindringlichen Augen näher.

„Es ist immerhin eine Möglichkeit...“, erwiderte der Jüngere. Nicholas zupfte sich am Bart und ließ sich nachdenklich zurück in seinen Sessel sinken.

„Und Viktor wollte den Kompass, genauso wie diesen Ring, unbedingt“, setzte Link hinzu. Es war nicht schwer zu erkennen, was der junge Heroe dachte, vor allem auch, was er von Viktors abscheulicher Einstellung gegenüber dem Leben hielt.

„Link... Ich respektiere deinen Scharfsinn und deine Ideale, aber du nimmst doch nicht an, dass Viktor tatsächlich etwas mit dem Mord zu tun haben könnte.“

„Warum nicht?“
 

Nicholas undefinierbare Augen wurden trübsinniger und er schaute bewusst in das flimmernde Kerzenlicht. „Das sind schwere Verdächtigungen, die du da äußerst.“

„Es ist... wie gesagt, nur ein Verdacht...“, meinte Link, hüpfte auf die Beine und lief von einer Zimmerseite zur anderen. Auch Nicholas stand auf, lief zu Link hinüber und legte ihm beide Hände auf die schlappen Heldenschultern.

„Hör zu, ich weiß, dass Viktor ein Dreckskerl und ein mieser Vergewaltiger ist, aber dass er einen alten Greis in die ewigen Jagdgründe befördert nur wegen einem Ring, traue ich ihm einfach nicht zu.“ Er machte eine kurze Pause und sagte dann mit einem Grinsen. „Aber wenn du es herausfinden willst, dann werde ich der letzte sein, der dich daran hindert.“ Link nickte erfreut.

„Unter einer Bedingung.“

„Und die wäre?“

„Du teilst mir mit, was du herausgefunden hast.“

„Okay.“ Nicholas nahm den jungen, schüchternen Heroen dann in seinen Schwitzkasten und rubbelte ihm spielerisch wie ein großer Bruder über den blonden Schopf.
 

„So und jetzt gehst du am besten zum Unterricht, Link.“ Und Nicholas wollte den Heroen beinahe herausschmeißen. Er gab ihm einen Stups, sodass er sich zu Tür bewegte.

Doch bevor er die Tür schloss, schaute sein dreißigjähriger Schädel mit dem Stoppelbart durch den Türspalt. „Hey, da fällt mir ein. Hast du einen schönen Auftrag gezogen?“

Link drehte sich ermüdend um, schenkte ihm einen langweiligen Blick und sagte schon fast genervt. „Ich soll mich über berühmte Leute Hyrules informieren...“

„... und du findest das öde?“ Links Stimmte wurde lauter: „Ja... das kann doch jeder.“

Nicholas grinste. „Aber ich denke, dass dir mit diesem Auftrag nichts besseres passieren konnte.“

„Warum?“

„Du bist vielleicht ne hohle Nuss, Kleiner. Warum berichtest du nicht über den Helden der Zeit. Das ist doch deine leichteste Übung, was?“ Und der Ritter grinste erwartungsfroh. Aber für Link war daran nichts lustiges... Er hatte keine Lust seine eigene Popularität in irgendeiner Weise als Mittel zum Zweck auszunutzen.... Zumal er in letzter Zeit nichts von seinem Titel hielt und nicht beweisen konnte, welche Stärke in ihm ruhte. Nicht mit den seltsamen Anfällen. Nicht mit der belastenden Depressivität der letzten Wochen.
 

„Aber ich wollte etwas... Abenteuerlicheres... Und außerdem habe ich keine Lust über mich selbst zu schreiben...“ Nicholas hob die Augenbrauen, kratzte sich am Bart und grübelte. „Mmh... Wenn das so ist. Warum nimmst du nicht einfach Arn Fearlesst.“

„Arn Fearlesst?“

„Jo, genau den.“

„Aber warum denn?“ Und Nicholas’ undefinierbare Augen verengten sich mit ausgesprochener Hinterlistigkeit. „Das findest du heraus, wenn du dich über ihn informierst.“ Link schnaubte und wirkte skeptisch.

„Nun guck’ nicht so. Arn Fearlesst war einst der berühmteste Ritter Hyrules. Außerdem war er Linkshänder, genau wie du. Vielleicht kannst du dich in irgendeiner Weise mit ihm identifizieren.“

„Er war berühmt?“ Nicholas nickte grinsend. „Ja, aber das wirst du schon herausfinden, du hast ja schließlich noch genug Zeit für deinen Auftrag. Jetzt geh’ am besten zum Unterricht, oder Viktor erteilt dir ärgerliche Nachhilfe.“ Link nickte mehrmals, bedankte sich und lief die Gänge wieder hinab, bereit für das langweilige Schwerttraining, wo er bisher nicht zeigen konnte, was in ihm steckte.
 

Er hoffte bloß, Viktor würde nicht irgendwann verlangen, dass er gegen ihn antrat, oder er würde sich anmaßen, Links Geheimnis herumzuposaunen... Denn sein großes Geheimnis der Held der Zeit zu sein, könnte neben Bewunderung noch dazu führen, dass er mächtig auf die Schnauze fiel...
 

Inzwischen rückte Mittag näher und Link wanderte gerade mit ausgestreckten Armen, zugekniffenen Augen und einer einzigartigen Beruhigung in seinem ansehnlichen Gesicht durch die dichten Wäldern im Umkreis der Ritterschule.

Sein Ziel war der nahegelegenen Friedhof, wo der Hausmeister Hopfdingen nach hylianischen Bräuchen bestattet wurde. Und doch fühlte sich Link im Augenblick entspannt, ruhig, beinahe wieder zuversichtlich genug für eine neue Zukunft in dem Land seiner Vorfahren... und alles nur, weil er das Gefühl hatte, eine große Aufgabe wartete auf ihn, das Gefühl, endlich dabei zu sein, einen Platz zu finden, wo es sich die nächsten Jahre aushalten ließ.

Und wenn sein Geheimnis ans Licht käme, so hatte dieses nicht nur Nachteile, wie er zu Beginn der Schule dachte, nein, vielleicht war dann der Tag gekommen, wo auch er den Respekt erhalten würde, der ihm zustand...
 

Die Sonnenstrahlen brachen durch die Baumkronen, wenngleich ein heftiger, stürmischer Herbstwind die goldgefärbten Blätter rascheln ließ. Ab und an fiel ein buntgefärbtes Blatt auf seinen blonden Schopf, die er ignorierte. Ab und an stolperte der junge Heroe über einige Wurzeln von Bäumen des Trampelpfades, die ihn nicht kümmerten. Und ab und an hörte er die Tiere in den Wäldern vor ihrem Winterschlaf kommunizieren...
 

Es mochte der Sonnenschein sein, der den jungen Helden die Kümmernis der letzten Tage im Augenblick vergessen ließ. Oder es war einfach nur die Tatsache, dass er in Nicholas, obwohl er noch nicht einmal dessen Nachname wusste, jemanden getroffen hatte, der ihm nicht einmal unähnlich war...
 

Zufrieden hüpfte der junge Heroe über einen kleinen Bach, erfreute sich weiterhin am blauen Himmel, von dem sehr bald weiße Flocken rieseln würden. Und je länger er dem Weg folgte, sich an sein Schicksal erinnerte, erinnerte, wer er war, umso stärker wurde der plötzlich Wunsch, den grausamen Geschehnissen der letzten Zeit auf den Grund zu gehen, auch wenn man sein Einmischen möglicherweise nicht gut halten würde und es Gesellen gab, die ihm dies mit allen Mitteln verbieten wollten.

Zum Trotz, dachte Link. Er würde herausfinden, was in jenem halben Jahr geschehen war, dass aus ihm einen solchen Schwächling und Jammerlappen gemacht hatte. Er würde die Geschundenen der Macht in ihrem widerlichen Treiben stoppen und letztlich den ekelhaften Mord an Hopfdingen rächen.
 

Nach einer halben Stunde, kam er mit einem halbherzigen Grinsen am Ort seiner Bestimmung an. Auf einem grünen Hügel, umgeben von wenigen mittlerweile kahlen Bäumen, lagen vereinzelte Gräber mit sehr hohen Grabsteinen, die teils schon mit Moos und der Blume des Todes überwuchert waren...

Mit einigem Kraftaufwand schob der junge Heroe ein hohes, verrostetes Eisentor auf, welches entsetzlich quietschte und trat die Hände in den Hosentaschen verbergend in den alten Friedhof ein.

Auf den meisten Gräbern standen keine Namen und einige der hohen Grabsteine waren zerrüttet, abgetragen und andere in sich zusammengefallen. Link schlich bewundernd über die wenigen kleinen Kieswege, rechts und links mit dichten Hecken umgeben und sah von Weitem eine kleine Elfengruppe, die um einen typischen menschenförmigen, hylianischen Sarg herumstanden.
 

Link stiefelte näher und erkannte überraschend eine weitere, vertraute Person, die direkt vor dem Sarg stand und aus einem zerflederten Buch Texte aus Hyrules langer Mythologie hervorlas. Eine blasse Gestalt. Geisterhaft... Ein langer orangefarbener Umhang mit hylianischem Stickmuster an den Ärmeln bedeckte den alten, verstorbenen Körper jenes Geistes, der häufig auch in der Zitadelle der Zeit wandelte. Rauru... es war Rauru... der Weise des Lichts. Hatte man ihn gebeten, eine Rede für Hopfdingen zu arrangieren? Raurus grünblaue Augen schwenkten erfreut zu Link, der als Begrüßung ein Nicken ausführte.
 

Link schaute dann zaghaft zu den Gesichtern der kleinen Gesellschaft, erkannte Will, Nicholas und einige Lehrer aus der Schule. Nur eine weitere Hylianerin hätte er hier nicht erwartet: Ariana Blacksmith stand mit einer weißen, langen Tunika und grünem Umhang nicht weit neben Will und schenkte dem unbekannten Heroen ein angenehmes Lächeln, als er näher trat. Sie sah schön aus, dachte Link spontan. Ihr pechschwarzes langes Haar wie so oft geflochten... aber zwei dickere Strähnen liefen vor ihren Elfenohren hinab. Und ihre Bekleidung war ebenso irgendwie neu für Link. Eine Tunika mit langen, engen Ärmeln und dazu trug Ariana zwei außerordentlich lange Stiefeln... aber toll sah das aus, dachte er.
 

„Hey, Will...“, begrüßte Link seinen Kumpel, worauf jener ihm auf die Schulter klopfte.

„Hallo...“, murmelte Ariana und schaute scheu weg. Link wiederholte ihr albernes Hallo und schabte mit den Stiefeln auf dem Boden herum, wobei sich der ausgefuchste, schlaue Laundryjunge seinen Teil bei dem Verhalten der beiden Hylianer dachte.
 

Link wand sich verwundert zu Ariana und sagte leise: „Mit dir hätte ich hier nicht gerechnet...“

„Ich mit dir schon“, meinte sie und schaute dann erschrocken in seine hellblauen Augen. Sie rückte näher und legte beide Hände auf beider seiner blassen Wangen.

„Deine Augen...“, sagte sie besorgt. Er schaute nieder und ihm stockte der Atem.

„Ich hab’ einen Fehler gemacht...“, murmelte er schließlich. Er wollte ausweichen, flüchten, aber Ariana blieb hartnäckig und zwang ihn dazu, ihr in die bernsteinfarbenen Augen zu sehen. Sie kannte dieses Spielchen, aber sie würde ihn nicht einfach so weglaufen lassen.

„Seit wann ist das schon so?“

„Seit gestern...“

„Und war es schon schlimmer?“
 

In dem Augenblick mischte sich Will ein, worauf Ariana ihre Hände von Links Wangen gleiten ließ. „Ja, gestern waren sie noch fast weiß.“ Die junge Schmiedstochter runzelte besorgt die Stirn und meinte trockener: „Warum hast du niemanden um Hilfe gebeten?“ Link hörte eine leichte Wut und Beklemmung aus ihrer sonst so fröhlichen, vorwitzigen Stimme. Sie war verärgert und irgendwie enttäuscht, auch wenn Link keine Ahnung hatte wieso. Link schwieg dazu. Wen sollte er denn um Hilfe bitten? Und warum? Er war ein Held... er konnte sich nicht ständig von jemandem bemuttern lassen...

„Du warst mal wieder zu stolz dafür. Welch’ Wunder...“, schloss sie ab, verschränkte die Arme missbilligend und blickte zu Rauru, der in jenem Moment um Ruhe bat.
 

Link schüttelte bloß den Kopf. Entweder kannte Ariana ihn wirklich, oder aber sie bildete sich ziemlich viel auf ihre Klugheit und Menschenkenntnis ein...
 

Alle Anwesenden schwiegen und Rauru ließ trauernde Worte über seine blassen Lippen gleiten:
 

„Einst regneten Sterne vom Himmel wie jene Seelen Hyrules, die ihr Zuhause verließen um des Schicksals Willen. Einst leugneten Unmenschen ihre Herkunft für vergessene Hoffnungen. Und sowohl damals auch heute werden Seelen gegen ihren Willen aus dem Leben gerissen, das sie erfüllte, das sie besänftigte und erfreute...

Ihr vergessenen, geschundenen Seelen... Vergebt dem Schicksal, da es euch leiden ließ. Verzeiht der Welt für die Grausamkeit, die sie euch zuteil werden ließ...

Und so verzeih’ auch du, gebrochene Seele, die Grausamkeit, mit der man dich der Welt entriss... So lasst uns hoffen, dass jene Welt, in der die Seele des unschuldigen Verstorbenen eintritt, eine bessere ist als jene, die sie zurückließ.“
 

Als man Hopfdingens Sarg in die Erde sinken ließ, war es Ariana, die mit leisen Schritten näher trat, und drei weiße Blüten, die Blume der Unvergessenen, auf das dunkle Holz des Sarges fallen ließ. Sie flüsterte: „Drei weiße Blüten... eine für den Mut, eine neue Welt ohne Gesetze und Zeit kennen zulernen, eine für Weisheit, ruhen zu lassen, was eingeschlafen ist und zu vergessen, und die dritte für die Kraft, die Erinnerung an das einstige Leben eine Erinnerung bleiben zu lassen und einen Neuanfang zu schaffen... Lebt’ wohl, Hopfdingen...“
 

Und ihre Stimme schallte sanft umher, ließ die Worte des Lebewohls leise ausklingen und streichelte die Sinne mit verwöhnender Einfühlsamkeit...

Die hylianische Trauerfeier und Hopfdingen verschwanden mit den ruhigen Abendstunden langsam aus den Gemütern der jungen Schüler und vielleicht würde sein rätselhafter Tod erst dann wieder von Bedeutung sein, wenn alte Geschichten zurück ins Leben gerufen werden mussten. Hylianer vergaßen und erinnerten sich irgendwann mit schauriger Gewissheit wieder an das, was in ihrer Vergangenheit lag, dann, wenn die heile Scheinwelt bröselte...
 

Nur Link grübelte verbissen über Hopfdingen nach, erinnerte diesen klumpigen Ring und seinen Kompass mit einer merkwürdigen Gewissheit, dass diese Dinge von Bedeutung sein würden in naher Zukunft. Er wusste es einfach... Er wusste es...
 

Erschöpft saß er mit William in der Bibliothek am Ende des Ganges, wo sein Schlafquartier lag. Er hatte ein Buch vor seiner Nase aufgeschlagen, aber las nicht, sondern starrte wie in Trance auf die vielen hylianischen Schriftzeichen. Die Feder in seiner Hand musste bereits ausgetrocknet sein, während er weiterhin in Gedanken schwebte und keineswegs den Inhalt des Buches verstand.
 

Seine Augen waren mittlerweile wieder fast zurück zu ihrem Ursprung, beinahe das gleiche tiefblau wie es einst gewesen war. Und ihr rätselhaftes Flimmern im Kerzenlicht zeugte von der einstigen Natur des trübsinnigen, sehnsüchtigen Heroen, der aus dem Kindsein auf so schändliche Weise herausgerissen wurde. Gebannt schaute Link dem Flackern der Kerze zu, erinnerte sich an einige Worte Shieks, der Hyrules Sonnenlicht mit dem eine Kerze verglichen hatte. Auch Hyrules Sonnenlicht war gebunden an ein unhaltbares Gleichgewicht... Und ebenso wie eine einfache Elfenhand das Licht der Kerze mit zwei Fingern auslöschen konnte, so konnten jene, die Macht hatten, das Licht der Sonne mit purer Dunkelheit überschatten. Es war eine Warnung von den Lippen Shieks mit der geschenkten Macht behutsam umzugehen. Ein Warnung, die der junge Heroe erst jetzt wieder erinnerte...
 

„Hüte dich vor der Macht in dir selbst...“, flüsterte Shieks untypische, helle Stimme. „Hüte dich...“
 

Link schüttelte mit dem Kopf... Irgendwie traurig, dass er sich erst jetzt wieder an Shieks Worte erinnerte, jetzt, da er sein Fragment falsch, zum Unwohl seiner selbst, eingesetzt hatte... Und was ihm Shiek nicht alles über die Macht des Mutes erzählt hatte. Damals bei einem Lagerfeuer in purer Wildnis, wo eine verhüllte Zelda ihm Gesellschaft geleistet hatte. Schon damals hatte sie gespürt, wann er jemanden brauchte, ein wenig Gesellschaft genoss und die Anwesenheit eines Freundes nötig hatte.
 

Sie erzählte ihm in der alternativen Zukunft alles mögliche über das Fragment des Mutes, noch bevor er wusste, dass er es trug. Sie redete von Heilkräften, einem Licht im Dunklen und sie meinte auch, es könne denjenigen, die in seiner Nähe verweilten, ebenso mit mehr Mut ausstatten, wenn der Träger es wollte. Aber viele, eigentlich fast alle der Fähigkeiten waren Link bisher noch unbekannt. Fähigkeiten wie Schockwellen und magische Flüche, die nur mit dem Fragment des Mutes möglich wären. All diese hatte er noch nicht entdeckt.

Doch einige der Gaben, die das Fragment mitbrachte, schreckten Link irgendwie ab. Dinge wie eine Gedankenmanipulation oder sogar Schweben...

Auch, wenn Zelda meinte, diese Dinge würden ihm zustehen, er würde wissen, wie er sie kontrollieren könnte und nur er hätte ein Herz, das rein genug war, um mit einer solchen Macht tausender Gesichter umzugehen...

Ja, Zelda hatte immer Zuversicht gezeigt. Sie hatte ihm immer vertraut...
 

Er hatte Sehnsucht, das spürte er im Augenblick, Sehnsucht nach Zelda, auch wenn er immer dachte, es sei falsch an sie zu denken, es sei falsch, sich ein wenig Wärme und Zuneigung von ihr zu wünschen. Und trotz allem hatte er nun unglaubliche Sehnsucht nach ihren Worten und ihren Augen. Sie waren blau... das einzige, was er wusste, aber wie sie aussahen, was in ihren Augen lag... all’ das schien wie verboten in seinen Gedanken. Er erinnerte sich einfach nicht daran, wie Zeldas Augen aussahen, traute sich aber aus irgendeinem Grund nicht, mit einem Blick in ihre Augen die Erinnerung aufzufrischen.

Das konnte doch nicht sein, dachte er. Wie stupide! Er wusste einfach nicht mehr, wie ihre Augen aussahen, obwohl sie so viel zusammen durchgestanden hatten, obwohl sie doch über ihr Schicksal verbunden waren. Er hatte es schlichtweg vergessen. Aber stimmte das?
 

Vergessen... etwas unabdingbares in einer magischen Welt wie Hyrule. Aber vielleicht nicht in diesem Fall...
 

Mehr und mehr Entsetzen und Verwirrung machten sich in seinem Kopf breit. Er stützte seine Hände an den Kopf, rieb sich über die Stirn, aber er erinnerte einfach nicht Zeldas sanftmütige Augen, die so eindringlich in der Seele lesen konnten.
 

Link war enttäuscht... von sich selbst... und er hatte Zweifel, ob an dieser Vergesslichkeit nicht mehr dran war als er verstehen konnte...
 

Sicherlich konnten sich Hylianer nicht alles merken, nicht ein Gelehrter sollte alle wichtigen Ereignisse in seinem klugen Kopf behalten können. Aber Zeldas Augen waren doch immer ein Grund für ihn gewesen, weiterzugehen, zu kämpfen, die Hoffnung zu behalten und nun waren ihre Augen in seinen Erinnerungen leer... ausgelöscht... unwirklich...
 

Entsetzt starrte er weiterhin auf die Buchseiten, fand für seine Vergesslichkeit einfach keine Erklärung und hatte ein leichtes Angstgefühl um Zelda, wenn er daran dachte. Er konnte es immer noch nicht glauben. Er kannte Zeldas Augen nicht mehr...
 

„Will?“, sagte Link eindringlich, beinahe aufgeregt und drehte sich auf seinem Stuhl zu dem Kerl, der vor dem Kamin zwischen Büchern verzweifelte. „Jo? Probleme?“

„Das Mädchen in unserem Zimmer, du weißt schon, das blonde Mädchen mit den blauen Augen.“

„Ja, was ist denn mit ihr?“

„Kannst du dich an ihre Augen erinnern?“ Links Worte waren trocken wie abgestandenes Brot.

„Ja, warum?“ Link stand auf, lief in Wills Richtung und meinte beinahe befehlend: „Beschreib’ sie mir!“

„Wieso?“, äußerte der junge Laundry und runzelte die Stirn.

„Frag’ nicht, sondern beschreib’ sie mir!“, sagte Link forscher und ballte die Fäuste.

„Ich kann’s ja mal versuchen.“ Und Will blickte zu dem einzigen Fenster in der kleinen Bibliothek, wo man das Licht eines sehr schmalen Sichelmondes erkennen konnte.

„Es war irgendwie ein sehr kräftiges, leuchtendes Blau, genauso wenn der Himmel klar und rein ist. Ein schönes Blau, was ich bisher bei noch keiner Hylianerin gesehen habe.“ Link nickte und zwinkerte ein paar Mal, wollte, dass er sich an ihre Augen erinnerte, aber es ging einfach nicht. Da war irgendwie eine Blockade in seinem Kopf.
 

Er stützte sich auf dem Tisch ab, wo auch die kleine Kerze stand und schlug mit der linken Faust so kräftig darauf, dass die Kerze ungewöhnlich flackerte.

„Äh... Link?“, meinte Will vorsichtig und lief die wenigen Schritte zu ihm hinüber.

„Was?“, sagte er kurz und kräftig. Und schon wieder war sein merkwürdiger Mitbewohner dabei auf die eisige und grantige Schiene abzurutschen. William überlegte lange, wollte nichts falsches sagen und schwieg lieber als erneut in Links griesgrämiger Geheimniskiste herumzuwühlen.
 

Geräuschvoll ließ sich Link auf den Stuhl sinken und sagte wehleidig. „Ich erinnere ihre Augen einfach nicht mehr...“

„Na und? Wenn du sie triffst, dann siehst du sie wieder.“ Link wurde mit jeder Minute eisiger und wütender. „Verdammt, du verstehst das nicht. Nach allem, was ich mit ihr durchgestanden habe, ist es einfach nicht normal, dass ich mich nicht mehr an ihre Augen erinnere. Ich habe einfach... Panik... verrückt zu werden.“ Will steckte seine Hände in die Hosentaschen und schwieg. ,Das war es wohl’, dachte er. Dieser Satz musste typisch Link sein...
 

Er lief zum Fenster und sah drüben in der Mädchenschule noch Licht brennen.

„Ist sie so wichtig für dich?“

„Ja...“, sagte Link lispelnd, wünschte sich aber im selben Moment er hätte es nicht zugegeben.

Damit wand sich William zu ihm, seine grünen Augen glühten in der dämmrigen Atmosphäre der winzigen Bibliothek. „Ich muss dir was gestehen, Link.“ Und er holte tief Luft. „Ich hätte mir schon beinahe Hoffnungen gemacht.“ Links Gesicht verzog sich zu noch mehr Verwirrung als bisher.

„... ich habe gedacht, wenn ich herausfinden würde, wer sie ist... dann könnte ich mich näher mit ihr anfreunden. Sie ist irgendwie faszinierend und zieht einen sofort in einen magischen Bann... Aber anscheinend waren meine Hoffnungen überflüssig...“ Link hörte aufmerksam zu und doch begriff er nicht das, was Will andeutete.

„Warum? Du kannst sie doch immer noch kennen lernen.“

„Ja, aber nicht so wie ich es gerne gewollt hätte.“ Link sah zu Boden und folgte den Schatten, die jene rote Kerze im Raum mit den drei Bücherregalen warf.

„Aber noch ist ja nichts verloren, oder?“ Und William hatte gerade jetzt einen Schub der sogenannten Laundry- Angriffslust. Nur weil Link ein so enges Verhältnis zu dieser unbekannten Schönheit hatte, hieß das doch noch nicht, dass er keine Chance hatte.
 

Link zuckte mit den Schultern und pflanzte sich wieder vor das Buch, ärgerte sich aber weiter darüber, dass er Zeldas unglaublich angenehmen Augen mit den mildtätigen Blicken nicht mehr entsinnen konnte.
 

In dem Moment warf Will eines der Bücher gegen eine Wand und das Teil wurde aufgrund des Aufpralls zerfetzt. Link zog eine Augenbraue nach oben und hatte den kurzen Gedanken, dass nicht nur er einen Grund hatte, sich über sich selbst zu ärgern.

„Verdammter Auftrag... ich habe einfach die Schnauze voll davon.“

Link verstand sofort und wusste, dass Will ihm sicherlich gleich mitteilen würde, welchen tollen Auftrag er von Newhead erhalten hatte.

„Link, jetzt mal ernsthaft! Bist du mit deinem Auftrag zufrieden?“ Und jener schüttelte den Kopf. Will pflanzte sich neugierig ihm gegenüber und steckte die wissbegierige Laundrynase in das Buch, welches Link auf dem Tisch liegen hatte.

„Nein... mein Auftrag ist langweilig. Ich soll’ mich über berühmte Leute Hyrules informieren...“ Begriffsstutzig überdachte Will die Sache zweimal. „Wieso langweilig? Nimm’ doch den Helden der Zeit, Link.“

„Ich habe keine Lust über einen ausgesonderten, komischen Kauz zu schreiben, der besser kämpfen kann als der Rest der Schüler hier.“
 

Will überlegte langsam und ließ Links Worte auf der Zunge zergehen. Ausgesonderter Kauz... der besser kämpfen kann als andere...
 

Plötzlich lachte Will in einem so lauten, kreischenden Ton mit seiner tiefen Stimme, dass es jede Ratte aus den Löchern befördern hätte können.

„Weißt du, wie das gerade klang? Als ob du über dich selbst schreiben wolltest.“ Und Will lachte wieder, kam aber nicht auf den Dreh, dass er dem Helden der Zeit direkt gegenüber saß.

„Toll, du bezeichnest mich also als einen komischen Kauz...“

„Ja, das bist du.“ Link schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Bei Farore, nun mach’ aber halb lang. So schlimm bin ich auch wieder nicht.“

„Doch, genau das bist du.“

„Bin ich nicht!“ Link sagte jedes Wort langsam und energisch.

„Sogar Lilly, mein durchgeknalltes Schwesterchen, sagt das. Außerdem verhältst du dich genauso: Wie ein komischer Kauz mit einem Riesenrepertoire an Geheimnissen.“

Und Link gingen die Argumente aus. Wo Will Recht hatte, hatte er Recht. „Dann bin ich eben so...“, trotzte er. Und Will lachte herzlichst.
 

„Und was ist nun an deinem Thema das Problem?“, sagte Link, um seinen Mitbewohner von seinem komischen Lachanfall abzulenken.

„Ich soll die goldene Kralle einer Pteropia suchen. Und ich habe keine Ahnung, was eine Pteropia ist.“ Link grinste unverbesserlich und überlegte hinterlistig, ob er seinem verzweifelten Kumpel mitteilen sollte, um was es sich handelte, oder nicht... Denn er kannte sich eben mit jeglichen Geschöpfen Hyrules aus, hatte viele Wesen Hyrules legendärer Mythologie schon mit eigenem Auge gesehen und wusste um den Dämonenunrat in jener magischen Welt. Es war noch nicht lange her, dass er eine Pteropia gesehen hatte…
 

„Hast du schon in den Büchern nachgeguckt?“

„Ja… doch!“, meinte Will genervt. „Weder in dem dämonischen Lexikon steht was zu Pteropias, noch irgend woanders…“

„Dann ist dieses Lexikon unvollständig.“ Wills Augenbrauen zogen sich nach oben und er hatte schon wieder seine Verdächtigungen gegen Link.

„Womit wir wieder bei dem Thema wären. Du bist also tatsächlich ein Moblinjäger, sonst würdest du so etwas nicht behaupten können.“
 

Link wollte gerade auf Wills Spitzfindigkeit eingehen, als er an der gegenüberliegenden Wand etwas Unnatürliches beobachtete. Er sah die Schatten tanzen, die das Kerzenlicht erschuf und doch tanzte in der Kürze eines Augenblicks mehr an den Wänden als die Kerzenflamme zuließ. Link sprang auf und warf erschrocken den Stuhl um, auf dem er zuvor noch saß.

„Was ist denn?“, schnaubte Will und folgte dem ernsten Blick des unbekannten Heroen, wollte erkennen, welcher Grund seinen Kumpel aufhorchen ließ, wollte verstehen. Aber Link führte nur einen Zeigefinger an seine spröden Lippen und bat Will mit stummen Worten sich so leise wie möglich zu verhalten.
 

Das Licht der Kerze flackerte unruhiger, getragen vom gespenstischen Atem jener Dinge, die ein bloßes einfältiges, hylianisches Auge nicht sehen konnte. Will fühlte eine Gänsehaut, die über seinen Nacken lief, eine Form von Annäherung an Dunkles, was er bisher in seinem fünfzehnjährigen Leben nie gespürt hatte. Angstvoll landete seine rechte Hand über seinem Mund, um die Aufregung nicht Überhand nehmen zu lassen. Er schwieg mit Ehrfurcht. Er schwieg mit Entsetzen.

Vier Augen verweilten an der gegenüberliegenden Wand, als die Schatten jener Gegenstände sich im Zimmer ausbreiteten. Wie Tausende kleine Füße liefen Kreaturen die Wände hinauf, die sich dem Auge der Wirklichkeit entzogen.

Der junge Laundry fühlte schweren Schweiß an seiner Stirn, fühlte ein Vibrieren und Brennen in seinen Blutadern. Blut kochte… die Gefahr nahte…

Er wollte zum Schrei ansetzen, doch Link war schneller. Wie der Blitz hielt er seinem Kumpel den Mund zu und verfolgte mit sturem Blick geduldig das Treiben an den Wänden. Das Licht der Kerze wurde kleiner und fast erstarb es in einer unnatürlichen Atmosphäre von Hitze und Kälte, die sich in der kleinen Bibliothek abwechselten. Für eine Sekunde wanderten Links Augen, in denen sich Erfahrung und Furchtlosigkeit in den letzten Wochen so selten spiegelten, zu Will, dem der Atem stockte.
 

Ein Funken Mut schien in Links Blick zu zerbersten und Will verstand nur spärlich den Ausdruck von Macht und Gewissheit in dem eindrucksvollen Blau...

Die Schatten wanderten weiter, krochen hastig, als würden sie vor anderen Gefahren fliehen, in die vier Ecken des Raumes und wenn spitze Ohren genau zuhörten, dann sangen sie erneut ihr schauriges Lied von Qual und Hilflosigkeit. Sie zischten, bettelten vor den namenlosen Schrecken Hyrules, die sich noch weniger preisgeben würden, um Gnade.
 

Ohne Vorwarnung, so schnell wie sie gekommen waren, lösten sich die Schatten in den vier Ecken auf. Das Licht der Kerze warf seinen Schein sinnlich und wärmend in die kleine Bibliothek und alles schien so normal wie vorher.

In dem Moment platzte die Panik aus Wills Innerem, die er bisher so gut unterdrückt hatte. Er fluchte, sprang auf die Beine und lief kopfschüttelnd auf und ab.

„Beim Triforce... Was war das?“, kreischte er und fühlte sich, als wäre er lebendig in Zoras Reich begraben worden. Es fröstelte ihn. Himmel, es fröstelte ihn vor Angst. „Scheiße. Ich glaub’, ich zerfließe gleich vor Angst...“
 

Link ließ sich laut und träge ausatmend in den Stuhl zurückfallen, sodass jener quietschte und sagte ruhig: „Es sind Schatten ohne Ursprung... Schatten ohne Ursprung sind nie ein gutes Zeichen.“ Er zupfte sich am Kinn und starrte entschlossen zu seinem Schwert, welches abgestellt und unnütz in der Ecke stand.

„Ich kann immer noch nicht glauben, was gerade passiert ist...“, sagte Will. Seine Stimme zitterte. Seine Hände schwitzten und sein Puls raste... immer noch... und er wusste nicht, wie er sich jetzt beruhigen oder diese Nacht ruhig schlafen sollte. Er blickte zaghaft in den dunklen Gang außerhalb der gläsernen Tür, schaute zu dem eigenen Quartier und fragte sich, wie er am besten dort hingelangen könnte, ohne Angst vor dem eigenen Schatten haben zu müssen.

In dem Moment schrillte ein tosender Verzweiflungsschrei durch den Raum. Erschrocken drehte sich Will zu seinem merkwürdigen Mitbewohner, der wie wild geworden aufsprang, sich sein Schwert krallte und dieses auf den Rücken schnallte. Will kratzte sich verstört am Kopf und sagte schwächlich: „Du willst doch nicht etwa... dort... in die Dunkelheit?“ Und Wills langer Arm schwenkte ängstlich zu dem Gang.
 

„Hör’ zu, Will. Geh’ in unser Quartier und schließ’ die Tür ab, öffne sie erst wieder, wenn ich dreimal klopfe. Ich muss los...“ Wills smaragdgrüne Augen wurden größer mit jedem Wort besonders wegen den letzten dreien.

„Du musst los? Aber wohin denn?“ Links blaue Augen schwenkten zu Boden. „Ich muss etwas tun, ich muss einer Sache auf den Grund gehen.“

„Aber warum denn du? Das machen doch die Friedenswächter.“ An der Entschlossenheit in Links Gemüt nagten nun Zweifel und Ungeduld.

„Jawohl, Will... Siehst du irgendwo einen Friedenswächter?“ Noch ehe Will ihm antworten konnte, nahm Link ihm das Wort. „Nein... und ich habe keine Lust in der Nacht von lebenden Schatten überfallen zu werden. Ich muss etwas tun.“ Und der einstige Held der Zeit kam innerhalb von Sekundenbruchteilen zum Vorschein. Nachdenklich strich sich Link einige blonde Strähnen von der Stirn und setzte ernster hinzu. „Ich kann nicht einfach zusehen... Und wenn ich durch meine Nachforschungen herausfinde, welche Monster Hopfdingen auf dem Gewissen haben, zu welchem Zweck und mit welchem Sinn, dann hat das nichts mit Überheblichkeit und Übermut zu tun, sondern mit Pflichtgefühl...“ Link trat zwei Meter weiter in Richtung Glastür und legte die linke Hand auf den Türknauf. Er warf einen beinahe gespenstisch, unheimlichen Blick zu Will, untermauert mit einem sättigenden Grinsen.

„Bis später“, meinte er und lachte beinahe.

„Spinner...“, entgegnete Will und sah seinen Kumpel schließlich in der Dunkelheit verschwinden...
 

Furchtsam tapste Will mit Fackel und einem Messer, welches sein Vater ihm vermacht hatte, aus der kleinen Bibliothek heraus. Allein nach dem grusligen Ereignis durch einen düsteren Gang zu watscheln, zollte Mut und Überwindung. Und Link, dieser exzentrische Kerl, rannte einfach mit einem Schwert in der Hand drauf los. Mitten hinein in die Gefahr. Mitten hinein in den Schlammassel. Wo, beim Triforce, hatte er das bloß her? Seine Eltern mussten Magier sein, dachte Will. Und sein Vater musst vermutlich zu der Sorte Hylianer gehören, die erst handelten bevor sie nachdachten... Und Will konnte sich nicht vorstellen, dass Links überspanntes, hitzköpfiges Verhalten von anderen Einflüssen als dem Erbe herruhten.
 

Als Will vor der klapprigen Holztür in sein Quartier stand, den Riegel mit zitternder Hand hinunterschob und sofort nach Eintritt die Tür verschloss, entkam der erste erleichterte Seufzer seinem Mund. Er blies die Fackel aus und warf sich aufs Bett. Sein Blick ging zur Tür und er hatte für einen Augenblick die Hoffnung, sein Zimmergenosse würde klopfen...

Link war doch nicht mehr ganz dicht im Kopf, dachte Will. Erst hatte er ein scheinbar inniges Verhältnis zur Königstochter Hyrules, dann blieb er ruhig und gelassen, wenn sich Dämonen in der Schule aufhielten. Der führte sich beinahe auf wie jemand, der Hunderte Gefahren überwunden hatte. Wie jemand, der dem Bösen in die Augen gesehen hatte und daran nicht gebrochen war. Er verhielt sich beinahe wie ein... Held...
 

Will fiel aus dem Bett und landete schmerzhaft auf seiner langen Nase. Seine Augen aufgerissen und munter... So simpel klang dieses Wort. Held... ein Held...

Konnte es sein, dass sich Link nicht wie ein Moblinjäger, sondern wie ein Held benahm?
 

Eine unglaubliche Idee manifestierte sich in Wills Gedanken, auch wenn er nicht auf den Dreh kommen würde, Link deswegen auszufragen. Aber konnte es sein, dass Link jener Held war, über den die Hylianer ständig redeten? Und wenn es stimmte, dass der Held der Zeit an der Schule war. Wenn jener Heroe einer der Schüler war... wenn er tatsächlich...

Bei Farore, Nayru und Din... Was, wenn Link der Held der Legenden war?
 

Der junge Held tapste derweil entschieden in Richtung der Latrinen. Irgendetwas zog ihn wie magisch näher an den Ort des Schreckens... Er wollte lediglich herausfinden, ob es hier in der Nähe zu den Latrinen irgendwelche Zuflüchte gab... vielleicht auch Geheimgänge. Ganz egal, Hauptsache er fand irgendeinen Anhaltspunkt.
 

Während er weiterschlich, kam er einmal mehr an einem der vielen Schaukästen vorbei, wo Auszeichnungen lagen und glänzende Pokale standen. Link kratzte sich am Kinn und las den Namen Arn Fearlesst langsam, ließ ihn auf der Zunge zergehen. Vielleicht sollte er sich doch über ihn informieren, wenn er schon so berühmt gewesen sein sollte. Vielleicht konnte sich Link doch irgendwie mit ihm identifizieren. Die Idee über Arn Fearlesst zu schreiben war doch gar nicht mal so schlecht, dachte er. Wollen wir doch mal sehen, ob dieser Arn Fearlesst so gut kämpfen konnte, wie manche behaupteten.
 

Der Heroe schlich weiter, bis er an den Latrinen angekommen war. Behutsam klopfte Link dann mit dem Heft seines Schwertes die dunklen Steinwände ab. Immer wieder hörte er den gewöhnlichen Klang des Gemäuers, aber nirgends war etwas Verdächtiges.
 

„So unvorsichtig?“, sagte eine feste Stimme und eine starke Hand legte sich auf Links Schulter. Im Eifer des Gefechts wirbelte Link das Schwert herum, noch bevor er erkannte, wer hinter ihm stand. Zwei Klingen prallten mit rauer Gewalt aneinander und erst als der gesunde Stahl beider Waffen nicht mehr vibrierte, ließ Link das Schwert sinken.

„Valiant!“, hallte seine Stimme durch die Dunkelheit, worauf jener Adlige den Störenfried scherzhaft beäugte.

„Du solltest nicht so gedankenlos nachforschen, wenn du schon so wenig Vertrauen in die Friedenswachenden hast.“ Link steckte seine scharfe Klinge zurück in die metallene Schwertscheide und wand sich wieder den kalten Steinwänden zu. „Das ist es nicht... ich stelle nicht die Sachverständigkeit der Ritter Hyrules in Frage. Aber ich muss einfach handeln...“ Valiants hellgraue Augen verliehen der Nachdenklichkeit in seinem Blick einen tieferen Sinn. Link handelte aus Pflichtgefühl? Aus Treue?
 

Vielleicht hatte Valiant ihn doch unterschätzt, was seine Ideale betraf. Er wühlte in einem Päckchen herum und zauberte das kleine Kaleidoskop hervor. Aber Link beachtete Valiant mit keiner Silbe, sondern widmete sich geduldig seinem Vorhaben. Valiant hustete auffällig.

„Was?“, murmelte Link, ohne sich ablenken zu lassen. „Was ist denn?“

„Ich habe hier etwas für dich... von Zelda.“ Schnell und verwundert drehte sich Links Schädel und er erkannte das einstige Kinderspielzeug seiner Prinzessin.

„Von Zelda?“ Da war Milde und eine andersartige Form von Güte in Links Blick, auch wenn er die Augen gen Boden wand. Und Valiant verstand langsam... Link war nicht der grausame Held, den er sich immer vorgestellt hatte. Vielleicht war er in Zeldas Anwesenheit beinahe ein kleines Kind.

„Sie sagte mir, dass jenes Kaleidoskop das sichtbar macht, was zwar gesehen werden will, aber nicht darf... oder so ähnlich. Und, dass diese Linse im Inneren anders arbeitet als das Auge der Wahrheit.“

„Und ich soll das an mich nehmen?“ Valiant wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und nickte. Link packte den Gegenstand dankend in eine Tasche und widmete sich wieder seinem Tun.
 

Der junge Adlige stand zwei Meter weiter und beobachtete den Helden ausdauernd. Aber Link ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, schnüffelte weiter nach unsichtbaren Dingen, wollte den Wänden verborgene Geheimnisse entlocken...

Derweil verschränkte Valiant die Arme und hatte eigentlich nicht die Lust sich hier die Finger schmutzig zu machen. Er dachte an seine Cousine und ihr Glück. Er konnte Zelda nicht vor ihrem eigenen Dickschädel schützen, aber er konnte sie vor einem Heroen schützen, der sie irgendwann verletzen würde...
 

Er setzte seine Beine in Bewegung und sagte eindringlich: „Was ich dir noch raten will. Solltest du Zelda nur in irgendeiner Weise verletzen, ihr das Herz brechen oder sie zum Weinen bringen, werde ich dafür sorgen, dass du nie wieder einen Fuß in ihre Gegenwart setzt.“

Schockiert wand sich der junge Heroe zu dem Blaublütigen. „Wie bitte?“, stotterte Link und er blinzelte. Das bisschen Blut in seinem Gesicht verschwand und er wurde so bleich wie eine Hauswand.

„Du hast mich verstanden“, sagte Valiant kühl und durchbohrte mit seinen grauen Augen diejenigen Links. „Vielleicht weißt du es wirklich nicht... verstehst es nicht, ahnst es nicht, aber Zelda denkt ständig an dein Wohlbefinden. Und du bist so ignorant, es nicht einmal zu bemerken...“ Link war sprachlos. Valiant trat näher und verzog nicht eine Miene in seinem angespannten Gesicht. „Du solltest nicht denken, dass die Ritter Hyrules dir alle wohlgesonnen sind.“

„Das weiß ich selbst“, murrte Link.

„Gut. Ich meine, ich hab’ nichts gegen dich. Aber nur weil Zelda mir die Anweisung gab, dir zu helfen, heißt das nicht, dass ich dich in ihrer Gegenwart dulde.“ Link ballte die Fäuste und hatte plötzlich den unwiderruflichen Wunsch, Valiant das hochnäsige, eingebildete Maul einzuschlagen. Eigentlich hatte er ihn für einen guten Menschen gehalten. Aber diese Meinung änderte sich gerade in dieser Minute um eine ganze Achse...

„Keine Sorge...“, zischte Link enttäuscht. „Ich werde Eure schöne königliche Hoheit keineswegs belästigen... und auf Eure angebliche Hilfe kann ich auch verzichten.“

„Dann wäre das geklärt.“ Und der Adlige strich sich wieder das blonde Haar hinter ein Elfenohr und ließ die Drohung ein weiteres Mal über seine Lippen gleiten: „Halte dich von Zelda fern.“ Und der junge Prinz verschwand in der Dunkelheit.
 

Link aber trat wütend an die Steinwand, stemmte seine Hände dagegen und kniff die Augen zusammen. ,Halte dich von Zelda fern...’, schallte es in seinen Gedanken. Und der junge Heroe hatte nur zwei Gefühle darauf... Verzweiflung und Schmerz.

,Verdammt, das tat weh’, dachte er.
 

War das Zeldas Wunsch? Wollte sie, dass er sich in Zukunft nicht mehr bei ihr blicken ließ? Link konnte das nicht glauben, und noch weniger verstehen...

Sicherlich, er wusste, dass er sie verletzt hatte mit seiner fiesen Abweisung, seiner Kälte und den unüberlegten Worten aus seinem Mund. Aber vielleicht war es mehr ein Hilferuf gewesen, den nur Zelda verstehen konnte. Ein Hilferuf eines jungen Hylianers, der sich schämte jemanden direkt um Hilfe zu bitten...
 

Und warum sonst hätte sie ihn vor wenigen Tagen, nach seinem merkwürdigen Anfall, gepflegt, wenn sie ihm nicht helfen wollte, wenn sie diesen Hilferuf nicht verstanden hatte?
 

Traurig betrachtete sich der junge Heroe das Kaleidoskop seiner Prinzessin und erinnerte sich voller Demut daran, was sie sich einst versprochen hatten. Und gerade er war es, der jenes Versprechen mit Kälte und Abweisung zunichte gemacht hatte.
 

Er erinnerte sich genau an jenen Tag, als er von Zelda zurückgeschickt wurde im Fluss der Zeit. Er wusste jedes Gefühl, er besann sich auf jeden Blick seiner Prinzessin, als er mit elf Jahre altem Körper und einer kleinen sattgrünen Tunika vor dem jungen Antlitz der kleinen Prinzessin stand. So viele Empfindungen hatten jenen Augenblick begleitet. Ein wenig Angst, sie könnte ihn zurückweisen, weil er sie erneut besuchte. Ein Funken Mut für jenen glücklichen Moment, Nähe und Wärme einzufordern, die er in seinem erwachsenen Körper nie erhalten hatte. Ein wenig Hoffnung, Zelda würde ebenso die Erinnerungen an den Zeitkrieg behalten haben...

Und jede Empfindung wurde erfüllt... wurde belohnt...
 

Ein blonder Knabe mit wachen, tiefblauen Augen wandelte vorsichtig durch das sattgrüne, glänzende Gras. Lange Grashalme umspielten braune, alte Lederstiefel an den kleinen Füßen des Jungen, dem es fast schon sehnsüchtig nach Nähe und Wärme an diesem Ort verlangte. Träge und beinahe hypnotisiert bewegte er sich vorwärts, lief wie gesteuert durch jene alten, gepflegten Schlossgärten, die heute fast gar nicht bewacht wurden... denn es war Friedenszeit, jetzt, da der Junge ohne Fee jenen Frieden zurück in das alte Land seiner Urväter gebracht hatte. Niemand des einfältigen Volkes aber nur annähernd ahnte, dass einst der Himmel sich blutrot färbte und niemand je die glühenden, hassbeseelten Teufelsaugen gesehen hatte, die jenen Jungen nun für immer verfolgen würden...
 

Zaghaft erreichte er jenen Ort, mit dem alles begann...

Der kleine Schlosspark lag friedvoll und ohne Harm vor seinen ernsten Augen und auch das Mädchen, welches sein Schicksal teilte, stand davor... so wie immer blickte sie neugierig durch ein kleines Spitzbogenfenster um diejenigen, welche bei ihrem Vater, dem König Hyrules persönlich, Audienz ersuchten, zu beobachten. Sie war in Gedanken weit weg, zu fasziniert von den Gästen ihres Vaters, als dass sie den jungen Heroen bemerken würde...
 

Mittlerweile keimte Nervosität und Angst vor Zurückweisung in ihm auf, etwas, wovor er immer schon Angst hatte... eine kleine Schwäche in einem muterfüllten Herzen wie es jenes des Helden der Zeit war. Eine kleine Schwäche, die irgendwann an ihm zehren würde...
 

Er trat einen Schritt näher. Ein Rascheln in den gesunden Gräsern des Schlossgarten und die junge Prinzessin horchte sogleich auf. Ihr blondes Haupt richtete sich in die Höhe und doch blieb sie noch wenige Sekunden ihm den Rücken zugewandt stehen...
 

Beklemmung und Unruhe lagen in der Luft. Kleine Flüche, die zu der Beunruhigung in Links Gemüt beitrugen. Erinnerte sie sich nicht mehr? Oder warum drehte sie sich nicht endlich um? Er wollte schon etwas sagen, wollte die Beklemmung in seiner Kehle loswerden, aber er schaffte es einfach nicht, fühlte sich verwundbar und fast hilflos...

Ein nichthörbares Flüstern entkam seiner Kehle. Nur ein Name entkam seinen Lippen. Der Name, den er nie vergessen würde. Der Name einer Hylianerin, die ihm immer einen Grund geschenkt hatte, weiterzukämpfen und an das Gute zu glauben.
 

„Zelda?“, flüsterte er leise und stockend und endlich wand sie sich ihm entgegen. Ihre himmelblauen Augen spiegelten ein Spektakel aus Überraschung, Schock und Freude wieder. Und ein kleiner Funken darin sagte ihm leise, dass sie sich erinnerte, dass sie wusste, wer er war und warum er sich erneut in den Schlossgarten geschlichen hatte.
 

Er wollte nichts als sein Schicksal erfüllen und vielleicht einen Freund wiederhaben...
 

Sie starrten einander lange an, bis es schließlich Link war, der den Blick abwendete. Noch nicht sicher, ob sie wusste, noch nicht sicher, ob sie verstand...

Seine Kehle war immer noch leicht taub, vielleicht einfach nur erfreut, Zelda wiederzusehen. Vielleicht aber auch nur wegen seiner Feigheit, zuzugeben, dass ihn mehr als bloß das Schicksal zu ihr geführt hatte.
 

„Du erinnerst dich?“, murmelte er leise und steckte nervös die Hände in die Hosentaschen...

Einige weitere Sekunden verstrichen und immer noch rührte sich die junge Königstochter nicht, starrte ihren Heroen bloß schockiert an, bis sich endlich ein sanftes Lächeln auf ihrem Gesicht regte.

Links Augen begegneten ihren nur kurz, aber das Chaos der Gefühle in jenem Augenblick war unhaltbar und überwältigend.

Sie kniff die Augen zu und erst jetzt sah er die kristallenen, glitzernden Tränen an ihren Augenrändern schimmern. Ein leises, erleichtertes Auflachen huschte aus ihrem Mund und schließlich rannte sie mit ausgestreckten Armen auf ihn zu, haute den jungen Heroen beinahe um und suchte seine kindliche Umarmung.
 

„Du dussliger Held... wie könnte ich dich nur jemals vergessen?“, wimmerte ihre glockenhelle Stimme. Erleichtert und vielleicht sogar glücklich erwiderte er die Umarmung und zwei kleine Tränen tropften auch von seinen Augen. Beschämt deswegen wischte er sich das Wasser sofort von den Wangen und genoss die Wärme Zeldas, die er so noch nie erfahren hatte.

Sie rückte einige Zentimeter von ihm weg, lehnte ihre Stirn gegen seine und lächelte wieder. Er lächelte zurück... wie leicht es damals war, dass er Freude und Glück auf diese Weise ausdrücken konnte... damals... und das war vorüber...
 

Wenig später saßen die beiden Kinder des Schicksals auf der Steintreppe in jenem Schlossabteil und unterhielten sich, lachten zusammen, bis sie sich ein altes Versprechen gaben...
 

Zelda nahm seine linke, triforceverinnerlichte Hand in ihre beiden und sagte leise. „Ich möchte, dass du mir etwas versprichst, Link...“ Er nickte lediglich, ein wenig verlegen in seinem naiven, unschuldigen Herzen...

„Wenn einem von uns beiden das Schicksal mehr Bürden auferlegt als er ertragen könnte, so teilen wir diese... wenn du meine Hilfe brauchst... dann bitte sag’ es und zeig’ es mir...“ Sie lächelte tiefsinniger als vorher. „Versprich’ mir, dass wir immer für einander da sind...“

Und er war jenes Versprechen ohne Zweifel und ohne weitere Überlegungen eingegangen. Er hatte es sich gewünscht, dass sie für ihn da sein würde, wenn die Zeiten herb wurden. Und das kleine Kinderversprechen hatte ihm sein Herz gewärmt für das, was hinter ihm lag und vielleicht auch für das, was folgte.
 

Aber das, was sich ihm geräuschlos und bedrohlich angenähert hatte, schien genau jenes Versprechen in alle Winde geschlagen zu haben. Ein Versprechen mit soviel Bedeutung schien einfach vergessen...
 

„Versprich’ mir, dass wir immer für einander da sind...“ Ein Versprechen, dass nun gebrochen wurde. Ein Versprechen, an dem Böses nagte...
 

Mit stillen Zweifeln gedachte er den Zeiten von damals und fühlte sich mehr und mehr schuldig für seine Unfähigkeit Nähe zuzulassen.
 

Er betrachtete das weiße Kaleidoskop nostalgisch und blickte hindurch. Es war seltsam, was er sah. Die vielen bunten Steinchen darin bewegten sich zwar und doch bildeten sie mit dem Verstreichen der Sekunden mehr und mehr Formen, die es sie auch in der Wirklichkeit an Ort und Stelle gab. Einige helle Steinchen erschufen das Bild einer kleinen Fackel vor seinem linken Auge... und auch die Wände zeichneten sich...

Erstaunt fixierte Link jede weitere Wand mit dem Kaleidoskop und auch die Latrinen der jungen hielten der Betrachtung des Kaleidoskops stand. Nur eine Sache war irgendwie bizarr... Das Kaleidoskop erschuf auch ein detailgetreues Abbild der hinteren Ecke in jenem langen Gang, aber es zeigte weitaus mehr.

Verwundert schaute der Heroe mit bloßem Auge hin, aber die Wand, welche sich in der Wirklichkeit zeigte, wurde in jenem Kaleidoskop nicht wiedergegeben. Link zog die Augenbrauen hinab und trampelte näher an diese merkwürdige Wand heran. Er stemmte seine Hände dagegen und doch war nichts ungewöhnliches für ihn an dieser Wand. Na toll, dachte sein Abenteuerinstinkt. War das etwa schon alles? Keine Überraschung? Nichts Ungewöhnliches an dieser Wand? Da muss doch irgendwo ein Schalter sein...

Vorsichtig tastete er die Wände ab, aber er fand nichts weiter...
 

Entweder spielte das Kaleidoskop ihm nur einen Streich, oder aber es verbarg sich tatsächlich ein Zugang an dieser Stelle. Links Mundwinkel zogen sich halbherzig nach oben und er gähnte laut. ,Na gut’, dachte er. Vielleicht ergab sich irgendwann eine Möglichkeit diesem Geheimnis auf den Grund zu gehen, für heute aber, ließ er die Sache ruhen.
 

Nachdenklich verschwand der junge Heroe mit Zelda in seinen Gedanken auf sein Quartier, hoffend, diese Geschichte mit Valiant, dem Cousin Zeldas, würde sich aufklären...
 

So wie er es Will mitgeteilt hatte, klopfte Link dreimal in regelmäßigem Abstand an die Tür und huschte schnell in das wärmende Quartier hinein. Verdutzt stand der junge Laundry in seinem hässlichen, zotteligen Nachthemd in der Mitte des Raumes und versuchte sich einen Reim aus dem Trübsinn in Links Augen zu machen.

„Hast du etwas herausgefunden?“ Aber der unerkannte Held schüttelte bloß den Kopf, streifte sich seine Waffen vom Körper und ließ sich hundemüde ins Bett fallen.

„Und das war schon alles? Ein Kopfschütteln?“ Links Augen schwenkten nachdenklich zu Will, der unbeirrt auf dem Teppich im Raumzentrum stand.

„Ich bin diesen blöden Schatten gefolgt, aber es war nirgendwo sonst was ungewöhnliches“, meinte Link, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und dachte melancholisch an Zelda. Seine Abweisung und Kälte hatten vielleicht mehr als bloß eine lange Freundschaft zu ihr kaputt gemacht. Traurig drehte er sich zum Fenster und ignorierte seinen Mitbewohner oder die weiteren Fragen aus seinem neugierigen Mund. Es interessierte Link im Moment einfach nicht...
 

Seine tiefblauen Augen schienen durch die Nacht, als Will das Licht in dem Zimmer löschte und einen unbeantworteten Gutenachtgruß über die Lippen gleiten ließ.
 

,Warum bin ich nur so unfähig für Gefühle’, fragte das kindliche Herz den viel zu alten Verstand. ,Warum bin ich nur so abgestumpft...’

„Fürchte dich nicht vor dem Sturm... sei ein Teil von ihm...“, flüsterten der pfeifende Wind und der Regen, der trommelnd auf den schlammigen Erdboden vor dem stolzen Gebäude der Ritterjungen fiel. Es war düster außerhalb und doch schreckte die Kälte und Nässe Sir Viktor nicht davon ab, seine Lehrjungen in diesen frühen, nebligen Stunden außerhalb zu trainieren. Es war vielmehr eine Freude für ihn, zuzusehen wie einige unbeholfene Spunde sich in der bitteren Kälte abhetzten... Auf dem Schlachtfeld war es genauso... man konnte sich nicht aussuchen, wo man kämpfen musste oder unter welchen Bedingungen.
 

Grienend lehnte Viktor an einer feuchten Steinwand. Die Arme verschränkt sah er den jungen Schülern bei ihren Schwertübungen zu und fixierte dabei einen mit Genugtuung. Seine rabenschwarzen Augen hätten gekichert, wenn sie konnten, denn der sogenannte Held der Zeit stellte sich an wie ein Häufchen Elend. So schlecht konnte man doch gar nicht sein...
 

Trottelig führte Link die Klinge in der Rechten und tat so als ob er überhaupt nichts konnte. Außerdem war es in seinem momentanen Zustand eher undenkbar, seine Fähigkeiten vorzuführen. Plötzlich fühlte er Viktors dunkle Augen in seinem Genick und schielte misstrauisch zu dem Kerl mit seiner lobgepriesenen Ritterrüstung hinüber. Jener winkte ihm zu. Eine Aufforderung näher zu treten. Schweigsam und genervt tapste Link hinüber, ignorierte den Regen, der sich mit dem unangenehmen Schweiß vermischte, der durch die Übungen entstanden war, ignorierte die kalten Wassertropfen an seinen durchgeweichten Haaren. „Wenn du dich weiterhin so dämlich anstellst, fliegst du. Ist dir das eigentlich bewusst?“ Link knurrte beinahe und seine blassen Lippen wackelten, als ob er einen bissigen Kommentar abgeben wollte. Aber er verkrampfte bloß die Fäuste.

„Was ist? Wirst du dich ein wenig mehr anstrengen, Heldchen?“ Link rollte die Augen und murrte ein nerviges ,Ja’ vor sich hin. „Wenn du überhaupt dazu in der Lage bist... Heldchen“, flüsterte der Kerl wie eine Schlange. Link wand dem Ritter den Rücken zu und dachte ein zweites Mal über diese Worte nach. ,Wenn du überhaupt dazu in der Lage bist...’

Er würde diesem Kasper schon irgendwann zeigen, wozu er in der Lage war, dachte er und trat wieder zu den anderen Jugendlichen.
 

Diesmal nahm er das Schwert in die Linke und vollführte überraschend, vielleicht auch um sich selbst etwas zu beweisen, ungewöhnliche und heftige Hiebe mit dem Schwert.

„Fürchte dich nicht vor dem Sturm... sei ein Teil von ihm...“, flüsterte der Wind erneut... Und diesmal zeigte der junge Heroe ansatzweise, was er einst in blutigen Kämpfen gegen Moblins gelernt hatte. Niemals aufgeben... immer weiter kämpfen... für Ideale und Ehre...

Es war in ihm und immer gewesen... Eine starke Natur, die nur dem legendären Helden gebührte. Es war sein Schicksal... seine Pflicht.

Und so führte er die Klinge sauber durch den herabfallenden Regen, unterdrückte das seltsame, zerfressende Schwächegefühl in seinen Gliedern und geriet immer mehr in eine Art Trance. Er lauschte der Macht in sich. Er lauschte mit Geduld und Standhaftigkeit...

Eine weitere Attacke für Mut und Erinnerung. Tosend. Lebendig. Link führte das Schwert, verbunden mit ihm auf seine unmenschliche Weise. Er schickte die Kraft der Klinge surrend weiter, überwand allen Sinn für die Realität in dieser Stunde. Nur noch das Schwert und sein wahres Ich befanden sich hier in seiner eigenen kleinen Welt.
 

Einige Schüler blieben plötzlich stehen und begafften mit Entsetzen, was der komische Kauz, wie man ihn mittlerweile nannte, tat. Links Augen waren geschlossen und das Schwert wanderte elegant und sauber durch die Luft. Eine Wirbelattacke, ein Sprung und weitere ausgefuchste Bewegungen, bis Link nach Atem ringend stehen blieb und das Schwert zu Boden krachte.

Er hatte alles gegeben, um sich selbst wieder zu finden, aber es war einfach nicht genug... Es war einfach nicht genug...
 

Erschöpfung machte sich in ihm breit und ein bitteres Frösteln zog sich durch seine Glieder. Er mied die Blicke einiger, bis auf den von Will, der mit sperrangelweitem Mund glotzte. Links Atmung wurde heftiger, wollte sich einfach nicht beruhigen.

Und alles nur, weil er gekämpft hatte. So langsam verstand Link... Die Ursache für sein Krankheitsgefühl war jedes Mal aufs Neue, jedes Mal einfach nur der unweigerliche Versuch, wieder er selbst zu sein, zu kämpfen, das Schwert zu führen.

Ein richtiger Kampf könnte ihn in seinem Zustand womöglich umbringen, aber nicht die Klinge seines Gegners würde ihm den Tod bescheren, nein, es war die Krankheit. Schlimmer wurde sie mit jedem Schwertstreich...
 

Viktor trat im selben Moment näher und beendete die Übungsstunde. Und auch Link mit seinen genialen Attacken wurde wieder unwichtig... Die Schüler stürmten fast alle zurück ins Gebäude.

Einige aber blieben... und starrten Link weiterhin an, als wäre er einer der Götter persönlich.

„Was ist denn!“, schnaubte er, hob seine schwere Stahlklinge auf. „Was gafft ihr so?“ Da war ungehaltener Groll in seinen mittlerweile tiefblauen Augen. Verachtung und Wut auf sich selbst. Und das einzige in den fremden Augen, was er sehen konnte, war Mitleid...
 

„Verdammt noch mal. Hört auf mich so anzustarren!“, brüllte er, nahm das Schwert wieder in die Hände und trat mit der scharfen Klinge bewaffnet näher an seine Leidensgenossen heran. Er kannte so gut wie keinen. Nur Mondrik Heagen und diesen bescheuerten Ian, der ihn höhnisch angrinste.

„Na los. Raus mit der Sprache. Was gafft ihr mich so an!“ Drohend hielt Link die Schwertklinge vor die Nase des Ritterjungen Ian, der nur dämlich grinste.

„Hör’ auf mich so anzugrinsen!“, forderte Link, aber Ian grinste wieder, sagte nicht ein einziges Wort, sondern fasste mit einer Hand an die Schwertklinge.

„Ich frage mich nur gerade wo ein solcher Trottel wie du so kämpfen gelernt hat. Zumal du nichts, absolut überhaupt nichts vorweisen kannst, was einen Rittersohn auszeichnet. Du hast ja nicht einmal einen Nachnamen“, sagte Ian höhnisch, umfasste die Klinge noch stärker und wartete auf eine Antwort.

„Braucht man in deinen Augen etwa einen Namen, nur um ein Schwert zuführen? Dann bist du noch dümmer als dein miserables Talent in Sachen Schwertkampf. Du kämpft so billig wie Viktor.“ Darauf verengte Ian die Augen und sein Blick wurde finsterer.

„Wag’ es nicht so über Sir Viktor zu reden! Er hat viele Schlachten geschlagen, wovon du nur träumen kannst. Wenn du gegen ihn antreten solltest, werden wir ja merken, wie gut oder wahrscheinlich schwächlich du bist, du namenloser Trottel.“ Link setzte die Klinge wieder gefährlich nah an Ians Nase, und noch immer umfasste jener Jugendliche die Klinge so fest wie er konnte. Link grinste barbarisch und zog das Schwert mit einem gefährlichen Ruck zurück. Ian kreischte als der blanke Stahl sich in die Haut seiner Handinnenfläche ritzte und wich mit bleichem Gesichtsausdruck zurück.
 

„Nenn’ mich nicht schwächlich“, drohte Link, trat wieder näher und schaute zu den Jugendlichen, die links und rechts von ihm standen. „Sonst ergeht es dir schlimmer als du denkst!“ Ian rülpste mit angstverzerrten Lauten und trat weitere Schritte rückwärts.

„Noch jemand, der die maßlose Frechheit besitzt mich schwächlich zu nennen!“, dröhnte Link. Vor Wut über sich selbst und die Schwäche, die ihm jemand auferlegt hat.

„Ihr! Ihr habt alle überhaupt keinen blassen Schimmer davon, wie es sich anfühlt zu töten. Ihr habt keine Ahnung von Gefahr, von Schicksal oder Dämonen. Ihr glaubt, ihr seid sicher in eurer kleinen Scheinwelt, sicher hinter euren tollen Namen und euren starken Vätern. Aber vor den kleinsten Gefahren lauft ihr weg wie das zappelnde Huhn, bevor ihm der Kopf abgehackt wird. Euer toller Name und euer Ritterblut hilft euch auf dem Schlachtfeld auch nicht. Denn da sind wir alle gleich! Keiner von euch weiß, wie es ist verfolgt zu werden, verflucht zu werden. Und keiner von euch weiß, wie es ist, wenn sich blanker Stahl an eurem Fleisch ergötzt. Also hört auf mit eurem billigen Gefasel darüber, was eine gute und was eine schlechte Kampftechnik ist. Denn ihr alle habt nicht so kämpfen müssen wie ich!“ Link wurde leiser mit den Worten, hängte das Haupt und trat wortlos aus der Runde von verstummten Jugendlichen heraus.
 

In dem Moment preschten drei schwarze, kräftige Pferde durch das Tor und kamen direkt vor dem unbekannten Heroen zum Stehen. Jedes schöne Tier, deren Felle im Regen glänzten, war beritten von einer Person in einem wüstenfarbenen Mantel und nur bei einer der stolzen Reiter stach feuerrotes Haar, zusammengehalten durch eine silberne Spange hervor. Gerade jene Person sprang beherzt aus dem Sattel und sagte mit markanter Stimme: „Da bin ich nun, lange her.“ Ihre Stimme war erfüllt von Freude und Listigkeit. Und Link kannte diese Stimme. Unverbesserlich. Die Stimme einer begnadeten Anführerin. Tückisch... und vor allem erlaubte sich die Besitzerin jener Stimme die gemeinsten Scherze unter ihrem eigenen Volk.

Link zwinkerte ein paar Mal und murmelte fast ungläubig den Namen der Person herunter.
 

Aber niemand verstand ihn. Er stammelte ein zweites Mal und würgte die wenigen Silben hervor, immer noch ungläubig und überrascht: „Na-Naboru?“

Sie tat näher und zog sich grinsend den Mantel vom Leib. Das Abbild einer temperamentvollen, reinrassigen Gerudo kam zum Vorschein. Naboru, einer der feurigen Kriegerinnen aus der Wüste. Die Anführerin persönlich, seit der mächtige Ganondorf nicht mehr unter ihnen weilte. Ihr ovales Gesicht, scharfkantig, war braungebrannt und ebenmäßig. Und ein Edelstein aus der Wüste zierte ihre kleine Stirn...

Ihre weiße Hose und das helle Hemd über ihrem tollen Körper flatterten im Wind.

„Jawohl, wenn du mich noch nicht vergessen hast.“ Link versuchte zu grinsen, schluckte den Knoten im Hals herunter und trat einen Schritt zurück, denn er wusste, was folgte. Naboru befolgte und erfreute sich gewöhnlich an einer sehr heftigen Form der Begrüßung.
 

Im Hintergrund war es vor allem Will, der blankes Erstaunen in seinen grünen Augen hatte. Verdammt, war die schön, dachte er. Das also war eine Gerudo! Kein Wunder, dass man sich erzählte, hylianische Männer wären den Verführungen der Gerudo sittenlos verfallen. Ihre Proportionen waren extrem ungesund verteilt, dachte Will. Ungesund für den Verstand eines Mannes. Scharfe, betonte Hüften. Sportliche, lange Beine. Eine perfekte Brust und dann das lange, feuerrote Haar, das gebunden über ihren halbentblößten Rücken fiel. Einfach nur Wahnsinn, dachte Will.
 

Naboru grinste erneut herzhaft und lachte laut. Sie riss den armen Heroen in eine heftige Umarmung und drückte ihn gewaltsam an ihre große Brust. Link war schon beinahe dabei um Gnade zu flehen- etwas, was er vor allem bei Geschöpfen des weiblichen Geschlechts immer ohne wirkliches Zutun hinbekam- als Naboru ihn losließ und er nur puderrot zu Boden sah.
 

Derweil stiegen die anderen zwei Gerudos ab und führten die Pferde in den Stall.
 

Naboru blickte dann mit ihren goldenen Augen umher und ihr listiger Blick blieb bei den anderen Jungspunden haften.

„Was machst du eigentlich hier, Naboru?“, fragte Link leise und hoffte, sie würde nicht wie andere der Weisen- denn Naboru war eine von ihnen- in seiner Seele lesen.

„Könnte ich dich nicht dasselbe fragen?“ Sie machte eine kleine Pause und setze hinzu. „Wissen diese Kerlchen dort über dich als Held bescheid?“ Link schüttelte den Kopf unermüdlich, was der jungen Gerudo mitteilte, dass es ihm lieber wäre, es würde niemand wissen. „Auch gut“, lachte sie.
 

Sie trat näher an Link heran und hängte den Kopf schief. „Ich bin bloß auf der Durchreise.“

„Wohin?“

„Ich habe einen Auftrag als Anführerin der Gerudo und befinde mich auf dem Weg zur nördlichen Küste.“

„Du segelst über das Meer? Wieso?“

„Gerudojagd nach Schätzen, mein süßer Link.“ Jener aber hielt nicht sehr viel von einer solchen Anrede und atmete laut aus.

„Was macht Zelda?“ Naborus Feixen wurde von Sekunde zu Sekunden hinterhältiger. Link zuckte mit den Schultern und tat so als würde er sich nicht für seine Prinzessin interessieren, jedoch war er hier bei der Weisen der Geister an der falschen Adresse. Sie durchschaute ihn, sie hatte ihn immer durchschaut.

„Ach, was?“, scherzte sie. „Kein Gejammer mehr über Zelda? Dabei hast du das in der alternativen Zukunft aber erstaunlich gut beherrscht.“

„Verdammt, red’ doch leiser!“, zürnte Link.

„Ich erinnere mich noch genau daran, wie aufgelöst unser armer Held der Zeit war, als seine Prinzessin direkt vor seinen Augen entführt wurde.“ Link ballte die Fäuste und bat Naboru erneut leiser zu reden.
 

„Wie dem auch sei“, spaßte sie. „Ich bin bloß hier, weil ich meiner Tante mitteilen möchte, dass sie dieses Jahr die Übungsstunden im Bogenschießen übernimmt.“

„Was? Du wolltest hier eigentlich unterrichten?“

„Warum nicht in der Gesellschaft von solch jungem Frischfleisch?“ Ihre goldenen Augen strahlten wie Sterne in der tiefsten Nacht.

„Und deine Tante ist also diese Gerudo, die bereits hier arbeitet?“

„Nun, Arbeit ist zuviel gesagt... Kramanzia, so heißt sie, ist bloß hier, weil sie jemanden im Auge behalten will. Und sie bekam die Erlaubnis hierzu vom Rat der Mächtigen... vom König persönlich, weil es ein Anliegen ist, das alle Gerudo betrifft.“

„Schon wieder so eine verflixte Geheimniskrämerei?“ Naboru zuckte mit den Schultern und meinte: „Ja, kann man nix machen. Gerudoangelegenheiten...“

Link nickte einsichtig, auch wenn er sicher war dieses Geheimnis bald zu lüften.

„Du entschuldigst mich?“ Erneut ein Kopfnicken und die stolze Anführerin lief in Begleitung zweier weiterer Gerudos in die Schule hinein.
 

In dem Moment spürte Link eine große Hand auf der Schulter und er blickte verwundert um sich. Es war Will, der ein unverbesserliches Grinsen in seinem Gesicht hatte. „Ich sag’ doch, dass es seltsam ist, wie viele Damenbekanntschaften du hast...“ Link verdrehte die Augen und folgte seinem Kumpel in das Gebäude.

Will lief die Arme hinter dem hellbraunen Schopf verschränkt vorwärts und meinte neugierig: „Also, woher kennst du denn diese vollbusige Schönheit?“

„Ist keine große Geschichte, ich war mal in der Gerudowüste unterwegs...“ Will blieb verwundert stehen, ohne die Tür vor seiner Nase zu öffnen. „Was wolltest du denn in der Wüste?“ Link schwieg zunächst und legte die Hand auf den rostigen Türknauf.
 

Er schwieg auch noch als sie in dem großen Saal ankamen, wo die drei Gerudos warteten. Sie unterhielten sich äußerst leise. Seine tiefblauen Augen lagen konzentriert auf Naborus Lippen, um zu erkennen, was sie von sich gab. Aber Will war schließlich in unmittelbarer Nähe und wedelte mit beiden Händen vor dem ernsten Gesicht des jungen Heroen.

„Hey, ich habe dich was gefragt...“ Link hängte den Schädel schief.

„Was wolltest du in der alten Gespensterwüste?“ Links Blick sank nieder... das war damals nur, weil er vermutete, Zelda könnte sich dort aufhalten... sie war der einzige Grund gewesen, warum er sich überhaupt in diese Einöde gewagt hatte.

„Ich habe nach jemandem gesucht... Aber das hatte keinen Sinn...“ Links Blick wurde richtig weich, worauf Will einsichtig die Fragen unterließ.

„Du brauchst mir das ja nicht erzählen, wenn du nicht willst“, meinte er lediglich.
 

Er fühlte dann Wills Hand auf seiner Schulter. „Lass’ uns zum Mittag gehen“, sagte er lediglich. Kein Wort der Nachfrage... Kein Ausquetschen, das Will sonst so meisterlich beherrschte... und Link war ihm dankbar dafür- mehr als vorher, auch wenn er sich reiflich überlegen sollte, was wohl der Grund sein mochte, dass der neugierige Laundry nicht nachfragte...
 

Will lief weiter, direkt an den schönen, feurigen Gerudodamen vorbei. Naboru zwinkerte ihm zu, worauf der junge Laundry sein Schritttempo beschleunigte und nervös wegblickte.
 

Auch die Gerudos begaben sich in Richtung eines kleinen Büros, was Link jedoch interessierte. Unauffällig schlich er hinter den Damen her, versteckte sich vor ihren goldenen Augen, wann immer es einen Grund dazu gab und folgte jenen auf Schritt und Tritt...
 

In einem abgelegenen Büro verschwanden die drei Damen schon fast geheimnisvoll und eine vierte Stimme ertönte hinter den verschlossenen Türen. Link trat aufgeregt und so neugierig wie schon lange nicht mehr näher und schaute durch den breiten Türschlitz. Er konnte acht Füße entdecken und alle trugen sie typische, spitze Gerudoschuhe, die in der Wüste von gelernten Schneiderinnen angefertigt wurden. Nirgendwo sonst konnte man solche Schuhe kaufen, hergestellt aus Dodongolederhaut...
 

Aber Link konnte außerhalb des Raumes viel zu wenig verstehen. Gerade einige Begrüßungsformeln hörte er aus dem Gespräch... Er hüpfte auf die Beine und versuchte sich diesen Raum in der großen Architektur der Ritterschule vorzustellen. Auf jeden Fall erster Stock, dachte Link... Da könnte er ja vielleicht von außen über das Fenster einige Wortfetzen aufschnappen und ab und an einen Blick in das Büro riskieren.

Sofort nahm er die Beine unter die Arme und sauste bei der nächsten Tür nach draußen, zählte die Fenster, bis er schließlich jenes Fenster fand, welches zu diesem Büro gehören musste. Das Fenster war lediglich angelehnt und die Stimmen waren nun verständlicher. Die Sätze ergaben mehr und mehr Sinn...

Vorsichtig schielten seine tiefblauen Augen über das Fensterbrett hinein in den Raum. Tatsächlich saßen an einem runden Tisch vier Gerudos: Naboru, ihre zwei Begleiter und die vierte etwas ältere Dame, die genau dieselben Merkmale wie andere Gerudos hatte... Feuerrote Haare. Goldene Augen. Markante, herbe Gesichtszüge und die hervorstechende Hexennase...
 

Link lauschte angestrengt, achtete aber darauf, nicht von anderen Leuten und den Gerudos selbst bei seinem Tun beobachtet zu werden.
 

Naboru schlug gerade wütend mit einer Faust auf den Tisch und sagte so laut, dass man es sogar am Glücksteich in den Wäldern hätte hören können. „Aber sie ist nun mal eine Gerudo... Sie stammt unserem Volk ab und es ist unsere Pflicht sie zu akzeptieren, erst recht, wenn ihr eine solch große Aufgabe zuteil werden wird...“

Kramanzia, die Tante Naborus, antwortete darauf biestig und uneinsichtig: „Aber du weißt genau, was sie ist... Unsere Götter würden das gesamte Volk bestrafen, wenn wir sie in dem unterstützen, was eine dumme, alte Wahrsagerin prophezeit! Ich werde sie niemals als eine von den unseren akzeptieren können. Was also verlangst du von uns, Naboru?“ Eine weitere, sehr junge Reinrassige mischte sich ein: „So ist es... Das, was du als Anführerin von uns verlangst, ist unhaltbar... Wir können durch deine rebellische Ader nicht unsere Stammesgesetze auf den Kopf stellen. Wir können nicht Halbblüter als die unseren akzeptieren...“

„Auch nicht, wenn gerade ein Halbblut wie jene eine solch bedeutende Aufgabe erhalten wird. Überlegt gut, was ihr euch alle für die Zukunft unseres Stammes wünscht. Wollt ihr Leben oder Tod... denn eure Uneinsichtigkeit bringt uns alle eines Tages um Kopf und Kragen.“

„Ich stimme dagegen... auch mit allen Konsequenzen...“, sagte Kramanzia unter Begleitung eines kalten Schauers ihrer Worte. Auch die beiden jüngeren Gerudos stimmten gegen die Anführerin und Link erkannte langsam, dass hier wahrscheinlich so etwas wie ein Gerudorat einberufen wurde... Und es ging um ein Halbblut, dem eine große Aufgabe im Kreis der Gerudos zum Teil werden würde... Aber um was hatten Naboru, Kramanzia und die anderen beiden abgestimmt? Ging es um die Wiederaufnahme jenes Halbblutes? Oder doch etwas viel wichtigeres?

„Damit steht die Entscheidung fest...“, sagte Naboru leise, vielleicht sogar ein wenig verbittert. Mit kühler Haltung stand sie von ihrem Sessel auf und lief zur Tür. „Sollte der Tag kommen, an dem eure Entscheidungen nicht mehr zu ertragen sein werden, so sucht die Schuld in eurem übertriebenen Konservatismus...“ Die anderen beiden folgten der schönen Naboru und verabschiedeten die baldige Lehrerin im Bogenschießen...
 

Link schlich nachdenklich durch den Park und durchquerte die vielen Blumenbeete, welche die Mädchen in der Schule nebenan immer pflegten. So viele Ereignisse gingen ihm nun durch den Kopf. So viele wichtige Geschichten, in die er als Held der Zeit sicherlich sehr bald verwickelt sein würde. Es war nur eine Frage des Wartens...
 

Seine Anfälle. Die Geschundenen der Macht.

Die verflixte Geheimnistuerei der Gerudos.

Und die vielen neuen Gesichter an der Ritterschule...
 

Sehr bald würde alles Sinn ergeben in jenem Rad des Schicksals. Ganz nach dem Ermessen der Götter würde er als Held der Zeit wieder gebraucht werden...

Ein freier Nachmittag bescherte den Ritterjungen gute Laune. Und ab und an wagte sich an jenem nebligen Tage doch noch die Sonne durch den wolkenverhangenen Himmel. Link und
 

Will saßen beinbaumelnd an dem kleinen Glücksteich in der Nähe der Ritterschule und angelten. Etwas, was der junge Heroe immer genossen hatte... die Ruhe, die Geduld dabei... Aber heute schien entweder kein glorreicher Tag zu sein, oder die Fische in dem Teich waren andere Leckerbissen gewöhnt als die Würmer und Larven an Links oder Wills Angel...

„Ich glaube, wir fangen heute sowieso nichts mehr... Ich mach’ Schluss“, meinte Will und zog die Angel aus dem Wasser.

„Da fällt mir ein... weißt du inzwischen über wen du schreiben willst? Immerhin rückt der Abgabetermin der Aufträge näher...“ Link nickte und gab ebenfalls das Angeln auf. Zufrieden hüpfte er auf die Beine und klopfte sich den Sand von seiner schwarzen Tunika. „Ich habe mir überlegt über Arn Fearlesst zu schreiben...“ Will machte plötzlich große Augen und erwiderte laut: „Arn Fearlesst?“

„Ja, genau den.“ Und damit klopfte William seinem Kumpel gratulierend auf die Schulter. „Wenn das so ist, solltest du mal meine Mutter und meinen Vater deswegen befragen, die haben sich nämlich letztens spät in der Nacht heftig und laut über diesen Kerl unterhalten.“ Link fixierte das kleine Häuschen am Teich und marschierte darauf los.

„Und worüber haben deine Eltern diskutiert?“

„Die haben nicht nur diskutiert, die haben sich richtig gestritten und allein das ist seltsam, weil Mutter und Vater sich gewöhnlich sehr selten in den Haaren haben.“ Will lief hinter Link her, der die Angeln in die Holzhütte bringen wollte.

„Worum es genau ging, weiß ich nicht, aber anscheinend gibt es da etwas herauszufinden“, meinte der Laundry weiterhin.
 

Als die beiden in die Hütte eintraten, fiel die klapprige Tür hinter ihnen von alleine zu und die zwei Jugendlichen machten es sich auf dem alten Sofa bequem. Ausgestattet mit Büchern, Wills Lesebrille, Feder und Tusche und einigen Blättern Pergament.
 

Konzentriert blätterte Link in einem Buch, als Wills smaragdgrüne Augen aufsahen.

„Link, ich brauche deine Hilfe“, sagte Will matt und deutete auf das unvollständige Dämonenlexikon. Der unerkannte Heroe aber zog eine Augenbraue nach oben und versuchte den Blick seines Freundes zu verstehen.

„Ich habe immer noch keine Ahnung, was eine goldene Pteropia ist“, gab der junge Laundry offen und ehrlich zu, hatte eben keinerlei Scham oder Verlegenheit eigene Schwäche zuzugeben- entgegen Link, der sich immer dagegen sträubte, jemandem mitzuteilen, dass er sich schwach fühlte...
 

Link lief hinüber zu seinem Rucksack und holte einen Stapel Zeichnungen daraus hervor, alles von eigener Hand erschaffene Zeichnungen aller ungewöhnlichen Kreaturen Hyrules. Jedes Biest, jeden Dämon, hatte der junge Heroe auf diesen Blättern vermerkt, genauso wie er von ganz Hyrule Karten angefertigt hatte.
 

„Eine Pteropia ist eigentlich ganz harmlos... es sind fledermausartige dämonische Geschöpfe“, erklärte Link und wühlte zwischen den Zeichnungen herum.

„Was? So einfach?“, seufzte Will. „Einfach nur Fledermäuse?“

„Ja, und sie stoßen in ihren Höhlen häufig ihre goldenfarbenen Krallen ab. Deshalb brauchst du bloß ein Nest finden und dir eine von diesen Krallen schnappen.“ Damit hielt Link seinem Mitbewohner eine schöne, detailgetreue Zeichnung unter die lange Laundrynase. „Das hier ist eine ausgewachsene Pteropia.“ Beinahe stolz präsentierte Link die Zeichnung. Kein Anzeichen mehr von Misstrauen gegenüber Will. Keine Geheimnistuerei.

„Wahnsinn. Und würdest du mir vielleicht auch helfen, so ein Nest zu finden?“ Link schaute skeptisch drein, worauf Will fuchsig ergänzte: „Sagen wir als Pfand, dass ich niemandem verrate, dass du die Prinzessin kennst.“ Link äffte ihn nach, nickte aber dann.

„Okay, dann würde ich meinen, wir gehen in ein paar Minuten los. Hier im Wald wird sich doch irgendwo eine Höhle mit einem Pteropianest finden lassen.“

„Phantastisch!“, jubelte Will. Nur gut, dass er diesen Link als Mitbewohner hatte. Dieser Junge wusste wahrlich mehr als mancher Ritter. Und William rechtfertigte dieses ausnutzende Verhalten vor seinem Gewissen damit, dass auch Link irgendwann Vorteile haben könnte, ihn als Freund zu beanspruchen.
 

Der junge Heroe blätterte schließlich weiter in seinem eigenen Buch und fand auf einer abgenutzten Seite die Unterschrift von diesem Arn Fearlesst mit schwarzer Tinte. Eine bemerkenswerte Schrift, dachte Link. Langgezogen und ein wenig grob, aber durchaus einprägsam. Der Name Fearlesst war mit außergewöhnlich großen Buchstaben geschrieben, als Hinweis, dass man sich für jenen Namen anscheinend in keiner Weise schämen brauchte. Und Link las weiter. Dieser Ritter gehörte also einer sehr alten Ritterfamilie an und viele der Ahnen dieses Kerls waren auf dem Schlachtfeld gestorben, hieß es. Aber was genau diesen Arn Fearlesst so berühmt machte, stand hier nicht... Ob er Dämonen abgeschlachtet hatte? Oder hatte er blaues Blut beschützt? Vielleicht aber hatte dieser Kerl seinen Ruf bloß durch den Namen? Und mit jedem weiteren Gedanken begann sich Link für diesen Typen mehr und mehr zu interessieren. Irgendetwas an diesem Arn Fearlesst machte ihn plötzlich neugierig... Was genau es war, konnte er nicht definieren, aber spielte das ,Wieso’ eine Rolle?

Nein, dachte Link. Und er las mit Bedacht die nächsten Zeilen, schickte seine Gedanken auf eine weite Reise, die er irgendwann bereuen würde...
 

„Fürchte dich nicht vor dem Sturm, sei’ ein Teil von ihm...“, stand dort vermerkt, geschrieben mit derselben Handschrift wie sie jener Ritter bei seinem Namen verwendet hatte.
 

Ein Ruf nach Mut.

Eine Aufforderung, sich nicht unterkriegen zu lassen...

Ein unschlagbarer Appell an die edlen Eigenschaften eines Helden...
 

Ein dümmliches, unechtes Lachen entkam aus Links Kehle... Merkwürdig und irgendwie lustig dieser Zufall. Genau dieser Satz sprach manchmal der Wind zu ihm, wenn die Angst, Furcht und Kälte eines mörderischen Kampfes ihn einnahm.

Jener Satz half in einem Blutbad den Pfad des Lichtes wieder zu finden und er half in der tiefsten Nacht...
 

„Hey, du kannst ja sogar ansatzweise lachen“, meinte Will und grinste. Link zuckte kurz zurück und deutete mit einem Zeigefinger auf die Buchseite. „Ich glaube, ich habe tatsächlich das passende Thema für mich gefunden.“ Damit hüpfte der junge Heroe auf die Beine und zog sich einen dicken Pullover über.

„Na, wenigstens einer, der mit seinem Auftrag zufrieden ist“, murrte Will und malte schnell die Zeichnung der Pteropia ab. Auch er machte sich aufbruchfertig und schnallte sich eine große Ledertasche um den Gürtel.

„So, ich bin dann soweit. Kann es losgehen?“, meinte Will, aber Link runzelte die Stirn und verzog die Augenbrauen stutzig. „Ich glaube nicht, dass du dir der Gefahr der Sache bewusst bist.“ Will maulte: „Was? Aber wieso?“

„Du solltest dir unbedingt ein Schwert mitnehmen und sicherheitshalber ein oder zwei Dolche umschnallen.“ Will hob einen Zeigefinger und meinte unsicherer: „Aber hast du nicht gesagt, die Fledermäuse wären harmlos?“

„Sicher sind sie das. Aber du solltest auf die ein oder andere Überraschung vorbereitet sein.“ Und Link befestigte sein Stahlschwert am Gürtel und spannte sich einen Bogen auf den schmalen Rücken. Links Waffen klapperten als er langsam, aber zielsicher den Raum verließ. Die smaragdgrünen Augen des jungen Laundry funkelten närrisch und sein schmaler Mund verzog sich zu einem fiesen Grinsen. ,Na gut, Link. Wollen wir doch mal sehen, ob du der unbekannte Heroe bist, den alle anderen bewundern’, dachte er. Denn in einer Höhle mit Pteropias ließ sich von Wills Standpunkt aus sicherlich herausfinden, wozu der komische Kauz in der Lage war und ob in ihm der legendäre Held der Zeit schlummerte...
 

Denn in all’ den letzten, ereignisreichen Tagen waren dem jungen Laundry einige Dinge ins Auge gesprungen, die Link außergewöhnlich machten. Und einige Dinge machten nicht nur skeptisch, sondern erschufen leichtes Misstrauen in Wills Gemüt.

Da wäre zum Beispiel die angebliche Freundschaft, die Link zu der Prinzessin hatte. Wer pflegte schon als einfacher Hylianer eine solche Beziehung zu der einflussreichsten Person Hyrules.? Dann sein beinahe legendäres Wissen um irgendwelche Kreaturen im alten magischen Hyrule.

Und viele weitere Kleinigkeiten beschäftigen den Laundryjungen zunehmend. Der Gerümpel, den Link mit sich herumschleppte. Die Narben auf seinem Rücken. Seine merkwürdige Angewohnheit an der linken Hand ständig einen Handschuh zu tragen. Echt seltsam, dachte Will. Denn sein Kumpel trug seinen abgenutzten Lederhandschuh sogar abends, wenn er ins Bett ging.

Schließlich seine verflixten Geheimnisse, die er einfach mit niemandem teilen wollte...

Aber den Gipfel des ganzen bildete seine Erfahrung im Kampf. Er beherrschte Kombinationen mit dem Schwert, von denen Will nicht einmal wusste, dass es sie gab.

Aber eine Sache passte nicht ins Bild... Wenn Link der legendäre Heroe war, der in der alternativen Zeit das Land von dämonischer Finsternis befreit hatte, warum war er so verbittert?
 

Gerade in dem Augenblick tapste jener Jugendliche, über den Will sich so gerne den Kopf zerbrach, wieder in den Raum. „Wo bleibst du denn?“, murrte Link genervt, worauf der junge Laundry die Beine unter die Arme nahm und seinem Mitbewohner hinterher stiefelte.
 

Bedacht watschelte der junge Heroe durch den duftenden Laubwald, während bunte Blätter in dem frischen Wind tanzten und er es sich erlaubte einige dieser kleinen Kostbarkeiten von Mutter Natur aufzufangen. Schweigsam lief Will hinter ihm, beobachtete diese Kindlichkeit, die sich Link erhalten hatte, wo andere sie gerne losgeworden sind. Bei der Göttinnenmutter, Link wirkte so unschuldig in seinem Verhalten und seiner Art. Kopfschüttelnd sank Wills Haupt nieder. ,Unmöglich’, dachte er. ,Link konnte nicht der Held der Zeit nicht, nicht mit dieser naiven Kindlichkeit. Nicht mit dieser Unschuld.’ Kein Wunder, er war ja in Kokiri aufgewachsen, soviel hatte Will aus ihm herausbekommen, auch wenn Link gar zu gerne abwinkte, wenn es um die Vergangenheit ging.

„Du sag’ mal, Link“, begann Will.

„Mmh...“

„In Kokiri... wie ist es dort? Wie lebt man dort?“ Link blieb plötzlich stehen, zögerte.

„Das würde dich nur langweilen“, meinte er kühl und lief schneller weiter. „Besser wir beeilen uns ein Pteropianest zu finden.“
 

Nach einer halben Stunde Suche fanden die beiden Fünfzehnjährigen die erste Höhle nicht weit entfernt von der alten Holzhütte am Glücksteich. Bedacht schielten Links tiefblaue Augen hinein in die Finsternis und er vernahm leichte tropfende Geräusche von plätscherndem Wasser, welche aus dem Inneren drangen. Ohne mit der Wimper zuzucken, verschwand der junge Heroe in der stillen Dunkelheit und zündete seine Öllampe an, die ihren wärmenden Schein kräftigend und sicher umherwarf. William folgte ängstlich und bemühte sich Link nicht aus den Augen zu verlieren.
 

Mehrere Minuten waren die Spitzohren unterwegs, hatten sich in der labyrinthischen Höhle bereits verlaufen ohne es zu merken, als Link misstrauischer wurde. Er blieb unerwartet stehen und Will krachte erst einmal kräftig gegen Links Rücken und brachte den Angerempelten aus dem Gleichgewicht.

„Verdammt noch mal, pass’ doch auf, Will!“, brüllte Link.

„Tschuldigung“, erklang es leise aus Wills trockener Kehle. „Ich finde nur, wir sollten umkehren.“ Verdutzt und an der Grenze sich halb tot zu lachen schaute Link in das argwöhnische Gesicht seines Mitbewohners. „Ach, hat der jemand Angst?“, reizte der unbekannte Heroe und grinste schief.

„Ja, verdammt noch mal. Ich hab’ so was noch nie gemacht!“, rechtfertigte sich der Laundry. „Ganz anders als du wahrscheinlich. Ein weiterer Beweis, dass du mit so was Erfahrung hast!“ Will deutete mit dem Zeigefinger auf Link, worauf aus seinem ansehnlichen, wenn auch blassen Gesicht die letzte Farbe wich. „Was willst du damit andeuten?“

„Nichts.“ Link rückte näher mit der hellen Öllampe und Will sah die plötzliche Wut und Verbitterung in ein paar eisigen blauen Augen.

„Sag’ schon, was sollte diese Bemerkung eben?“ Und Link starrte erbost in die smaragdgrünen Augen Williams, als ihm aber eine weitere Sache merkwürdig vorkam. Er hielt die kleine Lichtquelle näher an die abgeschliffene Wand neben Wills schmalen Gesicht und entdeckte an den abgeriebenen klatschnassen Wänden eine Kleinigkeit, die sein Misstrauen von vorhin noch bestärkte. Links Gesicht wurde ernster und ernster und seine andere Hand wanderte zu der Schwertscheide an seinem Gürtel.
 

„Link? Was’n los?“ Und auch der Laundry drehte sich zu der klitschigen Wand, hielt seine eigene Lampe davor und sah zunächst nichts ungewöhnliches. Link tippte vorsichtig mit einer Hand an die feuchte Steinwand und zerrieb die Flüssigkeit auf seiner Haut mit zwei Fingerspitzen.

„Was ist das?“, fragte Will.

„Das ist schwarzer Schleim und einige Fellhaare hängen darin... Ich glaube, wir sind hier nicht alleine, Will.“

„Was? Meinst du, wir stoßen auf ein Pteropianest?“ Aber die Ernsthaftigkeit in den dunkelblauen Augen Links sagte ihm etwas anderes auf seine Frage.

„Kein Pteropianest?“, fragte Will entrüstet und ärgerte sich leicht. Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. Misstrauischer als vorher drehte Link den Schädel in die zunehmende Dunkelheit des Ganges und meinte trocken: „Wir müssen sofort raus hier!“
 

Hetzend rannten die Spitzohren den Gang entlang, den sie gekommen waren und doch war nirgendwo die Spur eines Ausgangs in Sicht. Nirgendwo ein wärmender Lichtstrahl. Nirgendwo ein Weg hinaus in die Freiheit. Eingepfercht zwischen den schmalen Gängen bewegten sich die Jugendlichen vorwärts und die anfängliche Suche nach den fledermausartigen Geschöpfen wurde unwichtig.
 

„Link! Was genau ist in dieser Höhle?“, rief Will und rannte wie der Blitz vorwärts.

„Irgendein Rieseninsekt.“ Auf die Bemerkung, stolperte der junge Laundry, krachte über eine Wurzel zu Boden und gaffte erstarrt in die muterfüllten Augen seines Mitbewohners.

„Irgendein Rieseninsekt!“, kreischte Will. „Bist du noch bei Trost mir solche Angst einzujagen?“

„Aber...“

„Zum Teufel, Link, das glaube ich nicht!“

„Will, jetzt beruhige dich doch und hör’ zu.“

„Ich soll mich beruhigen?“ Will fasste sich vor Schock mit beiden Händen an die Stirn. „Ich soll mich beruhigen?“, dröhnte er lauter.

„Nur so zur Information, Link. Wir sind hier in einer dunklen, stickigen Höhle. Und mein Mitbewohner hat nichts besseres herauszuhauen, als dass sich ein Rieseninsekt hier herumschleicht. Hör’ auf mich so zu verarschen!“ Will stapfte mit verschränkten Armen voran und hoffte den richtigen Weg zu finden.

„Das war mein Todernst.“ Nun fauchte Link: „Glaubst du, ich mach’ mit so etwas Spaß?“

„Vielleicht nicht, aber wenn du mir einen Grund nennst, dass ich dir das abkaufen kann, dann vielleicht.“

„Du verlangst einen Grund?“ Will nickte zustimmend.

„Willst du jetzt von mit hören, dass ich von so einem Vieh schon mal verspeist wurde, oder was?“ Erneut nickte Will. „Irgendeinen Grund, Link, damit ich dir glauben kann.“ Doch der trübsinnige Heroe drehte sich um und lief einige Schritte außer Reichweite.

„Das kann ich nicht. Entweder du glaubst mir, oder du findest hier dein Grab.“ Erschrocken starrte Will zu Link und blickte zu dem glänzenden Bogen auf Links Rückrat. Und er bemerkte etwas neues. Innerhalb von Bruchteilen konnte das kindliche Herz dieses Hylianers sich in das kalte eines Kämpfers ohne Gnade wandeln. Nicht mehr die unschuldige Seite an seinem komischen Mitbewohner. Nicht mehr das trübsinnige Gemüt. Nein, diese Seite an Link fühlte sich für Außenstehende beinahe an wie unmenschliche Grausamkeit.
 

In dem Moment raschelte es leise in der Höhle. Von irgendwoher schallten lüsterne Klänge. Ein Dröhnen und kleine Steinchen an den Wänden rollten gefahrprophezeiend hinab, erschufen Gänsehaut und Respekt vor einer gigantischen Kreatur des Bösen, die hier ihr Zuhause hatte.
 

„Glaubst du mir jetzt, du Hohlrübe?“, rief Link und hetzte schnaubend und Kraft verlierend hinter Will her, der winselnd fortstürmte. Das Tempo des jungen Laundry war schneller als das von Link, der sich zunehmend schwächer fühlte, dem der Schweiß in die Augen lief und der vor Atemnot eine Pause einlegen musste.

„Will!“, rief Link erschöpft. „Sei vorsichtig!“ Aber sein Kumpel suchte bereits das Weite, rannte und rannte um sein Leben, hörte ab und an garstige Geräusche, der er nicht definieren wollte. Er rannte weiter, seine Öllampe fest umkrallt, und kniff die Augen vor Frust zusammen. ,Verdammter Auftrag’, dachte er. ,Ich geh’ nie wieder nach einer Pteropia suchen!’

Er rannte immer geradeaus, achtete nicht einmal auf seinen Weg und krachte plötzlich gegen etwas Pelziges, Schleimiges. Ein schauriger Angstschrei hallte in der Höhle umher und drang vorwärts bis hin zu Link, der erschöpft an einer klitschigen Wand angelehnt der Dinge haarte, die da kommen mögen.

Der junge Heroe schlug die Faust in die Wand und verfluchte einmal mehr seinen schwächlichen Zustand. Langsam trottete er voran, nahm einen Schluck des segenvollen, silbrigen Heilmittels und lief mit gezücktem Schwert in die Richtung, wo Wills Schreckenslaut erklang.
 

Erneut ein tiefer Schrei aus Wills Kehle und Link bewegte sich schneller vorwärts, befürchtete schon das Schlimmste und sah nicht weit entfernt die Öllampe Wills auf dem Boden liegen. Schleimspuren auf dem Boden verrieten eine Alptraumbestie, die Link in seinem Leben mehr als einmal geschlagen hatte. Eine typische schlangenartige Spur. Auch die schwarzen pelzigen Haare ergaben Sinn. Ein Moldorm musste sich hier aufhalten. Ein Moldorm. Eine Brut, geboren aus der tiefsten Nacht. Ihre Schlupflöcher waren die Dunkelheit und sie vermehrten sich schnell. Ihr Schwachpunkt war das Hinterteil und ein violettes, schwaches Auge am Kopf. Gefährlich war ihr breites Maul mit einigen scharfen Reißzähnen.
 

Link rannte und hoffte, dass Wills Ängstlichkeit ihm helfen würde, um sein Leben zu laufen.

Gemächlich und die Ruhe bewahrend folgte Link der Spur der Bestie und erreichte ein Gewölbe, welches durch viele Holzbalken gestützt wurde. Mit wachem Blick schaute sich der junge Heroe um, blickte in jede Ecke und hörte plötzlich einen Freuderuf von oben. Erleichtert hockte auf einem kaputten Balken ein gewitzter Laundryjunge, der sich hier vor dem Monster versteckt hielt.

„Will. Alles in Ordnung?“, rief Link, worauf der Angesprochene nickte und schleppend, beinahe schwerfällig am Balken hinabkletterte.

„Allmächtige Göttinnen, Link. Bin ich vielleicht froh dich zu sehen!“, kreischte Will aufgeregt und sein Blick war butterweich, erfüllt mit einer Angst, die Link niemals zugeben würde. „Hast du schon mal Todesangst verspürt? Ich glaube, ich habe sie eben erfahren“, murmelte Will und stützte sich auf die Knie.

„Was ist passiert?“

„In den Gängen haust ein Riesenwurm und...“ Aber Will stockte die Stimme immer noch. „Ich bin so lange gelaufen wie ich konnte und plötzlich war er weg.“

„Keine Sorge, der kommt gleich wieder“, flüsterte Link und schielte misstrauisch umher.

„Du kannst wohl nicht anders als deine Umgebung in Todesangst zu versetzen. Echt mal, sei froh, dass der Wurm verschwunden ist. Und was sagt Link, unser tollkühner Retter? ,Keine Sorge, der Riesenwurm kommt gleich wieder.’ Erinnere mich dran, dass ich dich köpfe, wenn wir hier raus sind!“, brummte Will.
 

Erneut rauschte es in den vielen engen Tunneln und der Boden vibrierte. Verängstigt krabbelte Will vorwärts und zog sich wieder hinauf auf den Balken, der nicht bis zur Höhe reichte. „Du kannst ihn ja erledigen, ich feuere dich an“, sprach Will zitternd und hockte sich oben auf der kleinen Holzfläche zusammen.

„Du Angsthase!“, rief Link erbost und hetzte stürmisch in eine Ecke des Gewölbes und blies die Fackel aus um das Ungetüm nicht mit Licht und Wärme anzulocken.
 

Aber er hörte ihn, spürte den eisigen Körper des Moldorms über den kratzenden Boden schlittern, hörte ihn stoßweise atmen und zanken. Den Bogen bereithaltend wartete der unerkannte Heroe, dass sich der Moldorm näherte, dass jenes Biest Links junge Fleisch roch und es sich schnalzend mit seinem wulstigen Körper in seine Richtung bewegte. Link hörte die Sehne des Bogens zirpen, als er einen Pfeil anlegte, versuchte mit klarem Blick die Dunkelheit zu durchbrechen und roch ihn erneut. Den Gestank des Bösen. Den typischen Gestank nach Verwesung und Säure, den er nicht mehr riechen wollte.
 

Der Moment war gekommen, dachte Link, spürte es angesichts der Nähe des Monsters und der Heroe erhellte mit Magie erneut das Licht seiner Lampe, machte das ausgewachsene Biest aus, aber es bewegte sich nicht weiter in Links Richtung. Grölend stieß der riesige Wurm an die vielen Balken und der junge Laundry schrie wie am Spieß. Link spannte einen Bogen nach dem anderen, aber seine Arme zitterten durch die Kraftanstrengung und nicht ein Pfeil wollte das Ziel treffen, welches Link erwählte. Nicht ein Pfeil raste in Richtung des violetten Auges.

„Will! Spring’ ab!“, rief Link, aber der junge Laundry wollte nicht, konnte nicht...

„Will, das Biest zerstößt die Balken. Spring ab!“, kreischte er, aber der junge Laundry war zu schockiert, zu gelähmt als auf die Worte seines Kumpels zu hören.

„Muss man denn alles selber machen?“, meckerte der junge Hylianer. Murrend raste Link näher, zog das Schwert und stieß es der Bestie jauchzend jählings in die weiche Bauchseite. Der Moldorm zappelte, brüllte und spuckte, aber Links Schwertstreiche stachelten das Ungetüm nur noch weiter an, als dass sie ihm schadeten. Seine Schwertstöße waren zu schwach. Das Schwert in seiner Hand erfüllte den Dienst eines Helden nicht mehr.

Zappelnd hetzte die Bestie herum, fixierte den jungen Heroen und raste erbarmungslos auf ihn zu. Und keine Fluchtmöglichkeit tat sich für Link auf. Er blickte nach rechts und nach links, wich zur Seite und doch raste der Moldorm ungeheuer schnell auf ihn zu, wollte ihn zerstoßen oder verschlingen. Aber keine der beiden Alternativen waren harmlos. Link wich nach hinten und spürte im nächsten Augenblick die feuchten, kantigen Wände in seinem Rücken bohren. ,Das war’s wohl’, dachte er. Diesmal wusste er endgültig nicht weiter, nicht mit der jetzigen Schwäche und dem ausgewachsenen Riesenwurm, der ihn in den Tod schicken würde. Link kniff die Augen zu und wartete auf den allzu vertrauten Schmerz, wenn etwas Böses, Unmenschliches, Biestiges sich am eigenen Körper bereicherte.
 

Er hörte ein weiteres Brüllen, öffnete die Augen verblüfft, als sich die Bestie hin und herwand, kämpfend mit einer neuen Gefahr. Sie kämpfte nun selbst mit dem Tod und ein gefährlicher Wolfshund hielt sich am Kopf der Bestie fest, biss immer wieder zu, bis das violette Auge erlosch.
 

Die Bestie brach markerschütternd zusammen, atmete pfeifend aus breiten Nüstern und lag verabscheuenswürdig in jenem Gewölbe. Der Wolfshund der Familie Laundry hüpfte schwanzwedelnd zu Link hinüber, stellte sich auf die Hinterpfoten- denn dann war er fast so groß wie Link- und schleckte ihm mit der riesigen, feuchten Zunge über das Gesicht. Link begann zu lachen, aus Erleichterung und aus immenser Dankbarkeit. Er tätschelte den Hund liebevoll am Hals und bedankte sich.

„Ich sag’ doch, du wärst prima geeignet für den Job eines Helden.“ Und erneut schleimte der Hund mit der schlabberigen Zunge über das verschwitzte Gesicht Links.
 

Wenig später kam Will angestürmt, grabschte sich den Wolfshund und meinte: „Die Göttinnen haben dich selig, Wulf!“ Zufrieden blickte Will in den erschöpften Blick seines Mitbewohners und war sich nun sicher. Link konnte nicht der gesuchte Heroe sein. Das würde keinen Sinn ergeben. Nicht mit dieser Schwäche...
 

„Kennst du den Ausgang, Wulf?“, murmelte Will und kraulte dem Hund die Ohren. Wulf bellte und watschelte in Richtung eines schmalen Ganges. Auch Will war dabei sich fortzubegeben. Verwundert schielte er zurück und fragte sich, warum Link nicht folgte.

„Link?“ In den grünen Augen Wills spiegelte sich etwas neues. Das Abbild Links, der richtend vor der unwürdigen, widerlichen Bestie stand und mit kaltem Blick zusah, wie der Wurm den letzten Rest Leben aushauchte.
 

Link stand vor der Bestie des Bösen, regte sich nicht mehr, denn, wenn Erinnerungen an alte Grausamkeiten ausbrachen, verführten sie viel zu oft zum Erstarren, zum Versinken in Scham und Demut.

Link erinnerte sich mit einem Mal an so viele Kämpfe, die er siegreich gemeistert hatte. Gelegentlich griffen ihn drei ausgewachsene Moldormbiester mit einem Mal an und jede einzelne hatte er bezwungen, war siegreich und stolz aus den Kämpfen hervorgegangen. Aber in diesem Hier und Jetzt einen einfachen Moldorm zu erledigen, brachte er nicht fertig. Es war schlichtweg nichts mehr übrig von der einstigen Macht des Helden der Zeit. Seine Stärke war erloschen, nichts mehr wert wie der heiße Tropfen auf den kalten Stein...
 

Langsam hob Link das Stahlschwert, hielt es langgestreckt und rachevoll in die Höhe und stieß dem Moldorm mit voller Wucht in die weiche Bauchseite, wusste, wo ihr Herz saß und bohrte das Schwert bis zum Heft hinein.

„Stirb’ endlich!“, brüllte er. Er sagte diesen Satz mehrmals, bis Will erkannte, dass mit Link einfach irgendetwas gewaltig nicht mehr stimmte. Wie ein Irrer stieß er das Schwert immer wieder in das leblose Stück Fleisch des Bösen.

„Stirb’ endlich!“, rief Link erneut, ständig, immer von vorn, als käme der Moldorm wieder und wieder zurück.
 

Entsetzt trat Will näher, fasste an das Heft und sagte eindringlich: „Hör’ auf, Link. Es ist tot. Hörst du, es ist tot.“

„Nein, diese Bestien kommen immer wieder. Immer wieder. Andauernd!“ Link packte erbost die Waffe und war außer sich, nicht mehr bei Sinnen, und rammte das Stück Stahl so oft wie möglich in die Bestie, solange, bis es tatsächlich keinen Mucks mehr von sich gab und langsam verendete.

„Stirb!“, brüllte Link erneut, diesmal wehleidiger, und schließlich verwandelte sich der Dämon in ein Häufchen Asche.

„Link, Stopp!“, rief Will und fasste mit soviel Kraft an das Heft der Waffe wie er aufbringen konnte, aber Link stieß ihn zurück und schenkte ihm einen ausdrucksvollen Blick, verlangte Abstand.
 

„Kann das nicht endlich aufhören...“ , brüllte Link und stieß das Schwert in den Boden. „Können diese verdammten Monster nicht endlich tot bleiben!“, brüllte er. Link sank auf die Knie und stützte die bebenden Hände auf dem staubigen Boden ab. „Hört auf euch in mein Leben einzumischen!“, wimmerte er.
 

Will stand währenddessen erstarrt daneben, fühlte sich unwichtig und nutzlos, und ahnte, dass mit Link irgendetwas Schreckliches geschehen sein musste, was aus ihm einen so verzweifelten Hylianer gemacht hatte, der das Böse wie nichts in der Welt hasste. Etwas Schreckliches, das niemand verdient hatte und sich niemand vorstellen konnte.
 

Man hatte seine Seele gefoltert...
 

Anteilnehmend suchte Will den bitteren Blick ein paar eisige blaue Augen und murmelte leise: „Link, lass’ uns gehen.“ Schweigsam stand der trübsinnige Heroe auf, nickte und lief dem jungen Laundry langsam hinterher, blickte ab und an zurück und wünschte sich, es wäre seine Bestimmung und nicht die Höhle, die er zurückließ.
 

Wulf führte die beiden Jugendlichen sicher in die Freiheit, aber es war nicht der Eingang der Höhle, den sie erreichten. Verdutzt beäugten Link und Will eine große, feste Steinplatte, die sie beide mit herbem Kraftaufwand zur Seite schoben.

Und noch mehr Überraschung zeigte sich auf den beiden Gesichtern, als sie sich in der kleinen Vorratskammer unter der Falltür in der Hütte des Glücksteichs wiederfanden.

„Das nenn’ ich ja mal einen Zufall. Nur gut, dass der Moldorm nicht hierher finden kann, weil die Gänge zu schmal sind.“, meinte Will und schob die Steinplatte wieder zurück in ihre Ankerungen. Er wollte Link eigentlich aufheitern, aber schon seit dem Vorfall mit dem Moldorm hatte er nichts mehr gesagt.
 

„Alles in Ordnung, Link?“ Aber darauf kam keine Antwort und Link stellte die Öllampe auf ein kleines Regal hier in dem Kellerräumchen. Sein Blick fiel wieder zu dem Portrait der schönen Frau, welches hier unten stand. Erneut nahm er das Bildnis in seine Hände und fuhr verträumt über die saubergemalte Oberfläche. Irgendwie beruhigte ihn ihr Anblick. Es wäre, als würde sie zu ihm sprechen und ihm wünschen, die Monster der alternativen Zeit zu vergessen.

„Wer ist das?“, fragte Will und blickte erstaunt zu dem Abbild der schönen Lady. Link zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Das Bild stand einfach hier unten.“ Will riss dem unbekannten Heroen das Bild beinahe aus den Händen. „Verdammt ist die schön. Ich habe noch nie eine so schöne Hylianerin gesehen, abgesehen von dem Mädchen, welches in unserem Zimmer war und in deinen Sachen herumgeschnüffelt hat.“ Sachte fuhr Will ebenfalls über die Ölfarbe und meinte: „Diese Lady hier ist sehr stolz und doch... Wenn man in ihre Augen blickt, sieht man irgendwie eine Spur Angst, Unsicherheit und Schwermut.“ Link warf einen zweiten Blick darauf und erkannte in den blauen Augen der schönen Lady etwas, was er vorher nicht gesehen hatte. Will hatte Recht. Da war Trübsinn und Sorge... Vielleicht war es jener Blick, der diese Lady so fesselnd schön machte.

,Genauso wie bei Link’, dachte Will. Der gleiche Ausdruck von Besorgnis, als ob jene Lady mit Link verwandt war.

„Wir sollten das Bild irgendwo aufhängen. Es ist es nicht wert, hier zu verstauben“, sagte Will und nahm das Bild mit hinauf, öffnete die Luke und fühlte sich frei und glücklich den Alptraum von vorhin überstanden zu haben.
 

„Du willst schon fort?“, meinte Will, als Link seine Waffen in einem Schrank verstaute und sich zur Tür bewegte.

„Ja, ich muss mal nach Epona schauen“, erwiderte Link. Will nickte. Damit verschwand der trübsinnige Hylianer und begab sich auf den Weg in die geachtete Ritterschule.
 

Gemächlich tapste Link durch den dichten Mischwald in der Nähe der Ritterschule. Er träumte vor sich hin, erinnerte sich mit Seelenkatarrh an die Höllenkreatur in der Höhle. Er träumte während des ganzen Weges und bemerkte zunächst nicht den vollgepackten Milchkarren mit wertvollen Lon-Lon- Produkten wenige Meter weiter in Richtung der berühmten Ritterschule eilen.
 

Erst als der junge Heroe in den Innenhof eintrat, entdeckte er den großen Karren und einen jüngeren Mann mit kastanienbraunem Zopf daneben stehen. Murrend lud dieser Kästen mit leckerer Milch aus und Gefäße mit konserviertem Fleisch.

Leicht schockiert hastete Link näher, denn er kannte diesen Hylianer und hatte ihn neben Malon und den anderen aus der brennenden Farm gerettet. Es war der Kerl mit dem Baby auf den Armen und er hatte genau das gleiche Haar wie die Farmtochter mit ihrer fröhlichen Singstimme. Malon huschte durch Links Gemüt und ließ ihn unruhig werden. Ob jener Hylianer auch wie andere vor Wochen glaubte, dass er das heitere Farmmädchen entführt hatte? Wissbegierig stapfte Link näher und näher, wollte den jungen Mann deswegen befragen, wollte wissen, was vor wenigen Wochen wirklich geschehen war und verließ sich mal wieder auf sein naives Wissen, welches ihm den Hals brechen könnte.
 

Als Link ahnungslos vor dem mageren Typen stand, sah jener mit einem bösartigen, feindlichen Schatten auf dem jungen Gesicht auf. „DU!“, schimpfte jener sofort und holte mit seiner spitzen Faust aus. Im letzten Moment wich Link zurück und landete auf seinem Hosenboden.

„Du wagst es mir unter die Augen zu treten?“ Aber der Fünfzehnjährige war sprachlos angesichts eines eisigen Hasses, den der Kerl ihm entgegenschickte. Ungläubig starrte er nach oben in das wütende, schmerzverzerrte Gesicht des Farmers.

„Du hast meine Schwester entführt, du mieses Stück Dreck, und nun lernst du an dieser geachteten Ritterschule. In den nächstbesten Kerker gehörst du! Nein, erhängen sollte man dich!“, brüllte jener, sodass die wenigen Schüler in der Schule, die ringsherum standen, aufsahen. Aber Link blieb wortlos, fühlte sich schon wieder erdrückt von erstickenden Lügen, grausamer Verräterei und unendlicher Schmach.
 

War er ein gefallener Held, der andere nun selbst Schmerz erfahren lassen wollte um den eigenen zu vergessen? Und war Link vielleicht auch bloß ein Lügner?
 

Redete ihm das sein blutendes Gewissen ein oder die Wahrheit?
 

„Niemals vergessen werde ich den Tag, an dem du spät abends zur Farm kamst und Malon entgegen ihres Willens verschleppt hast, du kleine Ratte.“ Benommen richtete sich der junge Heroe auf, versuchte sich aufzurütteln, aber eine bösartige Lähmung, ein vertrauter Schmerz, zog sich plötzlich und unhaltbar durch seine Glieder.

„Ich habe mit Malons Verschwinden nichts zu tun...“, würgte Link hervor, wollte anfangen alles zu erklären, wollte die Wahrheit erkunden, und stand schwankend auf den schwachen Beinen. „Wer bist du überhaupt?“, hechelte der junge Heroe, ließ das Haupt sinken und fühlte beinahe eisige Schweißtropfen an seiner Stirn hinabwandern...
 

„Jaylon bin ich und nun tu’ gefälligst nicht so, als ob du meinen Namen nicht kennen würdest, du verdammter Hurensohn“, lärmte er und damit stieß er den vergessenen Heroen grob und gewaltig zurück.

„Hör auf!“, kreischte Link und schlug die Hände an seine Ohren. „Ich kenne dich aber nicht... ich habe dich noch nie gesehen. Ich weiß nur noch, dass...“, brachte er hervor.

„Was? Das ich nur tatenlos mit ansehen musste, wie du Malon gepackt hast und ignoriert hast, wie sie gefleht, gekreischt und geweint hat, als du sie verschleppt hast?“ In Jaylons Augen funkelte Wut und Schmerz, die sich abwechselten.

„Wo ist sie!“, brüllte Jaylon. „Was hast du mit ihr gemacht!“ Einige Schüler näherten sich neugierig dem Geschehen und hörten mit gespitzten Ohren dem Gespräch zu, waren amüsiert und gleichzeitig schockiert. ,Der komische Kauz hatte jemanden entführt?’, dachten die Lauschenden.
 

„Aber ich habe niemanden entführt...“, klagte Link. „Ich bin kein Unmensch...“, setzte er leiser hinterher. Aber stimmte das? War aus dem damaligen Helden der Zeit nun ein grausames Monster geworden, dass sich daran labte andere in Schmerz und Verzweiflung zu versetzen? Erfreuten sich Monster und Mörder wie der Besitzer seiner blutüberströmten Hände, wo das Blut tausender Dämonen haftete, denn nicht an den vielen zerstörerischen Gefühlen, die Leid mit sich bringen konnte?

„Aber du hast sie entführt. Denkst du meine ganze Familie hat sich Malons Verschwinden bloß eingebildet?“

Link jedoch begann spöttisch zu lachen angesichts der Worte, die dieser Farmer erklingen ließ. „Und du glaubst wirklich, ein Schwächling wie ich, hätte die Kraft jemanden zu entführen?“
 

Und damit lachte der unbekannte Heroe wieder einfältig, makaber und krank über sich selbst, begann erneut in seinen Teufelskreis und Selbsthass zu verfallen, während Jaylon verstummte und sein Gegenüber gleichgültig und zugleich eine Spur angewidert anblickte.

Denn Link lachte wie ein Wahnsinniger.

Er lachte wie ein Idiot.
 

Links zitternde Hände wanderten zu seinem eigenen Gesicht, strichen sorgfältig darüber, als ob es nicht seines wäre, als ob eine Maske darüber lag. Die Schlinge des Wahnsinns zog sich immer fester um ihn...

Er stolperte einige Schritte rückwärts und fühlte eine marternde Bewusstlosigkeit über sich hereinbrechen. Erneut ein Anfall... Er wollte nach dem Heilmittel in seiner Tasche greifen, lediglich eine kleine Bewegung, nur einige Sekunden und er wäre wieder in Ordnung...

Aber es kam nicht dazu. Jaylon stieß ihn gewaltsam an eine harte Mauer, schlug auf ihn ein und Link hielt nur schützend die Hände vor sein Gesicht. Worte des Hasses und der Beschuldigung erklangen wie giftige Flüche in Links Ohren und der junge Heroe verlor schlagartig das Bewusstsein... Langsam sackte der geschwächte Körper des Fünfzehnjährigen an der Steinmauer zusammen...
 

War denn auf der alten Lon-Lon-Farm nie ein wütendes Feuer ausgebrochen? War das, was in Links einst so wachen Verstand unterging alles eine Einbildung eines gefallenen Helden?

Und was war mit Jaylon, dem angeblichen Bruder von Malon?

Link konnte sich nicht erinnern, dass das heitere, fröhliche Farmmädchen überhaupt einen Bruder hatte. Oder spielte Links Erinnerungen ihm einen Streich?
 

Als das Reich der Träume ihn einnahm, ihn zu einem Gefangenen machte, waren es Schuld und Zweifel, die in seinem geschundenen Bewusstsein zunahmen. Hatte er sich das dunkle Bündnis, die Moblins und Hylianer mit dem blutigen Dreieck auf der Stirn nur eingebildet? Er realisierte auf der Ebene, wo der Körper keine Rolle spielte. Er realisierte, dass ein Held nur einmal im Leben aufblühen konnte... und diese Zeiten schienen vorbei. Ein Held wie er bewegte sich bereits an der Grenze zum Wahnsinn, einem Versteck für die eigene Mordlust und Schuld...
 

Als Link das Bewusstsein wiederfand, lag er in seinem dunklen, kühlen Zimmer. Das Bett war eiskalt und das in heilkräutergetränkte Tuch stank wie die Pest. Es schien der Grund gewesen zu sein, dass er aufwachte...

Sein Blick war tot und leer, ohne Hoffnung und Willenskraft und nur ein Funken Leben darin verriet, dass er noch nicht auf das andere Ufer der Existenz gewechselt war.
 

Schon wieder ein gemeiner Anfall und verhindern hatte er ihn nicht können. Verzweifelt und wimmernd schlug er mit den betäubten Armen auf die Kanten des Bettes ein und schluchzte. Warum konnte er nicht endlich wieder er selbst sein? Diese Schwäche tat weh. Diese verdammte Untauglichkeit und Gebrechlichkeit machten alles kaputt, was er einst war. Vor wenigen Monaten noch stand er in erbarmungslosen Kämpfen gegen riesige Bestien in Termina, die er siegreich meisterte. Vor einigen Wochen noch hatte er eine ganze Welt mit seinem Mut und seiner Stärke retten können. Die edlen Eigenschaften eines Helden schienen wie Lichtgeister aus seinen Augen heraus, spendeten denen, die ihre Hoffnung verloren, wieder einen Grund an ihre Wünsche zu glauben. Und nun war er ein verweichlichtes, dummes Kind, welches sich für Schwäche schämte, welches sich für den eigenen Heldentitel schämte...
 

Er kniff die Augen zu, schlug den Schädel hin und her und wimmerte wieder wie ein Kind. Der Held der Zeit verblasste immer mehr in einem einsamen, geschundenen Gemüt, das vielleicht mörderische Brut, bösartige Geschöpfe, in den Wahnsinn treiben wollten.
 

Er war schlichtweg am Ende seiner Kräfte, am Ende jeglicher Geduld. Er konnte nicht sein Leben mit diesen Anfällen fristen. Er konnte einfach nicht mehr...
 

„Zelda... bitte hilf’ mir...“, wimmerte er in die Stille des Zimmers, schloss die Augen und schämte sich unendlich für diese Bitte. „Hilf’ mir...“, schluchzte eine leise, wehklagende Stimme in jenem Raum. „Ich bin kein Monster...“, setzte er hinzu und verfiel in einen leichten tranceartigen Zustand.
 

Außerhalb des Zimmers traten Newhead und Will den Gang entlang. Der Lehrer im Praxisunterricht hatte schleunigst, nachdem der junge Heroe zusammengesunken war, gehandelt. Zur rechten Zeit am rechten Ort, hatte er Link gepackt, auf sein Zimmer geschafft und sofort, ohne unnötige Fragen neugieriger Dritter, für Ruhe und Schweigen in der Schule gesorgt. Nur einige Schüler hatten gesehen, wie der Blondschopf zusammenbrach, aber jene waren vielleicht nicht daran interessiert. Was Jaylon betraf, so hatte Newhead ihn mit einem gespenstisch unheimlichen Pfiff aus der Ritterschule gejagt und ihm angedroht, man werde seine Milch an keinem Ort in Hyrule mehr genießen können. Regelrecht geflucht hatte er und damit war Jaylon lästerlich abgehauen. Bloß eine Sache konnte der unerkannte Schwindler nicht verhindern... Etwas, was Link noch Tage und Wochen an Kraft und Lebenslust zehren würde: Jaylon hatte die schönste Stute der Lon-Lon- Züchtung eingefordert. Epona, die kluge Stute, Links treue Freundin, war in wenigen Stunden zurück auf der alten Farm. Und kein Recht an Epona würde ihm mehr zustehen. Epona war nicht mehr ihm...

Die Finsternis wallte außerhalb der grauen Schlossmauern von Hyrule Castle und pilgerte wie ein ruheloses Gespenst um jene umher... Der Wind pfiff unruhig und spielte die Symphonie der alten Luftgeister, die schon seit Urzeiten über ihr Element wachten... Töne. So schaurig und schön beseelten die vielen Götterstatuen in dem gepflegten Schlossgarten, wo der kalte herbstliche Regen zu früher Abendstunde niederging. Ab und an zuckte ein warnender Blitz über die höchsten Türme des Schlosses, wo seit vielen Jahrhunderten die alte Königsfamilie lebte...

Von den meisten Rundbogenfenstern trat ein Lichtschein nach draußen und verscheuchte jene Finsternis, die heute bei Neumond ihr großes Fest feierte. Und auch von Prinzessin Zeldas Gemächern schien das warme Kerzenlicht nach draußen. Und vielleicht nur deshalb, weil sie auf jemanden wartete, der, so nahm sie an, nicht erscheinen würde...
 

Sein Weg und ihrer trafen sich nicht mehr in diesem Hyrule. Das war der traurige, schwere Gedanke, mit dem sie lernen musste, sich anzufreunden. Der Held, der sie immer beschützt und begleitet hatte, war nicht mehr derselbe. Und seine Verpflichtungen und seine Ideale wurden vielleicht mit ungewisser Kälte und Hartherzigkeit hinfort gespült...
 

Sie vermisste ihn so sehr... so sehr, dass es weh tat...

Ein Gedanke an ihn schmerzte und ließ ihre Augen feucht werden...
 

Mit einer Lesebrille auf der Nase studierte sie in ihrem kleinen Arbeitszimmer, direkt an ihre teuren Gemächer angeschlossen, die unterschiedlichsten Stammbäume aller möglichen Ritterfamilien... und sie hatte schon an die zwanzig anerkannte Ritterfamilien durchgearbeitet. Aber leider war sie nach dem hylianischen Alphabet gerade mal bei dem sechsten Buchstaben angelangt der insgesamt siebenundsiebzig verschiedenen Zeichen... Und gefunden hatte sie auch keine nutzbringenden Hinweise auf Links wahren Ursprünge.

Sofern sie Zeit dazu hatte, studierte sie alle möglichen Aufzeichnungen, nur um herauszufinden, wo Link herstammte, wer seine Vorfahren waren, wo er hingehörte.

Aber je länger sie in den Rollen nachlas und darüber nachdachte, umso mehr hatte sie das erdrückende Gefühl, es würde ihm nicht helfen, ihn nicht interessieren... Denn so eigensinnig und kalt wie er im Augenblick war, so verstand sie, würde auch ein Platz in Hyrule nichts mehr an seiner Abweisung und Festgefahrenheit ändern können.
 

Ihr Blick wurde milder und ihre Augen trauriger, als sie das Bild des legendären Helden vor ihrem inneren Auge sah. Wenn sie an Damals dachte, schmerzte ihr Herz. Wenn sie an den einstigen Blick seiner ernsten, muterfüllten Augen dachte, musste sie weinen...

Soviel lag in jenen tiefblauen Augen, was ein hylianisches Wesen nicht einmal beschreiben konnte. So viele Dinge wie Sehnsucht...

Sie wünschte sich unhaltbar sehr gerade diese verborgenen Sehnsüchte wieder zu sehen... Doch Wunsch blieb nur Wunsch, auch in einer magischen Welt wie Hyrule. Und mancher Traum von Damals von Gesellschaft und Innigkeit würde Traum bleiben...
 

Trübsinnig erhob sich die junge Prinzessin aus ihrem Sessel, die bereits mit ihrem fünfzehn Jahren zu einer wunderschönen, reifen Hylianerin herangewachsen war. Ihr Haar schimmerte kupfern im flackernden Kerzenlicht und ihre blauen Augen schillerten voller Wissensdurst und einem gewissen Durst nach der Nähe ihres Helden, der von einem ganzen Volk vergessen wurde... Eine Kerze in der sanften Hand führte sie hinaus aus dem kleinen Arbeitszimmer, erhellte ihr den kurzen Gang, der sie in ihr Schlafgemach bringen würde. Es war an der Zeit zu vergessen, die vielen, verwirrenden Gefühle für ihren Freund aus Kindertagen ruhen zu lassen und sich auf die unzähligen Aufgaben ihres Titels zu konzentrieren.

Aber wenn das Herz sich gegen den Verstand auflehnte, so hatte der Verstand meist eine Niederlage anzunehmen... Wer konnte schon gegen die Karten der Liebe gewinnen, wenn ein logischer, rationaler Verstand die einzige Geheimwaffe war auf des Gegners Seite? Es war so dumm anzunehmen, das Herz könnte sich betrügen lassen von einer Ausrede, die sich aus Lügen des Verstandes speiste...
 

Und auch Prinzessin Zelda sollte lernen und ertragen, dass eingeredete Geschwisterliebe zu dem Helden der Zeit, nicht das beteuern und betrügen konnte, was in ihrem Herzen schlummerte...
 

Mit leisen Schritten trat die junge Hylianerin hinein in das geräumige, luxuriöse Gemach mit dem riesigen Himmelbett, in welchem man sich verlieren könnte. Das Licht der kleinen Kerze erhellte das Gemach nur schwach und erlosch, als die junge Prinzessin jene Kerze auf das antike Nachttischschränkchen stellte. Der samtene, weinrote Umhang um ihren schmalen, weißen Schultern sank lautlos nieder und nur ein dünnes, weißen Nachtkleid verbarg den unschuldigen, beinahe zerbrechlichen Körper der jungen Königstochter.

Seufzend krabbelte sie unter die schwere Bettdecke und starrte mit ernsten blauen Augen hinein in die junge Nacht...
 

Sicherlich, es war noch nicht Zeit, den Geist in dieser Nacht ruhen zu lassen, aber sie fühlte sich so erdrückt von Links leidvollen Gefühlen und Gedanken, die sie in sich spürte, dass sie den Schlaf als einzige Zufluchtsstätte suchte, wo sie vielleicht nicht an seine Kälte und sein Trübsal erinnert werden würde, wo sie vielleicht ihr eigenes trauriges Herz ruhen lassen könnte...
 

Sie hörte ihn nach ihr rufen in tiefen, verborgenen Kämmerchen seines Herzens. Er rief bitterlich nach ihr und er bat um Hilfe... Aber sie wusste auch, dass er im nächsten Moment niemals zugeben würde, sich ihre Unterstützung für seine düsteren Empfindungen zu wünschen.
 

,Hilf mir... Zelda, bitte hilf’ mir’, erklang es tief in ihren Gedanken und seine Stimme schmerzte noch mehr als die unhaltbare Sehnsucht nach seinem wahren Ich...
 

Sie musste schlafen... nur ein, zwei Stunden, um ihr Herz und den Kopf wieder freizubekommen und vielleicht wartete mehr auf sie in der Traumwelt, als sie befürchten wollte. Es war nur wenige Minuten später, dass die junge Prinzessin umgeben von sehnsüchtigen Gedanken an ihren Heroen in ein tiefes, verwirrendes Reich der Träume geführt wurde.
 

Wärme umgab sie. Ruhe und Geborgenheit nahm sie ein, während sie schlief und langsam aus einem kurzen Schlummer glitt… Aber als sie ihre sanften blauen Augen aufschlug und sich orientierte, war es nicht ihr hoheitliches Gemach, in welchem nicht einmal die Dunkelheit vorherrschte…

Ein inniges Schlafzimmer, nicht zu übertrieben ausgeschmückt, aber auch nicht zu spartanisch, gab sich ihren Sinnen preis, entlockte ihr ein verwundertes, aber ruhiges Lächeln auf dem ebenmäßigen Gesicht. Irgendwie kannte sie diesen Ort und kannte ihn doch noch nicht… Vertrautheit sprach zu ihr, während sie ihre schlanken Beine von der hölzernen Bettkante fallen ließ…
 

Das warme Abendlicht schien besinnlich und friedvoll auf die wenigen dunklen Möbel und das gemütliche Bett. Der Kamin spendete mit seiner wenigen Glut einen angenehmen Wärmehauch und ein süßlicher Duft hing in der Luft…
 

Zaghaft trat sie auf die Beine, spielte mit den Händen in ihren langen goldbraunen Haarsträhnen, die frisch gewaschen waren… Sie summte, fühlte sich unendlich wohl in jenem Raum, obwohl sie nicht wusste, wo sie war und warum es ihr gestattet war, hier zu sein. Das einzige, was sie fühlte, war eine eigensinnige Vertrautheit, ein merkwürdiges Wohlfühlen, als ob sie immer schon drauf gewartet hatte, hier zu sein…

Mit einem schmucken Grinsen trat sie vor den einzigen Punkt in jenem Schlafgemach, wo sie sich selbst betrachten konnte… ein alter Standspiegel mit goldenem Rahmen. Zwei überkreuzte Schwerter waren in den Rahmen eingearbeitet, verliehen dem Spiegel Gesicht und Zugehörigkeit zu einer Familie höheren Standes, wenngleich nicht die Königsfamilie hier zu leben gedachte…
 

Doch das, was sie im Spiegel vorfand, war nicht das, was sie erwartet hätte. Zeldas Äußeres war eine Spur reifer, ihre Brust voller, ihre Hüfte betonter und ihre Schönheit noch atemraubender als bisher… Aber war dies wirklich so? Lag es nicht vielleicht an dem begehrlichem Nachtkleid, welches sie trug, dass ihre weiblichen Eigenschaften ihr im Augenblick so ins Auge sprangen?

Tatsächlich war jenes Nachtkleid sehr ungewöhnlich für eine Prinzessin ihres Standes. Sie erinnerte sich nicht, so etwas nur einmal gesehen zu haben und doch war sie fasziniert davon.

Seide umspielte ihre Haut wie ein sanftes Öl, aufgetragen von den liebevollsten Händen… Ein weißer Stoff, fast durchsichtig…

Das kurze Gewand setzte nur knapp über der Brust an und gewährte einen tiefen Einblick und ihr Rücken war zu einem großen Teil ganz nackt…
 

Mit einem Zeigefinger fuhr die junge Prinzessin die unsichtbaren Wege auf ihrem zarten Gesicht ab, fand sich selbst ausgeruht und schön… hatte sich selbst noch nie auf eine solche Weise hübsch und attraktiv angesehen… Sie lächelte tiefsinniger ihrem Spiegelbild zu, begann erneut zu summen und überblickte den Raum nach Pforten, die sie hinaus führen würden. Da waren zwei große Türen mit jeweils einem Rundbogen…

Als sie sich aber noch einmal umwand, war ein kleines Bekleidungsstück in dem Raum, das sie verwunderte. Ein einzigartiges Bekleidungsstück, womit sie nur eine Person verband. Jemanden, der ihr am Herzen lag, jemanden, den sie unerträglich vermisste.

Hypnotisiert tapste sie auf nackten Sohlen zu der anderen Hälfte des Bettes, wo auf dem Nachttischschränkchen ein grünes Stück Baumwolle lag.

Das friedvolle Lächeln auf ihrem Gesicht änderte sich und Schwäche und Traurigkeit überspülte das einst so glückliche Kinderherz… Sie nahm das grüne Stück Stoff in ihre Hände, die Mütze des Helden der Zeit, unabdingbar für ihn, ein Beweis für sein wahres Gesicht… Wärme suchend hielt sie sich die grüne Mütze an die Lippen, umarmte sie als wäre sie lebendig…
 

In dem Moment öffnete jemand die eine Tür mit einem Klack und eine vertraute, aber fröhliche Stimme ertönte. „Zelda?“

Schockiert wand sie sich um und ließ sich vor weiterem Entsetzen und Schock auf das Bett zurücksinken und die grüne Mütze fiel lautlos zu Boden. Ihre Augen waren groß und aufgeregt angesichts des beinahe nackten Mannes vor ihr. Er jedoch runzelte die Stirn, trat näher und näher und hängte den Kopf schief. „Stimmt etwas nicht?“ Sie führte beide Hände zu ihren glühenden Wangen und begaffte lediglich das göttergleiche Abbild dieses attraktiven Mannes, der nur ein Handtuch um seine Hüfte geschlungen hatte, aber ansonsten überhaupt nichts trug... Und sein Körper war athletisch und stark...

Sicherlich, sie hatte in der alternativen Zukunft schon einige halbnackte Kerle gesehen und auch jener durchtrainierte Körper war ihr keineswegs fremd, aber die Tatsachen, dass er sie einerseits mit seinem stattlichen Abbild festnagelte und andererseits mit seinem bohrenden Blick auszog, nahm ihr die Luft… Dieser Blick sprach mehr als tausend Worte… Ein Blick voller Sehnsucht und Durst nach ihr…
 

„Wo bleibst du denn? Ich warte schon eine halbe Stunde auf dich und das Wasser in der Badewanne ist auch schon wieder lauwarm…“, meinte er, kniete nieder und schaute mit einem unglaublichen Lächeln zu ihr auf. Nun war es das Lächeln aus einem ansehnlichen Heroengesicht, das ihr die Luft nahm und sie gleichzeitig innerlich bewegte.
 

Er lächelte…

Bei Nayru, er lächelte wonnevoll…

Noch nie hatte er so gelächelt…
 

Überzeugt, dass er nicht real sein konnte. So sicher, dass er nur eine Einbildung, eine Illusion sein konnte, rutschte sie näher und starrte ungläubig in seine tiefblauen Augen, die seit langem wieder durchdringend in ihren eigenen blauen versanken. Sie legte ihre Hände auf seine Wangen um zu prüfen, ob er es wirklich war. Und das einzige, was sie fühlte, war warme, nasse Haut unter ihren Händen…

„Link?“, sagte sie leise, versuchte nicht zu weinen, aber sein Lächeln tat so unheimlich gut, dass ihr die Freudentränen in die Augen stiegen…

„Ja, ich glaube, so heiße ich noch, meine Prinzessin…“, meinte er sanft und blickte eindringlicher in ihre Augen, als wollte er in ihre Seele sehen. Sein linker Zeigefinger wanderte nur knapp unter ihren Augen entlang und wischte die Tränen fort, die sich zeigen wollten. Aber noch immer lag dieses befreiende Lächeln auf seinem Gesicht, dem sie einfach nicht entgehen konnte, welches sie einfach nicht glauben konnte...

Er schloss seine Augen, nahm ihre Hände in seine und begann mit seinen Lippen kleine, vielsagende Küsse über ihre Finger, Handinnenflächen und Handrücken zu verteilen.

„Ich weiß, du machst dir Sorgen um mich...“, sagte er leise. Vielleicht das erste Mal, dass er ein solches Sätzchen wagte. Sie nickte lediglich, fühlte sich unfähig überhaupt ein Wort erklingen zu lassen. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Nur wegen seinem beruhigenden Lächeln, den kleinen Lachfalten um seinem Mund und dem muterfüllten Funkeln in dem herben Tiefblau seiner Augen...

„Das brauchst du nicht... nicht mehr...“, setzte er hinzu.
 

Er richtete sich auf, packte seine Prinzessin sanft an den Armen und drückte sie zurück in die vielen weichen Kissen. Sie brauchte einige Sekunden um zu registrieren, was passierte und fühlte sich plötzlich überwältigt und gefangen, als der junge Heroe ebenso in das Bett stieg und sich über sie rollte. Ihre blassrosa Wangen begannen zu glühen. Ihr Puls raste wie ein Feuerwerkskörper zu dem Punkt seiner Entladung und ihr Herz erzählte ihr mit sanftem Gemurmel, wie entsetzlich richtig es war, mit ihm hier zu sein, ihm zu vertrauen, ihm alles zu schenken, was sie schenken konnte.
 

„Ich wüsste nicht, wie es hier aushalten sollte, ohne dich...“, flüsterte er und streichelte mit seinen Lippen ihre warme Stirn... „Die Feste ist so groß und so leer...“

Sein Körper lag ein wenig schwer auf ihrem, aber nicht belastend oder schmerzhaft. Und doch verwunderte sie diese unglaubliche Innigkeit, der er zuließ und sogar eingeleitet hatte.

„Dieser Ort... ist immer noch so fremd, obwohl ich hier zuhause bin...“, meinte er leise.

Obgleich sie nichts mit seinem kleinen Eingeständnis anzufangen wusste, wollte sie ihn verstehen. Zaghaft wanderten ihre Hände um seinen entblößten Rücken, fühlte die vielen Narben dort und streichelte verträumt darüber.

„Dein Zuhause...“

„Mmh...“, murmelte er und küsste sie verspielt im ganzen Gesicht. „Ich bin so froh, dass wir diese alte Burg retten konnten... mit dem vielen Eingekochten, der Waffenkammer meines Vaters, den Büchern meiner... Mutter...“ Er wurde leiser mit den Worten und Zelda erkannte den leichten Schmerz und die Beklemmung in seiner Stimme. Ihre sanften blauen Augen suchten seine wieder und ihre rechte Hand fand sich bremsend auf seinen blassen Lippen. „Sag’ nichts... es ist nicht nötig...“, flüsterte sie, hob ihren Kopf ein wenig an und hauchte weitere Worte an sein Ohr. „Ich hab’ dich lieb, mein Held...“ Er schenkte ihr wieder ein dankbares Grinsen und tat etwas neues. Etwas, was sie so nicht kannte und nie als Geste von ihm erwartet hätte.

Er küsste sie... Einfach und ausgesprochen sanft auf den roten Prinzessinnenmund. Aber ein Kuss blieb nicht nur ein Kuss und die damit verbundene Leidenschaft und Liebe tat ihr übriges. Mit wachen, überraschten Augen sah sie auf und las die Verwirrung und Verwunderung in dem schönen Dunkelblau seiner Heldenaugen.

„Zelda?“

„Ähm... ja?“, stotterte sie.

„Was hast du?“ Sie versuchte den Knoten in ihrem Hals zu beseitigen, aber wusste nicht wie...

„Wie meinst du?“

„Du bist heute irgendwie so... anders...“ Sie lächelte zaghaft.

„Ich bin nur ein wenig... durcheinander...“

„Du meinst, nach allem, was das letzte Jahr geschehen ist. Die Flüche. Die Geschundenen der Macht. Die Großen Schlachten in unserem Hyrule...“ Wovon redete er nur, dachte sie. Große Schlachten?

„Aber wir haben Frieden...“, begann sie leise und hoffte, sie würde sich damit nicht vor ihm bloßstellen, da sie nicht wusste, wovon er überhaupt redete. Er lächelte angenehm.

„Natürlich haben wir Frieden, sonst hättest du mich doch zur Hölle gejagt, mein Herz“, lachte er und senkte seine Lippen erneut auf ihre.
 

Wieder war die Prinzessin überrascht und beinahe erstarrt angesichts des neuen, wunderbaren Gefühls und diesmal wollte sie auskosten, wollte erwidern und schenkte ihm mehr Vertrauen in jenem Kuss, ließ seine fordernde Zunge ein und kostete von ihm...

Bei Nayru, dachte sie. Es tat so gut. Diese kleinen Leidenschaften. Dieses verliebte Zungenspiel. Neu und Prickelnd. Vorbereitend und zielstrebig. Er löste sich von ihr und wich nur wenige Millimeter von ihrem hübschen Gesicht. Nun war mehr als die lächelnde Freude in seinen unstillbaren Augen. Da war etwas Gefährliches und eine Spur Hunger...

„Weißt du, ich habe gar keine Lust mehr auf ein gemeinsames Bad... sondern...“, begann er, senkte seine Lippen auf ihr Kinn und hielt Zeldas Hände mit seinen über ihrem Kopf fest und straff in die weißen Kissen gedrückt.

Er raubte Empfindung über Empfindung, ließ sie erfahren und erkennen und wanderte mit seinem heißen Mund zu ihrem Hals, küsste hungriger, kniff sie leicht und saugte ein wenig.

„Link...“, murmelte sie erschrocken über diese Hemmungslosigkeit. Er blickte auf, hatte schon wieder diese wahnwitzige Verwunderung in seinem Gesicht und grinste unverschämt.

„Was tust du hier?“, meinte sie gedämpft, wünschte sich fast, sie hätte es nicht gesagt, hätte ihn nicht unterbrochen und hätte auf seine Liebkosungen reagiert. Er lachte plötzlich und schien ihre Erstaunung gar nicht begreifen zu wollen.

„Das, was du vor nicht allzu langer Zeit mit mir gemacht hast, ohne, dass ich nur irgendetwas davon verstanden habe...“, erwiderte er und berief sich damit auf seine eigene Unschuld, auf die Tatsache, wie wenig er einst über Liebe und Leidenschaft wusste. Und er fuhr fort, nahm Zeldas Worte keineswegs ernst, sondern erfreute sich noch an ihrer leichten Befangenheit... Seine Linke wanderte ungeniert unter das samtene Nachtkleidchen Zeldas und streichelte Partien ihres Körpers, die noch niemand außer ihr selbst berührt hatte.

„Link...“ Ihr Atem ging schnell und heftig. „Wir können nicht einfach... zulassen, was hier geschieht...“

„Das hat dich doch damals in der Holzhütte am Glücksteich auch nicht interessiert...“, seufzte er und zog ungeduldig an den dünnen, weißen Trägern, die das Kleid zusammenhielten. „Ich weiß, es ist nicht richtig... nicht mit der Anwesenheit unserer Fragmente... Aber ich will dich jetzt. Ich möchte dich spüren. Dein Inneres spüren...“
 

Und sie ließ ihn gewährend, ließ ihn verführen und sich nehmen, was er brauchte. Mit einem Ruck zog er das wenige Stück Stoff vom gottesgleichen Körper seiner Prinzessin.

„Damals in der Holzhütte?“, murmelte sie atemlos, während er sie leidenschaftlich an zahllosen Hautpartien küsste. Den weißen Hals. Die wohlgeformte Brust. Den flachen, angespannten Bauch...

„Ja, damals in der Holzhütte...“, murmelte er stockend. Sein Atem ging so unruhig, dachte sie. Und mit jeder weiteren Minute, in der er verwöhnte, in der er sie in dieses Liebesspiel führte, glühte sein Körper stärker.
 

Auch das weiße Badetuch um seiner Hüfte, fiel zu Boden und alles, was blieb, waren zwei nackte, junge Elfenkörper, die sich schrittweise in ihr selbsterschaffenes Paradies führen wollten. Alles war so einfach auf diese Ebene, dachte Zelda. So einfach für ihn und für sie. Eine neue Welt lag vor ihren unverschlüsselten Sinnen in dieser Liebesnacht... Eine Welt ohne die belastenden Gesetze Hyrules. Ohne die vielen dunklen Gestalten, die das Licht der alten Welt mehr als alles andere hassten. Ohne die Schuld des Hylianertums...
 

Sie rollten sich ein wenig gemeinsam über das knarrende Bett mit den weißen, feuchten Lacken, bis Zelda halb auf ihm lag, ihre Hände an seine Wangen führte und ihn tief und genießend küsste, vielleicht als kleine Entschuldigung ihrer Befangenheit und ihrer anfänglichen Ausreden. Diese Liebe zwischen ihnen war so bedeutend, so groß, dass nicht einmal mehr ihre Unwissenheit über Zeit und Raum dieses Traumes eine Rolle spielte. Weisheit und Wissen waren ohne Sinn in einem Liebesglück wie diesem...

Neugierig wanderte ihre Rechte an seinem Körper entlang, streichelten über eine frische, breite Narbe quer über seinem Bauch und schließlich noch weiter hinab. Er atmete scharf ein als Folge einer unlauterem Berührung ihrer warmen, weichen Hände.

„Das gefällt dir?“, spaßte sie, worauf er grinsend ein Auge öffnete und sie verhohlen musterte.

„Ich weiß auch ganz genau, was dir gefällt, mein Herz...“, erwiderte er tückisch.
 

Schnell und sehnsüchtig rollte er sich erneut über sie und saugte empfindungsvoll an ihrer perfekten Brust. Es war die Art und Weise, wie er es tat, dachte sie. So als ob er dies schon häufiger getan hatte. Er wusste tatsächlich, was ihr gefiel und er hatte Spaß dabei gerade das zu verschenken, was in ihrem Körper Lust und Leidenschaft steigerte...
 

Als sie nach langen Minuten inniger Liebkosungen einen intensiven, verträumten, sehnsüchtigen Blick in seinem Augen las, wusste sie endgültig, was er wollte, dass er es jetzt wollte.

„Darf ich?“, murmelte er leise und küsste sie auf die Nasenspitze. Sie nickte scheu, fühlte leichte Ängste und Sorge aufwachen. Und vielleicht sah er jene Gefühle in ihren saphirblauen Augen wie die viele Liebe darin.

„Hast du Angst?“, meinte er leise und streichelte ihre rosa Wangen sanft... Sie nickte vorsichtig. „Ich werde dir niemals wehtun... versprochen...“ Sie sank eine Spur erschöpft, aber vorbereitet zurück in die weiche Matratze und öffnete ihre Oberschenkel für ihn, einladend und mit unermesslichem Vertrauen.

Sie schloss die Augen und fieberte den intensiven, heißblütigen Moment dieser Liebe herbei wie eine Seele die größte und überwältigendste Wiedergeburt. Sie wollte ihn. Sie liebte ihn...
 

Die letzten, purpurroten Strahlen der alten Abendsonne zogen sich ehrfurchtsvoll zurück, verschwanden still in unermesslicher Dunkelheit und vereinigten sich mit jener wie der starke Körper des jungen Helden mit dem teuren der schönen Prinzessin...
 

Schwitzend und unerträglich zitternd schreckte die ruhende Thronerbin aus ihrem kurzen Schlummer. Ihr Atem ging so schnell als hätte sie viele Minuten die Luft angehalten. Ihr Herz pumpte so laut, dass sie Angst hatte, es könnte daran zerreißen. Und ihre Kehle war trocken und taub. Sie wischte sich über das feuchte Gesicht, wühlte in ihrem zerzausten Haar herum und stand endlich schwankend aus dem kühlen Bett auf...
 

Entsetzt und mit wachsenden Zweifeln erinnerte sie den Traum, erinnerte den Geschmack seines Körpers, erinnerte jedes tiefe Gefühl und die heiße erwachte Leidenschaft von ihr und ihm...
 

Was war das? Was sollte dieser Traum?
 

Sie fuhr mit einer Hand über ihre Lippen, könnte schwören, er hätte sie tatsächlich geküsst, hätte sie tatsächlich verführt und sich in ihr ergossen...

Schlotternd tapste die junge Prinzessin zu einem runden Holztisch in der Mitte des Schlafzimmers, trank aus einem goldenen Kelch frisches Wasser und stützte sich sogleich wieder an der glatten Holzplatte ab.
 

,Nein’, dachte sie. Das war kein einfacher Traum. Furcht und Schock belehrten sie, versetzten sie in die furchtbare Erkenntnis, die ihrem Herzen erwuchs. Die Zuneigung, die vielen verwirrenden Gefühle für den Helden der Zeit waren nie Gefühle der Freundschaft gewesen. Und es war nie so etwas wie die Zuneigung zwischen Geschwistern... Es war immer schon etwas stärkeres, besonderes. Es war so viel mehr. Das Band zwischen der Prinzessin des Schicksals und dem Helden der Zeit war Liebe...
 

Gerade in dem Augenblick klopfte es laut und fest an der großen Zimmertür und eine dröhnende, bekannte Stimme ertönte. „Zelda? Ich weiß, es ist spät, aber es ist wichtig.“, schallte es von außerhalb. Außer Sinnen grabschte sie nach ihrem weinroten Mantel, suchte Wärme und Ruhe darin, versuchte den Traum in ihrem Geist zu verschließen, aber es klappte einfach nicht. Die vielen intensiven Gefühle darin waren unvergesslich. Sein Mund auf ihrem unvergleichlich...
 

Zitternd öffnete sie die schwere Tür in ihr Schlafgemach und fand Valiant in voller Rüstung vor sich stehen. „Was gibt es zu so später Stunde?“, murmelte sie und sah beschämt weg, hoffend ihr Cousin würde nicht eine Spur von Scham oder Sehnsucht in ihrem schönen Gesicht lesen.
 

Valiant trat murrend ein und sprach: „Alles in Ordnung? Du siehst irgendwie durcheinander aus...“ Aber nichts war in Ordnung. Zeldas Körper bebte immer noch. Sie spürte Link immer noch überall... sein heißer Mund... die glühenden Hände...

Sie log: „Ja, sicher. Ich bin nur ein wenig überarbeitet...“

„Du gehst immer noch unnötig Stammbäume durch? Ist dir das nicht langsam zu wider?“ Leicht verärgert schüttelte sie den Kopf und ignorierte Valiants Halsstarrigkeit.

„Nimmst du an, ich wäre faul? Was ich mir in den Kopf gesetzt habe, wird getan.“ Sie grinste unverschämt. „Und ich habe nicht vor, dass das in Zukunft anders sein wird.“ Valiants Augenbrauen zogen sich wie immer nach unten. Das war Zelda und würde sie immer bleiben. Wenn ihre Sturheit nicht wäre, würde er wahrlich etwas vermissen.

„Aber bist du dir wirklich sicher, dass du in jenen Stammbäumen etwas über Links Ursprünge herausfinden kannst? Möglicherweise hat er tatsächlich keine namhaften Ahnen...“
 

Missbilligend verschränkte Zelda ihre Arme und seufzte gelangweilt. Valiant winkte mit einer Hand. „Schon gut, Cousinchen. Das ist deine Sache... ich möchte lediglich, dass dir eine eventuelle Enttäuschung nicht das heitere Gemüt verdirbt.“ Ihre Mundwinkel zogen sich nach oben. „Keine Sorge, Valiant, ich bin gewappnet.“ Er nickte und blickte sich daraufhin scharf und genau im Gemach um als wollte er einen Spion suchen.
 

„Also, warum bist du nun hier?“

„Dein Vater hat kurzfristig eine Versammlung einberufen. In einer halben Stunde im großen Saal...“

„Eine Beratung? Zu so später Stunde?“

Valiant nickte. „Richtig.“

„Aber was möchte er besprechen? Wenn er jetzt noch eine Versammlung einberuft, bedeutet das nichts gutes...“ Zelda führte eine Hand an ihren puderroten Mund und grübelte.

„Sicherlich nicht, aber ich glaube, er will lediglich keine unliebsamen Überraschungen in seinem Reich erdulden müssen wie in der alternativen Zukunft, Cousinchen. Daher bereite dich bitte vor.“ Entschlossen sah die Prinzessin auf.

„Und wer wird an der Versammlung teilnehmen?“

„Neben deinem Vater, dir und mir niemand, außer dem Friedenswachenden, der heute als Schutz für den König eingeteilt ist...“ Zelda nickte mehrmals, schob Valiant aus dem Gemach und meinte leise: „Ich bin gleich so weit, geh’ doch bitte schon mal vor...“
 

Als der junge Adlige aus dem Gemach verschwand, lehnte sich die junge Prinzessin für wenige Augenblicke an die verschlossene Tür, schloss die Augen und erinnerte leise den prophezeienden Traum...

Da war mehr gewesen als die heftige Liebe zwischen ihr und dem Träger des Mutes, da war zunächst einmal die neue Umgebung. Wie hieß es? Die Burg, die sie und Link retten konnten? Retten? Aber wovor und wann? Nachdenklich führte die Königstochter ihre Zeigefinger an die Schläfen und versuchte sich weiterhin zu konzentrieren...

Worte... welche Worte sprach sie in jenem Traum. Und welche sprach Link? Beherrscht und zuversichtlich rief sie sich die Details des Traumes wieder in ihr Gedächtnis, erinnerte die Gerüche, besann sich auf den Geschmack seines Kusses...

Da war tiefgehende Zuneigung, Worte, so bedeutungsvoll und vertraut...

Und dann war es ihr Held, der von einigen Ereignissen in der Vergangenheit gesprochen hatte, die noch nicht einmal geschehen waren. Was hatte er gesagt? Die Geschundenen der Macht? Die Großen Schlachten?
 

Die letzten drei Worte staken nagend in ihrem Kopf. Die Großen Schlachten... das bedeutete wahrlich nichts gutes...
 

Beunruhigt folgte die junge Prinzessin einer dunklen Wendeltreppe in das Erdgeschoss, dort wo in dem großen Rittersaal ihr Vater und Valiant warteten. Es war ein runder, hoher Raum mit unzähligen Schwertern an den Wänden und nicht ein Fenster ließ Lichtstrahlen in jenes Gewölbe... Und kalt war es in jenem Raum, sodass sich Zelda vorsorglich ein wärmeres Gewand angezogen und ihren weinroten Umhang mitgenommen hatte.

Als sie den Saal erreichte, bemerkte sie zunächst den todernsten und doch irgendwie gelangweilten Friedenswachenden am Eingang. Die braunen, lebenserfahrenen Augen Lassario Laundrys erhaschten einen kurzen, neugierigen Blick bei dem Eintreffen der Prinzessin und schauten dann wieder sittsam zu Boden.

„Guten Abend, Prinzessin“, sagte er.

„Ebenfalls guten Abend, Ritter Laundry“, meinte Zelda, worauf der gute Mann überrascht aufsah. Woher wusste sie eigentlich seinen Namen? Er fühlte sich geschätzt, nein, beinahe geehrt, allein der Tatsache wegen, dass eine so wichtige Person wie Prinzessin Zelda von Hyrule seinen Namen wusste.

„Ihr seid überrascht?“ Er nickte.

„Nun, meine Familie und ich sind erst seit wenigen Wochen in Hyrule. Von daher wundert es mich schon, dass ausgerechnet Ihr meinen Namen kennt.“ Zelda lächelte charmant und eindringlich. Und dann lachte sie kurz. „Verzeiht, aber ich hatte bereits eine kurze Unterredung mit Eurem Sohn.“

„Mit William? Wie das?“ Die Überraschung und der anfängliche Schrecken brachten Lassario aus seiner ritterlichen Haltung und er stützte sich auf sein Schwert. Zelda legte eine Hand auf ihr Herz und blickte leicht traurig zu Boden. „Der Grund lag darin, dass ich seinen Mitbewohner aufsuchen wollte.“

„Den jungen Link?“

Zelda blickte mit ihren traurigen Augen auf und nickte. „So ist es.“ Zelda wand sich dem großen Tor zu, welches sie in Kürze verschlucken würde. „Ihr seid ein vertrauenswürdiger Ritter und ein guter Vater dazu. Ich möchte Euch um etwas wissen lassen... Etwas, was Euch Link mit anderen Augen sehen lassen wird. Aber ich fordere Schweigen von Eurer Seite, falls Ihr das Geheimnis erfahren werdet.“

Mit großen Augen klopfte sich Lassario auf den Brustpanzer. „Selbstverständlich, Prinzessin“, sagte er laut und fühlte sich leicht überfordert angesichts des Vertrauens, das ihm die Prinzessin entgegenbrachte...

„Dann werde ich Euch nach der Unterredung mit meinem Vater einweihen. Erscheint, wann Ihr gerufen werdet.“ Er nickte heftig mit dem Kopf.

„Und noch etwas... Will weiß nicht meinen wahren Namen. Bitte lasst ihn in der Unkenntnis und lasst ihn auch in der Unkenntnis bezüglich Link.“ Lassario schaute irritiert drein, hoffend Zeldas Worte würden Sinn ergeben, wenn sie ihm die Geheimnisse über Link anvertraute.

„Gut, dann wartet bis man Euch hereinbittet.“ Der gutgebaute Ritter bejahte erneut und stellte sich wieder in Position, als die junge, weise Prinzessin in das Beratungszimmer eintrat und die Tür mit magischen Worten versiegelte...
 

Die Thronerbin trat wortlos, aber mit ausdrucksvollem, besorgten Blick in das kühle Beratungszimmer ein. Fünf hohe Standkerzen umzingelten den runden, rustikalen Holztisch in der Mitte des Raumes. Wie gewöhnlich saß ihr Vater auf dem höchsten und größten Platz an der runden Tafel und Valiant rechts neben ihm. Ein schwerer, niedergebeugter Ausdruck auf dem in die Jahre gekommenen Gesicht Harkenias beunruhigte Zelda noch mehr als vorher... Ihr Vater hatte seine Hände gefaltet und sein Kinn auf ihnen abgestützt.

„Vater?“, meinte Zelda gedämpft, trat näher und legte ihre zarten Hände auf die runzligen des Königs. Ihre sanften Hände, die Minuten vorher noch im Traum den jugendlichen Körper des Helden der Zeit verwöhnt hatten.

Als Harkenia mit seinen blauen Augen aufsah, wusste Zelda endgültig, dass ihnen herbe Zeiten bevor stehen würden.
 

„Was ist geschehen? Aus welchem Grund berufst du eine Versammlung zu so später Stunde?“, sagte Zelda energisch und ließ sich in den breiten Stuhl mit den hohen Lehnen links neben ihrem Vater nieder.

„Vor wenigen Stunden gab es einen Angriff, Zelda...“, sagte Harkenia leise. „Ritter Sorman informierte mich diesbezüglich vor wenigen Minuten...“

Geschockt ließ sich die junge Thronfolgerin tiefer in den Sessel sinken. Haltsuchend klammerte sie sich an die hohen Lehnen.

„Einen Angriff? Wo?“, erklang es erschüttert aus ihrem Mund.

„An unserer Landesgrenze im Westen. Mehrer Dörfer waren betroffen.“

„Mehrere Dörfer?“, wiederholte sie und konnte das Gesagte nicht begreifen. Mehrere Angriffe auf einfache Dörfer? Ohne, dass sie als siebte Weise etwas davon gespürt hatte? Ohne, dass sie etwas gefühlt hatte, wie sonst auch? Wo war ihre Macht der Vorsehung geblieben? Waren Prophezeiungen nicht mehr ihr zugedacht?
 

„Wie viele?“, war die bedeutende Frage, die nun noch zu stellen war... Die Frage nach Verwundeten und Toten.

„Rund fünfzig Tote und noch mal so viele Verletzte...“, sagte Valiant standhaft. Zeldas saphirblauen Augen sanken nieder und blickten traurig zur dunklen Tischplatte. Ihr Hände verkrampften sich mit jedem weiteren Gedanken, der auf sie einströmte. Gedanken über Schuld und Widerwärtigkeit derjenigen, die diese Mordlust auszuleben vermochten.

„Weiß man etwas über die Verantwortlichen einer solchen Tat?“ Harkenia nickte und sagte klar und unmissverständlich: „Überlebende sprachen von einem Bündnis von Hylianern mit Moblinbrut...“ Angeekelt schaute die anmutige Prinzessin seitlich.

„Ein Bündnis von Hylianern und Moblins? Das ist ja widerlich...“, zischte sie, stand auf und blieb wenige Zentimeter vor dem glühenden Kaminloch stehen.

Hylianer, die sich mit unreinem Moblingesocks verbündeten, waren in Zeldas Augen keine Hylianer mehr. Den Namen ein Mitglied des Volkes Hyrules zu sein hatten Elfen verspielt, die sich auf die Seite von Dämonen stellten. Schon immer und ewig. Die Todesstrafe hatten man jenen Verrätern seit den alten Tagen angedroht. Einen frevelhaften, gewaltsamen Tod, der mit nichts gleichzusetzen war...

Doch jetzt, da ihr Vater die Todesstrafe abgesetzt hatte, schienen einige böse Gemüter aus dieser Sache einen Nutzen ziehen zu wollen. War Abschreckung nicht mehr genug?
 

Derweil näherte sich Harkenia mit großen Schritten seiner Tochter und legte die alten Hände auf ihre Schultern. „Zelda... bitte sei beruhigt. Ein Trupp Soldaten ist bereits auf dem Weg unter Begleitung Sormans und McDawns.“ Harkenias Stimme war ruhig und zuversichtlich. „Hilfe ist unterwegs... außerdem...“ Harkenias Augen schwenkten erwartungsvoll zu Valiant, der sogleich das Wort übernahm. „Außerdem werde ich mich unverzüglich auf den Weg machen und mich an der Landesgrenze ein wenig umhören.“ Zelda wand ihr bezauberndes Antlitz abwechselnd zu ihrem Vater und ihrem Cousin. Sie nickte.

„Gut, das beruhigt mich in der Tat“, meinte sie sachte und lächelte schwermütig. „Es kann doch nicht sein, dass uns die Götter nach dem Zeitkrieg eine weitere herbe Zeit aufdrücken wollen...“, setzte sie hinzu. Nein, daran wollte sie nicht glauben... Nach vier Jahren Frieden konnten selbst die Götter nicht verantworten, das Volk in eine weitere grausame Zeit zu führen...
 

In dem Moment schnallte Valiant sein Schwert vom Gürtel, hielt es vor sich und schwor im Namen der Krone. „Dieses Schwert wird mir helfen, die Opfer der Dörfer zu sühnen.“ Er wand sich ehrenhaft lächelnd zu Zelda und sagte leise. „Cousinchen?“

„Mmh?“

„Pass’ gut auf dich auf in meiner Abwesenheit.“

„Sicher!“, sagte sie und umarmte ihren Cousin liebevoll.

„Pass’ du lieber gut auf den eingebildeten Kopf auf, der auf deinen Schultern sitzt, mein Cousin.“ Er lachte.

„Kein Thema.“ Damit schnallte er sein Schwert fest, verbeugte sich vor seiner Cousine und dem König und trat zur Tür. „Und bitte halte Abstand zu Link...“ Zelda verzog das Gesicht und wechselte schnell das Thema.

„Wann wirst du abreisen?“

„In zwei, drei Stunden.“ Zelda nickte. Und Valiant ließ den beratenden Saal hinter sich.
 

Grübelnd stand Harkenia weiterhin vor dem Kamin und zupfte sich an dem grauen, kurzen Bart seines schmalen, spitzen Kinns. „Ist Impa noch unterwegs, Tochter?“

„Ja, das ist sie...“, entgegnete Zelda leise und sah zu Boden. Die wachsende Besorgnis in ihrem Gemüt ließ die sanften Augen der Prinzessin trauriger und trauriger werden. Impas Abwesenheit, denn sie war wie eine Mutter für sie, war nur eine der vielen Hürden in den letzten Tagen... Dann lastete Links momentaner Zustand auf ihrem Herzen, machte sie unruhig, machte sie traurig und nun gab es Angriffe von einem bösartigen, dunklen Bündnis, welches möglicherweise in Zukunft noch mehr Schandtaten im Sinn hatte und irgendwann Forderungen an das Reich stellen würde. Die Zukunft schien schlichtweg düster...
 

„Ich hoffe, Impa findet das verschwundene Farmmädchen um den Helden der Zeit zu entlasten“, sagte der alte Mann trübsinnig.

„Was ich noch mehr hoffe, ist, dass sie uns Berichte über die Geschundenen der Macht bringen kann.“ Der König nickte gefasst.

„Wenn das dunkle Bündnis, welches die Dörfer überfiel, den Geschundenen gleichzusetzen ist, dann wird es endlich Zeit jenen auf den Zahn zu fühlen“, erwiderte er. „Du weißt, dass mich die Geschundenen der Macht seit Jahren beunruhigen, Zelda.“

„Sicher. Mir ergeht es nicht anders. Irgendetwas macht mich nicht nur stutzig, sondern schickt mir einen Schauer auf den Rücken, wenn ich den Namen dieser Sekte höre... “ Zelda spielte mit einigen goldbraunen Haarsträhnen, schien zu grübeln und blickte tückisch auf.

„Gerade deshalb gibt es in unseren Reihen jemanden, der die Geschundenen der Macht studiert hat, der mehr über sie weiß als wir alle zusammen. Ich bin so froh, dass ich Newhead finden und ihm die Lehrerstelle in der Schule geben konnte. Er wird uns von Nutze sein“, sagte sie überlegen und weitsichtig.

„Du überraschst mich immer wieder, Tochter.“ Harkenia legte die Hände auf Zeldas Schultern und lächelte eindringlich. „Deine Entscheidungen, mein Kind, sind wie immer edel und weise. Hab’ Dank für dein Vertrauen und deine Entschlusskraft. Hyrule wäre nichts ohne dich.“

„Ich weiß“, lachte sie tückisch. „Was wäre Hyrule ohne meinen ulkigen, väterlichen Quacksalber und ohne mich.“ Darauf lächelte Harkenia stolz, war Zeldas liebliche Gemeinheiten schon lange gewöhnt und wusste um die Zuneigung und Liebe, die hinter ihren Worten steckten.
 

„Und... wie geht es Link?“ Zelda blickte verwundert auf, als ihr Vater danach fragte. Aber sie schwieg bewusst auf diese Frage.

„Wenn Hyrule nicht mehr sicher ist, wenn uns düstere Zeiten bevorstehen, werden wir den Helden der Zeit brauchen“, meinte er hoffend und sah erkundend in Zeldas blaue Augen.

„Ja...“, wisperte sie. „Sicherlich wird Hyrule einen Helden brauchen, sowohl in Vergangenheit als auch Zukunft, aber ob Link jemals wieder diese Aufgabe erfüllen kann... ist...“ Sie brach ab, schluchzte und fuhr sich unbemerkt von Harkenia über ihre Augen. Der Traum von vorhin kam wieder zurück in ihr Gedächtnis, nahm ihr für wenige Sekunden die Standfestigkeit, sodass sie sich mit beiden Händen auf dem runden Tisch in der Mitte des Raumes abstützen musste.

Harkenia gehörte nicht zu der Sorte Vater, der nicht fühlen konnte, was in seiner Tochter vorging. All die Jahre wusste er etwas, was Zelda vielleicht jetzt erst verstanden hatte. Er gehörte nicht zu den unnahbaren Königen, die Thronerben lediglich zur Repräsentativität der Königsfamilie und zum Wohle des Reiches zeugten...

Er wand sich um. Ein Blick väterlicher Fürsorglichkeit in dem faltenreichen Gesicht. Mit großen Schritten trat er näher und drückte die junge Prinzessin in seine Umarmung.
 

„Zelda, mein Kind. Liebst du ihn? Ich meine nicht als Freundin, nicht als Prinzessin...“ Überrascht blickte sie seitwärts und überlegte sorgfältig und genau, was sie darauf sagen sollte. Sie rückte aus der väterlichen Umarmung und blickte Harkenia stolz und gefasst in die blauen, strahlenden Augen, die er besaß.

„Wenn es so wäre?“, fragte sie. Aber Harkenia lachte kurz über Zeldas plötzliche Ernsthaftigkeit. „Dann hättest du auf jeden Fall meinen Segen, mein Kind.“ Und auch Zelda lächelte über diese Äußerung.

„Du hast nichts dagegen?“, meinte Zelda verwundert.

„Mein Kind“, begann Harkenia und legte die alten Hände auf ihre Schultern. „Ich wollte immer, dass du irgendwann aus Liebe heiraten würdest, nicht nur zum Wohle Hyrules. Denn ein unglücklicher Herrscher ist kein guter Herrscher.“ Zelda nickte breit.

„Ein unglücklicher Herrscher ist kein guter Herrscher“, wiederholte sie. „Wie oft hast du mir diesen Satz nun schon um die Ohren gehauen, Vater?“

„Nicht oft genug“, meinte er keck. „Und Link genießt mein vollstes Vertrauen in jeglicher Hinsicht.“
 

„Das Problem ist... er lässt niemanden an sich heran“, begann Zelda. „Und ich war die letzten Jahre so blind gewesen, seine Schmerzen zu fühlen, seine Zweifel anzunehmen, die er mit jedem Kampf durchmachen musste. So blind zu sehen, wie sehr das Blut seiner Opfer an ihm nagte, dass ich mich einfach schäme.“ Sie lachte halbherzig. „Und nun wundere ich mich, dass ich nicht zu ihm finden kann?“ Sie schüttelte den königlichen Kopf. „Ich war wie das Kind, welches ich nie sein wollte, wie die Prinzessin, die ich verabscheut habe. Ich war eigensinnig und blind...“

„Sei’ nicht so hart zu dir, Zelda“, sagte Harkenia. „Ich bin mir sicher, der Groll, den der junge Link hegt, geht nicht gegen dich...“

„Das mag sein. Aber seine Abweisung und Kälte gehen gegen mich.“ Der König schwieg darauf und eine unangenehme Pause schlich sich ein.
 

„Manchmal...“, fing Harkenia dann an und verschränkte seine breiten Arme. „Manchmal, wenn ich ihn sah. Wenn das junge Gesicht deines Freundes aus Kindertagen mir begegnete, hatte ich für wenige Sekunden das Gefühl, sein Gesicht schon einmal gesehen zu haben.“ Zeldas Augen wurden für einen Moment größer.

„Wie meinst du das?“

„Aus irgendeinem Grund war er mir vertraut, ohne, dass ich es wahrhaben wollte, immerhin habe ich ihn damals bloß als einen kleinen, unreifen Bengel angesehen, der sich Vorteile beschaffen wollte, in dem er die Prinzessin als Spielkameradin hatte“, gab er zu. „Aber eben zu mancher Sekunde hatte ich das Gefühl, er wäre hier genau richtig.“

„Vater? Bitte erkläre mir das. Wie soll’ ich das verstehen?“ Aufgeregt trat Zelda näher und linste angespannt in die weisen Augen Harkenias.

„Ich kann dir dieses Gefühl nicht anders beschreiben und ich finde einfach keine Erklärung dafür, aber vielleicht gehört er doch mehr in den Bunde um die Ritter Hyrules als wir beide zu diesem Zeitpunkt wissen.“

Zelda lächelte zaghaft. „Das hoffe ich. Nein, das weiß ich.“

„Vielleicht gibt es mehr in seiner Vergangenheit und er besitzt noch lebende Verwandte“, äußerte der König hoffnungsvoll und erhellte mit seinem Verständnis das Gemüt seiner anmutigen Tochter. „Das wäre wunderbar“, strahlte sie und küsste ihren alten Vater damit auf die Wange. „Du bist der beste Vater, den man sich wünschen kann“, lachte sie. Harkenia grinste: „Und du, mein Kind, machst mich überglücklich damit, was aus dir geworden ist“, erwiderte er und streckte seine Arme in die Höhe. Er unterdrückte den Gähnzwang und lief in Richtung Ausgangstür.

„Ich werde überlegen, wie wir weiterhin verfahren werden mit dem dunklen Bündnis, das sich in unser Reich einschleichen will. Morgen werden wir weiter beraten. Doch nun, lass’ uns ruhen, mein Kind. Ich wünsche dir eine angenehme Nacht.“ Sie nickte. „Ebenfalls gute Nacht, Vater.“ Er öffnete die Tür und warf ihr grienend hinterher. „Aber träume nicht zu viel von deinem Link, Zelda.“ Ihre Augen wurden schlitzartig und bissig, aber kein sinnvoller Kommentar entkam ihren Lippen. Wie sollte sie nach dem Traum von vorhin noch über so einen Scherz lachen können?
 

Schäkernd, ja beinahe spöttisch verschwand der König und neben der großen Tür stand ein verwunderter Lassario Laundry, der den Monarch noch nie so menschlich, so nah und heiter erlebt hatte.
 

Wenige Minuten später war es Lassario Laundry, dem das große Geheimnis um die Identität des Helden der Zeit offenbart wurde. Schweigsam und entsetzt saß er vor Prinzessin Zelda, die ihm einige Details bezüglich der alternativen Zukunft unterbreitete. Und da Lassario Laundry ein angesehener Ritter war, so wusste sie, würde Links Geheimnis bei ihm gut aufgehoben sein...

Als die junge Prinzessin den Ritter entließ und er trabend nach Hause ritt auf der alten Stute Katarina, die schon seit zwanzig Jahren in seiner Familie lebte, waren es Trance und Mitleid, welche ihn einnahmen...
 

Link war der Held der Zeit...

Lassario konnte das einfach nicht glauben, einfach nicht verstehen...

Link war ein Held. Warum also war er so niedergebeugt, so trübsinnig und unnahbar? Er musste stolz auf sich selbst sein und Lassario wäre stolz auf Link, wenn er sein Sohn wäre...
 

Die Nacht um den Verlassenen Hügel war sternenklar, so klar, dass man Drachenboten und Schwertadler am Himmelszelt emporsteigen sehen konnte.

In der nahgelegenen Ritterschule war es zu jenem Zeitpunkt ungewöhnlich still. Einige Jungendliche waren nach Hause geritten, andere genossen in der alten Wirtsstube in der Burg einen heiteren Abend unter Gleichgesinnten. Nur wenige hielten sich noch in den alten Gemäuern auf und auch Link befand sich kränklich und trübsinnig in seinem Zimmer. Seine bittere Trübsinnigkeit schlug in Wut um, Wut auf sich selbst und vielleicht auch Wut auf die lobgepriesene Königsfamilie. Besonders Valiant, der ihm den Umgang mit Zelda untersagt hatte, schlich durch sein trauriges Gemüt.
 

Er atmete pfeifend und ließ seine tauben Beine von der Bettkante baumeln. In seinen Händen hatte er den Brief der Prinzessin, die ihn bat, heute Abend in den Schlossgärten vorbeizuschauen. Er zerknüllte den Brief, riss ihn dann in Stücke und die vielen Schnipsel landeten unbedeutend auf dem Boden.
 

Sicherlich, Link hatte Sehnsucht nach seiner Seelenverwandten, er rang schon mit der Vorstellung, sie um Hilfe zu bitten, sie darum zu bitten, dass er bei ihr bleiben konnte. Nur ein paar Tage, erfüllt von ein wenig Wärme und den ermutigenden Worten Zeldas. Aber Valiant würde das nicht dulden. Er hatte Link unmissverständlich und auf sehr grobe Weise klar gemacht, wie wenig er von der Freundschaft des Helden zu der Prinzessin Hyrules hielt. Und König Harkenia teilte vermutlich dieselbe Ansicht.

Was sollte er auch im Schloss der königlichen Familie vollbringen und tun? Er mit seiner Rastlosigkeit. Er mit dem Blut von Dämonen an seinen Händen. Schon die Vorstellung, er könnte so etwas Reines wie Zelda bloß einmal berühren, lösten bei Valiant und auch bei Harkenia Schauerlichkeiten des höchsten Grades aus...

Von daher könnte er nicht einmal den Versuch überleben, Zelda in ihren Gemächern aufzusuchen. Man würde ihn vielleicht sogar einsperren, dachte er, wegen ungebührlichem Verhalten zu der Kronprinzessin Hyrules... Wie absurd!

Dabei, und Link schämte sich schon beinahe für den Gedanken, wollte er bloß ein wenig Wärme von ihr...
 

Und eine weitere Sache hinderte ihn, sich auf den Weg zu machen, sich in das prachtvolle, riesige Königsschloss zu begeben. Epona...

Mit einem verzweifelten Seufzen stützte er den Kopf in beide Hände und kniff die Augen zusammen. Wie sollte er ohne Epona vor dem nächsten Tag im Schloss sein? Erst recht in seinem miserablen Zustand?

Und Zelda hatte ihre Verpflichtungen... sie konnte nicht die ganze Nacht und den folgenden Tag auf sein Erscheinen warten...
 

Gerade da wurde die klapprige Holztür aufgezerrt und Will stürmte mit Newhead herein. Will grinste, aber nicht so dämlich wie Nicholas, der an der Tür stehen blieb.

„Na? Wie geht es dir?“, rief Will und tapste mit den Händen in den Hosentaschen näher.

Link blickte gedankenvoll zu Boden und murmelte: „Weiß nicht...“

„Du siehst echt scheiße aus“, bemerkte Will und musterte das blasse Gesicht, die Augenringel und die schweißnasse Stirn des jungen Heroen.

„Kommt ihr beide jetzt ohne mich klar?“, meinte Newhead und drehte sich zur Tür. „Gute Besserung, Link, und einen schönen Abend euch beiden.“ Damit ging der Lehrer und schloss die Tür leise hinter sich.

Will sah ihm hinterher. „Newhead ist echt einsame spitze“, sagte er. „Als du zusammengesackt bist, hat er sich sofort um alles gekümmert. Ich glaube, er mag dich aus irgendeinem Grund.“ Link zuckte mit den Schultern und lief schwankend zu seinem Schrank, um sich etwas Wärmeres überzuziehen.
 

Aber überraschenderweise stand Will sofort wieder hinter ihm und bohrte geduldig nach, bohrte in den Wunden seines Kumpels ohne es zu wissen.

„Ist das der Grund, warum du nicht kämpfen kannst?“ Link nickte nur gedemütigt und gebrandmarkt. Es war wohl der schlimmste aller Flüche für einen rechtschaffenen Helden, nicht mehr kämpfen zu können und nicht mehr seinen Pflichten nachzugehen.

„Ich bin krank...“, sagte Link und strich sich durch die blonden, durchgeschwitzten Haare. „Aber es kann keine gewöhnliche Krankheit sein...“, murmelte er hinterher und zog sich eine dickere, schwarze Tunika über, die ihm Nicholas überlassen hatte. Eine Tunika, die ihn in seinem Zustand wärmen würde.

„Du meinst, du wurdest verflucht?“, sagte Will überraschend laut und kratzte sich an seinem hellbraunen Haaransatz. „Das weiß ich nicht...“, murmelte Link und zog murrend den Gürtel um seiner Hüfte fest. Selbst dieser kleine Kraftaufwand quälte ihn. In seinen Armen mussten die Muskeln zu Wackelpudding mutiert sein...
 

In dem Moment bemerkte William verwundert die vielen Schnipsel auf dem Boden und sah nur ein Bruchstück des königlichen Falken auf einem der Papierchen. Er kniete nieder und hob einige davon auf, versuchte sie zusammenzufügen.

„Willst du sie denn nicht besuchen?“, fragte er ruhig, hatte den Brief schließlich ansatzweise gelesen und schien irritiert deswegen. Link aber schüttelte den Kopf.

„Es ist mir untersagt, dort...“ Was eigentlich? Das einstige Licht in seinem Leben zu besuchen? Den wichtigsten Menschen in seinem Leben zu besuchen? Dort nach Wärme und Anteilnahme zu suchen?

„Wieso? Ich dachte, die Prinzessin wäre eine Freundin von dir.“

„Vielleicht ja, aber man hat mir verboten mich dort blicken zu lassen.“ Schmerzhaft kamen die Worte Valiants wieder in Links Bewusstsein zurück. ,Halte dich von Zelda fern.’

Dieser verdammte Valiant...
 

„Außerdem ist Epona weg...“, erklang es trübsinnig und schmerzverzerrt aus seinem Mund. „Wie soll ich denn noch heute Abend dort sein?“, setzte er lauter und verzweifelter hinzu. Doch dann schüttelte Link den Schädel und ließ sich kraftlos auf die Matratze sinken.
 

„Wenn das so ist, dann lass’ uns in die Kneipe ,Zum lustigen Hylianer’ gehen. Der Wir- hassen- Viktor- Club trifft sich heute. Und das erste Treffen sollten wir nicht verpassen.“

Damit pfefferte der vorwitzige Laundry seinem Mitbewohner einen Mantel in das blasse Gesicht und hoffte ihn somit überreden zu können.

„Du brauchst Ablenkung, Link. Also, was spricht dagegen unter Leute zu gehen.“ Links trübsinnige Augen sahen auf und er atmete laut. „Na gut...“, meinte er und richtete sich sachte auf, schaute nach Zeldas Heilmittel in seiner Hosentasche und folgte William langsam aus dem Zimmer.
 

Von außerhalb der alten Wirtsstube schallten Töne von jungen Burschen, die ein altes hylianisches Friedenslied herunterträllerten, als Will und Link gemächlich eintraten. Vor Links markanter Nase lag eine alte Theke, wo ein kleiner Kerl mit großem Bierbauch und spitzem, grauen Bart Met an hylianische Ritter ausgab, die auf klapprigen Holzstühlen vor der Bedienung saßen. Qualmiger Rauch schlug Link und Will entgegen, die sich geradewegs in der prallgefüllten Wirtsstube zu Artus und Robin drängelten. Zufrieden und lachend saßen die beiden Rittersöhne an einem Holztisch und erzählten sich Geschichten, hegten Pläne, wie sie Viktor, den verdammten Schwertkampflehrer am besten loswerden sollten.

Auf dem Schoss des blondgelockten Artus saß eine junge Dame, vermutlich seine Freundin Elena, von der er vor wenigen Tagen bereits beim Frühstück berichtet hatte. Und nicht weit entfernt hockte die junge, siebzehnjährige Halbgerudo mit einer heißen Tasse Wein auf einem Stuhl in einer Ecke. Ein Umhang bedeckte ihre schmalen Schultern und das lange gekräuselte rostfarbene Haar fiel ungepflegt an ihren spitzen Ohren hinab.
 

Aber sie war es nicht, die Link irgendwie ins Augenmerk stach, sondern eine weitere Person fiel ihm auf, als ob er diese bereits schon einmal erblickt hatte. In einer dunklen Ecke lag ein Kerl mittleren Alters freudlos auf der glatten Tischplatte. Zehn Flaschen, allesamt leer bis auf wenige Tropfen, standen um ihn herum und ab und an erklang ein schauriges Rülpsen aus seinem Mund. Er hatte bereits graues Haar, ungewaschen, zottelig, obwohl seine Gesichtszüge noch jung und frisch wirkten. Er sang von verlorener Liebe und Schmach. Gebrochene Wortfetzen aus seinem dreckigen Mund, wenn ihm der süffige Met nicht aufstieß.
 

Robin Sorman ruderte wie wildgeworden mit den Armen, und wollte so Link und Will bitten, sich zu ihnen zu gesellen. Will packten den träumerischen Link am Arm und schleifte ihn hinüber zu den quasselnden Rittersöhnen.

„Hey, wusste doch, dass ihr beide mal vorbeischaut!“, jubelte Robin Sorman und deutete auf zwei der leeren Plätze am Tisch. „Willkommen zu unserem sagenumwobenen Club- der Viktor- Hasser“, lachte der Schwarzhaarige und trank genüsslich von seiner Milchcreme. Das Mädchen auf Artus Schoss hüpfte auf die Beine und musterte die zwei Neuankömmlinge skeptisch. „Ihr beide seid also Will und Link.“

Wie zwei Idioten wippten die Angesprochenen ihre Köpfe und besahen sich das Mädchen genau. Sie trug zwei geflochtene rotblonde Zöpfe und hatte ein rundliches Gesicht. „Ich bin Elena, die Freundin von Artus. Willkommen in unserem Club“, sagte sie höflich und setzte sich neben ihren Freund an den Tisch. „Du bist auch in diesem Club?“, meinte Will verwundert. „Ja, sicher. Mein Vater hält ebenso keine großen Stücke auf Viktor“, bemerkte sie und hob ihr Gesicht auffallend stolz in die Höhe.
 

Link blickte sorgsam in die olivefarbenen Augen des Mädchens und wusste nun, wo er sie schon einmal gesehen hatte. Das war eine der eitlen Gänse, die Ariana bezichtigt hatten, den Schmuck von einer weiteren eitlen Gans gestohlen zu haben. Soso... das war also einer der arroganten Zicken, mit denen sich Ariana allem Anschein nach nicht abgeben wollte. Da war Arroganz und übertriebener Stolz ein eingebildetes, wohlerzogenes Mädchen zu sein, in den schmalen Augen diese Dame. Genervt schaute Link weg und blickte zu dem besoffenen Kerl in der Ecke, der traurige Lieder über sein Leben sang.
 

„So, dann erklärt doch mal. Was genau wird in diesem Club getan“, meinte Will wissbegierig und fixierte den Blondgelockten am Tisch. Artus, der den Club gegründet hatte.

„Alles das, was nicht nötig ist“, lachte Artus und legte seiner Freundin den Arm um die Schultern. „Wir stöbern in Viktors Vergangenheit und suchen nach Dingen, die uns helfen, ihn entweder loszuwerden oder seinen angeblichen, reinen Namen in den Schmutz zu ziehen.“ Sofort mischte sich Robin ein und ergänzte: „Aber das wichtigste scheint für uns, dass wir einen neuen Lehrer im Schwertkampf bekommen, denn das, was wir bei Viktor lernen, wird uns eines Tages den Hals brechen. Zumindest sagen das unsere Väter.“

William Laundry nickte und wartete auf den Kellner um sich einen Herzbeerensaft zu bestellen. „Ich verstehe“, entgegnete Will. „Link hat mir schon gesagt, dass man mit seiner Technik nicht lebend vom Schlachtfeld zurückkommt.“ Überrascht wurde der unerkannte, unterschätzte Held von vielen, neugierigen Augen angestarrt. „Du hast ihn durchschaut? Wie das?“

Link blickte auf die Tischkante und überlegte sorgfältig nichts Falsches zu sagen. „Ganz einfach: Sein Stil hat zehntausend Fehler. Bei seiner Beinarbeit wird mir schlecht. Ein Bauerntrottel hat eine bessere Schwertführung. Seine Technik ist so billig wie die eines Moblins der dümmsten Sorte und sein Tempo im Kampf ist zum Haarraufen. Wenn Kraft alles ist, was er hat, kann er sich gleich beerdigen lassen.“ Wie ein Wasserfall zählte er die schlechten Eigenschaften Viktors auf und vergas für einen schwindendkurzen Moment, dass andere nicht wissen konnten, was er wusste. Denn er war der vergessene Heroe, den manche bewunderten, oder aber verabscheuten. Link rollte die Augen angesichts seiner unüberlegten Dummheit und schaute auf die wenigen Gläser, die den Tisch beschmückten. Eine Pause entstand, in welcher keiner der Jugendlichen wusste, was er sagen sollte.
 

Robin hängte dann den Kopf schief und meinte belustigt. „Scheint als wärst du in diesem Club besser aufgehoben als wir alle zusammen.“ Link sah unschuldig grinsend auf und nickte dümmlich. „Hat er dich schon auf dem Kieker?“

„Jep... hab’ schon meine Erfahrungen mit dem Toilettenschrubben.“ Ein verärgertes Seufzen folgte aus Links Mund. „Leider...“ Aber Robin lachte auf die Bemerkung. „Ja, stimmt. Mich auch.“
 

„Die jungen Ritteranwärter haben Angst mit Viktors Unterricht meilenweit zu versagen. Und wenn Hyrule irgendwann die künftigen Ritter benötigt, leidet ganz Hyrule.“, fasste Elena zusammen. Aber Link schüttelte den Kopf und sagte streng: „Das glaubst du ja wohl selbst nicht.“

Elena fühlte sich provoziert und gedemütigt. „Wie bitte?“, zürnte sie und verengte die Augen zu Schlitzen.

„Wer von den jungen Rittern ist denn schon so dumm und verbessert seine Künste nicht im Selbststudium? Außerdem gibt es noch andere Fächer, die unsere Fähigkeiten fordern“, argumentierte Link und wusste nicht genau, was es war, aber er konnte Elena einfach nicht leiden. Beleidigt zog Elena ihre eitle Nase nach oben und schwieg.

„Außerdem würde Prinzessin Zelda so etwas nie und nimmer zulassen“, ergänzte der junge Heroe und biss sich auf die Lippe. ,Toll gemacht, du Held, schon wieder redest du von Zelda.’ Das könnte irgendwann auffallen.
 

„Die Prinzessin?“, lachte Elena. „Mein Vater redet häufig von ihr und meint, sie führt sich manchmal auf wie ein kleiner Satansbraten.“ Elena lachte und hob ihre Arme andeutungsweise.

„Jaja, sie ist ein Wildfang“, murmelte Link und entwickelte eine immense Freude daran, Dinge zu wissen, worüber andere einfach nur spekulieren konnten. Sein Wissen würde ihn irgendwann reicher und schlauer machen als andere...

„Und letztens... das muss man sich mal vorstellen, da soll sie in einer wichtigen Versammlung einem Ritter eine Ohrfeige verpasst haben, weil der schlecht über den Helden der Zeit geredet hat.“ Elena lachte und lachte. „Stellt euch das mal vor, die alte Schnepfe verteidigt einen Helden, der von manchen nur als ein Ammenmärchen bekannt ist.“

„Haha...“, sagte Link trocken und versuchte nicht aus der Haut zu fahren. „Ich lach’ gleich mit...“

„Einen Helden, der zu nichts zu gebrauchen ist, weil er ein Niemand ist.“ Links Gesicht wurde rot vor Zorn, aber er beherrschte sich und murmelte: „Ich lach’ noch lauter...“

„Und so etwas verteidigt die Prinzessin. Die hat sich bestimmt in diesen Kerl verliebt.“ Nun wurde Link in seinem Gesicht rot vor Scham und nicht wegen Wut.

„Wie kann man als Prinzessin nur so billig sein!?“, maulte Elena. Aber dieser Kommentar war genug. Link sprang auf und warf grob und laut den Stuhl um, auf dem er saß. „Halt dein überflüssiges Giftmaul und rede gefälligst nicht so über Zelda!“, warnte Link so. Seine Stimme fordernd und angsteinflössend. Seine tiefblauen Augen eisig und beherrscht. Noch ein Wort und Elena hätte einen Fluch auf dem Hals...

„Nun sei’ doch nicht gleich so gereizt. Was geht dich das denn überhaupt etwas an?“, sagte die junge Dame aus der Mädchenschule.
 

In dem Moment stand Will kopfschüttelnd auf, rückte den Stuhl hinter seinem Kumpel zurecht, packte Link an beiden Schultern, sodass er schneller auf dem Stuhl saß als ihm lieb war. Mit großen Augen schielte Link in die smaragdgrünen des jungen Laundry, der nur den Kopf neigte.

„Was mich interessiert, ist zunächst, was ihr bezüglich Viktor schon herausgefunden habt!“, sagte er und versuchte das Thema zu wechseln, sodass man an den hitzköpfigen Link nicht erst peinliche Fragen herantragen würde. Elena beschielte Link mit giftigen Augen, während er seufzend und schweigsam zu dem besoffenen Kerl blickte, der gerade von einem hylianischen Weib sang, das er begehrte und niemals bekommen hatte.
 

„Was wir schon herausgefunden haben...“, begann Artus und überlegte grübelnd. „Nicht viel...“, gab er ehrlich zu. „Aber ich weiß, dass es in Viktors Vergangenheit etwas geben muss, womit wir ihn in die Pfanne hauen können. Die Frage ist nur... was?“ Robin erklärte mehr zu diesem Thema und sagte gedämpfter. „Wir haben noch weitere Mitglieder, die heute keine Zeit hatten, zwei von Ihnen sind im vierten Jahr an der Schule.“

„Und weiter?“

„Die haben im letzten Jahr eine... ziemlich schlimme Entdeckung gemacht, was Sir Viktors Vornamen betrifft.“ Damit lachte Robin abgöttisch und verschluckte sich beinahe an der eigenen Spucke. „Sein Vorname sollte so abscheulich sein, dass ihn niemand weiß“, meinte Artus. „Und da hat der Club letztes Jahr seinen wahren Namen zufällig spitz gekriegt.“

Will stemmte die Arme auf den Tisch und bat inständig, dass Artus ihm endlich das Geheimnis erzählte. „Wie heißt er denn nun? Erzähl’ schon!“

„Suffdödel heißt er“, entkam grölend aus Robins Kehle. „Ihr habt richtig gehört: Suffdödel.“ Und damit breitete sich ein heftiges, lautes Gelächter an dem Tisch der Jugendlichen aus, lediglich Link war still und hatte nur den Ansatz eines Grinsens um seinem Mund...
 

Währenddessen wandelte Prinzessin Zelda trübsinnig in den alten Schlossgärten umher, die Nacht klärte auf und sie genoss den milden Wind aus Richtung Ritterschule, der ihr Kunde brachte, dass es dem jungen Heroen gut ging. Sie spürte es, spürte eine Art Erleichterung in Form von Gesellschaft, die ihrem Helden unheimlich gut tat...

Aber sie wusste auch, dass es nicht genug war. Gesellschaft und Beachtung würden nicht ausreichen um die quälenden Anfälle, die ihn umfingen, auszulöschen.
 

Zaghaft trat sie über den geweihten Boden ihres Schlosses, hatte Beruhigung und Sehnsucht in ihrem Blick, träumte und phantasierte über ihren Traum, in welchem Link ihr so nah war wie noch nie... Sie wusste, dass er dasselbe empfand, auch wenn er es nicht verstehen oder definieren konnte. Es war nie anders gewesen, gab auch nicht einen einzigen Grund, weshalb es anders sein sollte. Schade nur, dass er heute nicht kommen würde, dachte sie...

Aber warum nur erschien er nicht? War da mehr als seine übertriebene Sturheit und sein heldenhafter Stolz? War vielleicht etwas geschehen, was sie noch nicht wusste?
 

Nichtsahnend wandelte Prinzessin Zelda in den himmlischen Gärten des Königsschlosses bei Neumond, sinnierte über ihren Traum, erinnerte Links Haut, seine Lippen, und hörte in jenem Moment nicht auf die vielen, leisen Füßen dunkler Kreaturen, die sich zähnefletschend und abartig an sie heranpirschten. Und keine Schlosswache wusste um Zeldas Aufenthalt in den alten Gärten. Keine Schlosswache und kein anderer Ritter ahnte um die mörderische Gefahr, die der Prinzessin in ihrer unschuldigen Ahnungslosigkeit drohen würde...
 

Zurück in der alten Kneipe neben der Ritterschule lachten die Jugendlichen immer noch und ergötzten sich an Viktors Vornamen.

„Aber warum heißt der Kerl denn so?“, meinte Will und schaffte es vor lauter Lachen nicht einmal von seiner Teetasse zu trinken.

„Man erzählt sich, oder besser, der alte Hopfdingen erzählte einst, Viktors Mutter wäre am Kindsbett gestorben und hätte dieses Wort herausgewürgt, als man sie nach dem Namen des Kindes fragte. Und da sich die dümmliche Hebamme keinen besseren Rat wusste, tauften sie den Nachfahren von Sir Viktor in der Zitadelle einfach Suffdödel!“

„Oh Scheiße“, jauchzte Will. „Ich glaub’ ich geh’ kaputt!“ Er lachte so laut wie noch nie im Leben. Er schlug mit der Faust auf die Tischplatte und quakte wie ein Irrer.

„Wenn ich das meinem Vater erzähle, hüpft der aus den Latschen“, bemerkte Will. „Und meine Mutter erst...“, sagte er mehr zu sich als zu den anderen.
 

Und das laute Lachen schreckte nicht nur die junge Halbgerudo auf, die gerade von dem besoffenen Grauhaarigen provokant und anzüglich angesprochen wurde. Verwundert und torkelnd gaffte er hinüber zu den Jugendlichen und seine tränenden, verschwommenen Blicke blieben bei Link haften. Er ergriff die nächste Bierflasche und tapste schnaufend und japsend zu der fröhlichen Runde hinüber.

Mit einem lauten Schlag stellte er die Bierflasche vor die Nase des unbekannten Heroen und murrte angewidert: „Ist dir meine... Sch-mach nicht... ge- genug? Musst du mich jetzt schon... bei Tage... mit deinem unverschämten Ge-sicht verfolgen?“ Er quasselte und sabberte, sodass man seine Worte fast gar nicht verstehen konnte. „Furchtloser...“ Ein beißender Gestank entkam seiner Kehle.

Link verengte die Augen und meinte Ruhe bewahrend: „Könntet Ihr mir zunächst mal sagen, was Ihr von mir wollt? Ich kenne Euch nicht.“ Angewidert wich der junge Held dem Gesabberten des trunkenen Kerls aus und blickte in die verwunderten Gesichter der anderen.

„Du hast mich... zum Teufel gejagt, du... Furcht...“
 

Aber Artus rief nach dem Wirt, der sofort zwei Männer antanzen ließ, die den Betrunkenen aus der Kneipe warfen. Er zankte und fauchte und kreischte, wie sehr er Link verfluche, bis man seine Stimme nicht mehr hörte.
 

„Was war das denn?“, meinte Will und ließ sich erschöpft und ein wenig müde in den Stuhl sacken. Artus wand seinen Schädel über die Tischplatte und erzählte ausdauernd: „Das war Jack Lance. Hört am besten nicht auf sein Gefasel, auch du nicht, Link, der Kerl hat jeden hier schon mal angequatscht und beleidigt oder blöd von der Seite angemacht. Niemand nimmt ihn mehr ernst, seitdem er seinen Rittertitel verloren hat.“

„Er hat seinen Titel verloren? Warum das?“, wollte Link dem blondgelockten Rittersohn entlocken. Neugierig rutschte auch sein Kopf ein wenig mehr über die Tischplatte.

„Das ist eine lange Geschichte“, erklärte Robin. „Kaum jemand hat Interesse an so einer Geschichte.“

„Ich aber!“, sagte Link lauter und schlug sachte mit der Faust auf den Tisch, wie als ahnte er etwas. Vielleicht wäre es gut, sich an Jack Lance zu erinnern, irgendwann in der Zukunft und vielleicht sogar irgendwann in der Vergangenheit...

Artus atmete tief aus und begann mit der Geschichte. „Das ganze Drama hat seine Wurzeln in der Vergangenheit der edlen Ritter in unserem Hyrule. Jack Lance war, so erzählte man sich, ein Freund von Arn Fearlesst, der ist euch doch ein Begriff, oder?“ Will nickte und Link zuckte mit den Schultern. Aber beide hörten sie sich aufmerksam die Geschichte an, die vielleicht auch für den Aufsatz von Link nützlich sein würde.
 

„Jedenfalls hat sich Arn Fearlesst in das schönste Mädchen der Schule gleich neben an verliebt und sie sich in ihn. Und da fing die Streiterei an. Angeblich soll Jack Lance von Tag zu Tag sich mehr in die Frau von Arn verliebt haben. Immerhin soll sie sehr edel gewesen sein, zuvorkommend und liebenswürdig. Und sie soll vielen Männern Hyrules die Sinne vernebelt haben. An einem schicksalhaften Tag geschah es dann, dass Jack Lance das Kind der Familie Fearlesst beinahe getötet hätte. Wie er das angestellt hat, ist fraglich, aber in Hyrule gibt es ja genug Flüche und andere Möglichkeiten jemanden umzubringen, was?“

„Soso...“, meinte Link. „Der Typ hat es wahrscheinlich nicht geschafft, oder?“

„Ja, man sagt, Arn Fearlesst hatte ihm dann tausende Flüche angedroht und kurze Zeit später hat Jack Lance seinen Titel als Ritter und seinen gesamten Besitz verloren... Seitdem kommt er immer in diese Stube und besäuft sich...“

„Ist er doch selbst dran schuld“, lästerte Link und verschränkte die Arme. „Wie kann man auch ein Kind töten wollen!“ Er war angewidert von diesem Kerl und konnte sich nicht vorstellen, wie man so etwas in Hyrule überhaupt dulden konnte.
 

„Tja, die Liebe bringt einen Hylianer eben dazu, das unmögliche zu tun, nicht wahr?“, lachte Robin und grinste schäkernd zu der Halbgerudo hinüber. Sie fing seinen Blick ein, aber schaute dann angewidert weg.

„Ja, die Liebe!“, lachte Artus und küsste die neben ihm sitzende Elena auf die rechte rote Wange. „Nur gut, dass es sie gibt. Ein Ritter wäre nichts ohne sie und sein Schwert.“

Robin seufzte. „Jaja, die Liebe...“ Link glotzte wie ein ungläubiger Frosch und Will schaute schamhaft an die Tischkante.
 

Neugierig rutschte Robin näher, der an Wills Verhalten ganz genau auszumachen schien, dass auch ihn die Liebe schon in den Bann gezogen hatte. „Na, hat sich der junge Laundry auch schon an einer hübschen Lady die Zähne ausgebissen?“

„Ja...“, flüsterte er und wurde rot im Gesicht. „Beim Triforce, letztens hatten wir in der Schule Besuch von einer unglaublichen charmanten Lady. Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie schön sie war... und ihre blauen Augen...“, schmachtete Will und beförderte sich mit seinem Geschwätz einmal hoch auf Wolke sieben.
 

„Und du, Link?“

Aber Link antwortete nicht. Wie in Trance schaute er ins Nichts, hatte seine tiefblauen Augen auf die graue, hässliche Wand gerichtet und schien mit etwas Übernatürlichem zu kommunizieren.

„Link?“
 

Tatsächlich war er mit seinem Geist zu weit weg, als dass er andere noch verstehen könnte. Seine Augen schlossen sich, fühlten sich erdrückt von Gefahr, von Schmerz und einem Hilferuf, den nur er hören konnte. Hinter seinen Augen blitzte es auf. Kleine Blitze, wie kurze Schreie, gingen sie in die Nacht hinaus...
 

Da war jemand in seinen Gedanken, der sich fürchtete, da war jemand, der nach ihm rief.

Er riss die Augen schreckhaft auf, stolperte von dem Stuhl und kroch auf allen Vieren aus der Wirtsstube hinaus.

Sein Fragment pochte wie ein Hammer unter der Haut. Unerträglich kalt wurde ihm, als er die Kneipe verließ... und etwas tat ihm immens weh, aber er konnte den Schmerz nicht orten und das Gefühl nicht verstehen...

Das war kein Anfall, soviel wusste er, da war etwas anderes, was man quälte, was man ihm wegnehmen wollte...
 

Kalter Nachwind pfiff um Links Hylianerohren, während er auf allen Vieren aus der alten Gaststube herauskroch. Wills Stimme im Hintergrund, und die von Artus und Robin interessierten ihn nicht, denn etwas viel Wertvolleres flüsterte ihm zu, rief ihn zu sich, wollte seine Nähe und das zurück, was einst in ihm schlummerte...

Er kroch vorwärts, unbeeindruckt von einigen Hylianern, die sich über ihn amüsierten, ihn aushöhnten und über ihn lachten als wäre er ein Kasper in der Innenstadt Hyrules...

Er kroch, bis er die Kraft schöpfte auf den Beinen zu stehen, er rannte gegen den kalten Wind, der ihm in das Gesicht blies. Er kämpfte und rannte in Richtung Südwesten, auch wenn ihm die Luft in der Lunge brannte, auch wenn seine schwachen Beine diese Kraftanstrengung nicht duldeten.
 

Er musste sofort zur Hauptstadt Hyrules.

Er musste ins Schloss der Königsfamilie.

Er musste zu Zelda...
 

Stürzend rannte er, rannte und rannte hinaus aus der angesehenen Schule, rannte so weit wie er konnte und so lange ihm die Luft nicht ausgehen würde.
 

Viele hylianische Meilen weiter, umzingelten in den Gärten des Königsschlosses dunkle Gestalten mit einem blutroten Dreieck auf der Stirn ein edles Geschöpft hoher Geburt. Sie kreisten sie ein, gifteten sie an, bis scheußliche Klingen sich an ihrem Leben vergreifen wollten... Schaurige Schreie hallten in den Schlossgärten umher, Schreie von Hylianer und Dämon, die selbst in den höchsten Türmen gehört werden konnten...
 

Das Triforce hatte seinen Dienst einmal wieder erfüllt... Eine mächtige Verbindung zweier Triforceträger überwand Zeit und überwand die vielen Meilen zwischen ihnen. Das Triforcefragment des Mutes warnte seinen Träger vor dem schmerzlichsten Verlust überhaupt... Doch diesmal würde Link nicht zur Stelle sein, wenn man seine Seelenverwandte bedrohte. Und diesmal konnte er sie nicht beschützen...
 

In den alten Gärten des majestätischen Schlosses geschah Unabdingbares... Das Schloss thronte wie eine gigantische, dunkle Festung auf seinem Grund und nicht ein Lichtstrahl wagte sich aus den vielen Spitzbogenfenstern und durch die Spalten der vielen verzierten Türen. Das alte Schloss war diese Nacht nicht mehr das graue Werk erfahrener Baumeister. Diese Nacht war es die dunkle Kreation widerwärtiger Mächte Hyrules.

Und auch dort, wo Prinzessin Zelda wandelte, erhellte kein einziger Lichtstrahl die rabenschwarze Nacht. Sie wimmerte, während sie rannte, erfuhr unermessliche Angst, die sie zuletzt in der Teufelsfestung Ganons erfahren und ertragen musste. Nur dort, gab es ein Licht, welches sie begleitete, beschützte. Ein Licht, welches nun erloschen schien...
 

Sie rannte eingehüllt in ihrem weinroten Umhang, rief um Hilfe und doch wollte sie niemand hören in jener schicksalhaften Minute endenden Fleisches und unsterblichen Wahns...

Überall waren glühende Augen in dieser vergänglichen Nacht. Von überall her tönten schaurige, lustbetonte Stimmen, deren Besitzer es genossen dreckige, rostige Klingen in unschuldiges Fleisch zu bohren. Dämonen, die sich an ihrer Mordlust ergötzten und absurden Triebe Folge leisteten. Sie waren überall. Nicht ein Fluchtweg gab sich ihr preis. Und sie näherten sich... Übernatürliche Augen auf ihrem Weg das Opfer zu brandmarken...
 

Prinzessin Zelda hetzte weiter durch die dunklen Gärten, rief um Hilfe und rief letztlich nach dem Helden der Zeit, der vielleicht die Schuld trug, dass sie hier mörderische Gefahr und lähmende Angst zu bekämpfen hatte. Sie rief nach ihm, als sich die Kreaturen preisgaben: Männer in schwarzen Kutten mit einem blutroten Dreieck auf der Stirn dienend nur dem stärksten Fragment der goldenen Macht, dienend nur der Macht, die immer schon Begehr des Bösen wurde...
 

Als die Dunklen die unbefleckte Prinzessin umzingelten, sangen sie ihren Reigen des Wahnsinns. Es klirrten Lieder tausender Alpträume in den prächtigen Gärten des unbewachten Königsschlosses.

„Was wollt ihr!“, rief die junge Königstochter und blickte angstvoll um sich. Sie waren überall. Diese Todesboten. Verdammte, die nur die Macht als einzigen Herren hatten. Zeldas hellblauen Augen zuckten von einer Gestalt zur nächsten, lasen, suchten nach Flucht und Hilfe.

„Eure Angst, Prinzessin des Schicksals“, zischte einer der Geschundenen, trat nach vorne und ließ seine schwarze Kapuze nur soweit nach hinten gleiten, dass Zelda ein Paar glühende, unreine Augen erblicken konnte. Augen, in denen Rache und Tod geboren wurden durch dumme Wünsche und Gier nach Übermacht.

„Wenn Ihr leidet, so leidet der Held der Zeit noch mehr“, schnalzte jener Dunkle, der ebenso wie die anderen ein blutrotes Dreieck auf der Stirn trug.

„Ihr wollt den Helden der Zeit leiden lassen?“, lachte Zelda übermütig. „Ihr, mit Eurer übertriebenen Dummheit, mit Eurer ekelhaften Gier nach Macht. Ihr seid doch nur Verschmutzte, die von schwarzer Magie vergiftet wurden.“ Denn das sagte ihr die Aura jener Gestalten, die vielleicht einmal Hylianer gewesen sind.

„Ihr könnt dem Helden der Zeit nicht schaden. Ihr unterschätzt ihn!“ In dem Moment umhüllte sich die junge Prinzessin mit einem Schutzfilm goldenen Lichtes, hoffte, ihre Magie würde ausreichen um sich selbst in Sicherheit zu bringen.

„Vielleicht unterschätzen wir ihn, aber Euch, Eure eingebildete Hoheit, braucht man nicht unterschätzen... Denn Ihr seid nur ein Kind!“ Und ein widerlicher Kampf entbrannte, indem sich die in schwarzen Kutten gehüllten Diener des Bösen auf die junge Prinzessin stürzten und man nur die glockenhellen Schreie Zeldas in dem Schloss hörte...
 

Und weitere Bereiche des Schlosses wurden in jenem Augenblick angefallen. Feuer brach aus, wessen Flammen hoch in die Nacht türmten...

In der stillen Nacht des großen Mischwaldes um den ,Verlassenen Hügel’ im Norden, wandelte noch mehr als der blonde Jugendliche, der sich auf gemacht hatte, Prinzessin Zelda zu besuchen. Hier, wo Link sich vorwärtsbewegte, wo ihm immer mehr die Luft ausging, bewegten sich zwei weitere Füße voran. Eine umhüllte Gestalt, die mit Freude den Klängen einer Eule, dem Plätschern des nahen Baches und dem Rauschen des Windes lauschte.
 

Es war eine der klaren Nächte, wo Mächtige und auch die, die ihre Macht lange nicht mehr genutzt hatten, umherwandelten und sich an ihr altes Selbst erinnerten. Es war Nacht in Hyrule. Eine klare Nacht, die für Gutes und für Böses Wunderwerke versprach. Doch hier in jenen Wäldern bei dem Glücksteich war alles friedlich entgegen dem Geschrei und dem Feuer, welches gerade hinter den Schlossmauern der Königsfamilie versteckt in den Himmel schlug...
 

Link war so lange gerannt bis er nicht mehr konnte. Seine müden Glieder zitterten und er brach ausgelaugt und mitgenommen auf die schlotternden Knie, stützte seine rauen Hände im kalten Gras ab und fühlte eine beißende Angst in sich aufkeimen, die er zuletzt erlebt hatte, als er in die empfindungslosen Teufelsaugen des Schreckensfürsten geblickt hatte.

Er murmelte immer wieder: „Zelda...“ Leise, vielleicht ungewollt und wimmerte. Was geschah bloß mit ihr, fragte er sich, fühlte deutlich einen Schmerz, wusste ihn aber nicht zu beschreiben und wusste, der Grund war Zelda, dass er fühlte, dass er litt...
 

Gerade in dem Moment fiel ihm in der Finsternis eine Person auf, die sich zielstrebig, aber leicht hinkend in seine Richtung bewegte. Er sah nicht viel, nur einen Umhang, der die Person verbarg. Sie trat näher, auch wenn man Link in der Dunkelheit nicht ausmachen konnte, so war er ihr Ziel. Und während sie näher trat, wich die Finsternis langsam zurück, die vorher noch so natürlich in diesen Wäldern existierte. Hell wurden die Wäldern mit jedem Schritt, den jene Person tat. Hell und silbern...
 

Die großen Blätter der alten Bäume schillerten wie Schnee im warmen Sonnenlicht. Das Gras tanzte wie tausende kleine Eisennadeln über dem Boden. Und selbst die eigene Atmung kam silbernschimmernd und ungewöhnlich leicht aus seinem Mund...
 

Verwundert sah Link auf, blickte um sich, als wäre er das erste Mal in Wäldern unterwegs und schaute dann wieder angestrengt zu der Person. „Zelda? Bist du das?“, sagte er leise und wünschte sich beinahe sehnsüchtig, dass sie es war, dass es ihr gut ging und der unbegreifliche Schmerz in ihm nicht von ihren Leiden herrührte...

„Nein, das bin ich nicht“, sagte die Person und da wusste Link, dass es sich um eine ältere Frau handeln musste. Ihre Stimme war zwar gewaltig, aber abgenutzt und ein wenig schief.

„Was machst du hier, du dummer Junge? Zu so später Stunde in deinem bemitleidenswerten Zustand?“ Kein Zweifel, Link wusste nun, dass es jene alte Dame aus der Vision gewesen sein musste, die er vor wenigen Tagen früh Morgens hatte.

„Ich bin kein dummer Junge!“, schimpfte Link, wurde misstrauischer und wollte aufstehen, aber die Dame kniete nieder und umfasste mit einem immens festen Griff seine Oberarme. ,Was für eine Kraft’, dachte er. Ihre alten, runzligen Händen waren grob und ihre spitzen Fingernägel drückten sich in seine Haut. Er sah ihre dunklen Augen schimmern, aber mehr gab sie von ihrem Gesicht nicht preis. Sie grunzte.
 

„Du bist noch dümmer als dein Vater“, sagte sie und grunzte wieder, als ob ihr Schweine das Lachen beigebracht hatten. Link stockte der Atem. Was sollte er darauf auch sagen? Keinen Sinn ergab das, was diese alte Hexe- denn mit ihrem Getue benahm sie sich wie eine- hier von sich gab.
 

„Mein... Vater?“ Ungläubig starrte der Heroe auf, wollte diese Dame durchschauen, aber ihr Gesicht verbarg sich ihm, als dürfte er nicht wissen, wer sie war. Die helle Kapuze bedeckte fast alles von ihrem Gesicht und wenige silberne Strähnen ihres Haares fielen aus der Kapuze heraus.
 

Sie stand wieder auf und drehte sich langsam im Kreis, erfreute sich an den vielen Lichtern, die in dem Wald umhertanzten. Wie kleine Feen sprudelten die silbrigen Lichter umher, wirbelten dann auch um Link, besänftigten ihn, nahmen ihm das Misstrauen.
 

„Dein Vater war ein edler Mann“, sagte sie leise. „Und trotzdem dumm... bedenke man die vielen Dinge, für die er sich aufgeopfert hat, bis zu dem Tag, an dem er für den König starb...“ Links Augen waren starr angesichts dieser Worte und ein kleines Stückchen Wahrheit lag darin.

„Ihr kanntet ihn?“, murmelte er und blickte traurig zu Boden.

„Ja, ich kannte ihn gut. Wie sollte ich auch nicht?“

„Dann sagt mir bitte, wer er war und wer Ihr seid!“, rief Link, hüpfte auf die Beine und trat näher an diese unbekannte Frau heran. „Sagt schon. Bitte beantwortet mir diese Fragen!“, rief er, wollte mit allen Mitteln das Wissen darum in sich aufnehmen dürfen. Aber ihr Blick finsterte sich und sie schüttelte mit dem Kopf. „Glaubst du, das tut dir gut, dummer Junge?“ Link wich zurück, fühlte sich erdrückt von seinen ahnungslosen Wünschen, seine Ursprünge zu kennen. „Du wirst noch früh genug erfahren, wer dein Vater war und wer du bist. Aber nicht heute. Noch ist es zu früh“, erklärte sie, hob ihre Arme und fing einige der silbernen Lichter auf.

„Warum ist das zu früh? Ich habe, seit ich denken kann, darauf gewartet, es zu wissen!“, brüllte er und fühlte seine eigene Macht des Mutes brodeln.
 

„Schau’ dich doch einmal an! Willst du deine Seele mit noch mehr Ungewissem und noch mehr Schmerzen belasten?“ Sie lachte. „Du bist eben ein einfältiger, kleiner Junge.“ Er ballte die Fäuste und hatte keine Lust mehr auf solche biestigen Gemeinheiten.

„Schön! Und wisst Ihr, was Ihr seid!“, rief er verärgert. „Ihr seid eine alte Schachtel, die denkt, dass sie mit ihren Spielchen geheimnisvoll rüberkommt. Ihr seid doch nur ausgetrocknet und in die Jahre gekommen und schämt Euch womöglich für Euren Namen, sonst würdet Ihr ihn mir sagen.“

„Das hast du nicht umsonst gesagt, du dummer Junge.“ Und ihre Stimme wurde gewaltiger, während sie sprach. Ihre dunkelblauen Augen leuchteten und glühten beinahe unnatürlich und schickten mit einer einzigen Windböe den jungendlichen Querdenker auf die Knie. Link zappelte und beschimpfte die Frau weiterhin, sie grunzte aber bloß.
 

„Kein Zweifel, du bist genauso dumm und hitzköpfig wie den Vater“, lachte sie, hielt ihm einen Zeigefinger vor die Nase und meinte. „Jaja, du hast genau die gleiche Nase wie dein Vater, und ähnliche Gesichtszüge. Aber deine Augen, die hast du nicht von ihm und auch nicht gänzlich von deiner Mutter, obwohl... nein, eigentlich sind es ihre Augen...“, meinte sie und Link war wieder sprachlos.

„Warum bist du hier?“, sagte sie streng und finsterte wieder ihre Augen auf unnatürliche Weise. „Das geht Euch überhaupt nichts an!“ Link wollte aufstehen, zappelte wie ein Lamm auf der Schlachtbank, aber sie hielt ihn fest in ihrem magischen Bann. Keine Chance sich zu wehren. Keine Chance auf Befreiung...
 

„Warum bist du hier!“, wiederholte sie schärfer und starrte bedingungslos in seine tiefblauen Augen. Sie legte zwei drei Zeigefinger an seine Kehle, fühlte dort eine dicke Blutader pulsieren und plötzlich brachen die Worte ohne den Willen Links aus seinem Mund. „Ich muss zu Prinzessin Zelda, weil etwas nicht mit ihr stimmt“, platzte es aus ihm hervor, ohne dass er das wollte. Diese alte Hexe konnte nicht nur irgendwelche Lichtfäden in den Wäldern spinnen, nein, sie konnte jemanden sogar zum Reden bringen, selbst, wenn er Schweigen wollte. Wie grausam! Link glotzte als ob er von der Stadt der Ooccoos hoch in den Wolken abgestürzt wäre und brachte folglich nur ein Stottern aus seinem Mund.
 

„Aha... und du glaubst, dass du noch rechtzeitig bei ihr bist? In deinem jämmerlichen Zustand, mein dummer Junge!“ Sie löste den magischen Bann mit einer ungewöhnlichen Handbewegung und Link schlug sofort ihre alte, runzlige Hand an seiner Kehle weg.

„Lass’ mich dir eines sagen, egal, ob du dich daran halten wirst, oder nicht.“ Links Augen befürworteten ihre Geschwätz zwar nicht, aber anhören konnte er es sich.

„Es gibt viele Gründe, weshalb es nicht ratsam ist, dich in das Schloss zu begeben...“

„Und die wären?“, sagte er grantig.

„Zunächst weiß ich aus verlässlichen Quellen, dass du im Moment nicht gerade fit bist, mein kleiner Held der Zeit.“ Link starrte die Dame an als wäre sie eine Überraschungstüte. Er war entsetzt und fühlte sich leicht gedemütigt.

„Ihr wisst es...“, flüsterte er und blickte beschämt zu Boden. Sie nickte und fuhr fort: „Zweitens gibt es im Schloss wenige Befürworter, die dir eine Audienz bei der Prinzessin erlauben würden. Und drittens wird die Prinzessin selbst vielleicht sehr verärgert sein, dass ihr Freund nicht eher dran gedacht hat, sie zu besuchen.“

,Zum Teufel’, dachte Link. Woher wusste diese alte Gans über jede Kleinigkeit seines Lebens bescheid. Sie war Wahrsagerin oder so... die einzig logische Erklärung...
 

Eine Pause entstand und Link trat an einen kleinen silbern leuchtenden Baum heran, zupfte an den glitzernden Blättern und fühlte sich fast ein wenig besser, als er den kleinen Bewegungen der Zweige und Äste zusah. Alles war so friedvoll hier, so natürlich, so angenehm und richtig... Warum konnte es in seinem erbarmungslosen Leben nicht so einfach, so schön sein. Warum konnte seine Seele nicht so unberührt sein?
 

„Deine Verbindung zur Prinzessin hat nicht nur etwas mit dem Fragment zu tun“, begann die Alte, trat näher und legte ihre runzligen Hände vertrauenssuchend auf seine angespannten Schultern. Verärgert über diese Form von Nähe stapfte Link weiter und hielt ausdauernd Abstand zu der alten Dame.

„Da ist mehr zwischen Mut und Weisheit als zwischen Weisheit und Kraft, oder Mut und Kraft...“

„Was soll das nun schon wieder heißen? Wollt Ihr mich um den Verstand bringen?“

„Nein, das schaffst du auch alleine“, höhnte sie. Link rollte die Augen und stapfte genervt einige Meter weiter. „Das Band, welches euch beide Triforceträger verbindet, ist etwas viel stärkeres und kostbareres als eine goldene Macht. Etwas, was dir fehlt, was du vermisst, was du mehr ersehnst als alles andere, aber nicht definieren kannst. Und ich wünsche mir für dich, dass du diese Sache sehr bald erkennen wirst.“ Und beinahe hätte Link ein Lächeln aus dem alten Gesicht sehen können. Stattdessen fiel die Kapuze wieder verschleiernd über das Gesicht der Alten.

„Du vermisst etwas so Einfaches, so Natürliches, um das du mit deiner Ausstrahlung, deinem Charisma, und natürlich mit deiner Ansehnlichkeit nicht betteln musst... Du vermisst Liebe.“
 

Link verkrampfte sich, schaute zu den silbernen Grashalmen und schwieg. Was sollte er darauf auch sagen? Er wusste, dass es sicherlich die Wahrheit war, aber Liebe war ihm nun mal so fremd wie einem Untoten das Leben. Er hatte schon lange aufgegeben, daran zu glauben, dass auch er einmal Liebe erfahren würde, verstehen würde, was es war, wie es sich anfühlte. Aber wie sollte man jemanden wie ihn lieben können? Einen Helden, der nichts besaß. Einen verbitterten Fünfzehnjährigen, der mit jedem Kampf um Leben oder Tod mehr von Gefühl und Empfindungen eingebüsst hatte. Wer sollte jemanden wie ihn überhaupt lieben wollen? Jemanden, der ständig unterwegs war und keinen festen Platz hatte...
 

Die Dame trat näher, empfand Mitgefühl und tiefe Traurigkeit, als sie den Jungen anblickte. Er wirkte so verwundbar, so erniedrigt und wenn sie es nicht besser wüsste, so hätte sie Tränen schimmern sehen können. Er wusste es, nicht wahr? Er wusste, dass es die Liebe war, die ihm fehlte. Eine Umarmung. Gefühlvolle Worte und einfach nur Nähe von jemandem, der ihn nicht als den gefallenen Helden ansehen würde.
 

„Es tut mir leid für dein Schicksal, Link...“, sprach sie ruhig und trat wieder näher. Aber der Fünfzehnjährige wand sich ab und murmelte abtuend: „Was soll das Ganze hier überhaupt? Ihr kennt mich nicht und ich... glaube nicht, dass Ihr Interesse daran habt, mich zu verstehen...“

„Doch das habe ich und ich wollte dir helfen. In deinem Kampf gegen dich selbst. In deinem Kampf gegen dein Schicksal.“

„Ihr besitzt Magie. Wenn Ihr mir helfen wollt, dann helft mir ins Schloss“, sagte er sofort und versuchte den Schmerz nicht an die Oberfläche zu lassen, den sie herausgefordert hatte. Den vertrauten Schmerz, einfach alleine zu sein in der grausamen Welt um Hyrule. Allein in den vielen kalten Nächten, wo es niemanden gab und niemanden interessierte, ob er überhaupt noch existierte.
 

„Das könnte ich. Ich könnte dir ins Schloss verhelfen. Aber das kann ich mir zu deinen Gunsten und zu den Gunsten der Prinzessin nicht erlauben.“

„Und was, wenn etwas mit ihr passiert ist!“, kreischte er. „Könnt Ihr Euch dann überhaupt noch etwas erlauben in Eurer merkwürdigen Geheimnistuerei?“

„Ach sieh’ einer an. Du beschimpfst andere, sich an ihren Geheimnissen zu ergötzen. Bist du denn besser als ich? Genießt du es nicht, mehr zu wissen als andere? Mehr zu sein als jeder andere Schüler? Genießt du nicht deine unbekannte Berühmtheit?“ Link sah erschrocken auf. Diese Dame wusste einfach alles von ihm, mehr als ihm lieb war und mehr als er verstehen würde...
 

„Und was soll ich jetzt machen?“ Trübsinnig sah er zu Boden. Er konnte nicht einfach so tun, als ob alles in Ordnung war. Er spürte, dass Zelda ihn brauchte. Den Grund für dieses Gefühl wollte er mit allen Mitteln herausfinden und das konnte er nur im Schloss.

„Du solltest die Ruhe bewahren.“

„Ihr habt gut Reden und Lachen könnt Ihr auch ganz vorzüglich, aber mir einen Ratschlag geben, dazu seid Ihr nicht in der Lage, wer immer Ihr auch sein wollt.“ Sie wand sich zu ihm mit stechenden Augen. „Wenn du fühlst, dass etwas nicht stimmt mit der Prinzessin des hylianischen Volkes, würdest du auch fühlen, dass sie in Lebensgefahr ist. Ist sie das?“ Und die Alte runzelte ihre faltenreiche Stirn. Link schüttelte lapidar den Schädel.

„Heißt das...“ Die alte Gestalt in dem Mantel nickte.

„Du solltest aufhören mit deinen unbedachten Folgerungen... Sie ist nicht in Lebensgefahr... nicht mehr...“ Damit wand sich die Gestalt um und lief in den Schatten der Bäume hinein, verabschiedete sich mit einem freundlichen Glimmen ihrer blauen Augen.

„Geh’ zu der Hütte am Glücksteich, mein dummer Junge.“

„Werde ich Euch wiedersehen?“, murmelte Link.

„Gewiss. Dann, wenn du es nicht erwarten würdest. Und ich hoffe, nicht zu früh... nicht in der falschen Zeit...“
 

Ihr Schatten verschmolz mit dem der alten Bäume und ihr Gesicht wie auch ihre Seele entschwanden geheimnisvoll... Und das silberne Licht erlosch ebenso in einem schicksalhaften Moment um Wahrheit und Betrug...

Hallöchen nach längerer Zeit. Ein liebes Danke für die bisherigen Kommis, es hilft ungemein zu erfahren, wie die Kapitel beim Leser ankommen.

Hier mal wieder nur ein eher überleitendes Kapitel. Das nächste wird wieder informativer, versprochen. Trotzdem viel Spaß damit.

Und noch etwas im Voraus... ich versuche gerade "Nur ein Spiel" zu einem Abschluss zu bringen, was bedeutet, dass die Uploadzeiten für diese Fanfic hier länger dauern werden. Vergebt mir, und wenn nicht... dann nervt mich per Ens oder Kommentar und macht mir ein wenig Feuer unterm Hintern... sowas braucht man wohl gelegentlich. Danke! ^-^
 

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Als Lassario Laundry -unwissend von den Ereignissen im Schloss- von seinem Dienst nach Hause kam, drohte bereits der Sonnenaufgang...

Er war so entsetzt über die wahre Identität des unterschätzten, jungen Link, dass er doppelt so lange gebraucht hatte, um den Weg nach Hause zu finden. Verfranst hatte er sich mehr als einmal. Schilder hatte er übersehen oder ignoriert, da er sich zunehmend Gedanken um den Jungen machte, der nicht einmal seinen Nachnamen kannte.

Ausgerechnet ihm hatte das Schicksal die Bürde auferlegt, ein Held zu sein, zu dem man aufblicken sollte, der mutig und tapfer in den Kampf ziehen würde.

Wie nur sollte ein Kind, denn Link war für Lassario nicht mehr als ein einfaches Kind, diese Bürde tragen und bewältigen?

Er verstand es einfach nicht. Er wollte es nicht verstehen...

So viele tapfere Ritter gab es in Hyrule. Warum ausgerechnet Link? Ein Junge, der fern abseits der Zivilisation aufgewachsen war und niemanden hatte außer sich selbst?
 

Lassario schüttelte den lebenserfahrenen, aber verworrenen Schädel und erblickte von weitem auf der Steppe das kleine gemütliche Blockhaus, wo Belle und Lilly auf ihn warteten. Er freute sich auf seine Familie, Belles leckeren, deftigen Eintopf, ihre Umarmung, und auf die kleine Lilly, welche wie ihre verstorbene Großmutter ihrem übersinnlichen Treiben nachging...

Aber der Gedanke an Link blieb, vielleicht auch deswegen, weil der Junge mit dem blonden Schopf ihn an jemanden erinnerte. Er erinnerte ihn an die Vergangenheit, die er abgeschlossen hatte und die er, ignorant und stur wie Lassario eben war, vergessen wollte...
 

Die Stute Katarina trabte gemächlich weiter, über eine kleine Steinbrücke, wo ein kleiner Bach entlang sauste, an einem kleinen Waldstück entlang, bis der gut gebaute Ritter seine Frau Belle vor dem Haus erblickte. Sie spannte eine Leine für ihre Wäsche von dem gemütlichen Häuschen zu einem nahestehenden, kräftigen Baum und steckte unterschiedlichste Bekleidungsstücke an die Leine. Sie sah schön aus, so wie immer, dachte der Mann. Ihr langes dunkelrotes Haar verlief heute offen bis zur Hüfte und ihre smaragdgrünen Augen schillerten mit Freude als sie ihren Mann entdeckte. Sie lächelte, stellte den geflochtenen Korb in ihren Händen zu Boden und tapste näher.
 

Trübsinnig, aber froh, zu Hause zu sein, schwang sich der Ritter vom schwarzweißgefleckten Pferd und umarmte seine Gemahlin innig.

„Guten Morgen“, sagte sie und streichelte durch sein dunkles Haar. „Du bist spät, heute.“ Er drückte einen Kuss auf ihre Wange und führte Belle in das Häuschen. „Ja, entschuldige Belle, aber im Schloss war einiges los...“ Beunruhigt sah sie in seine braunen Augen, nahm ihn an der Hand.

„Erzähl’ mir das bei einem ordentlichen Essen.“ Er nickte.

„Es gibt Eintopf?“ Sie grinste bejahend.

„Woher weißt du das denn schon wieder, Liebster?“

„Meine empfindliche Hylianernase hat den leckeren Geruch schon von Weitem wahrgenommen“, eiferte er und trat gähnend über die Türschwelle.
 

Zufrieden schnallte Lassario sich Rüstung und Waffen vom ermüdeten Körper und machte sich genüsslich in der warmen Küche breit. Er pflanzte sich auf einen gepolsterten Holzstuhl und belud den großen Suppenteller vor seiner langen Nase mit Suppe aus Belles duftendem Metallkessel. Seine Gattin brachte ihm frisches Brot und betrachtete sich skeptisch sein rätselhaftes Gesicht. Sie wusste, dass er etwas verschwieg. Sie wusste, Lassario betäubte Schmerz oder Trübsinn immer mit dem Schweigen und fraß alles in sich hinein. Nur einige Male hatte er sich zu Streitereien und fiesen Worten hinreißen lassen. Denn ansonsten war er der lebensfrohste, liebevollste Mensch überhaupt.

„Wo ist denn überhaupt unsere kleine Fee?“ Der Vater in Lassario kam zum Vorschein. Wie immer nannte er seine kleine Tochter mit lieblichen Kosenamen.

„Sie schläft jetzt... hoffe ich.“ Belle blickte besorgt zur Seite und setzte hinzu: „Sie hatte wieder ihre Alpträume.“

„Schlimm?“ Belle nickte. „Diesmal waren es verbrannte Dörfer und Leute mit schwarzen Kutten. Sie hat die gesamte Nacht nicht mehr geschlafen...“ Der Trübsinn in Lassarios Gemüt wurde von Besorgnis überschattet. Er aß den vollgefüllten Teller in wenigen Sekunden leer und stand auf: „Lass’ uns mal nach ihr schauen.“
 

Als der besorgte Vater in das Zimmerchen seiner Tochter eintrat, war Lilly nicht in ihrem Bett vorzufinden. Sie stand mit ihrem weißen Nachthemdchen und mit geröteten Augen vor einer heruntergebrannten Kerze und hatte diese mit ihren kleinen Kinderhänden umschlossen.

„Lilly?“, murmelte Lassario fragend, nahm die Kleine auf den Arm und tätschelte ihr den dunkelroten Schopf. „Papa, du weißt es, oder?“, sagte sie und fasste in den braunen Dreitagebart ihres Vaters. „Linkelchen ist ein goldener Hylianer, das weißt du jetzt auch“, sagte sie und lächelte mit ihren großen Kinderaugen. „Ja, mein Schatz, ich weiß es.“

Sie lachte: „Das ist ganz toll, Papa.“ Er umarmte die kleine Lilly, legte sie in das Bettchen und deckte sie zu. „Jetzt schlaf, Lilly.“ Sie nickte, schloss die smaragdgrünen Augen und seufzte.
 

Zurück in der Küche aß Lassario den zweiten Teller von Belles Eintopf. Aber Belle war missmutig und stemmte die Hände vor ihrem Gatten auf dem Tisch ab.

„Was weißt du über Link?“, sagte sie streng. Aber Lassario atmete nur laut aus, rutschte mit dem Stuhl einige Zentimeter zurück und gab Belle einen gutgemeinten Wink, den sie verstand. Er deutete auf seinen Schoss und sie setzte sich sofort darauf.

„Ich bin ein wenig durcheinander, meine Liebste.“ Lassario umarmte sie fest.

„Das habe ich vorhin schon gemerkt“, äußerte sie und schaute streng in die Augen ihres Mannes. „Und du bist besorgt, was mich mehr als beunruhigt.“

Seine schokoladenbraunen Augen schlossen sich und eine gewisse Unruhe ging von ihm aus.
 

„Wir müssen uns um Link kümmern...“, murmelte er und öffnete die Augen langsam.

„Du möchtest mit ihm reden? Woher der Sinneswandel, Lassario?“ Er fuhr sich über die Lippen und wischte die letzten Spuren des leckeren Eintopfes vom Munde.

„Ich hatte ein Gespräch mit Prinzessin Zelda persönlich über den Jungen.“ Belle fiel beinahe von seinem Schoß angesichts des Satzes. Ihre Augen schillerten mit übelster Verwunderung. Eindringlich blickte sie ihren Mann an, bat ihn, ihr das Geheimnis endlich anzuvertrauen.

„Die Prinzessin? Wie bitte? Sie hat mit dir über Link geredet? Über Link?“

„Ich glaube, Prinzessin Zelda und der junge Link sind seit langem Freunde.“

„Oh...“ Die Überraschung in Belles Gesicht machte sie in den Augen Lassarios noch schöner. Er küsste sie und fuhr mit den Erklärungen fort. „Wir sehen ihn alle mit falschen Augen, Belle.“ Sie schwieg und runzelte die Stirn. „Er ist nicht nur mürrisch, oder einsam... er ist wütend...“ Mehr und mehr Mitleid nahm Belle ein, als sie an den trübsinnigen Jungen dachte, den sie vor wenigen Tagen angefahren hatten.
 

„Wütend? Auf was oder wen?“

„Sich selbst... und auf sein Schicksal...“ Sie lehnte die Stirn gegen die ihres Mannes. „Auf sein Schicksal?“ Lassario antwortete nicht und schien seine Stimme verloren zu haben. „Muss ich dir erst alles aus der Nase ziehen, mein Liebster?“, sagte ihre warme, fürsorgliche Stimme.

Aus Lassarios Augen drang Rechtschaffenheit und Trübsinn, aber auch Mitgefühl und Anteilnahme. „Dieser Junge... Belle...“ Er wurde leiser mit den Worten, worauf seine Gemahlin ihn beinahe grob an den Hylianerohren packte, sodass seine Augen ihre wieder trafen. „Er trägt ein Abzeichen der Göttinnen... Er trägt die Macht des Mutes in sich...“ Endlich war es raus. Endlich hatte er die Worte aus seinem schweigsamen Mund befördert.

Nun war es Belle, der die Worte in der Kehle stecken blieben.

„Der Junge, Belle, dieser unschuldige Junge ist der Held der Zeit... der Held, der in der anderen, vergessenen Zeit scharenweise Dämonen und den Fürst des Bösen mit seinen eigenen Händen getötet hat...“ Entsetzt legte die rothaarige Frau eine Hand vor ihren Mund und leichte Tränen funkelten in ihren Augen.
 

„Aber... das kann nicht sein“, wisperte sie. „Warum ausgerechnet Link?“

„Auch ich habe mir diese Frage schon gestellt...“ Damit trat Lassario auf die Beine und lief hinüber zum Fenster. Die Sonne schien außerhalb und ein milder Herbsttag begann.

Herabgefallene, bunte Herbstblätter tanzten in den Lüften und nicht weitentfernt hüpften Eichhörnchen über einen Gartenzaun...
 

„Bei den Göttinnen, er ist doch nur ein einsamer Junge...“, hauchte Belle, lief mit ausgestreckten Armen zu ihrem Gatten und schlang die Arme um seine Körpermitte. „Und du sagtest, er wäre wütend auf sein Schicksal? Hat die Prinzessin dir das auch mitgeteilt?“ Er nickte stumm.

„Ist er wütend auf das, was er getan hat oder...“, fing sie an und ihre Worte endeten fraglich.

„Er, so sagte die Prinzessin, macht gerade eine herbe Zeit durch, und ist wütend, weil er nicht mehr das tun kann, was in seiner Pflicht liegt, weil ihm die Kraft fehlt...“ Belle bohrte den Kopf in den breiten Rücken ihres Mannes. „Ich kann das einfach nicht glauben.“

„Ich auch nicht... aber Lilly wusste es die ganze Zeit.“

„Ja, in ihr stecken tatsächlich die Fähigkeiten deiner verstorbenen Mutter.“

„Ich wünschte, sie wäre hier, unsere eingebildete, alte Hexe. Sie wüsste Rat und sie wüsste, was man tun sollte.“ Belle lachte beherzt auf und lächelte. „Aber dafür sind wir ja jetzt eingeweiht. Und vielleicht können wir dem Jungen helfen, auch wenn ich noch nicht verstehe, was wohl der Grund sein mag, dass er so verletzlich, so traurig ist.“

„Meinst du, es liegt daran, weil er keine Familie hat?“, meinte Lassario.

„Weiß nicht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das der einzige Grund ist. Am besten wir reden heute mal mit ihm. Heute ist doch schließlich das Fest für die Ritterjungen. Aber da fällt mir ein: Weiß Will das Geheimnis um Link?“ Sofort schüttelte Lassario den Schädel. „Nein, und die Prinzessin bat mich darum, es Will nicht zu sagen.“

„Wie?“

„Du hast richtig gehört. Sie möchte, dass Link es ihm aus freien Stücken, von sich aus, mitteilt. Sie möchte, dass Link wieder anfängt Vertrauen zu jemandem zu fassen, denn das ist eines der Dinge, der er umgeht. So waren ihre Worte.“ Belle nickte: „Okay... aber wir werden heute trotzdem mit Link reden... Irgendwie mache ich mir Sorgen um ihn, als ob er zur Familie gehören würde.“

„Du weißt, dass das nicht sein kann...“, sagte Lassario sofort und verbat ihr mit einem bitteren Blick das Streitgespräch von neulich wieder anzufangen. Das Streitgespräch über die Vergangenheit der Familie Laundry in Hyrule.

„Jaja...“, murrte sie, räumte das dreckige Geschirr vom Tisch und setzte bissig hinzu: „Mein lieber Ehemann hat ja keine Lust in der schmerzhaften Vergangenheit herumzuwühlen.“

„Bitte, Belle“, erklang es matt.

„Schon gut...“ Damit war das Thema für Lassario vom Tisch, aber Belle blickte mit ihren durchdringenden, smaragdgrünen Augen erforschend nach draußen und hatte immer noch den Gedanken, dass Links Äußeres, seine hitzköpfige Art und besonders seine tiefblauen Augen mehr erzählten über seine Herkünfte als andere Hylianer und sture Köpfe wie ihr Gatte vermuten würden. Und sie ahnte, ahnte Entsetzliches und Großes...
 

An einem anderen Ort erwachte ein junger Kerl gerade aus seinen leiderfüllten Träumen, die ihm erzählten, dass auch Wunderschönes nicht unsterblich war. Wunderschönes war vergänglich... Auch Wunderschönes starb irgendwann unter der Macht der Zeit...
 

Seine blauen Augen öffneten sich träge, rochen den morbiden Geruch der kleinen Holzhütte am Glücksteich, in welcher er wenige Stunden Schlaf zugebracht hatte. Seine kalten, zittrigen Hände wanderten über ein zerwühltes, durchgeschwitztes Lacken zu der Decke, die er in der Nacht über bis zu dem Bettende gestrampelt haben musste. Er keuchte und winselte angesichts eines heftigen Schmerzes, den er spürte, aber doch nicht zu ordnen konnte. Langsam kamen seine Erinnerungen wieder und langsam richtete er sich auf. Erinnerungen an den Vorfall gestern, nachdem er die Kneipe ,Zum lustigen Hylianer’ verlassen hatte. Er erinnerte die komische Frau von gestern Nacht und ihre ermutigenden Worte.

,Du brauchst ihre Ängste nicht fürchten...’, sagte sie mit ihrer alten, ermutigenden Stimme in seinen Gedanken als ob sie neben ihm stehen würde. Wer immer sie auch war,

Es schien fast so als wollte sie ihn beruhigen, als wollte sie ihm Mut machen und daran erinnern, seine vielen Schicksalsproben wieder zu akzeptieren, erneut gegen das, was scheinbar vorbestimmt schien, anzukämpfen...

,Fürchte dich nicht länger vor dem Schicksal... Kämpfe!’
 

Wer immer sie auch war, sie hatte Recht. Wo nur waren seine Kämpfertugenden geblieben? Er musste sich zusammenreißen, auch mit üblen Attacken eines unbekannten Fluches, auch mit dem schmerzhaften Krankheitsgefühl. ,Kämpfe...’
 

Ein brummender Schädel und der biestige, nicht ortende Schmerz hielten ihn nicht davon ab, die schlaksigen Glieder zu bewegen und auf den kalten Füßen zu stehen...
 

Er hatte geträumt, entsetzlich geträumt... und die schrecklichen Bilder der Nacht erweckten sofort eine namenslose Wut wie auch Gefühle der Enttäuschung und Schuld auf sein unerfüllbares Heldendasein.
 

,Zelda...’ Ein Bruchteil ihres Geistes erschien ihm in seinen Träumen, einmal mehr, einmal mehr so schön wie damals in der alternativen Zukunft. Sie war blass, aber schön. Geisterhaft und doch war sie erfahrbar, nah, fühlbar...

Sie verabschiedete sich von ihm. Ihre helle, angenehme Stimme flüsterte ein trauriges, ängstliches Lebewohl. Ihre Lippen, das einzige, was er von ihrem Angesicht erinnerte. Nicht einmal ihre Augen hatte er erblicken dürfen. Und diese Lippen flüsterten mehr... sie flüsterten unheilvoll, dass etwas nicht mit ihr stimmte...
 

Ob es damit zu tun hatte, dass er gestern nicht im Schlossgarten erscheinen konnte? Aber warum litt sie? War sie gekränkt wegen seiner momentanen Unzuverlässigkeit? Weil er ein Versprechen gebrochen hatte? Oder warum sagte sie Lebewohl zu ihm?
 

Lebewohl ausgerechnet zu Link, ihrem Helden der Zeit?
 

Zu jenem Moment war in der Ritterschule die Hölle los. Alle Lehrer und fast die gesamten Schüler standen aufgeregt und laut diskutierend in dem Innenhof der Schule. Aber es ging nicht um das kleine Fest, welches heute für die Ritterjungen stattfinden sollte, sondern um die schaurigen Berichte in der hylianischen Morgenzeitung ‚Gruß der Hylia’.

Das Lehrpersonal beschimpfte sich gegenseitig mit Vorwürfen, andere machten sich unhaltbare Sorgen um die Zukunft des gesamten Königreiches und befürchteten Kriege und entsetzliche Schandtaten.

Auch Will stand unter den Neugierigen und hatte geradeso ein Exemplar der Zeitung in die Finger bekommen können. Er las nur wenige Worte über einen Angriff auf Dörfer im Westen Hyrules und auf das Schloss, ließ die Zeitung beinahe vor Schreck fallen und rannte in Richtung der Hütte am Glücksteich, der einzige Ort, wo Link sein konnte, seit er gestern fluchtartig die Kneipe verlassen hatte.
 

Er hetzte und hoffte, Link die grausamen Neuigkeiten mitteilen zu können bevor sie ihm ein anderer unter den Schnabel binden konnte.
 

Der junge Heroe zog derweil Hemd, Hose und die dickere, schwarze Tunika von Newhead sowie die Stiefel an. Hechelnd schlürfte er die Treppenstufen hinab und brach einen Happen altes Brot ab, um etwas im Magen zu haben. Immer noch tat ihm etwas weh, direkt im Herzen, direkt in der Brust, wie ein nicht enden wollender Schmerz, der seinen Besitzer für Fehlbarkeit und Nachlässigkeit bestrafen wollte.

Er kniff die Augen zusammen, hatte ein erbarmungsloses Angstgefühl in seinem Inneren, das man ihm etwas sehr Kostbares weggenommen hatte oder stehlen wollte...

Stimmte tatsächlich etwas nicht mit Zelda, dachte er, und stützte sich auf dem Tisch ab. Warum sagte sie Lebewohl zu ihm? Und warum tat ihm sein Herz so furchtbar weh? Das war nicht die Krankheit, das war etwas anderes, was er bisher noch nie empfunden hatte...
 

Er murmelte Zeldas Namen gezwungen, als wartete er auf eine Antwort und auf ein Lebenszeichen...
 

In dem Augenblick platzte William wie ein Bekloppter in den Raum, brachte Link beinahe zum Herzkasper und babbelte aufgeregt irgendetwas aus seinem neugierigen Laundryschandmaul. Als Link ihn nur komisch musterte und gerade so ,Guten Morgen’ sagen konnte, krachte das Exemplar der Morgenzeitung in das verwunderte, verwirrte Gesicht des jungen, unerkannten Heroen.

„Bei Farore, was ist denn los, Will?“ Link fing die Zeitung auf, ohne sie zunächst zu beachten.

Der Angesprochene fuchtelte aufgeregt mit den Händen und brachte zermürbend hervor: „Link... Himmel, es gab einen Angriff auf das Schloss...“ Fassungslos stand der junge Heroe einfach nur da, besann sich auf den Herzschmerz, krallte sich die Zeitung und las nur die Terrorüberschrift: ,Angriff auf das Schloss.’
 

Er blickte mit grenzenloser Sorge auf, etwas, was Will in dem Blick Links noch nie gesehen hatte. Da lag beinahe... ungezügelter Schmerz und große Angst.

Aufgeregt stapfte Link näher und rüttelte Will an den Schultern. „Was ist mit Zelda?“ Will zuckte mit den Schultern und unterband den Blick.

„Sag’ mir nicht...“, fing Link an, klang wehleidig, und fühlte ein Kloßgefühl in seinem Hals unerträglich werden. „Was genau mit ihr ist, steht da nicht. Es heißt bloß, dass man die Prinzessin in den Schlossgärten angefallen hat... Warum musste sie auch zu so später Stunde ohne Schutz in den Gärten wandeln?“, fragte Will und dachte sich nichts bei seiner Frage.
 

Link schrak zurück und erstarrte beinahe. Mit einem Seufzen ließ er sich auf einen Holzstuhl sinken und stützte die Hände an den Kopf. „Es ist meine Schuld...“, wisperte er, brachte geradeso einige Worte hervor.

„Warum soll das deine Schuld sein?“, fragte Will und schaute dümmlich drein. Link sah besorgt auf und hatte beinahe Tränen in den Augen. „Sie hat doch nur auf mich gewartet... und ich... ich Sturkopf habe nicht einmal den Versuch unternommen... sie zu besuchen. Wenn ich dort gewesen wäre, verstehst du, dann wäre das alles nicht passiert... Zelda, sie ist bestimmt verletzt... oder schlimmer...“, endete er, erstak beinahe an seinen Worten und brachte nichts Vernünftiges mehr hervor. Und Will verstand. Die Prinzessin hatte den komischen Kauz Link ja bei Neumond sprechen wollen und deshalb wartete sie dort, wo Wachen nicht hingelangen würden. Deshalb wartete sie in der Nacht auf ihren Freund aus Kindertagen...
 

„Du denkst an das Treffen bei Neumond... ach so... Das...“ Will brach ab und sah bedauernd und mitfühlend mit an, wie Link sich auf dem Stuhl zusammenhockte und beinahe anfing zu wimmern. „Wenn irgendetwas mit ihr ist... ich könnte mir das nie verzeihen...“, klagte er, stand auf und drehte seinem Kumpel den Rücken zu. Flatterig lief er hin und her.

„Ich muss sofort zu ihr...“, sagte er leise, fühlte eine unermessliche innere Unruhe, die ihm den Boden unter den Füßen nahm.

„Link, jetzt bleib’ doch mal auf dem Teppich. Wenn etwas mit der Prinzessin geschehen wäre, dann würde das bestimmt in der Zeitung stehen.“ Griesgrämig drehte sich der Angesprochene um. „Ach ja?“ Und er breitete genervt die Arme auseinander. „Hast du überhaupt eine Ahnung von Politik, Will? Wenn etwas geschehen ist, wird die Königsfamilie versuchen das mit allen Mitteln geheim zuhalten. Glaubst du, es ist klug, im gesamten Reich herumzuposaunen, dass es der Prinzessin nicht gut geht?“

„Warum nicht?“, fragte Will, so unwissend und naiv wie er war.

„Diejenigen, die gegen Harkenias Monarchie eingestellt sind, werden durch solche Geschehnisse erst auf dumme Ideen gebracht. Verstehst du, es könnte Feinde des Königreiches anstacheln, aufzubegehren.“

Will war baff. Wie kam Link nur auf solche Einfälle? Hatte er ein Grundwissen in der Politik Hyrules?
 

„Du bist wirklich davon überzeugt, dass mit der Prinzessin etwas nicht stimmt! Warum?“ Und Wills tiefe Stimme wurde lauter und lauter. „Wie, beim Triforce, kommst du darauf?“ Link blickte schwermütig zu Boden. „Ich fühle es einfach...“, sagte er kläglich.

„Du fühlst das?“, sagte Will anteilnehmend und stapfte näher zu Link heran. Er nickte und ließ den Kopf hängen. „Ich bin so ein schlechter Freund...“, sagte er leise. „Ich hätte sie beschützen müssen...“

„Zieh’ trotzdem keine voreiligen Schlüsse. Wir fragen nachher mal Aschwheel oder Newhead, ob sie etwas wissen, okay?“

„Nein, soviel Zeit hab’ ich nicht. Ich muss mich sofort auf den Weg machen.“

„Und wer bei Nayru garantiert dir, dass man dich zu ihr lassen wird?“ Link sah verzweifelt auf. „Ich komm’ schon irgendwie ins Schloss, egal wie.“

„Und wer garantiert dir, dass sie dich überhaupt sehen will. Wenn, ist sie bestimmt wütend auf dich, weil du das Treffen in die Winde geschlagen hast.“ Wo Will recht hatte, hatte er recht. Er klang beinahe so wie die rätselhafte, besserwisserische Frau von gestern Abend.
 

Und wenn Zelda etwas zugestoßen war, nur weil sie auf ihn gewartet hatte, dann wäre sie sicherlich nicht gut auf ihn zu sprechen...
 

„Außerdem brauchst du ohne Epona Ewigkeiten bis zum Schloss!“

„Aber es ist meine Pflicht... ich kann sie doch nicht einfach im Stich lassen...“ Denn er hatte sich einst geschworen, sie zu beschützen. Es war ein Schwur und soviel verband er damit. Nun erdrückten ihn Vorwürfe, weil er ein Sturkopf war, weil er kindisch und zudem zu schwach war, der Held zu sein, den die Götter einst erwählten.
 

In dem Moment wagte sich Will endlich wieder ein bärbeißiges Grinsen.

„Weißt du“, begann Will und pflanzte sich auf den Stuhl neben Link. „Es ist schon ein Wunder, dass du mal solche Sätze über deine verschwiegenen Lippen kommen lässt. Normalerweise bist du ganz distanziert und lässt niemanden an deinen Gefühlen teilhaben. Wie kommt das?“ Will grinste ungeniert und wartete mit großen Augen auf die Antwort des Jahrtausends. Irritiert drehte Link den Schädel und fing an rot um die Nasenspitze zu werden.

„So ist das also... du liebst sie“, lachte Will. Aber Link fiel vor Schreck vom Stuhl, landete auf dem Hosenboden und hatte so große Augen wie ein Angeklagter, dem gerade die Beweise für seine Schuld dargelegt wurden.

„Du liebst die Prinzessin, bei Destinia.“

Link wurde mit jeder weiteren Sekunde röter und röter im Gesicht. „Das tue ich nicht!“, brüllte er.

„Du Schürzenjäger“, lachte Will. „Wie viele Damen brauchst du eigentlich zum Glücklichsein?“ Verärgert hüpfte Link auf die Beine und giftete: „Idiot. Du spinnst doch. Die momentane Situation ist nicht lustig, Will...“

„Sicher, aber deswegen habe ich es trotzdem geschafft, dich aufzuheitern, oder?“ Und Will kniff ein Auge zu, klatschte Link auf die rechte Schulter und gab ihm einen Stups zur alten, klapprigen Tür. „Nun mach’ schon, du Weiberheld, wir müssen zu einem Lehrer und uns Informationen holen.“ Ratlos sah der junge Heroe drein, kratzte sich am Kopf, schnaubte, aber folgte seinem Kumpel bereitwillig.
 

Die beiden Schüler der begnadeten Ritterschule hasteten ohne Weiteres in das Büro von Newhead, wo dieser gerade mit Valiant, dem Cousin Zeldas, etwas wichtiges diskutierte. Als Link und Will in das Büro eintraten, durchbohrte Valiant den jungen Heroen mit einem fast schon hasserfüllten Blick.

„Sir Newhead!“, rief Will aufgebracht.

„Was gibt es, William?“, meinte der Lehrer und lehnte sich entspannt in seinem Sessel zurück.

„Es geht um die Vorfälle im Schloss“, entgegnete Will und blickte zu Link, der nur den Kopf hängen ließ.

„Könntet Ihr uns sagen, was geschehen ist?“ Aber Newhead grinste wieder bärbeißig. Er grinste so wie immer und legte die Hände hinter seinen Kopf. „Und da kommt ihr zwei Querköpfe ausgerechnet zu mir?“, lachte er. „Ihr seid ja ein paar lustige Zeitgenossen.“

„Arg... Bitte!“, meinte Will und schaute interessiert in die undefinierbaren Augen Schwindlers. „Nun macht euch bloß nicht verrückt. Es gab einen Angriff, das stimmt. Aber es gab so gut wie keine Verletzte.“

„Und die Übeltäter?“

„Sind leider entkommen, Will. Mehr kann ich dir dazu nicht sagen.“ Dann schwenkten Nicholas Augen zu Link, der immer noch schweigend und trübsinnig zu Boden blickte.

„Und wegen der Prinzessin...“, begann Newhead. Gerade da sah Link auf und wirkte angreifbar, beinahe verletzt.

„Das ist Sache der Königsfamilie. Das geht Unwissende wie euch beide nichts an“, mischte sich Valiant ein und schickte Link bittere Kälte und Verachtung entgegen.

„Aber...“, fing Link an, doch stoppte sich selbst.

„Was aber? Ich wüsste nicht, was es dich angeht, wie es Prinzessin Zelda geht!“ Valiant verschränkte die Arme und setzte hinzu: „Prinzessin Zelda braucht keine einfältigen, hilflosen Freunde wie dich. Also halte dich von ihr fern.“ Link sagte nicht ein Wort. Er brachte nichts hervor. Auch wenn man ihm ansah, wie schwer Valiants Worte ihm auf dem Herzen lagen. Er nickte bloß und ließ das Haupt immer weiter hängen. ,Stimmt ja’, dachte Link. ,Ich bin ein Schwächling geworden. Und auf so etwas kann Zelda verzichten. Sie hat etwas Besseres verdient als einen dummen Freund wie mich.’
 

Und da war es wieder. Links schwermütiger Gedanke, dass nur Stärke einen Menschen als wertvoll erscheinen ließ. Ein Hylianer wie er hatte keinen Wert, so redete er sich immer wieder ein, wenn er schwach war...
 

„Sie ist besser dran ohne dich. Erspar’ ihr deine Anwesenheit endlich.“ Und damit lief Valiant zum Fenster, blickte hinaus und schwieg.

Link verlor währenddessen immer mehr die Farbe im Gesicht und drehte sich zur Tür. Auch der fröhliche, gutgelaunte Nicholas verstummte angesichts der eisigen Worte Valiants.
 

Will ergriff daraufhin die Initiative und schleifte den wortkargen Heroen aus dem Büro heraus.
 

So hatte der Versuch Kunde über den Vorfall im Schloss zu erfahren, nichts gebracht. Nichts als die Gewissheit, dass Valiant Link mehr und mehr verabscheute für seine angeblich ungerechtfertigte Freundschaft zu Prinzessin Zelda...
 

Murrend und so traurig wie schon lange nicht mehr trat Link in Begleitung Wills aus dem Schulgebäude heraus und hatte als erstes nichts Besseres zu tun, als sein scharfes Stahlschwert vor Wut und Trübsinn jauchzend in den schlammigen Erdboden zu rammen...

So langsam geht es mehr um Links Ursprünge, ich hoffe, es wird alles klarer...

lg an alle Leser... und bitte bleibt der Story treu. *smile*
 

Kapitel 23
 

Auf dem breiten Burginnenhof, wo einerseits das stattliche, dunkle Gebäude der Ritterschule emporragte und auf der anderen das edle Gebäude der Mädchenschule stand, herrschte Aufregung und Trubel. Viele Holzbänke und Tische waren aufgestellt und von der kleinen Kneipe ,Zum lustigen Hylianer’ bediente der Wirt hier hungrige Mäuler.

In den umzäunten Arenen, wo Übungsstunden mit dem Schwert stattfanden, zeigten ältere Schüler ihr Können. Und Leneys Wandertruppe mit Schaustellern, Künstlern verschiedener Gauklerbereiche und Musikern baute gerade Manegen für ihre lustigen Vorführungen auf. Verkaufshungrige Hylianer priesen ihre Ware an, die sie an kleinen Ständen anboten. Dinge wie Süßspeisen, Ausrüstungsgegenstände und irgendwelche Dienstleistungen, wie zum Beispiel die eines jungen Barbiers.

Sogar einen verrückten Gelehrten hatte es hierher verschlagen, der unsinnige Geschichten erzählte von einer Welt mit einer neuen Energie, so wie er sie nannte. Jene Energie, so erzählte er, wäre gänzlich verschieden von der Magie, die man in Hyrule praktizierte. Es wäre eine neue Form von Wissenschaft. Eine neue Möglichkeit das Leben zu gestalten.
 

William Laundry und Link saßen auf einer der vielen Holzbänke und hörten dem Gelehrten zu, der wahrhaft lobgepriesen von dem neuen Wunderwerk, wie er es nannte, redete.

„Glaubst du seinen Erzählungen?“, fragte Link, beinahe gelangweilt und mehr mit sich selbst redend. Will stützte seinen Kopf in die Hände und erwiderte: „Warst du schon mal in Labrynna?“ Link nickte. „Ist aber schon lange her... und ich war nur kurz dort, weil ich einen Auftrag erledigen musste.“ Will verzog die Augenbrauen und meinte herausfordernd: „Gibt es eigentlich einen Ort, an dem du noch nicht warst?“

Link schaute noch gelangweilter zu seinem Kumpel und murrte genervt: „Möglicherweise nicht, sonst wäre ich wohl nicht hier!“ Will atmete laut aus und ignorierte Links merkwürdige Schübe von Wut und Schwermut und erklärte: „In Labrynna hat man vor drei Jahren damit begonnen, diese neue Form von Energie zu verwenden...“

„Und? Ist sie hilfreich?“ Will schüttelte den Kopf. „Es gab Aufstände deswegen und überall hat man merkwürdige Dinge entlanggelegt und komische Gegenstände aufgestellt. Jeder wollte diese Energie haben und es gab sogar Tote, die irre Schläge abbekommen haben, als sie die neue Energie nutzen wollten. Außerdem meinte Vater, dass jene Energie dazu führe, das, was in unseren Wurzeln steckt, zu Nichte zu machen. Er meinte, es zerstöre Magie.“
 

„Interessant...“, murmelte Link, hüpfte auf die Beine und trat näher zu dem bärtigen Gelehrten, der eine große, runde Brille auf der Nase trug und einen Zylinder auf den Kopf gestülpt hatte.

„Was ist diese Energie?“, fragte Link den älteren Mann.

„Eine neue Macht und man kann damit viele Wunderwerke bewältigen.“

„Ach sicher?“, meinte Link ironisch, aber gefasst. Er wusste, warum er fragte. Seitdem er Ganondorf begegnet war, wusste er, was manche Mächte in den Gemütern von verschlagenen Menschen bewirken konnten. Seit dem Tag, als ihm Ganondorf eine Predigt von der Selbstherrlichkeit und dem Fabulösen einer Macht gehalten hatte, hütete er einen Drang jedem, der Energien und Mächte begehrte, zurecht zustutzten. Diese Dummköpfe, dachte Link.

„Ja, man kann sie für viele Dinge verwenden. Man kann sie nutzen für Wärme und Wunder. Für Licht und Freude.“

„Auch zum Töten?“, fragte Link eisig. „Ist das der Sinn von dieser verdammten neuen Energie, die du hier so selbstgefällig lobpreisen musst?“

Schreckhaft wich der Gelehrte zurück und beschaute den angewiderten Ausdruck auf Links Gesicht.
 

Inzwischen war auch Will aufgestanden und hörte dem interessanten Dialog zu.

„Genau das ist es, wodurch Kriege und Aufstände geschürt werden. Durch diesen dummen Machtwunsch von uns Hylianern, den wir nicht kontrollieren können. Deswegen gab es die Geschichte der Kriege und zuletzt den... Zeitkrieg...“ Links Stimme wurde lauter vor Zorn und einer charaktervollen Aufruhr in seinem Herzen. Wie es ihn anwiderte, verabscheute, wenn Hylianer von neuen, tollen Energien redeten. Keine Ahnung hatten sie von dunklen Gelüsten, die Mächte aufrütteln konnten. Bei Farore, das war so dumm.

Der Gelehrte war sprachlos und wusste nicht, wie er den Worten dieses Ritteranwärters begegnen sollte.

„Weiß Prinzessin Zelda von deinen billigen Vorträgen?“, verhörte Link den Gelehrten, der doch eigentlich nur Gutes im Sinn hatte. Gerade da, ohne das der Ältere auf die Frage eingehen konnte, legte Will eine Hand auf Links Schulter.

„Ja, mein Vater meinte, Prinzessin Zelda wurde von dieser neuen Energie unterrichtet. Und sie war dagegen eine solche neue Energie in unserem magischen Hyrule einzuführen. Sie weiß Bescheid, Link...“ Beruhigter drehte der blonde Hylianer den Schädel zu seinem Kumpel, warf dem Gelehrten einen aussagekräftigen, drohenden Blick entgegen und watschelte mit Will zurück zu den Holzbänken, wo andere Ritterjungen saßen und sich von Süßspeisen bedienten.
 

„Deine Ideale in allen Ehren, aber das war nun ehrlich unnötig“, meinte Will. „Schau’ mal, der Gelehrte packt seine sieben Sachen.“ Ausdruckslos beobachtete Link den Hylianer, der seine Bücher packte und langsam aus der Ritterschule hinaustrottete. Der Held der Zeit hatte sein Ziel erreicht.

„Ich kann nicht anders...“, rechtfertigte sich Link. „Macht ist das Dümmste und Schrecklichste, was man sich antun kann.“ Sein Flüsterton und die tiefe Bewegung in seinen Worte, machten Will erneut nachdenklich, wen er eigentlich neben sich sitzen hatte. Das war kein Fünfzehnjähriger, dachte Will, obwohl Link im nächsten Moment unberechenbar kindisch wirken konnte. Im Moment jedenfalls war da Scharfsinn und Weitsicht, die ihn auszeichneten. Und erneut entstanden in Wills Kopf Fragezeichen. Was zum Teufel, war oder ist dieser Jugendliche bloß? Was hatte er erlebt?
 

Im Hintergrund begannen die Musiker mit ihren fröhlichen, hylianischen Volksliedern und ein junges Mädchen namens Leney sang zu den Instrumenten. Sie war die Anführerin der Truppe, die sich Leneys Wandertruppe nannte. Sie war ungewöhnlich, dachte Link. Ihr Körper war mager und langgestreckt und ihre Augen waren voll und silbern. Und obwohl sie so jung war, besaß sie bereits weißes Haar. Sie konnte wunderschön singen, so wie Malon es gerne getan hatte. Malon... Erneut ein Gedanke an das einst so heitere Farmmädchen und erneut fragte sich der junge Heroe, was nur geschehen sein mochte. Was war mit Malon passiert? Er musste es herausfinden, soviel stand fest. Zum einen, um seine Unschuld zu beweisen und zum anderen, weil Malon eine gute Bekannte gewesen war. Link würde in den nächsten Tagen endlich zur Lon-Lon- Farm aufbrechen und das Rätsel um den einen dunklen Tag mit den Geschundenen der Macht auf jener Farm lösen...
 

Und er würde nicht alleine gehen...
 

Außerhalb der Ritterschule, nur wenige Meter vor der großen Zugbrücke mit dem Eisentor, raste ein knarrender Karren heran und wirbelte den sandigen Schmutz auf, wo die vorgespannte Stute und die vier klapprigen Holzräder entlang brausten.

Belle lehnte sich an ihren Mann, mit dem sie nun schon viele glückliche Jahre verheiratet war, sechzehn lange Jahre...

Sie erinnerte sich mit geschlossenen Augen. Das war damals als in Hyrule noch alles in Ordnung war. Damals, als sie beide noch in ihrer vertrauten Umgebung lebten. Ja, die Welt war heil vor dem Krieg um die Vorherrschaft Hyrules, der viele Leben kostete. Wie das Leben des besten Freundes Arns Fearlessts und seiner Gemahlin...

„Lassario?“, murmelte Belle und hob den Kopf.

„Mmh?“

„Weswegen hat dich Ritter Heagen vorhin sprechen wollen?“ Lassario legte den Kopf in den Nacken und starrte ins Himmelszelt. Richtig, bevor die Familie Laundry zur Ritterschule aufgebrochen war, stand plötzlich Heagen vor der Tür. In voller Rüstung und verlangte wenige Minuten für wichtige Angelegenheiten.

„Eigentlich soll ich für mich behalten, was er mir sagte, aber...“ Belle grinste.

„Aber?“

Lassarios Mund zog sich in die Breite. „Ich hab’ ja ohnehin keine Wahl, die Nachrichten meine Liebsten zu unterbreiten, sonst schupst sie mich womöglich von der Bettkante...“, schmunzelte er. Belle boxte ihn in die Seite.

„Wenn du damit auf eine gewisse Sache anspielst...“, murrte sie und strich sich eine dunkelrote Haarsträhne hinter das rechte Elfenohr.

„Oh, ich erinnere mich an deinen letzten Tobsuchtsanfall, meine Schöne. Da durfte ich auch vor dem Kamin schlafen...“

„Das war ja mehr als gerecht, mein Herr Ehemann. Und ich wiederhole lieber nicht erneut den Grund dafür.“ Lassario schwieg darauf und blickte seine Liebste zwinkernd an. Er bettelte nun um Verzeihung, wie immer, wenn Belle ihn aufzog.

„Oder soll ich noch einmal erzählen, wie unvernünftig mein lieber Ehemann gewesen ist, als...“ Er erinnerte sich bitter... Lassario hatte in Labrynna gerne mit seinen Kumpanen um Geld gewettet und an einem vergnüglichen Spielabend blöderweise die Einnahmen für den gesamten Monat verpulvert. Daraufhin hatte ihm Belle eine böse Lektion erteilt, die er nie wieder vergessen würde.

„Ist ja schon gut“, unterbrach er sie. „Wir sollten keine alten Kamellen aufwärmen. Du hast Recht.“ Er pustete eine Luftstrom aus seinen Lungen und berichtete über den Vorfall von heute Früh.
 

Es war nur wenige Stunden nach dem Vorfall im Schloss. Lassario Laundry hatte sich einige Stunden aufs Ohr gehauen, als Ritter Heagen vor der Tür des kleinen Blockhaus stand. Aufgetakelt in seiner wuchtigen Ritterrüstung klopfte er laut und lärmend und riss Lassario aus seinem kurzen Schlummer. Bekleidet in einer weißen Unterhose hüpfte Lassario aus dem Haus und bat Belle im Haus zu bleiben.

Heagen, ein langer und zugleich dicklicher Ritter mit dunkelbraunen, gelockten Haaren, warf ihm einen Blick entgegen, den Lassario von ihm noch nie gesehen hatte. Da war Sorge und Argwohn.

„Heagen? Was führt Euch hierher?“

„Ich bin hier, um Euch über etwas zu informieren, was...“ Damit blickte sich der Kerl zielsicher um, als fürchtete er, beobachtet zu werden. „... was vor wenigen Stunden im Schloss geschehen ist.“

„Im Schloss?“ Lassario räusperte sich.

„Jawohl... es gab einen Angriff“, flüsterte Heagen und trat näher an die Außenwände des Häuschens.

„Einen Angriff?“, brüllte Lassario und stolperte über seine eigenen Worte.

„So redet doch leiser!“, brummte Heagen und drückte seinen Zeigefinger an die Lippen.

„Man nimmt an, dass es sich um ein dunkles Bündnis handelte, welches seit einigen Jahren hin und wieder irgendwelche Ereignisse zu verantworten hat.“

„Und warum informiert Ihr ausgerechnet mich?“

„Weil mich Prinzessin Zelda beauftragt hat, Euch einzuweihen.“ Lassario schüttelte den Kopf und zwinkerte. Es gehörte nicht viel dazu, dass er schon wieder entsetzt und unheimlich verwirrt war, weshalb die Prinzessin in ihn dieses Vertrauen setzte. Lassario drehte sich um, kratzte sich umständlich am Kopf und meinte leiser: „Gab es Verletzte?“

„Ja, die Prinzessin wurde leicht verwundet. Aber es geht ihr gut.“ Himmel, dachte der eingewanderte Hylianer. Er hatte die Absicht gehabt in ein friedvolles Hyrules zurückzukehren und nun gab es in Hyrule ein dunkles Bündnis, welches irgendwelche Schandtaten plante und sogar der Prinzessin, von deren außergewöhnlicher Magie man sogar in Nachbarländern sprach, schaden konnte.

„Und... was ist jetzt zu tun?“

„Einige Ritter der hylianischen Tafelrunde sind dabei Nachforschungen anzustellen, aber ich bitte Euch Schweigen zu bewahren, denn diese Sache ist mit äußerster Sorgfalt zu behandeln.“ Der Mann nickte. Heagen sprang derweil auf sein Ross und schirmte sein Gesicht mit einem schweren Stahlhelm ab.

„Beim nächsten Kongress werde ich Euch eine Einladung zu kommen lassen. Es werden Gespräche stattfinden, zu denen Ihr eingeladen seid.“

„Habt Dank für Euer Vertrauen, Heagen, und danke für die Information...“

„Ich hoffe, Hyrule kann auf Euch zählen, Ritter Laundry.“

„Immer...“, murmelte der Laundry und schloss die Tür, als Heagen mit seinem Ross von dannen ritt.
 

Damit beendete Lassario die Geschichte und bat Belle inständig, kein Wort darüber zu verlieren. Zu keiner Menschenseele. Nicht einmal zu Will oder Lilly, die schlafend auf dem Karren lag. Auch nicht zu Link...
 

Lassario Laundry führte die Zügel der alten Stute Katarina und bremste sie mit einem lauten: „Heyja!“ Der Karren stoppte und Lassario sprang herab, half seiner Gemahlin Belle und packte dann die zierliche Lilly unter ihren kleinen Ärmchen und beförderte sie auf festen Boden. Sanft umfasste er ihre Kinderarme und meinte mit Sorge und Strenge: „Erinnere dich, was wir besprochen haben, Lilly.“ Sie wischte sich den Schlafsand weg. Ihre großen grünen Augen funkelten mit Neugierde und kindlicher Aufregung, denn es war das erste Fest, welches Lilly miterleben durfte.

„Verstehst du, mein Schatz? Wir werden Linkelchen nicht sagen, was wir über ihn wissen, okay?“ Sie nickte. „Natürlich, Papa. Großmutter wäre doch verärgert.“ Der Ritter lachte. „Genau, sie wäre verärgert“, meinte er. Obwohl Lilly ihre Großmutter nicht einmal kannte, wusste sie über sie Bescheid... Mal wieder eine Gabe von Lilly, die Lassario das Fürchten lehrte.
 

„Okay. Auf die Schultern mit dir.“ Damit packte er sie und Lilly durfte auf Papas Schultern die ganzen Leute auf dem Fest für die Ritterjungen beobachten.

Belle klammerte sich mit einem Lächeln bei ihrem Mann an einen Arm und so tapste die Familie Laundry guter Laune hinein in die große Burg, wo heute das Feiern angesagt war.
 

Als Belle, Lassario und Lilly zwischen den Bänken und Tischen hindurchwanderten, wo inzwischen ein großes Gedrängel und Gerangel herrschte, hörten sie sofort ihren aufmerksamen Sohnemann nach ihnen rufen. William sprang von seinem Platz, wedelte mit den Armen und rief nach Vater und Mutter. Jene gesellten sich näher.

„Hi, Leute!“, meinte Will, der sofort von seiner kleinen Schwester umschlungen wurde.

„Hallo, mein Bruderherz“, sagte sie mit ihrer hellen Stimme. Belle war die erste, die dem jungen Link Beachtung schenkte und ihm eine warme Hand reichte. „Link. Es freut mich, dich zu sehen“, meinte sie sanftmütig und versuchte mit dem Ausdruck in ihren smaragdgrünen Augen nicht das erkennen zu lassen, was sie über ihn wusste. Link nickte bloß und schaute zu seinen Händen, die er gefaltet auf die Holzplatte des Tisches gelegt hatte.

Lassario hieß Link ebenso Willkommen und gab ihm einen Klaps auf die Schulter, aber auch diese freundliche Geste begegnete Link nur mit einem leichten Nicken.
 

Lilly jedoch war ein wenig fröhlicher gestimmt, ihr Linkelchen zu sehen und so hüpfte sie auf seinen Schoß und tat nichts anderes als ihn zu umarmen.

„Ach, mein liebes Linkelchen! Du bist so toll“, rief sie mit einer Ausgelassenheit, die Link noch nie erfahren hatte. „Ähm... Hallo“, sagte der Heroe leise und drückte die Kleine von sich weg. Sie wippte auf der Bank hin und her, als ob sie auf irgendetwas wartete, oder als ob bereits das Fest der Göttinnen anstand, wo jeder Geschenke verteilte und bekam. Sie wollte etwas sagen, was sie nicht durfte, aber ihr kindliches Gemüt konnte nicht anders.
 

Ihre Augen funkelten neckisch und sie meinte so laut, dass es mindestens zehn Leute im Umkreis hören konnten. „Keine Sorge, Linkelchen. Zelda passt auf dich auf. Sie ist die ganze Zeit bei dir.“ Entsetzt schaute der junge Heroe von links nach rechts und ignorierte die Blicke von einigen, die den Namen Zelda aus dem Gespräch gehört hatten. Ein nerviges Getuschel brach los.

„Lilly?“, sagte Belle streng und stützte ihre Hände auf den Tisch. „Du weißt genau, was wir besprochen haben!“ Und Lilly schmollte, zog wieder ihre Unterlippe über die obere und meinte trotzig: „Was kann ich denn dafür, dass Prinzessin Zelda auf Linkelchen aufpasst. Sie passt auf ihn auf, weil Linkelchen ganz toll ist. So toll, das glaubst du gar nicht, Mami! Ganz Hyrule liebt Linkelchen.“
 

Link schloss die Augen und rieb sich mit einigen Fingerspitzen über die Stirn. Er brauchte Abstand. Diese geschauspielerte Familienidylle konnte er einfach nicht ertragen. Und dieses Gerede über ihn machte ihn fertig, würde ihn wieder auslaugen. Er konnte das nicht einfach über sich ergehen lassen. Soll’ Will doch mit seiner Familie feiern. Er jedenfalls würde nicht im Wege stehen.
 

Zaghaft stützte er sich von der Bank ab und lief schweigsam weg von dem Getuschel und dem nervtötenden Gerede über ihn.
 

Als Link außer Sichtweite war, regte sich eine leichte Ärgernis über die Worte seiner Tochter in Lassarios Gemüt. „Lilly! Das nächste Mal bleibst du zuhause“, schimpfte er. Lilly blickte trotzig und eingeschnappt zu Boden. Und obwohl sie wusste, dass ihr Vater wütend war, hielt sie ihre Entscheidungen, selbst wenn sie von einem kleinen Mädchen kamen, für ausgesprochen richtig.

„Ähm... Vater“, mischte sich William ein. „Es liegt nicht an Lillys Worten, warum Link gegangen ist. Das Problem ist, dass man ihm verboten hat, Zelda zu sehen.“

Lassario fiel aus allen Wolken. „Was? Du weißt, dass er eine Freundschaft zu Prinzessin Zelda hat?“

„Ja, er hat es mir erzählt, nachdem ich tausend mal auf ihn eingeredet habe.“

„Und du sagtest, er dürfte sie nicht sehen? Da hat mir die Prinzessin persönlich aber nichts davon erzählt.“ Will zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht, warum...“

Belle gab ihrem Gemahl daraufhin einen gutgemeinten Stups in die Rippen und nickte. „Rede mit ihm, okay?“ Der kräftige Ritter bejahte und machte sich auf den Heroen zu suchen, der ständig das Gefühl erlitt, im Wege zu stehen.
 

Im Hintergrund sang Leney von der Wandertruppe das Lied Hyrules. Die einprägsame Friedenshymne, die man, wenn man auf den weiten, grünen Wiesen wanderte und sich bemühte, genau hinzuhören, vernahm... Wenn man sich bemühte, dem Flüstern der Berge zu folgen, den Zupfen der sattgrünen Gräser zuzuhören, das Rauschen des Windes liebte und die Schreie der Adler, die sich senkend in tiefe Täler stürzten mit Ehrfurcht begegnete. Es war das Lied der Freiheit. Ein Lied, geschaffen nur für Hyrule. Ein Ruf, geboren aus den Gesetzen jenen alten Landes. Erfüllung für alle spitzen Ohren, die ihre Welt verehrten.
 

Und auch der junge Heroe hörte gedankenvoll das alte Lied, welches Din, Nayru und Farore einst auf ihren eigenen Instrumenten spielten... Er kletterte gerade eine frisch gebaute Leiter hinauf und ließ sich müde von den Ereignissen des Tages auf einer bröselnden Steinmauer nieder. Seine Beine baumelten in der Luft und sein müder Blick ging zu den vielen fröhlichen Menschen und schließlich zu der eigenartigen Leney, die eine milde, helle Stimme besaß wie die einer Fee.

Es war als würde ihre Stimme die Götter mit den sanften Tönen lobpreisen und ehren und im Gegenzug spielten die Großen Drei den Rhythmus und begleiteten die junge Leney mit den göttlichen Instrumenten.
 

Farore mit ihrer gläsernen Flöte. Sie schuf die Melodie, welcher Hylianerohren auf der Steppe lauschen konnten.

Nayru mit ihrer lebenden Harfe. Sie spielte die Begleitung und verführte die Flöte zu Lebendigkeit und Stärke.

Und Din mit ihrer kraftvollen Trommel. Sie hämmerte den Rhythmus und vollendete das Tun der anderen Instrumente...
 

Leney, das Mädchen mit dem silbernen Haar, sang und ehrte das Spiel der göttlichen Instrumente und irgendwie beruhigte es die einsame Seele in jenem Jugendlichen, der nicht mehr er selbst sein wollte.

„Lass es nicht sterben...“, sang Leney in altem Hylianisch. Und sie sang erneut: „Lass’ dein wahres Ich nicht sterben...“
 

„Lass’ dein wahres Ich nicht sterben...“, flüsterte jemand direkt neben Link. Erschrocken drehte Link den Schädel und sah einen Ritter mittleren Alters neben ihm auf der Brüstung stehen. Sein braunes, kurzes Haar wehte wild im Wind und die Sonne spiegelte sich glänzend auf seiner einfachen Rüstung. Das Wams unter seinem Brustpanzer war unordentlich und hatte viele Flicken. Aber der Ausdruck in seinem narbenreichen Gesicht war mild und anteilnehmend, obwohl er mit seinen verschränkten Armen eine abwertende Haltung einnahm. Es war Lassario, dessen schokoladenbraune Augen freundlich in das verwunderte Gesicht des jungen Link blickten.

„Sie singt wunderschön“, meinte er.

Link nickte und blickte erneut hinüber zu Leney, die zu der heiteren Melodie zu tanzen begann.

„Sie singt von etwas, was wir alle bewahren sollten. Unser wahres Ich“, erklärte der Ritter, worauf Link den Schädel wieder neigte. Wie Recht Lassario hatte. Sie sang immer wieder ihre aufmunternden Fersen davon, dass man sein wahres Ich niemals vergessen, niemals in den Schatten stellen sollte, und doch... hatte dieses Lied für ihn keine Bedeutung. Wie sollte Link jemals wieder sein wahres Ich finden? Wie sollte er der Held der Zeit sein mit Krankheitsattacken, die ihn um den Verstand brachten? Wie sollte er der Held der Zeit sein, wenn man ihm glauben lassen wollte, er wäre zu einem Monster geworden, das unschuldige Wesen entführte? Und wie, bei Farore, sollte er der Held der Zeit sein, wenn das Masterschwert, seine Waffe des Guten, ihn nicht mehr anerkannte?
 

Es schien alles so ausweglos... und es waren einfach zu viele Bürden, die er nicht mehr bewältigen konnte...
 

„Erlaubst du?“, meinte Lassario und deutete auf den Platz neben ihm. Scheu und irgendwie unwirklich sah Link drein und noch ehe er antworten konnte, saß Lassario neben ihm und schaute ebenso hinab in die große Menschenmenge.

„Das Problem ist nur häufig, dass wir Hylianer nicht wissen, was unser wahres Ich ist... Ich zumindest weiß es nicht“, sagte Lassario und versuchte ständig den Jugendlichen zu irgendwelchen Worten zu bewegen, aber es war hoffnungslos. Link brachte einfach kein Wort hervor und wusste nicht, was Lassario überhaupt von ihm wollte.

„Weißt du es?“ Und Lassario probierte es mit einer direkten Frage. Link antwortete zunächst nicht und richtete den Kopf erneut zu dem Vater von Will, suchte nach einer Erklärung, warum dieser Ritter sich mit ihm abgab...

„Was weiß ich?“, murrte Link und rollte mit den Augen. Aber Lassarios Hartnäckigkeit war von einer besonderen Art. Und er würde nicht aufgeben aus Link etwas herauszuquetschen, ganz dem treuen Laundry- Motto: Ein Laundry gibt niemals auf.

„Dein wahres Ich“, sagte der Ältere.

„Ich wusste es einmal.“ Das war alles, was Link sagte. Dann wand er sich wieder dem Tanz von Leney zu, die wie eine Fee umherwirbelte. Erneut Funkstille und Lassario suchte nach einem neuen Anfang mit Link irgendwie in die Gänge zu kommen. Man musste ihm wirklich alles, restlos alles aus der Nase ziehen. Genau, wie sein Sohn gesagt hatte... Was für ein Sturkopf, dachte der Ritter.
 

„Die Aussicht von hier oben ist wirklich schön, findest du nicht?“ Link nickte und wieder kam kein Gespräch zustande. Lassario gab sich in seinen Gedanken eine ordentliche Ohrfeige und ärgerte sich über sein eigenes Einfallsreichtum. Welch’ tolle Idee sich über das Wetter und die Aussicht zu unterhalten, dachte er... Und sein lebenserfahrener Schädel schwenkte zu dem trübsinnigen Jugendlichen, der zielgerichtet in die Elfenmenge starrte. Auf der Suche... ja irgendwie schien es Link würde ständig nach jemandem Ausschau halten. Und während Lassario sich den Jugendlichen neben ihm betrachtete, gab es Dinge, die ihm nun mehr als vorher ins Auge sprangen. Dinge, über die er mit Belle diskutiert hatte. Dinge, der er ignoriert hatte.

„Früher... als ich in dieser Schule Unterricht genossen habe, kannte ich jemanden, der auch von oben herab alles beobachtet hat. Er hat immer gemeint, man könne ganz Hyrule entdecken, wenn einem Adleraugen beschieden wären.“ Lassario lachte über seine eigenen Erinnerungen. „Er saß beinahe an der selben Stelle auf der Mauer wie du, Link.“

„Wer war er?“, sagte Link leise.
 

Und endlich hatte Lassario ein vernünftiges Thema getroffen. Diesmal würde er sich selber auf die Schulter klopfen, wenn er dies ordentlich zustande bekäme.
 

„Mein bester Freund. Du hast sicherlich schon einmal von ihm gehört. Überall stehen Pokale von ihm.“ Links Schädel schwenkte erwartungsfroh zu Lassario und er zwinkerte ein paar Mal mit den tiefblauen Augen, die so besonders waren.

„Arn Fearlesst wahrscheinlich. Von ihm sind überall irgendwelche Auszeichnungen zu finden.“ Lassario lächelte.

„Genau. Und es gibt Unmengen von Gründen für die vielen Auszeichnungen.“ Link rutschte unruhig auf dem Hosenboden hin und her und überlegte. Ob es gut wäre, Lassario über Arn Fearlesst zu befragen? Schließlich brauchte Link Kunde für seinen Auftrag, dessen Abgabe immer näher rückte.
 

Nach einer Weile begann Lassario selbst über den letzten Fearlesst zu reden.

„Arn war ein außerordentlicher Hitzkopf und er hat immer seinen Willen durchgesetzt, egal, ob man es ihm verbot. Und er hat sich damit viele Probleme eingehandelt, die er aber immer wieder wie von Geisterhand gemeistert hat. Einige Leute haben immer gemunkelt, die Göttinnen hätten ein Auge auf ihn... aber das ist Unsinn, wenn du mich fragst.“

„Und warum die vielen Auszeichnungen?“ Lassarios erheitertes Gesicht wurde trübsinniger und er schaute zu Belle und seinen Kindern.

„Dazu sollten wir vielleicht am Anfang beginnen...“, sprach Lassario gedämpfter. „Auch wenn Arn immer ein Grinsen auf dem Gesicht hatte, so gab es schon seit seiner Kindheit Ereignisse, schicksalhafte Ereignisse, die niemand mit ihm hätte teilen wollen. Gerade, weil er diese Dinge überstanden hatte, hinter sich ließ, behaupteten böse Zungen, er wäre nicht ganz richtig im Kopf, oder er wäre ein eiskalter Hylianer ohne Mitleid und Gefühl gewesen. Aber auch das ist Unsinn. Ich kannte ihn und ich weiß, dass er nicht so gefühllos und dumm war wie manche dachten.“
 

,Erschreckend’, dachte Link. Dieser Arn Fearlesst ähnelte ihm irgendwie. Und irgendwie beruhigte der Gedanke, dass auch andere Hylianer so waren wie er, dass er nicht der einzige war, den man als herzlos abstempelte, bloß weil er gewisse Bürden zu tragen hatte.
 

„Aber was genau hat Arn Fearlesst denn überwinden müssen?“, meinte Link, worauf Lassario seinen Kopf mit einem Grinsen zu ihm drehte. „Nanu? So interessiert? Woher der plötzliche Sinneswandel, Link?“ Der Jugendliche atmete laut aus.

„Ich muss mich über berühmte Leute Hyrules informieren. Und da dachte ich, ich suche mir das Wissen über Arn Fearlesst zusammen.“ Lassario nickte. „Wenn das so ist, dann kann ich dir gerne etwas mehr über ihn erzählen.“

Link murmelte ein umständliches ,Bitte’ über seine Lippen, das Lassario nur per Lippenlesen als ein Wort deuten konnte.

„Du solltest zunächst wissen, dass Arn sehr früh seine Eltern verloren hatte. Seine Mutter starb bei der Geburt des zweiten Kindes und auch jenes Kind starb wenig später an einer tödlichen Grippe. Seinen Vater verlor er als Kind mit neun Jahren, als Moblins die alte Feste überfallen hatten, alle Überlebenden töteten und er schwer verwundet überlebt hat.“ Link zog seine Knie zu sich und wunderte sich schon wieder über diese vielen Ähnlichkeiten. Das war beinahe unheimlich. Immerhin hatte Link seine Eltern ebenfalls sehr früh verloren. Und Arn Fearlesst musste womöglich noch zusehen, wie der Abschaum Hyrules seinen Vater in den Tod schickte... Warum war Hyrule nur so grausam, dachte Link für einen kurzen Moment.
 

„Als seine körperlichen Wunden geheilt waren, hatte er sich ganz der Jagd nach Rache hingegeben. Ich meine, man muss sich das verinnerlichen. Er war neun, vielleicht auch zehn Jahre alt und ist in diesem Alter durch ganz Hyrule gepilgert, hat sich in der Wildnis durchgeschlagen, sich eigenständig kämpfen beigebracht und bis zu dem dreizehnten Lebensjahr jegliches Moblinnest, das er finden konnte, ausgerottet...“ Lassario machte eine Pause. „Er war ein verletztes Kind. Kein grausamer Mörder, der einen Groll gegen das Leben hegte. Wer würde nicht nach Rache suchen, wenn er nichts mehr hatte, das er als wertvoll und lieb ansehen konnte?“

Natürlich, dachte Link. Diese Sache verstand er nur zu gut...
 

„Mit dreizehn hat er dann sein Geburtsrecht eingefordert, in der Ritterschule lernen zu dürfen. Und er hat gelernt. Wie ein Besessener hat er alles gelernt, was er lernen konnte, hat viele Heldentaten vollbracht und später sogar einmal ein Mitglied der Königsfamilie vor dem sicheren Tod bewahrt.“

„Er war sicherlich ein großes Vorbild... Aber warum hatte er ein Geburtsrecht in der Schule?“

Lassario grinste wieder, auch wenn man den Schmerz über den Verlust seines Freundes, denn Arn lebte nicht mehr, tief versteckt in seinen Augen sehen konnte.

„Du musst zunächst wissen, dass es sich bei den Fearlessts um eine sehr alte Ritterfamilie handelte. Man erzählte sich, die Fearlesst waren ein Geschlecht unverbesserlicher Unfähigkeit Angst zu empfinden. Keine Angst... keine Furcht sich dem Bösen zu stellen. Und keine Hemmungen auf dem Schlachtfeld zu kämpfen oder zu sterben... Deshalb das Geburtsrecht. Außerdem standen die Fearlessts schon immer der Königsfamilie sehr nah.“

„Die Fearlessts waren also in dem Sinn nicht nur Ritter, sondern irgendwie auch Helden und Beschützer, nicht?“ Lassario nickte erneut.

„Ja, Wächterritter...“
 

Wächterritter... Matt erklang dieses Wort in Links Gedanken. Warum waren seine Eltern, von denen er nichts wusste, so unbekannt? Warum konnte er nicht eine so berühmte Ritterfamilie hinter sich stehen haben?
 

„Es ist nur sehr traurig... dass Arn der letzte von ihnen war.“ Link nickte gefasster. Aber da kam ihm ein Gedanke. Hatte Artus nicht erzählt, Jack Lance hätte das Kind der Familie Fearlesst angegriffen? Hatte Arn ein Kind?

„Aber mir wurde erzählt, die Fearlessts hätten einen Nachfahren gehabt.“

„Das stimmte... ja das stimmte...“ Lassarios Gesichtsausdruck wurde weicher. „Als ich mit Belle und den Kindern nach Hyrule zurückgekehrt bin, habe ich mich darüber informiert. Und mir wurde erzählt, dass... Lady Fearlesst... mit ihrem Kind in den Tod gerannt sei.“ Lassario ließ das Wort ,Lady Fearlesst’ äußerst langsam auf der Zunge zergehen. Ob er eine nähere Beziehung auch zu jener Lady hatte?
 

„Vielleicht ist es nur ein böses Gerücht, dass sie umkamen?“

Lassarios Blick wurde schärfer. „Nein, denn mir wurde das Grab gezeigt mit den beiden Leichen...“

„Oh... das tut mir leid“, murmelte Link.

„Ja, aber man muss die Vergangenheit ruhen lassen, sonst wird man sie nicht los. Das waren einst Arns Worte.“ Lassario grinste wieder ansatzweise.

„Ich glaube, das gilt für jeden von uns.“ Darauf neigte Link wieder das Haupt und schielte neidisch zu der heiteren Menschenmenge.

„Ich weiß im Übrigen auch nicht, was mit den ganzen Ländereien der Fearlessts geschehen ist... Sie hatten sogar einige Märchenwälder in ihrem Besitz, eines nicht weit entfernt von der Schule... Brauchst du sonst noch irgendwelche Kunde für deine Nachforschungen?“ Link schüttelte den Kopf und meinte leise: „Nein, ist nicht nötig... Ich denke, ich weiß erst einmal genug.“ Und er wusste genug. Genug, um sich mit Arn Fearlesst identifizieren zu können. Er hatte womöglich ähnliche Schicksalsschläge wie Link selbst durchleben müssen. Ja, er würde über Arn Fearlesst schreiben. Einen berühmten Ritter, der dem alten Blut in seinen Venen gerecht wurde und er würde in seinem Aufsatz nur Gutes über ihn berichten...
 

„Nun denn, ich schau’ dann mal wieder zu Belle und den anderen. Bleibst du noch hier?“ Link nickte. „Ich... ja...“, sprach er bitter und sehr stockend. Lassario klopfte dem Jungen noch einmal auf die Schulter, ging einige Schritte und blieb wieder stehen.

„Und wegen dem Angriff auf das Königsschloss...“ Lassario schüttelte innerlich den Kopf, aber er konnte Link einfach nicht im Unklaren lassen. Link sah erschüttert auf.

„Prinzessin Zelda geht es gut.“ Man konnte Link ansehen, dass ihm irgendwie eine Last von der Seele fiel.

„Du wirst sicherlich ahnen, dass es sich um ein gewisses dunkles Bündnis handelt, welches den Angriff zu verantworten hat. Und ich möchte, dass du dich aus der Sache heraushältst.“

„Ihr wisst also, wer ich bin?“ Das war eine gute Frage und obwohl Lassario dachte, er wüsste über Link Bescheid, so gab es eine Sache, die er niemals hätte erahnen können. Eine bedeutende Sache, die sich in nächster Zeit herausstellen würde.
 

„Ja...“, antwortete er knapp. „Aber Will wird es von mir nicht erfahren.“

„Danke...“, antwortete Link kühl. Aber eine Sache musste der junge Heroe noch in Erfahrung bringen. „Ist das Bündnis an Hopfdingens Tod schuld?“

„So weit sind unsere Nachforschungen leider nicht, um das zu bewahrheiten“, meinte der Ritter kühl. Damit stapfte Lassario weiter. Ohne sich umzudrehen, meinte er noch: „Ach... und Link?“

„Ja?“, murmelte jener leise.

„Du bist stark, Link. Du musst diese Stärke in dir nur wiederfinden...“ Damit hüpfte Lassario von der Leiter hinab und stiefelte, zufrieden dem mürrischen Link einige Worte entlocken zu können, wieder zu seiner eigenen Familie.
 

Belle empfing ihn mit einem grobwirkenden Ausdruck auf ihrem sanftmütigen Gesicht und suchte nach verborgenen Dingen in Lassarios Augen.

„Hast du mit ihm geredet?“ Er nickte lediglich und pflanzte sich auf die Holzbank, trank dann einen Kelch mit hylianischen Gebräu leer und stemmte sein Kinn an beiden Fäusten ab.

„Und?“, hakte Belle nach, die ihre kleinen Tochter Lilly gerade die Haare zusammenband.

„Nichts und.“ Lassario war abweisend und Belle wusste ganz genau warum. Es war Links Art. Seine ungewöhnliche, sture Art, die Lassario einen Schauer über den Rücken jagte.

„Du kannst die Vergangenheit nicht rückgängig machen und erst recht nicht in sie hineinsehen“, murrte er und trank den nächsten Kelch. „Es kann nicht sein, dass Link irgendetwas mit den Fearlessts zu tun hat.“

„Warum nicht. Vielleicht gibt es etwas, was wir nicht wissen.“ Er schlug mit der Faust auf den Tisch, als Belle weiterhin nachbohrte. „Verdammt noch mal, Belle. Das ist unmöglich. Ich habe ihre Leichen gesehen.“ Belles grüne Augen wanderten zu Boden.

„Papa? Bist du böse auf die Vergangenheit oder bist du nur böse auf dich selbst?“, mischte sich Lilly ein und tätschelte ihrem Vater mit den kleinen Kinderhänden die Wangen. Er konnte nicht einmal etwas darauf sagen. Lilly hatte einfach so eine Gabe immer die erschreckendsten Worte zuwählen, damit ein Seelenbesitzer das eigene Wort verlor. Denn, vielleicht war es wirklich das zweite, größere Übel. Lassario war wütend auf sich selbst, darauf, dass er Hyrule vor sechzehn langen Jahren einfach verlassen hatte. Und als Folge, heute nicht wusste, was mit den Fearlessts geschehen war...

Sein bester Freund Arn hatte ja nicht einmal ein Grab. Nicht einmal ein Grab hatte man dem berühmten Ritter Hyrules anlegen können. Niemand wusste, wo er den Tod fand. Und niemand wusste, wohin seine Asche verweht wurde...

„Das brauchst du nicht, Papa. Du brauchst nicht auf dich böse sein.“

„Ich weiß, Kleine“, erwiderte er und nahm das Mädchen in eine herzliche Umarmung. „Und jetzt, möchtest du das Kettenkarussell dort drüben austesten?“ Sie nickte und lächelte breit. Er drückte noch einen Kuss auf Belles Wange und durchquerte die Menschenmassen zu dem einzigen Karussell des kleinen Festes.

Nachdenklich blickte Belle ihrem Ehemann hinterher und ließ ihren Blick zu Link schweifen, der noch immer in den Himmel starrend auf der Mauer nebst der vielen Fernrohre saß.
 

Indes watschelte William zufrieden über den breiten Platz und beschaute sich die merkwürdigen Waren, die man sich hier kaufen konnte. An einem Stand mit allerlei Schmuck blieb er stehen. Aber nicht, weil ihn diese unnötige Zierde interessierte, nein, sondern, weil er ein lautes Gekreische vernahm und ihn dieses wie magisch anzog.

Wenige Meter weiter diskutierte ein junges Mädchen, vielleicht in seinem Alter, gerade mit der Verkäuferin, die ihr partout keine Waren geben wollte. Neugierig trat Will näher und erkannte das Mädchen mit dem gekräuselten feuerroten Haar und dem Paar ungleichen Augen auf einen schönen Handspiegel deuten. Kunstvoll gearbeitet. Angefertigt aus einem komischen Material. Kupferfarbenes Metall mit blauen Striemen...
 

„Aber warum denn nicht? Das ist mein eigenes Geld und ich möchte diesen Handspiegel kaufen.“

„Wir verkaufen nichts an Huren, das solltest du wissen, Schätzchen. Selbst wenn ich wollte, ich könnte es nicht. Man würde mir nirgendwo mehr irgendetwas abnehmen, wenn herauskäme, ich verscheppere meinen Schmuck an Dirnen wie dich.“ Darauf ließ die junge Lady, denn Will käme nicht auf den Dreh sie als Dreck zu bezeichnen, den Kopf hängen. Eigentlich war sie ganz hübsch, dachte er. Bis auf ihre ungleichen Augen wirkte sie sogar unschuldig und das geflickte gelbliche Landfrauenkleid an ihrem Körper machte sie beinahe ärmlich...

Er wand sich näher und hatte vor, heute eine gute Tat zu vollbringen.
 

„Und wenn jemand anderes den Spiegel mit ihrem Geld kauft. Geht das in Ordnung?“ Die alte Verkäuferin schaute skeptisch und zänkisch. Irritiert beäugte sie Will.

„Bursche... Ihr Geld bleibt ihr Geld und wir wissen, wie sie es verdient hat.“

„Sicher, aber wenn ich mein Geld mit ihr tauschen würde, dann würdet ihr mein Geld erhalten und dieses ist ehrlich verdient.“ Die Verkäuferin lächelte biestig und schüttelte nur den Kopf.

„Von mir aus... her damit.“, grummelte sie. „Wer weiß, was ein junger Ritter wie du damit bezweckt.“ Und Will grinste unverschämt. „Eine gute Tat, nicht mehr.“ Damit bezahlte er den Schmuck und reichte dem verwirrten Mädchen den Spiegel. Und wie sehr es sie verwirrte, dass man ihr einen Gefallen tat. Sofort kam ihr der Gedanke, der Jugendliche ihr gegenüber wollte sie nur ausnutzten, so wie andere vorher, aber das ließ sie sich nicht gefallen. Nicht schon wieder.
 

Die junge Halbgerudo pfropfte grob und beinahe bösartig die Rubine in Wills Hand und trampelte vorwärts. „Hey, du hättest ja wenigstens Danke sagen können.“

Sie wand sich um und schickte ihm einen temperamentvollen Blick, den er bisher noch nie erfahren hatte. Soviel Feuer und Impulsivität. „Danke. Und denkt ja nicht, dass Ihr dafür irgendetwas von mir bekommst.“ Aber das kränkte Will. Er hatte keine niederen, abscheulichen Absichten ihr gegenüber, selbst wenn sie bloß eine Dirne war.

„Seh’ ich so aus, als hätte ich es nötig irgendetwas von dir zu bekommen?“, warf er herausfordernd hinterher. Damit blieb das Mädchen stehen und drehte sich mit einer Form von Stolz um, die er von ihr niemals erwartet hätte. Sie war eine Hure und doch war sie irgendwie kapriziös und klassenbewusst.
 

„Und was wolltet Ihr dann?“

„Du!“ Sie wich zurück. „Wie?“

„Du sollst du sagen. Ich versteh’ ohnehin nicht, dass du mich siezen musst.“

„Okay, dann du“, giftete sie.

„Und nun zu deiner unbeantworteten Frage: Ganz einfach. Ich habe dich letzten Mittwoch angerempelt und unfair behandelt. Sieh den Gefallen mit dem Spiegel als ausgleichende Gerechtigkeit.“ Sie trat wieder näher und reichte ihm die Hand. „Bin gespannt, ob du mutig genug bist, die Hand einer Hure zu schütteln.“

„Du denkst, das fordert Mut?“

„Vielleicht auch Überwindung und Dummheit“, erwiderte sie spitz.

Will verengte die grünen Augen und nahm die ihm angebotene Hand an. „Was sagst du jetzt?“ Er schüttelte die Hand solange bis sie jene wegzog.

„Dass du nicht alle Lebensgeister beisammen hast.“ Sie verschränkte die Arme. „Wie ist dein Name?“

„Das fordert Überwindung“, sagte Will. „Einer Hure meinen Namen zusagen.“ Sie grinste markant. „Dann würde ich meinen, du behältst ihn für dich, ehe ich ihn mit Schmutz besudeln kann.“ Will lachte und meinte: „Na gut, William Laundry ist mein Name. Aber du kannst Will sagen, wenn es dir beliebt. Und du? Welchen Namen trägt eine Hure?“

„Mein Name hat nichts mit meinem Verdienstleben zu tun“, äußerte sie. Denn es war das einzige, worauf sie ein wenig stolz sein konnte. „Mein Name stammt aus alten Gerudomythen und bedeutet so etwas wie violetter Vollmond.“

„Gerudomythen?“, fragte Will verdutzt. „Das heißt, du bist eine Gerudo?“

„Nein, nicht so direkt“, sagte sie frustriert und hängte den Kopf nach vorne. „Hast du keine Augen im Kopf? Ich habe spitze Ohren.“ Sie griff daran und allein die Abscheu in ihrer Stimmer machte Will deutlich, dass sie sich diese Ohren am liebsten herunterreißen würde.

„Na und? Spitze Ohren sind viel schöner als runde“, erwiderte er prompt. „Mit solchen Ohren kann man hier in Hyrule die alte Hymne auf den Wiesen hören. Hast du das noch nie versucht?“ Sie schüttelte den Kopf. Und so langsam fragte sie sich, weshalb sie sich eigentlich mit diesem Jugendlichen abgeben musste. Immerhin war er sogar einige Zentimeter kleiner als sie und sah aus wie ein junger Spund, der vom Leben keine Ahnung hatte. Er musste sich bestimmt nicht jede Nacht mit qualvollen Gedanken herumplagen, wie man den morgigen Tag bewältigen konnte. Dieser Ritterjunge hatte von der Härte und Grausamkeit des Lebens keinen blassen Schimmer.
 

„Und wie heißt du nun?“

„Midnehret. Aber den Namen merkst du dir sowieso nicht...“

„Wie noch mal?“

„Midnehret. Ich sagte doch, den Namen merkst du dir nicht.“

„Na gut, und wie buchstabiert man das?“

„Ach verdammt!“, fauchte sie und trat einige Schritte vorwärts. Aber Will lief neugierig hinter ihr her. Faszinierend, diese Gerudo. So zänkisch und irgendwie stolz, obwohl sie nur eine Dirne war.

„Und die beiden ungleichen Augen? Wie kommt das?“ Sie riss die Augen weit auf, verkrampfte ihre Fäuste und stoppte ihren schnellen Laufschritt. „Wenn du es unbedingt wissen musst, mein Vater war Hylianer mit dunklen Augen und meine Mutter war eine dumme Gerudo, die sich auf einen Hylianer eingelassen hat. Eine Gerudo mit goldenen Augen. Und ich war das entsetzliche Endprodukt. Eine sittenlose Halbgerudo.“ Ihre Worte waren scharf und einprägsam. Selbst wenn sie nur eine Halbgerudo war, Will konnte deutlich eine erschreckende Form von Macht spüren, die sie mit ihren Worten darlegen konnte.

„Na und, da bist du eben eine Halbgerudo. Das gibt’s nicht so oft, oder? Da bist du doch außergewöhnlich.“

„Mag sein, aber das wird von dem Volk, das mich verstoßen hat, leider nicht so gesehen.“ Sie drehte sich wieder um und lief weiter.
 

Unvermittelt lief der neugierige Laundryjunge hinter der Gerudodame hinterher und wusste nicht genau wieso, aber er fand sie interessant.

„Was ist denn?“, schnaubte sie und warf ihm erneut einen temperamentvollen, abwertenden Blick entgegen. „Warum läufst du mir hinterher?“

„Tja, das muss wohl daran liegen, dass ich in genau dieselbe Richtung gehen wollte“, erklärte Will und grinste wieder.

„Pah...“, rief sie verärgert und stiefelte zu einem Stand mit selbstgemachter Limonade. Die Verkäuferin beäugte sie erneut argwöhnisch, nahm aber ihre Bitte an, von der Limonade kosten zu dürfen. Jedoch kaufte sie zwei Tontassen gefüllt mit dem Getränk und wand sich dann zu Will. „Hier, bitte.“ Der Laundry musterte sie mit großen Augen. „Äh, wofür ist das denn?“

„Das ist mein Dank dafür, dass du mir vorhin aus der Patsche geholfen hast. Und nun zieh’ Leine.“

„Dir ist aber schon klar, dass, wenn es so weiter geht und wir ständig irgendwelche Wiedergutmachungen hin und her reichen, wir im Leben nicht fertig werden“, meinte er lallend.

„Dann würde ich sagen, erlöse ich dir hiermit aus deiner Schuld, wir durchbrechen diesen sinnlosen Teufelskreis und du gehst jemanden anderen nerven.“ Sie zickte, aber das faszinierte ihn irgendwie noch mehr Und vor allem wunderte er sich, dass sie sich so anders als an dem einen Tag benahm, an welchem er sie angerempelt hatte. Vor wenigen Tagen noch wirkte sie so hilflos. Aber kein Gott käme in dem Moment auf den Dreh, sie als hilflos zu bezeichnen.

„Schade, dabei ist es gerade interessant geworden, mich mit dir zu unterhalten, Mid... irgendwas...“ Sie beäugte ihn gestochen scharf. Ihre zwei unechten Augen ein Spektakel aus Macht und Eigenbewusstsein. Auch wenn tief versteckt in ihren Augen Gefühle der Scham, des Selbstzweifels und des Selbsthasses ruhten. Sie würde vor diesem jungen Spund sich keine Blöße geben, dafür floss immerhin Gerudoblut in ihren Venen. Verschmutztes Blut, aber immer noch genug für eine Spur Selbstbewusstsein.
 

„Wenn du dir nicht einmal meinen Namen merken kannst, dann scheint es um dein Gehirn schlecht bestellt zu sein, du Ritterjungchen. Gehirnschrumpfung in diesem Alter?“ Sie klapperte mit den Schuhen.

Doch Will grinste wieder, solange wie sie sich mit ihm anlegen wollte, so würde er diese Spitzfindigkeiten erwidern. Er, als Laundry, konnte doch seine treuen Mottos und Ehrekodexe nicht in den Wind schlagen...

„Ich denke, es schrumpfen genau die Bereiche, die ich ohnehin nicht brauche“, feixte er und lief der jungen Dame unvermittelt fortwährend hinterher.

Er konnte gar nicht anders. Es war ohnehin selten, dass jemand so bissig auf seine Kommentare antwortete wie sie. Sie verengte ihre Augen theatralisch und stützte ihre Hände in die Hüften. „Du fühlst dich ja sehr klug mit deinen albernen Bemerkungen.“

„Nein, nicht klug, nur überlegen.“ William grinste teuflisch und hörte einen schnaubenden ärgerlichen Ton aus ihrem dicken, roten Mund wuchten. Sie hörte sich beinahe an wie ein beleidigtes Nashorn, dachte er.

„Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen, du... du..!“ Ihr gingen die Schimpfwörter aus und so ließ sie sich einfach auf einer Holzbank nieder und verschränkte die Arme.

„Nun sei doch nicht so herabwürdigend. Ich wollte mich bloß mit dir unterhalten“, sagte der junge Laundry und pflanzte sich frech und aufdringlich neben sie.

Sie zwinkerte, denn diese Form der Freundlichkeit war sie nicht gewohnt, mehr noch, diese Freundlichkeit strapazierte ihre Nerven.
 

Sie wendete ihren Schädel zu ihm und musterte seine lange Nase und die auffälligen smaragdgrünen Augen. Ihre rechte Augenbraue hob sich.

„Warum denn?“, fragte sie. „Warum willst du dich mit mir unterhalten?“

„Was ist das denn für ne Frage?“

„Hör’ auf mir Gegenfragen zu stellen!“, zickte sie.

„Na, schön. Dann sage ich es eben so: Ich wundere mich, dass du mir solche bekloppten Fragen stellst.“ Sie drehte ihre ungleichen Augen zu ihm und grinste bösartig. „Das beantwortet mir immer noch nicht meine Frage, du Ritterjungchen!“
 

Will stützte sein Kinn an einer Hand ab und beschielte die Halbgerudo wieder sehr genau. Sie hatte ein kleines Muttermal links neben ihrem Ohr, welches sich von ihrer braungebrannten Haut abhob. Ihr Mund war spitz, aber voll. Die Nase feingeschnitten und gerade. Aber das Besondere an ihr waren ein paar lange rote Wimpern, die ihre beiden ungleichen Augen betonten.
 

Sie registrierte seinen gaffenden Blick und zog ihre roten Augenbrauen hinab. „Was ist?“, zischte sie.

„Du hast merkwürdige Wimpern“, meinte Will und blickte eindringlicher auf die unterschiedlichen Augen. „Haben alle Gerudos rote Wimpern?“ Sie schnaufte: „Das weiß ich nicht, immerhin lebe ich nicht in diesem Wüstenvolk!“

„Ach so... heißt das, du warst noch nie in der Gespensterwüste?“

Sie blickte hinauf in den Himmel und wusste nicht genau, was sie auf diese direkte Frage antworten sollte. Sicherlich war sie schon einmal dort. Immerhin war es ihr Wunsch gewesen ihre Ursprünge zu kennen, ihre Mutter zu kennen, aber man hatte sie sofort zur Hölle gejagt, als man sie beim Herumschnüffeln entdeckte.
 

„Natürlich war ich schon einmal dort!“, sagte sie biestig und drehte den Schädel in die andere Richtung.

„Und warum?“

„Kannst du, neugieriger Bursche, dir das nicht denken?“ Will glotzte schief und zuckte mit den breiten Laundryschultern.

„Wenn man nicht weiß, wo man herkommt, dann ist es simpel und geradezu notwendig nach den eigenen Ursprüngen zu suchen.“

„Aber kann es nicht sein, dass das, was man dann findet, gerade das ist, was man verabscheut?“ Sie machte eine Pause und ließ ihren Kopf auf eine Schulter sinken. Will war schon ein seltsamer Zeitgenosse und dann dieses anteilnehmende Verhalten ihr gegenüber. Sie konnte sich nicht erinnern, dass nur irgendjemand jemals so nett zu ihr gewesen war.

„Du stellst mir schon wieder solche komischen Fragen!“, murrte sie und ihre Augen bildeten wieder schmale Schlitzen.

„Verzeihung, ich meinte bloß, dass es manchmal besser ist, seine Abstammung nicht zu kennen.“

„Aber man könnte doch ebenso etwas verpassen, wenn man es nicht tut, wenn man nicht weiß, woher man kommt.“

„Das ist die andere Seite. Aber vielleicht ist es das Risiko nicht immer wert eingegangen zu werden.“ Sie klopfte die vielen Falten von ihrem Kleid, sowie den leichten Staub, der sich in der letzten Woche in dem einfachen Stoff eingenistet hatte.

„Du hast schon ein paar komische Ansichten, William Laundry!“, muckte sie und hüpfte auf ihre Beine. „Irgendwer muss diese Ansichten doch vertreten, wenn es sonst niemand tut. Außerdem könnte ich mich auf eine böswillige Predigt meiner Mutter freuen, wenn ich anders denken würde und sie davon Wind bekäme.“ Sie schwieg darauf. Nein, dachte sie, Will konnte sich nicht in die Lage von jemanden hineinversetzen, der auf der weiten Welt niemanden hatte, der keine Familie hatte und nicht wusste, wie er den morgigen Tag überstehen sollte.
 

„Was hast du in der alten Wüste vorgefunden?“

„Nichts. Nur Abscheu...“

„Und warum bist du überhaupt Hure geworden?“ Verdammt noch mal, dachte sie. Was war das? Ein Verhör?

„Das geht dich nichts an.“ Will schüttelte abtuend mit den Händen. „Ist ja schon gut. Ich war bloß neugierig.“

„Deine Neugierigkeit bringt dich irgendwann zum Henker, ist dir das klar?“, sagte sie höhnisch. „Bis dahin ist aber noch Zeit...“, lachte Will. „...und bis dahin bin ich so neugierig wie ich will...“ Er grinste wieder. Charmant war sein Grinsen, ohne Frage, aber dennoch äußerst unreif.

„Du bist närrisch, einfach nur närrisch!“ Sie verschränkte die Arme und schabte mit ihren einfachen Holzpantoffeln den sandigen Boden auf.

„Aber wenn du es nun unbedingt wissen musst: Wenn man keine Ahnung hat, wie man sein Leben meistern soll, dann bleiben nicht viele Mittel übrig.“

„Und deshalb verteilst du dreckige Freuden an irgendwelche Kerle?“, sagte er finster und richtete seine grünen Augen auf sie. Ein Blick mit soviel Ernst, der sie ein wenig erschreckte.

„Es gibt, weiß Farore, andere Möglichkeiten, das Leben zu gestalten, da muss man nicht mit irgendwelchen dahergelaufenen Möchtegernrittern schlafen.“ Ihre Augen wurden bissig, ähnlich wie den Andeutungen einer Schlange, die sich mit einem schnellen beherzten Sprung auf ihre Beute stürzen wollte.

„Du tust das doch nur, weil du denkst, du hättest das nötig. Du denkst, das ist ein einfacher Verdienst. Und was hast du davon? Du verkaufst deinen Köper.“ Sie blickte zu Boden. Wie wahr, dachte sie. Ja, er hatte Recht. Aber sie hatte eben nie eine Alternative gehabt...

„Du kannst doch irgendetwas lernen. Es gibt in Hyrule genug andere Möglichkeiten sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dann muss man nicht alle perversen Arten des Beischlafs zelebrieren.“ Sie lachte darauf, aber es war keine Gehässigkeit, die aus ihrer Kehle drang. Es war Selbstmitleid.

„Du stellst dir das ja ziemlich einfach vor, was?“ Sie verschränkte ihre schmalen Arme. „Aber einer Halbgerudo wie mir bietet niemand aus reiner Freundlichkeit irgendeine Verdienstmöglichkeit an. Es ist einfach darüber zu urteilen, aber du hast überhaupt keine Ahnung, Ritterjungchen. Du bist in deinem Leben doch ständig verhätschelt worden. Du hast eine Familie und du weißt, was du werden kannst. Du weißt, wie dein Lebensweg aussehen könnte.“

„Ja, das mag sein. Ich weiß, was ich werden will. Und es ist mein größter Wunsch.“

„Siehst du!“, platzte es aus ihrem roten Mund. „Ich habe eben keinen festgelegten Lebensweg. Ich bin nicht wie du.“

„Aber du hast doch sicherlich Wünsche an die Zukunft.“ Ihre leichte Wut flaute ab. Wünsche... Ja, sicherlich hatte sie Wünsche an die Zukunft. Ein warmes Heim. Kinder. Eben alles, wovon man als halbe Hylianerin träumen konnte. Und doch schienen diese Wünsche in eine so weite Ferne gerückt zu sein, dass deren Erfüllung einfach unmöglich war.

Will konnte ihr direkt ansehen, dass er einen angerissenen Nerv getroffen hatte. Sie war plötzlich so ruhig, strahlte nicht mehr das Temperament und diese eigensinnige Form von Macht aus. Ihr dreistes Gegrinse erstarb ebenso und ihr Lächeln wurde traurig.

Er hüpfte auf die Beine und hängte den Kopf schief.

„Sag’ schon... was ist denn dein größter Traum? Was ist dein größter Wunsch? Ich verspreche auch, dass ich es nicht weiter erzählen, darüber lachen und zu neugierig sein werde.“ Will versuchte es mit ein wenig Humor, aber sie schüttelte unabsichtlich den Schädel.
 

„Du bist ein ziemlicher Lügner, weißt du das?“ Will deutete mit dem Zeigefinger auf seine lange Nase. „Was ich? Warum das denn?“

Sie lachte und stützte eine Hand an ihr spitzes Kinn. „Du bist der Sohn der Neugierde persönlich. Das kannst du nicht abstellen, selbst wenn du es versuchen wolltest. Deshalb bringt es nichts, wenn du annehmen würdest, du könntest nicht neugierig sein.“

„Okay, überzeugt“, lachte er. „Dafür verspreche ich dir, dass ich nicht mehr als zwanzig weitere Fragen stellen werde. Was ist denn nun dein größter Wunsch?“ Sie drehte sich in alle Richtungen, aus einer Vorsichtsmaßnahme heraus und flüsterte: „Du verrätst das nicht weiter. Sonst lass’ ich dich nach Gerudoart für dein großes Schandmaul büßen.“

„Welche Strafe haben Gerudos denn für Verräter?“

„Sie schneiden ihm die Zunge und dem Manne etwas sehr empfindliches zwischen den Beinen ab.“ Will stolperte rückwärts. Eine Gänsehaut lief ihm über den Rücken und der Atemzug blieb ihm in der Kehle stecken. Was verdammt noch mal waren diese Gerudoweiber? Alles Hexen? Er musste Link deswegen mal befragen...
 

Midnehrets Worte hatten ihre Wirkung jedenfalls erzielt. Das sah sie an der leichten Beklemmung in dem Blick dieses Rittersohnes. Weg war Wills große Klappe. Und weg waren seine provokanten Bemerkungen.

„Das ist... nicht sehr... nett“, stotterte Will und die junge Halbgerudo konnte ihm ansehen, dass er von gewissen Themen noch überhaupt keine Ahnung hatte. Kein Wunder, dieser Spund war ja auch erst fünfzehn. Er hatte sicherlich noch keine Freundin gehabt und dann stammte er aus einer sicherlich anständigen Familie, die alte Traditionen verfolgte wie jene, dass die erste gemeinsame Nacht nach der hylianischen Trauung für beide Liebenden erfolgte.
 

„Genau! Nicht nett, sondern übel schmerzhaft. Demütigend und blutig. Also: Willst du meinen größten Wunsch immer noch wissen?“ Er nickte beflissen, überlegte aber, ob er nicht lieber doch dieser Halbgerudo aus dem Weg gehen sollte.
 

Sie strahlte in das Himmelszelt und schloss die Augen.

„Ich wünschte, meine Augen wären nicht mehr ungleich.“ Sie lächelte. „Das wäre wundervoll.“

„Das ist ein schöner Wunsch“, sagte der Laundry. „Und hier in Hyrule werden die unglaublichsten Wünsche wahr, man darf bloß nicht aufgeben.“

Sie nickte. „Es wäre theoretisch sogar möglich, aber dazu bedarf es schon einem großen Kunststück an Magie. Und es gibt nicht viele, die die Fähigkeit besitzen etwas so reales wie meine Augen abzuändern. Außerdem kostet eine solche magische Behandlung tausende Rubine.“

„Und wie sollen deine Augen aussehen?“. sagte Will, einmal mehr so neugierig wie davor.

Sie zuckte mit den Schultern. „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Eigentlich ist es mir gleich. Hauptsache nicht mehr ungleich. Denn dann würde ich nicht mehr aussehen wie eine Halbgerudo...“

„Wie wäre es mit grün?“

„Warum grün? Damit meine Augen so unverschämt neugierig aussehen wie deine?“

„Nein, weil grün einfach eine tolle Farbe ist.“ Sie rollte mit den Augen.

„Dann eben blau.“ Sie verzog das Gesicht, was ihm als Antwort genügte. „Das ist zu engelsgleich. Viel zu heilig, so bin ich nicht.“

„Wie wäre es mit feuerrot. Das bildet einen wunderbaren Kontrast zu blau.“

„Aber das ist unnatürlich.“

„Du bist viel zu anspruchsvoll.“

„Und du bist verdammt noch mal unheimlich genügsam und einfältig.“

„Hach, da lass’ dich eben überraschen...“

„Genau das hatte ich vor.“

„Das sind wir uns wenigstens einmal einig“, murrte Will und schaute hinauf auf die Mauer, wo ein nachdenklicher Link mit den Beinen baumelte.
 

Midnehret strich sich wieder die Falten auf dem Kleid glatt und meinte zaghaft: „Und was ist dein größter Wunsch?“

Will grinste wie eine Speckschwarte. „Ursprünglich wollte ich einfach so stark werden wie mein Vater. Aber jetzt, da ich die Legende der Helden Hyrules kenne, dann würde ich gerne so stark sein wie der Held der Zeit.“

„Das möchten viele Jungspunde. Weißt du, ich hatte einst ein Gespräch mit einer Gerudo, die den Helden der Zeit kennt.“

„Tatsächlich?“

„Ja, ihr Name ist Naboru. Sie ist die Anführerin der Gerudos und sie ist eine der Reinblüter im alten Gerudovolk. Sie hat manchmal vom ihm erzählt und gemeint, er wäre so ein süßer Kerl, dem man seine Heldentaten gar nicht ansehen kann.“

„Du meinst, er sieht unschuldig aus?“ Sie nickte. Will zupfte sich an den wenigen Barthärchen, die von seiner Mannesnatur zum Vorschein kamen und schwenkte mit dem Arm hinauf auf die Mauer, direkt dorthin, wo Link schwermütig in den Himmel starrte.

„Möglicherweise sieht er genauso aus wie der Junge dort oben.“ Midnehret blickte verwundert nach oben, entdeckte einen ahnsehnlichen Burschen dort sitzen und murmelte: „Ja, vielleicht sieht er so aus...“

„Ja, vielleicht“, endete Will.
 

Die junge Halbgerudo bedankte sich dann höflicherweise für das aufmunternde Gespräch und erklärte, dass sie noch einige Dinge erledigen müsste, die Will ihr nicht entlocken konnte. Nicht mit seiner aufdringlichen Neugierde. Auch nicht mit seinem Charme. Sie lächelte und machte sich auf den Weg in den Hinterhof. Plötzlich aber stoppte sie in ihren Schritten noch einmal und murmelte leiser: „Ähm... ich habe noch eine Frage. Kennst du den Jugendlichen, der abends auf dem Dach immer Okarina spielt?“ Will drehte sich verwundert um.

„Ja, zufälligerweise kenne ich ihn. Er ist mein Kumpel.“ Midnehret öffnete ihre schmalen, roten Lippen sachte und ihr sonst so kühler und abstoßender Ausdruck auf dem vollmondrunden Gesicht änderte sich ein wenig.

„Kannst du ihm danken? Sein Spiel ist so beruhigend und schön“, meinte sie leise und zupfte nervös an ihren schulterlangen Haaren.

„Das kannst du auch selbst. Dort oben auf der Mauer sitzt er... neben den vielen Fernrohren.“ Midnehret nickte und schaute selbst interessiert zu dem Helden der Zeit, der mit den Beinen baumelte.
 

Link beobachtete den Ritter Lassario währenddessen von weitem und wurde das Gefühl nicht los, dass er ihm etwas verschwiegen hatte... Denn so gut wie gar nicht, hatte er die Frau von Arn Fearlesst erwähnt. Es kam dem Heroen beinahe so vor, als hätte Lassario bewusst das Thema um Lady Fearlesst umgangen...
 

Und noch etwas sah er von hier oben sehr deutlich. Eine breite Person, die sich Olindara nannte. Schon seit vorhin wollte er schauen, ob Ariana sich hier irgendwo aufhielt und meistens war sie mit Olindara unterwegs.

Endlich entdeckte er die dicke Olindara, hüpfte auf die schwächlichen Glieder und kletterte vorsichtig die Leiter hinab. Er erreichte Olindara Heagen zwischen den Menschenmassen nur schwierig und als es ihm gelang, tippte er kurz auf ihre Schulter, damit sie ihn überhaupt registrierte.

„Ähm... Entschuldigung, ich wollte fragen, ob Ariana schon wieder zurück ist...“ Weitere Mädchen standen um Olindara herum und beäugten den ungeschickten Link mit süßen Augen.

„Ariana geht es nicht gut. Die ist erst heute früh wiedergekommen und hat sich dann gleich hingelegt.“ Link schaute skeptisch drein, so als ob er Olindaras Worte nicht für voll nehmen konnte.

„Was, wieso das denn?“

„Keine Ahnung“, sagte Olindara kurz angebunden und wollte schon weiterlaufen.

„Kann... ich meine... kann ich sie besuchen?“, äußerte Link aufgeregt und ignorierte die flirtenden Blicke der anderen Mädchen, für die er sich nicht die Bohne interessierte.

„Sie hat gemeint, sie will niemanden sehen.“ Link wurde wieder schweigsam und starrte gen Boden. „Deshalb soll ich jeden abfangen, der mit ihr reden will, weil sie schlafen möchte.“

„Das ist schade“, murmelte der junge Heroe.

„Eben“, neckte die junge Heagentochter und lief unbeirrt weiter ihres Weges.
 

Link stand einfach nur da und blickte hinauf zu den schönen Fenstern der Mädchenschule. Ariana ging es nicht gut? Irgendwie beunruhigte ihn das... und es belastete sein momentanes, trübsinniges Gemüt noch mehr...
 

„Hey, Link.“, rief es in dem Moment von hinten. Und Will kam mit einer seltsamen Person angelaufen. „Darf ich vorstellen, das ist Midnehret... sie wollte sich bei dir bedanken für dein Spiel mit der Okarina...“ Er schaute verwundert auf und erblickte sofort überrascht die beiden ungleichen Augen. Das eine golden wie bei einer Gerudo. Das andere kühl und dunkel wie die Nacht. Und die feuerroten Haare sprachen für Link in ihrer eigenen Sprache und taten ihr übriges, und Link wusste sofort, dank seiner Beobachtungsgabe, dass hier jene Halbgerudo vor ihm stand, über die Naboru geredet hatte. Jenes Mädchen, über das der Gerudorat abgestimmt hatte.
 

„Das Okarinaspiel?“, sagte Link beflissen.

„Ja, am Abend... es beruhigt die Seele.“

„Du kennst das Instrument?“ Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, ein Mädchen aus der Schule hat mir gesagt, es wäre eine besondere Okarina.“ Link verengte die Augen misstrauischer. „Ein Mädchen? Welches Mädchen?“

„Ihr Name war, glaube ich, Ariana... ihren Nachnamen weiß ich nicht mehr.“ Link nickte.

„Wirst du wieder spielen?“ Link schaute verwundert auf. Ihre offenbarende Frage machte ihn nervös. Es gab Leute, die an seinem Spiel Gefallen gefunden hatten? Bisher hatte er nicht gewusst, dass das Spiel auf der Okarina der Zeit überhaupt jemanden gefallen könnte. Außer Zelda... Link wusste, dass sie das Spiel auf der Okarina liebte. Sie liebte die Töne und die vielen Erinnerungen, die mit dem Instrument in Verbindung standen.
 

„Was ist, wirst du wieder spielen?“ Link nickte wieder und sah bewusst an der Halbgerudo vorbei. Aber gerade da entdeckte er den merkwürdigen Handspiegel in ihrer linken Hand. Ihm fiel der Gegenstand nicht auf, weil er sehr hübsch aussah, sondern, weil er aus dem gleichen Metall gefertigt wurde, wie der Ring Hopfdingens und seine Kompassnadel.

„Wo hast du diesen Spiegel her?“, sagte Link und starrte weiterhin auf den Spiegel.

„Den habe ich dort drüben gekauft“, sagte sie ehrlich und schwenkte den Arm zu dem Stand der alten Verkäuferin. „Gib’ den lieber wieder zurück.“ Sie verzog das Gesicht daraufhin missbilligend, dabei meinte Link es nur gut. Er hatte seine Befürchtungen, dass der Besitz eines solchen, merkwürdigen Metalls sehr gefährlich sein konnte.

„Das habe ich von meinem Geld gekauft. Den Teufel wird’ ich diesen Spiegel zurückgeben.“, brummte sie. Sie wollte gerade weglaufen, aber Will stellte sich aufbrausend vor sie und stoppte sie. „Nun hör’ dir wenigstens an, was Link zusagen hat.“

Sie warf einem gelangweilten Blick zu dem jungen Heroen, und verengte die Augen. „Bitte, was?“

„Der letzte, der einen Gegenstand aus diesem Material besessen hat, wurde umgebracht. Ich meine bloß, dass du vorsichtig sein solltest. Wenn du ihn nicht zurückgeben willst, dann versteck’ ihn gut.“

Sie führte eine Hand an ihr schmales Kinn und zwinkerte. „Der Mord an dem Hausmeister?“

Link und Will nickten beide wie die Blöden.

„Ah, ich weiß... Sir Viktor erzählte mal von diesem Ring des Hausmeisters, und er hat schon gemeint, dass der alte Kerl deswegen auf sich Acht geben sollte.“ Sie betrachtete sich den Spiegel und wickelte ihn dann in ein altes Taschentuch ein.

„Was wirst du jetzt damit machen?“

„Ich werde ihn in meiner Kammer aufbewahren“, sagte sie schnippisch. „Es wird schon niemanden interessieren, dass ich dieses Ding besitze.“ Will schüttelte mit dem Kopf. „Du solltest lieber nicht so hochmütig sein.“

„Und du solltest nicht ständig aus einem Kobold einen ausgewachsenen Drachen machen, du... du...“ Sie suchte schon wieder nach Schimpfwörtern, schnaubte aber bloß, als Will kicherte. „Idiot!“, fauchte sie schließlich.

„Wie du meinst.“
 

Link stand nur daneben und konnte nicht glauben, dass man sich so anzicken konnte. Zugegeben, wenn er sich an Ruto erinnerte, dann war das irgendwie einleuchtend. Dennoch hatte er der Zoraprinzessin damals nicht unbedingt immer Kontra geben wollen so wie Will das praktizierte. Das brachte doch nur Ärger. Und mit Mädchen wollte Link sich sowieso nicht unbedingt anlegen. Unweigerlich dachte er wieder an Zelda, seine Seelenverwandte, und war mit den Gedanken so weit weg, um zu bemerken, dass er angesprochen wurde.

Link seufzte und schaute unbewusst hinauf an die vielen Rundbogenfenster der Mädchenschule.
 

„Link, verdammt, wir reden mit dir? Kannst du nicht mal an was anderes als deine Zelda denken?“ Ertappt, dachte Link. Woher wusste Will, dass er an Zelda dachte?

„Äh... also...“

„Sag’ bloß, ich hab’ den Pfeil ins Schwarze getroffen?“, lachte der junge Laundry und konnte es selbst nicht glauben. Er hielt sich den Wanst fest während er lachte und Link schaute mit tomatenroten Ohren zu Boden.

„Wie auch immer...“, babbelte Link und versuchte das Thema zu wechseln. „Ich werde heute Abend Ariana besuchen, nicht Zelda...“

„Jaja, schon klar“, feixte Laundry und klopfte ihm auf die Schulter.

„Nun gut, ich bin dann weg. Es ist schön, dass du wieder Okarina spielen wirst. Danke“, meinte Midnehret trockener an Link gerichtet, lief zurück in die Menschenmenge und zwinkerte dem jungen Laundry noch frech entgegen, worauf er nur den Kopf schüttelte. Dafür, dass sie eine Halbgerudo war und nur eine kleine Dirne, verhielt sie sich einfach nur unverschämt, besonders ihm gegenüber...
 

„Will?“, sagte Link mit einer Miene, die ernster nicht sein könnte. „Warum hast du sie nicht daran gehindert diesen Spiegel zu kaufen?“ Der Heroe klang beinahe vorwurfsvoll.

Der junge Laundry schüttelte mit den Schultern, als sich Link zu ihm umdrehte und ihn auf eine Weise anblickte, die Will ein wenig erschreckte. Noch nie hatte Link jemanden so kühl angeschaut wie in jenem Moment.

„Ehrlich gesagt habe ich ihr sogar geholfen, den Spiegel zu bekommen...“ Link schüttelte warnend den Kopf. „Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?“ Aufgeregt breitete der einstige Held der Zeit seine Arme auseinander und redete eindringlicher: „Ist dir nicht klar, dass du sie damit ihn Gefahr bringst? Dieses Material kann für sie tödlich sein. Wir haben doch schon mit Ariana darüber diskutiert. Hast du das vergessen oder ist dir egal, was mit anderen Leuten passiert?“ Will wich ein wenig verwundert zurück und blinzelte.

„Aber ich hab’ doch bloß was Gutes tun wollen.“ Link rollte die Augen. „Jaja... Aber die Konsequenzen hast du nicht bedacht.“ Brütend lief der Heroe hin und her.

„Ich muss mich irgendwie umhören. Was hat Midnehret gesagt? Sir Viktor hätte Informationen zu dem Metall?“ Doch Will gab darauf keine Antwort, und Link erwartete auch keine.

„Vielleicht weiß auch Sir Newhead was zu diesem Metall.“ Daraufhin zuckte Will mit den Schultern. „Was kümmert dich das überhaupt? Bloß, weil Ariana meinte, du solltest dich deswegen umhören?“

„Nein, weil ich nicht zusehen kann, wie Hylianer einfach danebenstehen, wenn andere in ihr Verderben stürzen“, murrte Link provokant, schüttelte den Kopf zur Bekräftigung. Will wusste, dass er selbst indirekt gemeint war. Erneut schwieg er.

„Wir müssen uns etwas einfallen lassen, damit Midnehret diesen Spiegel loswird. Und das rechtzeitig“, sagte Link kühl.

Will nickte, aber kam nicht umher sich in seiner Haut jetzt unwohl zu fühlen. Verdammt, er war eben nicht so weitsichtig und dachte gleich an irgendwelche Alptraumszenarien. Außerdem konnte er sich nicht vorstellen, dass irgendein Hylianer morden würde nur um an dieses Material zu kommen. Was war schon dabei? Das war ja nicht mal Gold und sah ziemlich wertlos aus...
 

„Ich werde versuchen mich in Viktors Büro umzusehen“, sagte Link. „Und du wirst versuchen die Halbgerudo zu überzeugen, dass sie den Spiegel wieder hergibt. Es sei denn du hast Lust, eine Tote auf dem Gewissen zu haben.“

William schnaubte und wollte sich nichts aufzwängen lassen. „Nun mach’ aber mal halblang, Link. Nur wegen diesem blöden Spiegel wird sie nicht gleich umgebracht werden. Und außerdem ist nicht gesagt, dass Hopfdingen wegen seinem Ring den Tod fand.“

„Aber es ist eine Möglichkeit. Würdest du nicht ein Leben retten wollen, wenn eine so kleine Möglichkeit besteht?“ Als Will nur herumdruckste und keine passende Antwort fand, nahm Link dies als eine Zusage.

„Gut, ich werde morgen mal schauen, ob ich in Viktors Büro was finde.“

„Na gut, dann schaue ich ob...“ Aber in dem Augenblick ertönte ein dröhnender Lautsprecher und die Stimme von Professor Twerkfuß, dem Zwerg mit dem weißen spitzen Bart, erschallte. Sie ertönte über dem breiten Burginnenhof bis hinaus in die naheliegenden Wälder.

„Alle Neuankömmlinge... alle, die das erste Jahr an der Schule beginnen, bitte im Innenhof versammeln. Es folgt die Vorstellung der neuen Ritteranwärter.“
 

„Was zum Teufel...“, murmelte Link. „Habe ich richtig gehört? Die wollen alle neuen Jugendlichen an der Schule vorstellen?“ Link fiel aus allen Wolken. Er hatte nun wahrlich keine Lust von allen möglichen Hylianer begafft zu werden. Was sollte ein Zurschaustellung der Jugendlichen?

„Ja, das stimmt. Vater sagte, dass wäre so etwas wie Tradition an der Schule. Und es werden den ,Neuen’ einige Fragen gestellt. Außerdem wird ein Magietest gemacht und dann kommt noch ne Mutprobe, die etwas mit dem anschließenden Umzug zu tun hat.“

„Mutprobe“, wiederholte der junge Heroe abtuend.

„Na klar, ein Ritter sollte schließlich mutig sein.“

„Hättest du mir davon nicht eher etwas sagen können?“ Vorwurfsvoll sah Link drein und wirkte plötzlich irgendwie eingeschüchtert und kleinlich auf Will.

„Was machst du dir deswegen überhaupt Sorgen? Gerade du müsstest damit doch kein Problem haben...“ Der junge Laundry stoppte sich und biss sich auf die Lippe, bevor er etwas falsches sagte. Erneut eine Verdächtigung.

„Ich habe aber ein Problem damit. Ich will nicht, dass irgendjemand herausfindet, wer ich...“ Geschockt sah Link auf, hätte er sich doch beinahe vor Will verplappert. Ausgerechnet vor Will. Er fasste sich an seine Stirn und lief schweigend in die Mitte des Platzes, wo sich die Ritterjungen versammelten.
 

Wenige Minuten später standen acht Jugendliche wartend und aufgeregt auf einer kleinen Holztribüne und wurden von den neugierigen Zuschauern angestarrt. Zum einen Will und Link, die beide im dritten Jahr anfangen würden. Fünf Schüler, die im ersten Jahr beginnen würden. Und ein weiterer, der die im zweiten Jahr eingeschult wurde.

„Die Schule hat doch schon längst angefangen, warum werden wir ausgerechnet jetzt erst vorgeführt?“, brummte Link nahe Will.

„Vermutlich, weil der Mord an Hopfdingen dazwischen gekommen ist.“

„Na und? Ich versteh’ einfach nicht, was das Ganze soll...“ Link rollte mit seinen tiefblauen Augen und wünschte sich, er könnte sich hinter der Bühne verkriechen. Er hasste die Peinlichkeiten, die entstehen könnten, weil er keinen Nachnamen hatte und er hasste das verdammte Getuschel über ihn. Erst letzte Woche nach dem Unterricht war ihm aufgefallen, dass besonders diese Gang um Ian über ihn gesprochen hatte und er als er an ihnen vorüberlief, war plötzlich Funkstille.

Und auch jetzt bemerkte er, wie einige der Anwesenden ihn irgendwie scheel musterten.
 

Professor Twerkfuß, der Spezialist in den Fächern Sprachen Hyrules, Völker- und Dämonenkunde, schlich auf seinen alten Schnabelhalbstiefeln näher und hatte seinen magischen Lautsprecher unter dem rechten dünnen Arm geklemmt. Zufrieden stieg er auf das Podest und trat direkt neben Link, der am Rande der Bühne stand.

„Werte Schüler.“ Nervtötend sprach er in seinen magischen, bunten Lautsprecher und drehte das eigentümliche Gerät direkt an Links empfindliche Ohrmuschel.

„Wir werden damit beginnen, jeden von euch einzeln aufzurufen. Tretet bitte vor!“ Link kreischte auf das entsetzliche Dröhnen, hielt sich seine Ohren zu und stolperte erst mal über seine eigenen Füße.

Alle Zuschauer lachten, grölten amüsiert über den Jugendlichen, den das Gequake Twerkfuß’ direkt aus den Stiefeln gehoben hatte.

Der junge Heroe saß nur da, wanderte von einer Fratze zur nächsten und fühlte sich erneut entehrt und gedemütigt. Er ballte seine Hände zu Fäusten und senkte den eisigen Blick zu Boden. Sein Fragment pochte unter dem linken Handschuh wie ein zweites Herz in seinem Körper. Wenn nicht endlich jemand dieses Gelächter abstellte, würde er einen von den Flüchen, die er kannte, auf die Menge loslassen. Er konnte sich kaum noch beherrschen, fühlte sich plötzlich unter fremder Steuerung. Das Tiefblau seiner Augen wurde kälter und kälter, emporhoben sich erneut die vielen Zweifel und ein Hauch Hass, geboren aus mangelndem Respekt ihm gegenüber. Alle, alle, die über ihn herzogen wären heute nicht mehr am Leben, hätte er nicht den Fürsten des Schreckens in die Knie gezwungen.
 

Gerade rechtzeitig schwang sich Nicholas gekonnt auf die Bühne, nahm Twerkfuß leichtfertig den Lautsprecher ab und rief: „Da sich unsere lieben Mitbürger mal wieder nicht beherrschen können, und sich über bewundernswerte Jugendliche amüsieren müssen, möchte ich nun das Wort erheben.“ Er reichte Link eine helfende Hand, die er diesmal nicht wegschlug. Beinah dankbar ließ sich der junge Heroe an der rechten Hand auf die Füße zerren. Nicholas war gerade rechtzeitig erschienen, bevor sich Links Fragment selbstständig gemacht hätte...
 

„Ihr solltet lieber Acht geben, wen ihr da belächelt“, murrte Nicholas in den Lautsprecher. Dafür trat Link dem unerkannten Schwindler erst mal auf den großen Zeh. Er knirschte mit den Zähnen und gab Link eine Kopfnuss, die sich gewaschen hatte.

„Du sollst nicht solche Andeutungen machen...“ flüsterte Link.

„Und du solltest nicht immer Aufsehen erregen...“, nuschelte Schwindler und setze ein geschauspielertes Grinsen auf, um die Menge zu erfreuen. Link verzog das Gesicht und wollte gerade einen weiteren bissigen Kommentar an Schwindler richten, als jener in das Sprachrohr grölte: „Wir alle freuen uns, die neuen Jungen an unsere Schule willkommen zu heißen. Viele harte Prüfungen werden auf sie warten. Prüfungen, die Kraft, aber in aller erster Linie die eine Eigenschaft fordern, die uns von Göttin Farore so nahe gelegt wurde. Lasst uns in den starken, rechtschaffenen Herzen der Neuen, allen Mut stärken, welchen die Helden aus Hyrule immer in ihren Herzen und auf ihren Handrücken trugen.“ Unauffällig versteckte Link seine beiden Hände hinter dem Rücken. Eine unangenehme Befürchtung schlich sich in seine Gedanken. Wollten diese Lehrer und Ritter etwa die Handrücken jedes Jugendlichen mustern? Nein, beruhigte ihn eine Stimme in seinem Kopf. Das konnte doch nicht sein, oder? Wozu? Die meisten Ritter wussten ja, dass das Fragment des Mutes auf seinem Handrücken existierte. Wozu würden sie einen solchen Test durchführen... Er schüttelte unabsichtlich seinen Schädel. Quatsch, das würden die nicht wagen, ihn bloßzustellen, oder?

„Mein lieber Professor Twerkfuß“, feixend wand sich Nicholas an den grimmig dreinblickenden Lehrer, dem seine eigene Rede aus dem Mund genommen wurde. „Würdet Ihr mir freundlicherweise die Liste mit den Namen der Neuen reichen?“ Nicholas grinste wahrhaft unverschämt und grinste noch breiter als der graubärtige, kleine Professor seine Lippen verzog, sowie seine einäugige Brille abnahm.

„Vielen Dank“, lachte Schwindler und nahm das Schriftstück an sich. „Dann wird eine wunderbare Magierin euch jetzt begutachten, Jungs. Undora, die Bühne gehört Euch.“ Damit hüpfte Schwindler von dem Podest.
 

Ungeduldig standen die Jungspunde auf ihr Schicksal wartend auf der Bühne. Einige begannen unruhig zu werden, da besagte Magierin einfach nicht erschien. Andere zappelten bereits oder begannen sich zu unterhalten.

„Wo bleibt denn diese Magierin?“, nuschelte Link zu Will, der tiefsinnig die Gegend absuchte. „Artus und Robin haben mir erzählt, es wäre eine rundliche, alte Frau, die viel Wert auf einen überraschenden Auftritt legt. Sie begutachtet die neuen Ritterjungen schon seit Arn Fearlesst hier sein Studium begonnen hat.“

„Soso... überraschender Auftritt?“, murrte Link gelangweilt. „Kann die sich teleportieren? Das ist schwach, das kann ich auch... gelegentlich.“

„Wie bitte? Ich meine, wirklich?“

„Ja, geht aber meistens schief...“

„Inwieweit schief?“

„Das letzte Mal bin ich mitten in der Nacht in einem Wohnhaus gelandet. Und das Mal davor, hab’ ich ein Brenneselgebüsch als meine Landung ertragen müssen. Ich teleportiere mich nie wieder...“ Will grinste laundryhaft, mit einer heimlichen Spur der Gewissheit, Links Geheimnisse früher oder später allesamt herauszufinden, und suchte weiterhin die Gegend ab.
 

In dem Moment gab es einen lauten Schrei, gefolgt von einem sehr unsanften Poltern. Alle Anwesenden drehten ihre Schädel überrascht zum nördlichen Burgturm und rissen ihre Augen auf. Etwas kugelförmiges rollte mit nahezu fieberischer Geschwindigkeit an dem Turm hinab, landete auf dem Dache, nur um sich erneut nicht halten zu können. Eine alte, schiefe Frauenstimme gackerte und zankte von oben herab, bis sich von der graufarbenen Kugel ein Kleid aus schwarzen Federn abspaltete. Die schwarzen Federn tanzten im Wind und stoppten die nun endlich erkennbare runde Dame, bevor sie sich mit einem verheerenden Schlag auf festen Erdboden begeben hätte.

Das Kleid aus schwarzen Federn verflüchtigte sich, wandelte sich in einen winzigen Regen aus dunklen Tropfen, als die alte Dame in ihrem pelzigen Umhang endlich behütet an der Bühne ankam.

Alle Anwesenden seufzten vor Erleichterung. Wahrhaft, dachten einige. Auch diesmal hatte die alte Magierin Undora viel Wert auf einen unvergesslichen Auftritt gelegt.
 

Nicholas trat näher und musterte die Dame scheel. Er reichte ihr die Hand, verbeugte sich und gab ihr ein Küsschen auf den Handrücken. „Wie jedes Jahr, ein überraschender Auftritt, Undora“, begrüßte der Ritter die Dame.

Sie lächelte und zeigte ihm ihre gelben, schiefstehenden Zähne, die aus einem runden Gesicht mit vielen alten Warzen herausstachen. Ihr Haar war kurz und gelockt, von einer weißen Farbe, die nicht zu ihren rotgemalten Wangen passte. Sie war gewiss keine Schönheit, aber sie wusste um jedes Gesicht von Magie. Deshalb gebührte die Aufgabe, die Neuen zu begutachten schon immer ihr. Niemand sonst zeichnete sich durch ein so hohes Spektrum an Zauberkünsten aus so vielen Bereichen mit diesem Repertoire an Auszeichnungen aus wie Undora. Jeder, der ein magisches Problem hatte, kam zu ihr. Und jeder, der keines hatte, wollte lieber nichts von ihren ungebräuchlichen Methoden wissen...
 

„Sir Newhead, wie schön, Euch endlich persönlich zu treffen“, quiekte sie unnatürlich. Wie eine ungeölte Schiebetür klang ihre Stimme. Sie spielte immer ein wenig mit den hohen Tönen, während sie redete, was das ohrenbetäubenden Klangwerk noch bestärkte.

„Nicht doch, Undora, die Ehre liegt ganz bei mir.“ Sie gackerte und drückte beide ihrer großen, schlabberigen Hände auf den runden Bauch unter ihrer Pelzkutte.

„So, wo sind denn meine Opfer?“, triumphierte sie und fixierte die Jugendlichen einer nach dem anderen. Bei Links weniger beeindrucktem Gesicht blieb sie haften. Ihre Augenfarbe wechselte immer wieder, von rot zu grün zu gelb zu braun, und doch starrte sie den ahnungslosen Helden direkt in die tiefblauen Augen.

„Oh ja, ich glaube, die Begutachtung der Jungen wird sich diesmal gewiss lohnen“, eiferte sie und rieb sich die Hände, bis eine Stichflamme aus ihnen hervorquoll. „Oh... ich habe meine Magie heute wohl nicht so gut unter Kontrolle...“, lachte sie verlegen und wischte sich die Ruß beschmutzten Hände an ihrer Kutte ab.

Einige Anwesende schüttelten den Kopf und ergriffen vorsichtshalber die Flucht. Anscheinend wusste man hier um Undoras ausfällige Magie und ihr mangelndes Vermögen damit umzugehen.

„Was für eine komische, alte Schachtel“, murmelte William und kratzte sich an seinem groben Laundrykinn.
 

„Aber dass Ihr mir keine solchen Scherze mit den Jungs dort oben anstellt, Undora?“ Nicholas grinste wieder und überblickte die gräuliche Liste mit den Namen.

„Ich? Wie könnte ich?“, stierte sie ironisch und lachte wieder eindringlich. Tollpatschig und unbeholfen kletterte die alte Dame auf die Bühne und hetzte freudig an den Jugendlichen vorbei. Sie takelte von rechts nach links, bis Nicholas den ersten Namen auf der Liste vorlas.

Sie rieb sich die Hände und lief zu dem ersten Jungspund. Einem Dreizehnjährigen, der nervös mit den Beinen zuckte.

Undora wackelte mit ihrer spitzen, mäuseartigen Nase und packte zunächst die rechte Hand des Jungen. Sie tupfte mit dem Zeigefinger über seine Finger und blieb bei dem Handrücken stehen. Dann grabschte sie einen Bündel seines dunklen Haares und riss gnadenlos einige Strähnen heraus. Der Junge kreischte, aber Undora lachte wieder nur.

Sie schüttelte mit dem Kopf und meinte: „Bei den Hexen meines Zirkels, es tut mir leid, aber da steckt keine Magie und keine Macht in dir...“ Der Junge senkte sein Haupt und Nicholas las den nächsten Namen vor.

Bei jedem Jungspund hatte die gute alte Magierin eine andere Prozedur, die sie anwendete, um ‚ihr Opfer’ zu quälen. Einmal schnupperte sie. Einmal lief sie zwanzig mal um den Ritteranwärter herum und ein anderes Mal untersuchte sie die Füße, zwang den Jugendlichen sogar dazu seine Strümpfe auszuziehen.
 

Eine halbe Stunde verstrich und William Laundry war an der Reihe begutachtet zu werden.

„Ah ja... du hast Glück, kleiner Laundry...“, lachte sie. „Magie steckt in deinem Blut. Deine Großmutter war eine ganz Große von uns...“ Verwundert sah Will auf und dachte schon er käme drum herum irgendeine Gemeinheit wie die anderen Kerle zuvor, erleiden zu müssen. Er wollte gerade seufzen, als Undora ihn sehr grob in seine lange Nase kniff. Rote Abdrücke verblieben, bis sie erneut unheimlich ihre Augenfarbe wechselte.

Will verdrehte seine smaragdgrünen Augen und schielte zu Link hinüber, der verkrampft und seine Hände hinter dem Rücken versteckend zu Boden blickte.

Nicholas las dann Links Namen vor. Und wieder ging ein unabänderliches Getuschel durch die Menge, da er ohne Nachnamen war.
 

„Ha“, rief Undora. „Da brat mir doch einer nen Storch!“ Sie klatschte in die Hände und ein schwarzer Dampf stieg von ihrem Kopf. Sie boxte Link schmerzhaft in seinen Bauch, klatschte ihm mit gewichtigen Schlägen auf seine beiden Schultern. Er röchelte und sank erst mal nieder.

„Du bist der Talentierteste hier, das weißt du, nicht?“ Sie lächelte, beugte sich zu ihm und versprühte ihren weniger einschmeichelnden Mundgeruch. „Und das wahrlich in jeder Hinsicht.“ Sie machte sich nichts draus eine weitere Schwelle zu überschreiten und kniff Link in die rechte Wange. „Und was für ein süßer Fratz du bist.“ Sie stemmte ihre dicken Pfoten mit langen, krallenartigen Fingernägeln in ihre Hüfte und hängte den Kopf schief. Sie blickte mit ihren farbenwechselnden Augen in die Menge und antwortete auf das anhaltende Gewisper der vielen, neugierigen Hylianer.

„Nana... keiner hier braucht diesen Jungen belächeln, weil er keinen Nachnamen hat. Glaubt mir, er hat einen.“ Sie drehte ihren Schädel zu Link ohne ihren Körper zu drehen. Es knackte unangenehm, aber Undora schien wohl jegliches Gefühl für die Knochen in ihrem Körper verloren zu haben.

„Du hast einen Nachnamen, Fratz, einen tollen, ja großartigen, den du aber selbst herausfinden musst.“ Sie schnipste mit den Fingern. „Oh, da fällt mir noch etwas ein. Jemand, der dich gerne ,dummer Junge’ nennt, gab mir das.“ Sie zauberte eine kleine, verstaubte Pergamentrolle aus ihrem Ärmel und drückte sie Link in die Hand.

„Und noch eine Kleinigkeit. Heute Nacht um zehn Uhr findet die Mutprobe für die Jugendlichen statt. Pass’ auf deine linke Hand auf...“ Damit hüpfte sie von der Bühne und gesellte sich wieder zu Nicholas.
 

Verdutzt stand Link weiterhin auf der Bühne, während die anderen Jugendlichen schon hinabstürmten. Er hatte einen Nachnamen? Seine tiefblauen Augen schillerten mit einem wunderbaren Hoffnungsgefühl. Natürlich hatte er einen. Aber vielleicht musste es in seiner Umgebung erst jemand aussprechen, damit es für den trübsinnigen Helden fassbar wurde.

Ein Nachname... ein besonderer Nachname... und er würde ihn vielleicht herausfinden können. Link lächelte beinahe und suchte dann den Schauplatz nach Undora ab. Aber die seltsame Magierin war wie vom Erdboden verschluckt worden...

Auch Nicholas war nirgendwo auszumachen.
 

Zufrieden widmete sich Link daraufhin der Pergamentrolle. Er öffnete das rote Wachssiegel, ein Symbol mit zwei überkreuzten Schwertern, und fand einige Zeilen darin, geschrieben mit einer eigenwilligen Handschrift.

„An meinen dummen Jungen,

auf der Rückseite dieses Briefs steht eine Karte, die dich zu der Hütte von Undora führen wird. Ist die Zeit gekommen, wirst du wissen, dass du zu ihr gehen musst. Sie wird dir helfen können, deine Krankheit, deinen Fluch, egal, was es ist, das auf dir lastet, verstehen zu lernen. Aber überstürze nichts. Willst du sie zu der falschen Zeit finden, wirst du sie nicht finden. Hab’ Geduld, mein dummer Junge und übe dich darin durchzuhalten. F.L.“
 

Das erste Mal seit langem wollte ein kleiner Schimmer Stärke, ein kleiner, unsichtbarer Funken seines wahren Gesichts an die Oberfläche. Er dachte nach, suchte nach etwas Unbekanntem in seinen Erinnerungen, nach kleinen Bruchstücken, die ihm sagen würden, warum sich in dem letzten halben Jahr für ihn alles in Frage gestellt hatte. Warum hatte sich alles verändert?

Sicherlich, die Sehnsucht nach einem Platz, nach etwas Festem war schon immer tief in seinem einsamen Herzen verwurzelt gewesen. Doch wohin war seine Kraft all’ diese Zweifel zu bekämpfen hingelangt? Wo war der Held der Zeit geblieben? Es schien beinah so als hätte man jenen legendären Helden einfach von ihm abgespalten und er folgte Link wie ein Schatten, der sich niemals preisgab...

Es musste eine schwerwiegende Ursache geben, gewiss. Und doch hatte Link nicht einmal die Kraft gefunden, dieser Ursache auf den Grund zu gehen? Er hatte ignoriert, hatte vergessen und wollte nur noch lethargisch zusehen wie sein Leben an ihm vorbeizog...

Verdammt, dachte er. Er war doch früher nicht so teilnahmslos und so unsäglich resigniert. War dieses Desinteresse an den Geschehnissen in Hyrule, die Abweisung Zeldas, wo er doch ihre Nähe ersehnte, und sein übertriebener, blanker Selbsthass vielleicht ein Teil des Fluches, der ihn seit der Erinnerungslücke begleitete?

Er legte den Kopf in den Nacken und starrte in das sonnige Himmelsdach. Er musste sich verdammt noch mal zusammen reißen, er musste aufwachen, kämpfen. Sein Blick wurde ernster. Sein Mut rief ihn leise zu sich, und doch erstak jene Stimme im selben Augenblick an der Wahrheit, die fehlte...
 

„Link, du Träumer. Kommst du zu uns?“, rief Will und winkte von einem der vielen Holzbänke und Tische, die nahe des Getränkestandes aufgebaut waren. Belle lächelte, Lassario nickte und Lilly stürmte auf ihn zu.

Der junge Held nickte bloß und überwand die Angst ein wenig Anteilnahme und Verständnis zuzulassen.

„Linkelchen. Lass’ uns zusammen Karussell fahren, okay?“ Link stolperte unsicher näher, konnte aber nicht verhindern, dass sich die kleine Lilly an seinen Knien festhielt.

„Bitte, Linkelchen.“ Sie grabschte seine freie Hand und hielt sich so angestrengt fest, dass Link sich nicht lösen konnte. Lilly hatte wahrlich ihren Spaß und lachte. Sie führte den jungen Heroen zu Belle und ihrem Gatten, bat dann darum mit Linkelchen und William Kettenkarussell fahren zu dürfen, worauf ihre Eltern zustimmten.
 

Der entspannende Nachmittag ging schnell vorüber, viel zu schnell...

Schon lange hatte Link sich nicht mehr so wohl gefühlt wie heute, auch, wenn er wie immer ein nahes Lächeln unterband. Belle und Lassario gingen so natürlich mit ihm um, ohne auch nur den geringsten Hauch Misstrauen oder eine Spur dessen, was sie über sein wahres Gesicht wussten. Sie akzeptierten ihn einfach. Und Link hatte beinah das Gefühl gemocht zu werden, geachtet zu werden. Und was ihn besonders verzauberte, war Lillys fürsorgliches Verhalten ihm gegenüber...

Er hätte zu den Laundrys schon fast Danke gesagt, wenn dieses Wort nicht so unnötig und ohne Belang gewesen wäre. ,Danke für den schönen Nachmittag...’
 

Als der Abend kam, schielte Link immer beunruhigter zu den vielen Fenstern der Mädchenschule, machte sich irgendwie Sorgen, weil er Ariana Blacksmith, auch wenn sie eine ziemlich biestige Person sein konnte, diesen Nachmittag nicht gesehen hatte.

„So, was hast du jetzt vor, Will?“, meinte der junge Heroe.

„Nix Besonderes, aber du: Vergiss’ dein Rendezvous nicht!“

„Jaja, du Hohlrübe. Pass’ bloß auf, das du nicht demnächst in Rendezvous hineinstolperst!“

„Und du vergiss’ den Umzug nicht, den die Neuen machen müssen. Denk’ dran. Um zehn vor dem Burgtor.“ Damit nickte Link, hüpfte in sein Quartier und suchte nach Nähzeug und Dekubaumharz, einer leimigen Substanz, für Arianas Buch.

Kapitel 24

Hey, sry, dass das Kapitel so lange auf sich warten lassen hat, habe zur Zeit ein paar Probleme in der Familie.

Ich hoffe, ihr bleibt der Story treu, werde leider vor Oktober nicht dazukommen, das nächste Kapitel zu schreiben. Aber ich verspreche, dass ich die Story nicht abbrechen werde, dafür bedeutet "The Legend of Zelda" einfach zuviel für mich. Thanks und viele, liebe Grüße an alle, die die Story lesen.
 

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Ein kühler Abend senkte sich nieder über den weiten Provinzen im Königreich Hyrule und kündigte den Winter an, der alsbald das Land mit einem Kleid aus glitzerndem, puderzuckerweißen Glanz bedecken würde.
 

Gejagt und so aufgeregt wie noch nie stapfte der junge, naive Heroe eine Wendeltreppe in der Mädchenschule von Madame Morganiell hinauf. Und außerhalb feierten und sangen die Schüler noch laut und dröhnend. Noch war das Fest in vollem Gange...

Links Hände schwitzten angesichts eines bösartigen Keims der Nervosität, der irgendwo in seinem Magen sitzen musste. Sein Herz raste vor Anspannung und seine Knie fühlten sich an wie Butter, die in den nächsten Sekunden in einer Bratpfanne zerschmolz...

Und alles nur, weil er Ariana Blacksmith einen Besuch abstatten wollte. Nur, weil er ein Mädchen besuchte, das ihn eingeladen hatte. Was musste er auch so bescheuert sein, ihr seine Hilfe für ihr kaputtes Buch anzubieten? Es war ja schließlich nicht seine Schuld, dass Ian, dieser Schweinehund, das Buch zerrupft hatte. Umso ärgerlicher, dass Link diese merkwürdige Unruhe in sich fühlte. Diese verdammte Scham und Zappeligkeit. Alles nur wegen dieser Ariana. Vor wenigen Tagen noch hatte sie aus ihm eine Witzfigur gemacht, hatte ihn beim Duschen bespannt, und nun konnte der kleine, dumme Held nicht anders als dieser böswilligen Pute einen Besuch abzustatten, seine Zeit für sie opfern und sich damit in ein Chaos zustürzen, vor dem er schon einmal in Zoras Reich nur glimpflich entkommen war. Der Gefahr einem Mädchen, denn sie waren ja teuflisch in Links Augen, zu nahe zu kommen.
 

Als er den goldenfarbenen geschmückten Gang erreichte, in dem sich das Zimmer siebenundsiebzig befand, atmete er einmal tief ein, fasste sich ein Herz und versuchte diese seltsame Aufruhr in seinem Kopf und das hämmernde Herz unter Kontrolle zu bringen, aber es brachte nichts. Sein Herz trommelte so laut, dass er glaubte, es pochte ihm aus dem Körper. Und alles nur wegen dieser bösartigen Ariana...

Während er sich vorwärts bewegte, brachte er es doch tatsächlich noch fertig aufgrund seiner überdrehten Anspannung über seine eigenen Füßen zu stolpern und krachte an eine antike Kommode, die in jenem Flur stand und zerrte eine tickende Uhr, eine teure Vase und das kleine, gestickte Tischdeckchen zu Boden.

„Argh... verdammt. Wie peinlich!“, schnaubte er und ärgerte sich immer mehr über seine fabulöse Ungeschicklichkeit. Das war doch nicht mehr normal, dachte er. Sonst war er immer nur in Zeldas Gegenwart so unkonzentriert. Warum also machte es ihn so tölpisch diese Schmiedstochter zu besuchen. Nur, weil sie seiner Prinzessin irgendwie vom Charakter ähnelte? Oder steckte da etwas anderes dahinter?
 

Wie bekloppt hob er die Gegenstände vom gewienerten Boden auf, kam nicht im Traum auf die Idee, wie viel Glück ihm von den Göttern beschieden war, dass keiner der Gegenstände Schaden nahm und trampelte dann in Richtung des Zimmers siebenundsiebzig. Er hob gerade eine Hand und wollte anklopfen, als ihm Olindaras Worte wieder in den Sinn kamen, gesprochen mit ihrer hohen, scheuen Stimme. ,Ariana geht es nicht gut. Die ist erst heute früh wiedergekommen und hat sich dann gleich hingelegt.’ Na ja, dachte Link. Nur weil es ihr nicht gut ging, bedeutete das doch nicht, dass er ihr keinen Besuch abstatten konnte. Und unbewusst argumentierte er gegen jedes Wort, das Olindara Heagen gesprochen hatte.

,Sie hat gemeint, sie will niemanden sehen.’ Na und?, schallte es in Links Kopf. Das musste ja nicht unbedingt auch für ihn gelten, oder?’

,Deshalb soll ich jeden abfangen, der mit ihr reden will, weil sie schlafen möchte.’ Und auch das war kein Problem für Link. So erfahren wie er im Spionieren und Verstecken war, hatte er keine Probleme gehabt, ungesehen von den Augen Olindaras in die Mädchenschule zu schlüpfen. Aber zu diesem Zeitpunkt hatte jene unheilvolle Nervosität den Göttinnen sei Dank noch nicht eingesetzt.
 

Sich Mut fassend klopfte er endlich. Aber niemand antwortete oder ließ ihn eintreten...

Er klopfte noch einmal. Keine Reaktion. Und er klopfte lauter. Wieder keine Antwort. Er verdrehte die Augen. ,Logisch’, sagte eine Stimme in seinem Kopf. ,Wenn Ariana schlief, konnte sie ihn doch gar nicht hören.’

Er nahm wieder einen tiefen Atemzug, legte eine zittrige Hand auf die glatte, goldene Türklinke und drückte jene nach unten. Die Tür war offen und so trat Link leise und vorsichtig in ein dämmriges Gemach ein, wo auf dem Nachttischschränkchen eine weiße Kerze stand, die ihren Schein besinnlich umher warf.
 

Mit einem überhörbaren Geräusch schloss der junge Heroe die Tür und tapste mit einem klappernden Geraschel seiner Stiefel in Richtung des warmen Lichtes. Der einzige wärmende Punkt in diesem Raum, wo sonst nur eine ruhige, kühle Nacht zum wonnevollen Schlaf verführte. Seine trübsinnigen Augen schillerten, als er ein wenig beunruhigt, die schlummernde Fünfzehnjährige in ihrem weichen Himmelbett ausmachte. Ein seidenes, langes Nachtgewand umhüllte das schlafende Mädchen, welches nur bis zu den Knien von einer dicken Decke gewärmt wurde. Arianas Hände waren über ihrer Brust in einer traditionellen Gebetshaltung gefaltet und ihr schmales, blasses Gesicht lag abgestützt auf mehreren Kissen. Irgendetwas war da, während er ihren Schlaf beobachtete. Irgendetwas berührte ihn innerlich bei einem Blick in ihr sanftes, reines Gesicht...
 

Wunderschön... Wie verzaubert beugte er sich näher und setzte sich sachte auf die Bettkante. Ein altes Märchen aus Termina schlich verwöhnend durch sein Gemüt. Ein Märchen, das ihm ein Bekannter erzählt hatte. Das Märchen der schlafenden Soujonka, einer Hochgeborenen des Volkes, das man einst hinter alle gewöhnlichen Spiegel (ich meine hier also nicht das Schattenvolk, aus dem Midna stammt, diese Idee hatte ich schon vorher, bevor TP herauskam...) gesperrt hatte. Man erzählte sich die junge Soujonka schlief schon so lange wie Hyrule existierte und würde erst dann erwachen, wenn die Götter den letzten Tag für das Weltenreich erwählten. Sie würde erwachen und sich gegen den letzten Tag des Lebens stellen. Und manche glaubten, sie würde eine neue Zeit und Welt erschaffen, wo es keine Götter gab, die über Hylianer wachen konnten. Aber bis jener Tag kam, so hieß es, schlief Soujonka und würde in ihrem schönen Schlaf nicht altern. Sie war liebreizend, sagten die Geschichtenerzählenden und jene, die Soujonka in ihren Träumen gesehen haben wollen. Eine Schönheit mit rabenschwarzen Haar und Augen, die man nicht vergessen würde, wenn die junge Lady aus dem Spiegelvolk sie erst aufschlug...
 

Ja, dachte Link. Ein solcher Vergleich würde Ariana zukommen in ihrer wehrlosen Unschuld, in ihrem tiefen, würdevollen Schlaf. Und es würde ihrem schönen Antlitz keinen Harm tun, ihre Schönheit nicht schmälern.
 

Minutenlang blickte er die schlafende Schöne an, eher er aus seiner Verzauberung erwachte. Und erst jetzt bemerkte er die unangenehme Frostigkeit in dem kleinen Gemach, spürte die Kälte aus den alten Mauern dringen und blickte sogleich zu der weitzurückgeschobenen Decke, mit der Ariana nur spärlich bedeckt war.

,Ihr war bestimmt kalt’, dachte Link, fühlte sich noch nervöser als vorhin und konnte nicht anders als die Decke langsam und sanft über Arianas ruhenden Körper zu ziehen. Die Decke berührte kurz ihr Kinn, worauf Ariana seufzte und sich in die andere Richtung drehte. Schreckhaft hüpfte Link von der Bettkante, wich trottelig zurück und spürte wie sein Herz das Blut in großen Portionen in seinen Kopf pumpte.

Er wand sich ab, atmete ein weiteres Mal so tief ein, wie er konnte und hoffte, es würde diese gehässige, unverschämte Zappeligkeit zunichte machen. Aber es half nichts. Link fühlte sich immer noch wie unter fremder Steuerung, fühlte sich übergeschnappt bei gleichzeitiger unbestimmter Form von Freude.
 

Um sich abzureagieren, tapste er hinüber zu dem kleinen Kamin und versuchte mit einem Kohleanzünder wieder ein munteres Feuer in diesen kühlen Raum zu bringen.

Wenige Minuten später flackerte in dem Kamin ein kleines Feuer. Angenehme Wärmebrisen trug die Luft in den geräumigen Saal mit den drei Säulen. Gedankenvoll beobachtete Link das lebhafte Schlagen des Feuers, gähnte und ließ sich im Schneidersitz vor der Wärmequelle nieder. Er mochte das natürliche Feuer, mochte sein helles Licht und genoss seine Wärme. Sündenloses, einfaches Feuer. Etwas, was er in der weiten Wildnis immer genossen hatte. Ein flackerndes Lagerfeuer, eine Tasse heiße Suppe und im Hintergrund die tückischen Stimmen der Dunkelheit. Und während er so trübsinnig sich an alte Zeiten erinnerte, stützte er den müden Kopf auf einer Hand ab. Ja, auch in Termina hatte er stets so seine Nächte verbracht, hatte selten in einem Gasthaus ein Bett gemietet, weil er viel zu rastlos war. Ein Wanderer und Abenteurer, dem es wiederstrebte, zu lange in der Gesellschaft anderer Hylianer zu verweilen. Eine Nacht unter klarem Sternenhimmel. Dort, in der weiten Freiheit. Das war es, was seinem Herz damals gut getan hatte, wenn eine seiner Schicksalsproben ihn auffressen wollte. Grenzenlosigkeit und das Leben und Genießen des Moments hatten ihn einst stark gemacht für das Schicksal der Welt auf seinen jungen Schultern.
 

Doch nun?
 

Eine Nacht in der Wildnis konnte ihm nicht mehr das geben, was er einst so mochte. Abenteuer und Grenzenlosigkeit zählten einfach nicht mehr, bedeuteten ihm nichts mehr, schenkten ihm keinerlei Zuversicht mehr an das hoffnungsvolle Morgen zu glauben. Nun war die Welt leer und einsam für ihn geworden. Seit einem halb Jahr war für ihn der einst so klare Nachthimmel in seinen Nächten bei Lagerfeuer dunkel und ohne Sternenlicht, einsam und grausam...
 

Er wischte sich über die Stirn, wollte nicht länger darüber nachdenken, wollte nicht wissen, welche Stärke einst in ihm ruhte. Denn jene Macht des Helden der Zeit war erloschen und nicht einmal das Masterschwert sah ihn mehr als seinen Träger an. Er war schlichtweg nicht mehr... derselbe... und würde es vielleicht niemals mehr sein...
 

Er zog die Knie zu sich heran und legte wie ein kleines Kind den schweren Kopf darauf, erinnerte sich schmerzerfüllt an Gestern und suchte nach Gründen dafür, weshalb er sich so verändert hatte. Aber sein Bewusstsein gab ihm keine Antwort darauf. Etwas schützte ihn vor der Erinnerung an das, was in dem halben Jahr geschehen war, das ihm in seinem Gedächtnis fehlte. Und irgendwann, so hoffte er, würde er den Grund dafür erfahren lernen...
 

So versunken in seine Gedanken, vergas der junge Heroe ganz und gar, wo er sich befand, weshalb er eigentlich hierher gekommen war und dass die Mitbewohnerin von Ariana ebenfalls irgendwann in das Zimmer kommen könnte. Eine halbe Stunde lang zerbrach er sich den Kopf über Geschehnisse, die sich seinem Wissensbereich entzogen und wurde plötzlich von einem lauten Seufzen aus Arianas Mund aufgeschreckt. Er drehte sich hastig um und blickte zu der schlummernden Schönheit in dem samtenen Himmelbett, hatte schon Panik, sie würde aufwachen und ihn zurechtstutzen, weil er es sich gestattet hatte, unerlaubt in dieses Mädchengemach einzutreten. Aber die Göttinnen waren ihm selig und Ariana schlief immer noch.

Link erinnerte den Grund seines Besuchs wieder und entdeckte auf ihrem Nachttisch die vielen Zettel ihres Buches. Das handgeschriebene Buch Arianas Mutter. Langsam lief er hinüber, nahm sich die vielen Zettel und entführte die dickstämmige weiße Kerze von dem Nachttischschränkchen. Zerstreut ließ er sich auf dem Sofa vor dem Kamin nieder und begann zunächst die vielen hellbraunen Blätter nach Seitenzahl zuordnen. Die Handschrift in dem Buch war geschwungen und äußerst kompliziert zu entziffern, sodass Link nach wenigen Versuchen aufgab, die Sätze in dem Buch zu verstehen. Aber eines wunderte ihn, es ging in dem Buch um Politik...
 

Er kramte in seinen Hosentaschen, entdeckte das kleine Gefäß mit klebrigem Dekubaumharz, welches man wunderbar als Leim verwenden konnte und so verging die Zeit, die Link sich mit dem Buch herumplagte.
 

Viele Minuten später war das Büchlein so gut wie neu und dem jungen Heroe lief der Ansatz eines Grinsens um seinen Mund über die fertige Arbeit. ,Hoffentlich freute sie das...’ und der Jugendliche schaute noch einmal zu Ariana hinüber.
 

Mit der Kerze in der Hand tapste er ein weiteres Mal zu dem Himmelbett und platzierte jene Lichtquelle wieder auf dem kleinen Nachttischschränkchen. Doch als er diesmal in Arianas makelloses Gesicht blickte, waren ihre bernsteinfarbenen Augen geöffnet. Aber keine Überraschung stand in ihrem Gesicht. Nicht einmal ein Hauch von Freude. Stattdessen richtete sie sich auf, warf ihm ein ablehnendes Gefühl entgegen, worauf Link sogleich zu Boden blickte. Ariana drehte ihm den Rücken entgegen und zog die Decke über sich, beinahe bis über den Kopf.

„Geh’!“, sagte sie ohne Gefühl und eintönig. Link öffnete seinen Mund einen schmalen Spalt und suchte nach erklärenden Worten. Hatte sie ihn denn nicht gebeten vorbeizuschauen und ihr zuhelfen das Buch zu reparieren? Sie hatte doch seine Hilfe gewollt! Und nun stand er da wie ein unbeholfener, dümmlicher Trottel...
 

„Du wolltest doch... dass ich das Buch... ich dachte, ich sollte vorbeischauen... und...“, aber Link sprach nicht zuende und torkelte halb gedemütigt über Arianas Kühle und ihrer Ausdruckslosigkeit zu der Tür. Angreifbar stand er mit dem Rücken zu der ruhenden Schönen und fuhr sich durch die goldblonden Haarsträhnen.

„Geh’ endlich“, murrte Ariana und Link war sich nicht sicher, ob es lediglich Ablehnung war, die aus ihren Worten sprach.

„Ich dachte... ich sollte dein Buch wieder flicken...“, murmelte Link sachte.

„Das kann ich auch allein. Verschwinde“, sagte sie, nun leiser und einen Hauch traurig, beinahe enttäuscht von ihm.
 

Und Link schüttelte vernichtend den Kopf und empfand beinahe Schmerz, bloß weil sie ihn wegschickte und loswerden wollte. Aber...

,Was soll’s’, dachte Link. Es war es schließlich gewohnt, abgewiesen zu werden... verachtet zu werden. Warum sollte Ariana ihm gegenüber anders handeln? Er machte immer alles falsch, wenn er einen Hylianer kennen lernen wollte. Egal was es war, wenn es um Beziehungen ging, da war dank seiner Dummheit immer alles sofort dabei in die Brüche zu geraten. Und an wem sonst sollte es liegen, wenn er immer wieder von seiner Umwelt ignoriert oder schlecht behandelt wurde. Es konnte nur seine Schuld sein...

Zelda wollte ja auch nichts mehr von ihm wissen, das hatte er dank Valiant begriffen. Und warum sonst sollte dieser Adlige ihm drohen, wenn er die Prinzessin besuchen wollte. Zeldas Freundschaft hatte er verspielt. Und Ariana?

Er hatte gehofft, dank Arianas Ähnlichkeit mit seiner Prinzessin, irgendwie Ablenkung und Ruhe in seinem Herzen zufinden. Aber auch sie verachtete ihn, schickte ihn weg und zeigte ihm eine eisige, empfindungslose Schulter.
 

Zornig und irgendwie beklemmt stiefelte Link zu dem kleinen Kamin, krallte sich das reparierte Buch und warf es auf Arianas Bettdecke. Seine tiefblauen Augen glühten vor Scham und dem Gefühl, einmal wieder ausgenutzt worden zu sein.

„Hier, der dumme Link hat dein Buch geflickt, da kannst du ihn ja gleich anschnauzen und wieder loswerden“, fauchte er und trat zu der Tür, blieb aber wie versteinert davor stehen.

„Ja, und keine Sorge, der dumme Link ist es ja gewohnt, wie Dreck behandelt zu werden. Das macht ja nichts. Immer drauf auf ihn. Er kann es vertragen.“ Er konnte inzwischen selbst nicht glauben, dass er diese Sätze überhaupt über die Lippen brachte und neigte sein Haupt, fühlte sich so überflüssig und einmal mehr alleingelassen...
 

Und doch stimmte es, genau so fühlte er sich immer, ausgenutzt, und egal welche Heldentat er vollbrachte, es war in den Augen anderer immer so selbstverständlich. Diese verdammte Selbstverständlichkeit hing ihm zum Hals heraus. Niemand fragte, wenn er einen blutigen Kampf hinter sich hatte. Niemand fragte nach und nie hatte jemand auch nur einen winzigen Grund gesehen, nachzufragen. Vielleicht war es das, was wirklich weh tat. Diese idiotische Selbstverständlichkeit, das er sich für andere aufopferte und seinen Hals riskierte. Ein paar unsinnige dankende Worte hier. Das Angebot Besitz zu bekommen da. Und irgendwelche materiellen Dinge wurden ihm immer angeboten. Aber niemand fragte danach, was er wirklich wollte und vermisste. Das... was er ersehnte und suchte, wollte ihm sowieso niemand geben.
 

„Du bist auch nicht anders zu mir. Warum solltest du?“, lachte er halbherzig. „Es ist ja selbstverständlich mich auszunutzen...“ Seine Stimme wurde weich und ein wenig wehleidig.

Wie ein Häufchen Elend stand der Jugendliche nun vor der Tür, ärgerte sich und verfluchte sich, dass er überhaupt hierher gefunden hatte und kniff die Augen zu.
 

Aber Ariana starrte schockiert zu ihm, legte eine Hand auf ihr Herz und ihr Blick wandelte sich vollständig. Keine Form von Abweisung oder Ärgernis. Keine Spur von Verbitterung. Ihre bernsteinfarbenen Augen schillerten mit dem Eingeständnis, dass sie Link gegenüber sehr unfair gehandelt hatte. Und vielleicht schillerten sie sogar mit ein wenig Besorgnis, Anteilnahme und Zuneigung.
 

Link öffnete die Tür einen Spalt, als Ariana ein: „Link... Warte.“, über ihre roten Lippen brachte. Er schloss die Tür nicht und verharrte in seiner Haltung.

„Was ist?“, murrte er verärgert. „Soll’ ich mich erst von dir herausschmeißen lassen? Freut dich das dann einen Idioten wie mich zu demütigen?“, setzte er giftiger hinzu.

„Nein... bitte warte.“ Ariana richtete sich vorsichtig auf, schlüpfte schleppend in ihre warmen Hausschuhe und lief langsam und humpelnd in ihrem weißen, enganliegenden Nachthemd in seine Richtung. Sie kniff ein Auge zu und ballte ihre Fäuste. Ein Beweis, dass es ihr nicht sonderlich gut ging.
 

Noch immer lag Links Hand über dem Türgriff und Ariana führte langsam ihr Rechte über die seine und drückte die Tür ins Schloss. Mit sich selbst kämpfend suchte sie seinen Blick, wollte bloß in seinen tiefblauen Augen lesen, aber sein Haupt ging gen Boden und er verbot sich selbst ihr in die Augen zusehen.

„Nun mach’ schon, ich bin es nicht anders gewohnt, als abgelehnt zu werden...“, klagte er schwach. Er wand ihr wieder den Rücken zu und suchte wenige Schritte Abstand. Eine Träne tropfte von Arianas rechtem Augenwinkel und sie trat wieder näher zu ihm.

„Komm’ her, mein Dummkopf.“ Links Augen standen starr vor Schreck als sich die schmalen Arme Arianas um seinen glatten Bauch wanden und ihre Hände sich auf seiner Brust wiederfanden. „Entschuldige...“, flüsterte sie und lehnte sich haltsuchend an ihn. „Entschuldige mein Verhalten“, meinte sie ein wenig lauter und wartete auf eine Reaktion von Link, die ausblieb. Seine dunkelblauen Augen waren weit aufgerissen angesichts ihrer Nähe. Noch nie hatte ihn jemand auf diese Weise umklammert. Und er wurde in seinen fünfzehn Lebensjahren bisher spärlich von jemanden umarmt.

„Link... ich bitte dich um Verzeihung...“, murmelte sie in den Stoff seiner schwarzen Tunika und lehnte ihren hübschen Kopf an seine Schulter.

„Es ist bloß... es geht mir nicht so gut. Deshalb war ich so abweisend. Verzeih’ mir...“, meinte sie inständig und hoffte auf Links Mut zur Annäherung. Aber er blieb zurückhaltend wie immer und schien mit dem Erdboden verwurzelt zu sein.
 

Er wusste einfach nicht, wie er reagieren sollte und tat erst mal gar nichts, versuchte ihre Nähe so zu genießen, wie es vielleicht richtig sein sollte. Aber es war alles andere als einfach für ihn diese Umarmung zu verstehen, ihre Zuneigung zu erwidern. Immerhin kannten sie sich nicht lange und dann hatte sie ihn vorhin auf gemeine Weise loswerden wollen. Warum also tröstete sie ihn überhaupt mit ein wenig Nähe und Wärme, wo er nicht verstehen konnte, was es damit auf sich hatte, wo er diese Wonne nicht akzeptieren konnte und nach anderen Gründen als einfach nur Vertrauen und Zuneigung für Arianas Handeln suchte?
 

Link war der erste, der sich löste, ihre Arme wegführte und die Umarmung unterband.

„Bitte lass’ das... ich ertrage so was nicht.“ Arianas Augen sahen traurig zu Boden und schlossen sich dann. Sie neigte das Haupt zur Seite und legte mitfühlend eine Hand auf ihr Herz, wollte ihn so gerne verstehen, wollte ihm so gerne seine Sorgen abnehmen. Aber sie wusste auch, dass Links Eigensinn das niemals zulassen würde.
 

„Warum...“, murmelte Link und trat an das kleine Rundbogenfenster, hoffend er könnte den Grund finden, weshalb Ariana ihm dieses unermessliche Vertrauen schenkte.

„Warum... bist du so... großherzig zu mir?“

„Weil ich in deinen Augen sehen kann, wie dir zumute ist...“, sagte sie ausweichend und humpelte wieder in ihr Himmelbett, stöhnte leise als sie niedersank und deckte sich mit der schweren Bettdecke zu. „Und warum... versuchst du überhaupt zu erkennen, wie mir zumute ist?“, meinte er strenger. „Was interessiert es dich?“ Er wand sich um und schnitt mit einem kühlen Blick durch die Luft. „Das interessiert doch sonst niemanden!“, giftete er und breitete aufgeregt die Arme auseinander.
 

Er war nicht nur aufgeregt, sondern verletzt, das spürte sie und es würde Monate dauern ehe sich sein erkaltetes Herz wieder erwärmen würde. Dennoch konnte sie seine Verbitterung im Augenblick nicht gebrauchen, nicht mit ihrer eigenen Verwundbarkeit...

,Zum Henker’, dachte sie, rollte mit den Augen und suchte nach etwas Aufheiterung.

„Ich würde vorschlagen, du versuchst dich erst mal unter Kontrolle zu bringen und deinen unerträglichen Hitzkopf zurückzuhalten, wie auch dein verletztes Herz zu beruhigen, sonst umarme ich dich richtig“, lachte sie gequält und versuchte so zu Link durchzudringen. „Und dann kannst du tausendmal sagen, rufen oder brüllen: ,Ich ertrage das nicht.’“

Er sah erschüttert drein und stand sprachlos vor dem Fenster. Das einzige, was wirklich bewundernswert und wahrhaft amüsant erschien, war die rote Verlegenheitsfarbe in seinem Gesicht, die sich stückchenweise von der Nase in das gesamte Heroengesicht vorarbeitete. Sie kicherte darüber und lächelte ihn äußerst frech an.

„Aber...“, babbelte Link und wusste dennoch nicht ein und aus.

„Was aber? Du würdest in meiner Umarmung sogar sicher sein“, lachte sie und zwinkerte. „Sicherer als du denkst.“
 

In dem Moment fiel ihr eine weitere Kleinigkeit auf. Links Augen waren wieder so tiefblau und durchdringend wie immer. Die stürmische Farbe darin, die sie mochte und die sie immer wieder anzog, war zurück zu ihrem Ursprung.
 

„Bitte setz’ dich zu mir, du dussliger Held.“ Und Ariana deutete mit einem übertriebenen, frechen Grinsen auf die Bettkante, direkt neben ihrer selbst. Er atmete tief ein und trottete mit roten Wangchen und zunehmendem Herzklopfen an das Bett und setzte sich zögerlich. Er spielte nervös mit den groben Händen und sprach babbelnd: „Also... warum interessiert es dich... was mit mir ist?“ Er schämte sich schon beinahe dafür ihr diese Frage zu stellen, schämte sich überhaupt solche verweichlichten Worte zusagen, wo er ein Held war, der seine Stärke niemals einbrechen lassen durfte. Sie rutschte einige Zentimeter näher und hauchte leise: „Link... es muss nicht immer tiefe Gründe geben für unsere Handlungen oder unsere Entscheidungen. Manchmal ist es soviel sinnvoller, soviel wichtiger, auf das hier zu hören...“ Sie führte ihre Handinnenfläche zu seinem Herzen und setzte einfühlsam hinzu: „Das Herz...“

„Du interessierst dich für... mich... wegen deinem Herzen?“ Er verschränkte die Arme und meinte kindisch: „Das versteh’ ich nicht...“ Ariana lächelte und erwiderte: „Nein, das musst du auch nicht. Noch nicht, du naiver Held.“

,Aber wenn alles überstanden ist, dann wirst du es verstehen’, setzte sie in Gedanken hinzu.
 

Entschieden sah er auf und wagte sich der schwarzhaarigen Schönheit eine weitere Frage zu stellen: „Du weißt es?“

„Was meinst du?“ Er rollte mit den Augen und stand wieder auf, lief zappelig hin und her.

„Na, dass ich... ich meine, das, was ich bin... oder war...“ Und Link verhaspelte sich zunehmend. „Ich bin ein... war ein...“ Er hüstelte und babbelte aufgeregt einige unverständliche Worte hinterher. „Arg... verdammt!“ Er wühlte entnervt in seinem zerzausten Haar herum und sah Ariana nur herzhaft lachen. Sie lachte so ausgelassen, dass sie ihre Hände vor den Mund halten musste und damit bewies sie einige vornehme Tugenden, die sie sich in der Schule unbewusst und ohne dass sie es wollte, angeeignet hatte.
 

„Link... Hör’ zu. Es war nicht schwer für mich, dein großes Geheimnis herauszufinden. Ich habe vor wenigen Tagen im Hinterhof, als du Duschen warst, das Triforcefragment auf deinem linken Handrücken bemerkt. Es war nicht schwer herauszufinden, dass du der legendäre Held der Zeit bist.“

Link antwortete lapidar mit einem: „Oh...“

„Und ich habe auch beobachtet, dass es dir nicht gut geht.“

Noch einmal: „Oh...“

„Und ich würde dir gerne meine Hilfe anbieten, wenn du sie brauchst. Einfach nur, weil du ein wunderbarer Hylianer bist, nicht, weil mich dein Heldentum wissbegierig gemacht hat.“

Und das dritte Mal erklang ein: „Oh.“ in Arianas Ohren. Es war im Moment wohl einfach zuviel des Guten für den armen Link. Noch nie hatte ihm jemand so deutlich Hilfe angeboten, ihm so zugeredet. Er wusste ganz einfach nicht, wie er auf so etwas antworten sollte. Ariana interessierte sich für ihn und das vielleicht nicht weil er einen ungerechtfertigten Heldentitel trug, sondern weil er etwas Besonderes war. Und irgendwie wurde sie ihm mit jeder weiteren Minute vertrauter, als ob er sie schon sein Leben lang kannte. ,Verdammt’, dachte er. ,Sie verhielt sich so sehr wie Zelda.’
 

Sie lächelte und lud ihn wieder ein es sich auf der Bettdecke bequem zu machen. Er tat wie geheißen und watschelte wie ein braves Hündchen zu ihr hinüber, setzte sich zappelig auf die Bettkante und wich ihren bernsteinfarbenen Augen aus. Sie nahm entgegen seines Willens seine Hände in ihre und sprach gedämpft: „Kann ich nicht eine gute Freundin für dich sein?“ ,Unfassbar’, dachte er. Sie bot ihm wirklich ihre Freundschaft an. Einfach so? Ohne Bedingungen? Noch nie hatte jemand ihm ohne Bedingungen etwas angeboten... Das konnte Link nicht glauben!
 

„Okay, und was verlangst du dafür?“ Verständnislos wich sie zurück und verzog das Gesicht.

„Ich verlange überhaupt nichts dafür.“

„Das kaufe ich dir nicht ab. Sag’ schon, was springt für dich dabei heraus?“, meinte Link erbost. Aber Ariana schüttelte mit dem Kopf und wirkte verletzt wegen seinen Worten.

„Ich habe noch nie etwas ohne Grund und ohne Bedingungen bekommen, also: Was willst du für deine Freundschaft?“ Ariana neigte ihren Kopf in die entgegengesetzte Richtung und sprach finsterer: „Ich glaube, mein dussliger Held. Wir haben ein schweres Stück Arbeit vor uns.“ Er schwieg darauf. Aber Ariana wusste ganz genau, um welche Form von Arbeit es sich handelte. Es gab so viele Dinge, die Link lernen musste. Zum einen, dass er anfangen musste jemandem so zu vertrauen, dass er es nicht bereute. Dann musste er lernen, dass auch ein Waise und ein ausgenutzter Held wie er einen Anspruch hatte auf Glück und das nicht jede Form von Glück irgendwann ein Opfer verlangte. Er musste verstehen lernen, dass es auch glückliche Momente im Leben gab, die ihm niemand nehmen konnte und das nicht jedes Verhalten von nahen Menschen an Bedingungen geknüpft war, die sich auf den beiden Schalen einer Waage wiederfanden... Ein schweres Stück Arbeit. Aber sie nahm es gerne auf sich. Für ihn... nur für ihn...
 

„Wenn du unbedingt etwas für mich tun möchtest, dafür dass ich dir ein Freund bin, dann habe ich da schon eine himmlische Idee.“ Ariana grinste schmuckhaft. So schön, dass Link erneut errötete und lieber wegschaute.

„Bist du so lieb und schaust in das kleine Schubfach des Nachttisches?“ Link nickte mehrmals und öffnete vorsichtig ein kleines, quietschendes Fach. Das Fach war erstaunlich leer und nur ein Gegenstand befand sich in dem dunkelbraunen Innenräumchen. Eine altrosa Bürste, wo einige Borsten fehlten.

„Eine Bürste?“, fragte er strittig.

„Mmh...“, murmelte sie und sie drehte ihm den Rücken zu. „Würdest du bitte?“ Aber Link zögerte. „Nun mach’ schon, du wirst mir nicht gleich die ganzen Haare herausrupfen!“ Und der dusslige Held ging artig und tüchtig ihrem Appell nach, befolgte jeden ihrer Befehle und fand die Situation wie sie war schon wieder zu vertraut. Unheimlich vertaut. Beinahe gespenstisch, sodass er vielleicht doch sichergehen sollte, dass an Arianas Ähnlichkeit mit Zelda nicht mehr dran war als ein bloßer Zufall.
 

Er nahm einige Haarsträhnen in seine eine Hand und fuhr mit der Bürste in der anderen sachte durch das ungekämmte, schwarze Haar. „Dein Haar ist... sehr strubbelig...“, quasselte er aufgeregt und fühlte sich wieder wie im Schwebefieber. Noch nie hatte er einem Mädchen die Haare gekämmt. Hoffentlich erfuhr William das nicht. Der Kasper würde doch sofort wieder mit seinem unsinnigen Gerede anfangen, dass vor Link kein Mädchen im Umkreis von zwanzig Meilen sicher wäre. So ein Blödsinn, dachte der Heroe.

„Äh... ist das in Ordnung?“

„Mmh... Danke dafür“, sagte sie sanft und erweckte mit ihrer Einfühlsamkeit und Mildtätigkeit in Links Gehirnwindungen erneut den Gedanken an Zelda. Es war nicht nur Arianas Umgang mit ihm, sondern auch ihre Stimme. So warm. So beruhigend...

„Warum kämmst du dir dein schwarzes Haar eigentlich nicht selbst?“, meinte er leise, aber wollte damit nicht grob wirken und den Eindruck vermitteln, er tat es nicht gerne. Denn irgendwie machte es ihm Spaß ihr langes Haar zu bürsten.
 

„Es ging mir den Tag über nicht so... besonders... und deshalb bin ich leider nicht dazugekommen... weil mir alles weh getan hat.“ Link stoppte das Bürsten und musste einfach eindringlicher nachfragen.

„Es ging dir nicht gut?“ Diesmal war es das Mädchen in jenem Himmelbett, das schwieg. Und Link legte die Bürste wieder zur Seite, wartete auf eine Antwort und fürchtete sich beinahe davor.

„Warum... ging es dir nicht gut? Ist irgendetwas geschehen?“ Sie nickte schwach. Und das sonnige, heitere Gemüt, welches ihn so an seine Prinzessin erinnert hatte, wandelte sich ein wenig. Sie legte eine Hand auf ihre Stirn. „Ich möchte nicht darüber nachdenken...“, wimmerte sie fast, drehte sich aber mit verängstigten Gesichtszügen zu ihm um.

„So schlimm?“, fragte er leise, weil er einfach keine Ahnung hatte, was man in eine solchen Situation fragte und weil er noch nie ein Mädchen getröstet hatte.

Sie schloss die Augen und Link erkannte für einen Bruchteil eines Augenblicks glitzernde Spuren an ihren langen Wimpern.
 

„Es... war so schrecklich“, sagte sie zitternd.

„Ähm... bitte nicht weinen“, erwiderte er und hoffte, er könnte sie damit trösten. Sie nickte erneut, presste ihre Lippen aneinander und meinte leicht scheu: „Darf ich dich vielleicht doch... richtig umarmen?“ Link aber war wie vor den Kopf gestoßen und hatte nicht den Hauch einer Chance darauf zu antworten, noch nicht einmal die Worte verarbeiten konnte er. Denn Ariana war so schlau und deutete seine Unsicherheit als unwiderrufliches: ,Freilich, gerne doch.’

Sie schluchzte, drückte ihren hübschen Kopf an seine Brust und belastete Link mit genug Gewicht, dass er keine Wahl hatte und mit dem Rücken auf die weiche Matratze krachte. Ein schauriger Laut entkam seiner Kehle und als er seine missliche Lage kapierte, denn er brauchte einige Minuten dazu, war es schon längst zu spät. Haltsuchend lag Ariana in seinen Armen und brachte Link in einen gehörigen Schlamassel ohne, dass sie es wusste. ,Farore, dachte der Jugendliche, wenn das William rauskriegt. Der lacht noch lauter als ein gackerndes Huhn.’
 

,Das gibt’s doch nicht’, dachte Link, als er jenen Schlamassel mehr und mehr verstand. Das ging zu weit! Er konnte doch nicht mit einem Mädchen, zum Teufel, mit einem Mädchen, in einem Bett liegen. Das war gefährlich, dachte er. Er musste sofort weg von hier, sagte ihm sein Fluchtinstinkt.
 

Aber während sie beide so dalagen, musste Link trotz seines knallroten Kopfes einsehen, dass jenes Gefühl nicht das unangenehmste war. Hier auf der weichen Matratze. Umarmt von einem hübschen Mädchen, welches ihn verstehen wollte ohne irgendwelche Bedingungen. Umschmeichelt von ihrem weichen Haar, das sein Kinn kitzelte. Es war ein neues Gefühl für ihn. Eine Empfindung, die er noch nie erfahren hatte. Die Erfahrung von wärmender Nähe...

Himmel, es tat einfach nur gut... und es war so schön, dass er nicht wollte, Ariana würde jemals wieder verschwinden...

Er fühlte sich fast wie in einem Wunschtraum. War nicht gerade diese Empfindung das verlorene Teilchen in seinem Herzen? Die Sehnsucht, die er noch nie erfahren, aber immer vermisst hatte?

„Ariana?“, murmelte er leise und wagte es sich ohne Scham seine Hände über ihren Rücken wandern zu lassen. Auch das hatte er sich noch nie getraut und nun? Wo war seine Zurückhaltung hin und seine Angst jemandem zu nahe zu kommen?

„Bist du angegriffen worden?“, meinte er. Sie blickte mit ihren bernsteinfarbenen Augen auf und nickte trübsinnig. Dann sank ihr Kopf wieder an seine Schulter und sie seufzte.
 

Aber war das nicht seltsam? Link war beinahe felsenfest sicher, dass seiner Prinzessin etwas zugestoßen war und nun erzählte ihm Ariana, sie wäre angegriffen worden. Schon wieder ein blöder Zufall?
 

„Wer hat dich angegriffen?“

„Moblins...“, antwortete sie und streichelte über die dunkle Tunika seines Ärmels. Sorgsam glättete sie eine Falte dort mit ein wenig guter, leiser Magie, die Link dank Nayru nicht bemerkte.

„Erzähl’ mir mehr darüber“, meinte er leise und fühlte sich trotz der angenehmen Nähe mehr und mehr unbehaglich. Hoffentlich kam niemand in dieses Zimmer...

„Ich wohne am Rande der Provinz Lanayru... und es ist ein ziemlich weiter Weg von der Schmiede meines Vaters zu der Mädchenschule. Aber es gibt eine kleine Abkürzung, vor der mich mein Vater immer gewarnt hat. Ich bin stur gewesen und dann...“ Sie erzählte ihr kleines Märchen ohne Bedauern und irgendwo tief in ihrem Inneren wusste ein anderer Teil ihrer selbst, dass Link ihr Märchen schon lange durchschaut hatte.

„... da waren einige Moblins und... ich wurde verfolgt, bis sie mich einholten... und dann hab’ ich ihre schwarze Magie abbekommen. Deshalb brauchte ich Schlaf.“

„Ich habe dich vorhin humpeln sehen.“

„Mmh... mein linker Fuß ist verstaucht.“ Sofort kramte Link in seiner Hosentasche herum und hielt ihr das Heilmittel unter die Nase. Aber sie schüttelte schnell und stur mit dem Schädel. „Nein! Das ist für dich. Du hast es nötiger als ich.“ Und erneut wurde der junge Heroe misstrauischer, was Arianas wirkliches Gesicht betraf. Verschleierte sie sich vor ihm? Er blickte trübsinnig auf und traute sich länger als sonst in die Augen seines Gegenübers zublicken. Er sprach das folgende Wort leise und sorgfältig, mit Sehnsucht und vielleicht auch mit etwas, was er glaubte, nicht empfinden zu können: mit Liebe.

„Zelda?“
 

Plötzlich stapfte jemand mit lautem Getöse in das spärlich erleuchtete Kämmerchen und knallte die Tür mit ein wenig zu viel Druck zu. Es war die Mitbewohnerin Arianas und sie schien nicht sofort zu bemerken, dass in jenem Raum, eindeutiger wäre in jenem Bett, gerade der Jugendliche mit Ariana lag, den sie eigentlich von ihr fernhalten sollte. Sie zog sich ihren breiten Mantel aus und starrte dann mit ihrem kleinen Augen zu dem Bett. Sie sagte erklärend: „Ariana, ich habe deine Besucher alle abgefangen, so wie du es mir gesagt hast und...“ Aber als sie Link entdeckte verlor sie kurz das Wort und brachte schließlich ein lautes: „Bei den Göttern!“, aus ihrem Mund. Ariana richtete sich sachte auf und Link wich soweit weg, dass er jauchzend von der Bettkante fiel.
 

„Allmächtige Göttermutter Destinia. Was habt ihr beide denn gemacht?“, kreischte sie. Es war nichts Ungewöhnliches, dass sie lärmte. Schließlich war in einer sittsamen Mädchenschule wie dieser Männerbesuch sowieso nicht gern gesehen und dann lag dieser perverse Link- ja, sie erinnerte sich immer noch an den Badetag am Glücksteich- mit Ariana in einem Bett! Ausgerechnet hier in der feinen Mädchenschule!

„Ariana?“, brachte sie verwundert hervor. „Was machst du denn mit einem Jungen in einem Bett. Das ist doch unanständig!“

„Keine Sorge, du interpretierst zuviel in eine Umarmung, Olindara“, sagte die Angesprochene kühl und erhaben über jegliche Form von Peinlichkeit. Und Arianas sanfte Augen fielen grinsend zu Link, der so rot wie eine Tomate auf dem Teppich hockte und nicht wusste, was Olindara überhaupt meinte.

„Nicht wahr? Du bist doch ein außerordentlicher Gentleman, mein dussliger Held.“

Er nickte, weil er sich keinen Rat mehr wusste, Ariana nur in irgendeiner Weise zu widersprechen. Sie dachte, was er nicht denken wollte und sie sagte, was er nicht konnte...
 

„Es ist bereits kurz vor zehn Uhr...“, murmelte sie, stand auf und führte den Jungen zu der Tür.

„Möchtest du, dass wir uns öfter sehen?“, fragte sie gedämpft und faltete ihr Hände erwartungsfroh hinter dem Rücken. Er nickte scheu und wendete seinen Blick nach unten.

„Vielleicht können wir zusammen ausreiten, wenn du möchtest.“ Doch darauf wurde sein Blick wieder trauriger und er sagte mit Unbehagen und leichtem Schmerz in der Stimme.

„Das ist leider nicht mehr möglich... man hat mir Epona weggenommen.“ Ariana blickte erstaunt auf und verstand in dem Augenblick die Gründe für seine zunehmende Verbitterung, seine Unzuverlässigkeit.
 

„Epona wurde dir weggenommen?“, sagte sie strenger, so als hätte sie seine Worte vorher nicht verstanden. „Warum?“

„Das ist eine lange Geschichte“, erklärte er abtuend und erneut erschufen Schicksalsproben in seinem Gemüt unvergleichliche Kälte und Hass, den er nur gegen sich selbst richten wollte.

„Und ich habe nicht vor, sie dir zu erzählen“, endete er eisig und drehte sich seitlich.

Ariana schüttelte den Kopf, rümpfte die Nase, aber legte eine Hand auf seine Schulter und suchte damit erneut eine verbotene Nähe.

„Dann behalte sie doch für dich, Dussel.“ Sie grinste hämisch. ,Sei’ doch grausam und kalt zu mir, damit wirst du mich sowieso nicht los’, dachte sie radaulustig und rutschte einige Zentimeter näher. Frech, aber unkonventionell, drückte sie einen zärtlichen Kuss auf seine linke Wange und lächelte: „Danke für deine Hilfe mit dem Buch. Träume süß, Link.“
 

Noch bevor jener reagieren konnte, schob sie ihn aus der Tür und schloss diese. Mit sanftem, mildem Blick lehnte sie ihren Kopf stirngerichtet gegen die Tür und hoffte, dass ihre Worte ihm eine ruhige Nacht bescheren würden...

Kapitel 25

Liebe Leser, jawohl das ist tatsächlich passiert, ein neues Kapitel dieser Fanfic^^ Ich muss zugeben, dass es echt schwierig war wieder in diese Story hineinzufinden, mir alle möglichen Details und Figuren wieder ins Gedächtnis zu rufen. Gerade deshalb wäre ich für Kritik und Eure Vorstellungen darüber, wie Ihr diese Story seht und wie Ihr vermutet, es weitergehen könnte sehr dankbar. Und vielleicht auch, welche Ereignisse für euch noch total unklar sind. Es gibt ja so einige Geheimnisse in der Fanfic. Danke jedenfalls für Eure Beharrlichkeit und Geduld. lg
 

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Kapitel 25
 


 

Seit den ersten Tagen der ehrenhaften Ritterschule, seit alter Zeit, hielten die Knaben, mutig und auf den fordernden Pfaden von Stärke und Edelmut, den Umzug mit einer einfachen und doch notwendigen Mutprobe in den nahe gelegenen, verwunschenen Wäldern ab. Sie zogen mit hellleuchtenden Fackeln auf verschlungenen Wegen durch den Laubwald, unterhielten sich leise. Neugierde und Aufregung tobten in ihren frischen Venen, als ihre Stiefel klappernd über feuchten Erdboden stapften. Viele von ihnen fürchteten sich im Angesicht der starren Dunkelheit der Wälder, nicht ahnend, welche Prüfung auf sie wartete und vielleicht auch verängstigt, da der Wald mit seinen uralten Geschöpfen auch listig und heimtückisch sein konnte.

Link und William bildeten das Schlusslicht und schwiegen. Der junge, unerkannte Heroe war ohnehin nicht der Gesprächigste. Verträumt blickte er umher, war mit seinen Gedanken an anderen Orten. Vielleicht an einem Ort, den er sich herbeisehnte. Ein Ort, den man Zuhause nennen konnte. Während die vielen Fackeln zu ihrem Bestimmungsort zogen, holte den jungen Hylianer etwas ein, das er lange nicht mehr besinnen wollte.

Einst in der alternativen Zeit, als er erwachsener und zugleich jünger war als jetzt, auch dort zogen Hunderte Fackeln für den Frieden über das Land, als mit Ganondorfs Tod der rote Vorhang des Elends über Hyrule verschwand. Auch dort waren Lichter, die märchenhaft schimmerten, als sie über die Welt wanderten. Er sah damals alles von weitem. Auf einem der grünen Hügel Hyrules, nicht allein, sondern zusammen mit einer Seele, die ihn immer wieder gestärkt und eingenommen hatte, beobachtete er damals das wärmende, erfüllende Licht, das Hyrule auf eine hoffnungsvolle Weise überflutete. Als er realisierte, dass damit das Böse von der Erde verschwand, dass es vorbei war, damals hatte er einige salzige Tränen vergossen. Und vielleicht konnten ihn auch im Hier und Jetzt eifrige Lichter eines Neubeginns, den er sich so oft gewünscht hatte, in ein neues Schicksal geleiten. Sein Blick war so mildtätig und weich, mit einem winzigen Hoffnungsschimmer das all das, was hinter ihm lag, endlich ruhen und vergessen werden könnte…
 

Will bemerkte Links momentanen Gemütszustand ehe er selbst verstand, wie sehr man ihm seine trüben Gedanken ansah. Ein wenig unsicher, wie er auf das reagieren sollte, was in Link, dem geheimnisvollen Kauz, nun schon wieder vorging, entschied Will seinen sonst so lauten und wissensdurstigen Schnabel zu halten. Stattdessen lächelte er etwas schief, als Link aufsah und scheinbar noch vor wenigen Sekunden in fernen Welten unterwegs gewesen zu sein schien. Der junge Laundry grinste und zuckte mit den Schultern. Er deutete nach vorn und machte Link deutlich, dass sie vielleicht den Anschluss an die Gruppe verlieren könnten, wenn er weiterhin träumte.

„Weißt du, manchmal ist es sicherlich gut, dass man träumen kann, wo immer unsere Gedanken uns hinbringen“, sprach Will und klopfte Link auf die Schulter, weil er ihm inzwischen fast schon mehr bedeutete als ein Freund. Vielleicht weil er für ihn inzwischen schon so etwas wie ein Bruder war. Und vielleicht half ihm dieses Gefühl dabei Rücksicht zu nehmen, Link nicht wegen jeder seiner komischen Anwandlungen auszufragen.

„Ja, vielleicht… vielleicht ist da ein Funke Wahrheit dran“, entgegnete Link und blickte auf seine linke Hand. Er ballte jene zur Faust, sodass er das Leder seines Handschuhs knirschen hören konnte. „Es ist eine gute Erinnerung…“, setzte er hinzu. „Ja, es war eine gute Erinnerung…“ Er schloss seine Augen und lief etwas schneller vorwärts um aufzuholen. Will blieb noch immer zurück und grinste. ,Bald‘, sagte er sich. ,Bald werde ich dich verstehen, Link.‘ Und auch er hetzte hinter den anderen Jugendlichen hinterher.
 

Es dauert nicht lange und die Truppe, angeführt von dem Lehrer Newhead, erreichte eine geheimnisvolle Lichtung, die sich kegelartig nach innen wölbte. Trat man näher, so entdeckte man Treppen, die nah an immer weiter in das Erdreich hineinführenden, mit Steinen befestigten Seitenwänden gebaut waren und fast wie überdimensionale Pfeiler das Erdreich stützten. Schaute man über den Rand hinweg konnte man nur einen Bruchteil der Tiefe entdecken, die die Dunkelheit vor den Augen verschluckte. „Sollen wir da hineingehen?“, rief ein junger Schüler, dem dieser Ort scheinbar nicht geheuer war.

„Tut mir leid Euch das mitzuteilen, Jungs, aber ja, das ist Euer Ziel. Jeder Ritteranwärter begibt sich in diese Dunkelheit, verzagt nicht, verzweifelt nicht. Eine Mutprobe, die ihr bestehen müsst, allein oder auch gemeinsam.“

„Wirklich? Ist das okay, wenn wir uns den Anforderungen gemeinsam stellen?“, rief Will und mühte sich durch die Reihen junger Schüler hindurch, sodass er dem Lehrer in seine undefinierbaren Augen blicken konnte.

„Ja, wenn ich es Euch doch sage. Du musst nicht andauernd so misstrauisch sein, William Laundry“, lachte der unerkannte Schwindler und rieb sich mit den Händen seine Brust. „Seid weise, mutig und stark. Die Mutprobe wird vielleicht anders ablaufen, als ihr erwartet... In jenem gigantischen Erdloch könnt ihr Türen entdecken und vielleicht durchquert ihr diese, vielleicht aber entdeckt ihr zu wenig hinter jenen Türen“, erklärte er spitzfindig, als wusste nur er um die Wahrheit der Aufgabe und grinste. Er grinste so breit, dass man seine gelben Zähne bewundern konnte, die zu seinem Dreitagebart einen unangenehmen Kontrast formten.

„Falls etwas nicht okay ist, brüllt so laut ihr könnt, oder gebt mir ein anderes Signal. Ich vermute, das Schlimmste, was Euch da unten passieren kann, ist eine Spinne oder ein anderes Geschöpf von Mutter Natur. Beendet einfach diese Aufgabe und schon ist es vorbei.“ Damit trat Nicholas vorbei, zündete sich eine Pfeife an und machte es sich auf einem umgefallenen Baum bequem. Genüsslich verpuffte würziger Rauch in der Luft. Und mit jedem Zug schien Newheads Grinsen breiter zu werden.
 

„Ich will nicht wissen, was der da in sich reinhaut“, flüsterte Will und blickte Link mit großen und wissenden Augen an. „Wenn mein Vater sich eine Pfeife anzündet, hat er etwas seltsame Anwandlungen“, erklärte er. Er wackelte mit seinem klugen Kopf auf und ab, als Unterstützung des Gesagten.

„Seltsame Anwandlungen?“, fragte Link nach.

„Oh ja“, erwiderte Will in einer Art von geschauspielertem Fast-Ernst. Er wurde etwas rot um die Wangenbäckchen. „Er erlaubt dann fast alles. Er redet über Dinge, die er sonst nicht sagen kann.“ Und damit blickte Will den Heroen etwas grinsend und hinterhältig an. „Aber ja, du solltest vielleicht mal eine Pfeife rauchen, Link.“ Und Will lachte dann. Link fand das weniger lustig. Er würde sich nicht so ein Stück Holz in den Mund stecken, darauf herum nuckeln wie ein Säugling und sich an berauschenden Zuständen erfreuen.

„Du machst dich damit nur lächerlich“, murrte Link.

„Keineswegs“, entgegnete Will. „Mein Vater fühlt sich danach oftmals besser, vielleicht weil er dann einige Dinge gesagt hat, die er sonst nicht sagen kann. Nur deshalb gestattet meine Mutter ihm das Paffen.“

„Dennoch… es ist ein Unterschied, ob man über bestimmte Dinge einfach nicht reden kann… oder ob man über diese Dinge nicht reden will“, schloss der Heroe ab und blickte etwas trübsinnig zu Boden. „Im Übrigen“, ergänzte er und sah wieder auf, diesmal mit dem Versuch eines Grinsens. „Im Übrigen habe ich vor… sagen wir vor einiger Zeit… schon mehr als genug Dinge ausprobiert, die einen in andere, vielleicht auch seltsame Zustände versetzen.“ Und damit trat Link aus Wills Gesichtsfeld und lief die steinernen Stufen schweigsam hinab. Will aber verharrte noch einen Augenblick, nickte und war beinah dankbar. Link begann allmählich aufzutauen. Ja, vielleicht in einigen Wochen war das Misstrauen und das Unverständnis ihm gegenüber vorüber. Außerdem machte er ihn neugierig. Was bei Farores grünem Blut hatte er bereits ausprobiert?
 

Etwas nachdenklich tapste Link allen anderen Jungs voraus die Stufen hinab. Sie hatten ihn allesamt erstaunt und wiederrum erleichtert angeschaut, als er die Führung übernommen hatte. Keiner würde es zugeben, aber sie alle besaßen Respekt vor der Dunkelheit. Wie sollten sie auch nicht? Keiner jener Jünglinge war jemals auf sich alleine gestellt in einem Verlies unterwegs gewesen. Keiner von ihnen musste sich in der Dunkelheit zurechtfinden. Für Link jedoch war die Dunkelheit eines Verlieses oftmals noch einfacher zu ertragen als die sich sorgenden Augen eines Freundes.

Eine Lampe in der rechten Hand und die Linke auf dem Griff seines Schwertes ruhend, das er an seinem Gürtel festgeschnallt hatte, trat der vergessene Heroe vorwärts. Dicht hinter ihm beobachteten Wills smaragdgrüne Augen die Umgebung.

„Ich frag‘ mich immer noch, wie du das machst. Ich glaube, in deinem Kopf müssen irgendwelche Bahnen kaputt sein. Ein normaler Hylianer fürchtet sich im Dunkeln“, flüsterte Will mit wackliger Stimme. Jedes noch so kleine Geräusch schreckte ihn auf.

„Das Geheimnis daran ist nur… dass man Furcht nicht zwangsläufig zeigen muss… das heißt aber nicht, dass ich keine habe“, sprach Link deutlich, sodass hinter ihm einige Jungs murrten und ihn baten, doch leiser zu sein.

Link atmete tief ein, blieb stehen und wand sich um seine eigene Achse: „Denkt ihr wirklich, es ist notwendig leise zu reden? Glaubt ihr, wenn in diesem riesigen Erdloch irgendwo ein Monster lauern würde, dass es euch nicht bemerkt, nur weil ihr leise seid? Wenn hier ein Dämon lauern würde, hätte er euch doch schon lange angegriffen.“ Einige schluckten auf seine Worte, andere schimpften.

„Seid nicht so einfältig euch einzubilden, ihr seid zu kostbar und es darf euch nicht passieren, dass ihr angegriffen werdet. Das seid ihr nicht. Egal, wer ihr seid, Rieseninsekten machen gewiss nicht vor Eurem blauen Blut Halt.“

In dem Augenblick legte Will eine feste, starke Hand auf Links Schulter und schüttelte mit dem Kopf. „Lass‘ gut sein, Link.“ Will unterbrach ihn gewiss um ihn vor sich selbst zu schützen. Und auch der unerkannte Heroe ahnte langsam, dass Will inzwischen auf einer Ebene mit ihm stand. Vielleicht wusste der junge Laundry inzwischen zu viel…
 

Schweigend tapsten die Jungs weiter hinein in die tiefe Dunkelheit, die auch den letzten Rest des leuchtenden Mondes oder das Licht der Sterne am Himmel verschluckte. Ab und an piepste ein kleines Geschöpf in jener gigantischen Höhle. Ab und an wurde eine Fledermaus durch das Licht der Fackeln und Lampen aufgeschreckt und flog mit einem krächzenden Schrei davon. Als die Jugendlichen ihr Ziel erreichten, leuchteten mit einem Mal sehr hell und die Augen blendend an die dreißig Lichter auf und erhellten den so finster und gespenstisch wirkenden Raum. Die vielen, dicken Pfeiler stemmten sich nach oben und es wirkte, als verkrochen sich Wesen hinter ihnen, und als huschten schattenhafte Kreaturen von einem Pfeiler zum nächsten, im Schutze des Feuers und der Nacht…

An den Seitenwänden luden an die zehn Türen ein den Innenraum dahinter zu entdecken. Und die Knaben ahnten, dass hinter jenen steinernen Portalen die Aufgaben und Mutproben warteten, die jeder Ritteranwärter durchlaufen musste, egal ob allein oder in Gruppen. Link fackelte nicht lange, nahm gleich die erstbeste Tür zu seiner Rechten und hörte sogleich wie Will mit zitternden Beinen hinter ihm her stapfte. „Du hast doch nichts dagegen, wenn wir das zusammen meistern, oder?“

Link hängte den Kopf schief und musterte den Laundry: „Du bist doch nicht feige, oder so?“

„Nein, gewiss nicht“, lachte er verlegen, worauf Link sich kopfschüttelnd umdrehte und seufzte.

„Link, ehrlich jetzt, vielleicht ist das genau der Sinn und Zweck so einer Prüfung. Man muss auch teamfähig sein, meinst du nicht auch?“

„War ja klar, dass du wieder mit so einer Rechtfertigung kommst“, murmelte er.

„Und ich habe Recht. Bei all den Dingen, die du über Schlachten weißt, gibt es einen Punkt, den jeder hier mehr verstanden hat als du.“ Etwas verärgert funkelte Link seinen Kumpel an. „Was soll das heißen?“

„Das heißt, dass ich dich kritisiere.“

„Und das maßt du dir so einfach an“, knurrte der einstige Held der Zeit.

„Ja, das maße ich mir an. Erst einmal, egal, was du auch immer in deinem bisherigen Leben erfahren hast, du besitzt nicht das Recht dich aufzuführen wie ein arroganter, eingebildeter Sack, als hättest du mehr Lebenserfahrung als alle anderen Jungs zusammen. Und zweitens scheinst du bei dem Wissen, welches du über Schlachtfelder haben willst, zu vergessen, dass man Verbündete, Gleichgesinnte und Freunde braucht um nur irgendetwas zu erreichen. Das Link, macht dich nicht besser als alle anderen hier. Denn in diesem Punkt sind dir andere meilenweit voraus.“ So, dachte Will, das hatte gesessen. Er sah es in dem verstörten, hilflosen Blick, den Link ihm entgegen schleuderte. Vielleicht war genau das auch mal notwendig, um Link spüren zu lassen, dass er etwas ändern musste. Link blinzelte einige Male und wusste weder auf eine bissige noch auf andere Art auf Wills Standpunkte zu reagieren. Er hatte ihn schlichtweg sprachlos gemacht. Man sah an seiner gesamten Gestik, dass er ernsthaft über Wills Worte nachgrübelte.

„Also meistern wir diese Mutprobe zusammen?“

Link nickte, etwas bleich und fahl im Gesicht, und vielleicht auch etwas beschämt, dass ihm jemand erst einmal die Meinung sagen musste. Aber er nickte…

„Dann mal los. Ich wäre dir trotzdem verbunden, wenn du als erster durch die Tür gehst“, lachte Will dümmlich und gab dem jungen Heroen einen beherzten Stups durch die Pforte, bis er selbst verschwand.
 

Währenddessen paffte der unerkannte Schwindler genüsslich und seine undefinierbaren Augen ruhten in der Ferne, an keinem bestimmten Punkt, sodass man beinah schon seine Gedanken hören konnte wie sie auf Reisen gingen. Er ahnte um Geschehnisse, die nicht aufzuhalten waren. Er ahnte, dass, so sehr er sich auch bemühte, er den Helden der Zeit, den er fast als Sohn betrachtete, in naher Zukunft nicht mehr beschützen konnte. Er tat es nicht nur, weil Prinzessin Zelda ihn darum gebeten hatte. Er tat es, weil er sich ihm verbunden fühlte durch Schicksalsproben, durch Blut und durch Elend.

Der kräftige Rauch stieg aus der Pfeife empor, bildete Muster und Gebilde, und hinterließ einmal mehr ein würziges, angenehmes Aroma. Er grinste halbherzig, schüttelte den benebelten Schädel und atmete tief durch. Wie traurig Hyrule sein konnte. Und wie grausam… in wenigen Monaten, so ahnte er, zogen die nächsten Wogen dunkler Magie über diese Welt. In wenigen Monaten musste der einstige Held der Zeit beweisen, dass er seinen Titel nicht umsonst trug.

Er seufzte und spürte vom Dickicht der Wälder ein paar Augen, die ihn beobachteten. Misstrauisch blickte er sich um. „Gebt Euch preis. Ich habe Euch bemerkt!“, rief er. „Wer seid Ihr?“ In dem Augenblick zog er sein schweres Stahlschwert und machte sich auf einen Kampf bereit. Doch der erwartete Angriff blieb aus, stattdessen trat ein vom Leben gezeichneter Mann aus dem Gestrüpp. Graues, fettiges Haar hing leblos an seinem Kopf herab. Ein zerschlissener Mantel mit Löchern bedeckte seine schmalen Schultern. Und obwohl man vermutete, dass hier jemand zu dem unerkannten Schwindler trat, der sein Leben bereits gelebt hatte, so verrieten die Gesichtszüge des Mannes und vor allem auch seine honiggelben, wachen Augen Kraft und Frische.

Nicholas grunzte etwas angewidert und widmete sich wieder seiner Pfeife. „Sieh einer an, Jake Lancus, der verstoßene Ritter. Wollt Ihr bei mir um Alkohol betteln?“ Der Mann trat japsend näher und wischte sich mit einer schmalen Hand über das abgemerkelte Gesicht. Man sah ihm an, dass er sich lange Monate lediglich vom Alkohol ernährt haben musste.

„Ich weiß, wer Ihr seid“, meinte der Mann trocken und torkelte näher. Er richtete sich etwas auf, presste seine Brust nach außen und hustete.

„Und das heißt was? Dass Ihr mich erpressen wollt?“, lachte Nicholas und schüttelte den Kopf. „Mit Eurem schwächlichen Äußeren und dem Fehlen von Stärke und Rechtschaffenheit hätte ich Euch schon dreimal die Kehle durchgeschnitten noch bevor Ihr beginnen könntet mich zu erpressen.“ Er lehnte sich zurück und ließ sich durch den Mann ihm gegenüber nicht beirren. Er war bemitleidenswert, nicht mehr und nicht weniger.

„Nein…“, sprach Jake Lancus und rückte mit zitternden Händen seinen Mantel zurecht. „Es ist so, dass mich etwas nachdenklich werden ließ.“

„Nachdenklich um Euren Rausch einmal auszuschlafen?“, erwiderte Schwindler spitz und kratzte sich an seinem Dreitagebart.

„Es ist der Junge. Dieser blonde Junge mit diesem verdammten Blick. Dieser Blick, der mich verfolgt“, wollte er erklären. „Er hat das Blut der Furchtlosen in sich. Wie kann das sein?“

Nicholas schloss gelangweilt und zugleich genervt seine Augen. „Du redest wie jemand, der zwischen Alkohol und Nahrung nicht mehr unterscheiden kann. Wer soll nur ansatzweise verstehen, was du mit deinem Erscheinen und deinen Worten bezweckst.“

„Ich will eine Chance“, sprach er und zitterte erneut heftiger, wohl weil der Alkohol ihn wieder zu sich rief und seine Anwesenheit verlangte. Während er sprach, stieg ein beißender Geruch aus seinen dunklen, verquollenen Schleimhäuten. „Und ich möchte wissen, wo dieser begabte Junge seine Wurzeln hat.“ Und da ahnte Schwindler endlich, dass dieser Ritter, dem man seinen Titel und alle Besitztümer weggenommen hatte, tatsächlich von Link sprach.

„Scher‘ dich vom Acker. Was denkst du dir, dass ich meine Schutzbefohlenen an dich ausliefere?“ Nicholas hüpfte schnell und drohend auf seine Füße, hatte in Sekundenbruchteilen seine Waffe gezogen und den älteren Mann mit einem festen Griff niedergerungen. Er setzte ihm die Waffe gnadenlos an den Hals. „Jemand wie du verlangt wahrscheinlich nach dem Tod. Würde ich dich töten, würdest du Ruhe finden und niemand würde dich vermissen.“

Die gelben, benebelten Augen des bemitleidenswerten Mannes blickten weder angstvoll, noch verwundert zu dem scharfen Stahl, der an seiner trockenen Kehle saß. Vielleicht war es ihm inzwischen gleichgültig, dass sein Blut noch floss. Er lachte kratzbürstig.

„Ich warne dich nur einmal. Lass‘ meine Schüler in Ruhe. Und lass‘ vor allem Link in Ruhe. Dieser Junge hat genug hinter sich. Was immer du auch im Sinn führst, erwische ich dich in der Nähe der Ritterschule, bring‘ ich dich in die Schlosskerker!“

„Link also… das ist interessant. Ja, das ist mehr als interessant…“, murmelte der Niedergerungene und lachte. Er lachte so laut, dass es die Schüler in den Tiefen des Erdreichs hören konnten. Und vielleicht lachte er, weil er sich gerade einer Wahrheit bemächtigte, die niemand sonst erahnte…

„Seid leiser!“, brummte Schwindler, aber der Mann ließ sich nicht einschüchtern und lachte nur noch lauter. Nicholas schüttelte angewidert seinen Kopf.

„Ich kann Euch etwas verraten, Herr“, meinte der Mann und umgriff ganz vorsichtig die Schwertklinge, die seine Kehle kitzelte. Er grinste. „Dieser Junge mit diesem ungewöhnlichen und doch beispiellosen Namen… diese Nacht macht jemand mit ihm Bekanntschaft… und seine linke Hand wird ihn in den Wahnsinn treiben… ja, sehr…“

„Woher weißt du das?“ In Nicholas Augen spiegelte sich Entsetzen, dass Jake Lancus einfing. „Ich belauschte jene, die sich wie keine anderen an Stärke laben… ich belauschte jene, deren Triebe sich verzehren nach dunkler Magie… und jene, die nichts lieber ertasten als die Kälte und Rauheit des Todes…“

„Wo hast du jene belauscht?“

„Die Wesen, die geschunden waren?“

„Ja, wo hast du sie belauscht?“, knurrte er mit Nachdruck.

„Nicht weit entfernt von hier… ganz nah der Schule.“

„Und das soll ich dir glauben, du Häufchen Elend?“

„Glaubt, was Ihr wollt. Mich hat es schon gewundert, dass diese Geschundenen mich nicht entdeckt haben.... Aber was hätte jemand wie ich schon zu verlieren…“

Nicholas ließ sofort von dem bemitleidenswerten Mann ab und in seinen undefinierbaren Augen blitzte ein gefährlicher Funke. Er verstand das, was ihm dieser scheinbar unglaubwürdige Mann vermitteln wollte. Und er glaubte an die Entsetzlichkeit der Ereignisse, die ein höheres Wesen für sie Sterbliche plante. Und in letzter Instanz wusste er nun auch, welche Gestalten sich womöglich in dieses teuflische Spiel begaben. Er umfasste seine Waffe nur noch fester und hastete in Richtung der riesigen Höhle und als er die ersten Treppenstufen hinab trat, ahnte er bereits, dass er zu spät sein würde…
 

Mit einem unguten Gefühl standen Will und Link in einem weiteren Gewölbe, in welchem feine silberne Lichtstrahlen nicht erkennbaren Ursprungs durch den Raum glitten und der Sand der Zeit, puderartig und flockengleich, sich mit dem weißen Licht vermischte. Schmale Säulen mit unbekannten und beängstigenden Verzierungen, Geschöpfe mit gigantischen Klauen, die andere Wesen zerfleischten, waren in das Gestein gemeißelt worden. Und den beiden gegenüber, an der am weitesten entfernten Wand lehnend, war eine Gestalt mit großer Kapuze. Einzig ein eitles Grinsen konnte man von seinem Gesicht erkennen.

„Seid Ihr unsere Mutprobe? Müssen wir gegen Euch kämpfen?“, murmelte Will und noch ehe sein Satz vollkommen verklungen war, schnipste der unerkannte Kämpfer mit langen, dürren Fingern und es schien als veränderte sich die Umgebung, als verschwammen die Farben für Link und für Will, als vermischte sich eine Realität mit einer anderen. Im selben Augenblick noch sah Will seinen Kumpel neben sich stehen. Im selben, unbedeutenden Augenblick huschte ein Grinsen über Wills Lippen. Und in einem weiteren, eher beachtungslosen Moment, zerfloss der junge, unerkannte Heroe vor Wills Augen und er sah ihn nicht mehr. Will tapste hin und her, blickte sich verwundert um, doch Link und der vermeintliche Krieger, der ihre Mutprobe darstellen sollte, waren verschwunden…

„Link?“, rief Will und verzog mehr und mehr das Gesicht.

„Komm‘ raus, das ist nicht mehr witzig.“ Und Will begriff in dem Moment das scheinbar an der ganzen Situation nichts witziges, noch etwas gewöhnliches dran sein konnte. Dieser Unbekannte hatte Link mit einem Fingerschnipsen in eine andere Realität gebracht oder einfach nur vor rechtschaffenen Augen verschleiert.
 

Link jedoch, ebenfalls begreifend, dass sich mit jedem seines Atemzugs mehr und mehr Gefahren um ihn bildeten, sah ungläubig einen suchenden und nach ihm rufenden Will neben sich stehen. Es war wie, als befand sich eine Barriere zwischen ihnen und nur er konnte ihn sehen. Er griff nach ihm und alles, was er tastete, war Luft. Alles, was er sehen konnte, als er Wills vermeintliche Schulter berührte, war pechschwarze Farbe, welche zerfloss.

„Was zum…“, murmelte der Heroe und sah Will aufgeregt im Raum herumlaufen. „Ich schätze, das gehört nicht mehr zu irgendeiner Mutprobe…“ Und Links tiefblaue, verunsicherte Augen ruhten auf dem Mann, der noch immer grinsend an der hintersten Wand des Gewölbes lehnte.

„Wer seid Ihr?“, murmelte Link und umkrallte vorsorglich und erfüllt mit der Vorwarnung nahender Gefahr die Waffe in seiner Hand, jenes Schwert, das ihm schon immer Treuedienste geleistet hatte. Jenes Schwert, das einige Geheimnisse in sich trug…

Und erst als Links Blick sich wandelte, als vorgetäuschte Unschuld und Jugend vor dem Sturm und der Rauheit seines Kämpferherzens weichen mussten, und sich der Heroe versuchte auf das zu besinnen, was ihn auszeichnete, erst dann bewegte sich jene Gestalt, die den Heroen herausfordern würde. Während er vorwärts trat, in einem gleichmäßigen, fast lautlosen Tempo, und seine rabenschwarze Kapuze wie von Geisterhand zurückfiel, war es ein entsetzliches und entstelltes Gesicht, das dem Heroen den Ekel ins Gemüt trieb. Starre Augen, ohne Leben und Begierden, ließen ein faltiges und geschundenes Gesicht lieblos und verbraucht erscheinen. Eingefallene Wangen und Lippen so schwarz wie Moor erzählten von Leid und der Sehnsucht nach dem Tod. Und das, was diesen einstigen Elf beschmutzte, was ihn kontrollierte und sein Gewissen ausgelöscht haben musste, zierte blutig und hässlich seine kahle Stirn. Ein rotes Dreieck, niemals sollte man es berühren. Ein rotes, mit Sünden und krankhaften Trieben verseuchtes Mal, das Link an die Bitterkeit und Düsternis seines Daseins erinnerte.

Das rote Dreieck… Berühre niemals das blutrote Dreieck, flüsterte es in seinem Herzen, jenem Gefäß von Sehnsüchten und Gefühlen von Einsamkeit und Reue… Berührst du es nur einmal, zerfleischt es dich…
 

Und als Link sich seiner selbst bewusst, sich erinnernd, wer er war und dass er kämpfen konnte, sein gut ausbalanciertes Schwert in die Höhe hob, ein Zeichen vor allem an sich selbst sendete, auf das es ihn an sein einstiges strahlendes Licht eines Helden erinnern sollte, alsdann zog die Kreatur ihm gegenüber zwei Dolche, gewellt und scharfkantig und schwang sich mit Kraft und Leichtigkeit näher. Der Mann prallte mit einer derartigen Kraft in seinen Dolchen auf den sich verteidigenden Link nieder, dass er einfach brutal und hart an eine hintere Wand gestoßen wurde. Entsetzt über die Kraft jenes Mannes und mehr und mehr begreifend, was das letzte halbe Jahr ohne Training und ohne Kämpfe in seinem eigenen Körper verursacht hatte, richtete sich Link auf, wischte sich über eine blutige Lippe und wollte aus Verzweiflung lachen. Er war so schwach, dass er den einfachsten Angriff nicht abwehren konnte…
 

„Sagt mir zumindest, wer Ihr seid, bevor Ihr mich tötet…“, murmelte der einstige Heroe, dessen Stärke und Mut den Völkern Hyrules so viel Hoffnung geschenkt hatte. Nun aber bettelte er schon fast nach der Erlösung.

„Ihr seht selbst, dass sich ein Kampf gegen mich nicht lohnt, also warum demütigt Ihr mich noch!“ Link brüllte vor Zorn. Er wusste es, ja bei Farore, er wusste, dass er zu nichts mehr fähig und zu gebrauchen war. Verdammt, er wusste, dass er nicht mehr kämpfen konnte und dass sein ganzes Ziel im Leben, sein Traum davon, was er einst für Hyrule hätte sein können, von den Winden vergessener und grausamer Ereignisse hinfort getragen wurde. Aber musste er trotz allem noch derartige Demütigungen erfahren? Ein maßloser Zorn, geboren aus Selbsthass und enttäuschten Wünschen, erfüllte sein Herz und ließ auch das sonst so blasse und ruhende Fragment des Mutes auf seiner Linken aufflackern.

„Wisst Ihr eigentlich, was Ihr vor Euch habt?“, kreischte er, packte sein Schwert aus Verzweiflung noch einmal in seine kalten und schwachen Hände. „Wisst Ihr eigentlich, was Ihr da töten wollt?“ Und das bisschen Kraft, ein Hauch von gestern, ließ den außergewöhnlichen, jungen Mann, sich erneut aufrichten, einmal mehr seine Waffe ziehen und einen weiteren Angriff über sich ergehen. Mit einem unangenehmen Knacken wurde er durch den Raum geschleudert. Ein markerschütternder Schrei, kindlich und flehend, ging durch die Dunkelheit und erschreckte neben Will auch andere Jugendliche, die hinter den verschiedenen Türen nichts vorfanden als leere Räume…
 

Ein weiteres heftiges Klirren, ein Summen, gefolgt von ächzenden Lauten und endenden Schreien hallten durch das Gewölbe und drangen noch einmal an Wills Ohren, der jene Geräusche nicht als wahr erachten konnte. Ja, er hatte sich eingebildet, Links Stimme zu hören. Es war fast so, als rührte jene Manifestation von etwas realem von weither, als wäre er irgendwo in den verwunschenen Wäldern nahe der Ritterschule.

Er suchte nach der Tür, fand jene und wusste doch nicht, dass, wenn er sie öffnete, ob er den richtigen Weg finden konnte. Wo nur war Link? Und was war mit dem Kerl, der grinsend in dem Gewölbe wartete. Er konnte sich aus alledem einfach keinen Reim machen. Als er die Tür öffnete und hinter sich verschloss, sah er den Lehrer Newhead aufgeregt und mit seinem Stahlschwert bewaffnet die letzten Treppenstufen hinunter hasten. Aufgeregt und fast angestochen wie eine für den Ofen bestimmte Wildsau hetzte er zu dem nichtsahnenden Will hinüber und packte ihn an den Schultern.

„Wo, bei Destinia, ist Link?“ Auch die anderen Jugendlichen traten näher und beäugten den Lehrer verwundert. Sie quasselten aufgeregt durcheinander.

„Er ist plötzlich wie vom Erdboden verschluckt worden. Ich habe keine Ahnung“, erklärte Will und begriff mehr und mehr, dass etwas faul war.

„Warum? Stimmt etwas nicht?“ Der Lehrer ließ von ihm ab und biss sich auf die Unterlippe. Er brüllte und nahm Worte in den Mund, den keiner der Jugendlichen hier von ihm erwartet hätte und erklärte: „Jungs, die Mutprobe ist vorbei. Sie bestand darin, dass ihr in der Dunkelheit den Weg nach unten findet. Das war alles. Ihr habt diese bestanden, geht bitte nach oben.“ Erleichtert und gleichzeitig quengelnd und schimpfend traten die Ritteranwärter nach oben.
 

„Das heißt, hinter den Türen war absolut nichts? Aber was ist mit Link? Ich gehe bestimmt nicht ohne ihn zurück zur Schule! Er ist mein Freund“, protestierte Will und macht dem Lehrer deutlich, dass auch er sich sorgte.

„Da stimmt etwas nicht, habe ich Recht?“, murmelte der Laundry und versuchte Newheads ernste Mimik zu verstehen.

„Warum, zum Teufel, muss mit diesem komischen Kauz ständig was passieren!“, rief Will, als der Lehrer nicht antwortete und ihm sein rätselhafter, aufgeregter Blick auch ohne Worte mehr als genug Erzählstoff lieferte.

„Durch welche Tür seid ihr beide gegangen?“ Will zögerte nicht lange und deutete auf die Tür ganz rechts. Mit einem mulmigen Gefühl traten sie beide näher, nahmen nur das Flüstern der Jugendlichen wahr, die aus der gigantischen Höhle unter den hellerleuchteten Nachthimmel marschierten, lauschten dem Wind, der in den Wipfeln der alten Bäume rauschte, aber lauschten nicht dem Schrei des Todes, der eine andere Realität in diesen Sekunden zerfetzte…
 

Trübsinnig, aber auch hoffend, erkundeten sie das kleine Gewölbe hinter jener Tür und beobachteten die Lichtstrahlen, die weiterhin auf eine rätselhafte und verzauberte Weise mit der Dunkelheit spielten. Hier wo jene Strahlen eigentlich nicht sein durften… Und erschöpft und mit leerem Blick, niedergerungen auf die teuflischste Weise, lehnte Link an einer Seitenwand. Seine tiefblauen Augen waren geöffnet und starr. Ziellos verloren sie sich in der Dunkelheit, die seine Fühler so sehnsüchtig nach ihm ausstreckte. Seine Lippe blutete und sein Blut war noch warm. In einer eigenartigen Haltung hing der vergessene Heroe an der steinigen Wand. Seine linke Hand war mit einem gewellten Dolch durchstoßen und an die Mauer gekettet.

„Scheiße, Link!“, brüllte der junge Laundry und hüpfte so schnell er konnte näher. Er wedelte mit seinen Händen vor Links erstarrtem Blick, aber er nahm ihn einfach nicht wahr. Wie hypnotisiert blieben seine tiefblauen Augen an einem unbestimmten Punkt des Gewölbes haften. „Sir Newhead!“, kreischte Will, der in dem Augenblick jegliche Farbe im Gesicht verlor. „Link rührt sich einfach nicht.“
 

Schwindler jedoch war etwas anderes in diesem Raum nicht entgangen. Keine zwei Meter weiter, bedeckt von Dunkelheit im Kampf mit feinen Lichtstrahlen, welche heiter und gelassen in diesem Raum spielten, lag ein Elf, vielleicht ein Hylianer mit einem halbzerrissenen Schwert in der Brust am Boden. Ein blutiges Dreieck zierte seine Stirn und das Leben sickerte wie schwarzer Sand aus der tiefen Wunde seiner Brust. Der unerkannte Nicholas wusste, welchen zweiten Namen jene Kreaturen trugen. Er kannte sie, weil er eine Schar von ihnen schon einmal gesehen hatte. Und eine Schar von ihnen tötete wie Schatten, die von einem Punkt zum nächsten huschten. Man nannte sie auch Blutschatten… weil sie ihr nur mehr scheußliches Dasein mit Blut bezahlt hatten… Link musste diesen dämonischen Ableger der Schattenseiten Hyrule trotz seiner Schwäche in den Tod geschickt haben, auch wenn Link dafür einen bitteren Preis gezahlt hatte. Einer der Dolche des Feindes hatte den Heroen gerade dort erwischt, wo ein letzter Rest seiner Stärke, fast wie ein kleines Heiligtum geschützt wurde…
 

„Sir Newhead, bitte!“, rief Will noch einmal, worauf der stattliche Mann und Beschützer junger Ritteranwärter seinen Kopf schüttelnd endlich näher hastete und den jungen Heroen in seinem absonderlichen Zustand begutachtete. Mitleidig blickte Nicholas seinen Schützling an und auch er versuchte Links Reflexe zu testen. Er reagierte nicht, obwohl man eindeutig seine Atmung hören konnte, und obwohl das mitgenommene Herz in seiner Brust schlug.

„Es muss an diesem Dolch liegen…“, sprach er und erinnerte sich daran, welches heilige Symbol sich doch in Links Händen verbarg. Konnte es sein, dass er vielleicht nur deswegen angegriffen wurde? Und war sein Zustand erklärbar dadurch, dass man das heilige Symbol in seiner Linken mit diesem Angriff schändete?
 

„Aber wie kann das sein? Meint Ihr, Link ist vor Schmerz in diesen Schockzustand geraten?“, wollte der junge Laundry wissen und berührte mit einigen Fingerspitzen den eigentümlich aussehenden Dolch. Er konnte bei jener Berührung aber nichts ungewöhnliches feststellen.

„Link hat sicherlich schon weitaus schlimmere Schmerzen ausgehalten…“, sprach Nicholas leise. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein einfacher Dolch ihn in diesen Zustand bringt…“

„Aber das ist kein einfacher Dolch. Vielleicht lähmt er ihn aus irgendeinem Grund…“

„Das wäre zu einfach… es gibt so gut wie kein Mittel, dass Link lähmen könnte.“

„Dann muss er hypnotisiert worden sein… Er sieht so starr wie Eis aus“, argumentierte er dagegen. „Mmh, nein, ich glaube nicht, dass man Links mentale Barrieren und er hat genug davon, einfach so durchstoßen kann.“

Und in dem Augenblick platzte Will beinah der Kragen. Wütend richtete er sich auf und trat mit seinen Füßen an eine der Säulen, worauf sich sogar feiner Staub von dem alten Gemäuer löste.

„Sir Newhead, Ihr tut so als wisst Ihr wesentlich mehr über Link als ich. Hallo? Nur mal so zur Info, er ist mein Freund, und ich habe wesentlich mehr Zeit mit ihm verbracht als Ihr. Ihr redet von Link in einer Weise, die mir nicht gefällt!“

„Klingt fast so, als wärst du eifersüchtig“, lachte Schwindler, worauf Will das Gesicht auf eine beschämende Art und Weise verzog. Er wurde knallrot um seine Nasenspitze, sodass diese rote Farbe selbst in jener Dunkelheit sichtbar war.

„Bei den Göttinnen!“, rief er empört, worauf der Ältere nur lachte. „Das hat doch damit gar nichts zu tun!“ Und da verstand der junge Laundry, dass er aus irgendeinem Grund maßlos übertrieben reagierte. Will wusste nicht, warum er so aus der Haut gefahren war. Sicherlich, er machte sich Sorgen, aber vielleicht realisierte er auch jetzt wieder, dass er über Link, auch wenn er ihn mittlerweile als seinen besten Freund ansah, zu wenig wusste…
 

„Jedenfalls sollten wir versuchen, Link von dieser Wand zu lösen“, murmelte der Mann, umfasste mit Sorge den Dolch und zog jenen mit einem Ruck aus Links Hand, sodass der Heroe endgültig in sich zusammenfiel. Mit einem Knacken, auf das ein leichtes Winseln und Stöhnen aus seinem Mund drang, lag er auf dem steinernen, kalten Boden und hielt sich sofort reflexartig seine verletzte Hand fest. Noch nicht realisierend, dass er den Kampf gegen seinen Angreifer gewonnen hatte, und nicht realisierend, dass zwei Freunde besorgt neben ihm standen, hetzte er auf, krallte sich ein Messer, dass er in seinem rechten Stiefel trug und war dabei den Lehrer Newhead anzugreifen. Link reagierte panisch, fast wie ein sterbendes Tier, dass seinen letzten Fluchtversuch in die Freiheit unternahm, aber gegen ein gefährliches und starkes Raubtier nicht bestehen konnte. Für Nicholas war es ein leichtes Spiel, dem unerkannten Heroen das Messer aus der Hand zu schlagen und ihn in einem starken und gemeinen Griff festzuhalten und erst da blickte Link auf. Seine Augen waren wässrig und mehrere Adern in dem weißen Glaskörper waren geplatzt. Er wurde schlapp und ließ sich einfach zu Boden sinken, als er erkannte, dass es vorbei war.
 

„Link?“, murmelte Nicholas fragend. „Erkennst du uns nicht?“

Sich auf einen unerträglichen Schmerz an seiner linken Hand konzentrierend, presste er seine Rechte darauf, bemüht, das schwach glühende Fragment des Mutes darunter zu verstecken.

„Link?“, sprach auch Will in seiner tiefen Stimme, worauf der Angesprochene erschrocken aufsah. Seine größte Sorge galt der Tatsache, dass Will das Fragment auf seiner Hand entdeckt haben könnte. Jener aber, und Link würde auch dies erkennen, war in diesen schockierenden Minuten so durcheinander gewesen, dass er nicht die Möglichkeit hatte, Links Hand überhaupt genauer zu betrachten.

„Scheiße, Mann, was ist denn überhaupt passiert?“, murmelte Will und half dem kränkelnden Heroen auf seinen beiden Füßen zu stehen.

„Ich weiß nur noch…“, begann Link zu sprechen, und als er seine Stimme erhob, war auch in jener ein bedrohliches Anzeichen zu deuten, dass auch jemand wie der Held der Zeit Ängste besaß. Auch Heroen fürchteten Schicksalsschläge, Dämonen und die Grausamkeiten der Welt. Selbst Helden waren davor nicht gefeit. Seine Stimme zitterte und sein Körper sehnte sich nach Ruhe und Schlaf.

„Diese Kreatur…“, flüsterte der Heroe und blickte sich mit schläfrigen, noch immer so leeren Augen um. „Er sagte nur eines zu mir… dass ich meine größte Sehnsucht niemals wieder mit eigenen Augen erblicken könnte… Nur eines… und dann griff er mich immer wieder an. Den Rest hat mein Schwert erledigt…“ Link taumelte etwas schwerfällig zu der Leiche, die immer mehr in sich zusammenfiel, und sah sein Schwert halbzerfetzt in der Brust jenes Mannes stecken. Lethargisch stand er da, seufzte und erinnerte sich, dass er einen letzten Trumpf ausgespielt hatte. Sein Schwert hatte ihn beschützt. Sein Schwert, auf dem eine Magierin einst einen wirkungsvollen Schutzzauber gelegt hatte.

„Ich habe diesen Mann nicht getötet, dazu habe ich nicht die Kraft… es war mein Schwert…“, erklärte der Heroe und berührte ein letztes Mal den Griff jener Waffe.

„Es war dein Schwert?“, meinte Will. „Willst du damit sagen, dass…“ Link nickte trübsinnig. „Ein Schutzzauber, den ich immer aufgespart habe und der hiermit verbraucht wurde…“, setzte er hinzu und hielt seine Linke immer fester. Es brannte wie die Pest. Und es blutete ziemlich übel. Und nun, nach einem weiteren Angriff und sich schleichenden bitteren Gefühlen, die sich durch Links Herz wagten, erkannte er weitaus mehr. All das, was in dem letzten halben Jahr, mit seiner Amnesie geschehen war, geschah nicht ohne Grund. Er war nicht schwach geworden durch einen simplen Zufall oder eine Laune der Natur. Jemand war hinter ihm her. Und diese Geschundenen, die einen für ihn noch unbekannten Meister hatten, verlangten seinen Tod…

Kapitel 26

,Die Tage werden ereignisreich und düster. Es packt mich mit einer solchen Gewalt, das ich verzweifeln möchte. Ich kann nicht länger vor diesem Kampf fliehen. Ich muss mich dem stellen, was von mir erwartet wird. Meinen Sehnsüchten und meinen Aufgaben. Was ist nur mit mir passiert?‘
 

Links Gedanken waren schwer und schienen wie ein Klotz auf seinem Herzen zu hängen. Ja, die letzten Wochen und Monate waren nicht einfach gewesen und er blickte sehr düsteren Zeiten entgegen. Wenn seine Krankheit nicht verschwand, wenn er nicht mehr seinen Daseinsgrund erfüllen konnte, würde er nicht mehr glücklich werden. Er begann sich selbst zu vermissen, suchte irgendwo in seiner Seele nach dem einstigen Helden. Denn irgendwo dort, verschüttet, atmete jener Held noch und suchte nach dem rettenden Anker…
 

Der einst bemützte Jüngling trottete hinter einem aufgeregten Will und einem immer rätselhafter werdenden Nicholas durch die Wälder. Er presste seine Rechte gegen die schmerzende Linke und grübelte beharrlich über das nach, was ihm vor wenigen Minuten geschehen war. Einer jener Geschundenen hatte versucht ihn umzubringen. Was, bei Farore, wollten diese widerlichen Sektenmitglieder von ihm? Lag es an seinem Fragment und besaßen sie den Begehr jene goldene Macht auszunutzen? War es, weil er den Angriff auf die Lon-Lon-Farm beobachtet hatte und somit als ein einziger Zeuge wusste, was wirklich dort geschehen war? Und wie hatte es dieser Unhold geschafft ihn in eine andere Realität zu zerren?

Link musste mit irgendjemanden darüber reden, das wusste er. Und er musste es schaffen sein derzeitiges schlecht gelauntes Gemüt zur Seite zu schieben. Ebenso musste er sich aufrappeln und endlich herausfinden, was mit der hübschen Bauerntochter Malon passiert war. Irgendjemand musste ihm helfen, auch wenn es für ihn ziemlich schwierig sein würde Hilfe im Umsetzen seiner Überlegungen anzunehmen.
 

Derweil unterhielten sich Will und Newhead, der die Leiche des getöteten Sektenmitglieds über seine Schulter geworfen hatte, über das, was in den nächsten Stunden geschehen musste. Zunächst einmal musste der Rat der Wächter, zu denen auch Wills Vater zählte, informiert werden. Und das auf schnellstem Wege. Jeder, der den Helden der Zeit angriff, machte sich in dem stolzen Königreich strafbar. Und schließlich würden zwingend Besprechungen mit der Königsfamilie stattfinden müssen.

„Irgendwie ist mir dieser Vorfall einfach nur unheimlich. Warum wurde Link überhaupt angegriffen, das will mir nicht in den Kopf! Und wer sind diese stinkenden Hylianer überhaupt?“, murrte der junge Laundry, stapfte aufgeregt durch die Wälder und ahnte, dass sowohl Newhead als auch Link mehr wussten als er. Er warf einen verächtlichen und angewiderten Blick zu der Leiche über Newheads Schulter. Dann verschränkte er die Arme und sah Newhead fragend an.

„Warum sie ausgerechnet Link angreifen ist mir ein Rätsel.“ Nicholas wand sich zu Link und zwinkerte, sodass es Will nicht sah. Da seufzte Link erleichtert, dass er seinen Kumpel aus den Angelegenheiten heraushalten wollte. „Ich frage mich tatsächlich, ob es nicht ebenso einen anderen Schüler hätte treffen können. Immerhin hätte jeder andere Schüler auch durch diese eine Tür gehen können.“ Das klang für Will zwar nicht hundert Prozent logisch, aber irgendwo auch einleuchtend. Woher hätte dieser Angreifer wissen sollen, dass Link und er ausgerechnet diese Tür auswählten?

Newhead setzte außerdem hinzu: „Aber ich weiß zumindest, dass es ein Mitglied der Geschundenen der Macht gewesen ist. Und man nennt jene, die Unschuldige angreifen und gerne morden: Blutschatten.“

„Blutschatten“, murmelte Will. „Das klingt widerlich.“ Damit wand er sich zu einem stöhnenden Link um, der mit den Zähnen knirschte vor Schmerzen. „Deine Hand hat es echt übel erwischt, was?“

„Hätte schlimmer sein können.“ Link grinste halbherzig, wollte er doch unbedingt sein Gesicht vor Will wahren, obwohl ihn sein Kumpel für ein unabänderliches Jammern angesichts einer solchen Wunde niemals verurteilt hätte. Und es brannte höllisch…

„Hast du schon dein Heilmittel probiert?“ Link musste dummerweise nicken. Es war seltsam, die Tränen der Nayru hatten ihm zwar geholfen sich etwas besser zu fühlen, aber die Wunde schien einfach nicht zu verheilen.

„Egal, ich bin echt froh, dass dein Schwert über einen solchen Schutzzauber verfügte.“ ,Obwohl ich gerne nachgebohrt hätte, woher du diesen Zauber hast‘, dachte Will weiterhin. Aber er unterließ es nachzufragen, weil es Link im Moment nicht gerade gut ging. Will war der Meinung, dass er erst einmal verdauen musste, dass man ihn ermorden wollte.

„Ich war auch froh über jenen Zauber“, sprach Link leise. „Aber es ist schade. Diese Waffe war mir irgendwie wichtig…“ Er war sichtlich enttäuscht, dass sein Schwert ruiniert war.
 

Will zuckte mit den Schultern. „Ändern kannst du es ohnehin nicht mehr. Aber viel wichtiger. Warum hast du jenen Zauber eigentlich vor einigen Tagen, du weißt schon, als der Blutmoblin dich angegriffen hat, nicht eingesetzt?“

Link blickte gedankenversunken auf und beobachtete das Spielen und Herumwirbeln des kühlen Windes in den sich gelb- und rotfärbenden Blättern der Zweige. Hier und da wirbelte der Wind abgestoßenes Laub hinfort. Das rötliche Licht von Wills Fackel ließ ihn die Welt beobachten. Und jener Schein der Melancholie und Sehnsüchte erhellte die stillen Wälder auf eine absonderliche, arglistige Weise.

„Link?“, erinnerte ihn die Stimme Wills.

Der Angesprochene tapste einige Meter weiter, beobachtete wie der Fluss der Zeit und der Lauf des Lebens sich veränderte. Das rötliche, beinah teuflische Licht erinnerte ihn daran, was er sich einst geschworen hatte. Seine Mission galt dem Schutz… und dem, was er in der einst dunklen Zeit vollbringen wollte. Dem Beschützen der Hylianer, die er respektierte und brauchte.

„Ein Schutzzauber ja… Ich habe ihn niemals verwendet, weil ich ihn immer für jemanden besonderen aufsparen wollte. Jemanden, der immer… immer…“

„Das mag ja durchaus edelmütig sein“, unterbrach ihn Will. „Aber ich schätze, welche Magierin auch immer diesem Schwert diese Fähigkeit schenkte, hatte sicherlich den Wunsch, dass es seinen Träger irgendwann beschützt, niemanden sonst.“ Damit klopfte er Link auf die Schulter.

„Will hat Recht“, mischte sich Nicholas ein. „Vielleicht sollte jemand, der ständig an das Wohlbefinden anderer denkt, realisieren, dass er für seine Beschützten ebenso wichtig ist. Denk‘ zur Abwechslung einmal an dich, Link. Auch ich bin froh, dass dir nichts Schlimmeres passiert ist.“
 

Will und Nicholas traten weiter und grübelten über das Erlebte, während Link wie vor den Kopf gestoßen, starr und verdattert, und den beiden von dannen stapfend, zusah. Die Tatsache, dass sowohl Nicholas als auch Will sichtlich froh waren, dass ihm nichts Schlimmeres geschehen war, wärmte ihm ungemein das Herz. Ungläubig sah er den beiden hinterher…
 

Als Newhead und seine beiden Schüler die namhafte Ritterschule erreichten, warteten bereits die restlichen Schüler mit Aschwheel im Innenhof. Einige ältere Schüler waren ebenfalls versammelt. Einige schauten aus den Fenstern der Schule und auch Mädchen von nebenan blickten aus den Rundbogenfenstern und wollten aus blanker Neugierde herausfinden, was geschehen war. Sie sprachen aufgeregt durcheinander. Einige der jüngeren Schüler schienen ganz und gar aus dem Häuschen zu sein. Und manche erzählten über ihre Vermutungen und Theorien zu den Ereignissen in der Nacht. Und jeder beäugte misstrauisch und angeekelt den Toten, den Newhead mit sich herumschleppte.
 

„Bei Destinia, Newhead. Was, zum Teufel, ist geschehen?“, sprach der alte humpelnde Aschwheel aufgeregt und beäugte die Leiche mit skeptischen Gesten.

„Erkläre ich später“, meinte Nicholas ruhig. „Ich muss sofort die Friedenswachenden verständigen. Ich kann nur so viel sagen, dass dieser Mann unsere Schüler angegriffen hat. Den Göttinnen sei Dank, dass Link ihn bezwingen konnte. Jemand muss diesen Mann untersuchen…“ Doch Nicholas Andeutung, dass Link etwas mit der Sache zu tun hatte, war zu viel des Guten. Die Jungen, die aneinander gereiht und leicht entsetzt zuhörten, begannen in heftige Diskussionen auszubrechen. ,Schon wieder der komische Kauz. Mit dem stimmt etwas nicht.‘ Link, dessen Verletzung ihm inzwischen an die Nieren ging, rollte nur mit den Augen.
 

„Ruhe!“, murrte Aschwheel in einem Ton, den man ihm fast nicht zutraute und plötzlich verstummten die Schüler. „Wir haben hier wichtige Dinge zu diskutieren. Ihr geht jetzt alle in eure Zimmer. Das ist eine Anordnung.“ Und damit schritten die Knaben brummend zurück durch die große Pforte der Ritterschule, alle bis auf Link und Will.
 

„Als der Blutschatten Link angriff, hat er sein Recht auf ein anständiges Grab verwirkt. Wir sollten ihn in die Hände von Professor Morchas geben“, legte Nicholas dar.

„Professor Morchas? Bist du dir da sicher?“, murmelte der Alte.

„Er ist der einzige, der sich mit Giften und Flüchen in unseren Körpern auskennt. Er wird diesen Typen aufschneiden.“ Und Nicholas ließ die Leiche endlich auf den kalten, leblosen Boden krachen. „Und uns hoffentlich mehr über die Geschundenen der Macht sagen können.“ Link hörte nur verwirrt zu und hatte das Gefühl rein gar nichts mehr zu verstehen.
 

Aschwheel nickte jedenfalls einsichtig. Er blickte Link mit seinen alten, weisen Augen an und meinte ruhesuchend: „Gut. Dann senden wir Sturmtauben nach Hyrule Castle und berichten der Königsfamilie um weitere Pläne. Und der Friedenswachende, der erscheint, soll die Leiche auf schnellstem Wege zu Professor Morchas bringen. Wer weiß schon, was selbst die Überreste einer solchen Kreatur anrichten können. Ich will sie auf keinen Fall nahe der Schule wissen.“ Damit humpelte Aschwheel ebenfalls zurück in sein Quartier.
 

Link sah ihm kritisch hinterher. Er wusste nicht recht, was er von Aschwheel halten sollte. Manchmal verhielt er sich unglaublich kühl, aber er tat nichts, was ihm, als Helden der Zeit, nur irgendwie schaden würde. Und Link wunderte eines. Auch jener Ritter wusste Bescheid über die Geschundenen der Macht. Wenn die Ritter Hyrules sich mit diesem Bündnis befasst hatten, warum hatte Zelda ihm bisher nie etwas darüber erzählt?
 

„Link?“ Und der einstige Schwindler riss ihn aus seinen Gedanken. „Du solltest in den Krankenflügel gehen. Schau‘ doch morgen in meinem Büro vorbei.“ Der Junge nickte und wand sich zu seinem Kumpel Will um, dessen lila Augenringel immer größer zu werden schienen. Aber er grinste aufmunternd. Sie tapsten gemeinsam zurück in das Schulgebäude, bis sie in der großen Halle standen. Neben anderen älteren Schülern stand auch der hochnäsige Ian mit seinen Freunden heißblütig diskutierend in der Aula. Als sich mehrere Augen auf Link richteten, schien die Menge mehr und mehr zu verstummen.

„Stimmt das? Du hast einen Kerl umgebracht?“, rief Ian, worauf ein nerviges Getuschel losbrach. Link hatte alles andere als Lust sich mit diesen Besserwissern anzulegen, fühlte sich ohnehin nicht mehr so besonders, als ob die verletzte linke Hand die restliche Energie aus seinen Venen ziehen wollte.

„Na und?“, mischte sich Will ein und wollte seinen Kumpel verteidigen. „Wenn man dir an den Kragen will, würdest du dich auch wehren.“ Ian zupfte sich an seinem spärlichen Bartwuchs auf jene Bemerkung hin und bemerkte interessiert: „Verwunderlich, dass man ausgerechnet diesen unbedeutenden Kauz umbringen will.“ Dann lachte er und wand sich zu seinen Kumpanen um. „Meint ihr nicht, dass es irgendwie verdächtig ist, dass man diesen namenlosen Kerl loswerden will?“ Und sogleich schienen ihm alle zuzustimmen.

„Wenn man dich umgebracht hätte, was hätte sich dadurch denn verändert?“, meinte er noch und lachte einmal mehr spöttisch.

„Das willst du nicht wissen…“, murmelte der Heroe. Link verdrehte lediglich genervt seine Augäpfel und tapste schließlich ohne weitere Worte an die Menge, oder an Will, die Treppe hinab ins Untergeschoss. Will wollte ihm noch folgen, aber als Link seinen Schädel schüttelte, verstand er, dass jener jetzt Ruhe brauchte. William seufzte etwas frustriert, versuchte seinen Freund aber dann zu verstehen, gähnte und verschwand im gemeinsamen Quartier.
 

Der junge Held der Zeit tapste etwas erleichterter die Treppe hinab, war froh, dass Will ihm nicht folgte. Er wollte nicht, dass der Laundry das Fragment entdeckte. Es reichte ihm schon die Befürchtung die Krankenschwester würde das Fragment erblicken. Aber wenn er seine Wunde nicht behandeln ließ und Will oder Nicholas dahinter kamen, dass er sich nicht helfen ließ, würde er sich einmal mehr rechtfertigen müssen. Sie würden ihn wieder ausquetschen wie eine reife Zitrone. Vor allem Will würde solange nach dem Grund seiner Feigheit vor Hilfe fragen, bis er womöglich noch seine Hand sehen und das Fragment entdecken würde. Also atmete Link einmal tief durch und hoffte auf Verständnis von Seiten der Heilerin in der alten Ritterschule.
 

Der Krankenflügel war ein Ort, an welchem keiner der Ritteranwärter gerne eine Verabredung hatte. Zunächst einmal lag jener Bereich versteckt im Keller, neben den einstigen Kerkern, wo Geschöpfe niederer Gesinnung gefoltert und getötet wurden. Und es war nicht die Ausnahme, dass Kranke, die von den Heilerinnen behandelt wurden, in dem alten Gemäuer die Stimmen der Verstorbenen hören oder gelegentlich ein Geistwesen durch die Gänge huschen sehen konnten.
 

Mit seiner pochenden linken Hand und leichter Panik, das noch immer sichtbare Fragment des Mutes - das selbst im zerstörten Fleisch seiner Handfläche zu entdecken war- würde von der Krankenschwester begutachtet werden, tapste Link vorwärts und vermutete Schlimmes. Er hatte die Krankenschwester hier noch nie gesehen und wusste auch sonst nichts über sie. Aber das Wort Krankenschwester allein löste Horrorphantasien in seinem jugendlichen Kopf aus. Er dachte an Spritzen. An ein fettes, wahnsinniges Grinsen aus einem breiten Gesicht einer rundlichen Dame mit einer Schürze und einer weißen Haube auf dem Kopf. Und an riesige, schlabbrige Hände…
 

Er beobachtete die Fackeln an den Wänden und das unwirkliche Schillern des sonnenroten Lichts an den Spinnweben, die sich an den kahlen Mauern ausbreiteten. Scheinbar gelangte nicht allzu oft jemand in diese weniger einladenden, finsteren Gänge.

Das Gemäuer wies außerdem unheimlich viele Risse auf, fast so, als standen jene Gänge einst unter Wasser. Hier und da bildete sich Moos an den Wänden, und ab und an vernahm der Heroe Geräusche, dumpf und leiser werdend, welche ihn an die Tempel Hyrules erinnerten. An lachsfarbene Klauen, die unverhofft aus den Rissen an den Wänden drangen und sich nach frischen Lebenssaft verzehrten. Seine Schritte führten ihn weiterhin voran…

Und so klopfte er vorsichtig und mit leichten Unbehagen und einem letzten feigen Gedanken an eine klapprige alte Tür, die plötzlich nachgab. Und er musste zugeben, dass die Krankenschwester, die mit runzelnder Stirn vor ihm stand, ganz und gar nicht seiner Vorstellung entsprach.
 

Er musste sich eingestehen, dass er noch nie eine derart hübsche Krankenschwester gesehen hatte. Es war eine junge, sicherlich adlige Lady, die in der nebenan befindlichen Mädchenschule vom dortigen Unterricht profitierte. Und es war eines der wenigen Male, dass ein Mädchen größer war als er. Sie besaß hellblondes, dickes Haar, das lediglich bis zu dem Nacken reichte. Und ihre dunklen, schokoladenfarbigen Augen und der Ausdruck darin erinnerten ihn an jemanden. Neugierig sahen sie auf ihn hinab und sie lächelte verträumt, fast so, als war sie zu müde, als sich jetzt noch um einen Patienten zu kümmern.

„Guten Abend, kann ich dir irgendwie helfen?“, meinte sie. Und auch ihre Stimme verwunderte den vergessenen Heroen. Sie klang etwas untypisch für ein Mädchen, unglaublich beherrscht und ungewöhnlich tiefgehend.

Link öffnete seinen Mund einen Spalt, wollte seine verletzte Hand erklären, aber da entdeckte diese Dame seine Verletzung bereits, packte ihn am rechten Handgelenk und zog ihn hinein in die wohnzimmergroße Krankenabteilung.
 

Link musste erst einmal schlucken, als er den Raum betrat. Es roch ungeheuer stark nach Medizin und ungewöhnlichen Substanzen. Er hatte nur einmal einen derart furchterregenden, Brechreiz anregenden Geruch vernommen. Und das war im Labor des Professors vom Hylia-See. Versucht den Geruch zu ignorieren, begann er sich zu orientieren und erstaunte mit jedem Blick mehr. Es war unglaublich faszinierend sich die vielen exotischen Gegenstände hier unten zu betrachten. Es waren nicht die Liegen oder die Stühle, die ihn verwunderten, sondern die Regale mit schwarzen winzigen Schädeln, die vielen Behältnisse mit merkwürdigem Inhalt wie Pflanzen und bestimmte Insektensorten, wie auch seltsame funkelnde Mixturen. Und in fast jeder Ecke stand eine hohe Standkerze, spendete wohlige Wärme und ließ die vielen Glasbehälter in den Regalen funkeln. Sie deutete auf eine Liege, worauf der Heroe etwas nervös zu jener tapste und sich zappelig setzte. Seine tiefblauen Augen blickten sich weiterhin erstaunt um, bis ihm bewusst wurde, dass die Dame seine verletzte Hand sicherlich gleich begutachten würde. In ihrem langen, zugeknöpften, babyblauen Kleid trat sie näher und zog sich ein paar sehr dünne Stoffhandschuhe über. Sie nahm einen Kasten von einem Regal. Ein hübscher Holzkasten, der mit einem magischen Wort von den schmalen Lippen der Dame aufsprang.
 

„Du bist einer der neuen Ritteranwärter, nicht wahr?“, sprach sie beherrscht und blickte ihm zunächst in seine tiefblauen Augen. Sie lächelte sanft, beinah so sanft und erhaben wie Zelda, was ihn sogleich nervös werden ließ. Sich räuspernd sah er weg.

„Ja, ich habe dieses Jahr an der Schule das Studium begonnen…“, versuchte er zu erklären.

„Aber du bist älter als die meisten Neuanfänger.“

„Ja, das ist etwas komplizierter.“

Sie seufzte und blickte streng zu seiner linken, verwundeten Hand. „Sicherlich nicht so kompliziert wie diese Wunde.“ Sie deutete mit dem Zeigefinger darauf und schien auf Erklärungen zu hoffen. Mit dem Holzkasten in ihren Händen, platzierte sie sich auf einem Stuhl und musterte ihn wieder.

„Wo hast du dir diese Wunde geholt?“, meinte sie. Link hielt die Hand zunächst mit dem Rücken nach unten, sodass jene Dame das Fragment nicht entdecken konnte.

„Es gab einen Vorfall bei der Testung der jungen Ritteranwärter…“, erklärte er.

„Mmh, verstehe.“

„Mehr wollt Ihr gar nicht wissen?“

Sie lachte leicht und lächelte einmal mehr geheimnisvoll und mysteriös. „Nun ja, du bist nicht der erste der neuen Jungen, der sich eine Verletzung holt.“ Link zuckte nur mit den Schultern und hoffte, sie würde die Wunde einfach verbinden, ohne jene genauer zu betrachten und er konnte sich endlich ausruhen nach diesem verdammten Tag. Wenn diese Dame nur wüsste, dachte er…
 

Sie begann schließlich damit seinen Handschuh mit einer silbernen Schere aus ihrem Holzkästchen aufzuschneiden und tupfte das Blut von seiner Handinnenfläche. Dann nahm sie eine Lupe, was ihn bereits verwunderte und sah sich die innen befindliche Wunde ganz genau an.

„Deine Wundränder sehen irgendwie merkwürdig aus…“, sprach sie, bis sie vor scheinbarer Irritation die Lupe fallen ließ. Da zuckte Link seine Hand zurück und er ahnte, dass sie mehr gesehen hatte, als es ihm lieb war. Er rutschte mit seinem gesamten Körper weiter nach hinten, sodass die Liege quietschte, begann unheimlich nervös zu werden, aber gerade dann packte die Dame, die mit ihrer eher dünnen Statur mehr Kraft hatte, als er annahm, seine linke Hand so fest, dass er aufschreien musste. Er kreischte, aber sie ließ seine Hand einfach nicht los.

Mit einem Ruck drehte sie sein Gelenk herum, fixierte abwechselnd seine tiefblauen Augen und schließlich wieder die blutende und nässende Wunde. „Kein Wunder, dass dein Fleisch funkelt…“, sie sprach leise und ehrfurchtsam. „Du trägst die Macht der Göttinnen in dir…“ Sie lächelte ihn aufmunternd an und begutachtete seine hässliche Fleischwunde einmal mehr.
 

Link hatte das Gefühl, er bekam beinahe einen Herzkasper. Zunächst hatte sie sehr unwirsch und schmerzhaft seine Hand umfasst, die ohnehin höllisch schmerzte, und schließlich machte sie mehr als deutlich, dass sie wusste, wer er war.

„Du bist der einstige Held der Zeit, nicht wahr?“ Link sah ermüdet drein und seufzte.

„Wer sagt das?“ Genervt zog er seine Hand zurück, ärgerte sich, dass diese Dame sein Geheimnis so schnell herausgefunden hatte. Aber was hatte er denn erwartet? Dass eine adlige Krankenschwester sich mit der alten Legende nicht auskannte, obwohl jeder im stolzen Königreich über den Helden der Zeit Bescheid wusste? Hatte er tatsächlich geglaubt, er könnte sein Fragment irgendwie verstecken?

„Ich könnte es genauso gut gestohlen haben…“, meinte er verärgert und presste vor Schmerz seine rechte Hand wieder auf die brennende Linke.

Sie grinste etwas verlegen und trat erneut zu ihm. „Beruhige dich wieder. Ich wusste schon, als du vor der Tür standest, wer du bist…“
 

Links Augen fielen beinah aus den Höhlen, so unglaublich entgeistert sah er die Dame an. Den Schmerz in der Hand fühlte er schon gar nicht mehr, weil er sich auf irgendeine Weise für sich selbst schämte. Eine weitere Hylianerin, die sein wahres Ich kannte, wie sollte er in Zukunft sein Geheimnis überhaupt noch wahren können?
 

„Es wissen genügend Leute, wer du bist, auch wenige Mädchen an der Ritterschule. Ich weiß es von Valiant von Hyrule, meinem Verlobten…“ Sie sprach sehr leise und fast trübsinnig. Es klang beinah so, als steckte hinter jener Verlobung etwas Verbotenes. Link erinnerte sich, Will hatte einmal erzählt, dass Valiant eine Verlobte hatte und dieses Mädchen vielleicht irgendwann Königin werden könnte. Jedoch nur, wenn Zelda aus irgendeinem Grund ihren Thron abgeben sollte…
 

„Dein Name ist Link, richtig?“ Die Wangen des Angesprochenen glühten wie rotes Elixier, als sie ihn auf eine Weise musterte, die er fast nicht verstand. Er fand es lediglich peinlich und schämte sich schon wieder. Jene Form von Bewunderung aus ihren schokoladenfarbigen Augen machte ihn nervös.

„Ja…“, stotterte er bloß, setzte sich erneut und rückte ihr wieder, ganz freiwillig, und ohne Gegenwehr, seine linke Hand entgegen.

„Valiant erzählte mir, dass der Held der Zeit diesen Namen trägt“, ergänzte sie. „Er redet sehr oft über dich und über Zelda.“ Doch das verwunderte den jungen Heroen irgendwie. Warum sollte sich Valiant für ihn interessieren? Hatte er nicht ständig versucht ihm klar zu machen, dass er nichts von ihm hielt? Hatte er ihm nicht sogar verboten Zelda zu sehen?
 

Derweil tupfte die Dame mit einer dunklen, schleimigen Substanz über seine Wunde und begann das Gewebe zu reinigen. Sie machte ihm deutlich, dass er sich hier eine magische Wunde zugezogen hatte, die man mit gewöhnlichen Wundmitteln nicht schließen konnte. Sie tunkte einen Verband in eine grünliche Masse und verband seine Wunde sorgfältig. Im Nu war seine gesamte Hand von dem grünlichen Verband umgeben.

„Entschuldige… aber ich weiß deinen Namen noch nicht einmal…“, begann Link dann, als das Mädchen ihre Holzschatulle wieder schloss und auf eines der Regale stellte. Konnte es sein, dass sie nicht auffallen wollte?
 

„Ich bin Eliza McDawn… mein Bruder Artus hat letztens von dir erzählt und dass du ein ganz interessanter Hylianer sein sollst.“ Links Mund stand einmal mehr offen, als er realisierte. Tatsächlich, sie war Artus‘ ältere Schwester, und ihre Gesichtszüge hatten ihn an jenen Kameraden erinnert.

„Aber keine Sorge, er weiß nicht, wer du bist“, setzte sie leicht befangen hinzu. Links erleichtertes Seufzen verriet ihr ebenfalls mehr als er beabsichtigt hatte.

„Irgendwie kann ich sogar verstehen, dass du nicht erkannt werden willst…“, seufzte sie. „Ich würde diesen Ruhm auch nicht wollen…“ Aber jener Satz machte Link irgendwie stutzig. Sie war schließlich mit Valiant von Hyrule verlobt. Wenn sie ihn heiratete, dann war gewisser Ruhm nicht zu vermeiden. Wenn sie jemand war, der sich lieber im Hintergrund hielt, wenn sie eher unauffällig bleiben wollte, dann hatte sie sich den falschen Lebensweg ausgesucht.

„Ich weiß, was du denkst… Ich kann dazu nur sagen, dass nicht jeder über sich selbst bestimmen kann. Meine Familie hat diese Verlobung arrangiert…“ Link zwinkerte einige Male und sah dann sehr nachdenklich zu Boden. Das bedeutete, dass diese traurige Eliza McDawn nicht entscheiden durfte, wie ihre Zukunft aussah. Und Link verstand wesentlich mehr. Er war zwar vergessen, und er war krank, verflucht, aber er konnte noch immer über sein künftiges Schicksal entscheiden…
 

„In gewisser Weise konnte ich über mein Leben auch nicht immer entscheiden“, murmelte er. „Aber meine Zukunft steht mir völlig offen… Ich wüsste nicht, wie ich mich fühlen sollte, wenn mein Leben fest geplant wäre…“ Er versuchte Anteil zu nehmen, denn irgendetwas sagte ihm, dass Eliza nicht glücklich war. Und er konnte in ihren warmen braunen Augen etwas erkennen, was ihn bedrückte. Sie hatte Angst… vielleicht sogar vor Valiant.

„Bist du nicht wütend auf jene, die dein Leben bisher bestimmt haben?“, meinte sie leise und reichte ihm einen weichen Lederhandschuh, den er im Notfall über seine Hand ziehen konnte. Link ahnte, dass sie Zelda meinte. Denn sie war schließlich diejenige, die das meiste seines Lebens in bestimmte Bahnen gelenkt hatte.

„Ich war nie erbost, dass Prinzessin Zelda mir diese Aufgabe anvertraute… Sie gab mir ein Ziel, sie schenkte mir damit meinen Lebenssinn… das, was ich vermisste… Sie füllte mein Herz…“, sprach er sanft und ein Funken Glück und Erinnerung strahlte aus seinen tiefblauen Augen. Ein Funken, den Eliza bei den meisten Männern noch nicht gesehen hatte.

„Das ist wunderschön“, meinte sie dann. „Du bist warm und zärtlich, damit hast du Valiant einiges voraus…“ Sie blickte trübsinnig zu ihren Füßen. „Er kann sich oftmals gut verstellen. Und manchmal scheint es, als interessiere er sich nur für Zelda, mehr als ein Cousin das tut. Ich will dich nicht beunruhigen, aber ich möchte, dass du, als Held der Zeit, das weißt.“

Link nickte und bedankte sich fast ein wenig umständlich bei der jungen Schönheit. Er kratzte sich an seiner Stirn und reichte der Dame seine gesunde Hand.

„Du bist ein guter Mensch“, murmelte er leise und verlegen und tapste dann geschwind zu der Eingangstür. „Du ebenso“, rief sie ihm hinterher. Und Link, der jene Worte gehört hatte, rannte nur umso schneller vor der Wärme, der Emotionalität und dem Scham solcher Worte davon.
 

Selbst als er bereits weit entfernt vom Krankenflügel war, rannte er noch, und vielleicht rannte er vor etwas anderem davon. Vielleicht schämte er sich für seine Feigheit, für die vielen düsteren Gedanken der letzten Tage und für sein schwächliches, abscheuliches Getue. Link rannte wie besessen, fast panisch durch die alten Gänge und hatte den Wunsch vor allem wegzulaufen, was nur in irgendeiner Weise einen Zugang zu ihm finden wollte. Er schämte sich und wollte nicht, dass irgendjemand diese Gefühle der Scham und Schwäche spürte… nicht einmal ein Freund. Nicht einmal Zelda…
 

Während er endlich atemlos auf seine Knie stürzte und ein pfeifendes Geräusch aus seinen Lungen entkam, hörte er aber neben seinem trommelndem Herzen noch andere Geräusche, die ihn unruhig werden ließen. Sir Viktor unterhielt sich streng mit einem der Schüler, ja er kannte diesen Schüler, mit dem er schon einmal unfreiwillig in eine Rangelei geraten war. Und dieser Schüler mit den dürren, blonden Haaren und der Hakennase war ihm nicht gerade wohlgesonnen. Verwunderlich, dass sich ausgerechnet Ian mit diesem Lehrer unterhielt. Andererseits, so dachte Link, schienen diese beiden Typen vom Charakter prima zusammenzupassen. Sorgsam blickte der Held der Zeit um die Ecke, in jenem Gang, wo auch Viktors Büro anzutreffen war, und sah tatsächlich den Direktor und Ian im halb beleuchteten Gang stehen.
 

„Du weißt, was du zu tun hast“, murmelte Sir Viktor und von seinem Punkt aus, konnte Link neben ihren Worten das Klappern eines Schwertes hören.

„Ich weiß nicht, ob ich das schaffen kann“, sprach Ian und wirkte in dem Moment alles andere als sicher. Verängstigt und mit zittriger Stimme lispelte er weitere Worte der Verzweiflung. „Was ist, wenn ich erwischt werde?“, fragte er, worauf Sir Viktor höhnend und fast viehisch lachte. „Und was dann? Ich bin hier der Direktor, ich werde dich schon nicht von der Schule schmeißen. Besorge mir diesen Kompass und ich werde dafür sorgen, dass du den nächsten Rang erhältst.“ Und einmal mehr klapperte das Metall eines scharfen Schwertes. Link war sich nicht sicher, aber womöglich überzeugte dieses Dreckschwein Viktor den Schüler Ian mit mehr Waffen als bloß einfältigen Worten.

„Aber seid Ihr denn wirklich sicher, dass dieser Link diesen Kompass noch hat? Und was ist, wenn er mich erwischt. Er ist wesentlich gewandter mit dem Schwert als die meisten Schüler.“

„Es gibt da Waffen, mit denen du ihn schlagen kannst, aber diese Waffen bestehen nicht aus Metall. Drohe ihm damit sein Geheimnis an der Schule zu verkünden und er wird sich wie das frömmste Lamm überhaupt benehmen“, sprach Viktor und schnalzte mit seiner falschen Zunge.
 

Link im Hintergrund hatte das Gefühl, er müsse sich übergeben. Nicht nur, dass Viktor, dieser verdammte Satansbraten, die unermessliche Frechheit besaß, seinen Kompass stehlen zu wollen. Das, was Link wahrhaft anwiderte, waren diese dummen Erpressungsversuche. Und das schlimmste war wohl, dass Ian so einfältig war, sich auf diese schmutzigen Taten einzulassen. Ob Ian Links Geheimnis überhaupt wusste? Oder handelte er gegenüber Viktor noch aus anderen Motiven heraus so loyal?

„Sein Geheimnis?“, meinte Ian dann. Und Link im Hintergrund betete, dass Viktor es diesem Kerl nicht unter die Nase rieb.

„Keine Sorge, bald weiß es eh die ganze Schule. Und spätestens dann fliegt dieser Link mit hohem Bogen.“
 

Der Heroe im Hintergrund biss sich bloß auf seine Lippen und hörte dann wie sich das Stiefelgeklapper entfernte. Sein Fragment pochte wie wahnsinnig und auch der Schmerz in der Linken kehrte zurück. Viktor hatte scheinbar tatsächlich etwas mit dem Tod Hopfdingens zu tun. Wenn er diese aus eigensinnigem Metall gefertigten Gegenstände unbedingt haben wollte, dann würde er dafür noch über mehr Leichen gehen. Und während sich das Stiefelgeklapper verflüchtigte und Links Fragment ihm eine große Portion Energie und Motivation in die Venen pumpte, fasste er einen gefährlichen Entschluss. Wenn er schon einmal hier war, und Viktors Büro ohnehin um die Ecke lag, war es sicherlich kein Problem sich dort in Ruhe umzuschauen. Und müde war er im Augenblick nicht mehr. Also was hinderte ihn daran, gerade jetzt in dem Büro dieses Ekels herumzuschnüffeln? Arianas vorwitzige Augen kamen ihm in den Sinn. Auch sie hatte befürwortet, dass er sich dort einmal umsah. Noch ein guter Grund, diese Sache endlich in Angriff zu nehmen. Angestachelt durch die Erlebnisse des Tages ließ sich der einstige Held der Zeit auf eine waghalsige Mutprobe ein…
 

Gut, er war derzeit nicht so fit wie sonst, und viele seiner Fähigkeiten schienen ihn irgendwie zu belasten, aber in einem Büro herumschleichen war doch drin. Er überlegte nicht mehr lange und trat sich vergewissernd um die Ecke. Nur wenige Meter weiter lag das Büro des Direktors, direkt vor seiner Nase. Und wenn er jetzt etwas finden könnte um zu beweisen, dass Viktor üble Dinge plante, dann war das einfach nur richtig und notwendig. Auf jedes noch so kleine Geräusch achtend schlich der einstige Heroe näher und kramte vorsichtig den Schlüsselbund, den Orson ihm geschenkt hatte, hervor. Da waren so viele Schlüssel, auch einer für die Waffenkammer, wo sich der Held ein neues Schwert aussuchen könnte. Und er hoffte, dass einer der Schlüssel seinen Zweck erfüllte.
 

Noch einmal über seine Schulter schauend, begann Link nach der Reihe die Schlüssel an der einfachen Bürotür auszutesten, blickte vorsichtig umher, bereit seine Beine sofort wieder unter die Arme zu nehmen. Aber niemand näherte sich. Und als einer der Schlüssel passte und das Schloss aufsprang, huschte ein weiteres unwillkürliches Grinsen über Links Gesicht. Und vielleicht hatte es einen Grund, dass ausgerechnet ihm Orson diesen Schlüsselbund ausgehändigt hatte.

Er blickte ein weiteres Mal um sich, erinnerte sich an dieses aufregende Gefühl in seiner Magengegend und fragte sich, wie er es geschafft hatte, so lange ohne Nervenkitzel dieser Art überlebt zu haben. Dann trat er leise in das Büro hinein und schloss die Tür hinter sich.
 

Tatsächlich brannte noch Licht in dem Raum, das Licht eines Kerzenständers, auf dem drei Kerzen aufgesteckt waren. Möglicherweise kam Viktor in wenigen Minuten wieder. Ein Grund mehr, dass sich Link etwas beeilte. Der Raum war insgesamt größer als Link es vermutet hätte. Ein breiter Tisch aus dunklem Holz, möglicherweise sogar Dekubaumholz, welches nach den Legenden unter Flüchen stand und das man eigentlich nicht fällen durfte, stand in der Mitte. Aber es wunderte Link nicht. Dieser Kerl Viktor machte sich nicht viel aus Vorschriften und aus Religion. An einer Seitenwand befand sich ein Regal, in welchem unbenutzte Bücher und Formulare gestapelt waren. An der gegenüberliegenden Wand war eine weitere Tür, vielleicht ein Kämmerchen, in dem Viktor schlummern konnte. Link versuchte sich so unauffällig zu bewegen wie nur irgend möglich und keine verräterischen Spuren zu hinterlassen. Sorgfältig schaute er sich zunächst die Bücher in dem Regal an. Er prüfte mit seinen scharfen, tiefblauen Augen jedes Detail, vergewisserte sich, nahm ab und an ein Buch heraus und blätterte es durch. Als er nichts Verdächtiges fand, setzte er sein Vorhaben fort und durchsuchte mit einer göttlichen Geduld den Schreibtisch. Ruhebewahrend huschten seine aufmerksamen Augen über jeden Umschlag, lasen verdächtige Zeilen, aber bisher hatte er einfach nichts gefunden, das ihn irgendwie stutzig gemacht hätte. Kein Hinweis auf Hopfdingens Ring. Kein Dokument, was Viktor in schlechtes Licht rücken würde. Link seufzte enttäuscht und fuhr sich nachdenklich mit seiner gesunden Hand über sein Gesicht. Okay, dachte er. Noch hatte er nicht alles durchsucht, nicht wahr? Mit schier übermenschlicher Genauigkeit krabbelte der Heroe über den Boden, untersuchte jede Wölbung im Gestein, überprüfte den kleinen Kamin und entdeckte hier und da Dinge, die er nicht kannte und von denen er lieber nicht wissen wollte, wozu man sie verwendete. Sehr merkwürdige Dinge…
 

Einige Minuten vergingen, bis nur noch das kleine Kämmerchen zur Rechten des Heroen übrig blieb. Er öffnete die Tür vorsichtig und auch von dort strahlte ein wärmender Lichtstrahl einer einfachen Öllampe auf Links Gestalt. Das Zimmerchen war schmuddelig und unsauber. Auf dem knarrenden Holzbett neben einem viereckigen Fenster lagen alte und verdreckte Lacken. An einem Garderobenständer hing neben einer Kutte Unterwäsche, was den Jungen anwiderte. Gefühle des Ekels unterdrückend durchsuchte Link das muffelnde Kämmerchen, bis sein Blick zu dem zerwühlten Bett fiel. Seiner Intuition folgende kniete er nieder und lugte mit seinen tiefblauen Augen unter jene Schlafgelegenheit. Neben Spinnweben und einigen Krabbeltieren fiel eine dunkle Truhe auf, die sicherlich nicht ohne Grund unter dem Bett versteckt wurde. Bemüht leise zu sein, zog der junge Held die Truhe hervor und fand auch das rostige Schloss an jener offen vor. Das Licht der Öllampe flackerte und fiel einmal mehr auf den Burschen, der sich hier eine Menge Ärger einhandeln könnte. Die Truhe öffnete mit einem ungewöhnlichen Klack und Links Gesicht huschte näher und näher um einen Blick hineinzuwerfen. Voller Erwartung und einer schier wahnsinnigen Gewissheit fanden seine Augen ein ungewöhnliches, völlig zerfledertes Buch, ähnlich einem Tagebuch. Jedenfalls war bereits auf der ersten Seite mit einer ungewöhnlich verzierten und detailreichen Handschrift ein sonderbarer Buchtitel vermerkt, der Neugierde und Misstrauen in Links Gemüt erweckte. Völlig verwundert holte er das sonderbare Buch aus der Truhe und verstaute die Truhe wieder unbemerkt unter dem Bett. Sorgsam strich er über den Buchtitel: Die dreizehn Schlüssel. Was das wohl zu bedeuten hatte? Er blätterte kurz in dem kleinen, eigensinnigen Werk umher, fand viele kurze Abschnitte, einschließlich Zeichnungen.
 

Gerade als Link sich die Abbildungen darin genauer betrachten wollte, hörte er jedoch ein leichtes Klappern, was ihm unwiderruflich ein leichtes Stechen in die Brust schickte. Unruhe und Panik erwachten in seinem Herzen, als er realisierte, dass er in Viktors Büro nun nicht mehr alleine war…
 

Nervös und die wildesten Gedanken entwickelnd schlich Link näher an jene Tür heran, bis er durch den Türspalt einen Blick in das Schreibtischzimmer werfen konnte. Überrascht stellte er fest, dass es sich nicht um den Direktor handelte, sondern um ein junges Mädchen mit gelockten rostroten Haaren, die einen Pelz um ihre Schultern geworfen hatte und ebenfalls den Schreibtisch Viktors durchsuchte. Es schien, als suchte auch sie nach etwas, was sie scheinbar nicht finden konnte. Er wusste, dass jene Halbgerudo irgendwelche komischen Dinge mit diesem widerlichen Schwein Viktor zu schaffen hatte. Er wusste zumindest, dass sie eine Hure war. Und er wusste, dass es so etwas wie Beischlaf gab, den die Hylianer zelebrierten. Aber was nun genau dahinter steckte, hatte auch das Bild in Newheads Büro, als eine adlige Dame und der Lehrer eng umschlungen auf dem Schreibtisch saßen, ihm nicht sagen können. Und der gute, unwissende Link sollte in wenigen Minuten einmal mehr Zeuge von etwas werden, was er noch weniger verstand als die seltsamen obskuren Gegenstände, die er in Viktors Büro entdeckt hatte. Link wusste, dass es Dinge gab, die er nicht kapierte, und die er noch nie erfahren hatte. Während seinen Reisen in die Zukunft hatte er mehr als einmal peinliche Ausrutscher in seinem maskulinen, starken Körper gehabt, die ihm nicht einmal Shiek erklären wollte. Link wurde etwas rot um die Nasenspitze, als er daran dachte und schüttelte abtuend den Kopf. Er erinnerte sich an Shieks kirschrote Miene als jener ihn nach einem schweren Kampf tagelang gepflegt hatte. Und eines Morgens machte Link eine Entdeckung, die ihm zwar auf irgendeine Weise Freude bereitete, aber für die er sich auf eine sehr fiese Art schämte. Ja, es war ihm damals mehr als peinlich, was Shiek gesehen hatte. Und noch peinlicher war es, als er wusste, dass ein Mädchen hinter Shieks Maskerade steckte.
 

Aber egal. Er wollte sich nicht an dieses mehr als absurde, furchtbare Ereignis erinnern. Und was erinnerte er sich denn ausgerechnet jetzt an die Missgeschicke in seinem erwachsenen Körper? Und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, wo er versuchen sollte seine Beine unter die Arme zu nehmen!
 

Gerade da wand sich die Dame um ihre eigene Achse und ließ den Pelz von ihrem Körper gleiten. Er sah mehr als er wollte. Nur in einem blassen, beinah unsichtbaren Korsett und kurzem Höschen gekleidet, stand diese Midnehret- ja er hatte sich ihren Namen gemerkt- vor diesem Schreibtisch und wartete allen Anschein nach auf den Direktor. Und allein dieser mehr als erschreckende, weibliche Anblick erinnerte Link an das wohl absurdeste Ereignis seines Lebens. Daran, dass er auch an Zelda mehr gesehen hatte, als er eigentlich wollte, und das, als sie beide aus Ganons brennendem Turm geflüchtet waren. Ja, der Gedanke, dass sich Zelda ihren langen Rock angesengt hatte und er einfach keine Wahl hatte als ihre hübschen langen Beine zu betrachten. Daran, wie sie ihn musterte, als er in einem ewigscheinenden Moment versuchte ihre Brandwunden zu versorgen. Und daran, was es in ihm ausgelöst hatte, als er ihre Haut berührt hatte…
 

Zum Teufel, dachte er, gab es in diesem Moment nichts anderes, als sich an einen Augenblick aus der Zukunft zu erinnern? Und gerade da erwischte es Link eiskalt, als diese Halbgerudo auf die Tür zu dem winzigen Nebenraum zusteuerte. Er hatte nicht einmal die Gelegenheit nachzudenken um sich zu verstecken, sondern wurde durch die Wucht der aufgeschlagenen Tür übel und schmerzhaft erwischt und landete zu Füßen der mehr als verwunderten und geschockten Midnehret. Sie kreischte mit ihrer viel zu hohen Stimme und grabschte sich die Kutte von dem Garderobenständer und blickte den unseriös wirkenden und täppischen Heroen auf eine sehr aufgelöste Weise an.
 

Link wusste nicht, was er sagen sollte. Überhaupt hatte ihn diese Dame mit ihrer freizügigen Art beinah überrumpelt, dass er nicht mehr heldengemäß reagieren konnte und nun musterte sie ihn mit einem Blick, den er gerade bei Mädchen nicht sehen wollte. Da war Scham und irgendwie auch Tobsucht in ihrem Gesicht.

„Was machst du denn hier?“, war der erstbeste Satz aus ihrem Mund.

Er richtete sich auf und hatte nicht wirklich Gelegenheit die Sache zu erklären. Stattdessen trat sie näher und wiederholte ihre Worte sehr eindringlich: „Was machst du hier?“

Link seufzte und atmete tief ein, versteckte dann das Buch hinter seinem Rücken und suchte seine Augen verdrehend nach einer Erklärung. „Das ist so… ich wollte eigentlich bloß…“ Sie zwinkerte und rutschte mit ihrem hübschen, verärgerten Gesichtchen näher.

„Ich hab‘ eigentlich bloß…“ Und Links Herz begann zu rasen, nicht weil er sich so schnell wie möglich eine Ausrede einfallen lassen musste, sondern weil die Dame halb nackt war.

„Die Sache ist die… ich musste hier…“ Und Link stapfte beinah genervt und seine unvorteilhafte Lage erkennend in die andere Ecke des Zimmers. Er wendete dieser Halbgerudo den Rücken zu.

„Gib‘ es zu, du hast hier herumgeschnüffelt“, sagte sie dann bitter. Und da wand er sich wieder zu ihr und blickte schweigend zu Boden. Sie hatte ihn erwischt. Das Dümmste, was ihm nun passieren konnte, war eigentlich, dass Viktor ihn dafür von der Schule warf.

Er sprach nichts und wartete nur darauf, dass sich diese unangenehme Situation auflöste.

„Nun ja… ich schätze, du hast mich ebenfalls beobachtet, dass ich Geld aus Viktors Schreibtisch gestohlen habe…“ Links Augäpfel wurden für einen Moment größer und er nickte fast wie ein unbeholfener Trottel. Genau, er hatte gesehen, dass sie dort herumgeschnüffelt hatte. Genau! Was bedeutete, dass sie beide einander verpetzten könnten. Oder sie könnten es beide bei diesem Vorfall belassen.
 

„Und… und was jetzt?“, meinte Link dann, kratzte sich an seinem Hinterkopf und kniff seine Augen peinlich berührt angesichts dieser ganzen Situation zusammen.

„Scheint so, als halten wir beide nicht so viel von diesem Kerl…“, sagte sie.

„Obwohl du scheinbar mit ihm zusammen sein willst“, meinte Link. Warum sonst sollte sie sich halb nackt in diesem Büro aufhalten?

„Du scheinst darüber leicht zu urteilen. Es ist nicht so, dass ich mit ihm zusammen sein will. Ich habe keine andere Wahl…“ Und ihre ungleichen Augen, die entfernt an die strahlenden und starken einer Gerudokriegerin erinnerten, wurden traurig und wässrig. „Ich finde ihn ekelhaft… er stinkt… er widert mich an… Manchmal frage ich mich, warum ich mir das gefallen lasse…“ Und nun stand Link hier vor dem zweiten Mädchen, was er diese Nacht trösten wollte. Er hatte Mitleid mit ihr, genauso wie mit Eliza McDawn. Und was ihn noch mehr verwunderte war wohl die Tatsache, dass sich diese Mädchen, egal welchem Volk sie angehörten, immer ihm öffneten. Es war die gleiche Geschichte mit Saria oder Ruto oder Anju in Termina. Sie würden sich keinem anderen anvertrauen. Er musste irgendetwas seltsames an sich haben, dachte er. Immer zogen sie ihn in ihren Schlamassel hinein.

„Ähm... es ist doch okay... ich urteile nicht über dich, nicht deswegen...“, meinte er leise.

Sie zog ihre Nase nach oben und meinte leise: „Dennoch ist es besser andere halten sich hier heraus, auch du.“
 

In dem Augenblick hörten die beiden jemanden mit klappernden Eisen beschlagenden Stiefeln durch die Gänge tapsen. Viktors selbstherrlicher, protzender Schritt war nicht zu überhören. Alarmiert wirbelte Link herum und verfluchte sich innerlich, dass er hier mit diesem Mädchen ein Geschwätz führte und dabei völlig vergaß, wo er sich befand und dass er so schnell wie möglich hier verschwinden sollte. Vorwurfsvoll blickte der Heroe die Dame an, die ebenfalls nicht wusste, was nun zu tun war. Hastig öffnete der Heroe das kleine Fenster in der Seitenkammer und schielte todesmutig hinab in die Tiefe. Okay, dachte er. Es war der erste Stock. Und er hatte weitaus höhere Sprünge ohne Knochenbrüche überstanden. Er musste raus hier, und wenn er sich über das Fenster aus dem Staub machte, umso einfacher. Doch gerade da ging die Tür und tatsächlich trat ein genervter und über die Maßen übel gelaunter, herrschsüchtiger Mann in das Büro. Midnehret zwinkerte Link noch einmal entgegen, ging aus dem Nebenzimmer und schloss die Tür hinter sich, sie drehte sogar den Schlüsse darin herum, sodass Link keinen Zugang mehr hatte. Für den Spion jedoch genug Zeit sich aus dem Staub zu machen. Trotzallem und sein Glück noch nicht realisierend verharrte er noch einen Moment und erschrak gleichzeitig, als er Viktors schmierige Stimme im Nebenraum auf eine verächtliche und gefährliche Weise hörte.

„Sieh‘ einer an“, schnalzte er mit bedrängenden Unterton, sodass Link beinah dachte, der Lehrer spürte etwas Verdächtiges oder ahnte um seine Anwesenheit.

„Kommst du schon freiwillig zu mir und bettelst nach meinem Saft?“, lachte er und gerade da vernahmen Links spitze Hylianerohren einen überraschten Aufschrei und ein lautes Poltern. Er wusste nicht, was dieses Schwein mit dem Mädchen machte und er wusste nicht, ob er sich einmal mehr in irgendwelche Geschehnisse einmischen sollte, die er einerseits nicht verstand und in die er andererseits nicht wirklich verwickelt war.

„Du weißt, was du zu tun hast, kleine Hure!“, triumphierte er und ein weiterer Schrei aus Midnehrets Mund ließ ihn wissen, dass hinter dieser Tür etwas vor sich ging, was eher niederen Kreaturen und dummen, verruchten Geschöpfen entsprach. Link trat verunsichert und irgendwo auch angewidert mehrere Schritte rückwärts und besann sich auf das Buch in seiner Hand und die Aufgabe, die er erfüllen wollte. Er musste diesem Dreckschwein, wenn er etwas mit dem Tod des Hausmeisters zu tun hatte, das Handwerk legen.
 

Sachte blickte er nach draußen und gerade da begann sich der Himmel auszutoben, genauso wie Viktor sich an diesem Mädchen verging. Links Gesicht verzog sich und er schämte sich vielleicht sogar ein wenig, dass er dieses Mädchen in ihrer scheinbaren Pein alleine ließ. Aber welche Wahl hatte er? Sie wollte, dass er sich heraushielt. Und außerdem wusste er mit diesen Lauten im Nebenraum nichts anzufangen. Es war beinah so, als würde Viktor bei dieser Sache Spaß empfinden. Er stöhnte und kreischte auf eine sehr absonderliche Weise, die den jungen Helden nervös machte.
 

Seine Augen zusammenkneifend und leise schimpfend, als er sich mit beiden Händen über den Fensterrahmen stemmen musste, begann sein Fluchtversuch. Er packte das Buch in die Innenseite seiner Tunika, um zu verhindern, dass es nass wurde und spürte sogleich die ersten Regentropfen in seinem Gesicht. Er atmete tief ein, blickte einmal mehr zurück und dann zu dem Innenhof. Es waren vielleicht vier, fünf Meter. Eine Höhe, die er schon einige Male hinuntergesprungen war. Nur war er damals wesentlich fitter gewesen… und ein normaler Hylianer könnte sich bei dieser Höhe bereits das Genick brechen. Während Viktors befriedigendes Gestöhne sich einem perversen Rhythmus anpasste, fiel auch der Regen tosend und klopfte auf die Dächer der alten Ritterschule. Und als sich Links tiefblaue Augen öffneten und er waghalsig und todesmutig in die Tiefe blickte, glich sich auch sein Herzschlag dem Regen an. Das süßlich schmeckende Wasser lief von seinen blonden Haarsträhnen hinab zu seinem ansehnlichen Gesicht, wo seine Augen wie die eines Tieres in der Dunkelheit leuchteten. Und auch seine Hand vibrierte und gab durch den regelmäßigen Schmerz einen sanften Takt vor. Er schloss seine Augen, bereit sich einfach fallen zu lassen. In Begleitung unzähliger Regentropfen sank er nieder und spürte während seinem Gleiten durch kühle Luft eine alte Macht in sich wieder brodeln. Ein Grinsen erschuf sich um seine Mundwinkel und er genoss dieses übernatürliche, gefährliche Gefühl, das ihm die Macht des Mutes schickte.
 

Mit einem lauten Schlag, sodass sich der Boden wölbte, kam der Heroe auf dem erdigen Grund auf. Er hockte auf der Erde in einer sonderbaren, edlen Haltung, als würde er sich vor dem Regen und der alten Macht in seinen Venen verbeugen. Seine linke, verletzte Hand ruhte fest auf seinem Herzen. Sein Haupt hatte er zu Boden gerichtet und dann endlich erhob er sich unverletzt und zufrieden. Er blickte noch einmal hinauf zu Viktors Büro und hoffte, dass es Midnehret soweit gut ging…
 

Inzwischen war es weit nach Mitternacht, als Link mit dem geheimnisvollen Buch über die dreizehn Schlüssel in seinem Zimmer verschwand. Will schlief bereits tief und fest, brummte etwas, als Link Geräusche produzierte, regte sich dann aber nicht mehr. Durchnässt vom Regen und etwas nachdenklich, dass es scheinbar viele Hylianer gab, die es genossen den Abend in Gesellschaft eines Mädchens zu verbringen, tapste Link zu seinem Bett. Er wusste nicht warum, aber, als er das Buch sicher in seinem Schrank verstaute und sich das durchnässte, verschwitzte Hemd von seinem Körper zog, spürte er so etwas wie Sehnsucht. Ein Gedanke an etwas Nähe und Zuneigung, die er sich eigentlich nur von Zelda wünschte. Es war nicht Ariana, die in seinen Gedanken verweilte, auch wenn er sie mochte. Es war… und würde immer… Zelda bleiben. Mit einem letzten Gedanken an sie kuschelte er sich in sein Bett und hoffte auf bessere Tage und dass sich irgendwann so etwas wie Sicherheit für ihn einstellte…

Jawohl, ich geb' nicht auf *lach*. Auch wenn es scheint, dass kaum noch jemand liest, ich werde updaten. Ich danke vor allem denjenigen, die immer noch ab und an reinschauen, ob es neue Kapitel gibt. Vielen Dank, ihr seid eine unheimliche Motivation die Geschichten irgendwie zu einem guten Abschluss zu bringen.
 

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Kapitel 27
 

Beim allerersten Sonnenstrahl, der gleißend und machtvoll durch die Wolkendecke drang und sich über abgeerntete Felder seinen Weg bahnte, bis er sich auf grauem Gestein verlor, überquerten Nicholas Newhead und Lassario Laundry mit einem morschen Karren die Zugbrücke des majestätischen Königsschlosses. Nach einer langen Nacht waren beide Ritter froh endlich in der Hauptstadt Hyrules angekommen zu sein. Sie hatten in der Späte, nur kurz nach Mitternacht, den Auftrag erhalten den Getöteten vom Geschundenenvorfall, wie man diese Angelegenheit mittlerweile nannte, umgehend zu dem König zu bringen. Und anhand der Nachricht der Sturmtaube, die vom König höchstpersönlich zur Ritterschule geschickt wurde, spürten beide Männer eine wachsende Besorgnis bezüglich des dunklen Bündnisses der Geschundenen der Macht. Sie hatten sich lange unterhalten, über den Mordanschlag auf Link, und über die Auswirkungen, falls es diesen Verbrechern gelungen wäre, Link zu töten.
 

„Wenn wir den Erzählungen der alternativen Zeit Glauben schenken und wir uns bewusst machen, dass dunkle Kreaturen sich nichts sehnlicher wünschen, als ihren Meister wieder zu haben, denkst du nicht, dass es mehr als Zufall war, dass sie Link angegriffen haben?“, meinte Nicholas, der beunruhigt seine undefinierbaren Augen über den prächtigen Innenhof des Schlosses wandern ließ. Der gesamte Garten war gepflegt auf eine Weise, als ob Feen ihre Hände im Spiel hatten. Mehrere Stufen führten hinauf zu dem größten Schlosstor, das er jemals gesehen hatte. Und überall arbeiteten Bedienstete an Ordnung und Schönheit. Eine Magd putzte den Brunnen, wo aus den Händen dreier Nachbildungen der Göttinnen Wasser plätscherte. Einige Ritter übten auf einem für sie gebauten Übungsplatz für großartige Taten.

„Seit ich weiß, wer Link ist, halte ich nichts mehr für Zufall“, murrte Lassario mürrisch. Seit einigen Tagen machte ihn dieser Junge nervös und er wusste nicht einmal warum. Er stritt sich mit seiner Gattin nur wegen diesem Ritterschüler und es war höchst selten, dass sie sich in den Haaren hatten.

Nicholas grinste ihn schelmisch an. „Ich schätze, du weißt irgendetwas, was du mir nicht unbedingt anvertrauen willst, was?“

Lassario schloss die Augen und seufzte. „Ich würde nicht sagen, dass ich es hundertprozentig weiß, aber für Belle beispielsweise steht es schon fest, obwohl es überhaupt keinen Sinn ergibt.“

„Ich will dir was sagen: das, was du hier von dir gibst, ergibt für mich auch nicht wirklich Sinn.“ Und der einstige Schwindler lachte. Lassario funkelte ihn mit seinen braunen Augen bitterböse an. „Wie auch immer, wir sollten die Leiche endlich zum König bringen.“
 

Und es dauerte nicht lange und sie durchquerten mit faszinierten Blicken und sehr angetanen Gesichtern einen riesigen Empfangsaal, wo mit Blattgold verzierte Statuen mit heiligen Schwertern den Weg bewachten und riesige Kronleuchter an den Decken nur darauf warteten jemanden unter sich zu begraben. Überall hingen rote Vorhänge und Wachen warfen strenge Blicke zu den beiden Rittern, kontrollierten sie und schienen immer ein munteres Auge zu haben und das um diese Uhrzeit, dachte Nicholas.
 

Nachdem sie einen langen Gang hinter sich gebracht hatten, betraten beide endlich den Königssaal. Ein Ort, wo Feste gefeiert wurden, wo Verbündete immer willkommen waren, ein Ort der bereits auf vielen Ölgemälden festgehalten wurde. König Harkenia saß mit müdem Ausdruck auf seinem Gesicht auf seinem Thron und wirkte mehr als unzufrieden, auch wenn er sich in seiner Position oftmals nichts anmerken ließ. Er trug eine goldene Rüstung und ein rubinroter Umhang fiel elegant an seinem Rücken hinab. Eine schwere goldene Krone schmückte sein Haupt. Seine rechte Hand ruhte auf dem Griff seines am Gürtel befindlichen Schwertes. Drei weitere Ritter, Heagen, McDawn und Sorman, saßen an einer rechtsbefindlichen Tafel. Der König blickte nachdenklich auf, als Nicholas die Leiche des Geschundenen der Macht auf die schönen Marmorfließen sinken ließ. Dann trat Harkenia auf seine starken Beine und begrüßte die beiden Männer standesgemäß. Auch Nicholas und Lassario ließen hylianische Begrüßungsformeln über ihre Lippen gleiten und verbeugten sich.
 

„Ist das diese Kreatur?“, sprach der König und warf einen verabscheuungswürdigen Blick zu dem einstigen Hylianer, der sich durch ein rotes Dreieck vergiften ließ, dessen Seele verloren war. „Korrekt“, meinte Nicholas. „Ein Mitglied der Sekte der Geschundenen der Macht.“ Harkenia nickte kühl und deutete einem jungen Boten an, Personal herbeizuholen, um jene Kreatur wegzuschaffen.

„Sir Newhead, Euer Vorschlag diese Leiche von Professor Morchas untersuchen zu lassen, ist nicht gerade auf erfreuliche Ohren gestoßen“, sprach Harkenia kühl. Mit diesen Worten trat der König ebenfalls zu der langen Tafel, von wo aus man über riesige Balkonfenster einen weiten Blick über die Felder Hyrules bis hin zu den massiven Todesbergen werfen konnte. Einige Gläser Wein, Weißbrot, allerlei Kostbarkeiten aus der hylianischen Küche, Würste und Käse, sowie Süßspeisen waren aufgedeckt. Seinem Stand entsprechend ließ sich Harkenia an der Spitze der Tafel nieder und blickte mit scharfen saphirblauen Augen zu seinen Rittern. Er deutete auch Lassario und Newhead an Platz zu nehmen.

„Mir ist bewusst, dass die Geschundenen der Macht mehr denn je eine Gefahr für unser blühendes Reich darstellen. Dennoch gefällt es mir nicht, dass wir solche Kreaturen, wie verteufelt sie auch sind, nach ihrem Tode entweihen. Professor Morchas‘ Methoden haben mir nie zugesagt.“ Sich räuspernd setzte sich Nicholas einige Plätze rechts neben den Monarchen. Lassario belagerte mit seinem breiten Körper einen Platz gegenüber des unerkannten Schwindlers. Von den Rittern schien allein Newhead zuversichtlich drein zu blicken. Sowohl Sorman, ein hagerer, dürrer Mann mit langem braunen Pferdeschwanz, als auch Heagen und der blonde, dickliche McDawn schwiegen und schienen über die Ereignisse nach zu grübeln.
 

„Verzeiht mir, mein König. Ich bin noch nicht vollends informiert über die Geschundenen der Macht. Was genau ist über diese Sekte bekannt?“ Lassario richtete einen ernsten, und wissbegierigen Blick zu dem Herrscher Hyrules.

„Nicht genug fürchte ich“, erwiderte er und belud endlich seinen goldenen Teller mit Köstlichkeiten und nahm einen Schluck Wein aus seinem Kelch.

„Sie beunruhigen mich bereits seit einiger Zeit. Es war vor vielen Jahren, dass sich jene Gestalten auf eine fatale und scheußliche Weise bekannt gemacht haben.“ Harkenia kaute auf einer Rosine und stützte sein Kinn an seiner rechten Hand ab. Seine blauen Augen verloren sich auf den Gemälden seiner Vorfahren, die den Saal ehrfürchtig schmückten. „Sie überfielen Dörfer, mordeten, vergewaltigten und hinterließen Blutbäder. Zunächst verfolgten wir sie, konnten aber nie Drahtzieher oder Anführer ausfindig machen. In dieser Zeit versuchten meine Ritter alles Wissenswerte über diese Sekte herauszufinden. Es ist uns nicht vollkommen klar, woran sie glauben, klar ist nur, dass sie das rote Dreieck als Symbol der Kraft verehren… Dins Macht, die allen Mächten voran immer jene war, die zerstörerisch und folternd Sehnsüchte in dreckige Ziele verwandeln und Herzen mit grausamen Begehr füllen konnte.“ Er seufzte und machte eine Pause. Leiser werdend sprach er weiter: „Dass sie nun den Helden der Zeit angreifen, beunruhigt mich noch mehr…“ Lassario verstand nicht genau warum. Gut, jeder kannte Geschichten über die alternative Realität. Jeder wusste, dass gerade Link etwas mit den Mächten der Göttinnen zu tun hatte. Nur gab es in Hyrule genügend fähige Ritter. Es gab eine Streitmacht, die selbst von Nachbarländern hoch angesehen und gefürchtet war. Selbst wenn sie den Heroen töten würden, es wäre nicht der Untergang Hyrules. Daran glaubte und darauf vertraute Lassario mit seiner Tapferkeit und seinem Schwert. Es wunderte ihn sehr, dass der Monarch sich beinah Sorgen um den Jungen machte.
 

„Und was wollt Ihr tun, mein König?“, mischte sich Nicholas ein. „Wir können nicht länger den Gräueltaten der Geschundenen zusehen. Ist es nicht schon genug, dass sie den geschwächten Helden der Zeit angegriffen haben?“ Nicholas fuhr beinahe aus seiner Haut. Er erhob sich und stützte seine Hände energisch auf dem Tisch ab. „Wie weit wollen wir es noch kommen lassen! Es ist an der Zeit etwas zu tun!“ Nicholas‘ Vorwürfe schienen den Monarchen nicht sonderlich zu beeindrucken.

Harkenias Augen blitzten überlegen auf. „Gerade deswegen habe ich diese Versammlung mit fünf der besten Ritter Hyrules einberufen. Heute und hier werden wir entscheiden über das weitere Vorgehen.“, sprach der König mit fester Stimme beschwichtigend. Nicholas machte große Augen und zwinkerte. Seit wann legte die Monarchie einen solchen Wert auf die Meinungen der Ritter und auf demokratische Vorgehensweisen?
 

In dem Augenblick trat Prinzessin Zelda unter der Begleitung eines Trupps Soldaten in den Raum. Die Soldaten grüßten den Herrscher des Landes und gingen ihrer Pflicht nach, nämlich die Leiche des Geschundenen auf eine Trage zulegen und zu einem anderen Ort zu transportieren.
 

Die Augen der Ritter fielen jedoch unweigerlich zu Prinzessin Zelda. Ihre königliche Gewandung schmückte ihre Gestalt und der grazile Stoff schlängelte sich elegant um ihre zerbrechlich wirkende Statur. Sie trug ein paar Handschuhe und eine Tiara schmückte ihr Haupt. Auch wenn sie sich bemühte, jeder der fünf anwesenden Ritter sah eine schwere Müdigkeit in ihrem Gesicht. Ihr blondes, volles Haar fiel unfrisiert über ihre Schultern. Sie war erschöpft und vielleicht zehrten ihre Wunden von vor wenigen Tagen an ihrer Stärke. Mit erhabenen Schritten und einem kühlen Blick trat sie zu der Tafel, begrüßte die Ritter kurz, verbeugte sich vor ihrem Vater und nahm zu seiner Linken Platz. Harkenia musterte sie besorgt und legte eine seiner kräftigen Hände auf die ihren, die sie faltete. Sie war bereits unterrichtet, dass einer der Geschundenen getötet wurde. Doch die genauen Zusammenhänge hatte Harkenia mit väterlicher Weitsicht vor ihr geheim gehalten. Sie war noch immer verwundet und da sollte sie sich nicht zusätzlich mit Gefühlen der Besorgnis quälen.
 

„Wie geht es dir, mein Kind?“, meinte er, worauf die Prinzessin dankend entgegnete: „Um einiges besser. Aber viel wichtiger: Wozu diese kleine Versammlung?“

„Ich möchte eine Entscheidung fällen, die unsere Zukunft bestimmen kann.“ Und einmal mehr verlor sich Harkenias stolzer Blick auf den Gemälden seiner Vorfahren, der früheren Generationen, die Hyrule in den dunkelsten Zeiten einmal mehr ins Licht geführt hatten. Um sich vor seinen Ahnen nicht zu schämen und aus seinem Verantwortungsbewusstsein heraus, war es Harkenia immer schon wichtig, bedeutende Entscheidungen gemeinsam mit seiner Tochter oder hochrangigen Rittern, Beratern oder Ministern zu treffen.

„Bisher wissen wir noch zu wenig über die Geschundenen der Macht. Bisher wandeln wir im Dunkeln und obwohl mir Newheads Vorschlag sehr irrsinnig und ungeheuerlich erschien, so habe ich mit dem Gedanken gespielt diesen Vorschlag in die Tat umzusetzen.“

Zelda blinzelte, rieb sich über ihre Stirn und blickte etwas nachdenklich zu dem einstigen Schwindler, dessen Identität fast niemand kannte.

„Welchen Vorschlag?“, sprach Zelda klar und eindringlich. Sie war zwar erschöpft und fühlte sich matt, aber wichtige Entscheidungen würden niemals ohne ihr Wort gefällt werden.

Harkenia nickte Nicholas Newhead zu und deutete ihm an, seine Überlegungen noch einmal darzulegen.

„Es gibt Theorien. Einfache Hylianer, die einen Angriff der Geschundenen überlebten, berichteten, dass sie manchmal das Gefühl hatten, diese vermeintlichen Hylianer schienen gesteuert zu sein von fremden Mächten, als schiene ein Fluch auf ihnen zu liegen. Möglicherweise spielt sich in den Körpern dieser Sektenmitglieder etwas ab, was wir noch nicht wissen. Vielleicht gibt es eine teuflische Macht, die diesen vorgeblich schwachen Hylianern ihre Stärke verleiht. Es gibt auch einen Bericht einer Familie, wonach der Vater schon lange begraben als einer der Geschundenen zurückgekehrt sein soll. Wenn wir diesen Berichten Wahrheit zumessen, sollten wir uns überlegen, eine solche Kreatur näher zu betrachten.“ Nicholas sprach die Worte klar und beherrscht, obwohl jeder im Raum spürte, dass er die Anwesenden mit allen Mitteln überzeugen wollte, die Leiche zu untersuchen.

„Mit einfachen Worten gesagt, Ihr befürwortet, dass wir diese Kreatur aufschneiden?“, sprach Prinzessin Zelda dann und verzog angeekelt ihr Gesicht. Sie war schließlich nicht auf den Kopf gefallen solche Vorhaben zu durchschauen. Es war vielleicht gerade deshalb, dass ihr Vater nicht darauf verzichtete sie bei derartigen Besprechungen dabei zu haben.

„Tochter, wir sehen diese Sache genauso kritisch wie du, aber wie Newhead vorhin meinte, es wird Zeit, dass wir etwas tun. Das Königshaus hat dem Treiben der Geschundenen der Macht schon zu lange zugesehen.“

Zelda stützte eine Hand an ihr Kinn und grübelte. „Aber müssen wir dafür so weit gehen?“

„Wenn du einen anderen Vorschlag hast, dann unterbreite ihn schnell“, argumentierte ihr Vater. Aber gerade da musste sich Zelda geschlagen geben. Es war frustrierend und demütigend für sie, aber sie hatte im Augenblick keine andere Idee um Untersuchungen gegen die Geschundenen in die Wege zu leiten. Auf der anderen Seite wollte auch Zelda, dass in dieser Sache etwas passierte. Sie machte sich Sorgen um ihren Heroen und befürchtete, dass die Ziele der Geschundenen etwas mit ihm zu tun hatten, auch wenn sie noch nicht wusste, dass er bereits angegriffen wurde.
 

„Die Sache ist die, dass das rote Dreieck auf der Stirn eine größere Bedeutung haben muss als bloß ein Kennzeichen. Wenn wir also Experimente durchführen könnten, so würden wir vielleicht Kenntnisse oder ein besseres Verständnis über diese Geschöpfe gewinnen und könnten über diesen Weg nach Möglichkeiten suchen diese Sekte auszuschalten oder auch überlegen, wer vielleicht sonst noch hinter dem dunklen Bündnis stecken könnte.“, erklärte Nicholas und fasste die Prinzessin in sein Gesichtsfeld. „Ich hoffe, Ihr könnt meine Ausführungen verstehen. Ich bin nicht daran interessiert irgendwelche Körper zu schänden, aber ich mache mir Sorgen, dass diese Sekte noch schlimmere Geschehnisse in die Wege leiten könnte.“ Zelda blickte den jungen Lehrer ein wenig misstrauisch an und vielleicht spürte sie, dass es eine Sache gab, die sie noch nicht wusste. Ohne den geringsten Hauch von Hunger oder Appetit starrte die Prinzessin auf ihren goldenen Teller und grübelte. „Und wer soll diese Aufgabe übernehmen?“

Harkenia drückte die Hände seiner Tochter sanft und entgegnete: „Das wird dir noch weniger gefallen. Wir dachten an Professor Morchas.“

„Professor Morchas?“ Sie zwinkerte und schaute entsetzt drein. Ihre sonst so sanften Augen vergrößerten sich und ihr voller, roter Mund öffnete sich einen winzigen Spalt. „Seid ihr alle wahnsinnig?“, fragte sie und fasste ihren Vater irritiert in ihr Gesichtsfeld. Harkenia schloss bloß seine Augen und atmete tief ein. Er schien nicht überrascht, dass seiner einzigen Tochter der Vorschlag missfiel.
 

„Von wem kam der irrsinnige Vorschlag diesen schmierigen Mann über unsere Probleme wissen zu lassen?“, murrte sie empört. Als Nicholas daraufhin ebenfalls sein Haupt senkte, wusste sie es. Es war nicht besonders schwierig für sie die Absichten und Meinungen eines Wesens an seiner Mimik zu deuten.

„Ihr, Newhead? Ihr enttäuscht mich gerade maßlos…“, sagte sie kopfschüttelnd und wendete ihr Blickfeld einmal mehr zu ihrem leeren Teller. In dem Moment verging ihr das bisschen Appetit, welches sie vielleicht noch hatte.

„Zelda, auch du wurdest von diesen Kreaturen angegriffen. Zügle dein Temperament und deinen Gerechtigkeitssinn. Ich bewundere deine Stärke, das weißt du. Nur erfordert diese Sachlage sofortige Entscheidungen und neue Wege“, erklärte Harkenia fest und ein bitterer Ausdruck legte sich auf sein starkes Gesicht.

„Aber es muss andere Wege geben“, sagte Zelda lauter werdend und nachdrücklich. „Er trinkt das Blut der Getöteten. Er kostet Leichen!“ Und weil keiner der Ritter den Versuch wagte ihr zuzustimmen, und weil sich niemand der fünf Kämpfer traute sie mit einem vielsagenden Ausdruck zu mustern, erhob sie sich. Sie stützte sich energisch am Tisch ab.

„Ich stimme hiermit dagegen!“, rief sie erbost. „Ihr habt allesamt den Verstand verloren!“
 

Doch da schlug ihr Vater mit seiner Faust auf den Tisch und erhob sich ebenfalls. Er blickte seine Tochter mit Strenge und Unmut an, etwas, was er lange nicht getan hatte. „Das reicht jetzt, Tochter. Ich respektiere deine Meinung durchaus. Nur gefällt mir dein verbitterter und zänkischer Ton nicht. Du wirst dich jetzt aus dieser Versammlung zurückziehen!“ Harkenias Stimme war launischer und gewaltiger als die Ritter es erwartet hätten. Beinah trotzig blickte die Prinzessin ihren Vater an und verbiss sich das nächste Wort. Es war lange her, dass er sie auf diese Weise ansah und ihr Befehle erteilte.

„Und erlebe ich noch einmal, dass du angegriffen wirst und dich so ärmlich wehren kannst, werde ich deinen Freiheitsdrang nicht mehr tolerieren!“, sprach er durchdringend. Er sprach so laut, dass die Wachen an der Eingangspforte schluckten und verunsicherte Blicke austauschten.
 

Prinzessin Zelda aber hatte in dem Augenblick schlichtweg vergessen, was sie sagen wollte. Die Bemerkung, dass sie sich aus der Versammlung zurückziehen sollte, war ja noch in Ordnung. Auch dass ihr Vater sich schon längst entschieden hatte die Leiche in Professor Morchas Hände zu geben, war nicht mehr zu ändern. Aber dass ihr Vater begann ihr zu drohen und in seiner Aussage ihre Stärke und Kampfkunst in Frage stellte, traf sie wie ein Schlag. Er hatte in diesen unüberlegten Sätzen gerade ihren gesamten Respekt ihm gegenüber in Frage gestellt. Und was sie noch mehr kränkte war die Tatsache, dass er dies vor fünf hochrangigen Rittern tat…
 

Sie verstummte vollends und trat gedemütigt zu den gegenüberliegenden Balkonfenstern, sodass sie die Unterhaltung nicht mehr hören konnte. Wie in Trance blickte sie über die majestätischen Wiesen Hyrules und verlor sich mit ihren Gedanken dort, wo das Feuer der Sonne sich wie eine glutrote Decke ausbreitete. Sie seufzte, versuchte die Worte ihres Vaters zu vergessen, aber schüttelte innerlich den Kopf. Er wusste, dass sie im Augenblick nicht in der besten Verfassung war, nicht nach dem Angriff, der ihr mehr abverlangt hatte als sie dachte. Es waren nicht nur die vergifteten Klingen, die sie schwächten, wohl eher der Gedanke, dass die Geschundenen mit diesem Angriff nicht ihr, sondern dem Helden der Zeit schaden wollte. Und ihr Vater wusste dies. Er wusste doch ganz genau, dass sie gerade leicht reizbar und alles andere als in guter Stimmung war. Sie blickte in Richtung des Norden und dachte an jenen einst heldenhaften Jungen, der in wenigen Minuten an dem Unterricht teilnehmen würde. Sie sehnte sich so sehr danach einfach nur bei ihm zu sein…
 

Und gerade in diesem Augenblick herrschte wildes Durcheinander in dem düsteren Quartier von William Laundry und Link, dem hilflosen Einfallspinsel, der nicht mehr wusste, wo er das kostbare Heilmittel Zeldas gelassen hatte. Und verschlafen hatte er auch noch...

„Verdammt. Verdammt. Verdammt“, schimpfte er, während er mit einem Strumpf an seinem rechten Fuß durch die Gegend hüpfte und unglücklich und täppisch durch den Raum pendelte, und er sich die andere Socke überzog.

Es war kurz vor Unterrichtsbeginn in dem traditionsreichen Fach Shiekahredewendungen und er hatte weder einen blassen Schimmer, wo seine schwarze Tunika in diesem unsäglichen Chaos zufinden sein würde, oder ob diese bereits von einem schwarzen Loch gestohlen wurde, oder ob er jemals aus diesen monströsen Klamottenstapeln in dem muffigen Raum herausfinden würde. Aber am schlimmsten war die Gewissheit, dass er vermutlich wieder zu spät beim Unterricht erscheinen würde.

„Verdammt. Verdammt. Verdammt“, brüllte er wiederholend, rutschte weg, fiel auf die Nase und beobachtete beinahe lethargisch die Staubkörnchen auf dem Fußboden herumrollen. Er konnte wohl wahrlich tun, was er wollte, aber er tapste in seinem Leben tatsächlich von einem Fettnäpfchen ins nächste...
 

Zwei Minuten später, es waren nur noch wenige Sekunden bis zum Unterrichtsbeginn in dem Fach Shiekahredewendungen rannte Link wie angestochen die alten, klirrenden Schlossgänge hinab. Es war beinahe zu spät, als er im tuschelnden Hörlesungssaal seinen Platz neben einem breitgrinsenden Will mit einem lauten Schlag besetzte.

„Guten Morgen, Herr Schlafmütze“, feixte Will und stützte seinen linken Ellenbogen auf der Tischplatte ab und platzierte seinen Schädel darauf.

„Gut geschlafen, Herr Schlafmütze? Ich glaube, du bräuchtest wirklich so eine Mütze, am besten noch eine richtige Zipfelmütze. Dann könnte man dich gleich daran erkennen. Link: die schlafsüchtige Schlafmütze“, lachte der Laundry. Doch das fand Link weniger lustig...
 

„Was hast du denn gegen solche Mützen?“

„Sieht doch bescheuert aus.“ Link funkelte streitsüchtig und verschränkte die Arme.

„Du hast ja keine Ahnung, wie toll Zipfelmützen sind.“

„Sag’ bloß, du hattest so was mal auf deinem Kopf.“

„Ja, du Lästermaul!“, schimpfte der blonde Hylianer und setzte ernster hinzu: „In Kokiri trug jeder einen Kopfschmuck. Und außerdem, wenn du mal deine Birne einschalten würdest, dann würdest du daran denken, dass der Held der Zeit genauso eine grüne Zipfelmütze trägt.“ Will machte große Augen. „Ist nicht wahr?“

„Doch! Man sieht es auf Abbildungen und Portraitierungen. Die legendären Helden Hyrules tragen alle das stolze grüne Gewand und da gehört eine Mütze einfach dazu.“ Link fühlte sich beinahe entehrt, weil sich sein neuer Kumpel über diesen Kopfschmuck lustig machte. Und man hörte seine Ärgernis an der gereizten Tonlage.

Will meinte ruhiger: „Und ich dachte immer, der Held der Zeit wäre so ein Riese mit einer tonnenschweren Rüstung und allerlei Waffen an seinem Körper geschnallt.“

„Irrtum“, sagte Link und schüttelte den Zeigefinger. „Der Held der Zeit bevorzugt einen leichten, beweglichen Kampfstil ohne unnötige Rüstungen und Eisenbeschläge, die einen an der Gewandtheit hindern.“

„Du weißt mal wieder viel zu gut Bescheid. Bin gespannt, wann ich dich ertappe!“, sagte Will spitzfindig, worauf sich Links eher fröhliches Gesicht zu bleicher Überraschung wandelte.

„Wie...?“

Aber Will winkte ab. „Die Leute tuscheln alle schon über dich wegen gestern.“

„Was das Tuscheln angeht, das geht mir kreuzweise am Arsch vorbei“, murrte Link. Er hatte andere Dinge im Kopf als sich über sowas noch zu ärgern.

Der Laundry deutete dann auf seine grünbandagierte Hand. „Was ist mit deiner Hand?“

„Es wird schon besser“, murmelte Link. „Ich werde irgendwann nochmal zur Krankenschwester schauen.“

Interessiert beugte sich Will näher. „Stimmt es eigentlich, dass Artus‘ ältere Schwester diese Stelle ausübt?“ Link nickte und erinnerte sich mit einem unguten Gefühl an gestern Abend. Eliza McDawns Anspielungen bezüglich Valiant ließen ihn irgendwie unruhig werden. Ob da mehr dahinter steckte, dass Valiant ständig über Zelda redete?

„Mal wieder witzig, dass ausgerechnet du eine Damenbekanntschaft machst“, lachte der Laundry und brachte den Heroen aus dem Konzept.
 

Mit roten Wangenbäckchen wollte er Will fragen, wie er das meinte, aber da hörten alle Schüler ein lautes Schlagen mit einem langen Zeigestock an der verhältnismäßig kleinen Schiefertafel hinter dem Lehrerpult. „Bitte um Aufmerksamkeit“, sprach der Professor Twerkfuß mit seiner piepsenden Stimme und es herrschte Stille in dem Saal.
 

Professor Twerkfuß schlug seine verstaubten Bücher auf und setzte ein konkaves Glas auf das eine Auge. Schräg und stotternd las er einige Geschichten über die Shiekah aus seinen zerfetzen Materialien hervor, brach gelegentlich mitten im Satz ab und rieb sich über seine tränenden Augen. Und registrieren wollte er ebenso wenig, was seine Schüler taten, als er sich zu bemerken erlaubte, wann der Lesestoff zu langweilig wurde. Und so verging die Zeit...
 

Das Ende der Stunde rückte näher und einige Hylianerköpfe lagen gelangweilt auf den hölzernen Tischplatten, während andere die Fliegen zählten, die an dem Deckengewölbe entlang schlichen.

Link gähnte bereits, machte es sich in seinem Platz immer bequemer, bis ihm geradezu hypnotisiert von Twerkfuß’ schräger Stimme und seinen Verhaspelungen in der Sprache der Shiekah, die Augen zufielen. Er probierte immer wieder sich abzulenken, öffnete die schweren Augenlider, aber sie waren so erdrückend. Es schien fast so, als wollte man ihn in die Traumwelt führen auf dass er erkenne, was er lang schon vergaß...
 

Link legte den Kopf auf die Arme, fühlte sich mehr und mehr erschlagen und entschied sich dem Drang nachzugeben. Diesem winzigen Funken Vertrauen zu schenken, dass er träumen musste. Außerdem hatte er letzte Nacht ohnehin zu wenig Schlaf bekommen. Und die magische Verletzung quälte ihn zunehmend. Er gähnte ein weiteres Mal und versank dann endlich in seiner Traumwelt…
 

Er wusste nicht, wo er sich befand. Das einzige, was er wahrnahm und was ihn an etwas Verlorenes erinnerte, war ein angenehmer Geruch in der Luft, ein Braten, der sein Aroma in dem Raum verteilte. Gewürze, die er irgendwann in seinem Leben schon einmal gekostet hatte. Aber er konnte sich nicht erinnern wann…

Er öffnete seine Augen, verzaubert von diesem angenehmen Aroma in der Luft und fand sich in einer sehr geräumigen Küche wieder. Direkt vor seiner Nase zog eine große Einbauküche seine Aufmerksamkeit auf sich. Dort waren mehrere Öfen, Kühltruhen, in welchen man das Eis der Zoras aufbewahren konnte. Eis, das sehr lange brauchte um zu schmelzen. Und sehr bewundernswert fand Link das kleine Chaos in dem Raum. Überall an den Küchenschränken hingen Löffel und andere Essenswerkzeuge. Zwiebeln und Knoblauch, wie auch Beifuß hingen an den Wänden. Auf einem Küchentisch lagen Kartoffeln, Karotten, rote Beete, Petersilie und viele andere Gemüsesorten, die er nicht alle in Gedanken aufzählen wollte. Er wollte sich bewegen und sich weiter umschauen, konnte dies aber einfach nicht. Es war fast so, als wäre er eingemauert, festgenagelt und konnte nur den Ereignissen zusehen, die sich ihm preisgaben.

Gerade da vernahmen seine Ohren Schritte. Ein paar Holzhausschuhe näherten sich und mit einem Mal wurde eine Tür vor seiner Nase auf gezerrt und eine junge Frau trat in den Raum. Es war jemand, den er noch nie in seinem Leben gesehen hatte und sie schien sich nicht um ihn zu kümmern oder ihn irgendwie zu bemerken. Sie summte mit einer Stimme, die ihm ein Gefühl vermittelte, hier sicher zu sein. Ihr leises Summen wärmte sein Herz…
 

Als sie sich umdrehte und zu dem Küchentisch tapste, konnte er endlich ihr Gesicht sehen. Und sie war wunderschön, eine der schönsten Frauen, die er jemals gesehen hatte. Sie besaß markante Gesichtszüge und Augen von solcher Tiefe, als könnte man in diesem meerblau ertrinken. Ihr Haar war honigblond und fiel in einem langen geflochtenen Zopf bis zu ihrer Hüfte. Sie trug ein dunkelgrünes Landfrauenkleid und wirbelte mit einer unglaublichen Energie und Lebensfreude umher. Sie lächelte und summte weiter. Link konnte nur lächeln, wusste, dass dieser Ort hier keinen Sinn ergab. Und noch mehr wunderte ihn die Tatsache, dass er angesichts dieser Frau einfach nur lächeln konnte. Er konnte lächeln und das in einem einfachen Traum…
 

Sie widmete sich gerade dem Braten im Ofen, als eine weitere Person in Links Gesichtsfeld trat. Ein prächtiger Ritter Mitte zwanzig in einer olivgrünen Tunika schlich auf leisen Sohlen näher. Er war durchtrainiert, besaß wildes dunkelblondes Haar und ein Grinsen, das unverschämter nicht sein konnte. Es schien fast so, als wollte er sich an sie heranpirschen oder sie irgendwie erschrecken. Link wusste nicht, wer er war und er war sicher, dass er diesen Mann noch nie gesehen hatte. Und gerade da packte dieser Mann die junge Frau, brachte sie zu einem Schrei, den man auch außerhalb dieses Hauses noch hören würde und lachte so laut, dass sich die Balken bogen. Er wollte sie umarmen, was sie sich voller Empörung anscheinend nicht gefallen lassen wollte. Sie grabschte nach dem erstbesten Kochlöffel, hielt diesen unter des Mannes spitze Nase und schaute ihn sehr grimmig an.

„Du sollst dich verdammt nochmal nicht so kindisch benehmen und mich erschrecken. Du weißt ganz genau, dass ich das nicht leiden kann.“ Sie drohte ihm fortwährend mit dem Kochlöffel, aber grinste dann auch.

„Vielleicht mach‘ ich es genau deshalb immer wieder“, lachte er und lächelte die Frau auf eine Weise an, die jener die Wut aus den Venen saugte. Auch sie lächelte dann und es schien als wäre seine kleine Hinterhältigkeit wieder vergessen.

„Aber ich entschuldige mich, mein Herz…“, sagte er, legte seine Fingerspitzen an ihre rechte Wange und ließ jene bis zu ihren Lippen wandern.

„Das will ich dir auch geraten haben…“, sprach sie leise. Sie drückte einen Kuss auf seine linke Wange und er durfte sie dann doch noch umarmen.
 

Okay, dachte Link. Er war hier scheinbar im Heim einer kleinen, jungen Ritterfamilie. Und diese beiden waren entweder ein Liebespaar oder Eheleute. Nur was zum Teufel machte er hier eigentlich. Und warum konnte er sich in seiner Position einfach nicht bewegen? Er wusste, dass er nur träumte, aber er schaffte es nicht sich einfach aus diesem Traum herauszureißen, sich zu wehren. Irgendetwas, so verstand er, hielt ihn hier fest.
 

„Wie war es bei König Gustav?“, meinte sie leise. „Gibt es Neuigkeiten?“ Als sie das Thema ansprach, verging dem Mann das Grinsen wieder. Link konnte direkt sehen, wie er seine Schultern hängen ließ. Es schien fast so, als wollte er nicht über das Thema reden.

„Ja, es scheint, als entsteht ein Konflikt zwischen den Zoras und den Goronen. Der König hat versucht zu schlichten, hat versucht zu vermitteln. Aber bisher gibt es kein Übereinkommen.“

„Das gefällt mir nicht…“, sprach die Frau und drückte sich noch näher an ihren Partner.

„Mir noch weniger…“, stimmte er zu. „Lass‘ uns bitte über etwas anderes reden, Medilia.“

Sie atmete tief ein und blickte ihn mit ihren kräftigen blauen Augen verständnisvoll an. „Es gibt Entenbraten, du solltest etwas essen.“ Er nickte, beinah dankbar, und nahm am Küchentisch Platz.
 

Sie brachte ihm schließlich eine dampfende Entenkeule, frisches Brot und einen Krug hylianisches Gebräu. Er aß ohne Manieren, aber es schien die scheinbare Lady nicht wirklich zu stören. Im Gegenteil, sie lächelte sogar. Mit einer Serviette tupfte sie um seine Mundecken, was ihm ebenfalls ein Lächeln ins Gesicht brachte. Erst jetzt sah Link Lebensproben und die stummen Zeugen des Schlachtfelds in dem sonnengebräunten Gesicht des Mannes. Eine große Narbe verlief über seiner rechten Wange.

„Wie war dein Tag, Liebste?“, meinte er und legte seine linke Hand auf ihre Rechte.

„Ich muss dir etwas sagen“, sprach sie sanft und sie lächelte fast wie eine Fee oder ein Engel, dachte Link. Ihre blauen Augen leuchteten unglaublich aussagekräftig.

„Was ist denn los?“ Er zwinkerte, vielleicht war es selten, dass sie so geheimnisvoll tat.

„Ich war heute in Lyriellen auf dem Marktplatz.“

„Und?“ Er unterbrach sie, vielleicht weil er Geheimnisse überhaupt nicht mochte. Diese gaben ihm das Gefühl keine Kontrolle zu haben und das mochte er nicht.

„Jetzt lass‘ mich doch ausreden“, sagte sie strenger, worauf er sich am Kopf kratzte.

„Eine Bäuerin sprach mich an und stellte mir eine… überraschende Frage…“ Fast ein wenig zappelig rutschte der Ritter auf seinem Platz umher. Es machte ihn ungeduldig, wenn man ihn auf die Folter spannte.

„Ich habe meine Mutter deswegen einen Test machen lassen.“

Als sie das Wort ,Mutter‘ ansprach, verging ihm das Grinsen wieder. „Dass du dieser Hexe und Schreckschraube überhaupt noch etwas glaubst, versteh‘ ich nicht“, murrte er.

„Arn!“, fauchte sie. „Sie ist meine Mutter.“
 

,Moment‘, dachte Link. Konnte bitte jemand die Zeit anhalten. Hatte sie gerade Arn gesagt. War das hier Arn Fearlesst? Link hatte in dem Augenblick noch mehr den Wunsch sich einfach nur zu bewegen, sich zu rühren, etwas zu sagen und diesen Traum zu beeinflussen, aber es ging nicht.
 

„Und du hast absolut keine Ähnlichkeit mit ihr“, entgegnete er.

„Ich gebe es ja zu, sie ist kompliziert. Aber sie respektiert dich, Arn. Sie liebt dich auf ihre Weise.“

„Ja, auf eine sehr absonderliche, erschreckende Weise. Die Frau versäumt keine Möglichkeit mich lächerlich oder fertig zu machen. Hinzu kommt ihr ständiger Männerbesuch. Das hier ist meine Feste. Ich kann es langsam nicht mehr ertragen, dass sie jeglichen Unrat in mein Heim bringt.“ Daraufhin seufzte die Lady und schloss genervt die Augen.

„Bei Farore, Medilia, ich weiß, dass du sie hier brauchst. Ich will nicht, dass du nur wegen mir auf irgendetwas verzichten musst. Aber wenn etwas nicht stimmt, kannst du das nicht mit mir besprechen, anstatt dir einen Rat deiner Mutter zu holen?“

Sie blickte schräg an ihm vorbei. „Arn…“

„Ja…“ Und es schien, als würde es beiden leidtun, dass sie sich wegen dem Thema stritten.

„Du weißt nicht, weshalb ich meine Mutter konsultieren wollte und du weißt nicht, um welches Thema es geht.“ Sie erhob sich dann und rieb sich aus irgendeinem Grund den Bauch. „Ich konnte dir nicht irgendeine Hoffnung machen, ohne dass ich einen Beweis habe. Deine Voreiligkeit und Ungeduld kann ich im Augenblick nicht ertragen.“
 

Mit der Spur eines Schuldeingeständnisses saß der Ritter vor seinem Entenbraten und schien den Appetit verloren zu haben. Schweigsam saß er dort, irgendwie betreten und beschämt. Wenn dies wirklich Arn Fearlesst war, dann konnte Link seinen niedergebeugten und schuldbewussten Ausdruck sogar verstehen.
 

„Bist du denn gar nicht neugierig, von welcher Hoffnung ich sprechen wollte?“, meinte sie dann, worauf er aufsah. Sie tapste mit ihren Holzschuhen klappernd zu ihm hinüber und legte ihre Hände auf seine verspannten Schultern. Sie lehnte sich an ihn, schloss ihre Augen und summte wieder. Als er ihre Hände, die sich auf seiner Brust wiederfanden, streichelte, war es für Link, den heimlichen Beobachter fast so, als könnte diese Idylle, diese plötzliche Harmonie all das bezwingen, was er in den letzten Wochen und Monaten erlebt hatte. Diese zwei Hylianer fühlten sich so heilsam an für seine Seele. Beinah grausam…
 

„Doch, natürlich bin ich neugierig, ich wollte mich bloß für meine Angriffslust entschuldigen. Ich wollte dich nicht anfahren…“, sprach er aufrichtig.

„Ich weiß“, murmelte sie und schmiegte sich noch näher an ihn. Er drückte ihre Hände sanft und drehte sich mitsamt des Holzstuhls zu ihr. Sie nahm auf seinem Schoss Platz und umarmte ihn innig.
 

Link im Hintergrund wollte nur noch weg aus diesem Traum, wusste aber auch, dass er im Augenblick rein gar nichts beeinflussen konnte. Er konnte nur zusehen, wie sich dieses Paar leidenschaftlich küsste. Es war ihm mittlerweile schon unangenehm. Und in diesem Moment hörte er gerade noch ein Flüstern von der Lady, nur ein paar leise Worte, die sie Arn ganz nah ans Ohr flüsterte. Und dann, dieses Szenario vervollständigend, schien dieser Arn Fearlesst vor Schreck vom Stuhl zu fallen. Medilia hatte sich gerade noch fangen können und blickte mit runzelnder Miene zu einem am Boden hockenden Ritter, der sie mit einem Ausdruck musterte, den Link bei keinem Mann bisher gesehen hatte. Es war mehr als Schock und mehr als Überraschung. Es war beinah schon Entsetzen. Und dann sah er so aus, als wollte er ohnmächtig werden.
 

„Arn!“, rief sie erschrocken, zupfte ihren Rock zurecht und kniete nieder. Gut, er war nicht ohnmächtig, aber scheinbar verwirrt. Mit roten Wangen sah er seine Liebste an.

„Sag‘ das nochmal!“, brabbelte er. Ein Wunder, das sein unbeholfene Gekeife überhaupt zu verstehen war.

„Du wirst Vater“, sagte sie sanft und lächelnd.

„Nochmal…“

„Du wirst Vater…“

„Nochmal.“ Doch da legte sie ihm ihren rechten Zeigefinger auf seine spröden Lippen.

„Wie oft willst du das noch hören, bis du es glaubst.“ Tatsache war, dass er es auch jetzt noch nicht glauben konnte. Sie half ihm aufstehen, legte ihre warmen Hände auf seine Wangen.

„Aber wie…“, brachte er über seine Lippen und sah sie zweifelnd an.

Und weil er sie so verdammt verunsichert und ratlos musterte, erklärte sie es ihm erneut. Sie lachte leise auf und erzählte: „Eine Bäuerin auf dem Markplatz Lyriellens machte mich darauf aufmerksam. Sie sah es in meinem Gesicht. Ich habe dann meine Mutter um Rat gefragt und es stimmt… Es ist passiert. Wir…“ Und da unterbrach er sie wieder. Lachend und unglaublich glücklich packte er seine Frau unter den Armen und wirbelte sie in der Luft herum. Dann küsste er sie liebevoll.

„Aber wir… wir haben doch…“, stotterte er.

Sie grinste. „Was? Arn, warum bist du so überrascht?“

Sie schmiegte sich an ihn und sprach in sein spitzes, rechtes Ohr. „Du benimmst dich so, als wüsstest du nicht, dass das passieren kann. Wir haben jede Nacht…“

„Wir bekommen ein Kind!“, rief er dann euphorisch.

„Einen Sohn“, berichtigte sie.

„Einen Sohn!“, brüllte er beinahe.

„Ja“, meinte sie nachdrücklich. „Mutter meinte, es wird ein Junge.“
 

Und Link konnte fast schon spüren, dass es für diesen Mann im Augenblick zu viel war. Link konnte und wollte sich nicht vorstellen, wie es wohl sein würde, Vater zu werden. Über solche Angelegenheiten hatte er sich nie Gedanken gemacht. Aber für diesen Arn Fearlesst war es im Augenblick wohl das Schönste zu wissen, eine Familie zu haben und dass diese Familie wuchs. Je mehr Link dieser Familienidylle zusah, je mehr er verstand, umso mehr begann es ihn zu quälen. Es war nicht ohne Grund, dass er diese Bilder sah. Es war eine Botschaft, die er nicht ignorieren sollte. Vielleicht hatte er nichts mit dieser Familie zu tun. Aber es erinnerte ihn daran, dass er diese Wünsche nach einem Heim und einer Familie tief in sich trug. Dieses Paar freute sich, sie lachten, sie jubelten und es gab einen Begriff für ihr momentanes Gefühl. Etwas, was Link in dieser Form noch nie wahrgenommen hatte. Sie waren glücklich…
 

Und es war dann, dass Link seine Augen im Traum schließen konnte. Er blinzelte, konnte sich von jenen Bildern endlich losreißen, aber schaffte es nicht sofort wieder in die Realität zurückzukehren. Durcheinander und sich nicht erinnernd, an welchem Ort er verweilte, richtete er sich einfach auf. Er stand entsetzt und mit gläsernen Augen auf seinen wackligen Beinen. Alle Augen im Vorlesungssaal fielen auf ihn und sein bleiches Gesicht. Seine Hände zitterten und alles an ihm schrie nach Chaos und Hilflosigkeit. Orientierungslos sah er Will zu seiner rechten Seite an, der ihn nur verständnislos musterte. Und er musterte ihn noch verwirrter, weil er Tränen in den Augen hatte…
 

Im Schloss Hyrules war die Entscheidung des Königs endlich gefallen. Man würde den Geschundenen der Macht näher untersuchen und sogar entehrende Experimente hatte der König gestattet. Im Augenblick war ihm scheinbar alles recht, nur um der Sekte auf die Spur zu kommen und deren Pläne zu vereiteln.
 

Zelda saß gekränkt auf ihrem Thron und blickte an ihrem Vater vorbei, der in ihre Richtung lief und sie musterte. „Tochter, du musst einsehen, dass ich dich mit deinem Temperament nicht immer entscheiden lassen kann. Lerne endlich in solchen wichtigen Verhandlungen kühl zu sein, dir nicht immer deine Emotionen anmerken zu lassen.“

„Diese Diskussion hatten wir schon einmal. Ich kann nicht ändern, was ich bin und wie ich bin.“ Harkenia seufzte frustriert. „Genau das meine ich. Du hast immer das letzte Wort, beleidigst mich und unsere Landsleute. Entweder du schiebst deinem zügellosen Temperament und deiner unerträglichen Sturheit einen Riegel vor, oder ich bin gezwungen dich in zukünftigen Entscheidungen herauszuhalten.“ Er trat näher und ließ sich vor seiner Tochter auf seine Knie sinken. Er hob ihr Kinn nach oben und sah sie eindringlich an. „Zelda, ich will doch nicht, dass du dich um Hundertachtzig Grad drehst. Ich möchte auch nicht auf deine Meinung und Weitsicht verzichten.“ Erst dann sah sie endlich auf und blickte ihren Vater müde und enttäuscht an. Er runzelte die Stirn und schien nicht mehr das Bedürfnis zu haben sie zu erziehen, wohl aber wirkte er besorgt.

„Vater, du weißt, verdammt nochmal, dass es mir nicht gut geht. Also warum hast du mich überhaupt zu dieser Versammlung geladen? Ich gebe zu, dass ich gerade gereizt bin, dass ich vielleicht im Moment nicht vernünftig meine Argumente dargelegt habe, aber musstest du mich vor diesen Rittern zurecht stutzen?“

„Scheint so, als sind wir uns in dieser Hinsicht ähnlich, was? Du hast nicht mit der Wimper gezuckt, als du uns allesamt beleidigt hast. Erwartest du dann wirklich, dass ich zögere meinem Unmut Ausdruck zu verleihen?“

Und da schüttelte Zelda endlich ihren hübschen Kopf. Okay, dachte sie, in dieser Hinsicht hatte ihr Vater Recht. Sie hatte sich genauso wie er im Wort vergriffen.

„Auch ich war früher temperamentvoller. Je älter du wirst, umso eher wirst du verstehen, dass du nicht dauernd mit dem Kopf durch die Wand kannst.“ Er machte eine kurze Pause. „Was die andere Sache angeht. Es hatte einen Grund, dass ich dich bei der Versammlung dabei haben wollte. Ich habe dir noch eine unerfreuliche Nachricht zu machen…“

Und da verzog Zelda noch mehr das Gesicht. Sie stellte sofort Vermutungen an und richtete sich auf. „Geht es um Valiant? Ist etwas passiert?“

Harkenia schloss die Augen und schüttelte das Haupt. „Nein. Zumindest wurde nichts berichtet.“

Irritiert trat Zelda auf die Beine und blickte ihren Vater ratlos an. „Was ist es dann?“ Und Harkenia zupfte sich an seinem Bart. ,Ungewöhnlich, dass seine Tochter es nicht gespürt hatte. Sie hatte doch sonst immer ihren sechsten Sinn.‘

„Vater, was ist los?“ Sie legte eine Hand auf seine rechte Wange, sodass er sie ansah.

„Du wirst dich wohl schon gefragt haben, wer diesen Geschundenen getötet hat, nicht wahr?“

„Sicherlich, aber ich dachte, es wäre einer der Ritter gewesen.“

Der Regent seufzte: „Ich wollte es dir in Ruhe sagen, weil du ohnehin geschwächt bist, aber besser ich mache kein Geheimnis mehr daraus. Kurz und knapp: Link hat ihn in Notwehr getötet und er wurde verletzt.“
 

Doch, dass seine Tochter noch immer so schwach auf den Beinen war, hatte der König nicht vermutet. Sie wurde blass im Gesicht und ließ sich zurück auf ihren Thron sinken.

„Link wurde verletzt?“

Sie stützte eine Hand an ihren Kopf und murmelte: „Wie schwer?“

„Mach‘ dir keine Sorgen. Es geht ihm einigermaßen gut, er hat eine magische Wunde an der linken Hand.“

„Warum konnte ich das nicht spüren?“, sprach sie leise. Was war mit ihrer Verbindung zu dem Helden der Zeit? Sie hatte immer gespürt, wann immer er litt, wann immer ein körperlicher Schmerz in ihm wühlte und wann immer er sich schwer und niedergebeugt fühlte. Gerade diese Verbindung hatte sie stärker gemacht, sie hatte auf diese Nähe vertraut.

„Es scheint, als würde eure Verbindung schwächer“, meinte ihr Vater und blickte sie sehr nachdenklich an.

„Auch das noch…“, sprach Zelda. Sie konnte es sich selbst nicht wirklich eingestehen, aber die letzten Tage waren einfach zu viel für sie. Und dass es jetzt auch in ihrer Seelenverwandtschaft Probleme gab, belastete sie. Konnte es sein, dass Link ein anderes Mädchen in seinem Kopf hatte?

„Kannst du dir das irgendwie erklären?“, meinte ihr Vater.

Sie erwiderte mit gesenktem Kopf einen trübsinnigen Blick, der Bände sprach.

„Das Schicksal beginnt sich zu verformen. Es sind andere Hylianer, die nun sein Leben bestimmen, andere Wege, die sich für ihn auftun. Und er wird sich erinnern und an etwas reifen, das er niemals wählen wollte. Es wird sich alles verändern. Und nur er wird wissen, was zu tun ist…“

Hey, ein riesiges Danke an die Leser des letzten Kapitels, ihr motiviert mich schneller zu schreiben.
 

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Kapitel 28
 


 

Nach Professor Twerkfuss‘ Unterrichtsstunde und seinem eigenartigen Traum war Link auf schnellstem Wege in seinem Zimmer verschwunden. Etwas verwirrt und nachdenklich saß er auf seiner Bettkante und umarmte sich beinah selbst. Er wusste nicht so recht, was mit ihm los war. Seine Augen tränten noch ein wenig und er fühlte etwas in seiner linken Brusthälfte stechen. Ein mäßiger Schmerz, der sich nach Beruhigung sehnte. Sicherheitshalber nahm Link eine Perle von den Tränen der Nayru und blickte das Fläschchen verdutzt an. Hatte er es tatsächlich so oft eingesetzt? Denn das Gefäß war mittlerweile halb leer. Er verscheuchte diesen unangenehmen Gedanken, räumte es wieder weg und dachte weiterhin an seinen Traum. Etwas berührte ihn, das er nicht beschreiben konnte. Etwas aus diesem merkwürdigen Traum, den er vorhin gehabt hatte. Es war lange her, dass ihn etwas so sehr berührt hatte. Sehr lange…

Er hatte in seinen Reisen durch Hyrule schon viele Leiden gesehen, hatte Leute sterben sehen, hatte Hylianer sich gegenseitig verletzen sehen. Und in all der Zeit schaffte es kein Blick, keine Berührung und kein Wort ihm nur ansatzweise nah zu kommen. Warum schaffte es ein einfacher, unsinniger und doch merkwürdiger Traum?

Lag es an der Idylle dieser beiden Hylianer, die er nicht kannte? Lag es daran, dass er sich mit Arn Fearlesst in den letzten Tagen beschäftigt hatte? Aber woher sollte er dann wissen, wie seine Gemahlin aussah? Und warum schickte ihm sein Unterbewusstsein eine derartige Szene, in der es um Familienzuwachs ging?
 

Seufzend wischte er sich die letzten Tränen aus den Augenwinkeln und ließ sich rücklings auf sein Bett sinken. Seine tiefblauen Augen begutachteten das mit Flecken übersäte Deckengewölbe, während seine Gedanken auf Wanderschaft gingen. Ja, er hatte während seiner Reisen durch Hyrule und andere Länder viele rührende Szenen beobachtet. Er erinnerte die Hochzeit von Kafei und Anju, erinnerte eine Schifffahrt in eines von Hyrules Nachbarländern, wo Überlebende eines Seeunglücks an Deck gezogen wurden. Er erinnerte die magischen Momente, als Feen geboren wurden. Er erinnerte so vieles und doch hatte ihn nichts so sehr berührt wie dieser Traum. Mit einem Seufzen schloss er seine Augen und versuchte diesen Traum als einen einfachen, unwichtigen Traum zu belassen. Warum sollte er sich mit dieser Gefühlsduselei überhaupt beschäftigen? Eigentlich war doch alles im Augenblick ganz okay. Er hatte ein warmes Bett und das für die nächsten Jahre. Er war unter Jugendlichen, die ähnliche Ziele für die Welt besaßen… und er hatte neue Freunde kennen gelernt. Was machte er sich Gedanken um eine Familie, die er niemals haben würde? Wenn er nun noch herausfinden könnte, was mit ihm passiert war, und wenn er seine Krankheit loswürde, könnte er endlich wieder der Held sein, dem Zelda einst vertraute…
 

Wie auf Knopfdruck klopfte es dann an der Zimmertür und ohne eine Antwort abzuwarten, und scheinbar ein Gespür für unpassende Situationen habend, trat der vorwitzige William Laundry in den Raum.

„Hey, was machst du denn hier?“, meinte er. „Ich habe dich schon gesucht. Die Leute reden alle über dich wegen gestern.“

Link drehte sein Gesichtsfeld zu ihm und ließ die Beine von der Bettkante baumeln.

„Ist alles in Ordnung? Du siehst echt beschissen aus“, sagte er und musterte ihn mehr und mehr. Und da Will einmal wieder seine spitze Nase ungefragt in andere Angelegenheiten stecken wollte, verdrehte der Held seine Augen, aber versuchte seine leichte Ärgernis deswegen zu verbergen.

„Wonach sieht es denn aus, Will?“

„Keinen blassen Dunst“, meinte jener ehrlich und setzte sich zu ihm auf die Bettkante. „Sag‘ du es mir.“

Zuerst wollte Link gar nichts sagen, so wie es auch sonst immer seine Masche war, aber dann erinnerte er sich daran, dass Will ihn im Vorlesungssaal sehr genau beobachtet hatte. Was brachte es, ihm zu verschweigen, dass er einen merkwürdigen Traum hatte? Sehr viel bescheuerter konnte das Bild, das andere inzwischen von ihm hatten, wohl nicht mehr werden.

„Ist im Vorlesungssaal irgendetwas gewesen?“, meinte Will. „Nach deinem kurzen Schlummer hast du dreingeschaut, als hättest du deine eigene Geburt gesehen.“

„Will“, versuchte Link zu beschwichtigen.

„Echt mal, sowas finde ich unheimlich. Hast du irgendwas geträumt?“

Link nickte dann endlich, worauf Will verwundert dreinblickte. Hatte Link jetzt wirklich zugegeben, was mit ihm los war? War doch sonst nicht seine Art. Mächtig verwundert über die plötzliche Offenheit, die Link an den Tag legte, fragte Will weiter. „Und wovon hast du geträumt?“
 

Ratlos trat Link auf seine Beine und sah zum Fenster hinaus. „Wenn ich dir das erzähle, hältst du mich für verrückt.“

„Verrückter als ohnehin schon, geht, glaube ich, gar nicht mehr.“ Will konnte sich diesen Satz wohl einfach nicht verkneifen. Aber Link musterte ihn daraufhin sehr erbost.

„Link, versteh‘ das nicht falsch, aber ehrlich, du tust so geheimnisvoll, benimmst dich wie jemand, der irgendein Schwerverbrechen begangen haben muss, hast komische Angewohnheiten, die jeden stutzig machen. Es ist kein Wunder, dass man dich für verrückt hält, heißt ja nicht, dass du dir damit sämtliche Sympathiepunkte vergeigst.“

Und Will hüpfte vergnügt zum Sofa um sich darauf wenige Minuten breit zu machen. „Wie auch immer, ich habe dich bei Aschwheels Stunde zum Kartenlesen entschuldigt. Ich habe ihm gesagt, du hättest Probleme mit deiner Hand. Ich schätze dafür, dass ich mal wieder so hilfsbereit und schlau war, könntest du mir sagen, wovon du geträumt hast. Und keine Sorge, ich schwöre feierlich, dass ich nichts weitererzähle.“

Link seufzte und besah sich die Jugendlichen außerhalb, die inzwischen die Mittagspause genossen. „Du weißt doch, dass ich mich in letzter Zeit mit Arn Fearlesst beschäftige, das Verrückte ist, dass ich jetzt schon von diesem Ritter träume. Und nicht nur das, ich träume nicht nur von ihm, sondern auch von seiner Familie.“

Verdutzt sah William auf und kratze sich am Kopf. „Kann es sein, dass du dich einfach zur sehr in Arn Fearlessts Lebensgeschichte hineinsteigerst?“

„Vielleicht, aber wie kann ich wissen, wie dieser Arn Fearlesst aussieht?“

„Nun gut, wie schaut er denn aus?“

„Wie ein typischer Ritter halt, blonde Haare, eine olivgrüne Tunika. Er hatte eine breite Narbe im Gesicht.“

„Grüne Tunika? Da haben wir es ja. Nur weil du eine trägst, hat dein Unterbewusstsein das so zusammengebastelt. Du identifizierst dich einfach zu sehr mit ihm. Das ist das ganze Problem.“

„Das erklärt aber immer noch nicht, wie ich mir seine Gattin vorstellen konnte.“

„Wie sah die Dame denn aus?“

„Blonde Haare, blaue Augen…“ Und da unterbrach Will ihn einmal mehr. „Klar, halb Hyrule hat blonde Haare und blaue Augen. Das ist nichts besonderes.“

„Aber…“, wollte Link erklären. Irgendetwas an diesem Traum wurmte ihn dennoch.

„Link, mach‘ dir lieber Gedanken darum, dass man dich gestern Abend umbringen wollte.“

„Ach ja, das…“ Kein Wunder, dass Link nicht mehr darüber nachdachte. Es war ja nicht das erste Mal, dass Dämonen versuchten ihn auszulöschen.

„Ich versteh‘ nicht, wie du da nur so ruhig bleiben kannst.“

„Wenn es dir hilft, ich versteh‘ mich oft selbst nicht“, murrte er dann.

„Das sind ja mal ehrliche Worte“, lachte der Laundry. „Trotzdem, anstatt uns hier zu unterhalten, sollten wir lieber zum Mittagessen gehen.“ ,Das war zur Abwechslung wirklich eine gute Idee‘, dachte der Heroe.
 

Als Link mit Will gemeinsam den Speisesaal betrat, verstummten alle, sodass eine beinah gespenstische Atmosphäre regierte. Viele begafften Link, als wäre er ein Occou, der vom Wolkenreich abgestürzt war. Und gerade dann, als der einstige Heroe seinen Blick auf die Verwunderten richtete, sahen diese betreten auf ihre Suppenschüsseln.

„Die meisten bewundern dich wegen dem Angriff gestern“, flüsterte Will neben ihm, als er Links Verunsicherung bemerkte. „Ignorier‘ es einfach.“

„Leichter gesagt als getan“, wisperte der Heroe und krallte sich eine große Schüssel Suppe mit hylianischer Nussknödeleinlage.

„Es ist zwar etwas kühl draußen, aber vielleicht sollten wir raus gehen“, schlug Will vor und deutete zu der Terrasse. Link nickte dankbar. Und so marschierten die beiden hinaus, wo nur vereinzelt Jugendliche ihr Mittag genossen. Etwas abseits und hoffentlich ohne lästige Blicke begann der Heroe sein Mittagessen zu genießen…
 

Zu einem verwunschenen Ort, wo nur wenige Leute Zutritt hatten und Tote ihren letzten Weg beschritten, tapste Prinzessin Zelda entgegen der Anweisung ihres Vaters vorwärts. Eine dunkle Kutte über ihre zierliche Gestalt geworfen, wollte sie Professor Morchas, der in wenigen Minuten mit der Obduktion der Leiche anfangen würde, beobachten. Er würde sie nicht bemerken, dafür würde sie schon sorgen, aber sie würde eingreifen, falls etwas Merkwürdiges oder Entehrendes geschah. Sie fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, dass man die Leiche eines Sektenmitglieds, über das man fast nichts wusste, aufschnitt. Sie ahnte beinah, dass in jenen Körpern etwas nicht stimmte, als ob Flüche oder seltsame Energien für den Mordtrieb und die Stärke jener Kreaturen sorgten. Sie dachte daran, dass es durchaus Dämonenvölker gab, die älter waren als Hyrule. Und sie dachte daran, dass es Geschöpfe gab, die sehr wohl Flüche spinnen und mit erschreckenden Mächten arbeiten konnten.

Sie tapste einen steinernen Pfad am Rande der Hauptstadt entlang, bis der Weg unter eine der großen Zugbrücken führte. Sie versuchte unauffällig zu bleiben, tapste sicher und zügig an einem Händler vorbei, bis sie in einer Seitengasse verschwand. Jener Pfad in einem eher unbeachteten Stadtteil schien sehr verwinkelt und unbewohnt. Tatsächlich hingen in den wenigsten Fenstern Vorhänge. Die spitzen Häuser waren dicht und ungeordnet aneinander gebaut, die Gassen hier waren eng und schmal, sodass kaum eine Kutsche hier entlang fahren konnte. Und nur sehr wenig Sonnenlicht fiel in jene unsauberen und verlassenen Gassen.

Zelda seufzte und blickte mit ihren neugierigen, kristallblauen Augen sehr sorgsam unter ihrer Kutte hervor. Professor Morchas Labor war irgendwo in dieser abgelegenen Seitenstraße und es war ebenfalls kein sehr einladender Ort. Sie trat noch einige Schritte und entdeckte einen mit Holzbrettern ausgekleideten Weg über einige Abflussrohre, wo jenes Wasser direkt in den Fluss mündete. Sie trat darüber, hörte das Holz knarren und lief schneller.
 

Sie war sich sicher, das Richtige zu tun, so wie einst und so wie heute. Sie musste Professor Morchas beobachten. Und sie wusste in etwa, wo er zu finden sein würde. Es war schließlich nicht schwer notwendige Informationen aus den Schlosswachen herauszupressen. Und Zelda hatte ihre Informationsquellen, auch was bestimmte Angelegenheiten in der Ritterschule anging. Und so tapste sie über einen ungepflegten Innenhof und entdeckte Stufen, die in ein augenscheinlich verlassenes Kellergewölbe führten. Sie schlich vorsichtig hinunter und sah aufmerksam durch teilweise verdreckte und staubige Kellerscheiben. Ihre blauen Augen funkelten mit Gewissheit, als sie einen kleinen, verhutzelten Mann entdeckte, der gerade den Raum betrat und flugs wieder verschwunden war. Mit einem Hauch Handmagie öffnete Zelda die leicht quietschende Eingangstür und trat einfach ein. Sie versuchte den Professor zu aufzuspüren, umhüllte sich mit einer eigenwilligen Magie, sodass sie unsichtbar war und trat von einer unangenehm riechenden Küche mit Abfällen und obskuren Behältern in den nächsten Raum.
 

Ein kleiner, schmächtiger Mann rückte in ihr Gesichtsfeld. Er trug einen zylinderförmigen schwarzen Hut auf seinem Haupt und lief sehr gebeugt, vielleicht weil ihm sein Buckel zusetzte. Sein fettiges, dürres, grüngraues Haar, fiel in langen Strähnen über sein bleiches mit Altersflecken übersätes Gesicht. Er kicherte und grinste, wuselte mit merkwürdigen Zangen und Skalpellen in einem Aufwaschbecken und hob das frisch gewaschene Werkzeug in die Höhe um es zu begutachten.
 

In der unerkannten Prinzessin stieg mittlerweile ein Gefühl des Ekels herauf. Denn auf einer Pritschte lag bleich und stinkend der Geschundene der Macht, den Link getötet hatte, mittlerweile nackt, und der Verwesungsprozess schien fortzuschreiten. Jener Mann sah irgendwie unwirklich aus, so, als steckte seit vielen Wochen kein Leben mehr in ihm, obwohl er noch nicht lange tot war. Sein Gesicht war eingefallen und grünlich schimmernd. Dicke, harte Blutadern waren unter dünner Haut sichtbar. Links abgebrochenes Schwert steckte noch mitten in der Brust des Unholds und war von abgestorbener Haut und verwesendem Fleisch teilweise umzogen, als ob jener tote Körper den Stahl in sich einsaugen wollte. Zelda stieg ein weiteres Mal der Ekel auf, sodass sie ihre magische Hülle beinah hätte fallen lassen.
 

Im nächsten Augenblick näherte sich der kleine, humpelnde Professor der Leiche an. In seinen Händen hatte er einen Skalpell, Watte zum Abtupfen und eine Säge. Zelda kniff die Augen kurz zusammen und sah dann angewidert zu, wie der scheinbare Mediziner mit der Säge in kleinen Abständen, rupfend und stoßend, beinah genüsslich und doch bestialisch den Brustkorb des Mannes aufschnitt und teilte. Er lachte, während er die Säge durch Knochen führte. Er lachte und keifte. Dann erschrak er, murmelte unverständliche Worte vor sich hin, ließ sogar die Säge aus seiner Hand fallen, als mit einem wuchernden Geräusch sich der Brustkorb öffnete.

Er suchte nach einer Lupe, als Zelda sich den geöffneten Leichnam selbst ansah und auch sie erschrak. Sie erstaunte nicht angesichts der Widerwertigkeit eines solchen Werkes, sie verblüffte das Innenleben jenes Toten, das nicht aussah wie ein gewöhnlicher Brustkorb. Überall, wo dicke Blutadern entlang strömten, wucherte neben jenen, ebenfalls in dünnen Schläuchen eine eigenartige, funkelnde Materie. Es sah aus wie eine fremdartige, rötlich schillernde Energie, die ebenso wie Blutadern zum Herzen führten und wieder davon weg in die gesamte Peripherie…

,Bei Nayru, unglaublich‘, dachte Zelda und widerstand der Versuchung diese fremdartige Energie zu berühren. Professor Morchas allerdings war nicht so voraussichtig und sicherlich zu neugierig, als diese Macht mit seinen Händen zu berühren.
 

Feixend, mit einem perversen Grinsen in seinem Gesicht, zerschnitt er einen jener feinen Stränge. Seine Fingerspitzen näherten sich zitternd und wissbegierig. Ein übernatürliches Funkeln strahlte aus seinen halbtoten Augen. Er war leer in seiner Seele, so leer wie jener Geschundene.
 

Und dann, gerade in dem Augenblick, als der alte Mediziner die seltsame Flüssigkeit berühren wollte, drang ein Funke der Gefahr durch Zeldas Körper. Sie stoppte ihren Unsichtbarkeitsbann und umfasste hartnäckig und fest den alten, dürren Arm des Professor. Mit großen, verquollenen Augen sah er die Prinzessin des hylianischen Volkes an.

„Nicht!“, brüllte sie. „Wollt Ihr diese Energie berühren und womöglich selbst zu einem Geschundenen werden?“

„Prinzessin Zelda!“, entgegnete der Mann entgeistert. Vielleicht hatte die Anwesenheit eines solchen reinen Wesens wie Zelda ihn noch mehr überrascht als das obskure Innenleben der Kreatur auf seinem Tisch. Schwerfällig trat der Mann zu seinem Schreibtisch und setzte eine Brille auf seine dickliche, runde Nase.

„Was führt Euch hierher, in mein Labor?“

Zelda blickte den alten Mann abwehrend und verachtungsvoll entgegen und erwiderte mit fester Stimme: „Ich bin gewiss nicht so leichtgläubig wie mein Vater. Und ich weiß, welchem Tun ihr Euch hingebt. Ich habe Euch bereits beobachtet das Blut der Getöteten zu trinken. Ihr seid nicht vertrauenswürdig, nur deshalb bin ich hier. Und womöglich habe ich Euch gerade vor Eurem größten Fehler bewahrt.“

Der Alte schluckte nur und verzog sein faltiges, durchschwitztes Gesicht. „Oh ja, Prinzessin, wahrhaft edel und vorausschauend Ihr doch seid, ich bin erfreut, dass Eure Schönheit in mein bescheidenes Labor getreten ist. Und ich stehe zutiefst in Eurer Schuld.“

„Lasst Eure Schmeichelleien. Erstattet Bericht an meinen Vater und beendet dieses widerwärtige Tun. Und ich warne Euch, solltet Ihr meine Anwesenheit berichten, werdet Ihr niemals wieder irgendetwas berichten können, geschweige denn jemals wieder eine Leiche aufschneiden.“

Ein wenig umständlich und eingeschüchtert trat der Alte zurück. „Aber Prinzessin...“, begann er aufgeregt.

„Ich dulde kein Aber. Ihr habt gesehen, dass in den Körpern der Geschundenen Grausames und Seltsames vor sich geht. Lasst diesem Körper endlich seinen Frieden!“ Ihr Stimme überschlug sich fast vor Stärke und Macht. Kein Anzeichen ihrer Schwäche der letzten Tage war spürbar.

Der wohl selbsternannte Professor faltete seine Hände, versuchte zu grinsen und nickte verschlagen. „Wie Ihr wünscht, Prinzessin. Bitte gebt mir noch eine Minute und dann…“ Aber Zelda unterbrach ihn. „Hört auf Euch herauszureden und Zeit zu schinden. Näht den Körper wieder zu, vorher werde ich diesen Ort nicht verlassen.“ Er schluckte und nickte dann blinzelnd. Hastig besorgte er Nadel und Faden und begann gerade mit der Nadelspitze in die Haut jener Gestalt einzudringen, als ihm die Brille aufgrund einer Veränderung an der Leiche von der Nase rutschte. Auch Zelda bemerkte, dass sich etwas veränderte und ließ ihre kräftigen blauen Augen begutachtend über jenen toten Körper wandern.
 

In den engen, neugebildeten Gefäßen, wo jene rötlich schillernde, bösartige Energie wie dickes Blut floss, begann sich einmal mehr ein gleichmäßiger Rhythmus aufzubauen. Und an jener Stelle, wo Professor Morchas eine dieser Adern verletzt hatte, floss die Substanz fast sprudelnd aus dem Körper heraus.

„Was…“, sprach der Alte verunsichernd und trat einen Schritt zurück. Auch Zelda bewegte sich rückwärts, als die eigenartige Flüssigkeit bereits an dem Leichentisch hinab lief und sich in einer Pfütze sammelte. Und dort, wo sich jene flüssige Energie sammelte, schien sich etwas aufzubauen, was nur dämonischen Ursprung sein konnte. Es funkelte mehr und mehr in jener geruchlosen, rubinroten Flüssigkeit und es schien, als begann sich jenes Gebilde zu teilen, sich zu vermehren…
 

Und als Zelda einen weiteren Atemzug nahm, formte sich die Substanz zu einem dürren, menschengroßen Gebilde und erstarrte. Die Prinzessin machte sich kampfbereit, während der sture, leichtsinnige Professor aus dem Raum flüchtete. Und als die kampferfahrene und gewandte Hylianerin ihr Langschwert zog, erwachte auch die Kreatur zu Leben. Sie hatte keine Augen um Zelda zu beobachten, keine Ohren um sie zu hören oder Hände um sie zu packen. Aber ein unmenschlicher, teuflischer Wille nährte die Kreatur und hauchte ihr Sinne ein, über jene kein Hylianer verfügte. Das Geschöpf des Bösen bewegte sich flink, versuchte Zelda mit Armen und Beinen anzugreifen, zu treten und mit hektischen Bewegungen zu verunsichern. Zelda wich elegant aus, bewegte sich wie sie es von Impa gelernt hatte durch die Lüfte, und behielt ihren Gegner fest im Auge. Energisch wirbelte die Adlige ihr Langschwert umher und versuchte das eigensinnige Energiewesen anzugreifen. Das Wesen allerdings war geschickt, tanzte auf Zeldas Klinge, als wäre es ein Fliegengewicht und versuchte die Prinzessin mit Tritten außer Gefecht zu setzen. Aber Zelda hatte bereits wesentlich teuflischere Kämpfe und fiesere Gegner niederstrecken müssen. Ja, die alternative Zeit war niemals leicht gewesen. Sie würde nicht aufgeben und nicht durch ein seelenloses Wesen ohne Hände und Füße.

Mit einem Schrei baute die junge Prinzessin ein kraftvolles Schild vor sich auf, wo das Energiewesen mit einem unangenehmen Knacken gegenstieß und zurückgeworfen wurde. Ohne abzuwarten ließ Zelda das Langschwert umherwandern, stieß sich mit ihren Füßen ab und prallte mit aller Kraft, die sie in ihrer derzeitigen gesundheitlichen Verfassung hatte, gegen das angreifende Geschöpf der Geschundenen. Sie durchbohrte es in der Brust, worauf es in Tausende Splitter zersprang und verendete…

„Das kann ja heiter werden“, murmelte die Prinzessin. Sie seufzte, stützte sich auf ihr Schwert, als sich der letzte Rest der sonderbaren Materie in Luft auflöste…
 

In der Ritterschule war die Mittagspause beinah vorüber und Link hastete aufgeregt mit dem eigenwilligen Buch, das er aus Viktors Büro gestohlen und selbst noch nicht genau studiert hatte, durch die alten Gänge. Er wollte bei Nicholas vorbeischauen und bei der Gelegenheit jenen einstigen Schwindler um Rat fragen. Vielleicht wusste er mit diesem Buch etwas anzufangen, vor allem aber, was der Titel ,Die dreizehn Schlüssel‘ bedeuten mochte.
 

Als Link das kleine abgelegene Büro betrat, kam Nicholas mit nassen Haaren und einem Handtuch aus dem Nebenzimmer und blickte Link aufmunternd entgegen. Er sah aus, als hätte er nicht so früh mit dem Jungen gerechnet. Grinsend beäugte er den Schüler, schien bestens gelaunt zu sein und pflanzte sich zufrieden auf seinen Sessel.

„Und, Link? Ist alles in Ordnung?“ Nicholas‘ undefinierbare Augen wanderten interessiert zu der grünbandagierten Hand.

„Schon, aber die Wunde verheilt nicht so einfach“, sprach er. „Egal, deswegen bin ich nicht hier.“ Ohne weiter nachzugrübeln oder Zeit zu verlieren, packte der heimliche Heroe das sonderbare Taschenbuch aus seiner Brusttasche und hoffte auf Nicholas Wissen hierzu.

„Hast du schon einmal etwas davon gehört?“ Und obwohl Nicholas von vielen Dingen Ahnung hatte und sicherlich noch einige Geheimnisse verbarg, musste er den Jungen diesmal enttäuschen. „Tut mir leid, Link. Aber diesmal habe ich wirklich keinen blassen Schimmer.“

„Hm…“, murmelte der Heroe und war mit den Gedanken bei der nächsten Person, die etwas über diese Schlüssel wissen konnte. Zelda vermutlich, aber er traute sich nach den Ereignissen in den letzten Tagen und nachdem Valiant ihm einiges klar gemacht hatte, einfach nicht unter ihre Augen…
 

„Wo hast du dieses Buch denn aufgegabelt?“, meinte der Lehrer, und stützte sein Kinn interessiert an seinen Händen ab. Und seine undefinierbaren Augen schienen den Jungen mit einem anstrengenden Wissensdurst auszusaugen. Als Link nicht sofort antwortete, verschwand allmählich das Grinsen in Nicholas‘ Gesicht.

„Nun sag‘ schon. Du wirst es nicht gestohlen haben, oder?“ Link schaute drein, als hätte man ihm bei der schlimmsten Sache überhaupt erwischt und da ging auch Nicholas ein Licht auf.

„Du hast es gestohlen“, stellte er fest und schüttelte gleichzeitig den Schädel.

„Ja, aber doch nur, weil ich Beweise finden will, dass dieser Arsch Viktor etwas mit Hopfdingens Tod zu tun hat.“

„Moment, du hast dieses Buch von Viktor gestohlen?“, meinte Nicholas und schien sich die Sache nun zu überlegen und von einer anderen Seite zu betrachten. „Nun ja, wenn du es von Viktor entwendet hast, habe ich kein Problem mehr damit.“ Und Schwindlers geheimnisvolle Gesichtszüge entspannten sich bis er mehr als hinterhältig grinste.

„Ja… ich habe in seinem Büro herumgeschnüffelt.“

„Dich hat doch niemand dabei beobachtet, oder?“, sagte Nicholas.

Aufgeregt fuchtelte Link mit seinen Händen in den Lüften und verschwieg Midnehrets Erscheinen.
 

„Link, jetzt im Ernst.“ Und Nicholas schlug einen für ihn ungewohnten, sachlichen Ton an. „Ich bewundere deine Einsatzbereitschaft. Aber du wurdest angegriffen, du solltest dich zurückhalten und schonen. Außerdem solltest du unauffällig zu bleiben, es gibt schon einige Jungs, die vermuten, dass du der Held der Zeit bist.“

Links Augen wurden so groß, dass sie aussahen, als wollten sie zerplatzen. Das war allerdings eine unangenehme Nachricht für ihn. Er wollte nicht, dass sein Geheimnis herauskam, erst recht nicht so schnell und nicht in seiner derzeitigen gesundheitlichen Verfassung. Er konnte nichts von dem tun, was für einen Helden selbstverständlich war. Wie sollte er beweisen, dass er in der alternativen Zeit als einziger gegen den Großmeister des Bösen bestehen konnte?
 

„Außerdem hat mir der König einen Brief zukommen lassen, indem steht, dass ich dich trainieren soll, damit du den Umgang mit deinem Fragment meisterst.“ Ah ja, Link erinnerte sich. Zelda wollte ursprünglich mit ihm das Fragment trainieren, darüber hatte sie mit ihm argumentiert. Sie war sogar davon überzeugt, dass er so seinen Bann bekämpfen konnte. Aber vielleicht hatte sie inzwischen tatsächlich das Vertrauen in ihn verloren. Warum sonst sollte sie nun ihren Vater vorschicken? Konnte es sein, dass sie den Kontakt und vielleicht die Freundschaft zu ihm tatsächlich unterbinden wollte?

„Kannst du dir vorstellen, was der König von dir will?“, riss Nicholas den Jungen aus seinen Gedanken.

„Keine Ahnung“, meinte Link trübsinnig.

„Bei der heutigen Versammlung hatte ich fast das Gefühl, der König macht sich Sorgen um dich.“

Link blinzelte und schaute Newhead an wie eine Überraschungstüte.

„Verstehst du warum?“

Link schüttelte den Schädel.

„Hey, vielleicht will er dich mit seiner Tochter verkuppeln“, lachte Nicholas dann.

Daraufhin glotzte Link den Lehrer im Praxisunterricht bitterböse an, fast so wie ein Ungetüm, dem er gleich den Kopf absägen wollte. Das war nicht lustig für ihn. Der Gedanke an Zelda fühlte sich im Moment unerträglich für ihn an, fast so, als wollte es ihm sein Herz noch schwerer machen. Sie wollte ihn nicht sehen, das hatte Valiant ihm klar gemacht. Und es gab immer mehr Hinweise, dass sie nichts mit ihm zu tun haben wollte. Dass Nicholas diese unüberlegten Sätze über seine Lippen brachte, verunsicherte Link zunehmend und machte ihn trauriger als ohnehin schon…
 

„Egal, ich würde meinen, wenn es dir gesundheitlich etwas besser geht, fangen wir mit dem Training an, was?“ Link nickte, dachte aber mit der Spur eines unangenehmen Gefühls daran, dass er vielleicht niemals wieder so fit wie früher werden würde… was war, wenn seine Krankheit nicht mehr verging?

„Die Pause ist gleich um, Kleiner“, sprach Nicholas. „Viktors Schwerttraining beginnt in wenigen Minuten.“ Link nickte nachdenklich.

„Da fällt mir ein, schau‘ unbedingt in die Waffenkammer. Ohne Schwert macht dich Viktor erst recht fertig.“ Und der junge Bursche hätte sich dafür, dass er nicht selbst daran gedacht hatte, am liebsten geohrfeigt.

„Verdammter…“, grummelte Link und hüpfte so schnell er konnte und ohne weitere Worte an Nicholas aus dem Büro. Zielstrebig rannte er zwischen Massen von Schülern hindurch. Einige blieben einfach stehen, als er vorüber lief. Andere machten bereitwillig Platz und blickten ihm verwundert hinterher. Mittlerweile verhielten sich tatsächlich einige Jungs sehr merkwürdig, dachte Link. Es schien fast so, als würde er bei jedem Schritt, den er tat, auffallen…
 

Schnaubend und sich auf die Knie stützen müssend, erreichte der junge Heroe die Waffenkammer in der Ritterschule. Er war so schnell gerannt, dass ihm die Luft in der Kehle stecken geblieben war. Und er war nur deshalb beinah panisch, weil er nicht riskieren wollte zu Viktors mehr als furchtbarem und unsinnigen Unterricht zu spät zu kommen. Er japste und versuchte sich zu beeilen.

Einmal mehr kam der Schlüsselbund von Orson zum Einsatz und Link trat vorsichtig in die etwas größere Kammer ein. Es war ein schmaler, aber langer Raum, sehr hoch und durch mehrere Säulen abgestützt. Es war düster und nur wenige schmale Fenster ließen durch verstaubte Scheiben Tageslicht dringen. Fast magisch verlor sich das Tageslicht auf den blanken Klingen und es schien wie, als würden die zahlreichen Waffen durch das Sonnenlicht lebendig werden, als funkelten Seelen in den Klingen…
 

Als Link sich in den Raum begab, fiel plötzlich und unerwartet die klappernde Tür hinter seinem Rücken ins Schloss. Seine tiefblauen Augen funkelten mit lang vergessenem Ehrgeiz und Tatendrang, als er die vielen Waffen in dem Raum bewunderte. In einfachen Ständern waren jede Menge Schwerter einsortiert. In einer fast riesigen Vitrine ruhten Bögen und Äxte. Und an den grauen Wänden waren ebenfalls kostbare Schmuckstücke angebracht. Link überblickte allerlei Waffen mit seinem geschulten Blick, aber wusste nicht so recht, wo er beginnen sollte. Mit einem schnellen Blick konnte man zwar eine scheinbar gute Waffe auswählen, aber ob diese auch wirklich zu ihm passte, war eine andere Frage. Er wusste schon immer, dass nicht jedes Schwert sich von ihm führen ließ. Und er wusste, dass er nicht jedes beliebige Schwert haben wollte. Es war beinah eine Wissenschaft für ihn geworden, sich unter den scheinbar gut verarbeiteten Klingen eine auszusuchen, mit der er mehr als nur kämpfen konnte. Er wollte diese Verbindung spüren, die dem ein oder anderen Schwertkämpfer nicht einmal bewusst war. Er wollte spüren, dass das Schwert passte, dass es ihn als Träger würdigte und verstand…

Und ein solches Schwert zu finden, war keine leichte Aufgabe…
 

Unzählige Waffen sprangen ihm ins Auge. Einige hielt er langgestreckt vor sich und führte einige saubere horizontale und vertikale Schwertstreiche aus. Aber keines der Schwerter schien ihm mehr als ausreichend zuzusagen. In der teilweise verstaubten Waffenkammer fanden sich sicherlich einige gute Waffen, aber keine jener Klingen hatte Link beeindruckt. Er schnaubte enttäuscht und überprüfte mit seinen scharfen dunkelblauen Augen noch einmal die einzelnen Regale und Waffenständer. Aber keine der blitzenden, scharfen Klingen bewirkte etwas in seinem Kämpferblut… bis…
 

Etwas versteckt, ganz abgelegen, in einer mit Staub geschmückten, glasbeschichteten Truhe, unauffällig und vielleicht vergessen, ruhte eine Waffe, die vielleicht sogar auf Link gewartet hatte. Mit einem leichten Gefühl der Vorahnung hechtete der einstige Heroe zu der Truhe und blies mit einem tiefen Atemzug den Staub von der Oberfläche. Tatsächlich war durch das milchige Glas eine lange, hochwertige Klinge zu erkennen. Ohne weiter zu überlegen, zerschlug der Ritterschüler das kleine Vorhängeschloss und staunte nicht schlecht, als er ein tatsächlich teures und nicht zu prunkvoll verziertes Schwert mit einer sauber verarbeiteten Klinge vor sich hatte. Er konnte sich nicht erinnern jemals eine so schöne Klinge gesehen zu haben, abgesehen vom Masterschwert natürlich. Am mit grünem Leder umzogenen Schwertheft waren zwei übereinander gekreuzte Schwerter in das Metall eingefasst worden. Ein dunkler Stein verband dieses Wappen mit der scharfen Klinge. Und auch in dem feinen, nicht zu weichen Stahl der scharfen Klinge waren beinah unsichtbar einzelne alte hylianische Schriftzeichen eingefasst. Seine Neugierde nicht mehr bremsend umfasste er die Waffe, fühlte sich, als ob diese Waffe nur ihm zustand und hielt jene himmelwärts nach oben gestreckt. Die Klinge war perfekt ausbalanciert und summte. Das Heft lag geschmeidig in seiner Linken. Etwas verwundert, dass er ausgerechnet hier in der alten Waffenkammer so eine teure Klinge fand, betrachtete er sich das edle Stück noch präziser und lachte plötzlich in sich hinein. In das Heft waren ganz unauffällig zwei Buchstaben eingraviert worden. ,A.F.‘ Links Mundwinkel, die sich in den letzten Tagen so selten nach oben bewegt hatten, verzogen sich leicht und sanft… Er wusste es. Dieses Schwert hatte schon einmal einem Linkshänder gehört. Mehr war nicht zu sagen…
 

,So viel Zeit muss sein‘, dachte der Heroe und suchte sich zu der Waffe eine passende Schwertscheide in der Kammer aus, aber riskierte damit zu spät zum Unterricht zu kommen und eine ziemliche Predigt von Viktor in Kauf nehmen zu müssen. ,Egal‘, dachte er. ,Auf diesen Unterricht konnte er eh verzichten.‘ Wenig später fand er eine dunkelgrüne Schutzhülle mit schwarzen Bändern, er grinste etwas, dachte, dass jenes wirklich gut zu der Klinge passte, und hechtete zufrieden aus dem Raum. Er rannte wie ein Irrer, aber würde nicht mehr rechtzeitig zum Stundenbeginn in der Sparringarena erscheinen…
 

Viktor hatte die Jungs bereits in einer strammen Marschlinie vor sich treten lassen und bemerkte sofort Links Nichtanwesenheit, was seine Mundwinkel zum Beben brachte. Es war auch bei den anderen Ritterschülern mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass er vor allem den ,komischen Kauz‘ wie einige Link betitelten, auf seiner Abschussliste hatte. Er grinste barbarisch, leckte sich über seine trockenen Lippen und trat in einer immensen Ruhe in seiner klappernden, schweren Ritterrüstung vor Will, der seine grünen Augen über den Innenhof wandern ließ und sich fragte, wo Link blieb.
 

„Laundry“, muckte der Direktor auf und hob seine Stimme, sodass er fast sang. „Wo ist denn dein Mitbewohner?“

„Ich weiß nicht, aber er kommt sicherlich gleich“, sprach er vorsichtig.

„Der Heuchler ist zu spät, egal, ob er gleich erscheint“, amüsierte sich der Mann. Er schnalzte mit seiner Zunge und wischte sich erheitert durch sein dürres, blondes Haar. „Scheint so, als ist dieser Lügner der Meinung, er bräuchte diesen Unterricht nicht. Wenn dem so ist, kann ich auch dafür sorgen, dass er fliegt.“

„Nein“, sagte Will stur. Er wollte Link so gut es ging verteidigen, außerdem hatte er dies schon bei anderen Lehrern geschafft. „Er wird schon noch erscheinen, ganz sicher. Er hat nur Probleme mit seiner linken Hand nach dem Anschlag… auf…“

„Oh ja“, lachte der Ritter in sich hinein. „Aschwheel hat mir Bericht erstattet. Jetzt bildet sich das Heldchen auch noch ein, angegriffen worden zu sein, was?“ Auch einige Jungs wirkten durch Viktors Worte eingeschüchtert, obwohl einige doch dabei waren und die meisten von ihnen durchaus wussten, was in der Nacht geschehen war. Und die meisten bewunderten Link inzwischen…

„Das war keine Einbildung, die Leiche ist unterwegs zum König“, erklärte der blonde Artus McDawn missmutig. Und auch die anderen Ritterschüler der dritten Jahrgangsstufe blickten auf.

„Und wer, bitte schön, kann bestätigen, dass das Heldchen ihn getötet hat?“, versuchte Viktor zu argumentieren.

„Das ist wohl eindeutig, wenn sein Schwert in der Brust des Unholds steckte, und sonst niemand im Raum war, was?“, mischte sich der schlanke Frauenschwarm Robin Sorman ein. Auch er schien mittlerweile einige Stücke auf Link zuhalten.

„Ihr scheint euch ja alle ziemlich einig zu sein, was diesen Waisen angeht. Ihr werdet schon noch sehen…“, sprach Viktor gehässig.

„Was werden wir sehen?“, sprach Will. Und irgendwie schienen auch die anderen Drittklässler den Direktor mit großen Augen zu mustern.
 

Doch gerade da, bevor Viktor eine Antwort hätte geben können, sah er aus seinen dunklen Augenwinkeln Link näher hasten. Der Lehrer murrte angewidert, trat beinah schwerfällig mit dem vielen Metall an seinem Körper vor Link und hinderte ihn an seinem Weg.

„Denkst du wahrlich, du kannst hier erscheinen, wann es dir passt?“ Er brüllte und schien nun ein Riesendonnerwetter zu machen, sodass auch einige Mädchen, die im Innenhof die Kräuter und Hecken pflegten, aufsahen.

„Ich wurde verhindert“, meinte Link kühl und sah dem Direktor mit einem entschiedenen, klaren Blick ins Antlitz. Der scheinbar durchtrainierte Lehrer war nicht gerade ansehnlich, dachte Link. In seinem länglichen Gesicht wirkten seine viel zu kleinen Augen wie die eines Esels. Und das bisschen dürre blonde Haar, das sein Haupt schmückte, war fettig und ließ viel zu viel Kopfhaut durchschimmern.

„Du bist zu spät“, murrte Viktor.

„Das weiß ich, ich sagte doch, ich war verhindert“, erwiderte Link und fragte sich, ob dieser Kerl ihn endlich vorbei zu den anderen treten lassen würde. Der heimliche Heroe tapste einen Meter zur Seite, und wollte vorwärts treten, als der Direktor einen Arm vor Links Gesicht hielt und ihn von neuem hinderte weiter zu laufen.

„Du weißt wohl nicht, welche Konsequenzen es hat, bei meinem Unterricht zu spät zu kommen, was?“

„Nein, sollte ich das wissen?“, provozierte Link. Er hatte ein wahnsinniges Glücksgefühl empfunden, weil er Arn Fearlessts Schwert gefunden hatte. Viktors Drohungen könnten ihm heute wahrlich nicht mehr aus den Latschen hauen.

„Du wirst auch noch frech!“

Link sah ermüdet drein und seufzte. Konnte Viktor ihn nicht endlich in Ruhe mit den anderen trainieren lassen? Was machte dieser Kerl eigentlich jetzt so ein Theater?

„Du bildest dir wahrlich ein, nur weil du gewisse Vorteile hast, dass du dir diesen mangelnden Respekt mir gegenüber erlauben darfst?“

„Ich bilde mir gar nichts ein“, fauchte Link und war inzwischen ebenfalls angestachelt mit diesem Kerl zu diskutieren. „Und vor jemandem wie Euch brauche ich keinen Respekt zu haben! Ihr seid eine boshafte, hirnlose Gestalt in einer funkelnden Ritterrüstung mit einer miserablen Schwerttechnik, bei der es mir übel wird!“
 

„Das hast du nicht umsonst gesagt!“ Viktors finstere Augen blitzten gefährlich auf. Und Link kannte diesen Ausdruck… einen solchen Blick hatten ihm schon einige Feinde zugeworfen. Ohne abzuwarten, was folgte, rollte sich Link geschickt nach hinten und sah gerade noch, wie Viktors schwere Stahlklinge an jener Stelle, an der Link vorher stand, in die Erde gerammt wurde. Einige Jungs grölten erschrocken auf.

„Ihr wollt gegen mich kämpfen?“, lachte Link und wischte sich über seine Lippen. Angriffslustig sah er auf. „Nur zu!“ Er würde diesem Kasper jetzt zeigen, was es hieß ihn herauszufordern. Sicherlich, er war nicht fit genug für einen harten Kampf. Aber diesen Kampf, so war sich Link sicher, würde er alle Male mit Bravur hinbekommen. Er hatte Viktors schmieriges Getue mittlerweile satt. Und es nervte ihn diese kriminelle boshafte Ader, die dieser Mann hatte. Er beauftragte schließlich Jungs bestimmte Gegenstände zu stehlen. Er behandelte Mädchen wie Dreck und das war dem einstigen Heroen dermaßen bitter auf den Magen geschlagen, dass er jetzt etwas tun würde! Und dass man dadurch sein Geheimnis lüften würde, soweit wollte er gerade nicht denken…
 

Link hüpfte auf die Beine, verzog seine Augenbrauen angewidert und herausfordernd und zuckte sein Schwert. Er nahm dieses bewusst in seine linke Hand. Vielleicht war jene noch verletzt, aber Link hatte mit deutlich herberen Verletzungen schon die schlimmsten Ungetüme in die Hölle geschickt. Link machte eine auffordernde Handbewegung, während die anderen Jungs mit offenen Mündern da standen und das Schauspiel begafften.

Will schritt gerade noch ein und trat vor seinen lebensmüden Mitbewohner. „Bitte, reiß‘ dich zusammen. Du weißt nicht, was du tust!“

„Ich wusste immer, was ich tue“, murrte Link und stieß einen entgeisterten Will, der ihn nur vor sich selbst schützen wollte, zur Seite. Er blickte ihn hilflos an, ebenso wie die anderen Schüler, die diesen hitzköpfigen Mut nicht glauben konnten. Es hatte sich noch kein Schüler gewagt Viktor auf diese Weise herauszufordern.
 

Selbstgefällig blickte der aschblonde Direktor in Links Richtung, stemmte sich auf sein Schwert und lachte. „Ich kämpfe nicht gegen einen Schüler!“, rief er belustigt, aber Link grinste. „Soso, Ihr seid zu feige!“ Das allerdings warf einen Schatten über Viktors Gesicht, der seine Zähne fletschen ließ. „Auch das hast du nicht umsonst gesagt!“ Mit der schweren Rüstung hastete er näher und holte mit seinem Schwert gewandt aus. Aber er hatte nicht mit Links strategischem, ausgefeilten Bewegungen gerechnet. Er täuschte an, sich auf Viktor zu zubewegen, wirbelte dann seitwärts herum und traf den Direktor mit seiner neuen Klinge so geschickt am rechten Bein, dass einer der stählernen Beinschoner von Viktors Bein plumpste. Grinsend stand der Heroe hinter dem Lehrer und lugte belustigt zurück.
 

Die Jungs grölten und lachten im Hintergrund. Sie lachten so laut, dass auch die Mädchen mit ihrer Blumenpflege aufhörten und dem Schauspiel zusahen.
 

Der Lehrer allerdins schimpfte erbarmungslos, schnappte sich seinen Beinschoner und warf diesen in Links Richtung. Jener drehte seinen Schädel etwas zur Seite, sodass das gute Stück nur knapp neben seinem linken Hylianerohr vorbeisegelte.

„Soll ich Euch helfen, auch den anderen Beinschoner loszuwerden?“, rief Link eifernd. Genau das war sein wahres Ich, dachte er. Was war die letzten Wochen nur so verdammt schief gelaufen? Herausforderungen. Gewagte Diskussionen. Mut. Das war es, was ihn auszeichnete, das war es, was er sein wollte. Und diese Dinge waren ihm in der dunklen Zeit wichtig, nicht diese schwächlichen Anwandlungen, die sein gesamtes Selbstbewusstsein zerfraßen.
 

Viktor lief inzwischen rot an und rannte wie angestochen mit der schweren Stahlklinge in Links Richtung und machte scheinbar wieder denselben Fehler. Erneut täuschte Link an, bereit sich an Viktors linker Seite abzurollen, aber er wusste, dass auch jemand wie Viktor mit unfairen Mitteln arbeitete. Und tatsächlich erkannte Link innerhalb von Sekundenbruchteilen, dass der Direktor gelernt hatte. Er nahm Links Täuschungsversuch nicht ernst genug, wirbelte gleich zur rechten Seite, aber sah das gehässige Grinsen des Heroen zu spät. Gerade als Viktor das Schwert nach rechts schwang, sprang Link gekonnt über ihm hinweg, landete mit seinen eher untrainierten Beinen hinter dem Lehrer, durchtrennte mit dem Schwert die Riemen, die den Brustpanzer zusammenhielten und auch dieser purzelte mit einem Klack zu Boden. Die Ritterschüler im Hintergrund jubelten so energisch, als zerplatzten sie vor Genugtuung und Freude. Endlich zeigte jemand Viktor, wo der Hammer hing!
 

Link blickte gelangweilt drein und gähnte: „Wollt Ihr Euch nicht endlich anstrengen?“, reizte er den blonden Ritter, der sich inzwischen vor den gesamten Jungs im Hof schämte. Gerade da pfiffen einige Schüler höherer Jahrgänge aus den Stockwerken und auch jene applaudierten dem unerkannten Heroen zu.

„Das wirst du bereuen, Satansbraten!“, röhrte Viktor, sammelte Magie in seinem Schwert und schleuderte jene auf den überraschten Link. Der Heroe wusste, dass er nicht so schnell war wie früher, also blieb ihm keine Wahl als diese geballte Attacke mit einer Wirbelklinge abzuwehren. Er schloss seine tiefblauen Augen kurz, spürte die Kraft des Schwertes in seiner Hand, spürte die Energie, die der kostbare Stahl beherbergte und gerade, als die vielen Schüler dachten, es wäre vorbei, gerade, als die magische Attacke Link hätte treffen sollen, führte er die Klinge in seiner Hand in einem großen Winkel um sich, schleuderte die Magie mit einem gewagten Kampfschrei zurück, aber die Kraft wurde von einer weiteren Person abgefangen. Ein Schwert schleuderte das Geschoss an die kahle Gesteinsmauer des Schulgebäudes und hinterließ einen hässlichen Schandfleck. Newhead hatte sich zwischen Link und Viktor aufgebaut und verhinderte gerade noch, dass Link in dieser scheinbaren Notwehr etwas sehr Dummes tat.
 

Aber auch das, schien die Stimmung im Innenhof nicht zu trüben. Die Schüler lachten und applaudierten. Selbst die Mädchen warfen Link lächelnde Gesichter zu. Er hatte es geschafft. Jetzt würden die Leute erst recht über ihn reden. Nicholas schüttelte nur seinen Kopf und sah den Heroen ein wenig enttäuscht, aber auch belustigt an.
 

Kreischend stapfte Viktor dann in die Runde der gut gelaunten Schüler, brüllte in einem schiefen, hohen Ton, den selbst die ältesten Schüler von ihm noch nicht gehört hatten.

„Was denkt ihr alle überhaupt, wer ihr seid“, dröhnte er. „Geht zurück an Eure Aufgaben!“ Die Schüler der dritten Jahrgangsstufe widmeten sich mit lächelnden Gesichtern und noch mehr Selbstbewusstsein den Holzblöcken, die sie mit ihren Schwertern bearbeiten durften. Viktor aber warf dem Heroen noch einen giftigen Blick zu und verschwand dann mit einem dröhnenden Gebrabbel und garstigen Schimpfwörtern in dem Schulgebäude.
 

„Das war wohl notwendig und deine Rache für den Blutmoblin bei deiner Testung, was?“, meinte Nicholas und grinste Link schelmisch an. Jener nickte, spürte aber, dass es für seinen beanspruchten Körper mittlerweile zu viel war, sich in der Kampfkunst zu erproben. Wenn Viktor weiter gemacht hätte, hätte der Held der Zeit vielleicht den Kürzeren ziehen müssen. Aber soweit war es nicht gekommen, es hatte Spaß gemacht, und es hatte gesessen. Vielleicht, so hoffte Link, würde Viktor ihn nun etwas in Ruhe lassen. Vielleicht war sein Auftritt gerade eben überheblich und unüberlegt. Andererseits hatte er sich damit eine gehörige Portion Respekt bei den anderen Schülern verschafft und das brauchte er zur Zeit mehr als vieles andere. Er brauchte Leute, die ihn achteten und akzeptierten, auch wenn er damit das Risiko einging, dass man sein Geheimnis lüftete…

Ein absolutes Wow. Ihr könnt euch garnicht vorstellen, wie begeistert ich bin, dass nach der langen Zeit, drei Jahre O.o, die Fanfic immer noch gelesen wird. Ein herzliches Danke an alle, die fleißig Kommis schreiben und auch an die Schwarzleserecke ^____^
 

Die Story passt unheimlich gut zu Skyward Sword, das wird sich in kommendem Kapitel sogar noch mehr zeigen. Es bleibt spannend!!!
 

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Kapitel 29
 


 

Nach seiner Auseinandersetzung mit Viktor trainierte Link auf dem Schulinnenhof wie ein Besessener. Er tat es zum Trotz, auch wenn sein Körper nicht mitspielen wollte. Er versuchte sich selbst nur noch einmal zu beweisen, dass seine Willenskraft in der Lage war die Ketten, die seinen Körper im Augenblick bannten, zu zersprengen. Denn vielleicht war sein Wille das einzige, was ihm blieb, die eine Waffe, die er aktivieren konnte, die er noch besaß um sich vorwärtszubringen…

Es gelang ihm teilweise ein vernünftiges Schwerttraining durchzuhalten, aber lange nicht so, wie er sich es vorgestellt hatte. Er schwang sein neues Schwert einmal horizontal, einmal vertikal, versuchte sich an Sprüngen und Wirbelattacken, und stieß die Waffe dann frustriert in den weichen Erdboden. Jede Bewegung kostete unsagbar viel Kraft. Selbst das Schwert länger zu halten, verursachte Schmerzen. Kalter Schweiß tropfte von seiner Nasenspitze in den Boden, und er seufzte. Er ging durch eine Folter mit jedem neuen Versuch seine alte Kraft wieder zu erwecken, ging durch Schmerzen, nur um wieder er selbst zu sein, aber es reichte einfach nicht. Es war einfach nicht genug…
 

Er kniff die Augen zusammen und schämte sich für diesen entehrenden Zustand, obwohl er vor wenigen Minuten ein riesiges Kunststück an der Schule vollbracht hatte. ,Nun ja, mehr oder weniger‘, dachte er. Viktor war vielleicht brutal und stark, aber kein Gegner, der auf einem Schlachtfeld lange überleben würde. Und Link wusste, dass, wenn Nicholas nicht eingegriffen hätte, er nach weiteren Minuten eine elende Niederlage hinnehmen hätte müssen. Der Gedanke war Schmach genug. Sich vorzustellen, dass er gegen einen unfähigen Mann, der sich nur auf Kraft verließ, der nichts von Beinarbeit oder Taktik gehört hatte, verloren hätte, war für ihn äußerst frustrierend…
 

Viele Schüler hatten den einstigen Heroen während seinem Training interessiert beobachtet, hatten seinen Kampfstil fasziniert studiert, auch wenn sogar die Schüler merkten, dass mit ,dem komischen Kauz‘ irgendetwas nicht stimmte. Sogar die Jungs merkten inzwischen, dass er mit Schmerzen zu kämpfen hatte. Dennoch waren die Schüler sehr ehrgeizig, waren beeindruckt von Link, versuchten sich noch mehr anzustrengen. Es schien fast so, als ging Links Ehrgeiz auf die anderen über, als war er in der Lage auch die anderen zu ermutigen. Die Ritterschüler trainierten mit ihren Schwertern strebsam auf dem Innenhof, liefen einige Runden zum Aufbau von Kondition um den Gebäudekomplex und kämpften gegeneinander.
 

Nur Link saß mit der neuen Klinge niedergeschlagen auf einer Bank, nahm einen Tropfen von den Tränen der Nayru und fragte sich, wie die nächsten Wochen und Monate wohl verlaufen würden. Sicherlich war er froh darüber, hier zu sein, froh über die Freunde, die er hier hatte, über diesen geregelten Tagesablauf… nur war dies alles überhaupt der Weg, den er eigentlich gehen sollte? Melancholisch blickte er über den Trainingsplatz, sah die vielen heiteren Gesichter und die vielen unbeschwerten Jugendlichen, die die Schattenseiten Hyrules nicht kannten. Er seufzte und starrte in den wolkenverhangenen Himmel, sinnierte über das, was er tun würde, wäre sein Kraft nicht erloschen. Vielleicht wäre er gerade jetzt irgendwo in der Ferne, würde eine neue Heldentat vollbringen, würde das tun, was er immer dachte, dass es sein Lebenssinn wäre. Und er würde er selbst sein…
 

Gerade da legte sich eine feste, etwas grobe Hand auf seine rechte Schulter. Wills smaragdgrüne Augen sahen ihn auffordernd an. Link wusste, was dieser Blick bedeuten sollte. Er nickte bloß und dachte an das Versprechen, das er Will gegeben hatte. Er hatte zugestimmt, ihm einige Tricks in der Schwertkunst beizubringen.

„Ich will ja nicht nerven, aber nach der Aktion mit Viktor könntest du mir vielleicht doch ein paar Tricks verraten. Was meinst du?“

Link schloss bloß seine tiefblauen Augen und seufzte. „Ich weiß, ich hatte es versprochen…“, entgegnete er, wirkte aber alles andere als kampfbereit, auch nicht für Will.

„… nur bist du jetzt nicht mehr in Stimmung?“, murmelte der Laundry enttäuscht.

„Das ist es nicht“, murrte Link. „Ich kann nicht…“

„Was soll das heißen, du kannst nicht?“

Verärgert funkelte Link ihm entgegen. „Du hast keine Ahnung, wie es ist, wenn man das, was man kann, nicht mehr tun kann. Du hast keine Vorstellung davon, wie man sich fühlt, wenn das einzige, was man wahrlich beherrscht hat, nun nur noch ein Schatten ist…“, sprach er mehr zu sich als zu seinem Freund. Er schämte sich dafür, sein Versprechen nicht einzulösen, aber er konnte mit seinen beinah gelähmten und beanspruchten Gliedern kaum noch länger durchhalten. Auch zu einem freundschaftlichen Duell war er jetzt nicht in der Lage.
 

„Fühlst du dich noch immer krank?“, fragte Will und pflanzte sich neben ihn auf die Bank.

„Ich sagte, ich habe keine einfache Krankheit“, stieß Link pfeifend aus seinen Lungen und fühlte sich genervt, Will diese Dinge unter seine neugierige Laundrynase reiben zu müssen. Er kniff die Augen zusammen, stützte sein Kinn an seine Hände und machte den Eindruck einmal mehr nicht darüber reden zu wollen.

„Aber du hast gerade Viktor eine Lektion verpasst, die er nicht so schnell wieder vergessen wird. Das hätte nicht jeder geschafft“, argumentierte der Grünäugige.

„Will“, maulte Link. „Doch, das hätte jeder geschafft. Viktors Technik ist schlichtweg lächerlich.“

„Aber nicht jeder hätte den Mut aufgebracht sich diesem Kerl entgegenzustellen.“

„Weil andere scheinbar einfach nur Feiglinge sind…“

„Irrtum, weil du hier derjenige bist, der mutiger ist als die anderen. Warum ziehst du das, was du vollbringst eigentlich immer in den Dreck? Das, was du tust, ist schließlich nicht selbstverständlich.“ Und einmal mehr zwinkerte Link und gaffte seinen Mitbewohner verdattert an. Er wusste nicht, wie Will es immer wieder schaffte ihn zu verblüffen. Er schaffte es ja sogar seine festgefahrenen Ansichten zu verändern.
 

„Ich weiß nicht…“, sprach Link und ließ seine Augen melancholisch über die Menge wandern.

„Warum nur hast du so übertrieben hohe Ansprüche an dich selbst und das, obwohl du wirklich krank bist? Gibt es dafür einen Grund?“ Und einmal mehr war Will auf dem richtigen Trichter. Er verengte seine Augen schlitzartig und schien sehr misstrauisch.

„Da steckt mehr dahinter, habe ich Recht?“ Doch sein Verhör war dem einstigen Heroen gerade zu viel. Als ob Will sein Geheimnis nicht bereits vermutete…

„Was ist mit deiner Krankheit? Seit wann hast du die?“

„Ich schätze, seit einem dreiviertel Jahr…“, versuchte er zu erklären.

„Du schätzt?“ Will schaute dümmlich drein. „Wie soll ich das nun wieder deuten?“

„Ich kann es dir nicht erläutern…“, murrte Link genervt und ballte seine Fäuste. Er wusste ja selbst nicht einmal, was nun genau mit ihm los war. Er vermutete, dass er verflucht wurde. Aber welcher Fluch machte sich auf eine solch scheußliche Weise sichtbar?
 

„Und wie macht sich diese Krankheit bemerkbar?“

Der einstige Heroe richtete seinen schwermütigen Blick nach oben. „Durch… Schwäche und…“

„Das heißt, du bist in Wirklichkeit noch viel stärker, was?“, unterbrach ihn der Laundry fasziniert.

„Was ist daran so toll?“, raunte der unerkannte Held der Zeit. Er versuchte das dreiste Grinsen und den Funken Hinterhältigkeit in Wills Blick zu ignorieren.

„Ich habe so meine Theorien über dich, nun gut, die hat wohl nach deiner Mutdemonstration jeder. Aber dadurch bestätigt sich etwas für mich.“ Er klopfte Link auf die Schulter und lächelte. Jener aber erhob sich, schüttelte den Schädel und marschierte mit einem abtuenden Winken zurück in das Schulgebäude.
 

Mit hängenden Schultern und sichtlich erschöpft betrat Link mit einem Badetuch und frischer Bekleidung das geräumige Bad der Ritterschule. Es war kurz vor Abendbrot und die meisten der Jungen hielten sich bereits in dem Speisesaal auf, was den einstigen Heroen beruhigte. Denn, so könnte er in aller Ruhe baden ohne dass irgendwer sein Fragment auf der linken Hand bemerken würde. Obwohl, dachte er mit einem schiefen Grinsen, es mittlerweile völlig egal war. Erstens vermuteten einige der Ritterschüler bereits, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Und zweitens hatte der Kampf mit Viktor bewiesen, dass eine ordentliche Portion Mut und Tapferkeit in Links Seele schlummerte.
 

Er erreichte das Bad genervt und öffnete die alte, klapprige Holztür vorsichtig. Neugierig, ob sich jemand darin aufhielt, steckte er seinen blonden Kopf durch den Türspalt und stellt fest, dass er Glück hatte. Keine Menschenseele in Sicht. Niemand, der ihn komisch mustern würde. Er schob den Riegel herunter und verschloss damit die Tür. Es dampfte angenehm in dem kleinen Raum, in welchem zwei metallene Wannen standen. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Kamin, auf welchem in einem schweren Kessel heißes Wasser blubberte. Und nur spärlich schien das Licht des Mondes durch die mit Wasserdampf beschlagenen Fensterscheiben. Es war im Übrigen dunkel genug, dass selbst, wenn jemand in den Raum hineingestürmt kam, man Links Fragment nicht entdecken konnte, zumindest hoffte er das…
 

Bemüht sich von seiner Krankheit abzulenken widmete sich der junge Heroe den Vorbereitungen für sein Bad, ignorierte etwaiges Getrampel von Ritterschülern in den Gängen und freute sich auf das heiße Wasser, das hoffentlich störende Gedanken vertrieb. Er trug den scheinbar tonnenschweren heißen Kessel an eine Wanne heran und ließ das kostbare, heiße Gut hineinfließen. Aus seiner Gürteltasche holte er eine Flasche mit einer grünlich schimmernden Flüssigkeit, die man in Kokiri für Bäder verwendete. Es war ein Extrakt aus den winzigen Blättern eines Baumes, der nur in Kokiri wuchs und welcher als kraftspendend galt, eine wunderbare Pflanze, die man Lebensheilnacht nannte. Vielleicht brachte die merkwürdige Heilpflanze seine müden, kalten Glieder etwas in Schwung. Erschöpft ließ sich der Heroe in die Wanne sinken, schloss seine Augen und ignorierte auch, dass sich außerhalb tatsächlich ein eher unbeholfener, ängstlicher Ritterschüler ebenfalls für ein Bad vorbereitete.
 

Link genoss die Ruhe um seine Gedanken zu sortieren, genoss die Wärme des Wassers und hob seine triforcetragende Hand in die Höhe. Die magische Wunde war noch nicht verheilt, aber zum Glück schmerzte sie nicht mehr. Sie schmerzte nicht einmal bei der Berührung mit Wasser und mit dem Serum aus den Kokiriwäldern. Achtsam betrachtete er das verblasste Fragment und hoffte, dass es irgendwann einmal wieder so leuchtete wie in der dunklen Zeit. Sicherlich, dachte der Held, Ganondorf war verbannt und hingerichtet. Er wollte sich nicht vorstellen, dass es vielleicht eine Zeit gab, in der er durchaus lebendig war und Chaos in Hyrule säte. Aber gerade er als Held der Zeit wusste, dass die Zeit eine komplizierte Geschichte war. Und Zeitreisen hatten einige Tücken. Er fragte sich, ob er nicht irgendwann, vielleicht sogar in näherer Zukunft einmal mehr durch die Zeiten reisen würde. Vielleicht könnte er so etwas über seine merkwürdige Krankheit herausfinden…

Und vielleicht, weil er nicht wusste, was er tat, oder weil er sein Fragment nicht gerade beherrschte, ließ der Heroe den Blick darauf schweifen, umfasste mit der anderen Hand das linke Handgelenk und konzentrierte sich ein wenig…
 

Und während er darüber sinnierte, und sich einmal mehr zu sehr auf die Magie in seiner Seele einließ, lief der tollpatschige Mondrik Heagen, der scheinbar in einige Fettnäpfchen der alten Schule trat, vorwärts und steuerte unheimlich leise den Badesaal an. Er war klein und untersetzt, jemand, den niemand ernst nahm und es war ihm immer peinlich, wenn er mit den anderen Jungs, die wesentlich sportlicher und größer waren als er, duschen musste. Er schämte sich etwas für seine Gestalt, obwohl sein Vater ein starker, mutiger Mann war. Gerade deswegen passte jener Jugendliche geeignete Zeitpunkte ab, um sich in dem Badezimmer alleine aufhalten zu können. Nur hatte er nicht damit gerechnet, dass ein weiterer Jugendlicher ebenso dachte.
 

Und Link in dem entspannenden Badewasser lauschte einmal mehr, so wie vor wenigen Tagen, als er seine Augenfarbe verlor, dem Flüstern des heiligen Mutes. Es war vertrauensselig, herausfordernd, brennend. Und mit jedem weiteren Funken, den das Fragment des Mutes in Links Venen schickte, mit einem Gefühl, als ob die Macht Seelen spalten konnte, mit jedem weiteren Flüstern des Fragments, versank der Fünfzehnjährige mehr und mehr in Trance. Er nutzte es vielleicht auch, um herauszufinden, was in Hyrule vor sich ging, vielleicht um schicksalhafte Ereignisse zu sehen… Nur hörte er dabei die warnenden Schritte von Mondrik Heagen außerhalb nicht, ignorierte die Vernunft, die ihm verbat, das Fragment unachtsam einzusetzen. Aber ein einfacher Gedanke und ein verheißungsvoller Impuls ließ ihn träumen. Link phantasierte, während das Wasser in der Wanne verdampfte, während das Fragment pulsierend glühte und seit langem ein teilweise helles, goldenes Licht in den Raum schickte…
 

Gerade in dem Augenblick platzte der kleine, rundliche Mondrik in das Badezimmer, sah das verrückteste Bild, das seine braunen Kinderaugen jemals wahrgenommen hatten. Link schwebte teilweise über dem Wannenrand und das, was den anderen Jungen gerade das Entsetzten lehrte, war ein golden strahlendes Fragment des Triforce, das den gesamten Raum in ein fieberndes, entsetzliches Licht hellte. Gerade da öffnete Link überrascht seine tiefblauen Augen, plumpste erschrocken und kreischend zurück in das Wasser und als sich die Energie des Fragmentes entlud, explodierte die Wanne, zerschellte in Tausend sich verflüchtigende Einzelteile und der junge Heroe lag nackt, beschämt und unglaublich durcheinander längs auf seinem Bauch und blinzelte vorwitzig in die Augen des geschockten Mondrik.
 

Das gesamte Badezimmer war im Eimer. Das Feuer im Kamin war durch eine Wasserwelle erloschen. Einige Gegenstände im Raum waren durchgeweicht oder umgeworfen. Link hob seinen Kopf ein Stückchen an und schaute mit einem knallroten Gesicht zu dem Störenfried, dessen Mund sperrangelweit offen stand, und der nicht einmal wusste, was er sagen sollte.
 

„Es ist nicht, wonach es aussieht…“, wollte Link erklären, hüpfte auf seine Beine und umwickelte sich mit einem großen Badetuch. Obwohl weder ein anderer Schüler, noch sonst jemand eine Vorstellung davon hatte, wonach das ganze überhaupt aussehen sollte.

Mondrik war so schockiert, dass er nichts sagte, er hob lediglich seinen rechten Arm und deutete auf das Fragment auf Links Hand. Sofort versuchte der heimliche Heroe das Fragment zu verstecken, aber es war zu spät. Mondrik Heagen hatte das Fragment entdeckt, und er hatte gesehen, dass Link es benutzt hatte.
 

Link verdrehte seine Augäpfel, bedeckte sein Gesicht mit einer Hand und bezeichnete sich in Gedanken als den größten Trottel, den Hyrule jemals gesehen hatte. Wie konnte er nur so verdammt dämlich sein? Er hatte, ohne Sicherheitsvorkehrungen und das ausgerechnet an diesem Ort mit seinem blöden Fragment gespielt und nur deswegen hatte es der erste Ritterschüler herausgefunden! Du blöder, einfältiger Held! Link seufzte und blickte Mondrik Heagen, der immer blasser im Gesicht wurde, bedenklich an.

Und noch immer brachte der dickliche Ritterschüler kein vernünftiges Wort aus seinem blassrosa Mund.

Link schüttelte den Schädel, wusste auch nicht, was er sagen sollte und sah nach seiner Kleidung, die zum Glück noch trocken war. Er zog sich diese flink an und begann die Unordnung im Bad einigermaßen wieder in den Griff zu kriegen. Aber noch immer stand Mondrik Heagen vor der Tür und musterte den Heroen entsetzt.
 

„Die Schüler… also manche der anderen haben schon über dich geredet…“, begann er kleinlaut und schien sich davor zu fürchten ein weiteres Wort zu Link zu sagen. „Du bist der…“

Verärgert drehte Link seinen Schädel zu dem anderen Schüler und meinte gereizt: „Ich bin gar nichts. Du hast hier nichts gesehen, ist das klar?!“ Genervt wuselte der Heroe durch sein dickes, nasses Haar und fragte sich, wie er es schaffen konnte, dass Mondrik sein kleines Maul hielt.

„Aber das Fragment… ich habe…“, piepste Mondrik.

„Du hast nichts gesehen“, sagte Link scharf und trat vor den etwas kleineren Jungen um diesen einzuschüchtern.

„Aber…“

„Verdammt nochmal.“ Und Link wurde laut und fast schon bissig. „Ich kann es nicht gebrauchen, dass andere über mich herziehen. Du wirst deinen Mund halten, ist das klar!“

„Aber du bist…“

„Vielleicht bin ich das“, erwiderte Link und war beinah am Verzweifeln, weil er nicht wusste, wie er diesem Kerl beibringen sollte, dass er darüber schwieg. „Aber ich will nicht, dass es irgendjemand weiß. Und du wirst deinen kleinen Schnabel halten, sonst…“

Und das Gesicht des Jungen ihm gegenüber wurde unsicher und ängstlich, da Link so laut und einschüchternd redete.
 

„Sag‘ das nicht weiter“, bat Link ruhiger und hoffte auf das Verständnis von diesem Wicht. Allerdings kannte er Mondrik nicht, er wusste nichts über ihn, wusste nicht, ob jener vertrauenswürdig war oder jemand, der sich beliebt machen wollte, der sich mit Geheimnissen brüstete.

„Ich…“

Link trat noch etwas näher und starrte dem Jungen zornig entgegen. Ein Blick, der unheimlich eisig und gereizt war. Link ahnte nicht, dass er diesen Mitschüler damit nicht nur einschüchterte, sondern auch verängstigte.

„Ich werde es nicht weitersagen“, brummte der Junge dann erschrocken, und blickte dem einstigen Heroen sehr aufgeregt ins Gesicht. „Ich verspreche es! Bin ich dann der einzige, der es weiß?“

Link nickte, worauf sich der Junge wieder entspannte. „Genial, ich bin der einzige, der das weiß. Ich verspreche es, ganz sicher, ich verspreche, dass ich es nicht weiter erzähle.“

„Hältst du dein Wort auch?“, fragte Link leise.

„Ja, das mache ich. Wow, ich bin der einzige, der ein solches Geheimnis weiß.“ Und der Junge schien beinah zu jubeln. Link aber fand das ganze weniger witzig und auch nicht zum Jubeln. Er hatte durch eine dumme Unachtsamkeit alles in Frage gestellt. Wollte er nicht eigentlich unerkannt bleiben? Fing er jetzt tatsächlich noch an, sich in diesem Ruhm zu aalen? Er wollte sich am liebsten ohrfeigen, weil er damit die Leute, die an ihn glaubten irgendwie enttäuschte. Wenn sein Geheimnis bekannt wurde, dann gab es sicherlich einige, die ihn meiden würden. Und was war mit Will? Er wäre enttäuscht, dass Link es ihm nicht gleich gesagt hatte…
 

Gerade da kamen einige der reicheren Ritterschüler über den Gang gelaufen und blickten neugierig zu Mondrik Heagen und Link, der sich hastig seine Handschuhe überstreifte. Die Jungs grinsten und schienen sich noch ein paar andere Dinge über den ‚komischen Kauz‘ und den Versager Heagen zusammenzureimen…
 

Etwas benommen von dem Einsatz seines Fragments und der Tatsache, dass er es damit schaffte Gegenstände explodieren zu lassen, sodass von diesen nicht einmal mehr ein Staubkrümel übrig war, trat Link in Richtung des Speisesaals. Er hörte die Schüler von außen her heftig diskutieren. Hoffentlich hielt Mondrik Heagen seinen Mund und hoffentlich unterhielten sich die Schüler nicht wegen ihm so laut und aufgeregt.
 

Doch, als er die Tür in den Saal öffnete, musste er feststellen, dass die Schüler sehr wohl über ihn redeten. Überfordert trat Link ein, worauf sofort die meisten Gesichter in seine Richtung wanderten. Schüler aller Altersklassen, sogar das Lehrpersonal, welches an einem besonderen Tisch speiste, starrte in seine Richtung. Der junge Held spürte, wie er mehr und mehr rot anlief. Er war es eigentlich nicht gewohnt, dass er im Mittelpunkt des Geschehens stand. Er hatte sich bei solchen peinlichen Momenten oft genug aus der Affäre gezogen. Flehend blickte er in die Runde, dann zu Will, der nur grinste und schließlich zu Mondrik Heagen, der ihn mit Genugtuung und Bewunderung angaffte. Und dann, von einer Sekunde auf die andere, sprangen einige Schüler auf, klatschten und ein Teil jubelte. Links tiefblaue Augen wurden immer größer. Er wusste nicht, ob er sich freuen oder weinen sollte. Klatschten die Leute tatsächlich wegen ihm? Wussten die Leute mittlerweile, dass er der Held der Zeit war? Noch überforderter als vorher trat er zu Will und den anderen Drittklässlern an den Tisch und versuchte irgendwie seine Schamesröte hinter Will zu verstecken. Aber die Jungs schienen sehr erpicht darauf zu sein, dass er unbedingt Platz nahm. Man hatte ihm sogar bereits einen Teller mit Himmelskürbisauflauf, sowie eine Tasse heiße Beerensuppe, zwei Brötchen und eine heiße Milch mit Feenhonig an seinen Platz gestellt. Mit großen Augen sah er in die Runde, weil er diese positive Aufmerksamkeit einfach nicht gewöhnt war. Aber er hatte jene verdient, er hatte Achtung und Respekt so bitter nötig…
 

Etwas täppisch saß der Heroe an seinem Platz und wurde von den meisten neugierig gemustert. Sie schienen darauf zu warten, dass er sich an dem Essen erfreute oder dass er endlich etwas sagte. Er nahm einen Bissen des heißen Auflaufs und grinste etwas, während er immer noch von allen Richtungen beobachtet wurde. Er sah auf, zuckte mit den Schultern und machte den Eindruck, das ihm das Essen schmeckte. Erst dann schienen einige der Schüler zufrieden und sie widmeten sich ihren eigenen Mahlzeiten.
 

Will klopfte Link auf die Schulter, während jener von der heißen, süßen Beerensuppe schlürfte. „Was ist hier eigentlich los?“, schmatzte Link an Will gerichtet. Er fragte dies sehr vorsichtig, hoffte, dass die anderen sein Geheimnis mittlerweile nicht kannten.

„Na, was wohl, du Held!“, lachte Will. Und dem peinlich berührten Link fiel in dem Augenblick das Besteck aus den Händen. Allein, dass Will das Wort ,Held‘ in den Mund nahm, gefiel ihm gar nicht.

„Jetzt schau‘ nicht drein, wie ein dummes Gespenst. Die Leute sind total begeistert von dir, weil du Viktor ohne mit der Wimper zu zucken, fertig gemacht hast. Der schämt sich in seinem Büro in Grund und Boden und kommt nicht mehr raus. Sogar das Lehrerpersonal hat sich schief gelacht.“ Ungläubig schaute der unerkannte Held in die Runde aus grinsenden Gesichtern.
 

„Die Leute jubeln, weil ich Viktors Schandmaul zum Schweigen gebracht habe?“, vergewisserte sich Link. Er seufzte und ließ erleichtert die Schultern sinken. Puh, er hatte mal wieder Schwein gehabt. Also wussten die Schüler noch nicht, dass er der Held der Zeit war.

„Jap, und die meisten wollten sich einfach bei dir bedanken. Deshalb haben die Leute dir diese riesige Portion auf den Platz gestellt“, entgegnete Will und grinste schief. „Ich muss schon sagen, das war erste Sahne von dir. Ich hätte nicht gedacht, dass das positiv ausgeht.“

Link aber schaute nur verwundert zu der riesigen Portion Himmelskürbisauflauf auf seinem Platz und konnte das Ganze noch nicht so richtig verstehen oder annehmen. Er erinnerte sich an Kokiri… er hatte immer den Kürzeren gezogen… er hatte es oft genug erlebt, dass er keine Mahlzeit bekam.

„Jetzt schau‘ nicht so deprimiert, du hast allen Grund stolz auf dich zu sein“, ermutigte Will mit seiner tiefen Stimme und grinste.

„Das ist es nicht, ich bin es nur nicht gewöhnt mit so etwas belohnt zu werden und dass mich andere dafür achten…“, flüsterte Link. Und auch dem Laundry verging das Grinsen teilweise, weil diese Bemerkung fiel. Hieß das, dass Link bisher so wenig Achtung und Respekt oder Gutes in seinem jungen Leben erfahren hatte? Ein Grund mehr für Will herauszufinden, was mit seinem Kumpel passiert war. Er wollte ihm eigentlich nur helfen…

„Du hast einiges mitgemacht, was…“, sprach er leise, redete fast so, wie Link es immer tat. Er hoffte, Link bekam das nicht in den falschen Hals. Aber er nickte ausnahmsweise und wurde nicht bissig.

„Du solltest mit jemandem darüber reden, dem du vertrauen kannst.“ Link sprach wieder kein Wort, verstand die Mehrdeutigkeit in Wills Worten, aber schüttelte den Schädel, was so viel hieß wie, dass er nicht darüber reden wollte… wie immer…
 

Gerade da marschierten Artus und Robin in den Speisesaal und nahmen gegenüber von Link und seinem Kumpel Platz. Sie grinsten und lachten.

„Ich kann es immer noch nicht glauben“, meinte der blonde McDawn und strahlte Link mit Bewunderung an. „Ist dir eigentlich klar, was du da gemacht hast?“

Link zuckte mit den Schultern. „Viktors dummes Geschwätz und seine bemitleidenswerte Schwertkunst ist mir einfach zu wider…“, versuchte Link zu beschwichtigen. Ihn interessierte seine unheimlich leckere Mahlzeit wesentlich mehr als der Kampf mit Viktor.

„Du solltest das nicht so unter den Tisch kehren. Einige der Schüler sind inzwischen der Meinung, du solltest uns unterrichten“, erklärte Artus und biss von seinem Brötchen. Und nun fiel dem unerkannten Helden das zweite Mal das Besteck aus den Händen. Aber er schwieg darauf. Was sollte er dazu denn noch sagen? Er wusste, dass er den anderen, selbst den ältesten Schülern, weit überlegen war, wenn die merkwürdige Krankheit nicht wäre…
 

„Jetzt wird dich keiner mehr komischen Kauz, wohl aber mutigen Kauz nennen“, mischte sich der Frauenschwarm Robin Sorman ein. „Wo hast du das eigentlich gelernt?“ Link wich immer mehr die Farbe aus dem Gesicht, weil jetzt die ganzen unangenehmen Fragen kamen.

„Du kämpfst, als hättest du jahrzehntelange Erfahrung. Und wenn du trainierst, sieht es so aus, als kämpfst du, weil dir tatsächlich ein Dämon gegenüber steht“, argumentierte Artus. „Ich meine, ich finde es klasse. Aber es überrascht mich doch ein wenig.“ Link blickte nervös in die Runde und dann etwas hilflos zu Wills grünen, neugierigen Augen. Er hasste das Gefühl etwas erklären zu müssen und hoffte inständig, dass die Schüler das Thema ruhen ließen. Auch die anderen Schüler an dem Tisch hörten neugierig zu.

„Du machst dich damit ziemlich verdächtig, ist dir das bewusst?“, sprach Artus, worauf Link die Augen schloss und seine Hände verkrampfte.

„Das ist mir durchaus bewusst. Soll ich meine Fähigkeiten etwa dauernd verstecken?“, verteidigte sich Link. „Ich bin nicht der Typ um anzugeben, aber ich bin kein Feigling. Und ich habe nicht länger Lust aus Rücksicht auf schwaches Gesindel an der Schule meine Fähigkeiten zu verbergen.“ Er sprach seine Worte so klar und beherrscht, dass Artus ein wenig entsetzt zurückwich.
 

„Bist du vielleicht gar kein Ritterschüler?“, fragte Robin aufgeregt und stützte sich halb über den Tisch. Link grinste makaber. Sollte er tatsächlich auf diese Frage antworten? Er schüttelte seinen Kopf und widmete sich seiner Milch.

„Was? Heißt das, du bist kein Schüler?“, bohrte der braunhaarige Sorman nach.

„Zumindest nicht so einer wie ihr, was?“, sprach er geheimnistuerisch. Link nahm einen Schluck seiner Milch, stand auf, stützte sich energisch auf dem Tisch ab und erklärte, sodass es auch der Rest mitbekam. „Natürlich bin ich kein typischer Ritterschüler, um das klar zustellen. Ich habe keinen ritterlichen Vater, der mich auf diese Schule geschickt hat. Und ich kann nichts für meine Fähigkeiten, also seid gefälligst damit zufrieden und lasst mich in Ruhe.“ Dann nahm er geräuschvoll Platz und aß weiter. Auch Robin und Artus gaben sich mit dieser Antwort zufrieden und aßen und es wirkte beinah so, als wollten die meisten, jetzt, wo sie Links Fechtkünste wahrhaft ernst nahmen, sich nicht mit ihm anlegen oder ihn irgendwie provozieren. Etwas beunruhigt schielte Link ab und an zu Mondrik am anderen Tisch und hoffte, dass auch dieser Kerl seinen Mund hielt…
 

Will versuchte derweil das Thema zu wechseln, sodass sich die unangenehme Stimmung wieder legte. Er sprach, während die süße Beerensuppe von seinem Kinn tropfte. „Habt ihr eigentlich schon gehört, dass in einigen Wochen ein berühmter Ball am Königsschloss stattfindet. Die Ritterschüler sind ab dem dritten Jahr zu diesem Ball geladen. Das heißt, wir können dort teilnehmen.“ Link sah verdutzt auf. Ein Ball am Königsschloss?

„Das stimmt, Elena hat mir davon berichtet“, meinte Artus. „Und sie hat mir schon ein hässliches Kostüm genäht, mit dem ich dort erscheinen soll. Man nennt diese Veranstaltung den Ball des Winterzaubers.“ Er wirkte nicht gerade begeistert von dieser Sache. Auch Link erfreute diese Nachricht nicht. Wenn er dort teilnehmen musste, würde er Zelda wiedersehen. Und dieser Gedanke fühlte sich sehr schmerzhaft an…

„Müssen wir dort hingehen?“, fragte er leise. Und vor allem Will konnte an seiner schmerzverzerrten Miene erkennen, das ihn das Thema aufwühlte.

„Es wird erwartet“, entgegnete Robin. „Aber es kommt darauf an, mit wem man dort hingeht“, setzte er lachend hinzu. „Ihr solltet in den nächsten Tagen unbedingt ein Mädchen ansprechen, mit dem ihr teilnehmen wollt. Es ziemt sich nicht dort ohne Bekleidung zu erscheinen.“

Will bekam auf die Aussage beinah einen Herzkasper. Er seufzte und atmete dann tief durch. „Beim Triforce, das ist gar nicht so einfach. Ich habe keine Ahnung, wen ich fragen soll.“

„Es sind noch genügend Mädchen frei. Das ist nicht so schwer“, kicherte Robin und schüttelte sich sein braunes Haar.

„Ich werde nicht teilnehmen“, sagte Link dann frustriert und leerte seinen Teller.

„Aber warum denn nicht?“, fragte Artus verwundert.

„Ich finde solche Veranstaltungen nervig“, meinte er beschwichtigend. ,Bei Nayru‘, es tat ihm unglaublich weh, Zelda dort zu sehen und vielleicht auch zu erkennen, dass sie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Er schämte sich, er fürchtete sich unter ihre Augen. Er konnte nach all den Ereignissen der letzten Wochen nicht unter ihre Augen treten und so tun, als ob nichts geschehen war. Er hatte sie nicht nur mit seinem bockigen, bemitleidenswerten Getue enttäuscht, sondern auch mit seinen verletzenden, bissigen Worten.

Will blickte ihm anteilnehmend entgegen. Er wusste genau, was in Link vorging. Es ging um Prinzessin Zelda, das war mittlerweile so einfach aus seinem Gesicht abzulesen.

„Nun“, meinte der Laundry. „Es ist ja noch genug Zeit dafür.“

Darauf nickten alle zustimmend.

„Wo wir gerade von Mädchen sprechen“, sprach Robin und schielte interessiert zu der Eingangstür.
 

Gerade in dem Augenblick traten drei hübsche Damen von der nahe gelegenen Mädchenschule in den Speisesaal ein, worauf alle Jungs verwundert aufsahen. Es war höchst selten, dass es den Mädchen von nebenan erlaubt war, die Schule zu betreten. Die Mädchen waren herausgeputzt und geschminkt und sie alle trugen weiße Kleider, die an der Schule üblich waren. Genauso wie die Jungen eine Schuluniform hatten, mussten die Mädchen ab und an weiße Gewandungen tragen. Es war ein kleines, untersetztes Mädchen mit gekräuseltem schwarzen Haar, eine lange, dünne Dame mit drei geflochtenen Zöpfen und eine durchtrainierte, beinah muskulöse junge Frau mit kurzem, rotblondem Haar. Sie alle hatten Geschenke unter ihren Armen und steuerten geradewegs zu dem Tisch, an dem Link saß. Er begriff die Situation nicht wirklich, ahnte erst, als es schon zu spät war, dass die Damen tatsächlich ihn in ihrem Blickfeld hatten. Sie lächelten alle schüchtern und drückten dem schockierten Link, der aussah, als hätte die Zoraprinzessin Ruto versucht ihn zu umarmen, die Geschenke in die Hände.
 

Und mit dieser Geste fing sich der junge Heroe ein paar sehr erstaunte, neidische und unglaublich grinsende Blicke ein. Vor allem Will neben ihm sah drein wie ein veralberter Gorone. Die Mädchen lächelten alle schmuckhaft, verbeugten sich und rauschten so schnell wieder ab wie sie gekommen war. Täppisch, nervös und überfordert sah Link zu den drei in buntem Papier eingewickelten Paketen und begriff nicht, was gerade passiert war. Hilflos musterte er William, dann Artus und dann Robin.

„Das hast du nun von deiner Schwertkunst, Link“, kicherte Artus. Robin war nur neidisch und fragte sich, was Link hatte und er nicht. Und Will ärgerte sich über seine eigene Verlegenheit.
 

Link glotzte wie erstarrt auf die Tüten und murmelte: „Was ist das?“

„Jetzt guck‘ nicht so, als hättest du noch nie ein Geschenk bekommen!“, sagte Will lieblos, begriff aber erst nach seiner Wortwahl, was er gerade gesagt hatte. Das war es wohl… Link hatte noch nie oder sehr selten ein Geschenk bekommen.

„Geschenke?“, brachte er lispelnd heraus. Er sah irgendwie verletzlich weich aus und nur Will ahnte den Grund dafür. Er war schließlich Waise, vielleicht hatte er tatsächlich nie etwas bekommen, obwohl da ein unglaublich gutes, reines Herz in seiner Brust schlug. Will wollte sich nicht vorstellen, wie es sein musste, diese angenehmen Dinge des Lebens, wie zum Beispiel die Vorfreude auf das hylianische Fest der Göttinnen oder das Fest um Nayrus Geburt nicht genießen zu können, zu wissen, dass da niemand war, der Anteil nahm.

„Das sind Geschenke für dich, Link“, erklärte Will, worauf die tiefblauen Augen des Angesprochenen blinzelten.

„Ich glaube, du hast dich mit deinem Mut auch bei den Damen beliebt gemacht und kein Problem mehr, selbst das reichste und hübscheste Mädchen der Schule zu kriegen“, sprach Robin neidisch.

„Zum Glück brauche ich mir darüber keine Gedanken zu machen. Ich bin ja schon vergeben“, lachte Artus und kippelte mit seinem Stuhl.
 

Link schaute immer noch ungläubig auf die drei Gegenstände in seinen Händen, aber fühlte mehr und mehr ein gutes Gefühl in sich aufsteigen. Diese positive Aufmerksamkeit war so wohltuend. Er versuchte es mit einem Lächeln, auch wenn es einmal wieder bei dem Versuch blieb…
 

Und so ging ein erheiternder Abend vorüber. Einige Schüler übten nach dem ermutigenden Tag noch außerhalb mit ihren Waffen. Andere spielten Karten. Link hielt sich gerade alleine in seinem Zimmer auf, hatte das Fenster weit geöffnet und saß auf der Fensterbank. Er ließ seine Beine hinaus baumeln und packte die drei Geschenke aus. Er wusste nicht einmal die Namen der drei Damen um sich zu bedanken. ,Aber das würde er schon herausfinden‘, dachte er. Neugierig öffnete er das erste Geschenk. Es war eine lange, schmale Schachtel mit Pralinen und ein Brief war dabei. Dort stand lediglich ein Danke für die Belehrung Viktors. Er stopfte sich gleich drei Pralinen in den Mund, genoss die Süßigkeiten ungemein, weil er in seinem kurzen Leben ohnehin zu wenig Süßes bekommen hatte. Er erinnerte sich ungern an seinen ersten Besuch auf dem Marktplatz der Hauptstadt. Er hatte damals so viele Pralinen und Zuckerstangen, wie auch goronische Zuckerkekse gegessen, das ihm schlecht geworden war…
 

In dem zweiten Geschenk war ein Taschenmesser, das der junge Heroe mit einem unverschämten Grinsen in seine Gürteltasche stecke. Aber es war das dritte Geschenk, was ihn so verblüffte, dass er beinahe vom Fenstersims gekracht wäre. Als er es auspackte, fiel ihm sofort ein sehr eigensinniges, kupferartiges, sich teilweise cremig anfühlendes, aber auch robustes Metall auf, das mit dunklen Striemen durchzogen war. Es war ein Armband, gemacht für den Oberarm eines Mannes und es sah sehr kostbar aus. Links Mund stand sprachlos weit offen, als er sich an den Ring Hopfdingens, Midnehrets Handspiegel und seine Kompassnadel erinnerte. Er hielt gerade einen weiteren der merkwürdigen Gegenstände in seinen Händen. Sachte hielt er das Armband gegen das Kerzenlicht und staunte immer mehr. Tatsächlich, schon wieder dieses mysteriöse Metall. Gerade als ihm in diesem Zusammenhang das Buch von Viktor einfiel, spitzte der sensible Hylianer seine Ohren und hörte, dass jemand versuchte in das Gemach zu schleichen. Link verzog seine Augenbrauen und handelte schnell und leise. Er räumte das Armband unter sein Kopfkissen. Es konnte nicht Will sein, der klopfte normalerweise oder trat sofort mit aufgeregten Worten herein. Er blies die Kerze aus, hockte sich in eine unbeleuchtete Ecke und stach mit seinen aufmerksamen, tiefblauen Augen durch die Nacht.
 

Mit einem leisen Quietschen wurde die knarrende Zimmertür aufgeschoben und eine schlanke Gestalt trat in den Raum ein. Anhand der Umrisse konnte Link in der Schwärze der Nacht lediglich ausmachen, dass es ein Schüler sein musste und dass jener eine Tunika trug. Mit lautem Schuhwerk tapste die Gestalt näher und schloss die Tür vorsichtig. Er schien den Innenraum zu mustern, aber sah seinen heimlichen Beobachter Link nicht. Neugierig, was als nächstes passierte, wartete der junge Heroe ab, versuchte leise zu atmen und verhielt sich weiterhin still. Tatsächlich marschierte die Gestalt, bemüht vorsichtig zu sein und scheinbar sehr aufgeregt, an den Schrank Links, öffnete die Türen und durchwühlte fluchend die Sachen. Es erklang nur ein kleiner Laut aus der Kehle des Eindringlings, das Link ihn erkannte. Und es war da, dass der Held der Zeit verdrießlich wurde. Er trat sachte aus seinem Versteck hervor, brodelte vor Wut. Und plötzlich entzündeten sich in dem Gemach alle Kerzen, ließen einen verräterischen Schein auf den Dieb fallen, der plötzlich schrillend kreischte und sich aufgeregt umdrehte.
 

„Du hast Nerven, dich zu wagen mich auszuspionieren!“, fauchte Link und griff nach seinem Schwert. Verärgert und extrem angriffslustig zog er dieses und hielt es dem Eindringling unter die Nase. Er kannte den Jugendlichen, der gerade den Fehler seines Lebens begangen hatte. Und Link hatte ihn und Viktor belauscht und war dementsprechend vorgewarnt.
 

„Was willst du hier?“, brüllte der junge Heroe. „Antworte, Ian!“ Und mit einem Schlag flackerte des Feuer der Kerzen wesentlich wilder. Link blickte verdutzt zu dem lodernden Flammen. Mittlerweile wurden ihm seine Fähigkeiten etwas unheimlich…

Der Angesprochene sackte schuldbewusst in sich zusammen und war vielleicht sogar froh, dass er erwischt wurde. Konfus blickte der Störenfried zu den Kerzen und dann in den entschlossenen, mutigen Blick Links. „Wie hast du…“, begann er, aber wurde ein weiteres Mal von Links Schwert unsanft belehrt, dass er hier nicht das Wort hatte. Er setzte ihm die Klinge an die Kehle.

„Ich frage dich nur ein Mal, was hast du hier zu suchen!“ Und da erinnerte sich Link an Viktors Worte, die er dem Schüler Ian schmierig unter die Nase gerieben hatte. Er hatte ihm den Auftrag gegeben, seinen Kompass zu stehlen.

„Das könnte dir so passen, dass ich dir das verrate!“, murrte der Eindringling und versuchte sich aus seiner Lage zu winden. Mit einer Hand drückte er die scharfe, schwere Klinge zur Seite und zog einen Dolch, den er bei sich trug. Zwinkernd, dass sich Ian noch traute, sich herauszureden und ihn anzugreifen, verwickelte Link den Jungen in ein gefährliches Klingenspiel, bis der Dolch zu Boden krachte.
 

„Was jetzt? Hast du noch weitere Argumente?“, fragte Link genervt und schüttelte den Schädel. Er war tierisch sauer, dass Ian die Frechheit besaß ihn in seiner Situation noch anzugreifen. „Soll ich erst das Lehrpersonal rufen?“, brüllte der vergessene Heroe.

„Ich geb’s ja zu, ich habe nach deinem Kompass gesucht!“, gab Ian dann endlich zu. „Ich schwöre, ich mach‘ das nicht für mich. Ich hab‘ den Auftrag von Viktor bekommen. Lass‘ mich verdammt noch mal wieder gehen!“ Er winselte etwas, worauf Link die Klinge sinken ließ. ,Was für ein jämmerlicher Kerl‘, dachte der Heroe und schüttelte den Kopf. Was sollte er nun machen? Er konnte damit nicht zu den anderen Lehrern gehen, das würde erst Misstrauen verursachen, aber er konnte auch Ian nicht ohne eine entsprechende Strafe gehen lassen.

„Du wagst dir was. Ich hab‘ dich schon einmal fertig gemacht und dann brichst du einfach in mein Zimmer ein. Hast du den Verstand verloren?“

Ian sah mitleiderweckend auf, aber seine Beine zitterten etwas, dass er nicht aufstehen konnte.

„Ich weiß, dass du besser kämpfen kannst als die anderen. Ich hab‘ gedacht, ich krieg‘ das mit dem Kompass irgendwie hin…“

„Und ich habe echt gedacht, dass du dich nicht so dämlich anstellst.“ Ians zitternde Knie und seine kleinlaute Sprache überraschten Link ein wenig. Er steckte sein Schwert zurück und reichte dem Kerl seine Hand zum Aufstehen. Überfordert blickte der Jugendliche in seine tiefblauen Augen und verstand die Situation nicht. Er hätte nicht gedacht, dass Link ihm nach dieser Aktion noch aufhelfen würde.
 

„Ich werd‘ dir schon nicht den Kopf abreißen, obwohl ich wohl Lust dazu hätte nach der Aktion mit Ariana“, sagte Link gereizt, worauf Ian die Hand wegschlug. Er räusperte sich, wirkte aber bezüglich der schwarzhaarigen Schönheit nicht schuldbewusst. Unsicher stand der Ritterschüler vor Links Schrank.

„Du solltest nicht so große Stücke auf Viktor halten“, meinte Link ruhig. „Und seine Befehle musst du nicht ausführen.“

„Was weißt du schon…“

„Ich habe dich und Viktor belauscht… Ich weiß so einiges über dieses Schwein“, schimpfte der Junge.

„Ich bin an ihn gebunden…“, erklärte Ian gedämpft. „Und nur deshalb musste ich diesen Kompass suchen.“

„Das hat sich erledigt, ich habe diesen Kompass nicht mehr“, meinte Link und schüttelte genervt seinen Schädel. „Hast du eine Ahnung, was du da zusammensuchst?“, fragte er weiterhin.

„Viktor sagte, es handelt sich um bestimmte Schlüssel, die auf dem Schwarzmarkt sehr teuer verscherbelt werden und die von Dämonen sehr teuer bezahlt werden…“

„Hat Viktor noch mehr von diesen seltsamen Gegenständen?“

„Soweit ich weiß nicht…“

,Das war ja mal interessant‘, dachte der Heroe. Wenn Ian sagte, dass diese Gegenstände Schlüssel waren, dann musste es sich um diese Dreizehn Schlüssel handeln, die in dem seltsamen Buch von Viktor angesprochen waren. Link rollte mit den Augäpfeln, als er an dieses Buch dachte. Er hatte es immer noch nicht durchgelesen.
 

„Lässt du mich gehen?“, meinte der Schüler dann.

„Zieh‘ Leine“, murrte der Heroe und schüttelte den Kopf. Es brachte ja nichts diesen Kerl

noch weiter einzuschüchtern. Außerdem schien Ian nicht lebensmüde genug zu sein, um sich diese Aktion ein weiteres Mal zu wagen. Wie ein Blitz hechtete Ian aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Link blickte vorsichtshalber in seinen Schrank, aber es war alles noch vorhanden, was ihm wertvoll erschien, auch die Okarina der Zeit… Und ein weiterer Gegenstand sprang ihm gerade ins Auge. Das Buch über die sogenannten Dreizehn Schlüssel, welches er die letzten Tage schlichtweg ignoriert hatte. Er schlug sich auf die Stirn und ärgerte sich über seine gigantische Gedächtnisleistung. Er nahm sich das Buch, blätterte ein wenig darin herum und las die ersten Abschnitte. In dem Buch hieß es in etwa so:
 

„In einer dunklen Ära, wo noch andere Götter Hyrule regierten, als dunkle Schleier die Welt befielen, war es, dass sich zwei Monde am Sonnengewand auf ihren Bahnen abwechselten. Und die Alten erfüllt mit Gier und verdorbenen Wünschen, herrschsüchtig und grausam, verfluchten die geweihten Lande, bis eine Göttin die Verdorbenen bestrafte. Es war das einer der Monde, gefährlich und metzelnd niederprallte und ein altes Dämonisches Volk fast vollständig auslöschte. Die wenigen Verbliebenen, getrieben von Rache und Blutdurst schmiedeten in einer dunklen Stunde aus den Splittern des Mondes eine Waffe, die für allezeit auf einen besonderen Träger wartete. Und dreizehn Schlüssel sollen es sein, die jene Waffe mit Existenz erfüllen und zum Leben erwachen sollen. Eine gefährliche, teuflische Klinge, die das Leben bedrohen und Hyrule verändern würde.“
 

Link sah verstört drein und kratzte sich am Kopf. Er hatte noch nie von einer dunklen Waffe gehört, die scheinbar irgendwo versiegelt war. Aber jener Abschnitt beunruhigte sein Heldengemüt und seinen Gerechtigkeitssinn immens. Er blätterte weiter und fand Abbildungen zu den Dreizehn Schlüsseln. Verschiedene Gegenstände waren fast schon zu detailgetreu in dem Buch abgebildet, genauso wie einige weitere Items. Aber sie waren nicht vollständig. Von den scheinbar dreizehn Schlüsseln waren nur zehn hier erfasst worden. Und in dem Augenblick fiel es wie Schuppen von Links Augen und ihm wurde die Bedeutung des Buches in seinen Händen bewusst. Der Mord an dem Hausmeister Hopfdingen, der einen Ring aus komischem Metall trug. Sein Kompass, den Sir Viktor in die Finger kriegen wollte. Midnehrets Handspiegel, der in ihrer Obhut nicht gerade sicher war. Und nun dieses Männerarmband… All‘ diese Gegenstände gehörten zu den dreizehn Schlüsseln und jene waren vermutlich so gefährlich, dass er in den nächsten Nächten nicht ruhig schlafen würde…
 

Wollte irgendwer in Hyrule diese alte, dunkle Waffe etwa finden? Mehr noch… was war, wenn derjenige mit dieser Waffe gefährliche und wahnsinnige Ziele verfolgte? Und in Links Gedanken kreiste nur noch ein Wort umher… Krieg…
 

Grausame Bilder erhoben sich aus seiner Erinnerung. Blutbäder… Geschöpfe des Bösen, die er mit einem gefährlichen Masterschwert in seinen Händen niedergemetzelt hatte. Tote Hylianer. Getötete Ritter… und eine weinende und schreiende Prinzessin Zelda, die mit einem blutbeschmierten Kleid vor ihm stand…

Ihm stiegen Tränen in die Augen, als die Erinnerungsfetzen hochkamen, dachte er doch, er hätte die meisten brutalen Bilder vergessen… Aber Krieg konnte man nicht vergessen. Geronnenes, stinkendes Blut und lachende, teuflische Kreaturen, die mit mörderischen Waffen über die Steppe donnerten, konnte man nicht vergessen…
 

Er wischte sich über die Stirn und entschloss sich, seine Feigheit Zelda einen Besuch abzustatten endgültig abzulegen. Er musste sie darüber informieren und das so schnell wie möglich…
 

Er räumte das komische Armband und das Buch über die dreizehn Schlüssel in ein gesondertes Fach in seinem Schrank und verschloss dieses. Dann stapelte er zusätzlich einen Wäschehaufen darüber und hoffte, dass niemand diese Gegenstände fand. Er überlegte kurz das Armband ebenfalls in Nicholas‘ Hände zu geben wie er es mit seinem Kompass gemacht hatte, aber es war vielleicht besser, die Gegenstände befanden sich nicht alle an einem Ort.
 

Beunruhigt nahm Link das alte, meerblaue Flöteninstruments in seine kühlen Hände. Behütend streichelte er über die Okarina und ließ sich auf die Bettkante sinken. Er würde dieser Sache auf den Grund gehen müssen, er war schließlich der Held der Zeit, auch wenn er derzeit angeschlagen war und selbst wenn er Tage hatte, an denen er am liebsten erst gar nicht aufstehen wollte. Er konnte seine Pflichten nicht länger ignorieren und er würde nicht zulassen, dass irgendjemand sich in Hyrule breit machte und noch einmal die Hylianer verletzte, die ihm wichtig waren. Er seufzte, ballte die Linke zur Faust und ging einen Schwur mit sich selbst ein. Er würde sich um diese Sache kümmern, egal, was es ihn kostete… Er musste endlich aus seinem Alptraum aufwachen! Er war der Held der Zeit verdammt!
 

Nachdenklich zog er sich eine Kutte über und plante sich mit der Okarina einmal mehr auf das Dach zu setzen und so vielleicht seine Gedanken ordnen zu können, eine Antwort auf diese vielen Fragen zu finden, die ihn in seinen Teufelskreis getrieben hatten. Er seufzte noch einmal und lief mit der Okarina in der Hand zu der Tür.
 

In dem Augenblick platzte Will kichernd in das Zimmer. Er schien bestens gelaunt zu sein, wunderte sich aber über Links Aufbruchsstimmung.

„Nanu, willst du nochmal weg?“

„Ja, ich…“, meinte er leise und blickte zu seiner Okarina.

„Ah, verstehe“, meinte Will. Link nickte erfreut, weil Will nicht weiter nachbohrte und ihn scheinbar nicht nerven wollte.

Erheitert hüpfte der Laundry zu dem roten Kanapee und lachte immer noch.

„Gibt es einen Grund, dass du so fröhlich bist?“, wollte Link wissen und zog sich seine Stiefel über die Füße.

„Stell‘ dir vor“, meinte er. „Die anderen und ich waren gerade im Duschsaal, als die komische Putzfrau Graminde mit ihren riesigen Waschhänden hereingeplatzt kam und uns alle mit einen wutschaubenden, zänkischen Ausdruck angeschaut hat. Sie brüllte und kreischte, bis sie sagte, dass einer von uns die Badewanne geklaut hat. Kannst du dir das vorstellen, welcher Idiot stiehlt schon eine Badewanne“, lachte Will. „Das muss doch jemandem aufgefallen sein. Badewannen gehen nicht einfach so verloren und verschwinden nicht plötzlich.“

„Äh… so muss das wohl gewesen sein“, lallte Link und machte sich mit seiner verräterischen Mimik bei Will einmal mehr verdächtig. Er wurde rot im Gesicht und schabte mit seinen Stiefeln über den Boden. Und weil Link so beschämt dreinschaute, fragte der neugierige Laundry kichernd nach. „Du hast doch nix damit zu tun, oder?“

„…“ Link war gerade zu schuldbewusst, als es noch abzustreiten.

„Link, sag‘ bloß, du hast die Wanne geklaut!“ Und Will verschluckte sich halb.

„Ich hab‘ die nicht geklaut. Das war meine Magie… ich hab‘ die unabsichtlich kaputt gemacht…“

Will bekam daraufhin einen gigantischen Lachanfall und schaute den Heroen mit tränenden Augen an. „Das ist nicht wahr, oder?“ Er hielt sich seine Hände an den Bauch und versuchte sich zu beruhigen. Euphorisch hüpfte der Fünfzehnjährige hinüber zu seinem besten Kumpel.
 

„Auch von deiner Magie solltest du den anderen berichten.“ Er klopfte ihm auf die Schulter und murmelte dann ernster: „Ich bin echt froh, dich getroffen zu haben und dich als Freund zu haben… du hast gar keine Ahnung, was du anderen gibst…“ Verwundert hoben sich Links hellbraune Augenbrauen. Wurde er jetzt auch noch dafür von Will belohnt, weil er eine Badewanne ruiniert hatte?

„Ich meine, ich fühl‘ mich echt entschlossener, seit ich dich kenne… ich hab‘ viel gelacht und durch dich nur profitiert… Danke, Link.“

Nervös schaute Link in die smaragdgrünen Augen Wills und wusste nicht, was er dazu sagen sollte.

„Ich kann mir vorstellen, dass du sowas nicht gerne hörst, aber du bist mir echt wichtig geworden. Ich würde meine Hände für dich ins Feuer legen.“ Und zwischen Will und Link entstand gerade eine so starke, freundschaftliche Basis, die der einstige Kokiri bisher nie erfahren hatte. Es war für Link so ein angenehmes Gefühl, dass er tatsächlich lächeln konnte. Und vielleicht spürte er, dass Will etwas an sich hatte, was ihm niemals fremd gewesen war. Irgendetwas war da, was Link noch nicht wusste, etwas Erfreuliches… und er würde es irgendwann verstehen. Link konnte auf Wills Worte nicht antworten, und der Laundry erwartete es auch nicht. Mit geschlossenen Augen stapfte er aus dem Zimmer heraus…
 

Mit einem unguten Gefühl und trübsinnigen Gedanken kletterte er einmal mehr auf das Dach der alten Schule und spielte Okarina. Er spielte eine freierfundene Weise. Eine Melodie, die er jemandem Besonderen eines Tages vorspielen wollte. Und vielleicht war jene Melodie eine Entschuldigung für all das, was er getan oder nicht getan hatte…
 

Er war sich sicher, dass sie es irgendwo hören konnte… und irgendwann, vielleicht, wenn sich diese Missverständnisse aufgeklärt hatten und er wieder in der Lage war sie zu beschützen, dann würde er ihr auch dieses Lied vorspielen können…

Kapitel 30: Verfälschte Realität
 


 

Die nächsten Tage vergingen ruhig, bedachte man die Ereignisse, die seit Links Rückkehr in das Land Hyrule, geschehen waren. Links verletzte Hand verheilte langsam und er brachte die vielen verschiedenen Unterrichtsstunden interessiert und augenscheinlich auf dem Wege der Besserung hinter sich. Durch Zeldas Heilmittel und vielleicht auch durch die Ablenkung an der Ritterschule, oder durch Wills Gesellschaft schien es ihm tatsächlich so gut zugehen, dass er die nächsten Wochen sicherlich wieder gesünder und auch sportlicher werden könnte. Inzwischen hatte er einen guten Stand bei den Ritterschülern und er konnte nicht abstreiten, dass er es genoss, dass ihn andere respektierten. Das hatte ihm seine Auseinandersetzung mit Viktor eingebracht. Und jener Lehrer hatte bis dahin nicht ein beleidigendes Wort mehr gegen Link über seine Lippen gebracht. Was Mondrik Heagen anging, so hatte auch jener Schüler bisher dicht gehalten und Link hoffte, dass er weiterhin schwieg…
 

Der Heroe hatte mit Nicholas, dem Lehrer vom Praxisunterricht über die merkwürdige Wand in der Ritterschule diskutiert, worauf sie beide beratschlagten sich abends zu treffen und diese Wand noch einmal zu untersuchen. Es war Zeit für Link den Ereignissen der letzten Monate auf die Spur zu kommen. Das schloss auch Nachforschungen bezüglich der dreizehn Schlüssel und bezüglich Malons Verschwinden ein und dass er in den nächsten Tagen einmal zu der alten, gut bewirtschafteten Lon-Lon-Farm reiste. Er wusste nur noch nicht so recht, wie er dahin kommen sollte und ob es nicht ratsamer wäre, dass ihn jemand begleitete. Fest stand für den einstigen Heroen lediglich, dass er aus der Irrfahrt der letzten Wochen aufwachen wollte und das konnte er nur, wenn er es schaffte seine rätselhafte Amnesie zu verstehen. Ob vielleicht tatsächlich Schergen Ganondorfs oder vielleicht sogar diese Geschundenen, die ihn angegriffen hatten, hinter seiner Amnesie steckten? Aber warum, wenn er gefangen genommen wurde, wenn er eine Folter oder sonst etwas hinter sich hatte, warum hatte man ihn dann nicht getötet? Das ergab alles so wenig Sinn für den Jungen, dem gerade seine Stärke und sein Stolz geraubt wurden, die Dinge, die seinen Mut und sein Selbstvertrauen immer gestärkt hatten.
 

Mit Arn Fearlessts Klinge auf dem Rücken, die er bereits von einem Schmied hatte behandeln lassen, wartete er vor Newheads Büro, der zusammen mit ihm die seltsame Wand noch einmal untersuchen wollte. Seine Arme verschränkt und seufzend versuchte der einstige Heroe die Ereignisse der letzten Tage einmal zu überfliegen und vielleicht auch eine Antwort auf diese marternde Ungewissheit zu finden, die ihn gerade quälte. In seinen tiefblauen Seelenspiegeln liefen die Geschehnisse der letzten Wochen ab. Der Angriff auf die Lon-Lon-Farm und diese seltsame Truhe, in welcher etwas sicherlich Gefährliches ruhte. Die Begegnung mit vielen liebenswerten Hylianern wie Will, Nicholas oder Ariana. Die Angriffe der Geschundenen der Macht und dann diese merkwürdigen Gegenstände mit diesem eigensinnigen Metall. Und was war nur mit seiner verdammten Krankheit? Link wühlte in seiner Hosentasche herum, fand die ,Tränen der Nayru‘ und nahm einmal mehr sicherheitshalber eine Perle, die beruhigend seine Kehle hinab tröpfelte. Vielleicht war es nicht gut, dass er es so oft verwendete, aber hatte er denn eine andere Wahl?
 

Gerade da kam Nicholas, scheinbar durcheinander und irgendwie durchgeschwitzt aus seinem Büro hinausgestürmt. Er hatte mal wieder Besuch gehabt, dachte Link. Weiblichen Besuch. Auch wenn der junge Heroe nicht wusste, was der einstige Schwindler und diese Dame in seinem Büro so anstellten, und er wollte es auch gar nicht wissen, so fragte er sich immer häufiger, ob das vielleicht völlig in Ordnung war.

„Ähm, Link, du bist ja schon hier?“, murmelte Nicholas albern und zog sich seinen Gürtel zurecht.

„Ja, schon eine ganze Weile“, meinte Link gelangweilt und deutete auf die einfache Taschenuhr, die aus Nicholas‘ dunkler Hosentasche hinaus baumelte. „Du hast gemeint, wir wollten uns um viertel nach acht treffen und es ist schon eine halbe Stunde drüber.“

„Nun ja“, lachte der Lehrer und kratzte sich an seinem Dreitagebart. „Ich war noch beschäftigt.“ Gerade da trat aus seinem Büro eine Dame mit grauem Mantel heraus. Sie zog die Kapuze soweit, dass man ihr nicht einmal ins Gesicht blicken konnte.

„Jaja… beschäftigt“, murrte Link und wusste nicht, worüber er sich mehr ärgern sollte. Darüber, dass Nicholas die Dreistigkeit besaß ihn eine halbe Stunde warten zu lassen, oder dass er nicht wusste, was diese Dame und Newhead in diesem Büro angestellt hatten. Die elegante Frau begrüßte Link kurz und hastete dann geschwind den Gang entlang, vielleicht weil sie nicht auffallen wollte.
 

„Wie auch immer“, winkte der Lehrer mit einem verstohlenen Grinsen ab. Er musterte Link intensiv und rieb sich seine trockenen Nasenflügel. „Wollen wir dann los, Kleiner?“ Der Angesprochene schüttelte enttäuscht den Schädel. „Ich habe die ganze Zeit auf dich gewartet und du stellst mir dann noch eine so selbstverständliche Frage“, murrte er und trat vorwärts.

„Nun ja, Link, ich sehe ein, dass du deshalb etwas schlechte Laune hast“, entgegnete Schwindler. „Aber du musst wissen, dass das weibliche Geschlecht oftmals Priorität hat.“ Und wieder grinste er. Link schüttelte abermals den Schädel, konnte dem Ganzen aber eigentlich zustimmen. Wenn es um Prinzessin Zelda ging, hatte sie auch immer Priorität vor jeglichen anderen Dingen bei ihm gehabt. Er erinnerte sich noch daran, als es hieß, dass er zurück in die Zitadelle der Zeit gehen sollte, weil dort jemand Bedeutendes auf ihn wartete. Er hatte so gehofft, dass es Zelda war, dass er von der Gespensterwüste bis in die Hauptstadt Hyrules ohne Rast und ohne warme Mahlzeit gehetzt war.

„Weißt du, Damen haben nun mal etwas ganz besonderes an sich, das wirst du ja wohl auch gemerkt haben“, lachte Nicholas und lief hinter dem einstigen Heroen durch die teilweise unbeleuchteten Gänge. Etwas beschämt blickte Link zu Boden und wusste nicht, worauf sein Lehrer da anspielte.
 

„Was meinst du, Link?“, bohrte Newhead nach.

„Ich weiß nicht so genau“, murmelte er. Das war eine Antwort, die er bei solch peinlichen, unpassenden Fragen gerne gab. Aber auch da grinste Nicholas. Er konnte Link mittlerweile einschätzen, wunderte sich zwar ein wenig, dass er sich diese Unschuld und Naivität trotz des herben Zeitkriegs erhalten konnte, aber wollte den Jungen damit nicht zu sehr einschüchtern oder nervös machen.

„Du wirst das schon noch herausfinden, schließlich können wir Männer nicht ohne unsere bessere Hälfte.“

„Ich will das aber gar nicht so genau wissen“, meinte Link und trat etwas trotzig vorwärts. Es ging ihm inzwischen etwas auf die Nerven, dass Nicholas immer wieder mit diesem Thema anfing. Er provozierte ihn andauernd wegen Zelda. Und Link ahnte, dass er sicherlich gleich wieder über Prinzessin Zelda reden wollte.

„Du wirst dich aber zwangsläufig mit diesem Thema beschäftigen, immerhin gibt es eine ganz besondere Lady in deinem Leben. Und was ich von der Versammlung im Königsschloss mitbekommen habe, ist die Prinzessin sehr besorgt um dich.“ Und das traf den Pfeil ins Schwarze. Links Gedankengänge bestätigten sich auf eine Weise, die ihm gar nicht gefiel.

„Nicholas“, sprach Link und wand sich in seine Richtung. Sein Gesichtsausdruck, ein wenig trübsinnig und leicht schmerzverzerrt, sagte dem Lehrer, dass ihn etwas belastete. Der Fünfzehnjährige blieb stehen und senkte dann das Haupt. „Bitte rede nicht dauernd von Prinzessin Zelda… das…“

Verdutzt beäugte Nicholas die Mimik in Links Gesicht. Es war wie, als schien es ihn zu quälen an Zelda zu denken. Link brach in seinen Worten ab und konnte es Newhead nicht erklären. Wie sollte er ihm klar machen, dass er das Gefühl hatte, Zelda wand sich von ihm ab?

Doch da legte Nicholas ihm eine Hand auf die Schulter und wollte ihn ermutigen. „Es scheint, als gibt es etwas, das ich nicht weiß, hm?“ Link sah beunruhigt auf.

„Und es geht mich auch nichts an“, setzte der Erwachsene hinzu. „Was immer es ist, es wird sich sicherlich bald aufklären.“ Der Ansatz eines Grinsens huschte dem Heroen über das Gesicht, vielleicht weil Nicholas verstanden hatte.

„Obwohl ich immer noch der Meinung bin, dass die Prinzessin des Schicksals und der Held der Zeit zusammengehören.“ Ein gehässiges Grinsen kam aus Schwindlers Gesichtszügen zum Vorschein und noch ehe Link die Gelegenheit hatte seiner Empörung Luft zu machen, huschte Nicholas an ihm vorbei und lachte.
 

Wenige Minuten später standen Link und sein Lehrer vor der merkwürdigen Wand nahe der Latrinen der Jungen, wo der Heroe etwas Verdächtiges entdeckt hatte.

„Also du meintest, mit dieser unauffälligen Wand stimmt vielleicht etwas nicht, was?“, sprach der braunhaarige Nicholas und legte seine Hände auf das gealterte, teilweise abgetragene rostfarbene Gestein. Er klopfte mit einer Faust dagegen und legte ein spitzes Ohr an die Wand. Aber er konnte damit nichts Merkwürdiges feststellen.

„Bist du dir sicher, dass es diese Wand war?“

„Aber ja“, meinte der einstige Heroe. „Ich habe mehr merkwürdige Wände in den Tempeln zum Einstürzen gebracht als du vermutest.“

Dem konnte Nicholas nicht widersprechen, also untersuchte er die Wand weiterhin mit Präzisionsarbeit.
 

Derweil kramte Link das porzellanweiße Kaleidoskop seiner Prinzessin aus seiner Tasche. Und wieder war er mit den Gedanken bei ihr. Aber dieses merkwürdige Item, das von der Form her wie ein etwas dickeres Fernrohr aussah, musste irgendeine Bewandtnis haben und wenn Link sich erinnerte, so hatte er bei einem Blick durch dieses Objekt tatsächlich eine andere Realität wahrnehmen können als das der Fall war. Er versuchte es wieder, blickte durch die Linse und sah, wie sich die vielen Steinchen in dem Kaleidoskop anordneten und gerade an jener Stelle, wo vor Link und Nicholas die Wand war, befand sich kein Hindernis mehr, stattdessen ein Zugang zu einem weiteren Bereich der Ritterschule.

„Nicholas“, riss Link den Angesprochenen aus seinen Gedanken. „Du solltest hier hindurchschauen, dass du mir glaubst.“

Der Lehrer im Praxisunterricht sah hindurch und staunte nicht schlecht, dass dieses kleine Fernrohr tatsächlich etwas anderes wiederspiegelte als hylianische Augen erblicken konnten.

„Verrückt, wie ist das möglich?“

„Ich hab‘ keine Ahnung“, murmelte Link, nahm das Kaleidoskop wieder an sich und blickte ein weiteres Mal hindurch. Jetzt fragte er sich nur noch, wie das Kaleidoskop ihm helfen sollte, die Wand zum Verschwinden zu bringen.

„Lass‘ mich nochmal“, sagte Nicholas, nahm den Gegenstand an sich, blickte hindurch und begann diesmal ganz vorsichtig, während er hindurch blickte, an dem Rädchen zu drehen. Und es war dann, dass sich in dem Kaleidoskop die vielen, teilweise bunten Steinchen bewegten, sich einmal mehr anordneten, sich wieder bewegten, so wie Nicholas an dem Rädchen drehte. Und dann als die Steinchen in dem magischen Objekt stillstanden, konnten Nicholas undefinierbare Augen plötzlich eine Wand entdecken, aber nur wenn er durch das Spielzeug durchschaute. Etwas ungläubig blickte er durch das Item, fand das etwas schräg, aber wohl nicht so schräg wie die Miene Links, die er gleich beäugen würde. Als er das Objekt von seinem linken Auge entfernte und zu Link blickte, sah dieser entsetzt drein, als hätte ihm die Realität einen Streich gespielt. Und vielleicht hatte sie das auch. Denn als Nicholas‘ teilweise grüne Augen zu der vermeintlichen Wand wanderten, war diese schlichtweg und wie aus dem Nichts, verschwunden. Der Lehrer zwinkerte und tat dann nichts anderes als zu schmunzeln. „So viel zu den eigentümlichen Geschenken deiner Prinzessin, was?“

Link konnte darüber nicht mehr lachen. Zelda und ihr sechster Sinn. Es war wie, als wäre die Wand vor ihm geschmolzen und als hätte sich die geschmolzene klare, schillernde Flüssigkeit der anderen Umgebung angepasst. Er nahm das Kaleidoskop an sich, wusste er ja jetzt in etwa wie es funktionierte und wusste auch, an welchem Ort dieses Item zu einem weiteren Einsatz kommen würde. Er würde einfach nur daran drehen müssen, während er hindurch blickte, und dann würde sich die scheinbare Realität für einen Betrachter wandeln.
 

Etwas angespannt, aber kampfbereit traten die beiden Hylianer in den verborgenen Zugang hinein. Nicht ein Lichtstrahl der Fackeln oder Öllampen von den Gängen traute sich in die Finsternis vor ihnen. Aber Link traute sich. Er spürte, dass dieser Weg ein erster war, um aus der Bergundtalfahrt der letzten Monate aufzuwachen. Und dafür nahm er alles auf sich…

Nicholas bewunderte nur die Tapferkeit Links und blickte nachdenklich zu dem blonden Hinterkopf seines Schützlings. Er konnte immer noch nicht so recht glauben, dass der Held der Zeit so jung war, und vielleicht war es noch etwas anderes an Link, das ihn skeptisch machte. Diesen überdrehten Mut und auch die anderen Charakterzüge an Link waren ihm vertraut. Nur konnte er sich daraus nicht so recht einen Reim machen, es sorgte nur dafür, dass ihm Link unglaublich sympathisch war und dass er alles tun würde, um ihn zu schützen.

Er lief noch einmal kurz zurück, schnappte sich eine rauchige Fackel von den kahlen Wänden und hetzte hinter dem Jüngling her. Als sie die Finsternis mit dem wärmenden Fackellicht verscheuchten, wurde ihnen auf eine erschreckende Weise bewusst, an welch teuflischem Ort sie sich hier befanden. Es war ein sehr großer, runder Raum und mehrere Treppenstufen führten weiter in die Tiefe. Einige Säulen stützten die Wände. Aber das erschreckende waren mehrere Skelette auf dem Boden und einige jener Überreste wirkten alles andere als alt. In der Mitte jenes Raumes war ein Altar aufgebaut und das Blut, welches dort klebte, hing auch noch nicht lange. Über den Boden führten blutige Fußabdrücke bis zum Eingang in diese Gruft.

„Was ist das hier?“, nuschelte Nicholas durch seine gelben Zähne.

„Ich weiß es nicht“, sprach Link klar, und zog ohne Vorwarnung sein neues Schwert. Er wirbelte herum, wusste nicht, was es war, aber irgendetwas hatte ihn gerade ziemlich nervös gemacht.

„Ist alles in Ordnung, Link?“, meinte Schwindler aufgeregt.

„Ja, doch, ich hatte nur gerade ein ungutes Gefühl…“ Und die Befangenheit, die der Heroe gerade spürte, verging nicht. Er blickte angestrengt durch die Dunkelheit, fühlte seinen Herzschlag hetzender werden.

„Deine unguten Gefühle haben sich oft bestätigt, vielleicht sollten wir wieder gehen.“

„Ja, das ist vielleicht besser.“ Und Link seufzte. Er überflog in seinen Gedanken kurz die letzten Ereignisse, die mit dem Mord des Hausmeisters begonnen hatten. Aber ja… die blutigen Fußspuren. Das Blut am Altar… „Zumindest könnte es sein, dass Hopfdingen bereits hier angegriffen wurde. Das würde das Blut erklären. Vielleicht hat er hier irgendetwas gesehen“, schlussfolgerte der Heroe und spürte, dass ihm in dem Augenblick auch noch der Schweiß auf die Stirn trat.

„Mmh, oder das Blut stammt von einem anderen Opfer…“, sprach Nicholas ehrfürchtig. Er wollte sich das, was in dieser Gruft geschehen war, nicht zu genau vorstellen, und sich nicht ausmalen, wer an dieser Schule sein Unwesen trieb.
 

Bemüht leise zu sein stapften die beiden wieder in Richtung Ausgang, als sich Links sechster Sinn wieder regte. Erneut zog er sein Schwert, war etwas unsicher und blinzelte mit seinen tiefblauen Augen durch die Finsternis. Aber es blieb ruhig, zu ruhig. Und diese Ruhe fühlte sich in Links Körper an wie tausend Nadelstiche. Er schluckte gezwungen, spürte etwas stechen in seiner linken Brusthälfte und hoffte, dass dieses Gefühl wieder verging. War dies nur die Aufregung, dachte er, oder war dies schon wieder seine komische Krankheit?

„Lass‘ uns schnell verschwinden“, murmelte Newhead und nahm seine Beine unter die Arme, dicht gefolgt von einem beunruhigten Link, der über diesen seltsamen Raum sicherlich noch länger nachdenken würde. Als sie wieder vor dem Zugang standen, drehte Link an dem Kaleidoskop und es war wie, als wuchs der Zugang mit der restlichen Umgebung zusammen. Zuerst bildete sich dort wo vorher die Wand war, eine Schicht aus durchsichtigem Gelee oder Wackelpudding und dann zimmerte eine verborgene Magie ein perfektes unauffälliges Bild einer Wand.
 

„Was machen wir jetzt deswegen?“, meinte Link und kratzte sich am Kinn, dann rieb er sich über seine warme Stirn. ,Auch das noch‘, dachte er. Bekam er jetzt wieder Fieber?

„Lass‘ uns das erst mal im Auge behalten“, sagte Nicholas. „Und vielleicht ist es gut, wenn wir das für uns behalten. Wenn wir Viktor davon berichten, würde er diese Sache ohnehin unter den Tisch kehren.“ Dem konnte Link nur zustimmen. „Und da Viktor der Direktor ist, müssten wir ihm zuerst Bericht erstatten.“

„Und das möchte keiner von uns beiden“, entgegnete Link mit einem erschöpften Blick. „Außerdem würde es die Schüler beunruhigen, oder einige der Jungs kämen auf den Dreh, sich die Sache persönlich anzuschauen.“

„Genau“, nickte der Lehrer. Dann kramte er jedoch in seiner Hosentasche herum und hielt dem verwunderten Link ein weißes Ritterschülerabzeichen unter die Nase.

„Was ist damit?“

„Das ist der erste Rang, den sich Ritterschüler verdienen können, und da du mir hiermit zur Hand gegangen bist und sehr engagiert bist, wird es Zeit, dass du diesen erhältst.“ Links Gesicht erhellte sich ein wenig, aber nicht so sehr, dass es Nicholas bestätigte. Er sah nur eine Form der Blässe in Links Gesicht und wie er müde dreinblickte. Freute er sich denn gar nicht darüber?

„Du gibst mir den ersten Rang, ehrlich?“, fragte er, bemüht sich von seinem Schwächeanfall nichts anmerken zu lassen.

„Jap, sag‘ einfach, du hast mir geholfen ein paar Wobbler für Übungszwecke einzufangen.“

„Bist du dir sicher?“

„Oder du sagst, der war dafür, dass du Viktor beinah geschlagen hättest.“

„Das ist aber nicht gerade fair den anderen gegenüber“, sprach der Heroe leise und lehnte sich an die Wand. ,Na prima‘, dachte er. Jetzt wurde auch sein Gesichtsfeld wieder verschwommener.

„Es war auch niemals fair, dass du ohne jede Belohnung genug Kämpfe auf dich genommen hast. Und es wäre nicht fair dich ohne Belohnung gehen zu lassen, wo du so gewissenhaft bist und grausame Dinge aufklären willst“, protestierte Schwindler und musterte seinen Schüler wieder. Link hatte keine Lust mit ihm zu diskutieren, fühlte sich gerade ohnehin nicht stark genug für eine solche Diskussion und nahm mit einem Danke den Rang an. Nicholas nickte. Und als Link vorwärts trat, und der Lehrer den edlen Blondschopf außer Reichweite stapfen sah, machte er sich etwas Sorgen um ihn. Noch vorhin schien alles in Ordnung zu sein, aber dann, von einer Sekunde auf die andere, wirkte der Junge erschöpft und abgekämpft. Nicholas schloss seine undefinierbaren, ernsten Augen. Er hoffte inständig, dass der einstige Held der Zeit zu seiner Stärke zurückfand und dann hätte er Ränge an der Ritterschule überhaupt nicht mehr nötig…
 

Hechelnd und mit hängenden Schultern öffnete Link die Tür zu seinem und Wills Zimmer. Er spürte einen Schmerz in seinem linken Arm allein durch die Anstrengung den Türgriff nach unten zu drücken. Ein Türöffnen hatte sich für ihn bisher noch nie so schwer angefühlt. Er ließ die Tür wieder ins Schloss fallen und stellte fest, dass er glücklicherweise alleine war. Er wollte nicht, dass Will einen weiteren seiner Anfälle miterlebte. Mit einem leeren Ausdruck in seinem fiebrig schimmernden, schweißbenetzten Gesicht stand der einstige Heroe da, lehnte sich dann sofort an die Tür hinter sich und schloss seine Augen. Er versuchte ruhig zu atmen, nicht panisch zu werden und überlegte, eine dritte silbrige Perle von Zeldas Heilmittel- er hatte auf dem Weg zu seinem Zimmer bereits zwei konsumiert- zu sich zu nehmen. Andererseits, so entschied er mit einem erzwungenen, bitteren Grinsen, hatten die beiden vorigen Male seinen gesundheitlichen Zustand auch nicht wesentlich verändert. Brauchte er mittlerweile mehr davon? Oder verlor das Heilmittel langsam seine Wirkung? Er seufzte gequält, verfiel dann in ein leichtes Wimmern. Konnte das nicht endlich aufhören? Diese Krankheit kostete seine ganze Kraft. Er spürte neben brennenden Augen, rasenden Herzschlägen auch diese unangenehmen Gefühle der Schmach wieder zunehmen. Wie sollte er jemals wieder er selbst sein, wenn diese unerklärlichen Attacken wieder schlimmer wurden?
 

Er presste die noch nicht verheilte Linke auf seine Brust, spürte den wohl teuersten Muskel in seinem Körper unregelmäßig stolpern. Er drückte dagegen und hoffte bloß, es würde sich wieder normalisieren. Aber stattdessen verschlimmerte sich dieses Gefühl und er konnte nicht mehr gleichmäßig atmen. Es war wie, als nahm ihm jemand die Luft, als drückte ihm jemand die Kehle zu. Er öffnete den Kragen seines weißen Hemdes mit klappernden Händen und atmete langsam und gezwungen. Als zog sich seine Lunge zusammen und ließ keinen Sauerstoff mehr hindurch, röchelte Link nach Luft und ein gequälter, morbider Laut entkam seinen Stimmbändern. Er blinzelte ein wenig und wunderte sich wie unscharf seine Umgebung mittlerweile war. Er konnte nicht einmal den Tisch, der beinah vor ihm stand, deutlich wahrnehmen. Ein weiteres erzwungenes Grinsen huschte über seine ansehnlichen Gesichtszüge. ,Das war es wohl‘, dachte er. ,So fühlte sich Schwäche und Gebrochen sein an. Sollte das alles gewesen sein? War das alles, was ihn noch ausmachte? Ein schwächlicher, jämmerlicher Kauz!‘ Die letzten Tage waren doch so hoffnungsvoll gewesen und so gut verlaufen. Er hatte nicht so oft daran gedacht, dass ein nächster Zusammenbruch geschehen würde. Er hatte versucht es von sich wegzuschieben. Und was war nun? Hatte er wahrlich gedacht, seine merkwürdige Krankheit war ausgestanden?
 

Er seufzte, spürte das Brennen in seinen Gliedern zunehmen und schwankte vorsichtig einen Schritt vorwärts. Der Schweiß perlte sich über seiner Stirn und lief hinab über seine Nasenspitze, bis er zu Boden tropfte. Selbst den Boden konnte er nicht wahrnehmen, es fühlte sich an, als stand er in Pudding. Sein Mund war halbgeöffnet um sich vielleicht noch zu artikulieren, sich selbst etwas zu sagen, vielleicht um sich anzuspornen. Beinah hätte er gesagt: ,Reiß dich zusammen.‘. Beinah hätte er nach jemandem gerufen, der ihm helfen könnte. Und beinah hätte er ,Zelda‘ gesagt…

Aber bevor nur eine Silbe aus seinem Mund entweichen konnte, sackte er auf seine schmerzenden Knie, hatte das Gefühl nicht mal mehr gehen zu können und brach gelähmt zusammen. Er hustete ein wenig, blinzelte und in seinen tiefblauen Augen war das Unverständnis für seine Situation und ein tiefer Schmerz am Aufflackern, bis sich seine Seelenspiegel schlossen und seine Atmung immer schwerer wurde…
 

Zelda sagte einst, schwache Menschen wären dies auch in ihren Träumen und in den Vorstellungen, die sie über Hyrule besaßen. Nur starke Wesen bestanden die Prüfungen dort, wo niemand sonst hinfinden konnte. Sie hatte Recht, jedes Wort von ihr, gesprochenen von ihrer reinen, angenehmen Stimme. Sie hatte Recht, so wie in vielen Momenten vorher. Und sie verstand es immer ihm die vielen Zweifel zu nehmen, die sein Titel Held der Zeit verlangte. Sie hatte so viel für ihn getan, er hatte so viel von alledem genossen, hatte sich immer auf seine Prinzessin verlassen. Sie lebte und erstarkte an ihrem eigenen göttlichen Wissen und vielleicht spürte sie genauso wie er selbst, dass seine Zeit in diesem Hyrule endete. Nein, er hatte keine Angst vor dem Tod. Und er fürchtete sich nicht vor dem Leiden, das sein Ende mit sich brachte. Es gehörte dazu, ebenso wie andere Dinge des Seins. Und vielleicht war es, dass erst der Tod ihm die Ruhe schenken und jenen inneren Frieden ermöglichen konnte, welchen er so ersehnte.
 

Es war auch in seinen Träumen, dass er mehr und mehr realisierte, wie unwichtig dieses Zeitalter Hyrules und mehr noch… wie unwichtig dieses Land im Lauf der Welten sein würde. Und wie vergänglich und klein sein eigenes Leben… Es war dort in den Träumen, dass er Schlachten sah, verbitterte Menschen, die mit erkauften Wünschen und falschen Sehnsüchten ihren Feinden die Köpfe abhackten. Er sah monströse Geschöpfe mit stählernen Rüstungen in den Winden gleitend und gefräßige Kreaturen sich aus dem Erdboden windend. Kämpfe vor seinen eigenen, tiefblauen, erschöpften Augen, während er unbewaffnet und kraftlos auf einem weitentfernten Hügel stand. Kämpfe mit Blut und Seelen bezahlt. Kämpfe einzig um ein Wort, leer und verräterisch, das man Frieden nannte…
 

Er hörte entsetzte Schreie, ein Klang von weitem, der ihn nicht mehr berührte. Der Wind, kühl und trocken, wirbelte auffordernd durch sein blondes Haar, aber er blieb ohnmächtig und lethargisch an seinem Punkt. Seine Aufgabe war es nur mehr zuzusehen, selbst wenn Blut und Schuld an seinen Händen klebten.

Feuer wütete auf den einst blühenden Wiesen Hyrules und die grausamsten und erbarmungslosesten Monster mit dicken Panzerungen und teuflischen Augen stürmten in seine Richtung. Doch niemand sah ihn. Auf wilden Pferden und riesigen, nackten Wölfen donnerten die schwer bewaffneten Monster über die Welt, stapften grob über den vibrierenden Erdboden, hinterließen ihre Fußspuren im kalten Matsch, während der Himmel weinte…

Die Zeit der Helden würde enden. Ein Gedanke, erschütternd aber unverwüstlich, erreichte den Heroen in seiner Erschöpfung und Leere. Eines Tages zogen noch dunklere Wolken über Hyrule und kein Held wäre zur Stelle um diesen Tag zu verhindern. Die Welt wandelte sich in ihrer eigenen Vergänglichkeit und Leere und die Zeit der Helden war vorüber. Und irgendwo auf den zerstörten Ebenen, wo die Dämonen Blutbäder anrichteten, flüsterte es grausam und tödlich…
 

,Heroe, leide, wenn sich die Zeiten teilen…

Leide, wenn sich die Welt vor den nähernden Stürmen verbeugt und es dein reines, sanftes Herz ist, das den Schmerz bekämpfen muss…

Heroe, es ist Zeit, einen nebligen, düsteren Pfad zu bestreiten und alles, was war hinter dir zu lassen… Leide, wenn das Ende kommt und du nicht mehr kämpfen musst… Leide und lächle…‘
 

Gerade in diesem Augenblick, wo Links schwere Gedanken ihn folterten, schreckte die schwarzhaarige Ariana Blacksmith aus ihrem Schlaf. Ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten durch das dunkle Zimmer, wo noch Kohlen in dem Kamin glühten und ein wenig Wärme in jene Finsternis schickte. Etwas unruhig drehte sie sich auf ihre andere Seite und sah auch ihre Zimmerkollegin Olindara Heagen sich knarrend in ihrem Bett bewegen. Sie waren beide früh schlafen gegangen, weil sie sich noch etwas schwach auf den Beinen fühlte und die rundliche Olindara sich ohnehin lieber in ihrem Zimmer verkroch. Ariana wusste nicht genau, was sie geweckt hatte. Sie beschlich lediglich ein ungutes Gefühl, als ob etwas schlimmes geschehen war oder dabei war zu geschehen. Sie schloss ihre kräftigen, leuchtenden Augen wieder und konnte sich aus ihrer momentanen Unruhe keinen Reim machen. Nach über fünf Minuten Schlaf, schreckte sie wieder zusammen und hatte das Gefühl, irgendetwas stimmte nicht und diesmal war das Gefühl noch stärker. Sie kniff die Augen zusammen, fluchte leise und richtete sich auf. Als die Decke von ihrem Oberkörper, der nur in ein weißes Leinennachthemd gehüllt war, rutschte, und sie die Kälte in dem Gemach spürte, schien eine weitere Attacke der Unruhe ihren Körper aufzuschrecken. Als ob sie vom Blitz getroffen wurde und dieser ihren ganzen Körper in auffordernde Schwingungen versetzte, hüpfte sie schließlich aus dem Bett, schlüpfte in ihre pelzigen, wärmenden Pantoffel, zog sich eine graue Kutte über, schnappte sich eine Öllampe und hetzt geplagt von einer heimlichen Sorge aus dem Raum.
 

Sie war eigentlich nicht der Typ, der sich ständig wegen irgendwelcher Belange zu viele Sorgen machte. Sie war nun mal die Tochter eines Schmieds und das hieß oftmals einfach die Dinge anzupacken, auch wenn ihr dabei eine ordentliche Portion Gehirnschmalz hilfreich war. Sie war eher der Praktiker, zumindest schätzte sie sich selbst so ein. Dass sie, wo sie nicht einmal ein Moblinangriff niederhauen konnte, nun so durcheinander und besorgt war, passte eigentlich nicht zu ihr. Und so tapste sie kopfschüttelnd einen hellgeschmückten Gang in der Mädchenschule entlang, huschte wie ein Geist still und heimlich mit ihrer Lichtquelle vorwärts und machte sich auf den Weg in die Ritterschule.
 

Sicherlich, es war bereits spät abends, dachte sie. Und der gleißende Mond stand weit am leicht bewölkten Himmel. Aber sie musste aus irgendeinem Grund nach Link schauen. Vielleicht, weil sie ihn mochte, oder auch, weil sie ihn seit Tagen nicht gesehen hatte. Sie zog ihre Kutte weiter zu, als eine eisige Brise des nahenden Winters über den Schulinnenhof zog. Sie sah noch einige Jungs, die mit Übungsschwertern trainierten, die sie etwas verwundert musterten, aber dann wieder ignorierten. ,Was interessierte die auch, ob ich so ein dämliches Nachkleid trage‘, dachte sie. ,Die sollten es sich wagen, mich anzusprechen.‘ Sie überquerte den Innenhof, sah einige Personen mit dunklen Kutten, die sie schnell wieder vernachlässigte; und sah gerade Will zusammen mit dem eitlen Artus McDawn und dem Schürzenjäger Robin Sorman durch den Haupteingang der Schule schlüpfen. Sie eilte schleunigst vorwärts um ihn noch zu erwischen.
 

„Will“, rief sie mehrmals, worauf sich dieser verwundert umblickte.

„Nanu, Ariana“, entgegnete er und musterte sie mit einem überraschten Grinsen. Er hatte noch nie ein Mädchen gesehen, dass sich traute in aller Öffentlichkeit in einem Nachthemd spazieren zu gehen. Das war ja mal eine Leistung, dachten die drei Jungspunde. Sie war etwas aus der Puste, als sie die Ritterschüler erreichte. „Ist Link gar nicht bei euch?“ Die drei Jugendlichen schüttelten allesamt den Kopf.

„Er sagte, dass er etwas zu erledigen hätte“, sprach Will klar. „Warum fragst du?“ Ihm entging scheinbar nicht, dass sie äußerst aufgeregt war.

„Können wir bitte nach ihm sehen?“

„Warum?“, meinte Will verdutzt.

„Darum“, entgegnete sie. Aber der hochgewachsene, neugierige Laundry war mit dieser Aussage nicht wirklich zufrieden. Und auch die anderen beiden Jungs schienen sehr erpicht darauf zu sein, was ein Mädchen in einem Nachthemd in der Späte der Nacht von einem der Ritterschüler wollte. Natürlich hatten Robin und Artus bereits andere Vermutungen und grinsten schelmisch. Man konnte es ihnen nicht übel nehmen. Es war ja auch etwas verdächtig einen Jungen zu besuchen mit nichts als einem Nachthemd an.
 

„Ich weiß nicht, wo Link ist. Wir könnten ihn suchen gehen, wenn du mir sagst, was du von ihm willst“, sprach Will und ließ nicht locker.

„Ja, genau“, lachte Robin mit roten Wangenbäckchen. „Uns kannst du ruhig sagen, warum du so sehr darauf bestehst zu erfahren, wo dein lieber Link ist.“ Ariana war nicht auf den Kopf gefallen und sie wusste sehr wohl nach was ihr Auftritt aussehen mochte. Sie antwortete nicht und schenkte Robin Sorman einen bitteren Blick, der ihn automatisch zurückschrecken ließ. „Was mischst du dich eigentlich ein, du Casanova?“ Und damit schwieg er.

Will kam sich derweil immer unbeholfener vor, weil er keine Ahnung hatte, was eigentlich das Problem war. „Nun sag‘ schon“, versuchte er zu schlichten. „Es kann ja nicht so schlimm sein, dass du mir sagst, warum du gerade jetzt Link sehen willst.“
 

Angriffslustig glühten Arianas Augen beinah auf. „Bei Nayru, William Laundry, ich habe keine Lust und keine Zeit dir das zu erklären.“ Und damit grabschte sie den mittlerweile unsicheren William an seinem Arm und grub ihre Fingernägel so tief in seine Haut, dass er aufkreischte.

„Das tut weh.“

„Ja, das soll es auch! Es reicht mir jetzt mit deinem überheblichen, besserwisserischen Getue. Bring‘ mich in dein und Links Zimmer!“

Er fluchte und kreischte, ließ sich aber dann überzeugen und lief mit einem etwas flehenden Gesichtsausdruck gemeinsam mit der Schmiedtochter vorwärts. Artus und Robin schauten nur verdattert drein. Sie hatten noch nie ein Mädchen erlebt, dass es sich wagte, ihren Kopf mit derartigen Mitteln durchzusetzen.
 

Als sie beide in das Zimmer traten, bestätigte sich Arianas Unruhe und auch Will war froh, dass er sich von der eifrigen, sturen Ariana so schnell überzeugen hatte lassen. Link lag ohnmächtig, mit schweren Atemzügen und Fieber auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Ariana stiegen beinah die Tränen in die Augen, als sie ihn entdeckte. Während Will etwas hilflos an der Tür stand, eilte das schwarzhaarige Mädchen zu dem unerkannten Heroen, ließ sich einfach fallen und zog Link in ihre Arme.

„Link“, sprach sie leise, sie streichelte über sein Gesicht, rüttelte ihn dann sanft und versuchte ihn irgendwie aufzuwecken, als sie aber sehr schnell einsah, dass er sich nicht wecken ließ. Sie hielt eine Hand auf seine nasse, glühende Stirn und verstand sofort, was mit ihm los war. Will war zu schockiert um etwas zu tun und staunte nur, dass die merkwürdige Schülerin von Madame Morganiells Akademie ganz genau wusste, was sie tun musste. Sie durchwühlte seine Gürteltasche nach den ,Tränen der Nayru‘ und fand das Heilmittel ziemlich schnell. Sie legte Links Kopf in ihren Schoss, öffnete seinen Mund mit ihren Fingerspitzen und ließ eine silbrig glitzernde Perle von dem Gefäß in seinen Mund wandern. Aber es passierte nichts. Das Fieber klang nicht ab und Link rührte sich weiterhin nicht. Den Tränen nahe blickte sie zu Will, der nicht wusste, was zu tun war und wie gelähmt noch nicht einmal in den Raum eingetreten war.

„Link…“, murmelte sie leise und streichelte noch einmal über sein Gesicht. „Bitte… bitte wach‘ auf… hey…“ Und es war wie, als verwandelte sich die immer so gefasste und stolze Ariana ein bisschen vor Wills Antlitz. Er trat endlich in das kühle Zimmer ein, kniete ebenfalls nieder und sah die Tränen in Arianas Gesicht. Von ihren bernsteinfarbenen Augen fielen mehrere kristallene Tränen. Will konnte nicht verstehen, warum sie weinte und was überhaupt in sie gefahren war. Erst machte sie dieses Theater, dass sie so schnell wie möglich nach Link sehen mussten und nun weinte sie sich die Augen aus, nur weil er Fieber hatte und bewusstlos war. ,Jeder war mal krank‘, dachte der Laundry.
 

Sie schluchzte, umarmte den Bewusstlosen dann und murmelte irgendetwas, das Will nicht verstand. Sie wippte den Fünfzehnjährigen in ihren Armen auf und ab, weinte immer noch und schien völlig über zu reagieren.

„Ariana“, sprach Will dann und war sich bewusst, dass er jetzt die Rolle desjenigen, der klar dachte, übernehmen musste. Er legte eine Hand auf ihre Schulter, bis sie mit ihrem roten, verweinten Gesicht aufblickte und sprach ernüchternd: „Hey, Link wird schon wieder. Wir sollten ihn zunächst mal in sein Bett legen.“ Sie blickte ihm konfus entgegen, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und nickte. Ariana löste den Riemen seines Schwertes und Will zog ihm die Stiefel von den Füßen. Gemeinsam schleiften sie den ohnmächtigen Heroen in sein Bett. Ariana setzte sich kummervoll an die Bettkante.

„Meinst du, ich sollte einem Lehrer Bescheid geben?“, meinte Will dann und hoffte Ariana hatte sich wieder einigermaßen gefangen.

„Ich weiß nicht“, sprach sie leise, nahm seine linke Hand in ihre und zog den Handschuh vorsichtig herunter. Die Wunde an seiner linken Hand sah ziemlich übel aus. Noch etwas, was dem schönen Mädchen gerade überhaupt nicht gefiel. Sie sah aus den Augenwinkeln zu Will und achtete darauf, dass jener das Fragment des Mutes nicht entdeckte. Sie zog ihm den Handschuh wieder darüber.

„Woher hat er die Wunde an seiner linken Hand?“, fragte sie.

„Hast du das nicht gehört? Er wurde angegriffen bei der Testung unseres Mutes…“, erklärte Will.

„Verstehe“, entgegnete sie. Auch bei dieser Wunde schienen die Tränen der Nayru nicht zu helfen. „Wenn das Heilmittel nicht wirkt…“, begann sie und versuchte sich zu fangen. Vielleicht waren die letzten Tage doch zu viel für sie, dass sie jetzt so überreagiert hatte. Obwohl sie dachte, es wäre soweit alles okay. Hatte sie sich nicht vorhin noch damit gebrüstet, dass sie nicht einmal ein Moblinangriff aus den Latschen hauen konnte und dann hatte ihr Links Anblick einen so heftigen Stich versetzt, dass sie dachte, es wäre alles aus.
 

Sie atmete tief ein, drückte Links Hand gegen ihr Gesicht und sprach gefasster: „Das das Mittel nicht mehr wirkt, ist merkwürdig. Normalerweise sollten die ,Tränen der Nayru‘ nicht abhängig machen oder die Wirkung verlieren. Dann braucht Link eben etwas anderes. Einer der Lehrkräfte und selbst Eliza McDawn, unsere Krankenschwester, können ihm im Augenblick auch nicht helfen.“

„Und was können wir dann noch tun?“, sagte Will deutlich besorgt.

Ariana deckte den kränkelnden Link mit einer Decke zu, rieb sich ihre Stirn, schaute dann von Will zu Links Schrank und hatte eine weitere Idee. Hastig riss sie die Schranktür auf, durchwühlte den Kram, den Link angesammelt hatte und entdeckte eine leere Flasche, die ein wenig glitzerte. Sie öffnete den Verschluss, steckte ihre zierlichen Finger hinein, die dann ebenfalls glitzerten.

„Was ist damit?“, murmelte Will. „Das sieht irgendwie schön und wärmend aus.“

„Das ist Feenstaub“, erklärte sie. „Link hatte früher oftmals Hilfe durch Feen, wenn er Wunden aus den Kämpfen…“ Sie versuchte sich nicht zu verplappern. „… wenn er Wunden hatte“, schloss sie ab. Sie blickte auf, aber sah das Misstrauen in Wills spitzfindigen, neugierigen, grünen Augen auflodern.

„Irgendjemand muss bei Link bleiben. Ich mache mich auf den Weg zu einer Feenquelle“, sprach sie entschieden. Sie redete, als wäre dies eine Selbstverständlichkeit. Und das um diese Uhrzeit, hatte sie den Verstand verloren? Dachte sie tatsächlich, dass es nicht auffiel, wenn sich ein Mädchen aus der Schule nachts irgendwo herumschlich? Und dachte sie tatsächlich, sie würde allein in der Dunkelheit irgendwo auf eine Feenquelle stoßen? Will fiel auf die Bemerkung beinah aus den Wolken.
 

„Zu einer Feenquelle? Ist das dein Ernst?“, platzte es aus ihm heraus.

„Ja, das ist es“, sprach sie stur. Sie schloss ihre Augen, neigte ihr Haupt seitwärts und legte eine Hand auf ihr Herz.

„Ariana“, versuchte er zu argumentieren. „Ich bin sicherlich nicht die Person, die dir diese aberwitzige Unternehmung verbieten sollte, aber hör‘ dir doch mal zu, was du da sagst! Wie willst du nachts so eine Quelle finden? Und was ist, wenn du angegriffen wirst? Was, wenn man dich von der Schule schmeißt, wenn das rauskommt!“

Sie grinste halbherzig. „Das sind nun wahrlich meine geringsten Probleme“, sprach sie gewieft.

„Aber du kannst nicht einfach alleine…“

Sie unterbrach ihn scharf. „Will!“

Er stolperte angesichts ihres harten Tonfalls einige Schritte rückwärts.

„Link braucht jetzt eine Fee, die ihn auf die Beine bringt. Und ich bin die einzige, die das für ihn erledigen kann“, erklärte sie. „Ich kann nicht tatenlos zusehen, wie er sich quält…“, setzte sie leiser hinzu.

„Aber wenn man bemerkt, dass du verschwunden bist, dann fliegst du von der Schule!“ Will kam wieder mit den gleichen Argumenten, sodass in Ariana langsam das Fass überquellte.

„Jetzt sag‘ mir, verdammt nochmal, nicht, was ich zu tun habe, William Laundry. Ich bin kein kleines, hilfebedürftiges Prinzeschen, auf das man aufpassen muss. Du hast absolut überhaupt keine Ahnung! Ich werde mir ein Pferd schnappen, eine Feenquelle suchen und finden, die Feen um Hilfe bitten und dann wieder hierher reiten, ob es dir nun passt, oder nicht!“ Sie brüllte inzwischen, sodass es vielleicht auch die Leute außerhalb des Ganges hören konnten. Wills grüne Augen drückten nur einen Bruchteil der Fassungslosigkeit aus, die er spürte. War das eigentlich noch normal, fragte er sich. Da steckte doch bestimmt mehr dahinter. Es musste einen Grund geben, dass Ariana sich in diese hysterische Xanthippe verwandelte, wenn es um Link ging.
 

Sie pustete die Luft aus ihren Lungen durch die Nase aus, wie ein Stier, der gleich auf einen Feind losgehen wollte. Sie warf Will einen gehässigen, einschüchternden Blick entgegen. Sie schlüpfte in eine beige Hose, die sie in Links Schrank fand. Dann nahm sie sich auch noch einen Gürtel aus seinem Schrank, zog damit die etwas zu große Hose fest und band Links neues Schwert an ihre Hüfte. Sie nahm sich einen Dolch aus Links Schrank, zerschnitt damit das überlange Nachthemd und schnallte diesen an ihrem rechten Bein fest. Will wurde immer nervöser, als er zusah, wie sich Ariana an Links Sachen bediente und sich aus einem scheinbar unschuldigen Mädchen in eine Kriegerin verwandelte. Was, zum Teufel, bildete sie sich eigentlich auf sich selbst ein? Sie verband ihre Haare zu einem Zopf, versteckte diese unter der Kutte und zog diese fester zu. Und zu guter Letzt zog sie sich auch noch Links Stiefel über die Füße, sodass sie beinah so aussah wie ein Junge. Himmel, dachte Will, hoffentlich machte Link kein Theater, wenn er aufwachte und sah, dass seine Kleidung verschwunden war. Dann tapste Ariana mit der leeren Flasche in der Hand zu der Zimmertür, als Will sie noch einmal aufhielt.
 

„Warum ist dir Link eigentlich so wichtig?“, meinte der Laundry und blickte ebenfalls in das kreidebleiche Gesicht seines Freundes. Und es war dann, dass Ariana endlich wieder ruhiger wurde. „Wenn ich ehrlich bin, ich habe absolut keine Ahnung. Ich weiß in letzter Zeit manchmal nicht, was mit mir los ist… Bitte bleib‘ bei Link“, bat sie und trat dann tapfer aus dem Raum.
 

Wills grüne, scharfe Augen blickten etwas erleichtert durch die trübe Glasscheibe, als er Ariana auf einem der Pferde durch das Tor reiten sah. Er wünschte ihr Glück und drehte seinen Schädel zu dem ruhenden Link, der irgendwie noch schlechter aussah als vorhin. Auch er setzte sich kurz an die Bettkante und murmelte: „Du hast echt Glück mit deinen Freunden, ich wette, das weißt du gar nicht…“ Wie Recht Will in diesem Moment hatte, wusste er aber auch nicht…
 

Ariana ritt derweil geschwind durch die eisigkalte Nacht. Ab und an schlugen ihr beißende Regentropfen ins Gesicht, aber es blieb zum Glück bei einem kurzen Schauer. Sie wusste, wohin sie reiten musste, zumal sie sich in der Provinz Lanayru sehr gut auskannte. Sie war immerhin hier geboren worden, sagte sie sich. Sie erinnerte sich kurz daran, was der Stallbursche für ein Gesicht gemacht hatte, als sie sagte, sie habe die Erlaubnis von einem der Lehrer sich ein Pferd zu nehmen und eine kurze Besorgung zu machen. Sie hatte ihm einen selbstgeschriebenen Zettel unter die Nase gehalten und die Schrift des Direktors so gut es ging gefälscht. Sie hatte schließlich mehr als einmal in wichtigen Dokumenten an der Mädchenschule herumgeschnüffelt und damit auch Viktors Unterschrift gesehen. Die waren doch alle selbst daran schuld, dass sie einer Ariana Blacksmith nicht besser auf die Finger schauten. Und der unerfahrene, gutgläubige Stallbursche hatte ihr ohne zu fragen diesen Schimmel zur Verfügung gestellt. Es war ein braves und schönes Tier, das ohne Zicken ihren Befehlen folgte und sie hatte das arme Tier inzwischen schon viel zu sehr gefordert.
 

Sie stoppte das prächtige Ross kurz, blickte durch die Stille der Nacht, die nur vom Rauschen des Windes getrübt wurde und orientierte sich. Sie erhob sich auf einem der grünen Hügel und war in der Nähe einer alten Ruine, die einst einer vergessenen Ritterfamilie gehörte. Von jener Feste allerdings waren nur noch wenige Steine übrig. Sie war vor einigen Tagen mit Link und Will schon einmal hier. Das kühle Mondlicht hüllte die Landstriche in märchenhafte Gebilde. Und von hier aus konnte man die schattigen Ebenen der gigantischen Steppe Hyrules beobachten, die wie Wellen in der Weite untergingen. Nicht weit entfernt war Lyriellen, eine kleine Stadt, in der die Schüler bei so mancher Gelegenheit einige Besorgungen machen konnten. Von hier aus sah sie die Lichter der vielen Häuser. Ein Schein, der sie beruhigte. Sie striegelte die Mähne des prachtvollen Pferdes und flüsterte alte hylianische Formeln, die Geschöpfe jeder Rasse gnädig stimmen konnten und bedankte sich bei dem Wesen. Es wieherte gesund und erfreut, was auch der eigenwilligen Ariana ein Lächeln auf das Gesicht zauberte.

„Wir haben es bald geschafft, ich danke dir“, sprach sie leise.
 

Sie ritt weiter, ohne den Hauch von Erschöpfung durch die eisige Nacht und erreichte nach einer halben Stunde eine Schlucht, die zwischen zwei steilen Felsen hindurchführte. Ehrfürchtig reckte die tapfere Reiterin ihren mutigen Kopf in die Höhe und sah nur einen schmalen Spalt, der überhaupt noch Licht in diese Gefilde schickte. Sie hüpfte von dem treuen Pferd, nahm die Zügel und führte das Getier vorsichtig durch die enge Gasse zwischen den Felsen. Sie hatte einmal mehr ihre Öllampe in der anderen Hand und leuchtete umher, bedacht eine anbrechende Nervosität und Angst nicht siegen zu lassen. Das spärliche Licht der Lampe warf nur einen kleinen Kreis Helligkeit umher, sodass das Mädchen einen möglichen Feind oder wilde Tiere nicht sofort entdecken würde. Als der Hengst heftig zu wiehern begann und unruhig wurde, ahnte Ariana, dass sich in der Schlucht sicherlich irgendwelche Raubtiere aufhielten. Sie streichelte dem Hengst über den schmalen, langen Kopf und meinte leise: „Das geht schon… wir sind vielleicht nicht allein, aber das wird schon…“ Sie versuchte sich selbst Mut zu machen und tapste mit etwas schlotternden Knien vorwärts. Sie erinnerte sich, welches Ziel sie hatte, wie wichtig es ihr war, Link zu helfen. Und dieser Gedanke machte ihr Mut, auch wenn sie tief in ihrem Inneren überhaupt nicht wusste, warum sie das alles tat…

Auch das Pferd wurde wieder ruhiger, was die Schülerin ebenfalls entspannte.
 

Zielstrebig marschierte Ariana in der Dunkelheit vorwärts, bis sie die Schlucht passiert hatte. Und es war dann, dass sie sich auf einer moosigen Lichtung wiederfand und jene Schneise von dem Mond auf eine märchenhafte, sanfte Weise erhellt wurde. Das Laub alter Bäume raschelte sanft und summte ein andächtiges Lied, als der moosige Untergrund von plätschernden Wasser teilweise überflutet wurde. Ein magisches Treiben, das Arianas Augen zum Funkeln brachte. Ihre Stiefel wurden von dem reinen Quellwasser ganz vorsichtig umspült, Wasser, das glitzerte und funkelte, weil Feen es reinigten…

Das Mädchen lächelte und kniete nieder, störte sich nicht an dem reinen Gut, das ihre Beine nass werden ließ. Es war warm und reinigend, floss über ihre Haut, sänftigte auch ihre Seele und wusch schlechte Gefühle und Gedanken hinweg.
 

„Edles Herz, das du unsere Hilfe ersuchst…“, flüsterte es, sodass Ariana aufsprang und den Ursprung des angenehmen, verzaubernden Flüstern suchte. Es war eine hohe Stimme, die barmherzig und verführend sang.

„Nenne uns deinen Wunsch und wir werden ihn dir erfüllen. Du bist nicht aus niederen Wünschen zu uns gelangt. Was ist dein Begehr?“

Die bernsteinfarbenen Augen in Arianas blassem Gesicht blickten suchend umher, bis sich aus dem raschelnden Blätterdach der Bäume ein Geschöpf von unglaublicher Schönheit und Stärke preisgab. Ein Zauber lag auf den Bäumen, die vor dem unsterblichen Wesen, das diesen Ort hütete, zurückwichen und ihre knorrigen Gestalten veränderten.

Es war eine alte Fee mit silbernem Haar und einer schmalen Gestalt. Sie schmückte ihren Körper mit weißen Blütenblättern und schillerte mit goldenen Augen zu dem Mädchen, das ihre Hilfe suchte. Und Ariana verbeugte sich wieder, gehorsam und untertänig. Sie war vielleicht ein Wildfang, aber sie wusste um die Macht unsterblicher Wesen und sie würde sich gegenüber einem solchen Wunderwerk der Natur nicht wie ein Raufbold benehmen.
 

„Ich ersuche Hilfe für meinen Freund… eine ungewisse, bösartige Krankheit quält ihn seit Wochen“, erklärte sie leise und schloss ihre Augen. Und es war dann, dass die menschengroße Fee näher trat und mit ihrer schmalen kühlen Hand das spitze Kinn Arianas berührte, sodass die Schmiedtochter aufsah.

„Es ist der Held der Zeit, der Hilfe benötigt, nicht wahr?“, murmelte die Fee anmutig und streichelte mit den Fingerspitzen ihrer anderen Hand über Arianas Gesicht. Das Mädchen war über die Aussage der Fee nicht einmal überrascht, so sahen Unsterbliche doch viel öfter gerade das, was Hylianeraugen nicht ertrugen.

„Da ist ein schönes Wesen in dir, unglaublich stark und rechtschaffen“, sprach die Fee lispelnd.

„Du sollst unsere Hilfe erhalten“, entgegnete sie. „Aber zuerst erkläre dich.“ Und damit schwebte die Unsterbliche einige Meter zurück und deutete Ariana an sich zu erheben.

„Ich danke Euch“, sprach das Mädchen und erhob sich mit einem tiefen Atemzug. „Der Held der Zeit leidet seit einiger Zeit an einer unerklärlichen Krankheit… man schenkte ihm die ,Tränen der Nayru‘, die ihm helfen sollten gesund zu werden. Nur scheint die Wirkung nachgelassen zu haben, da es keinen Effekt mehr hatte. Er ist jetzt bewusstlos, findet kaum zu sich…“ Ihre bernsteinfarbenen Seelenspiegel schlossen sich.
 

„Das ist leicht zu erklären…“, entgegnete die Fee, nahm mit ihren schmalen langen Fingern eine sonderbare Gebetshaltung ein. „Weil es keine Krankheit ist, zumindest keine wirkliche, unter der er leidet… Das, was den Heroen befiel und seine Kräfte raubt, ist ein Fluch. Nur deshalb können ihm die ,Tränen der Nayru‘ nicht auf Dauer helfen. Denn jenes mächtige Heilmittel, gewonnen aus den Giftzähnen der Shiekahtiger, verliert niemals seine Wirkung.“

„Ein Fluch?“, sprach das Mädchen laut. „Link leidet tatsächlich unter einem Fluch?“ Angestachelt durch neuen Ehrgeiz und Tatendrang fragte sie weiter. „Wie kann er den Fluch brechen? Oder wie kann ich den Fluch brechen?“

Doch darauf senkte die Fee ihr Haupt. Ihr gläsernes, unglaublich zerbrechlich wirkendes Gesicht wurde grämlich. „Der Fluch kann nicht gebrochen werden, edles Herz.“

„Was soll das heißen?“, rief die Fünfzehnjährige erschrocken.

„Das ist es, was du lernen musst zu ertragen, mächtige Seele. Nicht alles kann geheilt oder verändert werden. Viele Dinge in Hyrule unterliegen einem noch größeren Gesetz als du es erahnen kannst. Der Held, derjenige mit der unzerstörbaren Seele, hat ebenfalls einen wunden Punkt, den du nicht sehen wolltest.“

Scheu wich das Mädchen zurück und ihre kühle und vernunftgesteuerte Maskerade fiel. „Du hast ein mildtätiges Wesen, nein, magisches Wesen, aber auch die Götter Hyrules, haben ihren blinden Fleck. Lerne zu verstehen und zu ertragen, dass es an der Zeit ist, auch einmal zu verlieren.“

Und von Arianas Augen tropften nun zum zweiten Mal in dieser Nacht Tränen. Sie konnte kaum verstehen, was die Fee ihr sagte, konnte es nicht an sich heranlassen, und doch war da ein Teil in ihr, der dies alles verstand…
 

„Bewahre deine Hoffnung“, murmelte die Fee weiterhin, schwebte noch einmal zu dem Mädchen hinüber und umarmte sie, beinah mütterlich, aber tröstend. Sie flüsterte mit ihrer weichen Stimme: „Ich kann seinen Fluch nicht heilen, aber durchaus bewirken, dass er auf die Beine kommt.“ Und aus dem Schatten der Bäume flog eine winzige Fee, etwas dicklich und mit hochrotem Kopf und rostrotem Haar.

„Ich werde dir Saytiria, meine treue Dienerin zur Seite stellen. Sie wird die Tränen der Nayru durch einen Tropfen ihres Blutes ergänzen… aber auch es wird den Fluch nicht besiegen, den Heroen nicht heilen… Sehr bald wirst du das alles verstehen können…“

„Danke“, sagte Ariana noch einmal und öffnete ihre Hand für die Fee Saytiria, die dann dort Platz nahm. Sie verhielt sich stumm, blickte die Hylianerin mit verwunderten Augen an. Und es war dann, dass Ariana etwas eilig durch das Wasser trat, und auf ihr Ross aufstieg. Sie wollte keine Zeit mehr verlieren und mit der Fee zu der Ritterschule zurückkehren. Aber bevor sie den Ort verließ, hörte sie die Fee noch einmal sprechen. „Und, Ariana“, sagte sie. „Es gibt noch etwas anderes, das den Heroen auf die Beine bringt. Das kannst nur du ihm geben…“ Sie lächelte schwach, verstand und ritt eilig davon…
 

Als Ariana mit der glitzernden Fee auf ihrer Schulter in das unbeleuchtete Zimmer von William und Link eintrat, war der schlanke, hochgewachsene Laundry an der Bettkante bei Link eingeschlafen. Sie weckte ihn auffordernd, worauf seine smaragdgrünen Augen zunächst zu Arianas erschöpften Gesicht und dann zu der Fee mit dem rostroten Lockenkopf wanderten. Er fiel hintenüber und begaffte das kleine Wesen entsetzt. Aber auch dadurch sprach die kleine Fee kein einziges Wort. Wortlos wühlte die Schwarzhaarige nach dem Heilmittel in Links Taschen und als sie es fand, hielt sie es der kleinen Fee hin. Jene lächelte sanft, aber sprach wieder kein einziges Wort. Sie hielt ihre zierlichen Arme über die Öffnung des gläsernen Fläschchens und schnitt mit einem winzigen Dolch, der aussah wie eine kleine Nadel, in ihre reine Haut. Ein großer Tropfen rostfarbenes, golden- fleckiges Blut tropfte in die Ampulle. Und als es sich mit den Tränen der Nayru vermischte, färbte sich die Flüssigkeit weder rostfarben, noch silbern, sondern wurde schwarz wie Pech. Die Fee nickte, klatschte in ihre Hände und verschwand mit einem Knall und feinem Feenstaub, der zurückblieb. Will war noch nicht einmal richtig wach, und war noch zu müde um seine sonst so neugierigen Fragen zu stellen und sah dümmlich drein, als Ariana das kleine Gefäß ein weiteres Mal an Links Lippen setzte. Die Wirkung setzte sofort ein. Die Blässe in Links Gesicht verschwand, seine Atmung wurde regelmäßig und er seufzte. Seine angespannten Gesichtsmuskeln lösten sich und er bewegte seinen Kopf ein wenig.
 

„Den Göttinnen sei Dank“, murmelte Ariana, fühlte Links Stirn und stellte beruhigt fest, dass auch das Fieber verschwand. Erst jetzt spürte sie, wie auch über ihre Schultern eine gewaltige Müdigkeit fiel. Sie blickte auf Wills merkwürdige Kuckucksuhr und schüttelte entnervt den Schädel, da es schon beinah Morgens war.

„Ist jetzt alles okay?“, sprach Will und drehte seinen Schädel zu der erschöpften Ariana. Sie neigte ihr Haupt, schloss die Augen und log: „Ja… es ist alles wieder in Ordnung… alles…“ Aber nichts war okay. Wenn sie den Worten der Fee glauben sollte, dann würde Link vielleicht wirklich niemals wieder der Held sein, der er einst war…

„Du solltest etwas schlafen, Ariana“, meinte Will dann und tapste zu seinem Bett. „Du kannst es dir gerne auf dem Kanapee gemütlich machen. Ich hab‘ nichts dagegen und reden können wir ja morgen.“ Er stieg in sein Bett, murmelte noch ein Gutenacht über seine blassen Lippen und war eingeschlafen. Ariana aber blieb nachdenklich an der Bettkante sitzen, träumte und verlor sich in stillen Zufluchten…

Kapitel 31
 


 

Und als einer der einzigartigen Helden Hyrules langsam aus einem qualvollen Schlaf erwachte, sein Bewusstsein wieder arbeitete, war es noch sehr früh am Morgen. Er hatte schlecht geträumt, konnte sich aber nur noch an Blut und einen kläglichen Gesang erinnern. Er verdrängte die Bilder regelrecht. Denn manche Bilder in seinen Gedanken waren inzwischen so grausam und gewaltig, dass er sie nicht einmal erinnern wollte…

Schwaches, graues Dämmerlicht fiel durch die leicht verstaubten Glasscheiben der Fenster. Und das milchig weiße, trübe Licht benetzte in mehreren Strahlen den Innenraum, fiel über den Boden, über das rote Kanapee und auch über Links Bettdecke. Mit der linken Hand wischte der Heroe über sein Gesicht, über die trockenen Lippen und durch das leicht fettige, dunkelblonde Haar. Ihm war etwas mulmig, und er brauchte eine Weile sich darauf zu besinnen, wer er war, was geschehen war und wo er sich befand. Manchmal morgens ging seine Seele auf Reisen, vielleicht zurück in eine Zeit, an die er sich kaum erinnern konnte. Und manchmal brauchte eine hylianische Seele viel zu lange zurück in die Realität zu finden.

Er blinzelte und beobachtete dann die feinen, fast magischen Lichtspiele in dem Zimmer. Durch die vielen Staubkörner in der Luft wirkte es fast so, als tanzte etwas in den Lichtstrahlen, als funkelte das Licht. Er richtete sich ein wenig auf, sodass das Bett knarrte und lehnte sich mit seinem Rücken an das Bettende. Eine sonderbare Form von Ruhe und Melancholie war in seinen Seelenspiegeln verborgen und es würde einen Beobachter dazu bringen, sich zu fragen, ob der Heroe tatsächlich verstanden hatte…
 

Ja, vielleicht hatte er das. Der Zusammenbruch von gestern, ja er erinnerte sich, und die merkwürdigen Träume, in denen er unbeteiligt und schattenhaft teilnahm, geisterten durch seine Gehirnwindungen. Er war unglaublich ruhig und lächelte mit einer Traurigkeit durch den Raum, weil er verstanden hatte. Er musste allmählich begreifen, dass seine Zeit in Hyrule endete. Es war keine Einbildung, kein dummer Gedanke, der da durch seinen Kopf wanderte und es war kein kindischer Versuch vor Verantwortung und Herausforderungen wegzulaufen. Link spürte, dass seine Krankheit nicht mehr verging. Er spürte, dass sein Daseinsgrund erfüllt war und dies war der Grund, weshalb er nun mit dieser seltsamen Form der Ruhe hier lag…
 

Er seufze, legte seine Hände auf die Brust und fühlte den Schmerz von gestern Abend abklingen, auch wenn er wusste, dass diese Qualen wiederkamen, solange wieder kamen, bis er es nicht mehr aushielt…
 

Als er sich seine linke Hand betrachtete, erschrak er aber ein wenig. Wo war sein Handschuh? Und wo war der Verband? Er drehte seine Hand in der Luft und war noch verwunderter, als er feststellte, dass die magische Wunde endgültig verheilt war. Nanu? Vielleicht war doch irgendetwas geschehen, dass er nicht wusste. Mit der Rechten fuhr er verträumt über seinen Handrücken, lief mit den Fingerspitzen das Fragment entlang und plumpste aus seinem Bett, als das Fragment, nach so langer Zeit und das entsetzte ihn noch mehr als seine komische Krankheit, auf eine fast erschreckende, gleißend weiße Art zu Leuchten begann. ,Ich fass‘ es nicht‘, dachte er und schluckte die Spucke in seinem Mund zwanghaft herunter. ,Das kann doch nicht sein!‘, protestierte er in Gedanken. Das Fragment hatte sich seit Ewigkeiten nicht mehr auf diese Weise gezeigt. Es reagierte nur in Zeldas Nähe so… Was war hier passiert? Sicherlich hatte er es in den letzten Tagen eingesetzt, es hatte auch geleuchtet, aber niemals so hell. Er krabbelte vorsichtig zurück, spürte, wie weh ihm allein bei dieser Handlung seine Glieder taten und kniff die Augen schmerzverzerrt zusammen. Er atmete tief und genießend ein und ließ seine Augen ganz lange auf dem Fragment verweilen, bis er jene wieder zudrückte…
 

Er bemerkte zuerst nicht, dass Will sich ebenfalls in dem Zimmer aufhielt. Und er bemerkte nicht, dass eine schlanke Gestalt mit einer Metallschüssel warmen Wassers auf den Armen leise in den Raum trat. Sie stellte die Schüssel auf den Tisch in der Mitte des Bereichs und legte einen teilweise verschmutzten, grauen Mantel ab. Und honigblondes, langes Haar fiel in jenem Moment aus einem Zopf ihren schmalen Rücken hinab. Sie war gekleidet in einem weißen, etwas zerrütteten Nachthemd und drehte ihr Antlitz dann in Links Richtung. Just in dem Moment blinzelte er wieder, vielleicht weil er nicht schlafen konnte und sah sie dann, zart und magisch, zwischen den trüben Lichtstrahlen, stehen. Seine tiefblauen Augen sahen wie gelähmt in ihre Richtung, weil er es nicht begreifen konnte. ,War sie es wirklich‘, fragte er sich und fragte sich außerdem, ob er vielleicht noch träumte.
 

Aber auf nackten Sohlen, zerbrechlich, in einem kurzen Nachtkleid, ein wenig ratlos und irgendwie erschöpft wirkend, stand in der Zimmermitte das wohl schönste und angenehmste Wesen Hyrules für Link. Er blinzelte wieder, wollte etwas sagen, aber hatte zu viel Ehrfurcht vor diesem magischen Moment, vielleicht weil er dachte, es war nur ein Wunschtraum und vielleicht weil er Angst hatte, dass sie nur eine Sinnestäuschung war. Ja, er hatte eine unglaubliche Angst, dass sie sich mittlerweile von ihm abgewandt hatte. Und dieser Gedanke hatte weh getan, sehr weh…

Ein wenig schüchtern wanderten seine meerblauen Seelenspiegel, aber auch mit einer irrsinnigen Sehnsucht, von ihrem Nachtgewand zu ihrem reinen Gesicht, wo Besorgnis, aber auch ein Lächeln stand. Ein geruhsames, verzauberndes Lächeln, das ihm jegliche Anspannung der letzten Tage nahm. Und seit langem blickte er endlich wieder in ihre himmelblauen Augen, war so dankbar, dass er diese noch einmal erblicken konnte, auch wenn es ein letztes Mal wäre. Sie sagte kein Wort, machte eine öffnende Armbewegung und tapste dann, als jener Moment am Rande Hyrules sich ausdehnte, mit diesem viel zu knappen, offenherzigen Nachtkleid zu ihrem Heroen hinüber. Sie sprach kein Wort, sondern setzte sich zu ihm auf die kühlen Laken und umarmte ihn dann so innig, dass er nicht weglaufen konnte. Und es war das erste Mal, dass ihre Umarmung nicht entwürdigend, belästigend oder falsch erschien. Mit einem tiefen Seufzen genoss er ihre Nähe, drückte seinen leicht pochenden Schädel an ihre halb entblößte, zierliche Schulter und schwelgte in ihrem Parfum. Sie roch nach Blumen, frischen, sprießenden Blüten auf den Wiesen Hyrules…
 

Er wollte ihr alles erklären, wollte so viel sagen, ihr erklären, was in den letzten Wochen geschehen war, wollte sie um Verzeihung bitten, aber er konnte nicht. Ihr körperliche Nähe, die Weichheit ihrer Haut, die er an seinem Gesicht spürte, ihr Geruch, nahmen ihn gerade so sehr ein, dass er nicht sprechen wollte. Er umarmte sie fester, so innig wie er noch nichts in seinem Leben festgehalten hatte. Seine zitternden Arme spielten mit dem Leinenstoff an ihrem Rücken, fuhren darüber hinweg, spürten Maschen und ab und an ein Loch im Stoff. Seine Hände strichen vorsichtig und sanft durch das lange, seidige Haar an ihrem Rücken. Es fühlte sich wie Seide für ihn an…

Und auch sie hielt ihn träumend an sich gepresst. Er spürte ihre Hände an seinem Genick, über seinem Rücken wandern und sie zitterte ein wenig. Ihre Lippen berührten seine schweißbenetzte, aber kühle Stirn, küssten verträumt seine blasse Haut. Dann lehnte sie ihr zartes Kinn an seine Stirn, streichelte durch sein blondes Haar, aber sagte kein Wort. Es war nicht nötig… es war einfach nicht nötig…
 

Gerade als er dachte, nichts könnte schöner sein, als diese innige Umarmung, ihre weiche Haut an seinem Gesicht und die Wärme, die sie ihm schenkte, wich sie etwas zurück, drückte den verblüfften Jungen auf die weiche Matratze und krabbelte zu ihm auf die Bettdecke. Sie lächelte immer noch so bezaubernd und biss sich ein wenig auf ihre Unterlippe. Link, vollkommen verdattert und begriffsstutzig, konnte sich aus dem, was diese wunderschöne Adlige hier tat, keinen Reim machen und hoffte bloß, Will würde nicht plötzlich aufwachen und dieses Schauspiel begutachten.

Er würde denken, dass Mädchen tatsächlich nicht vor ihm sicher waren.

Er würde denken, dass sie etwas Verbotenes taten.

Und er würde irgendetwas denken, das Link überhaupt nicht kapierte…
 

Dann tat das Mädchen etwas, was ihn nur noch nervöser machte und vielleicht war dies in seinen Augen bereits verboten. Sie setzte sich auf seinen Schoß, rückte das Nachtkleid etwas zurecht, sodass ihre anziehenden Schenkel sichtbar wurden. Und es war dann, dass Link sie entsetzt musterte und dieses Ereignis keineswegs mehr als beruhigend und angenehm empfinden konnte. Sie machte ihn mit diesen Handlungen nervös, unglaublich nervös. Sein Puls raste und er fühlte einen inneren Druck, den er immer versucht hatte zu ignorieren, zunehmen. Dann spielte sie grinsend an seinem weißen Kragen und öffnete die Schnüre, was den Jungen noch mehr verwirrte.
 

„Zelda…“, sprach er leise und verständnislos. Sie aber legte einen Zeigefinger auf seine blassrosa Lippen. „Sch… sch…“, murmelte sie. Bei Farore, wie er diese Stimme vermisst hatte. „Nicht reden…“ Und sie bat ihn mit einfühlsamen Blicken, dass er sich entspannen sollte, dass er sich fallen lassen sollte und bat ihn um sein Vertrauen. Er schluckte nur, besah sich die zartrosa Wangen seiner Prinzessin, die blutroten Lippen, die ihn zunehmend hypnotisierten. Sein Blick verweilte dort, und er dachte daran, wie blütenweich diese Lippen sein mussten, und wie sanft sich diese anfühlen würden. Während er diese Lippen musterte und sich ein sehnsüchtiger, vielleicht triebhafter Teil seines Ichs hervorwagte, wanderten Zeldas schmale Hände über die pechschwarze Tunika, spielten mit den feinen Konturen seiner Brust, streichelten über seinen Bauch und griffen an die kupferfarbene Gürtelschnalle. ,Was zum…‘, und er kam nicht einmal dazu seine Gedanken zu Ende zu denken. Noch ehe er sie davon abhalten konnte, hatten Zeldas flinke Hände den Gürtel geöffnet. Etwas erschrocken richtete Link seine tiefblauen Augen zu Zeldas Händen und umfasste diese vorsichtig. Er musterte ihre himmelblauen Seelenspiegel hilflos, fragte sich, ob sie wusste, was sie hier tat, und wollte etwas sagen, aber einmal mehr, legte sie einen Zeigefinger auf seine Lippen und verbat ihm das Reden.

„Bitte…“, flüsterte sie und rutschte mit ihrem sanften Antlitz näher. „Es ist alles in Ordnung…“ Er konnte ihr wohl kaum widersprechen, wenn sie sich so zärtlich verhielt. Er hatte noch nie mit irgendwem so viel Nähe ausgetauscht. Er hatte noch nie diese verwirrenden, zugleich aber angenehmen Empfindungen wahrgenommen.

„Du brauchst ein wenig Liebe, die dein Herz heilt…“ Und als sie das sagte, wandelte sich seine angespannte Mimik ein wenig. Seine tiefblauen Augen schillerten trübsinnig, bis sie sich schlossen. Das Wort lag auf seiner Zunge, als brannte sich es dort ein. ,Liebe.‘ War das hier, diese gewaltigen, verwirrenden Gefühle und dieses stärkende Vertrauen, Zeldas gefühlvoller Umgang mit ihm, etwa Liebe?
 

Und einmal mehr schaffte es die Prinzessin seine hindernden Gedanken zu verscheuchen. In einem unbedachten, überraschenden Moment, noch ehe der Heroe verstand, was geschah, streichelten ihre vollen, roten Lippen über seine blassen. Ihre hypnotisierenden Lippen auf seinen versetzten ihm einen so gewaltigen Stromschlag in seinen Gliedern, dass er dachte, er würde sterben. Dieses Gefühl… Es war wie, als brannte sich ihre Berührung in seiner Seele fest. Er traute sich nicht mehr zu atmen, wollte dieses quälende, und doch befreiende Gefühl auskosten, wollte mehr davon. Das war also der Grund, warum sich Erwachsene gelegentlich küssten…

Als sich die weichen Lippen des blonden Mädchen entfernten, umzirkelten Links noch immer zitternde, schwache Arme so gut wie es ging ihren Rücken, hielt sie gefangen in seiner Nähe, wollte nicht, dass sie sich zurückzog. Und er drückte seine Lippen ein weiteres Mal auf ihre. Sie schien entzückt, ließ ihn gewähren und intensivierte den Kuss, saugte ganz sanft an seiner Unterlippe, kostete das Gefühl aus und verwöhnte mit ihren Lippen seine Wangen, sein Kinn, seinen Hals.

,Beim Triforce‘, dachte er. ,Er wusste nicht, dass sein Körper zu solchem Empfindungen überhaupt in der Lage war. Warum hatte er das alles immer ignoriert? Vielleicht, weil er vor einiger Zeit erfahren hatte, erwachsen zu sein, und ihm dadurch die ganze Pubertät flöten gegangen war?‘
 

Erst dann richtete sich Zelda wieder ein wenig auf. Sie wirkte genauso aufgeregt wie er. Ihre Wangen waren rötlicher als vorher. Ihre saphirblauen Augen loderten mit einem Durst, den Link darin noch nie gesehen hatte. Sie lächelte himmlisch… Und weil sie ihn mit ihrem Lächeln in den Bann zog, hinderte er sie auch nicht mehr daran, ihm die schwarze Tunika über den Kopf zu streifen. Sein blondes Haar wirkte noch zerzauster als vorher. Seine Nervosität wuchs und wuchs, aber es war ihm nicht unangenehm. Dann knöpfte sie das weiße Hemd auf, das seinen Oberkörper schützte, und sie tat das unheimlich langsam. So langsam, dass er es beinah nicht mehr ertragen konnte. Seine Augen schlossen sich und er versuchte das zu tun, was sie von ihm verlangte. Loszulassen, sich zu entspannen, sich einfach fallen zulassen…
 

Er spürte ihre warmen, kitzelnden Hände an seiner Brust, an seinem Bauch, es war wie, als wollte sie jede Kleinigkeit seines Körpers entdecken und streicheln… Und je mehr sie massierend und sanft seine beanspruchten Muskeln berührte, umso mehr regte sich ein unheimlich zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht, das sie lange nicht gesehen hatte. Er lächelte so, wie sie es sich wünschte, so, wie es sein sollte…
 

Als sie mit ihren Berührungen stoppte, öffneten sich seine tiefblauen Seelenspiegel neugierig, es wirkte fast so, als wäre er etwas beleidigt, dass seine Prinzessin ihre Zärtlichkeit unterband. Aber sie tat etwas, dass seinen Herzschlag noch mehr beschleunigte und ihn vielleicht wieder in die Bewusstlosigkeit schickte. Etwas unsicher, strich sie ihre langen, seidigen Haare zurück, griff an die Enden des Nachtkleides und bescherte Link einen Anblick, den er in seinem Leben nie wieder vergessen würde. Er hatte noch nie ein Mädchen völlig nackt gesehen, und sollte vielleicht froh sein, dass ausgerechnet so ein hübsches Wesen das erste weibliche sein sollte, dass sich ihm ohne Kleidung präsentierte.
 

Mit einem Ruck zog sie sich das Stückchen Stoff über ihre schlanke Gestalt und warf das Kleidungsstück achtlos in das Zimmer. Und vielleicht, weil Link unglaublich aufgeregt, nicht zu sagen, erregt war, gefroren für ihn in dem Augenblick die Sekunden. Er sah das Nachthemd davon fliegen, sah einmal mehr die Staubkörner in den Lichtstrahlen tanzen, wanderte mit seinen tiefblauen Augen zu dem schlafenden Will und dann zu dem wunderschönen, fast göttlichen Wesen, das auf ihm saß. Er sah sie so schockiert an, dass sie dachte, er würde ohnmächtig werden. Nun ja, sie war wirklich… wollte er denken… sie war… Er wollte doch nur einen Gedanken fassen… Sie war…
 

Das, was Link gerade nicht denken konnte, war eigentlich bloß, dass er sie wunderschön fand. Er betrachtete sich ihren schmalen Hals und die feinen Konturen an ihren Schlüsselbeinen, suchte Worte für ihre straffe, volle Brust und die rosigen Brustwarzen… Seine Augen wanderten zu ihrem Bauchnabel und weiter hinab. Er wollte das alles berühren und verwöhnen… fragte sich, wie sich diese weibliche Brust anfühlte… Nur war er gerade so schockiert und unsicher, dass er nicht in der Lage war auch nur irgendeine Regung zu zeigen, seine Hände zu benutzen für das, was er so dringend fühlen wollte…
 

Und die liebliche Zelda, die alles für sein Wohlergehen tun würde, blickte ihm etwas befangen entgegen. Ihre Wangen waren nun deutlich rot und ihr war warm, unglaublich warm. Sie wusste nicht, warum es hier drin plötzlich so heiß war. Sie konnte den Blick nicht deuten, den er ihr schenkte. Träumerisch, sehnsüchtig, verlangend…

Sie drückte ihre Hände gegen ihre Brust und begann dann kindlich an ihren Fingernägeln zu kauen, während Link das Gefühl hatte, er verdampfte vor Erregung. Er sah drein, als hätte er fünf blaue Tränke auf einmal zu sich genommen und sich damit in einen berauschten, gefährlichen Zustand katapultiert.
 

Dass William Laundry noch im Zimmer war, schien sie beide nicht zu interessieren. Überhaupt, dass die Tür nicht verschlossen war und jeder beliebige Lehrer in diesen Raum treten könnte, wurde von Link und seiner Zelda gerade herzlich wenig beachtet. Sie taten das, was sie in der alternativen Zeit bereits mehrfach hätten tun sollen. Und das war keine Spielerei für sie beide oder eine lächerliche Möglichkeit Bedürfnisse zu befriedigen. Es war einfach richtig und es war Liebe…
 

Sie näherte sich ihm, atmete scharf und genießend ein und küsste ihn wieder. In ihrer Nacktheit lag sie auf seinem Körper. Er spürte es knistern zwischen ihnen, knistern und beben. Ihre Brust an seiner war berauschend, ihre samtige Haut zu spüren war überwältigend. Und es war dann, dass Zeldas Hände ein weiteres Mal dorthin wanderten, wo sie bereits die Gürtelschnalle gelöst hatte. Geschockt riss der Heroe seine Augen wieder auf, packte ihre Hände und murmelte ein albernes: „Nicht, da passiert etwas komisches…“ Er hörte Zelda lieblich lachen auf diese Worte, spürte ihre verwöhnenden Lippen zu seinem rechten Ohr wandern. Sie flüsterte leise: „Das ist gut für einen anderen, besonderen Zeitpunkt… Ich liebe dich, mein Held…“
 

,Ich liebe dich… mein Held…‘ Es war, als wären diese Worte ein Ruf, der Link zurück auf den Erdboden beförderte. Er schloss die Augen, atmete noch einmal Zeldas Parfum ein und öffnete dann wieder seine tiefblauen Augen… aber seine Prinzessin, die sich doch so echt, so nah angefühlt hatte, war verschwunden.
 

Als hätte ihn jemand auf den Arm genommen, oder als hätte die Realität ihm einen hinterhältigen Streich gespielt, sah er mitgenommen um sich. Er war immer noch unglaublich erregt, hatte das Gefühl, sein ganzer Körper bebte durch Zeldas Berührungen. Aber sie war nicht hier. Das Zimmer gab sich ihm etwas verschwommen preis und tatsächlich war es früh am Morgen, aber wo, bei den Göttern, war Zelda? Er blinzelte, rieb sich seine Augen und richtete sich hastig auf. Sein Kopf pochte wie wahnsinnig, und dann endlich orientierte er sich und wurde ruhiger. Will schlief genauso wie im Traum in seinem Bett, aber es war nicht Zelda, die ihm Gesellschaft leistete. An seiner Bettkante, in einem weißen Nachthemd und mit seiner beigen Hose und seinen Stiefeln bekleidet, saß Ariana und hatte ihre Arme auf die Bettdecke gelegt. Sie schlief.
 

Da kamen seine Erinnerungen wieder. Er war in seinem Zimmer zusammengebrochen, weil ,die Tränen der Nayru‘ nicht mehr funktioniert hatten. Und er hatte einige beunruhigende Gedanken gehabt. Aber wie kam Ariana hierher? Und warum war sie in diesem Aufzug? Er seufzte, drehte sich noch einmal um und wand sein beschämtes Gesicht zum Fenster. Verdammt, dieser Traum war so echt, so überwältigend und so einprägsam, dass jener es geschafft hatte Links trübsinniges Gemüt von einer Sekunde auf die andere umzupolen. Und das, was er darin erfahren hatte, was Zelda geflüstert hatte, war so wohltuend, so unglaublich angenehm.
 

,Ich liebe dich… mein Held.‘ Das war das schönste, was er in seinem Leben bisher gehört hatte. Er schloss seine tiefblauen Augen, wünschte sich nichts sehnlicher als dieses Gefühl in ihrer Nähe zu sein zurück. Ja, er vermisste Zelda… er vermisste sie wie nichts anderes auf der Welt, gerade das hatte ihm der Traum bewusst gemacht.
 

Nur war das ein Grund sich so etwas Stupides und Wahnwitziges auszudenken? Link hatte fast das Gefühl losschreien zu müssen, weil er diesen Traum einfach nicht verstand. Und warum konnte er die Details von diesem Schatten der Nacht nicht einfach abstellen? Er konnte tun, was er wollte, aber Zeldas Anblick bekam er nicht mehr aus dem Kopf. ,Zelda würde ja wohl kaum in Wirklichkeit so reagieren, oder doch?‘, fragte er sich. Jedenfalls… was immer Zelda mit ihm gemacht hatte, jetzt wo er wach war, schämte er sich elend dafür. Er schämte sich so sehr, dass er das Gefühl hatte, er könnte ihr nie wieder ins Antlitz blicken! Beim heiligen Deku, er hatte Zelda nackt gesehen!
 

Andererseits, für einen solchen Traum, hatte sich der Zusammenbruch wahrlich gelohnt, dachte der Held albern, und grinste ein wenig. Was immer Zelda mit ihm angestellt hatte, es hatte sich wunderbar angefühlt… es hatte ihn für kurze Zeit auf komplett andere Gedanken gebracht und vielleicht wirklich sein Herz etwas geheilt… auch wenn er sich schämte…
 

Gerade da legte sich eine warme, weiche Hand auf Links durchgeschwitzte, aber kühle Stirn und er drehte sich verwundert um. Ariana hatte ihre bernsteinfarbenen Augen geöffnet und musterte ihn besorgt. Sie lächelte ein wenig, wirkte aber völlig fertig und hundemüde. Da hing Schlafsand in ihren Augen und sie hatte ein paar hässliche, lila Augenringel.

„Guten Morgen…“, murmelte sie und ließ ihre Hand noch ein wenig auf seiner Stirn ruhen. „Bist… bist du in Ordnung?“, fragte sie leise und blickte scheu weg. Bemerkte sie etwa, dass er durcheinander oder erregt war? Er blickte sie so an, als verstand er gerade überhaupt nichts mehr und als war ihre einfache Frage zu viel.

„Du bist gestern Abend zusammengebrochen…“, sagte sie. Er nickte und hustete ein wenig, aber wusste nicht so recht, was er zu der hübschen Schmiedtochter sagen sollte.

„Hast du Schmerzen?“, fragte sie dann und musterte ihn eindringlich. Sie beugte sich etwas über ihn, was ihn gerade unheimlich nervös machte. ,Verdammt‘, dachte er. Irgendwie konnte er gerade nur an Zelda denken, und wenn sich dann ein Mädchen halb über ihn beugte und auch noch so hübsch war wie seine Prinzessin- und das war Ariana auf jeden Fall- dann spürte er diesen unheimlichen inneren Druck aus seinem Traum wieder zunehmen. Er schaute die Schmiedtochter flehend an, fast so, als konnte er ihre Anwesenheit nicht ertragen.

„Was hast du?“, meinte sie und verzog ihre dunklen Augenbrauen. Er kniff die tiefblauen Augen zusammen, brachte es nicht fertig irgendetwas zu sagen, wand sich gen Fenster und schämte sich schon wieder. Hoffentlich bemerkte Ariana seinen erregten Zustand nicht, dachte er. Und dass er erregt war, konnte man bei einem genauen Blick sicherlich feststellen…

Ariana aber schien das in den falschen Hals zu bekommen. „Ich seh‘ schon, du bist nicht in Stimmung zu reden“, meinte sie etwas missmutig. Gut, fürs Reden war er gerade tatsächlich nicht in Stimmung… Sie hetzte auf, schnappte sich die Metallschüssel, die tatsächlich auf dem Tisch in der Zimmermitte stand, und trat damit kopfschüttelnd aus dem Raum. Als sie die Tür zuschlug, und Link hatte keine Ahnung, warum sie nun plötzlich so mies gelaunt war, schreckte auch Will verstört aus seinem Schlaf.
 

„Hey, du Schauspieler“, lachte der Laundry und stolperte noch halbschlaftrunken in seinem Nachthemd zu Link hinüber. „Bin ich froh, dass du wieder wach bist“, sagte er.

„Wie spät ist es denn?“, murmelte Link und hielt sich eine Hand über seinen pochenden Schädel.

„Sechs Uhr morgens“, meinte Will und musterte ihn durchdringend. „Geht es dir einigermaßen gut?“ Link blickte seinen Freund verdattert an. Er wusste nicht, was geschehen war, aber er sah deutlich, dass Will besorgt war.

„Du siehst aus, als hättest du einen Schlag auf den Kopf bekommen!“ Das nicht, dachte Link und richtete sich etwas auf. Aber er wünschte sich gerade einen Schlag auf seinen Schädel, damit er aufhörte an Zeldas nackten Anblick zu denken.

„Es geht mir schon wieder besser. Was ist denn überhaupt passiert?“, murmelte er benommen. Und Will erklärte seinem Kumpel die ganze Geschichte und auch Arianas merkwürdiges Verhalten und ihren Aufbruch zu der Feenquelle. Verwundert begutachtete Link das schwarze Heilmittel. Was die schwarze Farbe wohl bedeuten mochte?
 

„Das ist alles ein übler Scherz, oder?“, meinte Link trübsinnig und ließ seine schweren Beine von der Bettkante baumeln.

„Du hättest sie mal erleben sollen. Ich hab‘ keinen blassen Dunst, warum die sich in deine Angelegenheiten eingemischt hat. Jedenfalls hat sie sich aufgeführt wie eine gefährliche Rachegöttin“, sagt Will. Auch das überforderte Link immens. Warum war Ariana so entschlossen ihm zu helfen? Nur, weil sie eine gute Freundin für ihn sein wollte?

„Sie ist vorhin gereizt abgehauen und hat die Metallschüssel mitgenommen“, sagte Link und versuchte sich frische Kleidung aus seinem Schrank zu nehmen, aber ließ es bei dem Versuch und setzte sich wieder. Der Krankheitsschub klang ab, aber er hatte das Gefühl, dass die Attacken immer schlimmer wurden. Bei Farore, er hatte nicht einmal die Kraft sich seine Sachen aus dem Schrank zu nehmen.

„Vielleicht ist sie mies gelaunt, weil sie fast keinen Schlaf bekommen hat.“

„Sie war die ganze Nacht unterwegs?“ Link sah drein, als müsste er die Kikwiisprache verstehen und starrte zu Boden. Warum tat Ariana das alles für ihn?

„Die hat sogar Briefe gefälscht und sich eines der Pferde aus dem Stall geborgt. Du solltest dich irgendwie bei ihr bedanken…“, entgegnete Will.

„Das werde ich…“, sprach Link leise. Sollte er nicht unglaublich glücklich sein, dass es neben Will noch andere Leute gab, die sich ungeheuerlich für ihn einsetzten? Er verstand nur nicht, warum der Gedanke an die Aufopferung der anderen so unerträglich für ihn war. Es war in Ordnung, versuchte er sich einzureden. Er konnte es ohnehin nicht mehr ändern.
 

Gerade trat die erschöpfte Ariana Blacksmith mit einer heißen Wasserschüssel unter ihren grazilen Armen in den Raum. Sie wirkte unglaublich fertig mit ihren Nerven. Ihr schwarzes, leicht gewelltes Haar war zerzaust und sie sah drein, als wäre ihr alles zu viel. Sie wirkte noch immer sehr missmutig und stellte die Schüssel so grob auf Links Nachttisch, dass das heiße Wasser über den Rand schwappte. Sie drängelte sich zwischen Link und Will, stieß Will beinah zu Boden und drückte ihre rechte Hand an Links durchschwitzte Stirn. Er blickte unbeholfen in ihre bernsteinfarbenen Augen, sah einen Hauch Schwermut und Besorgnis darin und wusste erneut nicht, was er zu ihr sagen sollte. Aber er musste dummerweise bemerken, dass sich ihre weiche Haut auf seiner Stirn ungemein gut anfühlte. Er lief etwas kirschrot an, versuchte sich mit irgendeinem Gedanken abzulenken und blickte hilfesuchend zu Will. Doch jener schaute nur belustigt drein, streckte sich und nahm sich seine Schuluniform aus dem Schrank. „Nun ja, ich will euch beide dann alleine lassen. Das kriegt ihr schon ohne mich hin, was?“, sprach er mehrdeutig und grinste wie ein Honigkuchenpferd. Er wollte sich erstens nicht mit Ariana anlegen und zweitens hatte er den Eindruck, dass Link in der Obhut jener Dame bestens aufgehoben war. Er stolperte pfeifend aus der Zimmertür.
 

Nachdenklich musterte der junge Heroe das Mädchen in seinem Zimmer und betrachtete sich ihr teilweise zerrissenes, weißes Nachtgewand aus Leinen. ,Seine Hose an ihren Beinen sah ungemein merkwürdig aus‘, dachte er. Und seine Stiefel an ihren Füßen waren verdreckt. Aber es ärgerte ihn nicht, dass sie seine Sachen entwendet hatte.

Sie sprach kein Wort, wirkte sehr traurig. Sie tapste zu seinem Schrank und holte ihm frische Unterbekleidung und die schwarze Standardtunika aus dem Schrank.

Er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Es fiel ihm so schwer, sich bei ihr zu bedanken… und es fiel ihm noch schwerer ihr zu erklären, was mit ihm los war. Er wollte gegenüber seinen neuen Freunden nicht andauernd, wie das hilfsbedürftige, naive Jungchen wirken, das manche in ihm sahen. Er wollte so stark und mutig sein wie früher… Dennoch, war er fast erleichtert, dass sie hier war. Sie erinnerte ihn einfach zu sehr an Zelda und gerade sie brauchte er doch eigentlich, um sich besser zu fühlen…
 

Ariana schluchzte ein wenig und legte die frische, duftende Wäsche auf den wackelnden Hocker vor dem Bett. Dann trat sie vor den blonden, jungen Mann und musterte ihn besorgt. Link versuchte einen Anfang zu machen, traf aber gleich den falschen Ton. „Musst du nicht zurück in die Mädchenschule?“ Etwas gekränkt wich das Mädchen zurück und murmelte gezwungen: „Willst du mich so schnell loshaben?“

„So war das nicht gemeint…“, versuchte er zu schlichten und versuchte außerdem zu ignorieren, das Ariana genauso wie seine Prinzessin ein weißes, halb zerrüttetes Nachtkleid trug. Ja, Link hatte inzwischen das Gefühl, dass die schwarzhaarige Schönheit etwas vor ihm verheimlichte. Ob ihre Ähnlichkeit mit Zelda doch nur Zufall war?

„Ach nein, wie war das dann gemeint?“, sprach sie laut und aufgeregt. Erst jetzt sah der junge Heroe, dass sich Ariana eine Träne von der Wange wischte. Er sah sie entsetzt an, verstand nicht, warum sie überhaupt so besorgt um ihn war. Dann schaute er zweifelnd zu Boden. „Es ist nur… ich kann das alleine“, sagte er abweisend.

„Ja, klar, das sieht man. Deswegen hast du das gestern Nacht auch alles alleine hinbekommen, du sturer Esel!“, rief sie empört. Geschockt sah er wieder auf.

„Und deswegen zittert dein Körper so sehr, weil du ja überhaupt keine Probleme hast. Du bist so fit, dass du es ja in deinem schwächlichen Zustand tadellos hinbekommst dir Wäsche aus dem Schrank zu holen. Du bist fit genug um zu kämpfen! Und noch besser, du bist ja fit genug, um alles alleine zu bewältigen, stark genug, ganz Hyrule zu retten, nicht wahr?“ Sie hatte so laut geredet, dass sie nach Luft schnaubte. Ihre Worte donnerten wie ein Gewitter über ihm hernieder und er schluckte nur. Dass Ariana es so deutlich sagte, schmerzte nur noch mehr. Es stimmte… er war ein Schwächling geworden… wenn ihn so eine Attacke überkam, war er nicht mehr er selbst.
 

Er kniff seine Augen zusammen und murmelte leise. „Ja… das ist es wohl… ich bin nicht einmal mehr in der Lage mir selbst zu helfen…“ Er wimmerte ein wenig, vielleicht als Nachklang der Schmerzen und weil das schwarzhaarige Mädchen ihm gegenüber vernichtend Recht hatte. Es war nicht zu ändern, es stimmte… er konnte das alles nicht mehr alleine bewältigen, egal, wie sehr er es auch versuchte. Ungewollt dachte er an die Gedanken, die er nach dem Zusammenbruch hatte und an diese erschütternden Träume. Er war nicht mehr dazu in der Lage Heldentaten zu vollbringen, seinen Daseinsgrund zu erfüllen. Wozu war er dann überhaupt noch gut?
 

Er verkrampfte sich und schluchzte. „Es tut mir leid… ich sollte das alleine hinbekommen…“ Er kniff die Augen zusammen und ballte seine Hände zu Fäusten. Sein schönes, reines Gesicht war niedergebeugt und schwer. Selbst der beruhigende Traum mit Zelda löschte das aufkommende Gefühl der Hilflosigkeit nicht.
 

„Aber du kannst nicht, Link, soviel habe ich, seitdem ich dich kennenlernte, verstanden… du warst vielleicht einmal stark… aber du kannst nicht…“, sprach sie wimmernd, kniete vor ihm nieder und nahm seine kalten, zitternden Hände in ihre. „Es geht nicht mehr… so wie es einst war…“ Gedemütigt sah er auf und ignorierte das Vertrauen und wahnsinnige Gefühl der Besorgnis in ihren bernsteinfarbenen Augen. Was wollte diese Schnepfe überhaupt von ihm? Er war kein großes Baby, das sie bemuttern musste.

„Ich kann das aber nicht akzeptieren…“, entgegnete er gereizt.

„Du musst… deswegen… bitte lass‘ mich dir helfen…“

Er schüttelte den Kopf. „Dann lass‘ es mich wenigstens versuchen… bitte, ich will dir wirklich helfen…“, sprach sie winselnd.

„Aber ich will deine Hilfe nicht. Du weißt überhaupt nichts!“ Er stieß sie sanft von sich weg und krabbelte wieder in sein Bett. Konnte sie damit nicht aufhören? Sie benahm sich noch schlimmer als Zelda vor einigen Wochen in Kokiri! Und diese Konfrontation machte ihn halb wahnsinnig!
 

Sie schwieg und entledigte sich hinter Links Rücken seiner Hose und seinen Stiefeln und huschte in ihre Hausschuhe, die neben seinem Bett standen. Dann zog sie sich ihren Mantel über und versuchte Links Kommentare zu ertragen. Ein Beobachter konnte spüren, wie schwer es dem Mädchen fiel, mit dem Gedanken kämpfend zu gehen oder doch zu bleiben. Sie schloss die Augen, legte eine Hand auf ihr Herz und versuchte sich zu beruhigen. Vielleicht wusste sie viele Dinge nicht, aber sie wusste aus einem angenehmen Gefühl heraus, dass sie ihn brauchte. Nur deshalb war sie hier, nur deshalb riskierte sie ihre Ausbildung in der Mädchenschule. Tief durchatmend startete sie ihren zweiten Versuch.
 

Sie setzte sich vorsichtig auf die Bettkante, rang ein Tuch in dem heißen Wasser aus und rutschte so nah, dass sie dem bockigen Jungen damit über sein schweißgebadetes Gesicht wischen konnte. Gerade als sie ansetzte, griff er etwas grob, aber zitternd nach ihrer Hand und versuchte ihr das Stück Stoff aus der Hand zu nehmen.

„Bitte, ich kann das alleine…“ Aber Ariana hielt seine Hand so fest, dass er sich daraus nicht lösen konnte.

„Nein, kannst du nicht!“ Und sie ließ nicht locker. Mit etwas mehr Nachdruck krallte er seine Finger in das Stück Stoff und fühlte es in sich brodeln, weil dieses ausgefuchste Mädchen ihm das Tuch nicht gab.

„Jetzt gib‘ mir das Tuch!“, fauchte er geladen.

„Nein!“, kreischte sie zurück.

„Her damit!“ Und er nahm auch seine andere Hand um den Lappen an sich zu reißen, aber das konnte das schwarzhaarige Mädchen genauso gut.

„Ich sagte: Nein! Und ich meinte: Nein!“ Sie brüllte so laut, dass er es in seinen Trommelfellen spüren konnte. Er hatte bisher noch nie jemanden so angeschrien wie sie und bisher hatte ihn noch keiner auf diese schrille Weise herausgefordert und zurechtgestutzt. Er zog mit mehr Kraftaufwand an dem Tuch und diesmal so fest und stark, dass Ariana ihr Gleichgewicht verlor und etwas unbeholfen und täppisch ebenfalls auf der Bettdecke landete. Sie lag halb auf ihm, starrte ihn entgeistert an und dachte nur, wie wunderschön blau seine Augen doch waren.
 

Und plötzlich war auch Link still und ließ das nasse Tuch los. Mit roten Ohren schaute er die Schönheit an und kam nicht darum zu denken, dass ihn alles an ihr, bis auf die Haar-und Augenfarbe an seine Prinzessin erinnerte. ,Aber Zelda war nicht ganz so dramatisch wie sie‘, dachte er…
 

Sie räusperte sich und richtete sich verlegen auf. Sie schüttelte den Schädel. „Es reicht mir mit deinem kindischen Benehmen!“ Sie hielt ihm einen Zeigefinger unter die Nase. „Ich weiß nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe mache, mich um dich zu kümmern. Aber ich hatte ein sehr ungutes Gefühl gestern Abend, nur wegen dir und deinem Sturkopf! Und wenn du dir von mir nicht endlich helfen lässt, ich schwöre, ich verkünde in der ganzen Ritterschule, dass du der Held der Zeit bist!“ Wenn Link sich weiterhin so anstellte, dann würde sie zu drastischeren Mitteln greifen. Und ohne ein verteidigendes Wort, hörte Link willig zu.

„Du hast keine Ahnung, was passiert, wenn du mich provozierst und es dir mit mir vergeigst!“ Arianas Drohung hatte scheinbar Wirkung. Mit großen Augen starrte er sie an, vergas, was er gerade noch tun wollte und hatte schlichtweg seine gemeinen Worte vergessen.

„Ich will, dass wir eine Lösung finden, damit ich meine Ruhe wieder habe. Denn seitdem du mir über den Weg gelaufen bist, läuft ständig etwas schief! Ich bin komisch geworden, ich mache merkwürdige Dinge! Also hör‘ auf dich wie ein Baby zu benehmen und andauernd zu jammern!“ Er schloss die tiefblauen Augen, schwieg und hörte aufgebend zu. „Du bist ein dummer, eingebildeter, vergangenen Zeiten hinterher trauernder Versager!“ Und dieser Satz sagte mehr aus, als Ariana beabsichtigt hatte. Mit diesem Satz hatte sie es geschafft, Link zurück in sein dunkles Loch zu stupsen. Er grinste bitter und lachte leise auf. Lethargisch blickte der einstige Heroe zu dem Fenster, beobachtete die Strahlen der aufgehenden Morgensonne in dem Zimmer umher tanzen, aber konnte sich an den feinen Lichtstrahlen nicht mehr erfreuen.

Das war der richtige Ausdruck… er jammerte vergangenen Zeiten hinterher, weil er seinen schwächlichen Zustand einfach nicht ertragen konnte. Nicht einmal als winziger Deku, als er in Termina die verschiedenen Masken trug, hatte er sich so unbeholfen und unfähig gefühlt…
 

„Entschuldige…“, sprach sie leise. Es war nicht schwer zu bemerken, dass ihn die letzte Bemerkung sehr verletzt hatte. Er schloss die sturmblauen Augen und drehte der Schmiedtochter den Rücken zu. „Ich hätte das nicht sagen sollen…“, setzte sie hinzu. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter, zuckte aber gleich wieder zurück. Es war wie, als gab Link ihr einen Stromschlag, als wollte er sie für ihre Worte bestrafen.
 

„Es ist nur… leider… die Wahrheit…“, sagte er halb grinsend, halb weinend. „Du hast Recht. Es fällt mir schwer… meine Unfähigkeit zu akzeptieren…“ Fakt war, dass er nicht wusste, wie er seine Erkrankung in der nächsten Zeit aushalten sollte. Er war ehrlich mit sich selbst, ahnte, was mit sich los war und dass auf seine quälende Erkrankung nur eine Konsequenz folgte…
 

Sie schwieg währenddessen, wollte ihm zu gerne irgendwie vermitteln, dass sie zuhören konnte, dass sie versuchen würde für ihn da zu sein, aber er würde dies nur unter den seltensten Umständen zulassen.

„Ich möchte mich entschuldigen…“, sprach sie dann aufrichtig. „Ich habe dich mit meiner Wortwahl gekränkt…“, begann sie aufrichtig. Sie umarmte sich selbst ein wenig und hoffte, dass er irgendetwas sagte.

„Und ich weiß… ich bin sicherlich nicht die Person, der du nahe stehst, der du vollkommen vertrauen kannst… Aber vielleicht kannst du mir gerade deshalb, weil ich eine Außenstehende bin, und du auf mich nicht Rücksicht nehmen musst, sagen, was los ist…“

„Was los ist?“, klagte er. Seine Stimme war weich und weinerlich. ,Na schön‘, dachte er. Wenn Ariana es unbedingt wissen wollte, würde er ihr klar machen, was nicht passte. Es reichte ihm Rücksicht zu nehmen auf die Gefühle der anderen. Hatte denn irgendwann einmal jemand auf ihn Rücksicht genommen? Nein, antwortete er selbst in Gedanken. Er war in seinem Leben genug ausgenutzt worden und es reichte…
 

„Gut, dann…“, lispelte er. „Dann…“ Er lachte gekünstelt.

„Wenn du es wissen willst, dann bitte: Mein Körper… Ich hab‘ einen schrecklichen Gedanken…“, sprach er mehr zu sich, als zu der Schülerin. Und sie ließ ihn reden mit seiner gereizten Tonlage und der Anklage in seiner heiseren Stimme.

„Ich habe das Gefühl…“ Sie unterdrückte die brennenden, aufkommenden Tränen in ihren Augen, als sie ahnte, was er sagen wollte.

„… ich quäle mich mit dem Gedanken…“, murmelte er in sein Kissen. Und je mehr er sagte, umso mehr wich die Farbe aus Arianas strahlendem, schönen Gesicht

„Ich spüre es…“, sprach Link lispelnd. „… ich werde sterben…“ Danach war Funkstille.
 

Er wartete einige Sekunden, und weil Ariana nichts sagte, sich nicht rührte, richtete er sich langsam auf und drehte sein fiebrig rotes Gesicht zu ihr. Erstarrt saß sie auf dem Stuhl vor seinem Bett. Ihr Gesicht war verweint und ihre Augen leer. Es war wie, als hatte das Schockgefühl, ausgelöst durch Links Worte, das Mädchen völlig überfordert. Sie sah drein wie ein Gespenst. Weitere Tränen tropften von ihren Augen, bis sie schluchzend aufhetzte und ihm den Rücken zudrehte. Sie hatte Mühe sich unter Kontrolle zu bringen, überhaupt wusste Link mit ihrer Reaktion nichts anzufangen. War sie nicht sonst immer so taff und beinah unschlagbar? Es hatte selten jemand um ihn geweint, es war beinah unwirklich für ihn…
 

„Du hast keine Wahl als zu kämpfen…“, murmelte sie dann leise. Sie bemühte sich, ihn nicht merken zu lassen, dass er ihr wirklich wichtig war und sein Tod mehr vernichten würde, als er dachte.

„Ich möchte nicht, dass du dergleichen sagst“, bat sie. Aber noch immer stand sie einfach nur dort.

„Und was soll ich sonst sagen? Soll ich dich anlügen?“, murrte er genervt. Das ergab doch alles keinen Sinn mehr, dachte er. Was kümmerte Ariana, die er erst seit wenigen Wochen kannte, sein Zustand und seine komische Krankheit. Sicherlich, sie wollte aus irgendeinem Grund seine Freundschaft. Aber wenn sie diese wollte, würde sie auch seine Schattenseiten ertragen müssen.

„Nein… es ist richtig, dass du ehrlich bist“, erklärte sie leise. „Aber es tut weh, wenn du das sagst… es tut weh…“ Und für wenige Minuten herrschte die Stille wie ein zerstörerischer Dämon in dem Zimmer. Link sah zu Boden, hatte ohnehin das Gefühl, das hatte alles keinen Sinn mehr. Er wollte dieses Mädchen, auch wenn sie ihm aus irgendeinem Grund gut tat, nicht weiter in seinen Schlamassel hineinziehen.
 

„Du hast dennoch… keine andere Wahl als zu kämpfen…“, sprach sie noch einmal und trat wieder zu ihm. Ihr Gesicht war verquollen vor lauter Tränen.

„Du kannst kämpfen… das konntest du sicherlich immer.“ Und ihre Worte machten ihm tatsächlich Mut. Sicherlich wusste sie nicht gerade viel über ihn, aber sie wusste, dass er der Held der Zeit war, und dieser Held wusste, wie man kämpfte…

„Und du kannst deinem Fluch auf den Grund gehen“, sagte sie hoffend. „Die große Fee sagte mir, dass du tatsächlich unter einem Fluch leidest.“ Überrascht blickte Link auf und ließ seine Beine wieder von der Bettkante baumeln. Es war also tatsächlich ein Fluch, was bedeutete, dass die Ereignisse in den letzten Wochen wie das Ausspionieren und die Angriffe auf ihn mehr als nur Zufall gewesen sein mussten.
 

„Bitte… kämpfe… wenn nicht für mich, dann für die anderen, die dich brauchen. Für Will und für deine anderen Freunde…“ Der einstige Heroe seufzte, seine Gesichtszüge entspannten sich langsam. Er wusste nicht, was es war, aber dieses schwarzhaarige Mädchen hatte etwas an sich, was ihn tatsächlich überzeugte und beeinflusste.

„Du hast Recht…“, meinte Link und rappelte sich seufzend auf.
 

Zappelig stand er auf seinen Beinen. Er torkelte etwas unbeholfen vorwärts, aber seine schlaksigen Beine spielten noch nicht mit. Seine Beine wollten seine Befehle noch nicht ausführen. Ariana trat zu ihm und hielt ihn davon ab umzukippen. Vorsichtig legte sie ihre Hände an seine Brust und drückte ihn mit sanfter Gewalt zurück auf seine Matratze. Beschämt stützte er eine Hand an seinen trommelnden Kopf und hoffte, dass Ariana ihn endlich alleine ließ. Aber scheinbar konnte er lange darauf warten, dass sie ging. Auch er versuchte seinen zweiten Anlauf und wollte mit ihr ins Gespräch kommen und sie dann vielleicht überzeugen zu gehen.
 

„Du hast vorhin gemeint, du weißt nicht so recht, warum du mir hilfst und was mit dir los ist?“, sagte er vorsichtig. Er atmete tief durch und bemerkte in dem Augenblick endlich, dass seine magische Wunde an der Linken durch die Feenmagie geheilt war.

„Nun ja…“, erklärte sie und setzte sich zu ihm auf die Bettkante. „Es ist manchmal etwas merkwürdig. Ich weiß, dass ich nicht das typische Mädchen bin. Und ich mache oftmals mädchenuntypische Dinge… aber seit einigen Tagen fehlt mir manchmal irgendwie die Zeit… manchmal kommt es mir so vor, als stimmt etwas nicht mit mir.“

„Wie meinst du das?“, fragte er leise und wurde etwas misstrauisch.

„Es fängt ja schon damit an, dass ich mir Sorgen um dich mache, obwohl ich dich nicht wirklich kenne…“ Er nickte bloß.

„Aber es tut dir scheinbar gut, dass ich hier bin, was? Und da du nicht gerade uninteressant und alles andere als hässlich bist, habe ich mir gedacht, warum nicht…“ Es war das erste Mal, seitdem er wach war, dass sich auf Arianas schmalem Gesicht ein Lächeln zeigte. Und auch er fühlte sich ein wenig besser, obwohl er auf ihre Bemerkung schamrot anlief.

„Du hast ein sehr schönes Gesicht, Link… und unglaublich einprägsame, tiefblaue Augen…“, sprach sie dann schüchtern, worauf der Junge neben ihr noch nervöser wurde. Sie kicherte dann ein wenig und wischte sich die restlichen Tränen von den Augen.

„Ich bin gerne hier bei dir“, sprach sie dann. „Und es ist gut, dass wir so miteinander reden können, auch wenn es nicht einfach ist und wir beide verletzende Dinge sagen.“

Er nickte bloß und spürte, wie jetzt, weil er mit ihr reden konnte, seine trübsinnigen Gedanken auch wieder verflogen. Vielleicht war es tatsächlich notwendig gewesen, wenn schon Zelda nicht hier war…
 

„Übrigens… wenn ich schon Recht habe, damit dass du kämpfen musst. Dann habe ich auch Recht in anderen Dingen. Und dann wirst du dir jetzt auch das gefallen lassen müssen.“ Und da sie ohnehin neben ihm saß, war es für sie nicht schwierig, an seinen Kragen zu fassen und damit zu beginnen sein Hemd aufzuknöpfen. Er fasste mit seinen zitternden Händen an ihre und musterte sie mit geweiteten Augen. Er schluckte und hatte Panik, dass Ariana ähnliche Dinge mit ihm anstellen wollte wie Zelda in seinem Traum.
 

„Was?“, sprach sie streng und ließ erneut nicht locker. Sie erhob sich und schien seine plötzliche Nervosität und Verlegenheit nicht unter einen Hut zu bekommen. Natürlich verstand sie es nicht. Sie war ja nicht in seinen Träumen gewesen. Sie war nicht in seinem Kopf gewesen. Und sie wusste nicht, dass die Tatsache, dass sie ihn jetzt pflegen und ohne Hintergedanken ausziehen wollte, ganz andere Phantasien in Links Gehirnwindungen hervorrufen würde. Er hatte schließlich vor wenigen Minuten ein sehr erotisches, um nicht zu sagen, umwerfendes Bild von einem Mädchen in seinen Gedanken gehabt, das ihn ausgezogen hatte.
 

Auf eine geschickte Art und Weise öffneten ihre flinken, zierlichen Hände den Kragen. Mit einer Hand hielt sie Links kühle Hände fest und mit der anderen knöpfte sie das Hemd auf. Link hatte das Gefühl ohnmächtig zu werden, als ihre warmen Fingerspitzen an seiner Haut entlang streichelten. Für einige Sekunden war er wie erstarrt, begann zu schwitzen und sah das Mädchen verstört an.

Als sie ihm schließlich das Hemd über den Kopf streifen wollte, wich der junge Heroe entsetzt zurück und krabbelte ängstlich über die Bettdecke in Richtung Fenster. Ariana verzog nur ihr hübsches Gesicht, stieg ebenfalls auf das Bett und packte den flehenden Jungen an seinen Armen.

„Jetzt stell dich nicht so an!“, rief sie, krabbelte letztlich auf Link, der nicht wusste, wie er der Situation Herr werden sollte. Er war ohnehin viel zu schwach im Augenblick, als sich noch zu wehren und kreischte, als sie ihn mit ihrem eigenen Körpergewicht niederzwang. Er versuchte das Mädchen von sich wegzudrücken, sah sie mir roten Ohren und kochender Gesichtsfarbe an. Aber sie umfasste beinah schon gewaltsam seine Arme und zog ihm letztlich das Hemd aus. Und plötzlich war da ein Gedanke, der sich ihm aufdrängte, den er eigentlich gar nicht denken wollte. Er fühlte sich zurück in seinem Traum, und fragte sich, als er sich auf die Lippe biss, wie Ariana wohl nackt aussehen würde. Sein Kopf glühte und er schämte sich schon wieder. Er kreischte weiterhin, kämpfte gegen Arianas Zugriff und hoffte nur, dass sie nicht bemerkte, das sein Körper schon wieder verrücktspielte und auf ihre Nähe reagierte…
 

„Was bist du doch für ein peinlich berührter, verlegener Holzkopf!“, fauchte sie, weil sie natürlich nicht verstand, warum er so ängstlich und kindisch reagierte. Aber der einstige Held der Zeit, der in einer anderen Zukunft einige Dinge verpasst hatte, dachte bloß daran, dass Ariana sehr wohl unheimlich attraktiv war. Und ein triebhafter, männlicher Teil in ihm hoffte, dass sie gleiche Absichten hatte wie Zelda in seinem Traum. Er schluckte wieder, gab auf sich gegen sie zu wehren und legte seine beiden Hände sich schämend über sein Gesicht.
 

„Du musst frische Klamotten anziehen! Jetzt benimm‘ dich nicht wie ein Angsthase!“ Für sie war die Situation weder lustig, noch romantisch, aber sehr wohl für den Jungen, der nicht aufgeklärt worden war. Er konnte nicht begreifen, was hier los war. Erst war er vollkommen erregt wegen dem Traum mit Zelda, dann unheimlich trübsinnig, weil Ariana mit ihm über seine Krankheit diskutiert hatte und nun schlitterte er wieder in ein paar unangenehme, peinliche Gefühle hinein. Sein Gemütszustand fuhr gerade Achterbahn…
 

Sie nahm sich den Kleiderhaufen vom Hocker, machte sich nicht die Mühe aufzustehen und zwang ihn weiterhin mit ihrem eigenen Körpergewicht still zu halten. Sie schüttelte das frische Hemd kurz aus und half dem kränkelnden Link jenes über den Kopf zu streifen. Gerade da fiel ihr an seinem Nacken etwas auf, was sie mehr als stutzig machte. Dort in seiner Haut war ein Mal, welches vorher sicherlich noch nicht da gewesen ist. Ein pechschwarzes Dreieck. Verwundert richtete Ariana ihre gesamte Aufmerksamkeit auf das Mal und war mehr als beunruhigt. Seit wann hatte Link so etwas Seltsames auf dem Nacken?

Er versuchte sich in dem Augenblick aus ihrem Griff zu winden und zappelte. Doch damit brachte er Ariana wieder aus dem Konzept und schnell war das schwarze Dreieck nebensächlich. „Halt still.“ Als er wenige Minuten später fertig bekleidet war, murrte sie: „War das so schwer?“ Sie schüttelte den Schädel und schnürte den Kragen zusammen.
 

Und vielleicht gerade zum richtigen Zeitpunkt, trat William Laundry zurück in den Raum. Er war frisch gekleidet, hatte sich gewaschen und die Haare gekämmt. Er trug zwei Teetassen in seinen Händen und ließ diese beim Anblick der beiden Hylianer in ein und demselben Bett beinah fallen. Er schien gerade den Schock seines Lebens zu erhalten, weil Ariana in ihrem halb zerflederten, weißen Nachthemd auf Link saß und an seiner Bekleidung herumspielte.

„Äh… ich… uhm…“, murmelte er. Will schien vollkommen verdattert zu sein. Sein pubertierender Verstand dachte gerade etwas ganz anderes! Er lief rot an und erst dann begriff auch das schwarzhaarige Mädchen, wie das Ganze auf Will und vielleicht auch auf Link gewirkt haben musste. Auch sie wurde knallrot im Gesicht und hüpfte in einer wahnsinnigen Manie aus dem Bett. Sie räusperte sich und steckte dann Links getragene Kleidung in den Wäschekorb.

„Ich wollte bloß Bescheid geben, dass die Vorlesung bei Aschwheel heute ausfällt. Und der Praxisunterricht bei Newhead beginnt erst später, damit kannst du dich noch etwas ausruhen…“, meinte Will an Link gerichtet und stellte die Teetassen auf den Tisch in der Zimmermitte. „Ich schätze, ich bin gerade zu einem ungünstigen Zeitpunkt zurückgekommen“, setzte er grinsend hinzu. Aber weder Link noch Ariana wollten seine Andeutungen hören.

„Jedenfalls bin ich dann gleich wieder weg. Ich treff‘ mich mit Artus und Robin für ein Schwerttraining. Ihr könnt dann dort weitermachen, wo ihr aufgehört habt!“ Er lachte schurkisch. Genervt pfefferte Ariana einen Stapel Kleidung in seine Richtung, aber Will war schneller und hüpfte mit einem gutmütigen Grinsen aus dem Zimmer und die Kleidung prallte dumpf an die geschlossene Zimmertür.
 

Sie pustete die Luft aus ihren Lungen mit einem genießenden Atemzug aus, rieb sich über ihre Stirn und blickte dann grinsend zu Link, der nachdenklich auf der Bettkante saß. Sie konnte sich keinen Reim aus seinem Blick machen. Er wirkte trotz seiner beängstigenden Worte ungemein zufrieden. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Und als er so dort saß mit diesem unheimlich befreiendem Gesichtszug, welcher weder ein Lächeln darstellte, noch eine schwere Melancholie ausdrückte, sondern einfach nur beruhigt und zufrieden wirkte, trat ihr ein Lächeln auf das ebenmäßige, jugendliche Gesicht. Wenn er das tat, dieser tapfere Gesichtszug, und diesen wissenden, reifen Ausdruck zeigte, war es, als schwebte ihr Herz, als waren da Tausend Feen in ihrer Magengegend. Sie beobachtete ihn gerne in seiner Anmut und seinem Edelmut, in diesem inneren Frieden und seiner Freiheit. Er war wunderschön in diesen Momenten. Vielleicht war das der Grund, warum sie sich von ihm angezogen fühlte und warum sie sich kümmerte, auch wenn sie nicht viel von ihm wusste und er im Gegenzug fast nichts aus ihrer Vergangenheit kannte.
 

„Hey…“, sprach sie leise. „Du bist so nachdenklich, hast du noch Schmerzen?“ Sie setzte sich wieder zu ihm an die Bettkante und rückte ihren Mantel zurecht. Er schüttelte bloß den Schädel, eigentlich fühlte er sich wieder besser. Und es war ein Anfang, dass er auf Arianas Frage nicht patzig reagierte.

„Warum bist du so… so…“, begann er.

Aber sie unterbrach ihn mit einem Lächeln: „Du meinst, warum ich so lieb zu dir bin, was?“ Er nickte, legte seine Hände in den Schoß und starrte zu Boden.

„Das habe ich vorhin versucht dir zu erklären, ich mag dich aus irgendeinem Grund.“

„Hast du nicht bessere Freunde?“, meinte er schnippisch, bereute seine Frage aber gleich wieder. Sie schüttelte den Kopf, ließ sich aber nicht provozieren. „Nein, ich denke, du bist der Beste…“ Link wollte sich vergewissern, sich nicht verhört zu haben und blickte der Schönheit ins Gesicht, versuchte in diese bernsteinfarbenen Augen einzutauchen, bis er den Eindruck hatte, ihm wurde dabei schwindelig.
 

„Du solltest dich noch ein wenig hinlegen“, meinte sie dann, worauf er ebenfalls nickte. Etwas schwerfällig lehnte er sich an sein Bettende.

„Und du solltest zurück in die Mädchenschule gehen“, meinte er dann. Inzwischen hatte er ein schlechtes Gewissen, das er sie aufhielt und sie sich eine Menge Ärger einhandeln könnte nur wegen ihm und seinem Fluch.

„Ich kann aber noch nicht gehen“, sprach sie. „Ich habe das Gefühl, du musst mir noch etwas erzählen.“ Verdutzt beäugte er sie wieder.

„Ich habe letzte Nacht gesehen, dass du eine tolle neue Klinge hast“, meinte sie. Dann lachte sie, aber gähnte auch. „Ich muss mich entschuldigen, ich habe deine Waffe gestern Nacht einfach entwendet.“

„Es ist schon in Ordnung“, meinte er leise und griff nach dem Schwert. Er zog es summend aus der Schwertscheide und betrachtete es im sanften Morgenlicht.

„Ich vermute, die Klinge hat Arn Fearlesst gehört“, sagte Link und deutete auf die beiden Buchstaben, die in des grünlich schimmernde Heft eingearbeitet waren.

„Das ist ja außerordentlich interessant!“, sprach Ariana und klatschte in die Hände. „Mein Vater hat der Familie Fearlesst immer die Waffen geschmiedet, deswegen war ich so neugierig.“

Link sah verdutzt auf. „Wirklich? Dein Vater kannte Arn Fearlesst?“

Ariana nickte zufrieden. „Er hat mir ein paar Geschichten über ihn erzählt“, sprach sie sanft und setzte sich wieder. „Es ist nicht weit zu der Fearlesstschen Ruine. Als die Feste abbrannte und die Fearlessts umkamen, hat mein Vater die Reste der von ihm geschmiedeten Waffen wieder an sich nehmen dürfen. Verrückt ist, dass er jene Klinge nicht finden konnte. Was für ein genialer Zufall, dass sie ausgerechnet in deine Hände gefallen ist. Darf‘ ich kurz?“ Link nickte und überreichte Ariana die schöne Waffe. Sie spielte damit und führte einige Streiche aus und grinste.
 

„Was weißt du noch über die Fearlessts?“, fragte Link leise.

„Arn soll ein sehr rechtschaffener Mann gewesen sein und mein Vater sagt immer, er wäre der beste Mann gewesen, den Hyrule jemals vorgebracht habe. Aber warum bist du so interessiert daran?“

Link steckte seine Hände hinter den Kopf und sprach erklärend: „Nun ja, ich soll mich über ihn informieren. Es ist ein Auftrag für das Allerleitraining bei Newhead. Und warum bist du so neugierig etwas über die Fearlessts zu wissen?“ Links Blick durchbohrte sie fast. „Mmh, das hat gar nicht so edle Hintergründe. Die Ländereien der Fearlessts sind immer noch zu haben und bisher hat der König jene nicht an seine Ritter aufgeteilt. Mein Vater hätte gerne ein kleines Grundstück davon.“

„Die Ländereien der Fearlessts? Waren die so wohlhabend?“

„Nun ja, Tatsache ist, dass die Fearlessts ein sehr altes Geschlecht waren und neben einer stattlichen Burg auch einige Wälder, Felder und Seen in ihrem Besitz hatten.“

„Verstehe… und da es keinen Nachkommen der Fearlessts gibt, sind diese ganzen Ländereien verloren…“, murmelte Link und hatte irgendwie ein komisches Gefühl, als er sich dieser Sache bewusst wurde.

„Mmh, ja, das ist wohl leider nicht zu ändern. Ich glaube mit dem Ende der Fearlessts bleibt eine große Narbe in Hyrule.“

„Vielleicht. Aber es gibt doch andere großartige Ritter“ meinte Link ermutigend.

„Ja, die gibt es sicherlich, wie dich zum Beispiel!“, lachte sie und brachte Link damit zu einem weiteren Herzinfarkt. Einmal mehr wurde er tomatenrot im Gesicht.

„Aber es ist richtig… die Ritter Hyrules sollten dieses Land verteidigen bis zum Blut.“

„Das werden sie auch“, entgegnete er und sein Blick verlor sich am strahlenden Himmelszelt. Nicht ein Wolkenschleier war am Horizont zu entdecken. „Auch wenn sich Welten verändern… Schicksale sterben… die Schönheit Hyrules wird unsterblich sein…“, sprach er edelmütig. Und seine Worte… dieses Pflichtbewusstsein, seine Liebe für das Land Hyrule, erweckten etwas in Ariana, dem sie sich selbst nicht bewusst war. Sie trat näher und streichelte Link über seine rechte Wange. „Das waren die schönsten Worte, die ich in meinem Leben jemals gehört habe“, flüsterte sie und drückte ihm dafür einen kleinen Kuss auf die Wange. „Danke…“
 

Link hatte das Gefühl, seine rechte Wange zerschmolz nach dem kleinen Kuss. Täppisch hüpfte er auf seine Beine, und konnte sich erstaunlicherweise auf diesen halten. Etwas unbeholfen torkelte er zu seinem Schrank und holte das kleine Buch mit dem Dreizehn Schlüsseln hervor, sowie das Armband, welches ihm geschenkt worden war. Wenn sich Ariana so sehr für Hyrules Frieden interessierte und ihr Vater Schmied war, wusste sie vielleicht sogar etwas über diese dreizehn Schlüssel. Immerhin waren diese Gegenstände aus einem sicherlich teuren Metall hergestellt, das ein Schmied vielleicht sogar verwendete. Um sich von dem Kuss abzulenken, und weil er ihr vertraute, drückte Link der Dame mit dem langen pechschwarzen Haar das Buch und auch das Armband in die Hände.
 

„Was ist damit?“, meinte sie verwundert und betrachtete sich zunächst das Armband von jeder Seite. Sie streichelte über das Metall und schien fasziniert zu sein.

„Findest du diesen Gegenstand nicht auch merkwürdig?“, fragte Link und nahm sich eine der Teetassen und trank einen großen Schluck. Ariana nickte und fuhr verträumt über die feinen dunkelblauen Linien in dem kupferfarbenen Metall.

„Es ist beeindruckend“, murmelte sie. „Aber ich habe so ein Metall noch nie gesehen. Du hast wohl gehofft, ich würde es kennen, weil mein Vater Schmied ist, was?“ Link nickte sprachlos. Ariana war nicht nur gerissen und unverschämt, sondern auch schlau…

„Ja, und weil wir letztens darüber diskutiert hatten, erinnerst du dich?“ Sie blickte ihn etwas ratlos an und schüttelte den Kopf. Sie schien sich nicht daran zu erinnern, worum sie ihn gebeten hatte.

„Es war in der Mittagspause, als Ian dein Buch kaputt gemacht hatte. Du wolltest, dass ich mich wegen dem Ring des ermordeten Hausmeisters bei ihm umschaue. Den Ring konnte ich nicht finden, aber dafür dieses Buch.“ Etwas überfordert huschten ihre bernsteinfarbenen Augen zu dem kleinen Taschenbuch und sie schlug die erste Seite auf.

„Die Dreizehn Schlüssel?“, murmelte sie. „Was mag das bedeuten?“

„Ich habe keine Ahnung, ich hatte gehofft, du weißt vielleicht etwas darüber.“

Sie schaute ihm konfus entgegen, was ihm sofort eine entsprechende Antwort gab. Also wusste dieses Mädchen auch nichts darüber. ,Naja‘, dachte er. Einen Versuch war es wert.

„Tut mir leid, Link. Aber ich glaube, hierbei kann ich dir nicht helfen“, erklärte sie. „Aber dass du bei Viktor herumgeschnüffelt hast…“ Und ihr Grinsen wurde schelmisch. „…finde ich ausgesprochen amüsant.“ Sie kicherte ein wenig und legte sich eine Hand an ihre Lippen. Dann gähnte sie ein wenig.
 

„Nun ja, und du vermutest, dass diese Dreizehn Schlüssel eine sehr üble Geschichte sind, oder?“, meinte sie. „Es beunruhigt mich…“, sprach er ehrlich.

„Was willst du deswegen machen?“ Auch sie nahm sich den Tee, den Will ihr zurechtgestellt hatte und trank die Tasse mit einem Mal aus.

Link schaute unsicher zu dem Buch, dann hinaus aus dem Fenster und schließlich in Arianas bernsteinfarbene Augen. „Ich werde Prinzessin Zelda aufsuchen.“ Seine Worte erklangen klar und beherrscht. Er hatte keine Zweifel darüber. Und er vertraute Ariana inzwischen so sehr, dass er ihr auch von seiner Freundschaft zu Zelda erzählen würde. Andererseits wusste doch eh jeder, der die Geschichten um den Helden der Zeit kannte, dass er mit Hyrules Königsfamilie interagierte…
 

Was ihn aber gerade verwunderte, war die Tatsache, dass sich das schöne, sanfte Gesicht des Mädchen auf seine Worte unheimlich erhellte. Sie war nicht überrascht. Es schien beinah so, als schwand die Müdigkeit durch seine Worte.

„Wirklich? Wirst du zu ihr gehen? Wann?“ Sie huschte schnell wie der Wind zu ihm hinüber und lächelte schmuckhaft.

„Ja, ich muss ihr von diesen Dreizehn Schlüsseln berichten, aber ich weiß noch nicht wann genau. Ich will nichts überstürzen…“, erklärte er. Außerdem war er etwas unsicher ihr zu begegnen…

„Das ist gut!“, sprach Ariana aufgeregt. Es schien beinah so, als wollte sie ihn mit aller Macht überzeugen, dass er nicht so lange warten sollte sie zu besuchen.

„Ich weiß nur nicht, wie sie auf mich reagieren wird… und ob sie mich überhaupt sehen will… wir waren einmal Freunde, weißt du…“ Ariana nahm daraufhin seine Hände in ihre und streichelte über seine Finger. „Wenn ihr Freunde wart, warum, denkst du, will sie dich nicht sehen?“

Er seufzte und wand sich ab. Er zog sich endlich seine Stiefel an die Füße. „Ich habe sie enttäuscht…“

„Willst du das nicht sie entscheiden lassen, ob das überhaupt der Fall ist? Außerdem glaube ich nicht, dass sie von dir enttäuscht ist… Du bist ein wundervoller, warmer Kerl. Du kannst gar niemanden enttäuschen.“ Rotwerdend zwinkerte Link einige Male und schnallte sich sein Schwert auf den Rücken. ,Verdammt Ariana machte ihn schon wieder halb wahnsinnig und benahm sich fast wie Zelda‘, dachte er verdrießlich.

„Oh doch… Wenn es anders wäre, würde sie sich nicht so distanziert mir gegenüber verhalten. Sie hat mir nicht einmal von diesen Geschundenen der Macht erzählt, obwohl diese Sekte mich angegriffen hat!“

Ariana sah trübsinnig zu Boden. „Vielleicht wollte sie dich nicht beunruhigen… oder beschützen…“

„Aber ich will nicht von ihr beschützt werden… das ist nicht richtig herum… ich sollte sie beschützen…“ Daraufhin lächelte das Mädchen unglaublich schmuckhaft. Sie hüpfte zu ihm hinüber. „Ich könnte dir dafür, dass du so heroenhaft auch Mädchen gegenüber bist, noch einmal einen Kuss geben, aber das hältst du dann sicherlich nicht aus.“ Sie lachte einmal mehr und zog den Jungen schließlich in eine herzliche Umarmung. Sie drückte seinen Kopf auf ihre Schulter und streichelte seinen Rücken.
 

„Ich werde mich über diese Schlüssel informieren…“, sagte sie. „Und du, werde wieder gesund, du dussliger Held. Und besuche irgendwann die Prinzessin, aber erst, wenn du wieder einigermaßen fit bist.“ Sie löste sich aus der Umarmung und sprang unheimlich zufrieden, beinah glücklich zu der Zimmertür, obwohl sie hundemüde aussah. Und bevor sie verschwand, sprach sie noch zuversichtlich: „Wenn irgendetwas sein sollte, was dich beschäftigt, dann kannst du gerne in der Mädchenschule vorbeischauen… Ich werde dich unterstützen, egal, was du tust…“

Er sah ihr verdattert hinterher und brachte zumindest ein kleines Grinsen zustande und das, obwohl er einen Fluch auf dem Hals hatte und er sich bemuttern hatte lassen. Er fühlte sich besser, selbst nach den beunruhigenden Gedanken letzte Nacht. Was sollte er auch tun? Er war schon so oft mit dem Tod konfrontiert, vielleicht war deshalb der Gedanke, dass seine Krankheit zum Tode führen könnte, nicht erschreckend für ihn. Und vielleicht war er bald auch wieder in der Lage von Zelda etwas mehr Nähe, so wie in seinem Traum, zuzulassen…
 

Und so zogen in der traditionsreichen Ritterschule weitere Tage vorüber. Der Unterricht in den verschiedenen Fächern wurde sogar für den kränkelnden Link immer interessanter. Vor allem die Stunden bei Newhead brachten neue Erfahrungen und Aufregung unter die neugierigen Schüler. Der Kurs der Höhen, den Newhead im Freien mit den Jungspunden durchführte, war einer von den nervenaufreibenden Erlebnissen, die selbst auf Link ein leichtes Lächeln brachten, selbst wenn er nur bedingt teilnehmen konnte. Denn im Kurs der Höhen ging es darum Höhenangst zu überwinden. An Seilen mussten sich die Jungs an Wänden hinaufziehen, mussten über eine tiefe Schlucht und wackelnde Brücke hetzten und sie wanderten zu einem gigantischen Turm in der Nähe Lyriellens, der nahe gelegenen Stadt. Selbst der Magieunterricht bereicherte den einstigen Helden und tatsächlich konnte er unauffällig, mit sanfter Kontrolle, Fortschritte im Kontrollieren seines Fragments erreichen, auch wenn er noch weit davon entfernt war die goldene Macht in seinem Körper zu beherrschen. Manchmal konnte er Ariana im Hof sehen, die ihm ein leichtes Lächeln schenkte. Und nach wie vor behandelten ihn die meisten Ritterschüler bis auf Ian und seine Gang mit Respekt und Achtung. Sir Viktor versuchte natürlich weiterhin mit Provokation und Beleidigung gegen Link vorzugehen, aber auch seine Gemeinheiten lernte Link wegzustecken. Und so verflog die Zeit, bis vom entfernten Firmament ein alter Gott Hyrules den Winter ankündigte. Und rein und erhaben fielen Schneekristalle, glitten sanft zu Boden und erinnerten an den Lauf des Lebens…

Verräterische Wolken

Lieben Dank an diejenigen, die KgdS noch immer verfolgen. ^__^

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Kapitel 32: Verräterische Wolken
 


 

Weit entfernt von der prachtvollen, alten Ritterschule, und noch weiter entfernt von Hyrules blühender Hauptstadt, fern im Westen in einem kahlen Land ohne Namen, zogen garstige abgemagerte Krähen nieder und kreischten mit entsetzlichen Stimmen, als wollten sie den Stützpunkt an der Grenze auslachen. An jenem Stützpunkt, ein hässlicher, eisenbeschlagener Turm, waren einige Soldaten und Ritter stationiert und auch Valiant von Hyrule war unter ihnen. Sie bemerkten in jener wolkenverhangenen, garstigen und Schnee treibenden Nacht nicht die wenigen ruhelosen Kreaturen und Geschöpfe des Bösen, die mit einer neuen, realitätsverschleiernden Macht in das blühende Königreich einmarschierten. Denn augenscheinlich war alles still und friedlich. Augenscheinlich gab es nichts, wovor man sich fürchten musste, oder was den Frieden im goldenen Land schmälern und bedrohen würde. Aber hinter den Maskeraden der Welt, verborgen hinter den Schatten, brodelten Urkräfte, die nur auf einen günstigen Zeitpunkt warteten.
 

Die Angreifer zogen weiter, im Visier eine kleine Villa, in der eine adlige, hylianische Familie wohnte. Erst vor einem schützenden Eisentor gaben sie sich preis. Kreaturen des Bösen mit schweren Rüstungen und blutdurstenden Waffen auf nackten Wölfen und gefräßigen, monströsen Wildschweinen. Ein einfacher Soldat auf dem einzigen Turm des Anwesens kreischte und wollte die Bewohner warnen, wurde aber sogleich von einem riesigen Vogel mit scharfen Krallen angegriffen. Mit voller Wucht stießen die Krallen nieder, senkten sich in den jungen Schädel des Soldaten, rissen den ganzen Körper auseinander, als bestand er aus Seide. Mit einem dumpfen Schlag landeten die Überreste des Mannes im Innenhof. Sein Blut befleckte das wenige Pflastergestein und kündigte das Blutbad an, das folgte…
 

Als die dämonischen Ableger das sicherlich stabile Tor mit einem explodierenden Gemisch aus den Verankerungen rissen, wachten die wenigen Hylianer in dem Gebäude aus dem letzten Schlaf, den sie in diesem Leben haben würden. Donnernd stapften die Kreaturen in den Innenhof, folterten und mordeten, was ihnen in die Quere kam. Drei Männer in Rüstungen und mit hylianischen Schwertern und Schilden bewaffnet stellten sich ihnen entgegen, aber hatten keine Chance gegen die monströsen und zähnefletschenden Reittiere, die mit voller Wucht und riesigen Mäulern auf sie niederprallten. Zermürbende, qualvolle Schreie gingen im Innenhof unter, als ein Dämon mit schwarzer Kutte und galligen, teuflisch roten Augen von einem nackthäutigen Wolf sprang, mit einer raschen, unmenschlichen Bewegung seine zackige Klinge durch einen weiteren Soldaten wandern ließ und sich das Blut von der Klinge leckte. Und innerhalb weniger Minuten war die gesamte Villa auf die mörderischste und grausamste Weise von lebenden Hylianern gereinigt. Keiner wurde am Leben gelassen. Selbst Frauen und Kinder wurden niedergemetzelt. Der Dämon von vorhin trampelte über die Reste eines alten Mannes, packte den sterbenden Hylianer am Kragen und riss ihm mit einer brutalen Geste den Kiefer auseinander. Der Dämon lachte bestialisch, als er einen blutbefleckten Zahn in der Hand hielt, der im schwachen Licht ausglühender Fackeln kupfern schillerte. Er lachte lauter und steckte sich den Zahn in eine Gürteltasche. Es würde lange dauern, ehe jemand dieses Blut am Rande Hyrules entdeckte. Und der Dämon war sich sicher, dass niemand um seine fatalen Pläne wusste.
 

Und in dem Bunde der Angreifer, gefesselt und geknebelt, abgemagert, saß ein junges Mädchen mit kastanienbraunem Haar auf einem Karren. Sie winselte und lachte abwechselnd… und sang unter ihrem Wimmern ein anmutig klingendes Lied, das man oft in der Nähe der Lon-Lon-Farm gehört hatte. Sie sang von den Heroen, die Hyrule ins Licht geführt hatten, aber sie sang ihre Melodie wahnsinnig und geschändet…
 

„In Teufelsküche, dort lebt der Geschmack,

das Fleisch der Helden wird dort gehackt.
 

Kommt trinkt mit uns den leckersten Wein,

das Blut der Helden, schenket uns ein.
 

Im blutenden Hyrule, seht unsere Macht,

die Helden, sie fallen, lacht und lacht.“
 

Gerade in jener unheilvollen Stunde saß die Prinzessin der Hylianer in der riesigen Schlossbibliothek. Sie trug eine Lesebrille auf der Nase und hatte sich einen violetten Umhang umgeworfen. Niemand vermutete sie zu der späten Stunde in der Bibliothek, aber sie wollte schließlich immer noch herausfinden zu welcher Ritterfamilie der Held der Zeit gehören könnte. Und dieses Vorhaben hatte sie in den letzten Wochen um einige Stunden Schlaf gebracht. Die nächste Sache, die sie beunruhigte, war das seltsame anorganische Wesen in Professor Morchas Leichenhalle. Aber zu jenen Geschöpfen hatte sie bisher keine nutzbringenden Hinweise auftreiben können.
 

Die Fackeln in der alten Schlossbibliothek rauchten und loderten wild, flackerten, als die Prinzessin mit einem Gefühl der Unruhe einen bestimmten dunklen Fleck in den alten Räumen anstarrte. Sie dachte, dass sie alleine war. Aber für einen schwindenden, gefährlichen Augenblick, als die Fackeln unruhig vor sich hin prasselten, durchfuhr sie ein Stich, als wäre etwas Grausames geschehen. Und Zeldas Instinkte, Böses zu spüren, Grausames zu erahnen, hatten bisher niemals gelogen. Nervös erhob sie sich, warf in einem unachtsamen Moment die Kakaotasse um, die auf dem Tisch stand, und das heiße Getränk lief triefend über einige Stammbaumrollen, die auf dem Tisch lagen. Die junge Adlige fluchte und schob reflexartig die vielen Schriftrollen zur Seite. Und eine jener Rollen fiel mit einem brüchigen Klacken zu Boden. Sie schüttelte ihren hübschen Kopf und hob jene Rolle vom Boden auf. Es war ein altes Wappen mit zwei Schwertern in rotes Siegelwachs eingedrückt und die Rolle war schwer und dick. Etwas neugierig über den Inhalt, öffnete die Prinzessin das kostbare Stück und war überrascht über eine alte, vergilbte Schrift. Es war ein sehr wertvolles Dokument, über eine berühmte, traditionsreiche Familie in Hyrule. Ein Geschlecht, das vielleicht so alt war wie Hyrule selbst und welches viele namhafte und ehrenvolle Männer und Frauen hervorgebracht hatte. Der König des Landes hatte sehr oft über diese alte Ritterfamilie geredet und oftmals wirkte er sehr traurig, wenn er an jenes Geschlecht dachte…
 

Mit einem geruhsamen Lächeln in ihrem ebenmäßigen Gesicht fuhr die Prinzessin des Schicksals über die alte Schrift, las einen Namen, der für Edelmut und Rechtschaffenheit stand mit Bedacht.
 

,Die Fearlessts‘, dachte sie mit Ehrfurcht.
 

Neugierig las sie in dem Dokument und blätterte bis nach unten, fand nach dem letzten Ritter Arn Fearlesst keinen weiteren Eintrag, obwohl es hieß, dass er und seine Gattin einen Nachfahren gehabt haben sollen. Vermutlich wurde das Kind, das er gezeugt hatte und welches den Tod fand, nicht einmal aufgeführt. Auch Lassario Laundry hatte sich sofort nach Anreise in Hyrule darüber informiert und darum gebeten, das Grab sehen zu dürfen. Etwas stutzig überflog Zelda den Stammbaum, erklärte sich diesen Umstand aber so, dass in der damaligen kriegsträchtigen Zeit wohl niemand in der Lage war die Stammbäume weiterzuführen. ,Es war schade‘, urteilte sie. ,In einer solchen Familie wäre Link wohl bestens aufgehoben‘, dachte sie grinsend. Sie wollte den Stammbaum gerade wieder zusammenrollen, als ihr aber bei den Vorfahren der Fearlessts etwas Interessantes auffiel. Der Nachfahre der Fearlessts war nicht aufgeführt, aber einer der Vorfahren von Arn Fearlesst hörte auf den Namen Link…
 

Misstrauisch ließ die junge Schönheit ihre saphirblauen Augen auf dem Pergament ruhen und fragte sich, ob dies mehr als nur Zufall war…
 

Das Feuer der raschelnden Fackeln und zerfließenden Kerzen flackerte unruhig und für wenige Sekunden unbändiger als vorher, als fürchtete es sich. Auch der Prinzessin lief eine Gänsehaut über den Rücken und ihre Augen huschten unsicher ein weiteres Mal zu dem Fleck in der Dunkelheit, den sie vorhin beobachtet hatte. Nun nicht mehr sicher, ob sie tatsächlich alleine war, stützte sie sich mit beiden Händen auf dem Tisch ab und wollte gerade aufstehen, als sich eine eisige, schlanke Hand schnell und agil auf ihre Schulter und eine weitere auf ihren kirschroten Mund legte, um einen überraschten Schrei zu verhindern. Zelda zappelte, bis eine beruhigende und bekannte Stimme erklang und sie beschwichtigte.

Außer Sinnen wand sich die Prinzessin um ihre eigene Achse und sah eine warmherzige, wenn auch immer kriegerische und kampfbereite Gestalt vor sich stehen. Sie trug eine stahlgraue Rüstung, schien bis an die Zehen bewaffnet zu sein. Ihr kurzes, graues Haar war gewachsen und unordentlich. Ihre durchdringenden, roten Augen schienen wachsam, aber auch gezeichnet von grausamen Erlebnissen. Überhaupt sah jene Person abgekämpft und ermüdet aus.
 

„Impa!“, rief Zelda erschrocken. Ihre ernste Miene erhellte sich zunehmend. Sie war froh ihr Dienstmädchen vor sich zu sehen, zeigte aber auch eine ergreifende Mimik angesichts Impas scheinbarer Erschöpfung. Die Shiekah führte einen Zeigefinger an ihre grau bemalten Lippen und deutete der Prinzessin an sich leise zu verhalten. „Redet bitte leise, Prinzessin.“

Den Wink sofort verstehend, löschte Zelda einige Kerzen mit etwas Handmagie und unterhielt sich mit ihrer Vertrauten im Flüsterton.

„Ich bin erfreut dich zu sehen, Impa“, murmelte Zelda und lächelte. „Aber was ist mit dir geschehen?“ Die junge Adlige musterte ihre Vertraute mit Bedenken.

„Ich habe Euch einiges zu berichten, auch weniger erfreuliche Tatsachen und Dinge, die nicht für fremde Ohren bestimmt sind. Daher wäre es besser, wir unterhielten uns an einem sicheren Ort.“ Misstrauisch beobachtete Impa die Ecken und verborgenen Schlupfwinkel in der noblen Bibliothek. Die Königstochter nickte lediglich und teleportierte sich mit Impa gemeinsam zurück in ihre eigenen Gemächer. Sie entzündete nur eine Kerze in ihrer kleinen, runden Lesestube. Lediglich ein hoher runder Tisch, sowie einige Regale mit dicken Wälzern befand sich dort. Zusätzlich schob die Adlige die großen, schweren Gardinen vor die hohen Fenster, sodass niemand sie zu dieser späten Stunde wach sah. Sie bat Impa einen Platz an, den sie seufzend annahm. Es schien, als fiel in dem Augenblick der stolzen kampferfahrenen Frau, wo sie wusste, mit der Prinzessin alleine zu sein, und wo sie sich in einen bequemen Sessel sinken ließ, eine Last von der Seele.
 

Zelda studierte das Verhalten ihrer Hofdame zweifelnd. Es war lange her, dass sie die Shiekah so furchtsam und vorsichtig erlebt hatte. „Ich bin nur hier um Euch über verschiedene Inhalte zu informieren. Ich werde in wenigen Stunden wieder abreisen“, erklärte sie.

„Warum das?“, fragte Zelda verwundert.

„Ich fürchte, ich wurde vor einigen Tagen verfolgt. Und ich vermute, es gibt jemanden, dem es von besonderen Interesse ist, dass gewisse Inhalte nicht an Eure Ohren dringen.“ Zelda blinzelte und nahm angespannt gegenüber der weisen Frau Platz.

„Ich konnte meine Verfolger abschütteln, ich weiß nicht einmal, wer jene waren, oder mit welchem Sinn sie mir hinterher spionierten, aber ich habe das Gefühl, ich weiß mittlerweile einige Dinge, die niemand wissen sollte. Es wäre nicht klug, dass ich mich länger an einem Ort aufhalte.“
 

Zelda atmete tief ein, rieb sich ihre schmerzende Stirn und fühlte sich etwas unpässlich Impa in diese riskante Situation gebracht zu haben.

„Verzeih‘ mir Impa, als ich dir den Auftrag gab durch Hyrule zu reisen und Wissen über die Geschundenen einzuholen, scheine ich voreilig gehandelt zu haben… und ich habe dich in eine schwierige Lage gebracht.“

Doch die Hofdame schüttelte banal ihren Schädel und legte ihre langen, schlanken Hände auf jene der Prinzessin. „Nein, es scheint, als habt Ihr einmal mehr Eure Aufgabe erfüllt. Es ist richtig und notwendig, dass die Königsfamilie den Plänen und widerwärtigen Taten dunkler Bündnisse auf die Schliche kommt. Wir mussten immer Opfer bringen, Prinzessin. Nicht nur in dieser Zeit…“ Zelda lächelte mitfühlend und schloss ihre saphirblauen Augen.

„Dennoch… ich scheine immer diejenigen, die mir wichtig sind, in gefährliche Situationen zu bringen… es macht mich wütend und traurig.“

„Das braucht es nicht. Ich bin eine Shiekah, und wir Schatten wussten uns immer zu wehren und wir bezahlten unsere Treue gegenüber Hyrule immer mit Blut und Tränen. Zelda, bereut nicht zu viel. Es lohnt nicht. Es ist der richtige und einzige Weg.“ Das Mädchen blickte schräg seitwärts und spürte das belehrende Ausmaß ihrer eigenwilligen Handlungen und Aufträge, spürend, dass es so bestimmt war. Aber es fühlte sich einmal mehr nicht so an, als waren ihre Entscheidungen edel und weitsichtig. Zelda hoffte so sehnlichst einmal Entscheidungen ohne die daran geknüpften Opfer fällen zu können. Aber dies würde wohl ein Wunschtraum bleiben.
 

Das Wachs tropfte langsam von der einzelnen lichtspendenden Kerze, als Zelda der Bedeutung dieses Treffens mit Impa gewahr wurde. Das, was ihre Hofdame berichten würde, sollte Konsequenzen vor allem für das Gute in Hyrule haben.

„Und was konntest du herausfinden? Welches Wissen scheint so gefährlich, das man dich verfolgte?“, fragte die Prinzessin neugierig.

Impa seufzte und schloss ihre Augen. „Die Dämonengeschlechter unseres Landes sind in Aufruhr. Es scheint sogar Konflikte zwischen Moblins und Knochendämonen zu geben, da beide hinter bestimmten Gegenständen her sind.“

„Hinter bestimmten Gegenständen?“ Das hübsche Gesicht der Prinzessin verzog sich vor Erstaunen. Sie wirkte angespannt und deutlich betrübt.

„So lasst mich erklären, Zelda“, legte die Shiekah dar. „Mir ist bewusst, dass Ihr beunruhigt seid.“ Zelda nickte und seufzte. Ja, sie war in den letzten Tagen etwas durcheinander, aber vor allem, weil sie sich immense Sorgen um Link machte… und weil sie seine Nähe vermisste. Normalerweise hatte Zelda ihre Schwächen im Griff, in den letzten Wochen jedoch, mit dem Angriff auf sie selbst, sowie die Ungewissheit, was mit Link los war, hatte sie einen Teil ihrer Stärke eingebüßt. Selbst Impa bemerkte dies…
 

„Es ist nicht nur das… ich habe dasselbe Gefühl in mir wie damals, als Ganondorf hinter dem Triforce her war. Dasselbe ungute, erdrückende Gefühl, dasselbe Gefühl der Machtlosigkeit…“, sprach sie und beobachtete das Kerzenlicht. „Mir ist nicht wohl dabei, was in Hyrule vor sich geht.“

„Auch die letzten Überlebenden der Shiekah sind aufgewühlt, Prinzessin. Und wir spüren dasselbe namenlose Grauen wie Ihr. Selbst vor wenigen Minuten scheint in Hyrule etwas Dunkles geschehen zu sein…“

„In dieser Nacht wurde zu viel Blut vergossen…“, murmelte die Königstochter. „Mir war es vorhin bewusst… ich weiß nur nicht wo und warum…“

„Nun, das Warum liegt vielleicht in etwas, was ich euch erklären kann“, sprach Impa förmlich. Zelda sah mit einem handlungsbereiten Funkeln in ihren Augen auf. „Du meintest, es geht um bestimmte Gegenstände, hinter denen Dämonen her sind.“

„Korrekt.“
 

Die blonde Adlige erhob sich und tapste in ihrem langen Umhang, der auf dem Boden entlang schleifte, zu ihrer kleinen Bar und nahm sich frisches Wasser aus einem Krug.

„Um welche Gegenstände handelt es sich?“

„Man nennt jene die Dreizehn Schlüssel, zumindest sagten meine Informanten dies…“, meinte Impa. Sie trat zu der Fünfzehnjährigen und nahm sich ebenfalls eine Tontasse Wasser. Sie konnte Zeldas Blick im schwachen Kerzenlicht sehen. Und ihr Blick war gefasst, aber auch resigniert.

„Ihr wirkt nicht überrascht?“, meinte die Hofdame. Zelda schüttelte abtuend ihren Kopf.

„Das bedeutet, Euch sind diese Schlüssel ein Begriff?“

„Nicht gänzlich, ich habe bereits davon gehört und einer jener Schlüssel befindet sich in der königlichen Schatzkammer…“, meinte sie leise und nahm wieder Platz. Sie stützte ihren Kopf in die Hände und schien zu grübeln.

Impa nahm einen kräftigen Zug aus der Tontasse und wischte sich das Wasser von den Mundwinkeln. „Auch scheint es, dass die Geschundenen der Macht, die sich gut zu verstecken wissen, fast so, als wandelten sie zwischen den Welten, ebenfalls Interesse an jenen Schlüsseln tragen.“

„Das habe ich fast schon vermutet. Wissen deine Informanten wozu jene Schlüssel geschmiedet wurden?“ Die kampferprobte, muskulöse Frau schüttelte enttäuschend den Kopf. „Aber ich weiß es…“, sagte Zelda dann. Verdutzt sah Impa auf. Und es war höchst selten, dass Impa von etwas überrascht werden konnte.

„Einst zu einer alten Zeit existierte ein Gegenstück zu der reinsten und heiligsten Waffe Hyrules, bis zu einem Tag, dass man jene Klinge versiegelte. Ich habe die Befürchtung, jemand ist hinter dieser Waffe her.“ Und je mehr Zelda beinah tonlos sagte, umso entsetzter wurden Impas glutrote Augen.

„Woher habt Ihr diese Kenntnis?“, sprach die Vertraute streng. Sie fokussierte Zelda verdutzt, und verschränkte ihre Arme. Sicherlich hatte die Prinzessin schon immer ihre Prophezeiungen. Sie besaß das zweite Gesicht. Aber dass Zelda auch bei diesem Thema einmal mehr Wissen kundtun konnte, verblüffte Impa. Hinzu kam, dass auch der Shiekah nicht entging, dass sich Zelda sorgte, dass Zelda irgendwie nicht dasselbe, sonst so temperamentvolle Mädchen war. Wo nur war ihre Energie und Lebenslust, die Impa sonst immer so deutlich wahrgenommen hatte?
 

Zelda seufzte und schloss die Augen. „Wie du weißt, habe ich meine Informationsquellen. Es gibt schließlich andere Wege und noch mehr Völker in Hyrule als die Shiekah oder Hylianer…“

„Und was wollt Ihr mit diesem Wissen tun, Prinzessin? Wenn jemand hinter der dunklen Klinge her ist, müssen wir jene Person daran hindern.“ Zelda runzelte die Stirn und setzte einen Zeigefinger an ihr Kinn.

„Das verkehrteste, was wir tun können, ist, diese Schlüssel zusammen zubringen. Niemand weiß um den Schlüssel in der Schatzkammer des Schlosses. Wir können zumindest diesen schützen. Was mit den anderen ist, weiß ich im Moment nicht…“ Sie ließ ihren hübschen Kopf hängen und legte eine Hand auf ihr Herz.

„Habt Ihr wenigstens einen Verdacht, wo sich die anderen Schlüssel verbergen, Prinzessin?“ Und Impas scharlachrote Augen leuchteten auffordernd in ihre Richtung.

„Einige scheinen wohl bereits in Dämonenbesitz, fürchte ich…“, sagte sie deprimiert. „Ich weiß nicht, was ich in dieser Situation tun kann. Ich ging schon einmal zu weit mit voreiligen Entscheidungen. Manchmal jedoch ist es besser, die Dinge im Unklaren zu lassen…“
 

Aber mit der Antwort schien sich Impa nicht zufrieden zu geben. Zeldas momentane Unsicherheit machte sie misstrauisch. Sie wusste doch sonst immer, was zu tun war und sie wusste auch sonst immer mit ihrem Dickschädel durch Wände zu gehen. Die Hofdame trat näher und legte der Prinzessin mitfühlend eine Hand auf die Schulter.

„Das sieht Euch nicht ähnlich. Es geht um jemanden, den Ihr mögt, nicht wahr?“, bohrte Impa nach.

Die zukünftige Herrscherin sah missbilligend auf. „Was meinst du?“

„Zelda!“, murrte Impa streng, kniete nieder und hob das spitze Kinn der Prinzessin in die Höhe. „Ich kenne Euch seit fast sechzehn Jahren. Ich spüre sehr deutlich, wann es Euch nicht gut geht. Und es geht Euch nicht gut! Aber wohl nicht wegen der beunruhigenden Nachrichten. Da ist etwas anderes, das Euch belastet!“

Zelda verdrehte ihre Augäpfel. Dann streichelte sie das Triforcefragment der Weisheit auf ihrem rechten Handrücken. Sie konnte Link seit Tagen nicht mehr spüren, es war wie, als war Zelda ohne diese Fähigkeit nicht sie selbst…
 

„Es geht um den Heroen… daraus konntet Ihr noch nie ein Geheimnis machen“, meinte Impa kopfschüttelnd. Und weil Zelda bockig dreinblickte und allein dieser Satz ihre Angriffslust zu wecken schien, wusste die Shiekah, dass sie den Pfeil ins Schwarze getroffen hatte. Die blonde Adlige hüpfte auf, knallte ihren Umhang nieder, stand nur noch mit ihrem weißen, langen Nachtgewand im Raum und klapperte dann mit den Schuhen. „Darum geht es jetzt nicht!“, murrte Zelda beleidigt. „Es geht nicht um Link… er-“

„Oh doch!“ Und Impa nahm Zelda das Wort. „Leider muss ich Euch mitteilen, dass ich Euch noch mehr zu berichten habe… und ich schätze, wenn ich Euch dies sagte, könntet Ihr vielleicht das Vertrauen in Link verlieren.“

Zelda zwinkerte und ihr wich die Farbe aus dem hübschen Gesicht. „Was meinst du?“ Noch ehe die Hofdame weiter argumentieren konnte, sprach Zelda stolz und standhaft: „Nie und nimmer würde ich das Vertrauen in Link verlieren. Und wenn er sich in das widerwärtigste Aas verwandeln sollte und sich wie der herrischste, kälteste Hylianer überhaupt verhalten würde… ich würde ihm immer vertrauen. Und wenn er mich verletzt, egal mit Worten oder Taten… ich würde immer zu ihm halten. Link hat ein reines Herz, wage es nicht das Gegenteil zu behaupten!“
 

Aber Impa schüttelte angesichts Zeldas festgefahrener Meinung über Link den Kopf. Die Thronfolgerin sah so viel Gerechtigkeit auf der Welt, und so viel Schändliches. Aber wenn es um den Helden der Zeit ging, so schienen ihre Sinne vernebelt.

„Wenn Worte Euch nicht stutzig machen können, dann müssen Aufzeichnungen den Beweis bringen“, sprach Impa. Und es war dann, dass sie die Splitter eines zerstörten Gesteins aus ihrer magischen Tasche schüttete und auf dem Tisch vor Zeldas Nase ausbreitete. Und es waren Splitter, die der Prinzessin durchaus vertraut waren.

„Erinnert Ihr Euch an die Mythensteine der Shiekah, welche überall im Land verteilt sind?“

„Sicherlich tue ich das“, murmelte die Thronerbin trocken, wollte sie doch nicht verstehen, worauf Impa hinauswollte.

„Dies sind die Überreste eines Steines, der nahe der westlichen Grenze stand. Es bedarf einer besonderen Macht einen jener heiligen Steine zu zerstören, und nicht jeder weiß um verborgene Fähigkeiten jener Steine. Lediglich die letzten Shiekah sind in der Lage weitaus drastischere Fähigkeiten zu aktivieren.“

„Jetzt rede nicht um den heißen Brei, Impa.“ Und Zelda verlor mehr und mehr die Geduld. „Sag‘ endlich, was du mir unterbreiten willst und mach‘ kein Geheimnis mehr daraus.“ Die Prinzessin wurde zunehmend launisch und missmutig. Es war kein Wunder. Der Gedanke, dass selbst Impa anfing Links Fähigkeiten zu untergraben und seine wahre Natur in Frage zu stellen, löste etwas in ihr aus, das sie lange nicht gefühlt hatte…
 

Impa schloss ihre rubinroten Augen und ließ furchtsame Worte über ihre bemalten Lippen gleiten: „Die Splitter jenes Gesteins machen nicht nur Vorhersagen, sondern speichern ebenfalls Geschehnisse, speichern Bilder über Ereignisse, die in der näheren Umgebung stattgefunden haben. Und ich aktivierte sie, bezeugte Schreckliches, Blutrünstiges und Verdorbenes.“ Der bange Klang in ihren Worten verriet, dass sich die Shiekah vor der Wahrheit, die ein Mythenstein zweifelhaft wiedergab, zu fürchten schien. Sie wollte nicht glauben, was die Steine erzählten, wollte ihren eigenen Sinnen nicht mehr trauen. Aber es existierten Wahrheiten in Hyrule, die man nicht beschmutzen konnte.
 

„Seht selbst…“, murmelte Impa noch, ordnete die Splitter an und faltete ihre weißen Hände. Ein glitzernder Schein entsprang dem verzauberten Gestein und als der Zauber seinen Höhepunkt erreichte, verschwammen die Lichter zu immer plastischeren Bildern. Und es waren Bilder der Qual und des Leids, Bilder, die ein Sterblicher kaum ertragen konnte. Bilder, die Seelen folterten und zerfraßen…
 

Zelda beugte sich über die Erzählung des Mythensteins und je mehr sie sah, umso mehr zweifelte sie an allem, was sie über sich selbst und ihre Ideale wusste…
 

„In der dunkelsten Stunde eines Tages, als weder ein beschützender Mond noch bezeugende Sterne dem Himmel ein Gesicht verliehen, erstickte hylianische Grausamkeit das wenige Leben, das in einem unbeachteten, ruhmlosen Dorf an der westlichen Grenze Hyrules gewöhnlichen Tätigkeiten nachging. Nur wenige Häuser standen dort aneinandergereiht. Ein Brunnen spendete Wasser, das sich bereits blutrot gefärbt hatte. Eine kleine Kneipe bewirtete wenige Männer, die mit aufgeschnittenen Bäuchen vor ihren Mahlzeiten saßen. In den Leibern steckten Pfeile und Dolche. Im ehrfürchtigen Gotteshaus lagen Gliedmaßen und rinnendes Blut bedeckte die Statuen der Göttinnen Din, Nayru und Farore. Und über die wenigen, wimmernden und winselnden Leiber, die ihre letzten Atemzüge nahmen, trampelte ein junger Mann mit einer blutbeschmierten, waldgrünen Tunika und einem lechzenden Schwert in seiner linken Hand hinweg. Auf seinem Handschuh leuchtete strahlend ein gleißendes Triforcefragment, dessen Magie das letzte Leben zu Staub zerstieß. Er lachte wahnsinnig, ließ seine Waffe tanzen und schändete den heiligen Ort. Und in seinen tiefblauen Augen loderte ein wahnsinniges Feuer der Gier und Brutalität. Augen ohne Mitgefühl und Reue. Augen voller Hass und Tod…“
 

Als die Bilder verblassten starrte Zelda leblos zu den Splittern. Jegliches Gefühl der Wärme und Sicherheit war mit diesen Bildern in ihr zerbrochen. Sie zitterte, legte ihre Hände auf ihre weinroten Lippen und wimmerte. Tränen standen in ihren Augen. Brennende Verzweiflungstränen…

Schreckhaft wich die Prinzessin zurück, lehnte sich an die hinter ihr vorhandene Steinwand und verkrampfte sich. Ihr war übel und um sich nicht übergeben zu müssen, umfasste sie fest ihren Bauch. Sie schluckte, traute sich nicht ihre saphirblauen Augen zu schließen, aus Angst noch einmal diesen wahnsinnigen Blick aus Links Augen ins Gedächtnis zu rufen. Jene Bilder hatten das Urvertrauen, das Zelda in sich selbst und ihre Welt hatte, auf die gefährlichste Weise erschüttert…
 

„Prinzessin…“, sprach Impa reumütig. Sie wollte es ihr ersparen, aber dennoch hatte sie keine Wahl als ihr diese Bilder zu zeigen. Sie sprach ihren Namen nachdrücklich, aber das Mädchen reagierte lethargisch und griff sich mit den Händen an die Stirn.

„Zelda…“, sagte Impa lauter. Und als die Königstochter ihre so sanftmütigen und wissensdurstigen Augen öffnete, bezeugte die Shiekah den desolatesten Blick, den Zelda jemals zuließ. Und sie antwortete nicht. Weitere Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie zweifelte. An sich. An Impa und sogar an Link…
 

„Das kann nicht sein…“, sprach sie schwankend. „Das muss ein Irrtum sein… Link würde niemals… er würde nicht…“

Auch Impa schluchzte und ballte ihre Fäuste. „Zelda…“

„Das ist nicht wahr, Impa. Ich werde das nicht glauben!“ Aber Zeldas Blick verriet traurige Zweifel…

„Die Steine lügen nicht…“, versuchte die weise Frau zu schlichten. „Auch die Zeit lügt nicht, Prinzessin. Dieses Dorf wurde vor nicht ganz einem Jahr angegriffen und ausgerottet. Erinnert Ihr Euch? Ihr habt Valiant von Hyrule dorthin geschickt um die Untersuchungen zu begleiten.“ Die Prinzessin nickte fahl und sackte in sich zusammen. Schluchzend hockte sie auf dem Boden und versuchte ihre Gedanken zu sortieren. Fürsorglich nahm Impa den violetten Umhang und legte diesen um die Schultern des Mädchens.

„Zelda, ich wollte Euch damit nicht überfahren…“, murmelte die Hofdame.

Mit rotgeriebenen Augen sah Zelda wieder auf und wischte sich die letzten Tränen von den Wangen. „Es ist in Ordnung, Impa, ich muss das erst verarbeiten…“

„Wenn es Euch hilft, ich kann es mir bis jetzt noch nicht erklären. Ich kann mir nicht vorstellen, das Link dies getan haben soll. Nur kann es kein Zufall sein, dass ausgerechnet jener Mythenstein, der Link beobachtete, zerstört wurde. Vielleicht wollte er seine Spuren verwischen.“
 

Aber Zelda schüttelte aufsässig ihren hübschen Kopf. „Woher wollen wir wissen, ob nicht vielleicht ein anderer den Stein zerstört hat, der dies alles irgendwie manipuliert hat. Vielleicht war Link nicht er selbst… nicht Herr seiner Sinne… vielleicht…“ Aber je mehr Zelda versuchte die Dinge schön zu reden, sich zu erklären, umso mehr Zweifel kamen letztlich auf. Link hatte unzählige mentale Barrieren. Es konnte nicht sein, dass ihn jemand so lange und auf solche Weise manipulieren konnte. Und es konnte auch kein Doppelgänger sein. Das Fragment des Mutes strahlte deutlich auf seinem Handrücken und nur er konnte es tragen. Erschreckend war, dass man nicht nur das Fragment der Kraft für Frevel und Bluttaten einsetzen konnte…
 

„Es muss dennoch eine Erklärung geben“, sprach Zelda treu, atmete tief durch und versuchte die Bilder in sich zu verschließen. „Das ist Link, Impa. Er besitzt die Seele des legendären Heroen… ich… ich weiß nicht, wie ich… das kann einfach nicht Realität sein.“

Die Shiekah half ihr Aufstehen, packte sie fest an ihren Oberarmen und blickte sie befehlend an. „Und Ihr seid die Prinzessin Hyrules… Ihr habt die Pflicht dieses Land zu schützen, gleich jedweder Konsequenzen. Und es liegt in Eurer Verantwortung mit diesem Wissen Entscheidungen zu fällen, die Hyrules Zukunft betreffen. Ihr tragt Verantwortung gegenüber dem Leben, nicht gegenüber Link, auch wenn er dem Land einen ehrvollen Dienst erwiesen haben mag.“ Es war für die Shiekah mittlerweile zum Haare raufen. Natürlich wollte sie nicht glauben, dass Link ein Verräter war, aber hier lagen schließlich Beweise, die man nicht ignorieren konnte. Zeldas Halsstarrigkeit machte sie gerade sehr wütend.
 

„Aber Link ist der Held Hyrules!“, argumentierte Zelda. „Er würde dieser Welt niemals schaden!“

„Link war der Held Hyrules!“, stellte Impa erbost klar und konnte Zeldas Rechthaberei immer weniger ertragen. „Was ist mit dem Masterschwert, es erkennt ihn nicht mehr an! Wie viele Beweise braucht ihr noch, um zu begreifen, dass der Held der Zeit nicht mehr derselbe ist?“

Zelda schüttelte widerspenstig ihren Kopf und wand ihrer Ziehmutter den Rücken zu. „Es mag stimmen, dass Link nicht mehr derselbe ist, aber ich weiß… und ich spüre, dass er zu seinem wahren Ich zurückfinden wird…“, ermutigte sich Zelda.
 

Impa breitete aufgeregt ihre Arme auseinander und versuchte weitere Argumente zu finden. „Was ist mit der Farm?“, rief Impa bewegt. „Was ist mit Malon, ich konnte keinen Hinweis auf sie finden… vielleicht hat Link doch etwas mit ihrem Verschwinden zu tun… wenn er so grausam morden kann, hat er vielleicht tatsächlich die Leute auf der Farm angegriffen! Zelda, ich verstehe dies genauso wenig wie Ihr. Aber ich kann meine Augen nicht vor der Wahrheit verschließen.“

„Du siehst aber gerade nur das, was du sehen willst…“, fauchte die Prinzessin. Sie war kurz davor ihre Ziehmutter aus ihren Gemächern zu werfen. „Du redest von der Wahrheit, Impa, aber ich weiß, dass wir jene nicht kennen. Etwas Bestialisches versucht Link in ein schlechtes Licht zu rücken. Warum sonst sollte er so geschwächt und krank sein?“

„Vielleicht ist er gerade deshalb körperlich geschwächt und krank, weil das Triforce ihn so vor weiteren Fehlhandlungen und Morden schützt… oder er spielt Euch dies alles nur vor.“ Und in dem Augenblick, als Impa zu weit ging und Link bezichtigte, sie anzulügen, hatte die junge Königstochter ihre Macht nicht mehr unter Kontrolle. Beißender Wind, wie Nadelstiche, wehte durch die kleine Lesestube, wirbelte raunend die schweren Vorhänge auf und ließ Zeldas kupferschillernde Haare zu Berge stehen. Sie kreischte entsetzlich, kurz davor ihre Macht an Impa zu entladen: „Ich will davon nichts mehr hören! Du redest genauso wie Valiant! Das ist blanker Irrsinn!“ Und bevor die Trägerin des Triforcefragments der Weisheit ihre Energie auf ihre Vertraute niederprallen ließ, nahm sie sich zurück, drückte ihre Hände gegen die Brust und versuchte sich unter Kontrolle zu bringen. Sie atmete schwer, ahnte, dass genauso wie Link auch sie mehr und mehr aus dem Gleichgewicht geriet. Sie hatte ihre Macht immer unter Kontrolle, es war ihr nie geschehen, dass sie so überreagierte.
 

„Impa, lass mich allein… ich kann nicht mehr…“, sprach sie schwach und wand ihrer Ziehmutter den Rücken zu. „Es tut mir leid, dass wir so aneinander gerieten und keine Lösung finden konnten…“
 

Die reife Frau nickte. Es war wahrlich genug diskutiert worden. Und in Zeldas momentaner körperlicher und mentaler Verfassung konnte sie ohnehin keine ausgereiften Entscheidungen fällen. „Ihr solltet den Heroen zu gegebener Zeit damit konfrontieren. Ich werde Euch die Splitter des Mythensteins daher hierlassen“, sprach Impa ruhiger. „Verräterische Wolken ziehen in Hyrule auf… ich hoffe, sie lichten sich… Wenn Ihr meine Hilfe benötigt, dann, wenn die Zeiten düster werden, sucht mich…“ Zelda nickte und sprach ein düsteres Lebewohl…

Und die Shiekah legte ihre kohlenschwarze Kapuze über ihr Antlitz und verschmolz mit den Schatten, als wäre sie nie hier gewesen…
 

Als Impa bereits eine halbe Stunde verschwunden war, saß die Prinzessin in ihrem Nachtgewand noch immer bekümmert und ein wenig ratlos in der Lesestube. Sie zitterte und suchte Wärme und Schutz in ihrem Mantel. Die Tränen verblassten, aber die Zweifel in ihrem Seelenleben wollten nicht vergehen. Sie liebte Link aufrichtig, sicherlich, aber sie fragte sich mittlerweile, ob sie nicht nur jenen jungen Helden liebte, der er einmal war. War sie in der Lage hinter ihm zu stehen, trotz dieser massiven Anschuldigungen? Sicherlich, es war bereits nach dem Angriff auf die Farm nicht einfach für Zelda ihren Vater und die Ritter von seiner Unschuld zu überzeugen. Nur hatte sie zu diesem Zeitpunkt völlig auf ihren Heroen und seine Ideale vertraut. Wenn jetzt herauskam, dass er ein Dorf wie ein närrischer Wahnsinniger abgeschlachtet hatte und man die Beweise darlegte, Zelda fürchtete um Links Leben… Wenn die Ritter oder ihr Vater von den Überresten des Shiekahsteins erfuhren, würden sie Link in jahrelangen Arrest sperren oder womöglich die Todesstrafe verhängen, auch wenn ihr Vater jene abgeschafft hatte. Ausnahmen gab es nun mal immer…

Wie sollte sie dann noch auf Links wahres Ich vertrauen? Sie war die Thronerbin, sie trug Verantwortung gegenüber Hyrule… und die Völker würden nicht akzeptieren, dass ein gefallener Held mit einer gigantischen Macht in seiner Hand frei herumlief …
 

Sie schluchzte bitter, schloss die Augen und bat ihre Schutzgöttin Nayru um Antworten. Sie legte ihre Hände auf das Herz, versuchte Link über ihr Fragment, trotz der Entfernung zu spüren, wahrzunehmen, wie es ihm ging, aber es funktionierte erneut nicht. Er hatte sich von ihren Empfindungen völlig abgeschirmt. Er hatte sich ja sogar von sich selbst völlig entfremdet. Jeder Versuch ihre sonst so starke Verbindung wach zu rütteln scheiterte… und es scheiterte seit einigen Tagen…
 

„Was soll ich denn nur tun…“, fragte Zelda in die Dunkelheit des Raumes und legte ihren Kopf auf die Arme. „Link… ich will und kann dich nicht aufgeben…“
 

Und es war, selbst wenn Link seine Empfindungen ihr gegenüber abschirmte und nicht einmal das Triforce eine Verbindung herstellen konnte, dass Träume einen mächtigeren Zugang zu der Seele besaßen. Und es war in den Träumen, dass die Prinzessin ihre Antwort für die nächsten Monate finden sollte. Mit einer kristallenen Träne, die an ihren zarten Wimpern entlang rollte, holte sie der Schlaf.
 

Manchmal konnte man sich nicht gegen die Bilder wehren, die in der Seele flüsterten. Und manchmal flüsterten sie leidvoll und bedrohlich, erinnerten an vergessene Ideale, erinnerten an einstige Leben, die wir aus Angst zu zerbrechen, nicht verstehen wollen. Es ist verdammt hart sich dem zu stellen, was in den Nebeln der Sinne regierte, alten Wesen die Stirn zu bieten, man selbst zu sein, wo dies als sicher geglaubte Existenzen zerstückeln könnte. Und die Prinzessin war nicht blind für Brücken, die im Unbewussten geschlagen werden konnten. Und sie war nicht blind für die Realität und die Empfindungen, die ein Traum verursachen konnte…
 

Sie hatte es beinahe vergessen. Dort, wo Hyrules Winde mit Lebenslust wehten, wo Gräser summend in die Höhe sprossen, wo eine alte Weise erklang, fand die Prinzessin einen Teil ihrer selbst, dort, auf dem höchsten Plateau der Steppe, ein vergessener Platz mit einer quietschenden Holzschaukel an dicken Ästen eines riesigen Laubbaumes und einer mit Moos überwucherten Steinmauer, konnte man ganz Hyrule in all seiner Faszination entdecken. Sie hatte jenen Platz für sich gefunden, und für den Jungen, dessen Ideale wie ein Spiegelbild für sie waren.
 

Hier, an jenem unvergänglichen Platz, hatte Zelda ihre Liebe für Hyrule entdeckt und sie hatte von hier aus geweint und geflucht, als sich der Himmel blutrot färbte. Sie hatte hier, wo sie ihre Sinne in den Träumen öffnete, ihr eigenes Herz gefunden und war so dankbar für das Gefühl, ihre prächtige Welt mit jener Aufrichtigkeit und jenem Stolz zu lieben. Sie war so dankbar, dass Hyrule existierte…
 

Sie lächelte im Traum, breitete ihre nackten Arme aus und genoss einen lauwarmen Wind, der durch ihr honigblondes Haar wehte. Sie spürte, dass sie an ihrem Lieblingsplatz nicht alleine war, und sie wusste, dass jene Gesellschaft alles andere als bedrohlich für sie war. Ja, sie hatte es immer gewusst, und nun waren da die Zweifel eines verräterischen Tages. Zweifel, die eine verruchte Realität ihr einreden wollte.
 

An ihre spitzen Hylianerohren drang das Geräusch einer klappernden und quietschenden Schaukel, die hin und her pendelte. Und im sanften Takt erklangen dumpfe Flötentöne. Die Adlige öffnete ihre Augen für die Erfahrung eines Traums, für eine tröstende Empfindung, die hier lebendig werden würde. Und sie versuchte zu lächeln mit den vielen Zweifeln und den erschreckenden, düsterten Bildern Links brutaler Attacke in ihren Gedanken.
 

Und dort auf der Schaukel, sich in seiner Freiheit wiegend, saß ein vertrauter junger Mann verträumt und unschuldig. Er spielte ein Lied, das Zelda noch nie gehört hatte. Vielleicht hatte er es sich auch nur ausgedacht, aber es war wunderschön, so faszinierend wie der Hylianer, der die Töne erschuf. Seine Konzentration war völlig auf das Musikstück gerichtet. Seine Augenlider geschlossen. Sein ansehnliches Gesicht mit leicht sonnengebräunter Haut schien gelöst und entspannt. Er trug eine etwas edlere, smaragdgrüne Tunika mit goldenem Saum und ein goldenes Kettenhemd kam an einigen Stellen zum Vorschein. Er hatte keine Mütze auf seinem Kopf, sondern hatte seine dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz verbunden. Er sah anziehend aus, sodass es in ihrer Brust schmerzte. Dies war ihr Held, dies war der stolze, junge Mann, der sie gefunden hatte und der sie beschützt hatte. Und er spielte himmlisch und andächtig…
 

Als sie ihn so vor sich sah, konnte sie kaum glauben, dass dieser Hylianer, dieser verträumte Jugendliche in der Lage war, ein ganzes wehrloses Dorf auszurotten. Und sie wollte nicht begreifen, dass sie an ihm zweifelte.
 

Sie traute sich kaum ihn anzusprechen, faltete ihre Hände vor der Brust und blickte zu den wippenden Gräsern vor ihren Füßen. Dabei wollte sie ihm so viel sagen, und sie wollte ihn einfach nur berühren, sich versichern, dass seine Berührungen warm waren, wahr und rein, nicht so teuflisch wie die Abbildungen des Mythensteins.
 

Er ließ die sonnige Melodie leise enden und hüpfte sachte von der Schaukel. Zelda wagte sich kaum in seine tiefblauen Seelenspiegel einzutauchen, fürchtete sich vor dem, was sie entdecken könnte und schwieg weiterhin. Sie versuchte ihn zu ignorieren, aber sein gesamtes Erscheinungsbild, seine Nähe war so überwältigend, dass es ihr unheimlich schwer fiel. Und eine Sache machte sie stutzig. Als Link näher trat, war da eine Auffälligkeit, welche Sorgen in Zeldas Herzen aufkeimen ließen. Link humpelte und schien Schmerzen zu haben, vor allem in seinem rechten Bein…
 

„Du zweifelst an mir, nicht wahr…“, sprach er leise und stand genau vor ihr. Er ließ nur wenig Abstand zu ihr, sodass Zelda augenblicklich zurückwich.

„Du fürchtest dich vor mir…“, murmelte er bekümmert, streckte eine in teurem Lederhandschuh verpackte Hand nach ihr aus, aber sie wollte jetzt nicht von ihm berührt werden. Außerdem… von sich aus hatte der junge Heroe dies nur in den seltensten Momenten versucht. Es war nicht typisch für ihn, dass er ihr nahe sein wollte, zumindest nicht in diesem Hyrule, nicht in ihrer Gegenwart.
 

„Ich fürchte mich vor dem, was du getan haben könntest. Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll… Diese Zeit wird schwer. Die Last des Schicksals… die Bedrohung… das, was unsere Welt zerreißt…“, sprach sie durcheinander. Sie wusste nicht, warum sie hier war, wie es möglich war, ihren Heroen ausgerechnet hier zu finden. Aber sie wusste, dass sie träumte.
 

„Ist es nur ein Wunschtraum… dich zu erkennen, Link? Ist es nicht mehr Realität… nur eine Spieglung vergangener Wünsche, was ich in dir sehen kann?“, flüsterte sie und wand sich ab. Sie tapste in ihren schneeweißen Sandalen zu dem riesigen, blätterreichen Laubbaum und fand dort in das Holz etwas eingeritzt. Sachte fuhr sie über wenige hylianische Buchstaben. Es wunderte sie ein wenig, konnte sie sich nicht daran erinnern, dass sie ihren Namen in das Holz des Baumes geritzt hatte. Und direkt neben ihm stand der Name ihres Heroen…
 

„Selbst wenn es nur ein Gedanke, ein Wunsch ist, reicht dies nicht, um mir zu vertrauen?“, murmelte er und trat wieder näher. „Zelda… du hast immer auf dein Herz gehört. Glaubst du denn, es lügt…“- „Ich weiß nicht mehr, ob ich verblendet bin… Ich weiß nicht mehr, wer du bist…“

„Dann sollte ich dich daran erinnern…“, murmelte er zärtlich. Und in seinem ansehnlichen Gesicht zeigte sich das einfühlsamste und vertrauteste Lächeln, das sie je gesehen hatte. Er war nun so nah, das sie mit dem Rücken an dem Baum lehnte. Und er ging weiter, so weit, dass ihr Herz stolperte und sich ihre Wangen erhitzten. Sie konnte sich nicht einmal wehren, war unfähig, sich zu lösen oder zurück zu weichen, als er seine Hände über ihre Taille spazieren ließ, seine starken Arme sie umschlangen und er sie fest und innig an sich drückte. Er legte seinen Kopf auf ihre rechte Schulter und sprach aufrichtig: „Bitte… du musst mir vertrauen… Zelda, ich kann es dir nicht beweisen, aber du bist alles, was ich in Hyrule habe… Bitte… Ich würde lieber sterben, als zu wissen, dich verletzt, hintergangen oder verloren zu haben…“

Die Prinzessin jedoch war sich unsicher, was sie tun sollte. Auf seine Nähe reagieren, die sie sich immer gewünscht hatte, oder sich fragen, warum Link sich so liebevoll verhielt. Sie spielte mit dem Gedanken jegliche Zweifel wegzuwerfen, die Umarmung zu erwidern, aber sie konnte einfach nicht…
 

„Ich hab‘ dich lieb, meine Prinzessin…“ Das war das erste Mal, dass sie diese Worte von ihm hörte… und es sorgte dafür, dass sie ihm auf keinen Fall länger misstrauen konnte. Kristallene Träne rollten über ihre zartrosa Wangen, vielleicht aus Freude, oder auch aus Scham, dass sie ihn jemals eine derart grausame Abschlachterei zugetraut hatte. Sie schloss die Augen, seufzte, legte ihre Hände auf seine Brust und genoss diesen Moment.
 

„Wir kämpften schon einmal… erinnere dich… noch vor dieser Zeit… du kannst mir immer vertrauen. Ich schwöre dir, ich würde dich niemals ausnutzen oder verletzen…“

„Ich weiß…“, sprach sie dann endlich. Ja, sie wusste es. Wie nur konnte sie von den Bildern des Shiekahsteins so entmutigt werden. Es waren nur Bilder, vielleicht manipuliert, vielleicht nicht einmal real. Er drückte sie noch ein wenig fester an sich und lächelte dankbar.

„Zelda… ich muss dich um etwas bitten… Finde einen Weg zu dem Volk des Windes, wir brauchen Hilfe von Verbündeten.“

Die Prinzessin jedoch stutzte, riss erschrocken ihre Augen auf und löste sich halb aus seinen Armen, aber er ließ sie nicht gehen. Sie sah die Besorgnis in dem stürmischen Tiefblau seiner gütigen Augen.

„Das Volk des Windes?“ Sie war verblüfft. Wie konnte Link davon wissen? Er nickte nur, legte seine Linke auf ihre rechte Wange und streichelte ihre sanfte Haut.

„Stell‘ bitte keine Fragen… es wird sich bald alles aufklären. Wende dich an das Windvolk und ihren Drachen und verständige Labrynna und Holodrum zu gegebener Zeit. Und öffne die Pforten für das Spiegelvolk…“

„Wofür?“, sprach sie verdutzt und sah ihn immer hilfloser an. Er sah daraufhin schräg seitwärts.

„Du weißt dies schon lange… Hyrule ist bald nicht mehr sicher. Du musst kämpfen, meine Prinzessin…“ Er sagte seine Worte so gefasst und aufrichtig, dass sie kaum widersprechen konnte. Link wollte sie tatsächlich warnen? Aber wie konnte er das, obwohl er nicht einmal wusste, was mit ihm geschehen war, obwohl er unter einer unerklärlichen Krankheit litt und einer langen Amnesie?

„Aber…“, wollte sie einwerfen, doch der junge Heroe unterbrach sie und legte seine Fingerspitzen auf ihre Lippen.

„Ich weiß nicht, wie die nächsten Wochen für mich verlaufen werden. Und ich weiß nicht, ob ich an deiner Seite kämpfen kann… aber ich habe eine weitere Bitte.“ Zelda war mittlerweile so durcheinander und irgendwie auch verblüfft wie reif sich Link verhielt, dass ihr die Worte in der Kehle stecken blieben. War dies wirklich ihr Link?
 

„Begleite mich in die Vergangenheit… Ich kann nicht alleine gehen… ich schaffe das nicht ohne dich.“ Gab er gerade tatsächlich zu, ihre Hilfe zu benötigen, etwas nicht alleine zu schaffen? Sie nahm seine Hände in ihre und küsste diese. Sie nickte sicher und gefasst.

„Ich verspreche es dir…“ Sie wusste zwar im Augenblick überhaupt nicht, wovon er redete, was dieser Traum zu bedeuten hatte und was hier geschah. Aber sie spürte aus diesem sicheren Gefühl heraus, dass vor ihr der einzig wahre Heroe Hyrules stand. Wenn sie jemandem vertrauen konnte, dann nur ihm…

Er lächelte, küsste sie auf die Stirn und genoss wohl einfach nur ihre mentale Nähe. „Danke…“, murmelte er, besiegelte ihre Nähe mit einer weiteren innigen Umarmung. Seine Nähe tat so gut, das Zelda niemals wieder aus diesem Traum erwachen wollte. „Warum kann ich dich in der Realität nicht spüren?“, sprach sie bekümmert. „Ich vermisse dich…“

„Es liegt nicht an mir… erinnere dich. Du hast etwas verändert…“ Sie seufzte und nickte einsichtig. „Ich verstehe…“ Und sie schüttelte innerlich ihren Kopf. Wie dumm war sie gewesen anzunehmen, Link verweigerte ihr seine geistige Präsenz? Sie hatte etwas verursacht, über das sie lieber nicht nachdenken wollte, und sie tat dies weder eigennützig noch kurzsichtig…
 

„Kann ich dich hier an diesem Platz auch Morgen finden?“, murmelte sie hoffend. Sie blickte in seine tiefblauen Augen und sah Schmerz und eine ungewollte Entschuldigung. Er antwortete nicht, und Zelda wusste, was er sagen wollte. Sie seufzte traurig und sah zu Boden. „Morgen nicht, aber im Augenblick bin ich doch noch hier…“, sprach er sehnsuchtsvoll. „Lass‘ uns den Sonnenaufgang anschauen, was meinst du?“ Er versuchte alles, um ein Lächeln auf Zeldas bezauberndes Gesicht zu bringen. Und er schaffte es zumindest hier, an diesem sicheren Platz, diesem geheimen Ort, hier, wo Böses nicht hinfand. Sie lächelte still, gab ihm ihre Hand und tapste mit ihm über die sattgrüne Wiese, bis zu der abgetragenen Steinmauer. Sie tanzten über die Wiesen der Welt, die sie liebten und beschützten, sie lächelten, als der Morgen, golden und magisch, über Hyrule fiel und das Dunkel vertrieb…
 

Und als die Prinzessin wieder erwachte, waren es die Sonnenstrahlen, die sie verführten. Karminrote Sonnenstrahlen, die in ihre Lesestube fielen. Das erste, was sie tat, war, die Überreste des Shiekahsteins in eine Kiste zu packen und wegzusperren. Sie wollte diesen unnützen Krempel nicht mehr sehen. Dann tapste sie schluchzend zurück in ihr Schlafgemach, erinnerte den Traum in aller Einzelheit, kuschelte sich in ihr Bett und versuchte noch etwas Ruhe zu finden. Alles, woran sie dachte, war Link…
 

Zelda schloss ihre sanftmütigen Augen wieder und eine letzte kristallene Träne perlte sich über ihrer rechten, blütenweichen Wange… Sie hörte Link noch immer flüstern. Und seine Stimme erklang zart und aufrichtig: „Vertraue mir wie vor Tausenden Jahren… Vertraue mir… blind… und auf ewig…“

Liebe Leser, dieses Kapitel ist euch gewidmet, denjenigen, die die Story nach der langen Zeit nun immer noch verfolgen... KgdS entwickelt sich und wird erwachsen, genauso wie NeS, das ich gerade überarbeite. Vielen Dank für eure Unterstützung. ^___^ lg Line
 

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Kapitel 33: Edelmut in Hyrule
 


 

Seit den frühsten Morgenstunden starrte Link von seinem Bett aus hinaus in das grau gemalte Wolkenmeer. Und obwohl Samstagmorgen war, einer der wenigen Tage, an welchem sich die Ritterschüler eine große Mütze Schlaf leisten konnten und obwohl Link in seinem derzeitigen körperlichen Zustand Schlaf nötig hatte, fand er ihn nicht. Er hatte sich minutenlang im Bett herumgewälzt, hatte ohnehin kaum Schlaf gefunden in der letzten Nacht und fühlte sich unruhig und durcheinander. Er wusste nicht, warum er sich so nervös fühlte, er hatte nur das Gefühl, dass jemand um ihn besorgt war, so sehr besorgt war, dass auch dieser jemand kaum Schlaf fand. Er hoffte sehnlichst, dass es Zelda war…
 

Außerhalb erhob sich die Sonne verhüllt hinter einem silbernen Nebelgewand und Schneeflocken des nahenden, eisigen Winters tanzten nieder. Er wusste noch wie erstaunt er war, als er das erste Mal Schnee gesehen hatte. Damals hatte er Schnee für Watte oder Tränen göttlicher Wesen oder Federn gehalten. Das war damals, als er Kokiri verlassen hatte. Denn er hatte vorher nie Schnee gesehen. In Kokiri schneite es nicht. Der Wächter schützte den Wald vor dem Vergehen und auch vor niedrigen Temperaturen…
 

Mit einem quengelnden Murren rappelte sich Link auf, zog sich leise die schwarze Schultunika über den rußig weißen Stoffanzug aus festem Material. Er streifte bemüht, unnötige Geräusche zu unterlassen dicke Strümpfe über seine abgemagerten Füße und huschte in seine Stiefel. Mit dem Ziel sich in Ruhe in den Badesaal zu begeben, zog er seine schwarze Tunika zurecht. Er wollte Will nicht unnötig wecken und verhielt sich so still wie möglich. Er beabsichtigte seinen Kumpel schlafen zulassen, hatte ohnehin ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken daran, dass der Laundry ebenso wie Ariana in den letzten Tagen und Wochen einiges für ihn riskiert hatten. Die beiden hatten sich aufgeopfert, vor allem nach zwei weiteren Anfällen seines Fluchs, die er jedoch mit dem neuen Heilmittel bekämpfen konnte. Will hatte kaum geschlafen, immer wieder nachgebohrt, wie es ihm ging. Ariana hatte sich jede Menge Ärger mit ihrer Direktorin Madame Morganiell eingehandelt und hatte sogar Hausarrest. Und das alles nur wegen ihm und seiner Krankheit…
 

Einige Bruchstücke der letzten Tage krochen an die Oberfläche seiner Gedanken und schürten weitere verbitterte Gefühle. Er hatte mitbekommen, als Ariana eine heftige Diskussion mit einigen hochnäsigen Mädchen der angesehen Morganiellschule austrug. Wäre dies nicht Schmach genug gewesen, hatten weitere Mädchen, die Ariana ohnehin nicht leiden konnten, und einige Ritterschüler zugeschaut und entwickelten absurde Ideen darüber, was Ariana zu später Stunde bei den Ritterschülern trieb. Ideen, über die Link gar nicht so genau nachdenken wollte…
 

Link hatte von Lord Aschwheel den Auftrag bekommen einige Kräuter für seinen Unterricht zu dem Wissen über Wundheilung zu beschaffen und war mit einem Korb erschöpft über den Innenhof gestiefelt. Auch wenn sein Krankheitsschub abklang, hatte er noch Mühe sich lange genug auf den Beinen zu halten. Er hatte aus seinen Augenwinkeln eher zufällig gesehen, dass eine Schar Mädchen der Schule der Morganiell im Kräutergarten stand und jemanden umzingelte. Verwundert und seiner neugierigen Nase folgend schlich der junge Held näher und lauschte den entehrenden und verärgerten Worten.

„Aber ich habe nichts Unrechtes oder Falsches getan“, sprach eine vertraute Stimme missmutig. Das Bild der eigenwilligen, stolzen Ariana Blacksmith huschte durch seine Gedankengänge, als jene Stimme ein weiteres Mal schrill ertönte. „Geht mir aus dem Weg, ihr närrischen, eingebildeten Gänse“, lachte sie zynisch. „Urteilen könnt ihr wahrlich wunderbar einfältig und selbstherrlich. Und mir solch schändliches, verdorbenes Getue unterstellen findet Ihr wohl amüsant.“ Aus dem Klang ihrer Stimme konnte Link hören, dass sie die Lust verloren hatte überhaupt noch zu diskutieren.

„Aber wir haben dich beobachtet, wie du nachts in die Ritterschule geschlichen bist. Nicht nur, dass du die Schulordnung missachtest, du hältst dich des nachts bei den männlichen Hylianern auf. Du begehst Sünde um Sünde, und so die Göttin Nayru dein Tun beobachte, hast du dich womöglich mit einem der Ritterschüler für Rubine eingelassen und tust Beflecktes, was wir feinen Mädchen der Schule nicht dulden können“, sprach eines der Mädchen, dass sich vor wenigen Wochen bereits mit Ariana angelegt und sich eine Ohrfeige eingehandelt hatte. Als Link die Unterstellungen vernahm, blieb ihm vor Schreck und plötzlichen Schuldgefühlen das Herz für einen Augenblick stehen. Dachten die Mitschülerinnen der Schmiedtochter inzwischen tatsächlich, dass sie irgendwelche schändlichen Dinge tat? Nur, weil sie sich um seine kränklichen Anwandlungen gekümmert hatte?
 

Ariana aber ließ sich von dem Gerede nicht beindrucken. Sie klapperte mit ihren schwarzen Stiefeln, verschränkte die Arme und grinste überlegen. „Und ihr, sagt mir nicht, ihr findet keinen Gefallenen an kräftigen, mutigen Ritterschülern. Ihr selbst verkehrt dort, allesamt, und nun bezichtigt ihr mich, meinen Körper für Rubine zu verkaufen. Wie billig seid Ihr eigentlich? Aber, oh, ich vergaß, was man anderen unterstellt ist oft nur das, was man selbst tun würde, was?“

Einige der Mädchen zwinkerten verdattert und wussten darauf nichts zu sagen. „Aber nicht nur, dass man dich gesehen hat, du gingst in die Schule mit lediglich einem Nachthemd bekleidet, das ist unartig und unkeusch. Du solltest dich schämen dich so darzustellen“, sprach eine andere.

„Nun, wie ich schon einmal sagte, es interessiert mich nicht einmal die Bohne, was Ihr von mir haltet. Und es tut mir unendlich leid, dass Eure Gehirnzellen nicht ausreichen um mein Handeln zu verstehen.“ Einmal mehr hatte Ariana das letzte Wort. Mit erhobenem Haupt und nicht einer ängstlichen Regung in ihrem schönen, seidenen Gesicht, starrte sie in die Runde der missbilligenden Mädchen.

„Aber wir haben gesehen, dass du dich mit der Hure abgegeben hast, die die Ritter nachts beschenkt und eine sittenlose Halbgerudo ist.“

„Und was, glaubt Ihr zu wissen, sagt das über mich aus?“

„Es sagt, dass du nun mal ein dummes Bauerntrampel bist, das keine Achtung vor Anstand und Adel hat.“

„Und was sagt Eure lächerliche, kurzsichtige Annahme über Euch selbst aus?“ Überfordert sahen die Mädchen sich an und schüttelten ihre Köpfe. „Endet das hier genauso wie die Unterstellung, ich hätte Petrilanas Schmuck geklaut, der so ganz verwunderlich und ganz unverhofft, am nächsten Tag in ihrem Schrank aufgetaucht ist und zwar dem Schrank, der die ganze Zeit abgeschlossen war und zu welchem nur sie einen Schlüssel hat?“ Ariana lachte köstlich, machte sich mit ihren Ellenbogen Platz und trat mit deutlichem Widerstand der Mädchen aus dem einschüchternden Kreis heraus. Die Mädchen zerrten an ihren Armen und wollten sie zurückhalten, aber die schwarzhaarige Schönheit bewegte sich so flink und raffiniert, dass sie sich einfach durch die Menge hindurch katapultierte und einigen Mädchen einen gemeinen Tritt verpasste.
 

„Ich kann Euch nur so viel verraten, wenn dieses Jahr vorbei ist, seid Ihr alle einen Kopf kleiner. Das verspreche ich Euch und das ist kein leeres Versprechen. Das, was ich behaupte, trifft meistens ein. Also zieht euch schon mal warm an, ihr kindischen, verblödeten Hühner!“ Und wäre ihre Drohung nicht genug, streckte Ariana den Mädchen die Zunge heraus und begann zu gackern. Sie lachte erheitert, beinah gekünstelt, worauf sich Link nur noch fragte, ob sie dies wirklich alles so kalt ließ, oder ob sie nur schauspielerte. Gab es eigentlich irgendein Mädchen in der Schule außer der unbeholfenen und dicken Olindara Heagen, das Ariana respektierte. Sie schien ein noch größerer Außenseiter zu sein als Link…
 

„Genug!“, rief plötzlich eine hochgewachsene, kräftige und überraschend attraktive, kurvenreiche Frau mit weißem, enganliegendem Kleid mit Spitze und beteiligte sich an der heftigen Diskussion. Als die Frau näher trat, verstummten die Mädchen schlagartig. Auch Link verstummte, als er sie sah. War das eine der Lehrerinnen? Und er fragte sich, als er sie musterte außerdem, ob sie überhaupt eine Hylianerin war. Er hatte zumindest noch nie eine Hylianerin gesehen, die so aussah, wie diese vielleicht vierzig Jahre alte Dame.

Die Elfenohren der Dame waren spitzer als jene von gewöhnlichen Hylianern und stachen luftig aus vollem, dunklem, lilaschillerndem Haar hervor, das die elegante Frau hochgesteckt hatte. Ihre Haut war käseweiß und schillerte beinah wie die Schuppen eines Zoras. Aber was sicherlich die meisten Blicke auf sich zog, war ein Mal, dass die die rechte Wange der Lady schmückte. Es sah aus wie ein Muttermal oder eine Zeichnung mit schwarzer Tinte. Dargestellt war ein verschnörkeltes Symbol mit Schmetterlingen und Blüten, aber irgendwie… wunderlich und unförmig. Link kratzte sich am Kinn, erinnerte Geschichten, denen er am Hafen Hyrules oft lauschte. Die Seemänner erzählten gerne von fremden Völkern und berichteten einst von einem alten Stamm der Hylianer, welcher sich schon immer von Harkenias Monarchie abgegrenzt haben soll. Und jener Stamm würde sich mit fremden Symbolen schmücken, so hieß es.
 

„Geht zurück zum Ballet!“, rief die Lady stimmgewaltig an die schimpfenden Damen gerichtet und legte der schwarzhaarigen Schönheit, die sich mit Bravur verteidigt hatte, eine Hand auf die Schulter. Alsdann zogen die Mädchen tratschend zurück in die Mädchenschule.

„War dies wirklich nötig, Ariana?“, sprach die Frau missbilligend.

Trotzig meinte sie: „Ja, das war es. Ich komme mit diesen gackernden Hühnern einfach nicht zurecht. Sie stecken ihre gepuderten Näschen immer ungefragt in andere Angelegenheiten…“

„Und das tust du ja scheinbar überhaupt nicht, was? Du weißt, dass ich deine Dickköpfigkeit und kriminelle Ader nicht länger gutheißen kann. Dein Vater wäre mehr als enttäuscht von dir.“

Das hübsche Mädchen mit den bernsteinfarbenen Augen verschränkte aufsässig ihre Arme und konnte sich ein weiteres rebellisches Argument nicht verkneifen: „Dann soll er eben enttäuscht sein, ich gehöre nicht in diese versnobte Schule von dummen Hühnern mit ihren beschämenden Ansichten über den Zweck und die Aufgaben weiblicher Hylianerinnen!“

Aber jenen Satz hätte Ariana wohl doch in ihrem Mund lassen sollen, denn die Lehrerin wirkte alles andere als zufrieden mit dem Wildfang, den sie vor sich hatte. Die Lady schüttelte ihren anmutigen Kopf, schloss die Augen und sprach entrüstet: „So sei es. Wer nicht hören will, muss fühlen. Du erhältst Hausarrest für die nächsten sieben Tage.“

Ungläubig machte Ariana einen Satz und zwinkerte verdattert: „Aber Madame Morganiell! Ich muss in die Schule, ich habe mich um meinen Freund gekümmert, der krank ist.“

„Das mag durchaus edel sein, aber dein zänkischer Ton und deine Art und Weise andere zurechtzustutzen ist nicht in Ordnung. Gerade du solltest mit deiner Klugheit weitersehen und dich nicht auf diese Weise provozieren lassen. Das ist mein letztes Wort.“

„Aber Madame Morganiell!“, rief Ariana noch, aber die Frau wand sich nur kopfschüttelnd um ihre eigene Achse.
 

Gerade da blickte die Schmiedtochter in Links Richtung und sah dann trübsinnig zu Boden. Sie winkte ihm zu, aber schien ihm ihr Gesicht nicht zeigen zu wollen. ,Ja, sie schauspielerte‘, dachte der Heroe. Das kannte er nur zu gut… Dann lief sie schweigend hinter der Direktorin her und wurde vom Schuldgebäude verschluckt.
 

Es war Link äußerst unangenehm das hübsche, selbstlose Mädchen in Schwierigkeiten gebracht zu haben. Er sollte derjenige sein, der den anderen half! Er konnte sich doch nicht von Will und Ariana bemuttern lassen… er war ein Held! Kopfschüttelnd trat er sachte aus dem Quartier, bemüht die unangenehmen Gefühle und Gedanken ruhen zu lassen, auch wenn es ihm mehr als schwerfiel. Ariana war so warmherzig zu ihm, so edelmütig, so fürsorglich. Und er war sich sicher, dass sie auch gegenüber anderen so rechtschaffen war. Sie hatte es nicht verdient so verspottet zu werden. Ob er Ariana nicht irgendwie aufheitern und sich bei ihr revanchieren konnte?
 

Ein wenig genervt trampelte der Heroe durch die vom ersten Sonnenlicht nur schwach erleuchteten Gänge in Richtung Badesaal, wusch sich, rasierte die Stoppeln eines spärlichen Bartwuchses und dachte mit einem ablenkenden Gedanken an die alternative Zukunft, in welcher er annahm, er wäre erkrankt, als er am ersten Morgen in der Zukunft den Bartwuchs bemerkte. Es hatte lange gebraucht, das er mit seinem maskulinen Körper zurechtgekommen war. Aber auf der anderen Seite hatte er durch die Erlebnisse an Reife gewonnen und sehr profitiert…
 

Gerade als Link sein blasses Gesicht ein weiteres Mal in das Waschbecken tauchte, um sich zu erfrischen, hörte er klappernde Holzschuhe hinter sich. Überrascht wand er sich um seine Achse und sah den kleinen, untersetzten Mondrik Heagen an der Tür zu dem Badesaal stehen. Mittlerweile fragte sich Link, ob es mehr als Zufall war, dass er diesen zwergenähnlichen Wicht immer im Badesaal traf. Mondriks kastanienbrauner Lockenkopf war zerzaust und machte darauf aufmerksam, dass jener wohl gerade erst aufgestanden war. Er wirkte unbeholfen, als er Link sah und lief rot an.

„Gu-Guten Mo-Morgen…“, stotterte er und verbeugte sich vor dem unerkannten Heroen.

„Morgen“, murmelte Link und verleierte seine Augäpfel. Fing der komische Knilch einmal mehr mit seiner Heldenhuldigung an? Link kam sich mittlerweile vor als wäre er eine gottgleiche Gestalt, die von halb Hyrule angehimmelt wurde. Der mutige Blondschopf versuchte den Mitschüler zu ignorieren, aber Mondrik trat unsicher näher, stammelte etwas und schien sich dann zu schämen.

„Ich hab‘ dich nicht verstanden“, meinte Link genervt und versuchte nicht gereizter zu wirken, als er ohnehin deswegen war, dass dieser Knirps sein Geheimnis wusste.

„Es ist so…“, babbelte der Ritterschüler. „Ich hab‘ Ian belauscht!“, brachte er lauter aus seinem piepsigen Mundwerk. „Er plant etwas gegen dich und hat gemeint, er werde dein Geheimnis sehr bald an der Schule verkünden.“ Der Junge atmete dann tief durch und zwinkerte.

„Mein Geheimnis? Du hast doch nichts verraten, oder?“

Aufgeregt schüttelte Mondrik mit dem Kopf. „Er meint etwas anderes und hat gesagt, dass bald ein neuer Mitschüler käme. Wenn jener hier ist, dann könntest du einpacken, hat er gesagt.“

Link runzelte die Stirn. Von welchem Geheimnis könnte Ian dann reden? Hatte Viktor irgendetwas ihm gegenüber preisgegeben?

„Und er hat von einem Ritual gesprochen, dass er zusammen mit einigen Schülern durchführen will um stark zu werden. Er nannte es das Ritual des Moblinfleisches.“

Als Mondrik das Wort Moblinfleisch in den Mund nahm, verschwand die Ruhe in Links Gesichtszügen. Er hatte von jenem abartigen Ritual gehört, und dies schon vor langer Zeit. Es war ein grausiges Ritual, das helfen sollte stärker zu werden, aber letztlich zu oft nur den Wahnsinn mit sich brachte.

„Wenn er dies gemacht hat, will er dich loswerden, hat er gesagt, ich wollte dich nur warnen… und weil ich dachte, du wärst jemand, der dies wissen sollte.“

Link nickte, brachte aber kein vernünftiges Wort aus seinem Mund. Es war gut, dass Mondrik ihn gewarnt hatte, nur half das nicht gegen das ungute Gefühl, dass sich in seinen Venen ausbreitete. Wie sollte er gegen ein paar besessene Schüler ankommen, die sich dämonische Kräfte aneigneten?

„Ich hoffe, die finden nicht heraus, dass ich dir das gesteckt habe… sonst bin ich…“ Aber Link ließ den Jungen nicht ausreden und beschwichtigte sofort. „Es ist gut so, es muss ja keiner herausfinden… Danke für die Information, Mondrik“, sprach Link ernüchtert. Aber er ballte die Fäuste. Diese Neuigkeit fühlte sich bitter an, aber auch nur, weil Link dieses dumme Ritual bereits am eigenen Leib erfahren hatte…
 

Erfrischt, aber beunruhigt durch Mondrik Heagens Worte, trat Link schließlich in Richtung des Speisesaals. Er hörte Leute von dort her diskutieren und sah glücklicherweise die Köchin der Schule mit einem Korb voller Gebäck in den Saal huschen, was bedeutete, dass es bereits Frühstück gab. Er tapste mit Vorfreude auf ein gesegnetes Essen näher, hörte dann Viktors schmierige Stimme und die von Nicholas, was ihn veranlasste kurz stehen zu bleiben. Gewieft platzierte sich Link vor den Eingangstoren zu dem Speiseraum und lauschte. Er konnte nicht alles hören, dafür waren die Stimmen zu weit weg, aber er vernahm einige Bruchstücke. Er hatte sich schon immer gefragt, wie es kam, dass Nicholas auf den Direktor so schlecht zu sprechen war und weshalb die Ehefrau Viktors in den Nächten dem einstigen Schwindler immer wieder einen Besuch abstattete. ,Obwohl‘, dachte er schmunzelnd und wurde dabei rot um die Wangenknochen. So langsam verstand er, als er sich nervös an seine Träume mit Zelda erinnerte, dass es wohl schlichtweg schön war, sich von einem Mädchen streicheln zu lassen…‘
 

Gerade da schlug einer der beiden Lehrer auf den Tisch, und zwar so heftig, dass die darauf befindlichen Teller und Krüge wackelten. „Ihr seid das mieseste Stück Hylianerfleisch, das in Hyrule jemals das Licht der Welt erblickt hat“, fauchte Nicholas. Und es war selten, dass Link den geheimnisvollen Schwindler so wutgeladen erlebt hatte. Normalerweise tat er immer so gelassen und kühl, als könnte ihm kein Gorone Feuer unter dem Hintern machen. Viktor, der nur lachte, musste einen empfindlichen Nerv des mysteriösen Nicholas angesägt haben.
 

„Ich wusste es“, lachte der blonde Direktor siegessicher. „Ich wusste, wer du bist, als ich dein künstliches, komisches Gesicht hier das erste Mal gesehen habe, Nicholas Doomrent. Ein Jammer, dass es dir nichts nützen wird, hier als Sir Newhead dein restliches Leben zu verbringen. Du wirst deinen Familiennamen niemals reinwaschen können. Und deine Frau gehört immer noch mir.“

Link konnte nur hören, dass sein Lehrer mit den Zähnen knirschte. Er schwieg, wollte sich scheinbar nicht noch mehr verraten oder aushöhnen lassen.

„Du bist erbärmlich, hechelst einem alten Traum hinterher, den dein verrückter Vater kaputt gemacht hat.“ Auch da schwieg Nicholas, aber Link ahnte, dass er ausrasten würde, wenn Viktor nicht endlich sein riesiges Schandmaul hielt. Link schaute flink um die Ecke und konnte sehen, dass Nicholas bereits eine Hand auf dem Griff seines Schwertes liegen hatte.

„Ach, und grüße deine durchgeknallte Schwester von mir. Geht es ihr denn gut in dem Irrenhaus der Hauptstadt?“ Viktor lachte dümmlich, würde den letzten Satz jedoch bitter bereuen. Alles, was Link noch wahrnehmen konnte, war ein heftiger Schlag und ein Klirren. Der vergessene Heroe trat dann sachte um die Ecke und sah den Direktor winselnd und sich seinen Magen haltend an einer Seitenwand angelehnt hocken. Das Fenster hinter ihm war zersprungen und es gehörte nicht viel dazu, zu begreifen, dass Nicholas dem Kerl einen so heftigen Schlag versetzt hatte, dass er an das Fenster geknallt war.
 

Als Viktor den einstigen Helden an der Eingangstür stehen sah, schaute er mürrisch zu Boden, erhob sich fluchend und verließ schleppend den Raum. Als er an Link vorbei trat, warf er jenem noch ein giftiges Grinsen zu, aber sprach kein weiteres Wort.
 

Nicholas atmete in diesem Moment tief durch und ließ sich geräuschvoll auf seinen Platz niedersinken. Er donnerte mit seiner rechten Faust ein weiteres Mal auf den Tisch und schloss seine undefinierbaren Augen.
 

Zögernd tapste Link in den Speisesaal. Und obwohl sich Link von Essen sehr leicht ablenken ließ, galt in jenem Moment seine gesamte Aufmerksamkeit einem mies gelaunten Nicholas, von dem er endlich den Nachnamen wusste. Nicholas Doomrent. Hieß das etwa, die riesige Burg Doomrent, die als Gefängnis diente, war einmal das Zuhause dieses Mannes?
 

„Viktor weiß, wer du bist…“, murmelte Link leise und trat unsicher vor den kampferfahrenen Mann. „Und ich jetzt auch…“, ergänzte er. „Die Burg, in welcher wir eingesperrt waren vor einigen Wochen… ist… war dein Zuhause?“ Nicholas atmete tief durch und rückte den Holzstuhl neben sich zurecht.

„Hol‘ dir ein Frühstück…“, murmelte der Mann verdrießlich und deutete den Fünfzehnjährigen an es sich danach neben ihm bequem zu machen. Link nickte stumm, wollte Nicholas nicht ausfragen oder ihn nerven. Er wusste selbst sehr gut, wie es war, von anderen verurteilt oder ausgefragt zu werden.
 

Zur Freude Links waren schon die ganzen morgendlichen Köstlichkeiten, die Hyrule zu bieten hatte, aufgetafelt. Das musste der vergessene Held zugeben. In der Ritterschule zu sein, war vor allem wegen dem reichlichen Essen schon Belohnung genug. Nachdenklich belud er seinen Teller mit zwei Lon-Lon-Milchbrötchen und Lyriellens Rundhornziegenschinken, der im Nachbardorf hergestellt wurde. Er nahm sich eine Tasse Kakao und ließ sich schweigend auf den Platz neben seinem Lehrer nieder.
 

Link nahm einen kleinen Bissen des flaumigen und süßlich duftenden Gebäcks, aber fragte sich brennend, ob Nicholas ihm nun endlich etwas von seiner Lebensgeschichte erzählen, oder schweigen würde wie vorher auch. ,Nun ja‘, dachte der einstige Heroe, ,es war nicht einfach etwas preiszugeben, das so tief saß und an dem Seelengleichgewicht nagte.‘ Es gab nur eine Hand voll Hylianer, die wussten, was es bedeutete, alles zu verlieren und alles zu opfern, was man hatte, für Ideale und Stolz. Und Link war einer davon. Er war der einzige, der den einstigen Schwindler verstehen konnte.
 

„Vor zwanzig Jahren…“, begann der Lehrer leise und ließ seine grünlich schillernden Augen melancholisch durch den Raum wandern. Er grinste etwas, und Link spürte, dass es nur ein unbeholfener Versuch war, eine Maske aufzusetzen. Eine Maske, die schützte, was sich in seinem Herzen abspielte.

„Vor zwanzig Jahren“, wiederholte er. „… gründete mein Vater ein Bündnis. Eine Kriegergemeinschaft, die es sich zum Ziel setzte, gegen jedwede ungerechte und grausame Macht vorzugehen. Es war ein Bündnis, das edle Ziele besaß, ein Bündnis für Gerechtigkeit in Hyrule. Das war damals, als Harkenia, unser König, noch im Schatten seines Bruders stand. Damals gab es Aufstände und eine große Unsicherheit zog durch das Land. Die edelsten Ritter wie die Sormans, die McDawns, die Fearlessts und auch die Doomrents, ahnten, dass, wenn der amtierende König nicht handelte, die Konflikte im Land sich ausweiten und uns düstere Zeiten bevorstehen würden. Mein Vater Sir Niles Doomrent erkannte dies und gründete eine teure Gemeinschaft, die jedoch… mit mehr und mehr Gräueltaten, mit mehr und mehr Machtgier ihre einstigen guten Absichten vergaß… Dies war der Beginn einer Sekte, die neue Ziele für Hyrule besaß.“ Er erzählte die Geschichte kühl und ohne jeden Hauch Mitgefühl oder Trauer. Link blickte angespannt zu seinen beiden Brötchen, schwieg weiterhin und lauschte jenen Worten, die selbst sein erfrorenes Herz berührten.
 

„Es gab Mitglieder des Bündnisses, die eher unbedeutend, aber intrigant waren. Mein Vater starb, als er sich gegen jene manipulierenden Mitglieder stellte, gegen das Bündnis, das er selbst ins Leben gerufen hatte. Vorher hatte er behauptet, ein vergessenes Dämonenvolk würde sich, wenn die Zeit reif wäre, in Hyrule breit machen und eine gigantische Schlacht verursachen. Damals war gerade der Krieg über Hyrule gezogen. Keiner wollte ihm glauben und etwas von einem dunklen Bündnis wissen… keiner außer mir.“ Er lachte, trank von einem Krug Hylanorsaft und wischte sich das säuerlich schmeckende, alkoholisierende Gebräu von den blassen Lippen. „Ich habe versucht meinen Vater zu rächen und den Rat der Ritter von der Existenz des Bündnisses zu überzeugen. Aber niemand glaubte mir. Zu schwer war die Kriegslast, und zu grausam die Konflikte unter den Völkern Hyrules. Ich wurde als Schwindler beschimpft, bis ich einige Kerle der Sekte töten konnte. Aber anstatt auf mich zu hören, verlor ich meine Burg Doomrent und wurde inhaftiert. Viktor erhielt meine Burg, als meine jüngere Schwester noch dort lebte. Er hat sie brutal misshandelt und missbraucht, bis sie durchgedreht ist…“ Dann brach er in den Worten ab und schlug ein weiteres Mal auf den Tisch. „Ich würde alles darum geben, dass ich dies ungeschehen machen könnte. Meine Schwester retten… Ich würde alles tun, restlos alles, wenn ich sie heilen könnte… aber ich kann nicht. Und Viktor wurde für diese Tat niemals zur Rechenschaft gezogen. Ich würde alles dafür tun, diesen Kerl hängen zu sehen, aber ich kann nichts bewirken im Moment…“

Geschockt ballte der einstige Held der Zeit seine Hände zu Fäusten. Und trotz dieses Hasses, den Nicholas gegenüber Viktor empfand, trotz dieser brutalen Geschichte, schaffte er es immer noch sich unter Kontrolle zu halten? Er schaffte es tatsächlich immer noch, diesen Kerl nicht mit blanken Fäusten umzubringen. Wie stark musste Nicholas sein um dies auszuhalten und zu ertragen? Er war immer so ausgeglichen und gelassen, so unheimlich beherrscht…
 

Und es war eines der ersten Male, das dem einstigen Helden der Zeit der Appetit vergangen war. Viktor hatte Nicholas‘ Schwester misshandelt… Hatte dieser schmierige Kerl niemals eine gerechte Strafe dafür erhalten? Stattdessen saß er noch in der Burg, die das teure Zuhause eines der ehrenwertesten Männer Hyrules war. Link ballte seine Hände zu Fäusten. Er konnte sogar nachempfinden, wie es sich anfühlte, dass etwas Kostbares, ungeheuer Wertvolles, etwas, das mit Rubinen nicht zu bezahlen war, von grausamen Händen geschändet wurde. Link haderte in der alternativen Zeit ständig mit dem Gedanken, dass Ganondorf Zelda misshandelt oder umgebracht haben könnte. Zu wissen, dass etwas so Reines und Schönes misshandelt wurde, hatte ihm mehr als nur einmal sein Herz beladen. Und als sie entführt wurde von diesem Widerling, hatte der Heroe mehr als einmal versucht aus ihren Gesichtszügen zu lesen, zu begreifen, dass Ganondorf keine Hand an sie gelegt hatte. Wie schwer musste es für Nicholas sein mit der Schuld zu leben? Der Schuld, das erst sein unüberlegtes Eingreifen in die Geschehnisse verursacht hatte, das Viktor seine Burg erhielt und jener erst dadurch seine Schwester schänden konnte…
 

Es war eines der wenigen Male, dass sich Link wünschte, er könnte in die Vergangenheit reisen und Nicholas‘ Schwester vor Viktors schmierigen Händen retten. Die Vergangenheit verändern… Gerechtigkeit walten lassen… Aber Link wusste auch, dass er dazu nicht das Recht hatte… nicht mehr…
 

„Es tut mir leid… Nicholas…“, murmelte Link trübsinnig und starrte zu seinen beiden Brötchen. Nicholas hatte so viel durchgemacht… und nicht nur er. Es gab so viele rechtschaffene Wesen in Hyrule, und er, wo er ein auserwählter Held war, stellte sich zur Zeit an, wie ein armseliges, selbstmitleidausübendes Dummerchen. Der Gedanke daran, dass er sich so gehen hatte lassen, fühlte sich gerade noch schmerzhafter an.
 

„Link… es kann doch keiner etwas dafür. Ich kann die Vergangenheit nicht ändern, aber ich weiß, eines Tages, wird Viktor büßen. Und bis dieser Tag kommt, werde ich mich zurückhalten. Ich weiß, aus einem sicheren Gefühl heraus, dass es für meine Schwester irgendwann eine neue Zukunft gibt. Und ich weiß, es wird sich alles zum Guten fügen. Irgendwann…“

Überfordert sah Link in die grünlichschillernden Augen seines Lehrers und konnte einmal mehr nicht verstehen, wie Nicholas es schaffte seinen Hass und seine teuflische Wut Viktor gegenüber so im Zaum zu halten. Er war so unglaublich edelmütig, das es den Fünfzehnjährigen fröstelte…

„Prinzessin Zelda gab mir mein anderes Gesicht, meinen Namen Newhead und half mir neu anzufangen. Ich werde diese Chance nicht verspielen. Was Viktor angeht, ich bin sicher, er wird niemandem erzählen, wer ich wirklich bin. Wer sollte ihm auch glauben?“

Link nickte einmal mehr.

„Jetzt weißt du, warum ich einiges über die Geschundenen der Macht weiß. Und weshalb ich hinter dieser Sekte her bin.“

Link nickte wieder und wusste nicht so recht, welchen der vielen Gedanken in seinem Kopf, er zu Ende denken sollte. „Ich kann nicht verstehen, warum niemand dir geglaubt hat…“, sprach der Junge irritiert. „Was ist mit Prinzessin Zelda?“

„Sie war damals noch ein kleines Kind…“, entgegnete der Mann. „Und wenn du dir vorstellst, dass Hyrule gelitten hat, ein düsterer Krieg über das Land zog und man mit aller Macht versucht hat Frieden zu finden, denkst du, irgendjemand will etwas davon hören, dass erneut düstere Zeiten bevorstehen? Die Hylianer, die Zoras, die Goronen und die letzten Überlebenden der Shiekah hatten genug von Blut und Schlachtfeldern.“ Nicholas nahm noch einen Bissen von seinem Knistertrüffelkuchen, schluckte den Bissen nur widerwillig hinunter und schob den Teller weiter von sich.

„Aber mittlerweile weiß man doch, dass es die Geschundenen der Macht gibt, warum kannst du nicht begnadigt werden?“, wollte Link wissen.

„Weil ich gemordet habe…“ Eine unangenehme Pause schlich sich in die Konversation.
 

„Ich verstehe…“, sprach Link dann trübsinnig. „Und was ist mit deiner Schwester?“

Nicholas versuchte etwas zu grinsen und blickte den Jungen neben sich prüfend an. „Link, es ist gut jetzt. Sie hält Abstand zu mir und ist an einem sicheren Ort, wo man sich kümmert. Du solltest dich damit nicht auseinandersetzen und schauen, dass du wieder fit wirst.“ Der Held der Zeit verkrampfte auf diese Worte und erhob sich. Er stemmte sich auf den Tisch und in seinen tiefblauen Augen erstarkte ein alter Zorn, den er viel zu lange unterdrückt hatte.

„Nein, es ist eben nicht gut“, murrte er. „Die Geschundenen der Macht, diese teuflische Sekte, plant irgendetwas… und ich habe das ungute Gefühl, dass ich viel mehr in diese Machenschaften verwickelt bin als mir lieb ist.“

Nicholas zwinkerte. „Weil du von einem Blutschatten angegriffen worden bist?“

Link schüttelte den Kopf, ließ sich geräuschvoll nieder und stützte seinen Kopf auf seinen Händen ab. Grübelnd fuhr er sich mit seinen Händen durch das goldblonde Haar.

„Da ist mehr dahinter. Ich kann mich nur nicht erinnern.“

„Du redest von deiner Amnesie?“

Link nickte fahl. „Es geschehen immer mehr Dinge, die nicht einfach nur Zufall sein können. Da fällt mir ein…“ Verdutzt sah der einstige Heroe auf. „Du hast meinen Kompass noch, oder?“

„Dieses alte, verrostete Ding?“, lachte Nicholas. „Ja, er ist gut versteckt. Was ist damit?“

„Erinnerst du dich an das merkwürdige Buch, das ich dir gezeigt habe über diese dreizehn Schlüssel?“ Nicholas nickte verständnisvoll.

„Die Kompassnadel gehört zu diesen Gegenständen, genauso wie Hopfdingens Ring. Könntest du dir vorstellen, dass die Geschundenen der Macht etwas damit zu tun haben und diese Schlüssel suchen?“ Begierig brachte Nicholas nur ein banales „Das weiß ich leider nicht…“ über seine Lippen, obwohl in seinen undefinierbaren Augen Verblüffung und leichtes Entsetzen stand.

„Du weißt mehr darüber, habe ich Recht?“

„Nicht zwangsläufig, aber ich werde mich informieren. Von dir jedoch erwarte ich, dass du dich heraushältst. Du musst erst wieder fit werden, bevor du dich in solche Abenteuer stürzt. Ich habe mitbekommen, dass es dir die letzten Tage nicht sonderlich gut ging.“ Link seufzte. Fing Nicholas jetzt auch schon so an ihn zu bevormunden?

„Link, ich meine das ernst! Du bist angeschlagen und krank. Ich kann dir nicht erlauben, dich in solche Affären zu stürzen.“

Link brummte etwas und dachte rebellisch. ,Als ob er sich jemals von jemanden hatte etwas verbieten lassen. Und Nicholas brauchte nun wahrlich nicht damit beginnen, sich als sein Vormund aufzuspielen. Warum behandelten ihn nur alle so, als käme er alleine nicht mehr zurecht? Sowohl Zelda, als auch Ariana und Will und nun sogar Nicholas!‘
 

Abtuend versuchte der Fünfzehnjährige das Thema zu wechseln. „Kann ich mir heute ein Pferd von dir borgen… ich muss in die Schlossbibliothek…“ Das war wohl aber bloß eine Ausrede. Eigentlich wollte er Zelda besuchen, oder es zumindest versuchen, auch wenn er sich gerade sehr feige fühlte angesichts des Gedanken.

„Sicherlich kann ich dir mein Pferd leihen, du weißt aber schon, dass bis heute die Aufträge fertig sein müssen, oder?“

Link zwinkerte unbeholfen und grinste hilflos. „Äh… heute?“ Waren denn mittlerweile schon so viele Wochen vergangen?

„Ja, heute! Wir machen zwar nicht lange Unterricht, aber zumindest ein paar Minuten, damit ihr die Aufträge abgeben könnt. Und denk‘ an die Theorie zum Bogenschießen bei Kramanzia heute. Du wirst deinen Ausritt in die Schlossbibliothek auf nachmittags verschieben müssen.“ Der vergessliche, heroische Bursche kratzte sich dümmlich an seiner linken Wange. Heute sollten die Aufträge fertig sein? Warum hatte ihm das niemand gesagt? Link blinzelte und fühlte eine ungute Nervosität in sich aufsteigen. Es war etwas anderes bei Viktor Hausaufgaben nicht zu erledigen, aber Nicholas als seinen Lehrer wollte er eigentlich nicht enttäuschen.

„Du hast deinen Auftrag doch nicht vergessen, oder?“, fragte Nicholas misstrauisch.

„Ich? Nein!“ Und Link schüttelte aufgeregt mit den Händen. „Ich habe mich über Arn Fearlesst informiert, überall informiert… nur…“ Nur hatte er es bisher nicht fertig gebracht, darüber einen Aufsatz zu schreiben…

„Wie dem auch sei… das, was ich dir vorhin anvertraute, bewahre Schweigen darüber. Wenn die Ritter wüssten, dass der einstige Schwindler hier Unterricht gibt, ist es aus mit meinem neuen Leben.“

Link versuchte ein wenig zu grinsen. „Kein Thema…“, sprach er, erhob sich und tapste unsicher aus dem Speisesaal.

„Und Link, erinnere dich an meine Worte“, rief ihm Nicholas hinterher. „Du hältst dich in deinem Zustand aus diesen Angelegenheiten heraus. Wenn du fit bist, werden wir mit dem Training deines Fragmentes anfangen, vorher nicht.“ Link hätte an liebsten geknurrt auf diese Worte und irgendetwas bissiges entgegnet, aber er schwieg.
 

Im Schloss Hyrule wachte die Gesellschaft des Hofes allmählich aus dem Schlaf, der sich jeden Abend sanft, aber übermächtig hinter die starken, alten Mauern schlich. Auch Zelda war gebadet, geschminkt und von ihren Zimmermädchen in ihre königliche Gewandung gepresst worden. Mit unruhigen Gedanken hastete sie direkt in die königlichen Gemächer ihres Vaters. Er ließ sich morgens oftmals Zeit und sie war sich beinahe sicher, dass er noch in seinem Bett lag, Bücher oder Zeitungen studierte. Die Zimmermädchen, die seine Gemächer putzten, und die Wachposten beäugten sie verdutzt, als sie wie ein unsäglich schlecht gelauntes Trampeltier in die Privatgemächer einmarschierte. Und keine der jungen Mädchen traute sich irgendetwas zu sagen, wenn Zelda ihre momentane, schlechte Miene aufsetzte.
 

„Liegt mein Vater noch im Bett?“, sprach die Prinzessin mürrisch und steuerte die große Doppeltür in sein Schlafzimmer an. Die Zimmermädchen nickten scheu und ängstlich, widmeten sich sofort wieder ihren Putztätigkeiten und es war dann, dass Zelda in die hoheitlichen Gemächer eintrat. Tatsächlich war es noch ziemlich dunkel im Gemach mit dem gigantischen Himmelbett und dem Schreibtisch mit dem riesigen Stapel Verträgen und Anträgen. Sie hörte ein leichtes Murren aus dem verschlafenen Mund ihres Vaters, der noch in seinem Schlummer schwelgte. ,Der sollte sich was schämen. Gerade er meckerte oft genug, wenn sie einmal länger schlafen wollte. Na warte, der kann was erleben.‘ Ohne weiter zu überlegen und mit einem knisternden Schabernack in ihren Gedanken, zogen sich Zeldas Mundwinkel in die Breite. Das erste, was sie tat, war die übergroßen weinroten Vorhänge auseinanderzuziehen, sodass ihr Vater von der aufgehenden Morgensonne geblendet wurde. Gefährlich ruhig und mit tyrannischem Auftreten schirmte die Königstochter das Licht der Sonne dann von dem schlafenden Harkenia ab, der mit einer Schlafmaske und hässlichen Haube auf dem Kopf die Nacht herumbrachte. Er öffnete nur eines seiner saphirblauen Augen und grunzte irritiert auf. Als er seine Tochter wahrnahm, verging ihm das schlaftrunkene Grinsen und er zwinkerte mehrmals. Er kratzte sich an seinem Kopf und beäugte sie misstrauisch. Wenn Zelda so früh auf den Beinen war und in seine Gemächer stapfte, musste irgendetwas vorgefallen sein. Zuerst wirkte er noch besorgt, als er aber Zeldas entschlossenen Blick und ihre temperamentvolle Haltung sah, wurde er das Gefühl nicht los, dass sie etwas zur Weißglut gebracht hatte.

„Zelda, Liebes, was suchst du so früh am Morgen hier?“, sprach er verblüfft und grinste sie fröhlich an. Aber er hatte, bei allem Pflichtgefühl, das er für Hyrule besaß, heute einen weniger stressigen Tag und sich erlaubt länger liegen zu bleiben.

„Vater, wie kannst du nur so seelenruhig im Bett liegen. Du hast Pflichten zu erfüllen!“, sprach sie laut und entrüstet. Der König aber amüsierte sich. War nicht eigentlich sie immer diejenige, die gewisse Pflichten von sich wegschieben konnte? Sie hatte es sogar geschafft nicht in der Mädchenschule sein zu müssen, obwohl es der Wunsch ihrer Mutter gewesen war.

„Tochter, ich weiß nicht, was in dich gefahren ist, aber ich erwarte ein wenig Respekt. Es ist lange her, dass du mich so früh in meinen Gemächern aufgesucht hast.“ Zelda klapperte mit ihren Stiefeln und stemmte ihre Hände in die Hüften. Sie schnaubte. Für sie war das alles nicht lustig, sie spürte, dass sie unbedingt etwas tun musste. Und diese furchtbare Ruhe, die Harkenia gerade ausstrahlte, brachte sie erst recht auf die Palme.
 

„Jetzt steh‘ endlich auf, Vater. Du musst dich um unsere Bündnispartner kümmern und zwar sofort!“ Er schaute irritiert drein. Und man konnte es ihm nicht übel nehmen. Zelda sollte ihm zumindest eine Erklärung für ihren Gemütszustand und ihre Unruhe geben, bevor sie etwas erwartete. Nur war es nicht das erste Mal, dass sie etwas veranlasste, was andere nicht verstehen konnten.

„Was immer es ist, ich bin mir sicher, dass hat noch Zeit bis nach dem Frühstück“, murmelte er und streckte sich. „Wir können ja später-“, begann Harkenia zu erklären. Aber er kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu Ende zu sprechen. Denn seine Tochter, die zwar ein zierliches Äußeres hatte und auch sonst wie ein zartes Mädchen wirkte, ballte die Fäuste und zerrte den überraschten König so heftig an seinem rechten Arm, dass er fluchend, sodass einige Zimmermädchen in das Schlafgemach eilten, aus seinem hoheitlichen Bett plumpste. Erst dann war er richtig wach, richtete sich mit einem bitterbösen Ausdruck in seinem alten Gesicht in die Höhe und sah seine Tochter verärgert an.

„Nein, das hat eben keine Zeit“, sprach sie aufgebracht, sprang hinüber zu dem Schreibtisch, nahm sich Feder und Tinte und zimmerte mehrere Namen auf ein Stück Pergament. „Du musst sofort heute, und frag‘ mich nicht warum, diese Leute kontaktieren. Wir brauchen unbedingt neue Verträge. Ich bitte dich, Vater.“ Erst dann realisierte er, dass es seiner Tochter wirklich ernst war. Er blickte sie väterlich und besorgt an und sah neben Zeldas Aufregung Schatten der Sorge in ihren neugierigen, strahlenden Augen.
 

„Es ist dir wirklich wichtig, dass ich das sofort erledige?“ Er streckte sich und trat in seiner weißen Schlafgewandung zu ihr hinüber. Er hob ihr Kinn in die Höhe, als die Zimmermädchen wieder davon eilten. Er las in ihrem Blick, bis Zelda die Augen schloss.

„Ich werde mich um den Anliegen kümmern, aber nicht so voreilig. Erkläre mir das beim Frühstück“, meinte er.

„Nein, bitte“, sprach sie dann und wirkte teilweise verzweifelt.

„Zelda, zügle deinen Tatendrang!“, sprach er etwas ernster. „Es wird schon nicht gleich Hyrule untergehen, nur, weil wir…“ Er brach ab, als Zeldas Gesicht immer blasser wurde. Er packte sie sanft an ihren Oberarmen und las ein weiteres Mal in ihrem Blick. Dann drückte er sie auf einen gepolsterten Sessel und kniete vor ihr nieder.

„Was ist geschehen, mein Kind?“ Was konnte so dringend und schlimm sein, dass Zelda überreagierte? Sie seufzte und streichelte das Fragment auf ihrem rechten Handrücken.

„Ich wurde gewarnt… schon vor einigen Tagen“, murmelte sie. „Impa erschien mir in der Nacht. Sie bat mich darum vorzusorgen wegen möglichen Angriffen der Geschundenen der Macht.“ Bedacht erzählte die Prinzessin nur einen Bruchteil der letzten Ereignisse.

„Und mit vorsorgen meinst du die Tatsache, dass wir unsere Bündnisse erneuern? Bündnisse mit Labrynna und Holodrum? Und unsere Verträge mit anderen Völkern?“ Harkenia zupfte sich an seinem grauen Bart. Zelda nickte lediglich.

„Und das ist alles? Deshalb machst du so einen Spektakel?“ Sie schluckte und grübelte, wie sie ihrem Vater beibringen sollte, dass Link ihr in mehreren Träumen von einer bevorstehenden Schlacht erzählt hatte. Links derzeitiger Status in Hyrule war nun mal nicht der Beste. Und an den zerstörten Mythenstein wollte Zelda auch nicht unbedingt denken.

„Du verheimlicht mir etwas“, sprach er dann. „Ich hoffe, deine Verschwiegenheit hat einen guten Grund.“ - „Bitte, Vater… Ich würde dich nicht darum bitten, wenn es nicht wichtig wäre und ich mir nicht sicher…“

Er atmete tief aus, kratzte sich erneut an seinem Bart und nickte dann. „Na gut, ich werde nachher noch ein paar Schriftstücke aufsetzen, aber unter einer Bedingung“, sagte er aufheiternd.

„Und die wäre?“

„Du schmeißt mich nicht noch einmal aus dem Bett, Zelda“, erwiderte er grinsend. Darauf lächelte auch seine Tochter. Sie war so dankbar, dass ihr Vater ihr glaubte und ganz anders als früher, ihren Rat sofort befolgte. Je älter Harkenia wurde, umso mehr spürte auch er, dass er Zelda maßgebliche Entscheidungen überlassen musste. Er lebte schon lange nicht mehr in der Illusion unsterblich zu sein. Wenn seine Zeit gekommen war, wollte er nichts bereuen müssen.
 

Er zog seine Tochter auf die Beine und umarmte sie liebevoll. Auch dies hatte sich Harkenia vor wenigen Jahren nicht getraut. Der Zeitkrieg, selbst wenn er in dieser Zeit niemals wirklich stattgefunden hatte, schien dennoch tiefe Spuren in Harkenias Herzen hinterlassen zu haben. Und er hatte noch andere Pläne, von denen auch Zelda bisher nichts ahnte.

„Du würdest es mir sagen, wenn es etwas gäbe, das ich wissen muss, nicht wahr?“, meinte er.

Unsicher öffneten sich Zeldas schöne blaue Augen und sie blickte ihm schuldbewusst über die Schulter. „Ja, doch, Vater“, log sie. Sie wusste, wie schändlich ihr Verhalten war. Aber sie konnte ihrem Vater die Wahrheit einfach nicht erzählen. Sie konnte nicht davon berichten, dass Hyrule von Dämonen überrannt werden könnte, genauso wenig über Links vermeintlichem Verrat.

„Und du würdest mir auch immer sagen, was dich belastet, richtig?“

Auch diesmal log Zelda, und schämte sich sogleich. Aber sie konnte einfach nicht. Sie konnte ihrem Vater das Vertrauen und die Hoffnung in die Helden Hyrules nicht nehmen. Sie konnte einfach nicht…
 

„Da fällt mir ein, erinnerst du dich an den alten Hylianerstamm der nördlichen Insel, von dem Madame Morganiell abstammt.“ Nickend löste sich die Prinzessin aus der väterlichen Umarmung.

„Und erinnerst du dich an Lady Ornella Morganiell, die Freundin deiner Mutter?“ Ein leichtes Unbehagen stieg in Zelda auf, als Harkenia das Thema anschlug. Zelda erinnerte sich schwach. Die Morganiells waren eine große Sippe, die eine Insel ganz im Norden bewohnte. Es war eine Insel mit dem Namen Hyladién, die durch hohe Mauern geschützt war und alle politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten regelten die Morganiells alleine. Sie waren unabhängig, aber Hyrule niemals feindlich gesonnen. Sie hegten andere Traditionen und ihre Glaubensvorstellungen waren andere. Sie glaubten nicht hauptsächlich an die Großen Drei, eher an Götter, welche Din, Nayru und Farore untergeordnet waren. Zelda hatte schon damals ungute Gefühle getragen, wann immer die Freundin ihrer Mutter zu Besuch kam, vor allem dann, als ihre Mutter erkrankte und wenig später verstarb.

„Lady Morganiell wird mit ihren beiden Kindern in Kürze zu Besuch kommen“, erzählte Harkenia erfreut.

„Warum das?“ Zelda sah irritiert auf.

„Auch der Stamm der Morganiells gehört zu unseren Bündnispartnern. Es ist ein guter Zeitpunkt.“ Harkenia schien über diesen Umstand sichtlich erfreut. Er lächelte, wohl, weil es eine vornehme und sehr edle Person war, welche zu Besuch kam. Und Zelda wusste, dass ihr Vater dem weiblichen Geschlecht niemals abgeneigt war. Er war lange alleine gewesen nach dem Tod ihrer Mutter. Zelda spürte, dass er sich nach weiblicher Gesellschaft sehnte. Sie würde es ihm kaum ausreden können.

„Wie alt sind Lady Morganiells Kinder?“

„Es sind ein Mädchen und ein Junge, die beide in deinem Alter sind. Ich schätze, du kannst eine gute Basis mit ihnen finden. Der Junge wird in Kürze in der Ritterschule beginnen zu lernen. Das Mädchen wird in die Schule nebenan geschickt.“

„Das heißt, die Morganiells bleiben länger im Land?“, sprach Zelda verdutzt. Sie versuchte nicht die Abneigung, die sie empfand, an die Oberfläche zu lassen.

„Vermutlich“, sprach Harkenia lächelnd. Und sein Lächeln war angenehm. Es machte ihn jugendlich und frisch. Manche tiefe Sorgenfalten verschwanden mit dem Gedanken an Besuch.

„In Ordnung“, entgegnete die Prinzessin, auch wenn sie dieser Umstand überhaupt nicht freute. Vielleicht sah sie mittlerweile überall Feinde, erst recht jetzt, wo ihr Urvertrauen durch Links vermeintliche schändliche Tat, erschüttert wurde. Aber ihr gefielen diese Entwicklungen überhaupt nicht.

„Und eine Sache noch, die Familie Laundry hat vorige Woche um eine Audienz gebeten. Du wirst diesen Termin erledigen, wenn ich mich um unsere Bündnispartner kümmern muss. Ist das in deinem Interesse?“

„Was möchten die Laundrys mit uns besprechen?“

„Das gilt es wohl herauszufinden. Nun aber geschwind, Zelda, ich habe einen Auftrag, oder nicht?“ Zelda nickte entschlossen und verließ die Gemächer hastig.
 

Mit geballten Fäusten stapfte Link den Gang zu seinem und Wills Zimmer entlang. Er dachte an die selbstlosen Wesen des alten Landes Hyrule. Jene Wesen, die für Gerechtigkeit kämpften und litten. Jene guten, reinen Geschöpfe wie Ariana oder Nicholas, die für ihre Ideale verkannt wurden. Auch ihm, einen selbstlosen Helden, erging es nicht anders. Man sah ihn als Ammenmärchen, und man sah viele seiner Taten als so selbstverständlich… aber wenn man ihm zuhörte, wenn man nur einmal seine tiefblauen Augen las, wusste man, dass sich hinter seinen Idealen und Motiven sich so einzusetzen, tiefe Beweggründe verbargen. Link hatte für viele Geschöpfe gekämpft und nie etwas dafür verlangt. Sein Antrieb war einst und würde es immer sein, für jene Herzen zu kämpfen, die edel und unschuldig waren. Für solche Herzen wie das von Ariana, die verspottet wurde, oder Nicholas, der angezweifelt wurde… Für solche schönen Wesen, musste er, bei Farore, endlich wieder erstarken!
 

Will war gerade dabei sich anzuziehen, als Link in das Zimmer eintrat. Mit verschlafenen smaragdgrünen Augen blickte Will seinen Kumpel an und fragte sich noch im halbtrunkenen Zustand, was ihm Gewaltiges über die Leber gelaufen war. Link sah so aus, als könnte er sich am liebsten auf der Stelle selbst ohrfeigen, zerrupfen oder seinen Kopf in das nächste Mogmaloch hineinstecken. Er ließ ein mürrisches ,Guten Morgen‘ über die blassrosa Lippen gleiten, knallte sich auf sein Bett und starrte missmutig an das Deckengewölbe.
 

,Jap‘, dachte Will. ‚Dem ist wohl einmal wieder ein Gorone über die Leber gelaufen.‘

„Guten Morgen, mein toller, mutiger und zumeist sehr verdrießlicher Mitbewohner“, sprach der Laundry erheitert. Mittlerweile hatte er sich bestens an Links komische Gemütszustände gewöhnt und keine Lust mehr sich anschnauzen zu lassen.

„Morgen…“, sprach Link leise, steckte die Arme hinter seinen Kopf und seufzte. Noch immer richtete er seinen Blick völlig an die mausgraue Zimmerdecke und seufzte mehrmals.

„Gibt es eigentlich mal einen Tag, an dem du nicht trübsinnig an die Decke starrst und so tust, als laste das Schicksal der ganzen Welt auf deinen Schultern?“

„Ja, vielleicht gibt es diesen Tag nicht…“, murmelte der einstige Held. „Hast du jemals für etwas verbissen gekämpft und warst voller Überzeugung, dass es das einzig Richtige ist?“ Doch Will konnte Links melancholische Worte im Augenblick überhaupt nicht verstehen. Mit einem Satz war er neben ihm und starrte in seine Gesichtszüge, als wollte er ihn untersuchen. „Bist du schon wieder krank? Ich dachte, du hättest dich die letzten Tage einigermaßen erholt.“

Link richtete sich streitsuchend auf und brüllte beinahe. „Denkt ihr alle eigentlich nur noch an meine bescheuerte Krankheit?“

Will zuckte zurück und der restliche Schlafsand in seinen Augen hatte sich vor Schreck aus dem Staub gemacht.

„Sorry…“, murmelte Link sogleich und fuhr sich über die Stirn, während Will seinen Kopf schüttelte. Er startete seinen zweiten Anlauf: „Also, was ist eigentlich los mit dir?“

„Ich hab‘ Mist gebaut…“, flüsterte Link.

„Und das heißt im Klartext.“

„Ich… ärgere mich… dass…“ Der Laundry machte ein Gesicht, als stand die Entdeckung des Jahrtausends vor ihm, weil Link das erste Mal versuchte ihm ehrlich mitzuteilen, was mit ihm los war.

„Worüber ärgerst du dich?“, bohrte William geduldig nach.

„Dass…“

„Ja?“

„Dass ich mich so…“, wollte er erklären.

„Wie war das?“

Link brüllte dann: „Dass ich mich so kindisch und trotzig anstelle!“

Will grinste und lachte dann. „Ein Wunder ist geschehen! Bei den Göttinnen, Link ist endlich mal ehrlich zu seinem geduldigen Freund. Endlich gibt er zu, dass er sich wie ein eingeschnapptes, mürrisches Kind benimmt! Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Und das in Hyrule.“

„Haha…“, meinte Link tonlos. Aber aus irgendeinem Grund hatte Will es mit seiner Art und Weise geschafft mehr als Vertrauen in Link zu wecken. Und es war nicht einmal mehr schlimm oder demütigend für den einstigen Heroen. Es fühlte sich gut an, und völlig normal…
 

„Aber jetzt mal ehrlich“, begann der hochgewachsene Grünäugige. „Was ist eigentlich los, dass du schon so früh auf den Beinen bist.“

„Ich habe die letzten Tage wohl einfach zu viel geschlafen“, sinnierte Link nach Erklärungen. „Und völlig vergessen, dass wir heute die Aufträge abgeben müssen.“ Etwas schuldbewusst sank das Grinsen aus Wills Gesicht. „Ah, tut mir leid, ich wollte dich noch daran erinnern, hab‘ es aber vergessen.“ Link zuckte mit den Schultern, hätte seinem Freund ohnehin keine Vorwürfe gemacht.

„Wie wäre es, schreib‘ den blöden Aufsatz jetzt, muss ja nicht viel sein, oder? Es ist nirgendwo etwas festgelegt, wie viel es sein muss. Du hast ja noch eine Stunde Zeit!“ Perplex, nicht selbst daran gedacht zu haben, hüpfte Link hinüber zu seinem Schrank, nahm sich eine Feder, Tinte und Pergament und pflanzte sich an den kleinen Tisch in der Ecke.

„Na hoppla, du nimmst die Aufträge aber ernst, huch?“, sagte Will verdattert.

„Mag sein… hast du eigentlich inzwischen die goldene Kralle einer Pteropia gefunden?“

Will nickte und präsentierte die Kralle voller Stolz. Wie ein von einem Goldschmied hergestelltes Ausstellungsstück lag die golden schimmernde Kralle auf Wills langen Händen.

„Artus und Robin hatten ähnliche Dinge zu suchen, wir sind gemeinsam auf Beutejagd gegangen.“

Link versuchte ansatzweise zulächeln. „Das freut mich… für dich…“ Er hatte seinen Satz noch nicht ausgesprochen, als Will ihn ein weiteres Mal keine zehn Zentimeter vor seinem Kopf entfernt anstarrte. „Was hat Ariana eigentlich mit dir angestellt, du bist irgendwie wie ausgewechselt. Du hast früher niemals so etwas sagen können!“

„Es liegt nicht an Ariana, auch wenn sie sich die letzten Tage so gekümmert hat“, maulte Link und wurde etwas rot um die Wangenknochen.

„Woran dann?“

„Will“, und Link konnte sein mittlerweile knallrotes Gesicht ohnehin nicht mehr kaschieren. „Können wir ein anderes Mal darüber reden, ich muss den Aufsatz schreiben.“

„Klar“, sagte der Laundry bloß und tapste mit knurrendem Magen aus dem Raum.
 

,Es lag nicht unbedingt an Ariana‘, dachte Link. ,Sondern daran, dass er auf dem Weg war seine Krankheit zu akzeptieren und… an den lebhaften Träumen mit Zelda…‘ Er räusperte sich, gab sich eine Kopfnuss und tauchte dann die Feder in das schwarze Tintenfässchen…
 

Zuerst wusste der junge Kerl überhaupt nicht, wo er beginnen sollte. Er hatte noch nie einen Aufsatz geschrieben und war nicht gerade begabt hinsichtlich dem Dichten oder Schreiben. Er war eher der begabte Schwertfechter oder Bogenschütze, aber nun mal kein Philosoph oder Künstler. Über fünf Minuten vergingen, in denen ihm überhaupt nichts einfiel. Es war eher Zufall, dass ein aussagekräftiges, wunderschönes Wort durch seine Gehirnwindungen streifte. Ein Wort, vor dem sich Böses fürchtete…
 

Edelmut…
 

Vielleicht war genau das der Beginn einer kleinen Geschichte, in welche er Arn Fearlesst einordnen konnte. Eine Geschichte über Helden und jene Wesen, die für die schönsten und stärksten Ideale der Welt kämpften und untergingen.
 

Link dachte mit einem geruhsamen Lächeln an seine Abenteuer, die vielleicht nie wieder zurückkehrten. An das, was er geleistet hatte, als die Zeiten düster waren. Er dachte an all‘ die Helden in Hyrule, bis hin zu den Hylianern, die Tag ein Tag aus für ihre Ziele Risiken und Schmerzen eingingen. Er dachte an Ariana, die sympathische Schmiedtochter mit ihrer rebellischen, zickigen Ader, und er dachte an Nicholas, einen ehrenwerten Mann, der trotz herber Schicksalsschläge nicht gebrochen war. Und diese Gedanken brachte ihn unweigerlich zu seinem Vorbild. Arn Fearlesst war einer jener wunderbaren, edlen Wesen, für welche es sich lohnte zu kämpfen und an welche Link mit jeder Faser seines Herzens geglaubt hätte.
 

Mit einem angenehmen Gefühl, einer beruhigenden Stimmung, als wandelten freundliche Gespenster durch Links Zimmer und schauten ihm über die Schulter, als führte ein alter Geist die Feder, begann er zu schreiben:
 

,Wir alle kennen sie, jene Geschichten über Ritter und ihre Ziele, über vernichtende Schicksalsschläge, und wir kennen die Märchen, die man sich in den hylianischen Landen erzählt. Mit einer unglaublichen Faszination erinnern wir Kämpfer, die ihre gesamte Lebenszeit in den Dienst des Guten gestellt haben. Alles für eine Welt, die man, wenn man ihr begegnen und jeden kostbaren Winkel bewandern und erforschen konnte, auf ewig lieben und verehren würde. Hyrule hütete goldene Schätze und Mächte. Aber Hyrule besaß auch etwas viel wertvolleres, nämlich jene Helden, die für andere einstehen würden bis zum Blut. Bis zum Tod…

Einer jener Männer war ein Ritter ohnegleichen. Er verehrte Hyrule bis zum Schluss, und er hatte stets auf sein Schicksal und die Elfen vertraut, die ihn begleiteten. Er hatte Leid gesehen, verlor alles, was ein Mann verlieren konnte, und doch, war sein Herz rein und er stets auf dem Weg geblieben, den er als den wahren und richtigen angesehen hatte und er trug einen Namen, der beispiellos für das gefürchtete Ideal Edelmut stand. Er war einer der Furchtlosen, wie sie jene Familie in Hyrule nannten. Einer derer, die man oft als übermütig oder leichtsinnig beschimpfte, vielleicht sogar als dumm und schwachköpfig. Aber er hatte immer auf sein Schicksal vertraut, ein Grinsen denen gezeigt, die ihn niedermachen wollten. Er war nicht umsonst ein berühmter Ritter, der sich bis an die Seite des Königs vorarbeiten konnte.

Er war ein Fearlesst, einer eines alten edelmütigen Geschlechts, das sich Ängsten und Dämonen stellte.

Er war Arn Fearlesst, ein Familienvater, ein Ehemann, und ein Held.

Ja, Arn Fearlesst hatte einen berühmten Namen. Aber er hatte ihn, wie seine Ahnen, nicht nötig. Denn diejenigen, die bedeutend für Hyrule sind, leben irgendwo in unserer Geschichte… und sie leben weiter… Wir müssen ihre Namen nicht erinnern, um zu wissen, dass sie existierten, jene selbstlosen Wesen, die sich für andere aufopferten. Jene selbstlosen Hylianer, die alles tun würden, um anderen zu helfen und andere zu beschützen. Jene, als Inbegriff von Edelmut und Freiheit…‘
 

Als Link die Feder absetzte und etwas irritiert auf Wills merkwürdige Kuckucksuhr blickte, hatte er das Gefühl, er wäre für einige Minuten völlig in Trance gewesen und konnte sich teilweise nicht einmal daran erinnern, was er hier geschrieben hatte. Er blinzelte, erhob sich und öffnete das Fenster. Er brauchte aus irgendeinem Grund frische Luft und sah dann irritiert noch einmal auf die Uhr. Tatsächlich waren keine fünf Minuten vergangen, in denen er ein ganzes Blatt Pergament vollgeschrieben hatte.
 

Gerade da steckte Will seinen Schädel durch den Türspalt. „Hey, Link, ich gehe jetzt runter in den Speisesaal, soll ich dir was mitbringen?“ Verwundert heftete der einstige Held der Zeit seine tiefblauen Augen zu Will und wirkte schlichtweg durcheinander.

„Was ist? Du solltest endlich mit dem Aufsatz anfangen“, meinte er.

„Ich bin, glaube ich, schon fertig…“, entgegnete Link und kam sich gerade irgendwie veralbert vor.

„Ach echt? Hast du die Zeit manipuliert, oder was?“ Will stiefelte wie immer neugierig in den Raum und steckte seine Laundrynase in fremde Angelegenheiten. Je mehr William las, umso mehr trat eine wundersame Form der Anerkennung in seine leuchtend grünen Augen.

„Hey, der Aufsatz ist unglaublich gut. Das klingt nicht nur so, als hättest du ihn gekannt, das klingt so, als wüsstest du wirklich, wovon du hier schreibst.“

„Ich weiß nicht“, brachte Link hervor. Ihm war irgendwie etwas mulmig. „Ich brauche frische Luft…“, setzte er hinzu und trat dann nachdenklich aus dem Raum.
 

Will jedoch nahm am Schreibtisch Platz und las die Worte ein weiteres Mal. Sie berührten ihn und er dachte scharfsinnig: ,Einen solchen Aufsatz konnte nur jemand schreiben, der wusste, was es bedeutete ein Ziel zu haben und für dieses Menschenunmögliches zu leisten. Diese Worte konnte nur jemand finden, der das Grausamste gesehen und überstanden hatte. Jemand mit einer unzerstörbaren, alten Seele. Ein Held…‘
 

Will war sich nun sicher, dass er sein Zimmer mit dem Helden der Zeit teilte. Und allmählich konnte er verstehen, warum er sich so abweisend verhielt. Er grinste etwas. Link schrieb von ,edlen Seelen‘. Dabei war er derjenige, dem solche Worte gelten sollten. Er war der Edelmut in Person. Nur er…

Ausflug in die Hauptstadt
 

Kurz vor dem Mittagessen, dessen Duft nach gut gewürzten Hähnchenkeulen bereits die hylianische Luft erfüllte, schaute der einstige Held der Zeit unentwegt auf die große, klappernde Uhr, die im Vorlesungssaal hing. Konnte die Zeit nicht schneller ticken? Er saß gelangweilt und zugleich ungeduldig neben einem enthusiastischen Will, der mit Bewunderung und Interesse den Worten der stolzen Gerudo Kramanzia lauschte. Sie erklärte mittlerweile zum hundertsten Mal Grundlagen über das Bogenschießen, denn ohne diese, erlaubte sie den Ritterschülern nicht auch nur einen Finger an so etwas Edles und Filigranes wie einen Bogen zu legen. Natürlich schlich sich die Langeweile in Links reifes Gemüt. Wie sollte diese auch nicht? Er hatte in der alternativen Zukunft mit seinem Talent im Bogenschießen sogar ein so stolzes, arrogantes Volk wie die Gerudos beeindruckt und einen Rekord erzielt, den das kapriziöse Frauenvolk sehr geschätzt und auch belohnt hatte. Nur über die Belohnung wollte Link nicht unbedingt länger nachdenken. Er wurde etwas scharlachrot im Gesicht, dachte an das alberne Ritual des Moblinfleischverzehrs, das die Gerudoweiber durchgeführt hatten und an die etwaige Belohnung, die er jedoch ausgeschlagen hatte. Man hatte ihn eingeladen eine Nacht in der Festung zu verbringen, und das in verführerisch nach Jasmin duftenden Räumen, die normalerweise nicht zugänglich waren, gemeinsam mit drei jungen Gerudodamen, die, so hatte man ihm gesagt, für die Therme in der Festung zuständig waren. Als er den Raum und die halbnackten Damen in ihren bunten Seidengewändern gesehen hatte, war ihm allein der Anblick der drei attraktiven, braungebrannten Damen zu viel und er war hektisch von dannen gestürmt…

In dem Augenblick stand die rothaarige Dame mit ihrer sandgelben Hose und der bauchfreien Tracht ihres Frauenvolks mit dem Zeigestab vor Links Tisch und musterte ihn zornig. Er lugte zwinkernd nach oben und blickte in das ernste, scharfkantige Gesicht der Lehrerin. Sie ließ den Zeigestab immer wieder in ihrer anderen, glatten Hand niederkrachen und schien verärgert. Will gab Link zusätzlich einen gut gemeinten Stups in die Rippengegend und murmelte etwas, das jener nicht verstand. Aber trotzallem wusste er, dass die kräftige, durchtrainierte Dame mit den katzengelben Augen vor ihm sehr genau beobachtet hatte, wie wenig Interesse er an ihrem Unterricht hegte.

Link versuchte den Knoten in seinem Hals herunter zu schlucken, als die Dame jedoch grinste und den Kopf schüttelte. Sie sprach mit ihrer rauen, tiefen Stimme belehrend: „Es mag stimmen, dass einige in dieser Klasse den Unterricht nicht nötig haben, ich rate euch dennoch aufzupassen, schließlich finden nach den Winterferien kurze Tests statt, auch wenn die großen Prüfungen erst am Ende des Jahres angesiedelt sind. Nichtsdestotrotz beinhalten auch die kurzen Tests jede Menge Theorie.“

Sie schenkte Link noch einen zynischen Blick, zwinkerte aber dann belustigt und da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er hatte diese Dame früher schon einmal gesehen, nicht nur, als Naboru sich mit ihr unterhalten hatte, nein, sie hatte ihn damals gesehen und auch angesprochen, als er neugierig an den riesigen Wasserfällen des Gerudotals entlang geschlichen war. Und sie hatte ihn damals sehr grob und fies belehrt, dass er dort nichts verloren hatte.
 

„Gibt es eigentlich irgendein Fach, das dich mal nicht langweilt und wo du nicht mit Erfahrung und Talent punkten kannst?“, murmelte Will gehässig und räumte seine magische Schiefertafel in seine Ledertasche. Er richtete sich auf und streckte seinen schlanken, langen Körper nach Liebeslaune.

„Das kommt dir doch bloß so vor“, entgegnete der Angesprochene. Link hüpfte auf die Beine, blickte noch einmal zur Uhr, erfreut, dass Kramanzias Stunde vorüber war, er nur noch Mittagessen gehen brauchte, und dann könnte er ins Schloss reiten. Endlich… endlich hatte er den Mut gefasst mit Zelda zu reden…

„Warum schaust du eigentlich dauernd zur Uhr, das ist mir bei Newheads Unterricht vorhin schon aufgefallen“, meinte Will verdutzt und hoffte, er bekam eine ehrliche Antwort. Seine Kommunikation mit seinem merkwürdigen Zimmergenossen hatte sich zwar in den letzten Tagen, auch weil er sich so um Link bemüht hatte, deutlich verbessert, aber es gab immer noch bestimmte Dinge, über welche der heldenhafte Junge gerne schwieg. Will hoffte, dass auch das letzte Eis irgendwann schmolz und er ihm die Wahrheit über sich, die vielen Narben an seinem Körper und seinen kriegerischen Fähigkeiten, erzählte…

„Ich wollte nach dem Mittagessen in die Stadt reiten…“, sprach Link leise und schaute betreten zu seinen Stiefeln.

„Ach echt? Du meinst in die Hauptstadt?“ Will war nicht einfach nur verdutzt, es überraschte ihn maßlos, dass Link einmal etwas anderes vorhatte als einfach nur in seinem Zimmer zu hängen, Okarina zu spielen oder im Wald herumzulungern.

Link nickte umständlich und schabte mit den abgetragenen Lederschuhen verlegen über den Boden.

„Und was willst du dort?“ Erneut musste Will ihm alles aus der Nase ziehen.

Und es war vielleicht das erste Mal, dass der neugierige Laundry den Ansatz eines Lächelns auf dem Gesicht seines mittlerweile besten Freundes erkennen konnte. Ganz versteckt und zaghaft, beinah unwirklich, verschoben sich die feinen Muskeln in Links Gesicht. Aber er schwieg.

Kichernd trat Will mit dem vergessenen Heroen in Richtung Tür und klopfte ihm auf die Schulter. „Ich verstehe schon, du willst die Prinzessin besuchen, habe ich Recht?“ Ertappt sah der blonde Jüngling auf und ärgerte sich fast ein wenig darüber, dass Will ihn so leicht durchschaute. Link nickte weitschweifig.

„Wenn du nichts dagegen hast, komm‘ ich mit. Ich muss ohnehin noch Bücher in der Schlossbibliothek ausleihen. Anordnung von Aschwheel. Und ich hab‘ sonst nix zu tun.“

Link runzelte die Stirn, war sich nicht sicher, ob das eine so gute Idee war, andererseits musste er zugeben, dass er Wills Gesellschaft immer angenehmer fand.

„Jetzt sag‘ bloß nicht nein“, sprach er grinsend. „Weil ich dann nämlich einige Argumente parat habe, die dich überzeugen.“

„Will…“

„Also erstens, du hast mir immer noch dein Versprechen, mit mir zu trainieren, nicht erfüllt.“

„Will“, meinte Link etwas lauter.

„Dann wolltest du eigentlich mir einen Gefallen dafür tun, dass ich keinem verrate, dass du die Prinzessin kennst.“

Link trat dann vor ihn und hinderte ihn an seinem Weg, ehe sich jener noch in weitere Diskussionen verstrickte. „Will, ich habe nichts dagegen, dass du mitkommst.“

Erheitert sah der Grünäugige auf, war jedoch gleichzeitig verwundert über Links Aussage. „Ach echt?“ Er grinste so breit wie noch nie in seinem Leben und rannte vorwärts. „Gut, ich frag‘ Artus noch, ob er mir sein Pferd leiht. Wir sehen uns dann beim Mittagessen.“ Link schnaubte und atmete tief durch. Will war wirklich unverbesserlich…
 

In schwere Gedanken versunken war Link der letzte Schüler, der sich im Vorlesungssaal aufhielt. Er bemerkte zunächst nicht, dass Kramanzia eines der riesigen Fenster im Saal öffnete und blickte erst dann verwundert auf, als ein stolzer, fast schon riesiger, goldgefiederter Falke stürzend in den Saal rauschte. Das schöne, starke Tier kreischte hell und aufhorchend, erschuf sich Respekt mit einem Schrei, der sonst nur in den weiten Tälern Hyrules umher schallte. Das kräftige Tier ließ sich stolz auf Kramanzias rechtem Arm nieder und ließ sich von der Gerudo eine kleine Rolle Pergament, gebunden an den Hals des Tieres, abnehmen. Zögerlich warf Link einen Blick auf die Rolle. Seine scharfen Augen nahmen ein Gerudosymbol wahr, mit welchem sich nur eine Anführerin schmückte. Sofort verstand er, dass die Rolle von Naboru stammen musste. Gerade da schenkte Kramanzia dem Jungen einen belehrenden Blick und machte ihm deutlich, dass er sich in diese Angelegenheit nicht einzumischen hatte. Link hob entschuldigend seine Hände, trat aus dem Vorlesungssaal hinaus, aber warf noch einen Blick zu Kramanzia. Sie hatte den Brief geöffnet, als der Falke aus dem Fenster flog. Sie war sichtlich berührt von dem Schreiben, faltete es sofort wieder zusammen und schaute mit ihren katzengelben Augen noch einmal in Links Richtung. Und was der Heroe in diesen sonst so starken Augen deuten konnte, war ein Gefühl von Unterlegenheit und Angst. Sie schüttelte den Kopf, trat näher und verschloss die Türen vor Link. Ratlos und ein sehr ungutes Gefühl spürend, stand Link vor dem Saal. Sein Triforcefragment pochte wie wahnsinnig…
 

Und das Pochen und Pulsieren der goldenen Macht schien sich in dem Augenblick mit dem Galopp stolzer Reittiere, die vom nahen Westen in Richtung eines gut bewachten Grenzposten ritten, anzugleichen. Eine Horde stolzer, schwarzer Pferde mit glänzenden Mähnen trampelte näher zu dem Stützpunkt an der westlichen Grenze, wo auch Valiant von Hyrule stationiert war und einigen Vorfällen nachging. Zudem übte Valiant in seiner Position als Neffe des amtierenden Königs viele vertrauliche Tätigkeiten aus und er hatte einen guten Grund sich ausgerechnet dort aufzuhalten. Er hatte weitreichende Pläne für das Königreich Hyrule und wusste nur zu gut, dass sein Onkel nicht mehr der Jüngste war. Valiant war ein stolzer Hylianer und eifrig, was seine Vorstellungen und sein Pflichtgefühl gegenüber Hyrule anging, nur legte er nicht so viel Wert auf demokratische Vorgehensweisen wie sein Onkel dies tat. Und neben seinem derzeitigen Auftrag an der Grenze für Recht und Ordnung zu sorgen, kontrollierte der Prinz gerne die Einwanderer und deren Waren. Und er war misstrauisch gegenüber vielen Völkern, die mit Hyrule interagierten, vor allem gegenüber Abgesandten des Frauenvolks im Westen Hyrules. Seine grauen Augen strahlten von seinem Gemach nach draußen und auch er konnte die stolzen Reittiere, die Gerudos züchteten, näher hasten sehen. Etliche Gegenstände und Schätze transportierten die starken Pferde neben ihren weiblichen Herren. Teppiche. Goldene Gefäße. Bunte Gewandungen. Säcke mit Mehl. Valiant schnallte sich sein Schwert um und verließ sofort seine Gemächer.

Als die Abgesandten der Gerudos, unter denen sich auch Naboru, eine reinrassige und staatliche Kriegerin, befand, am Tor zum Stehen kamen, erschien der Königssohn in seiner funkelnden Ritterrüstung und ließ jene Besucher zunächst nicht passieren. Stolz sprang Naboru in ihrer sandweißen Gerudotracht von ihrem schwarzen Reittier und zog sich ihre Kapuze vom Kopf. Wildes, feuerrotes Haar wurde sichtbar, das sie sich zurückstrich. Sie war etwas verwundert, dass die hylianischen Wachposten ihre Sippe nicht durch die Pforte ließ, zumal sie alle Papiere vorweisen konnte, die notwendig waren, immer Steuern zahlte, und obwohl sie Angehörige des Landes war.

„Was ist hier los?“, sprach die Gerudo und musterte den Prinzen misstrauisch. Valiant trat näher, begleitet von einem belehrenden Klappern seiner Rüstung. Seine rechte Hand ruhte gefasst auf dem Griff seines Schwertes.

„Da sich hier an der Landesgrenze immer mehr Angriffe ereignet haben, ist es meine Anordnung, dass jeder, der Eintritt verlangt, sich einer Kontrolle unterziehen muss“, sprach er, winkte seinen Soldaten zu, die sofort die Pferde und Waren unter die Lupe nahmen.

„Ist das ein königlicher Befehl oder auf Euren Mist gewachsen, Valiant von Hyrule?“, fragte Naboru und stellte sich den Soldaten in den Weg. „Seit wann müssen wir Gerudos Zeugnis darüber ablegen, welche Waren wir von weither mitbringen?“

„Ich bin nicht geboren worden um Gerudos Rechenschaft abzulegen. Das ist mein Befehl und mein Wort gilt hier“, entgegnete er scharf, nickte seinen Soldaten ein weiteres Mal zu, die dann unwirsch die Beutel, Säcke und anderen Gefäße aufrissen. Zuerst wollten sich die fünf weiteren Gerudodamen noch wehren, als aber Naboru mit dem Kopf schüttelte. Sie würde sich von einem Hylianer wie Valiant niemals belehren lassen und sie hatte es nicht nötig sich an schwachen Soldanten wie jenen die Finger schmutzig zu machen. Aber sie würde sich diesen Umstand merken. Es war lange her, dass sie so unehrenhaft von den Hylianern behandelt wurde. König Harkenia oder Prinzessin Zelda würden niemals so misstrauisch ihr gegenüber handeln. Und im Kreis der Gerudos war ein solches Zeichen der Missgunst und Zwietracht, jene Signale, die Valiant gerade aussendete, ein Verbrechen, das sehr hart bestraft wurde.

Naboru blickte Valiant verachtungsvoll, und sicherlich überlegen entgegen und wartete nur darauf, dass er auch ihre Lederbeutel, die sie an ihrem Gürtel festgeschnallt hatte, unter die Lupe nahm. Tatsächlich trat er näher, während seine Soldaten akribisch seinen Befehlen nachgingen. Er musterte die kräftige, vollbusige Schönheit von oben bis unten und sein Blick blieb tatsächlich an Naborus Lederbeuteln haften. „Zeig‘ mir den Inhalt deiner Taschen!“

Er griff an Naborus Gürtel, als sie ihn mit einer starken Hand davon abhielt.

„Für Euch noch immer Anführerin Naboru. Ich habe Euch kein Du erlaubt!“, zischte sie und wich flink aus seinem Zugriff. Valiant spuckte zu Boden und entgegnete scharf: „Ihr wisst eh, dass ich von Eurem Weibervolk nicht gerade viel halte. Ihr habt den damaligen Krieg zu verantworten, vergesst das nicht. Ihr seid Mitschuld am Tod meines Vaters.“ Naboru lachte bärbeißig auf und schüttelte ihren hübschen Kopf. Ihre goldenen Augen funkelten eindringlich. Aber sie ließ sich nicht provozieren. Von einem schwachen Mann wie Valiant, der mit seinen Anschuldigungen und bemitleidenswerten Unfähigkeit zu vergeben, Grenzen überschritt, würde sie sich niemals aus der Reserve locken lassen.

„Und ihr vergesst nicht, dass es die Hylianer waren, die sich haben manipulieren lassen, auch euer stolzes Volk trägt Mitschuld. Eure selbstgefällige Monarchie hat oft genug den widerwertigsten Gräueltaten zugesehen… zu oft in Hyrules Geschichte.“

Valiant ließ einige Schimpfwörter über seine Lippen gleiten, aber ließ nicht locker. Erneut sprach er angriffslustig: „Den Inhalt Eurer Taschen, Gerudoweib!“ Gekränkt über den Umstand, dass ihr so dermaßen misstraut wurde, blickte sie in die Runde ihrer Begleiterinnen, die einfach nur nickten. Sie wussten alle, wie unklug es war, Valiant herauszufordern. Er saß dennoch am längeren Hebel.

Verachtungsvoll pfefferte Naboru ihre Ledertaschen in den Dreck, worauf Valiant diese aufhob und den Inhalt ausschüttete. Es war vor allem Schmuck mit Kennzeichnung. Einige Ketten aus Gold. Ohrringe mit Juwelen, Bauchketten, Armbänder und wertvolle Münzen. Aber unter den Kostbarkeiten war ein Gegenstand, welcher dem Prinzen sofort ins Auge sprang. Eine kleine Schatulle mit einem eigensinnigen Metall war darunter. Die Schatulle war nicht besonders groß, eher schlicht, aber das kupferfarbene, weiche Metall mit dunkelblauen Sehnen weckte sofort seine Aufmerksamkeit. Verblüfft nahm er die Schatulle an sich und während er sie betrachtete, war da ein durstiges Licht nach Macht, das in seinen grauen Augen aufflackerte. Gerade da schlug die Gerudo ihm die Schatulle aus der Hand, rollte sich geschickt über den Boden und krallte sich den Gegenstand. Da war ein Wissen in ihren strahlenden, goldenen Augen und sie wusste durchaus, welchen Schatz sie in dem Moment in ihren Händen hielt.

„Ihr könnt tun, was Ihr für richtig haltet und mich weiterhin verspotten oder unter Druck setzen, aber diesen Gegenstand werdet Ihr nicht erhalten“, sprach Naboru herausfordernd.

„Wer sagt, dass mich Euer Gerudodreck interessiert“, murrte der Prinz. Er wand sich um seine Achse, grinste, aber ließ sich auf keine weiteren Spielchen ein. „Jetzt könnt Ihr von mir aus passieren“, sprach er, hob eine Hand und sendete seinen Untergeben ein Zeichen das Tor zu öffnen. Mit guter Miene zum bösen Spiel ritt Naboru mit ihrer Mannschaft durch das Tor. Wenige Meter weiter, warf sie noch einmal einen Blick zurück und konnte den Prinzen Hyrules auf der Steinmauer stehen sehen. Seine Gesichtszüge waren eindeutig. Er lachte. Denn scheinbar hatte er, was er wollte…
 

Das Mittagessen in der Ritterschule flog schnell vorüber und es war dann, dass Link und Will erfreut, dass endlich Wochenende war, in dem Stall der beiden Schulen standen und die Pferde sattelten. Der schwarze Hengst von Artus McDawn schien unheimlich zufrieden aus dem muffelnden Stall herauszukommen, Newheads junge Stute dagegen schien eher zickig und träge. Link streichelte den langen schmalen Hals des nussbraunen, schlanken Pferdes und flüsterte beruhigende Worte. Sie gehorchte schließlich und ließ sich ohne Mühe den Sattel auflegen. ,Auch dies schien eine von Links besonderen Fähigkeiten zu sein‘, dachte der Laundry. Er hatte ein wundervolles Gespür für die Geschöpfe um sich herum. Nur auf der anderen Seite machte ihn das noch unschuldiger. Etwas nachdenklich musterte Will seinen Zimmergenossen, der zaghaft lächelnd der Stute Lady auf den Hals klopfte. ,Er hatte sich zurecht gemacht‘, bemerkte Will, was Link gewöhnlicherweise nie tat. Er hatte sich rasiert, seine waldgrüne Tunika angezogen, sich die blonden, wilden Haare gekämmt und zu einem sauberen Zopf verbunden. Er hatte seine Kleidung gewaschen, denn sie war ohne Flecken. Und er hatte seine Stiefel geputzt. Alles in allem fiel auf, dass Link sich Mühe machte. Tat er dies alles wegen Prinzessin Zelda? Wollte er bei ihr einen guten Eindruck machen, oder wozu dieser immense Aufwand? Er zeigte sich von seiner allerbesten Seite. Und eine weitere Kleinigkeit sprang ihm ins Auge. An seiner rechten Brusthälfte hatte er ein weißes Abzeichen in Form eines Triforce angebracht. Das war der erste Rang!

„Nanu, wo hast du den denn her?“ Und Will grabschte mit seinen langen, dürren Händen nach dem weißen Abzeichen um dessen Echtheit zu überprüfen. Link zwinkerte und hatte völlig vergessen dem neugierigen Laundry seine Ausrede aufzutischen. Nach kurzer Überlegung erklärte Link ihm die Geschichte und erzählte, dass er ihn erhalten habe durch seine Auseinandersetzung mit Viktor. Es tat ihm leid, Will anzulügen, aber er konnte es nicht ertragen zu wissen, dass sich der neugierige, unerfahrene Laundry in irgendwelche gefährlichen Situationen stürzte. Dafür war er auch Link inzwischen zu wichtig und wertvoll.

„Das ist unglaublich, aber warum trägst du das Abzeichen nur jetzt?“ Wills Augen leuchteten hinterlistig. Und sein Laundrygespür erzählte ihm eine Wahrheit, die Link nur zu gerne mit seinem Kaleidoskop, das die Realität verändern konnte, gelöscht hätte. Abtuend kletterte Link auf das Pferd und zog sich mühevoll in den Sattel. Er pustete die Luft aus den Lungen, ärgerte sich bei dem Gedanken daran, dass er früher einfach auf das Pferd gesprungen wäre, und dies nicht mehr schaffte. Aber Zeit für Selbstmitleid hatte er noch genug…

„Sag‘ schon, warum trägst du das Abzeichen nur jetzt?“, wiederholte Will verbissen, stieg ebenfalls in den Sattel von Stormynight und schloss neben Link an. Er konnte sein knallrotes Gesicht sehen, aber war dennoch zu neugierig Links Motive zu erfahren.

„Du willst es der Prinzessin präsentieren, was?“, sagte er grinsend. Seine schönen Gesichtszüge wirkten erfreut und frisch, als er lächelte. „Ist ja auch verständlich, es ist ein Abzeichen, das Stolz und Stärke präsentiert. Und jeder Depp sieht, wie du dich extra für sie herausgeputzt hast.“

Link schluckte und blickte schräg seitwärts, als sie beide über den Innenhof der beiden Schulen trabten. ,Das stimmte doch gar nicht‘, entschied er, aber biss sich auf die Lippe.

„Jetzt gib‘ halt endlich zu, dass du in Prinzessin Zelda verschossen bist!“, rief Will, sodass es auch einige Schüler und Schülerinnen mithören konnten. Link sah ihm fuchsteufelswild entgegen und betete, dass er endlich seinen Schnabel hielt. Fing er jetzt auch schon so an wie Nicholas? Warum, bei den Göttinnen, dachten eigentlich alle, dass er in die Prinzessin Hyrules verliebt war! Na gut, dachte er, vielleicht war etwas dran, aber warum wussten alle Leute eher davon als Link selbst?

„Wer weiß, was du in deinen Träumen mit ihr anstellst, so wie du ständig ihren Namen murmelst“, setzte Will hinzu. Daraufhin wäre der gute Link jedoch beinah vom Pferd gefallen. Er wusste nicht, dass er Zeldas Namen so oft und scheinbar auf eine peinliche Art und Weise murmelte. Vor lauter Entsetzen und Nervosität rutschte er mit seinen Stiefeln von den Steigbügeln, verunsicherte mit seinen uneindeutigen Signalen das Pferd, und hing seitlich im Sattel. Er hatte Mühe sich wieder zu fangen und schaute bissig zu seinem Freund, der laut kollernd dem Pferd die Sporen gab.
 

In voller Blüte, strahlend in goldenen Lichtstrahlen, lag die herbstliche Steppenlandschaft Hyrules vor den beiden jugendlichen Reitern. Frei und unbezwingbar hetzten die Pferde vorwärts und genossen wie beide Reiter die frische, kühle Luft, die prickelnden Sonnenstrahlen des Feuergottes am Himmel und die märchenhafte Landschaft vor ihnen. Freiheit in purer, unvergänglicher Form, Leben und Genießen. Und es war eines der ersten Male seit den letzten Monaten, dass Link die Schönheit um sich herum wieder wahrnehmen und bewundern konnte…

Als Link und Will eine große Steinbrücke über Hylos, den größten und reinsten Fluss Hyrules, passierten, blieb Link ruckartig inmitten der viel befahrenen Brücke stehen. Für einen kurzen Augenblick, zu unwirklich, als es deutlicher wahrzunehmen, hatte den Eindruck ein neuer Krankheitsschub sauste seinen Rücken entlang bis hinauf zu seinem Schädel. Er atmete tief durch, blickte zu den rasenden Stromschnellen und beobachtete den Spiegel des Wassers. Hyrules Lichtstrahlen, warm und gleißend, brachten die Wasseroberfläche zum Funkeln. Er wischte sich über seine Stirn, als die Schmerzattacke wieder verschwand. Blinzelnd überblickte er seinen Standort, schaute dann zu einem winkenden Will und konnte sich das kurze Krankheitsgefühl nicht weiter erklären. Mit einem zaghaften Grinsen und der Vorfreude Zelda endlich wieder zu sehen, sich mit ihr auszusprechen, gab Link dem Pferd die Sporen und sauste hinter Will her. Aber keiner von beiden konnte auf der malerischen Steppenlandschaft die Risse wahrnehmen, Risse im Gestein, Risse in allen Elementen und Risse in der Zeit. Auf der funkelnden Wasseroberfläche begann das Wachstum einer Macht, die in Hyrules Geschichte niemals niedergeschrieben und immer in dunkle Erinnerungen verbannt wurde. Der Spiegel des glitzernden Wassers zersprang wie ein Kristall, der zerschmettert wurde. Und irgendwo dort, wo Scherben klirrten, wo Lichtstrahlen gebrochen wurden, irgendwo zwischen Zeit und Schicksal hausten die Dunklen…
 

In einer gefürchteten Dimension, ungesehen von den weisesten Augen des Landes, schoss ein aus starkem Metall und mit Blut beschmutzten Gestein erbauter, hoher Turm in den Himmel, dessen düsteres Gesicht den orangegrauen Himmel verhöhnen wollte. Es war ein Observatorium, ein Ort, der einst genutzt wurde um bis in göttliche Reiche zu schauen und den Sinn Hyrules im Weltengeschehen zu begreifen. Doch der einstige Zweck jenes Observatoriums geriet bereits vor Jahrhunderten in Vergessenheit und keinen interessierte, wann und durch welche Mächte jener schöne stählerne Turm in diese Dimension verschluckt wurde. Er stand auf einem glatten, felsigen Gestein, war durch festes Eisen tief in das Gestein gehauen worden und rings um den Turm floss gemächlich, dampfend und zermürbend flüssige Glut. In gleichmäßigem Takt schwappte Lava, sich verflüssigend und wieder erstarrend an die eisernen Hänge des Turmes. Nicht eine Pflanze wuchs hier. Aber der Boden war angereichert mit den teuersten Erzen. Der Turm besaß eine schwere, glänzende Pforte und in das silbergraue Metall, auf feinste Weise mit dem Schweiß bester Handwerker, waren groteske Fratzen eingearbeitet worden. Und die feine Kunst setzte sich fort bis in die Höhe. Mit Blut und Tränen ergossen Künstler einst riesige Gestalten aus Gestein, die auf Vorsprüngen in jedem der an die Dutzend Stockwerke angebracht waren und die Ebenen bewachten. Von einer riesigen Schlange bis zu einem gefräßigen Raubvogel waren einige Tiere, je eines für die größten Völker Hyrules stehend, erschaffen worden und nur im letzten Stockwerk des Turmes brannte Licht aus runden Fenstern. Lärmende Stimmen, grausiges Gelächter und viehisches Schreien, drang von innen nach außen. Und als ein Dämon, in Gestalt einem Hylianer sehr ähnelnd, nach oben tapste, seine schwarzbemalte Rüstung und ein riesiges Horn auf seinem Rücken geschnallt klappernd, und sich eine weitere Pforte im siebten Stockwerk öffnete, wurden die zischenden Stimmen lauter. Mit furchtlosen Schritten stolzierte er vorwärts. Unten seiner dunkelroten Kapuze leuchteten seine Augen verräterisch. Er trat durch das eiserne Tor, trat ehrfürchtig auf einem schmalen Steg aus dunklem Gestein weiter. Seine rubinroten Augen blickten nach links und rechts, wo in einigen unförmigen Becken dampfende Lava glühte. Und vor einem Thronsessel, der gehüllt war in die finsterste Nacht, eine Membran wie schwarzes Kerzenwachs umrahmte jenen, sackte der muskulöse Dämon auf die Knie. Seine dunkelrote Kapuze fiel zurück und zeigte das Abbild eines Wesens, dass sowohl Hylianer als auch Dämon sein könnte. Schütteres blondes Haar fiel wild bis zu seinen Schultern, aber ein mit frischen Narben überzogenes Gesicht und der Wahnsinn in machthungrigen Augen ließ eine Spur der verruchten Seele erkennen, die in seinem Körper hauste.

„Lord Chadarkna… mein Lord… die Fäden des Schicksals verheddern sich… hier bin ich zu Euren Diensten“, schleimig flossen seine giftigen Worte aus seinem lippenlosen Mund.

„Du bist… meine makelloseste Kreatur, stark und grausam wie ein von uns gezüchtetes Wesen und doch rein und hell wie ein Hylianermann… Die Substanz der Lichtwelt in deinen Zellen pulsiert…“, zischte es. „Was hast du zu berichten?“ Lange schmale Finger drangen von der Gestalt auf dem Thron durch die dünne, flüssige Membran und spitze Fingerkuppen zeigten sich.

„Eure Macht wächst… die Weissagungen der dunklen Weisen treffen ein… und jene, die sehen, sehen nicht mehr. Jene, die lieben, lieben nicht mehr… und jene, die kämpfen, kämpfen nicht mehr… die Wirklichkeit verschiebt sich…“ Seine rubinroten Augen glühten und ein dunstiger Schatten glitt auf sein Gesicht. Freudig erregt sah er auf. Sein Herr und Meister erhob sich ebenfalls von seinem Thron und die schwarze Membran floss wie Wasser die wenigen Stufen hinab, bis sie in der heißen Lava verdampfte. Eine Kreatur ewiger Nacht zeigte sich, lang und muskulös. Ein enges, zähes Gewand lag wie eine zweite Haut auf seinem Körper und ließ seine Stärke und Stattlichkeit erkennen. Ein Umhang, glänzend und gehalten nur an zwei silbernen Schulterplatten, fiel an seinem Rücken hinab. Drei nackte hylianische Frauen lagen zu seinen Füßen, beschmiert mit Blut und Dreck. Sie sangen, streichelten die Füße des Dämons und blickten mit kranken Blicken hinauf zu ihrem Herren. Sie schrien, gruben ihre Nägel in ihr eigenes Fleisch, als der Lord weiter trat. Galligfarbene Augen, grün, gelb und rötlich, trafen auf die rubinroten seines Dieners.

„Was noch… Was ist noch da draußen… wo das Licht vergeht… Was kann mir Befriedigung bringen?“ Der Diener des Dunklen erhob sich lachend. In seinen Augen loderte der Wahnsinn noch stärker. „Die Schlüssel, mein Lord… die Schlüssel können euch Genugtuung bringen…“, entgegnete der blonde Dämon. Daraufhin leckte sich der Meister des Turmes mit einer dreifach gespaltenen Zunge über seine schwarzen Lippen. Er streichelte genüsslich einen kupferfarbenen Ring an seiner rechten Hand.

„Wo… sag‘ mir wo… Wo finde ich das einzige, was mich erfüllt… ich will es spüren… ich will diese Schlüssel spüren… ihr Herz pumpt quälend… ihr Gesang erfüllt meine Ohren… ihre Macht erdolcht mein Herz…“, er leckte sich erneut über seine Lippen und als sich sein Mund öffnete, glänzte dort bei seinen Zähnen ein Zahn ebenfalls in kupferfarbenem Schimmer.

Auch sein Untergebener schien erfreut. Er grinste barbarisch und richtete sein Haupt in die Höhe. Machttrunken glitten weitere Worte über seinen Mund: „Mein Gebieter… der nächste Schlüssel, so sagten die Schatten, die sich fürchten, wird dort sein, wo junges Fleisch heranreift für die Schlacht, wo Metall von billigen Schwertern in lausigen, blutarmen Fechtstunden untergeht. Dort sei der nächste in der Hand des einen Helden… dort sei die Schlacht und unser Blut…“ Er verbeugte sich, grinste wieder. Der Lord lachte kollernd, trat zu seinem Thron und umfasste das Genick einer der gefolterten Hylianerfrauen. Er hob jene Schwarzhaarige in die Höhe, ließ sie zappeln wie gottloses Vieh und leckte salziges Blut von ihrer Brust. Seine linken spitzen Finger gruben sich tief in das Fleisch der Dirne, bis ein unartikulierter Seufzer aus ihrer Kehle schoss. Erst dann ließ er die Frau wie eine körperlose Hülle fallen.

„Dann reite mit fünfzig Kreaturen… reitet, wenn der Himmel sich rot färbt… reitet hinein in die Schlacht und prügelt die Seelen der hylianischen Knaben aus ihren schwachen Körpern“, befahl die Bestie und ließ ihre dunkle Kapuze nach hinten fallen. Sein Gesicht war silbern wie Mondlicht, beinah unbefleckt und rein. Nur ein flammendroter Zopf fiel geflochten, die Schädeldecke teilend nach hinten, wo sonst alle Haare fehlten. Und an seinem rechten rundlichen Ohr hing verschönernd ein weiterer aus kupferfarbenem Metall bestehender Schlüssel.

„Und wenn wir jene gefunden haben… wenn Euch die Schlüssel gehören…“, sprach sein Diener, der verächtlich zu den stöhnenden, seelisch gefolterten Frauen sah. „Wann wird der Thron Hyrules fallen… wann endlich?“ Der Mann stieß die Luft aus seinen Lungen wie ein Stier, schien ungeduldig und lebte nur für die Vernichtung Hyrules.

„Destinia wird fordern, dass die Brut des Bösen auf freien Fuß kommt… auf ewig soll… der Fluch währen… kein Held wird jemals wiederkehren und dann wird Harkenia fallen…“, entgegnete der Lord Chadarkna.

„Der Held… lächerlich…“, spukte der Dämon und verbeugte sich. „Sehnt Ihr Euch nicht nach seiner Vernichtung? Ist es nicht das, was Euch genauso wie uns alle befriedigen kann?“

Ein gehässiges Lachen kam als Antwort. „Ich sehne mich nach dem Genuss ihn zu demütigen… der Tod kann niemals die Erfüllung bringen, die mir zusteht… Ich allein werde den Mut aus seinen Venen quetschen… Ich allein werde ihm sein schlagendes Herz herausreißen… Ich allein töte, was sein einziger Begehr ist…“ Er schritt anmutig zu einem Beistelltisch. Auf jenem befand sich ein goldener Kelch mit einer tiefroten Flüssigkeit. Genießend hob er das Gefäß in die Höhe und kostete davon. „Sein Blut ist süß… das Blut eines Helden…“, sprach der Chadarkna.

„Er scheint sich nicht zu erinnern, was er bereit war zu tun…“, entgegnete der Untergebene.

„Das ändert nichts an seiner Vernichtung“, flüsterte sein Gegenüber. „Rufe mich mit deinem Horn, dann, wenn du ihn niedergerungen hast… Sein Leid für unseres…“

„So soll es sein“, sprach der blonde Mann, blickte verräterisch zu Boden und seine Augen loderten in einer neuen Faszination. „Mein Lord… mein Lord…“ Er streichelte das Horn, das auf seinem Rücken hing. Er würde jenes benutzen um die Dunklen zur Schlacht zu rufen und das noch am heutigen Tag. Auch er war befriedigt, erfüllt von dem Gedanken nach Gemetzel und Hass…
 

Im winterlich geschmückten Königssaal saß Prinzessin Zelda in ihrer königlichen Gewandung, welche sie nur zu bestimmten Anlässen, Audienzen oder Festen trug, auf ihren Thron. Sie wirkte apathisch und beobachtete die strengen Wachposten, die nicht eine Miene verzogen, wie zu Eis erstarrt hier standen und für ihren Schutz zuständig waren. Sie hatte ihrem Vater, der eifrig Briefe und Verträge an ihre Bündnispartner schickte, einen großen Teil seiner Arbeit abgenommen und hockte seit Stunden hier drin um sich verschiedene Anliegen anzuhören, Berichte zu schreiben und sich um Ereignisse in Hyrule zu kümmern. Vorhin erst ging es um einige Vermisstenmeldungen, die Zeldas Gemüt ebenfalls belasteten. Seit einigen Tagen waren aus unerklärlichen Gründen immer mehr Menschen, die Familien hatten, die wertvolle Arbeit verrichteten, einfach verschwunden. Als nächstes hatten die Laundrys einen Termin, was sie neugierig werden ließ. Was die Familie von Links bestem Freund wohl erkunden wollte? Sie erhob sich, schwebte beinah über den glatten, gewienerten Boden, genoss den Duft der Spätherbstblumen, welche den Innenraum erfüllten und erfreute sich an der Dekoration. Die weinroten Vorhänge waren durch silbergraue mit goldenem Saum ausgetauscht worden. Die Kronleuchter waren mit Kristallen geschmückt worden, vielleicht auch schon als Vorbereitung auf den Ball des Winterzaubers. Nachdenklich musterte Zelda die vielen Gemälde ihrer Vorfahren, auch der Königinnen vorher, bis sich ihre Augen auf einem Gemälde ihrer Mutter verloren. Sie war eine sehr weise und erhabene Person gewesen, hatte vieles von Zeldas Gesichtszügen, war immer mildtätig und warm. Und sie hatte es geschafft, das wilde Herz von Zeldas Vaters zu zähmen. Die silbergrauen Augen ihrer Mutter sahen sie liebevoll durch das Bild hinweg an, als ob sie lebendig wäre. Ihre Augen konnte sie auch in ihren Träumen manchmal sehen und insgeheim wusste sie, dass ihre Mutter sie immer beschützen würde. Auch wenn sie sie nicht sehen konnte, es geschah oft genug, dass Zelda ihre Anwesenheit spüren konnte. Was ihre Mutter wohl davon halten würde, sollte sich ihr Vater neu vermählen?

Gerade da konnte sie außerhalb die nervösen Stimmen des Ehepaars Laundry hören, sowie eine weitere Stimme, die eines Kindes. Die schweren Tore öffneten sich raunend und die Laundrys traten aufgeregt in den Saal. Allen voran stürmte die kleine Tochter der Laundrys. Sie trug ein waldgrünes, schlichtes Kleid mit langen Ärmeln und eine dicke, lila Strumpfhose, die unter dem Kleid hervorstach. Sie lächelte und stürmte in einem wahnsinnigen Tempo in Zeldas Richtung. Noch ehe Lassario Laundry in seiner Ritterrüstung in der Lage war, seine Tochter zurechtzustutzen oder einzufangen, hatte sich die kleine Lilly an Zeldas veilchenfarbener Schürze festgeklammert. Überfordert sah die Thronfolgerin in die vorwitzigen, strahlenden Augen der Kleinen und wusste nicht, was sie tun sollte. Sie entschied sich einfach nur zu lächeln und legte ihre Hände auf den roten Schopf des Mädchens.

„Prinzessin, Ihr seid so wunderschön und toll. Ganz Hyrule liebt Euch“, sprach die Kleine piepsend und ihre leuchtend grünen Augen schienen immer größer zu werden. „Ihr werdet immer alles schaffen und so toll bleiben.“

„Lilly, wirst du wohl hören!“, schimpfte Lassario, der kirschrot anlief. Es war das erste Mal, dass Lassario sich in der Öffentlichkeit schämte. Hastig hetzte er näher, packte seine Tochter an der Hüfte und nahm sie auf die Arme.

„Verzeiht mir, Hoheit“, räusperte er sich, schob Lilly in die Arme von Belle und verbeugte sich umständlich. „Ich habe keine Ahnung, was in das Mädchen gefahren ist.“ Auch Belle Laundry wirkte peinlich berührt und entschuldigte sich mehrmals. Erst dann begrüßten die Eheleute die Prinzessin standesgemäß und verbeugten sich.

Zelda winkte ab, lächelte und trat grinsend zurück zu ihrem Thron. Elegant nahm sie Platz und schenkte dem Mädchen in einem unbeobachteten Augenblick ein hinterhältiges Grinsen. Es war das erste erheiternde Ereignis heute und die Prinzessin war dankbar über jede noch so geringe Abwechslung. Zelda zwinkerte mit einem Auge, worauf auch die Kleine lachte.

„Was führt Euch zu mir, Ritter Laundry?“, sprach Zelda beherrscht und jeder der Anwesende spürte die Macht, die sie unter ihrem Engelsgesicht verbarg.

Lassario räusperte sich, erhob sich und erklärte: „Es geht um Lilly, unsere Tochter. Wir ersuchen Euren Rat.“

„Ich verstehe nicht, in welcher Hinsicht?“, sprach Zelda klar und versuchte über das fröhliche Sonnengemüt der Kleinen nach innen zu schauen, wahrzunehmen, was sich hinter der besonderen Aura des Kindes verbarg. Da war Licht, ein helles, warmes Licht, nicht gleißend weiß, aber sonnig und sattgelb, welches jeden Argwohn und vieles Übel verdrängen konnte.

Da erhob Belle das Wort und trat näher. „Lilly ist kein gewöhnliches Mädchen“, sprach Belle und hoffte, die Prinzessin könnte verstehen. „Sie wirkt wie ein glückliches, zufriedenes Kind. Aber sie ist ihrem Alter entsprechend weit voraus. Sie redet sehr oft wirres Zeug, macht merkwürdige Vorhersagen, hat erbarmungslose Träume, die nicht nur an ihrer Kraft zehren. Wir ersuchen Rat und eine Heilung für das, was sie jede Nacht befällt. Wir ließen sie bereits von einer Heilerin behandeln, aber dadurch sind ihre Träume und Vorhersagen noch schlimmer geworden als vorher. Jemand riet uns, sie vielleicht dem Weisen Rauru im Tempel des Lichts vorzustellen und erbitten Eure Hilfe, Prinzessin.“ Belle war beinah den Tränen nahe, als sie sich ausgesprochen hatte. Auch sie hatte im Leben bereits einiges Übel gesehen und sie wollte ihre Tochter mit allen Mitteln vor Unheil schützen. Prinzessin Zelda, welche als unheimlich begabt in der Seelenkunde und rein, selbst in entfernten Ländern galt, war die einzige Hoffnung Lilly zu reinigen.

Mitfühlend beobachtete Zelda das Mädchen, das im Saal umher tänzelte und summte, winkte ihm zu und ließ es noch einmal vor sich treten. „Komm‘ zu mir, Lilly.“ Artig marschierte sie direkt vor Zelda. Und zum Erstaunen der Laundrys, befolgte sie weitere Anweisungen der Prinzessin.

„Knie nieder“, sprach Zelda klar, ließ ihre in sanften Stoff verpackten Zeigefinger über die kindliche Stirn wandern und las. Sie las eindringlich in der Seele, las und versank immer tiefer. Als die Prinzessin ihre Augen schloss, und Lillys leuchtend grünen Augen schwer wurden, konnte Zelda endlich die Wahrheit sehen. Sie war eine Seelenleserin und hatte immer die Gabe in die Herzen anderer Wesen einzutauchen. Aber sie hatte lange nicht mehr so viel Grausamkeit und Leid erfahren wie in dieser Minute. Und vielleicht war es gerade das, was Zelda sehen konnte, das ihr eine Gänsehaut über den Rücken schickte.
 

Da war Hyrule in den Gedankengängen des Mädchens, lebendig und so unfassbar real, so nah und gigantisch, dass es flüsterte, dass man es riechen und spüren konnte. Hyrule in all seiner Reinheit und Faszination. Als wanderte Zelda mit ihren saphirblauen Augen über eine holographische Karte, konnte sie die Welt, die sie mit jeder Faser ihres Herzens liebte, plastisch vor sich sehen. Die gigantischen Todesberge, die wie ein überwältigendes Mal, belehrend und erschütternd, in die Höhe schossen. Die riesige Steppenlandschaft mit vereinzelten goldenen Feldern, Waldverschlägen und erstaunlichen Formationen. In Lillys Gedanken war Hyrule zunächst blühend und rein, unfassbar schön und schützenswert. Aber je näher Zelda diesem schmerzhaften Punkt in der Seele des Mädchens kam, je mehr mentale Barrieren sie überwand, umso mehr zerbrach Hyrule, das sich so sonnig und getaucht in gelbem Licht spiegelte, in hässliche, blutige Scherben. Und es war dann, dass auch aus Zeldas geschlossenen Augen kristallene Tränen tropften. Dennoch blieb sie standhaft, versuchte mehr zu sehen als sie durfte, weiterzugehen, weiter hinein in den gefährlichen Strudel einer Seelenmaschinerie. Und es schlitzte in Zeldas Herzen, es stach und blutete gefährlich. Als sich der Himmel blutrot färbte, flammende Tornados über die Steppe glitten, gefräßige Bestien mit nackter Haut aus tiefen Rissen im Erdboden kriechen konnten, und Hyrule, diese sonst so sonnige, reine Welt, geschändet wurde auf die barbarischste und schrecklichste Weise, schien in Zeldas Innerem etwas altes, geheiligtes aufzuwachen, das sie immer versucht hatte unter Kontrolle zu halten. Sie sah sich selbst dort, wo Hyrule blutete, sah ihre erbarmungslosen, finsteren Entscheidungen und das eine, mörderische Ende. Heere des Bösen, anorganische leuchtend rote Energieweisen, Menschen mit einem blutroten Dreieck auf der Stirn, kreischend und donnernd, gefräßige Bestien mit entstellten Mäulern, glitten vom finsteren Himmelszelt und zerstörten und folterten das, was menschlich und rein war. Und nur in einem kleinen, bunten Licht stehend, mutig und unbezwingbar schön inmitten der gebrandmarkten Steppe, richtete sich ein Mann schreiend in die Höhe. Sein blondes, wildes Haar flatterte im Wind und sein reines Herz schlug tosend. Seine stürmischen, entschlossenen Augen zeigten den stärksten und reinsten Mut, den Hyrule jemals erschaffen hatte. Er kämpfte und er würde immer kämpfen, selbst gegen schwere, rostige Ketten, die um seine Füße und Arme lagen und sich in seine Haut eingruben. Er kämpfte, so wie er es immer tat. Und kein Dämon, nicht einmal ein Gott war in der Lage den Mut in seinen tiefblauen Augen zu brechen. Selbst hier, wo die Welt blutete und Hyrule unterging. Selbst in der dunkelsten Stunde, schlug sein Herz leidenschaftlich und sein Mut veränderte Gesetze und die Welt…
 

Als Zelda panisch und schreckhaft ihre Finger von Lillys Stirn löste, und ihre Augen blutunterlaufen waren, sahen sowohl Lassario als auch Belle noch blasser im Gesicht aus als sie. Denn sie sahen die Erschöpfung der Prinzessin und spürten, dass etwas nicht stimmte. Es wirkte beinah so, als hätten jene Bilder Zelda das Blut und damit die Lebensenergie aus den Adern gesaugt. Zitternd richtete sich die wunderschöne Adlige auf, stützte sich an ihren Thron, als mehrere Soldaten in ihre Richtung stürmten. Zelda wedelte mit ihren Händen und machte deutlich, dass sie keine Hilfe wollte.

„Prinzessin, ist mit Euch alles in Ordnung?“, sprach Lassario fassungslos. Er wusste aus Erzählungen, dass Prinzessin Zelda die ein oder andere merkwürdige Fähigkeit hatte und Kontakt zu göttlichen Gefilden herstellen konnte. Aber dass jene magische Begabung ihren Tribut forderte, war ihm vorher nicht klar gewesen. Er kniete dann schleunigst vor seiner Tochter nieder um ihren Zustand zu überprüfen. Aber sie war völlig ohne Harm. Sie hatte scheinbar überhaupt nichts wahrgenommen und schien weiterhin völlig fröhlich zu sein. Aber der Zustand der Königstochter bescherte ihm ein mulmiges Gefühl in seiner Magengegend.

Zelda atmete tief durch und versuchte zwanghaft ihre Stärke wieder zu finden, vor allem um die Laundrys nicht zu beunruhigen. Sie wischte sich kalten Schweiß von der Stirn und erinnerte sich daran, dass ihr menschliches Gehirn nicht ausreichte irgendwelche Fähigkeiten zu oft einzusetzen. Sie konnte kaum reden, spürte ein Kloßgefühl in ihrem Hals und wünschte sich gerade nichts sehnlicher als Einsamkeit. Als sie schwankte und sich an ihren trommelnden Schädel fasste, stand plötzlich Belle neben ihr und stützte sie. Zelda zwinkerte und lächelte etwas beschämt. Sie hatte sich vor einigen Sekunden kaum mehr zusammenreißen können, sich nicht im Griff gehabt. Die Bilder aus Lillys Visionen waren heftig und pulsierend in sie übergegangen. So extrem hatte sie lange keine Wahrnehmungen mehr gehabt.

„Was immer Ihr auch getan habt, und ich sollte wohl nicht darauf hoffen, eine Erklärung zu erhalten, aber erlaubt mir die Bemerkung, dass Ihr Euch für unsere Bitte nicht so zurichten solltet…“, sprach Belle besorgt. Auch sie war beeindruckt, dass sich die Prinzessin für Lilly so eingesetzt hatte. Zelda schloss die Augen, nickte und ließ sich wieder auf Ihrem Thron nieder. „Es war wichtig, dass ich sehen und spüren konnte, es sollte weder Euch Belle, noch Euch Lassario, in irgendeiner Weise verunsichern.“ Zelda schloss die Augen und spürte ihre Lebensenergie zurückkehren. Standhaft blickte sie umher, versuchte die brennenden Bilder von Lillys Geist zu verschließen, auch weil sie jene im Augenblick kaum ertrug. „Es ist nicht das erste Mal, dass ich dies tat.“ Zelda versuchte sich mit aller Gewalt zu rechtfertigen, aber das Schamgefühl, ausgerechnet hier, vor den Laundrys und ihren Wachen sich auf diese Stufe begeben zu haben, erschütterte sie. Was, bei Nayru, hatte sie sich dabei gedacht?

„Habt Ihr eine Antwort finden können, was mit unserer Tochter los ist?“, hakte Lassario nach. „Es kann doch nicht richtig sein, dass sie jede Nacht teuflische Bilder sehen kann. Sie ist doch nur ein einfaches Kind!“ Gefasst, aber auch etwas mitleidig schaute Zelda zu Lilly, die einmal mehr in dem Saal umher hüpfte und sich die Gemälde der Vorfahren anschaute.

„Nein“, sagte die Thronerbin leise. „Lilly ist eben nicht nur ein einfaches Kind. Sie hat eine Gabe und sie hat diese Gabe nicht ohne Grund.“

„Kann sie die Zukunft sehen, oder die Vergangenheit, oder was ist das?“, sprach Belle entrüstet.

„Vielleicht ist es weder das eine, noch das andere“, entgegnete Zelda. Erschrocken krallte sich die schöne rothaarige Frau an den Arm ihres Mannes. „Was soll das bedeuten? Ist meine Tochter verrückt oder krank?“

Zelda schüttelte ihren hübschen Kopf und lächelte sanft. Auch die Farbe kehrte langsam wieder in ihre Gesichtszüge zurück. „Nein, Lilly ist etwas ganz Besonderes“, sprach sie klar. „Ihr habt meine Unterstützung, Belle und Lassario. Ich werde sofort ein Schriftstück aufsetzen, mit dem Ihr in den Tempel der Zeit gehen werdet. Der Weise Rauru muss sich Lilly annehmen und sie unterrichten.“

„Unterrichten?“ Belle und Lassario standen noch entsetzter vor ihr. „Warum das?“, sprach sie beide gleichzeitig und sahen sich bestürzt an.

„Seid nicht so überrascht. Ihr sagtet vorhin, Euch wurde bereits der Vorschlag gemacht, sie einmal zu Rauru zu schicken, nicht wahr?“

Belle nickte und suchte weiterhin Halt an ihrem Gatten.

„Von wem kam der Vorschlag?“ Zelda konnte sich allmählich von den Klauen des Sehens befreien und schien sehr wissbegierig.

„Von dem Ritterschüler Link…“, sagte Belle leise. „Ihr kennt ihn ohnehin, schätze ich.“ Und da wich Zelda zum zweiten Mal die Farbe aus dem Gesicht. Link hatte diesen Vorschlag gemacht. Wie, um alles in der Welt, kam er auf diese Idee? Hatte er ihr tatsächlich so viele Dinge verschwiegen? Oder konnte es sein, dass hinter Impas Anschuldigungen nun doch mehr steckte.

„Link hat Euch diesen Vorschlag gemacht, tatsächlich?“

Lassario nickte bestätigend. Etwas durcheinander zog sich die Königstochter auf die Beine, trat sachte zu der langen Tafel und setzte ein Schriftstück für den Weisen Rauru auf. „Geht nun in den Tempel der Zeit. Klopft sieben Mal in gleichem Takt an den Altar. Dann wird Euch Rauru erscheinen und gebt ihm diesen Auftrag.“

„Prinzessin, ich verstehe immer noch nicht ganz. Was soll Lilly bei Rauru lernen?“, sprach Lassario, als er das Pergament an sich nahm. Zelda lächelte erhaben und keine Zweifel standen in ihren schönen Gesichtszügen. „Eure Tochter wird die neue Weise des Lichts. Das ist ihre Bestimmung“, sagte sie entschlossen. „Nun geht.“ Völlig überfordert und wie im Schwebefieber stapften die Laundrys aus dem Königssaal. Aber auch Zelda war überfordert und ließ ihre aufgebaute Maskerade in dem Augenblick fallen, als die Laundrys verschwunden waren. Mit einem heftigen, kreischendem Befehl, ein letzter Kraftakt, schmiss sie die Soldaten aus dem Saal, verschloss mit ihren magischen Kräften die Türe und sackte endlich, Ruhe und Bewusstsein suchend, hinter ihrem Thron zusammen. Die Bilder aus Lillys Geist brachen erneut an die Oberfläche von Zeldas Gedanken. Und es war nicht nur der Zustand Hyrules, der ihr Herz in dem Augenblick zermürbte und folterte, sondern das Bild von Link, der alleine auf den erbarmungslos zerstörten Wiesen kämpfte und an seinen Fesseln rüttelte. Ein Schluchzen ging durch den Königssaal, bis Zelda bitterlich weinte…
 

Am späten Nachmittag waren Link und Will in der blühenden Hauptstadt des hylianischen Reiches angelangt. Es war ein sonniger, fröhlicher Markttag. Und die unterschiedlichsten Hylianer drängelten sich mit vollgefüllten Körben und Taschen heiter gestimmt und laut diskutierend durch die engen Straßen bis zum großen Markplatz der Hauptstadt. Mühevoll trabten die beiden Ritterschüler über die Zugbrücke. Sie folgten dem Strom der Menschenmenge und erreichten in Nähe des Marktes die Stallungen und eine Möglichkeit die Pferde aufbewahrt zu wissen. Sie bezahlten die wenigen Rubine für den Stallburschen, als Link einen vernichtenden Blick in seine Geldbörse warf. Er seufzte. Durch seine Krankheit und die fehlende Möglichkeit hier und da einen Auftrag anzunehmen, war sein Geldbeutel halb verhungert. Es war lange her, dass er sich so mittellos gefühlt hatte. Will jedoch schien dies überhaupt nicht zu interessieren. Mit leuchtenden Augen blickte er um sich und schien überzuquellen vor Neugier und Aufregung. Er hatte die Hauptstadt vorher noch nie gesehen und überhaupt noch nie eine so große Stadt besucht wie diese hier. Jede Menge kleiner Gassen lagen vor ihnen. Schmale, bunte Häuser reihten sich geschickt und platzsparend nebeneinander. Wäscheleinen waren über die schmalen Gassen gespannt und verbanden die bunten Holz- und Steinhäuser märchenhaft. Und von weither drang das Gehabe und Gekreische des Marktplatzes.

„Können wir auf dem Markplatz vorbeischauen, wenn wir schon hier sind?“, sprach Will aufgeregt und klatschte seine Hände aneinander.

„Sicher, wir müssen ohnehin dort vorbei um zum Schloss zu kommen“, erwiderte der junge Heroe und tapste mit einem frohgelaunten Will in Richtung der Innenstadt.
 

Der Markt in Hyrules Hauptstadt war einer der größten und beliebtesten im gesamten Land. Wenn man seltene Gegenstände suchte, war man hier an genau der richtigen Adresse. Kein anderer Ort bot eine solch irrsinnige Vielfalt an Lebensmitteln, Alltagsgegenständen und anderen Waren. Und viele bekannte Leute verkauften mit lächelnden Gesichtern ihre Erzeugnisse. Links tiefblaue Augen wanderten neugierig von einem Stand zum anderen. Er erkannte Anju, die ihre kräftigen, gut gemästeten, weiß- und blaugefiederten Hühner an einem Holzstand verkaufte. Die Hühner gackerten zermürbend in ihren Käfigen. Talon stand inmitten des Marktes mit einem Karren voller Eimer und Flaschen der cremigen, leckeren Lon-Lon-Milch und wurde von ein Dutzend Hylianer umzingelt. Einige Gerudodamen boten selbstgefertigten Schmuck und Seidenprodukte an. Selbst der Wundererbsenverkäufer hatte einen Stand eröffnet und lobpreiste seine schmackhaften Bohnen. Eine ruhige Form der Melancholie streifte Links Gedankengänge. Für wenige Sekunden sah er sich viele Jahre zurück, hier inmitten des Marktplatzes, wo er ausgelassen Krabbelmienenbowling mit einem damals fremden Mädchen spielte. Wie schnell doch die Zeit verflogen war und er bereute vieles, bereute, dass er einiges falsch gemacht hatte, vor allem dem Mädchen gegenüber, das ihm doch so wichtig war. Er wünschte, er hätte anders gehandelt, als er sie nach der langen Zeit im Schloss aufsuchte…

In dem Augenblick wurde er von seinem gewitzten Freund angerempelt, der ihn belustigt anschaute. „Wenn ich gewusst hätte, dass Hyrules Hauptstadt so gigantisch ist, wäre ich schon früher hierher geritten. Wir sollten trotzdem ins Schloss ehe wir uns hier verlaufen oder Dinge kaufen, die wir dann nicht brauchen.“ Er lachte und drängelte sich mit Link durch die Menschenmassen. Auf dem Weg zum Schloss, wo es endlich wieder leerer und übersichtlicher wurde, trampelten die beiden Ritterschüler vorwärts. Sie standen beide auf dem kurzen, sandigen Pfad in Richtung des Schlosses, von wo aus man die gesamte, malerische Stadt in ihrer Pracht und Lebendigkeit bewundern konnte. Das Sonnenlicht spiegelte sich auf den bunten Dächern. Hochgewachsene Bäume beschützten die Stadt teilweise. Und selbst hier konnte man das wilde Gekreische der Marktschreier hören. Link blieb mit einem Mal stehen und starrte in Richtung der alten, geheiligten Zitadelle. Will bemerkte erst, dass Link stehen geblieben war, als er schon etwa fünfzig Meter weiter war und blickte verwundert zurück. Wie eine Statue stand Link dort, sein Blick leer und voller Sorge. Und als der Laundry seinen Blick verfolgte, konnte er zumindest erahnen, was durch seine Gehirngänge ging. Mit Zweifeln schaute der einstige Heroe zu jenem heiligen Platz, wo das Schwert ruhte, das nur ihn, nur seine unzerstörbare Seele, als einzigen Meister auf ewig anerkennen würde. Und Link spürte, dass die Macht der alten Klinge schwieg, dass es rostete, weil niemand mehr in der Lage sein würde, es zu führen. Links Augen wurden gläsern und seine Fäuste ballten sich mit dem scheußlichen Gedanken daran, dass er seine Pflichten und selbst das Masterschwert im Stich gelassen hatte.

„Ist alles in Ordnung?“, meinte Will und ließ seinen Kopf fragend auf eine Schulterseite sinken. Link atmete tief durch und blickte betreten zur Zitadelle der Zeit. „Ich sollte auf dem Rückweg dort vorbeischauen…“, bemerkte er widerwillig und schenkte Will einen nervösen Ausdruck.

„Du willst in das Gotteshaus?“

Link nickte nur und eilte dann weiter. „Ja, ich muss etwas erledigen…“ Er ärgerte sich ein wenig, dass er Will gegenüber mit diesem Thema angefangen hatte.

„Können wir ruhig machen, ich würde mir die Zitadelle der Zeit auch gerne anschauen. Stimmt es, dass man das Schwert des Auserwählten dort anschauen kann?“

„Wenn du willst, kannst du dich auch daran versuchen, was ich dir nicht rate“, meinte Link abwehrend.

„Das ist ja klasse.“

„Nein das ist es nicht“, murrte Link dann und spürte ein bitteres Gefühl in sich aufsteigen. Sich selbst ohrfeigen könnend, weil er mit Will darüber redete, trat er stur weiter und beschleunigte sein Schritttempo. Aber Will war nun mal derzeit wesentlich fitter als er und lief spielend neben ihm.

„Warum nicht? Ich habe gehört, dass sich eigentlich jeder daran erproben kann“, meinte der Grünäugige. „Und das legendäre Schwert zu berühren oder in Händen zu halten, muss doch ein überwältigendes Gefühl sein.“

„So überwältigend damit zu töten?“, erwiderte Link scharf. Seine Mundwinkel bebten und seine gute Laune schien von einem auf den anderen Augenblick verflogen. „Du hast absolut überhaupt keine Vorstellung davon, welchen Schwur du eingehst, wenn du diese Waffe auch nur berührst. Denk‘ gefälligst etwas weiter, Will.“

Völlig überfordert und erschrocken blieb Will stehen und zwinkerte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Link ihn noch einmal so zurechtstutzen würde. Die letzten Tage waren doch so gut verlaufen, dass er dachte, Links schlechte Laune war verflogen. Sein Wutausbruch und seine scharfen Worte gerade eben, zeigten aber etwas anderes.

„Sorry…“, murmelte Link dann und schüttelte seinen Schädel. Musste er gegenüber Will eigentlich immer wieder wegen so einer Kleinigkeit ausrasten?

Will seufzte nur und trat schweigend weiter.
 

Zu diesem Zeitpunkt war Prinzessin Zelda erhaben und augenscheinlich stark wie immer zur alten, staubigen Bibliothek des Schlosses unterwegs. Als die Wachen ihr die schweren Holzpforten der großen Bücherei öffneten und ihr würdevolles Äußeres über die Schwelle trat, fielen sofort die Augen der Adligen und wenigen Ritterschüler auf sie. Nicht, weil alle wussten, dass sie die zukünftige Herrscherin Hyrules war, aber weil sie mit ihrem entzückenden Äußeren die meisten Blicke auf sich zog. Sie war nicht als Prinzessin erkennbar, hatte sich nach der Audienz der Laundrys in ihrem privaten Übungsraum mit ihrem Langschwert abreagieren müssen und ihre königliche Maske abgelegt. Sie trug nur einen goldenen Stirnschmuck mit Saphiren und ein eher schlichtes meerblaues Gewand. Ein langer Rock ohne Schürze oder Verzierungen bedeckte ihre Beine und eine hellblaue Miederbluse straffte ihren Oberkörper. Sie trug ihre langen, honigblonden Haare geflochten am Rücken. Zügig schritt sie vorwärts und steuerte mit einem fetten Wälzer in die Abteilung der Geheimnisse und Verschwörungstheorien. Seit einigen Tagen schon suchte sie nach Hinweisen zu den Dreizehn Schlüsseln und sie hatte bereits einige Informationen dazu einholen können. Allerdings machte sie dieses Wissen mehr als nachdenklich und es beunruhigte das ohnehin belastete Gemüt Zeldas immens.

Gerade da trampelte William Laundry, der nicht wusste, dass man sich in einer so noblen und riesigen Bibliothek leise zu verhalten hatte, laut und die Leute aufwendig begrüßend in den Raum. Er hielt dem Bibliothekar an der Rezeption seinen Ritterschülerausweis unter die Nase und tapste weiterhin die Leute überschwänglich begrüßend in die Mitte der gigantischen Bücherei, wo jede Menge Bankreihen und Öllampen aufgestellt waren. Auch Zelda wurde durch die Lautstärke und vertraute Stimme des Schülers aufgeschreckt und lugt mit ihrem hübschen Kopf durch eines der Regale. Verblüfft, dass sie den Ritterschüler Laundry, der mit Link in einem Zimmer wohnte, hier vorfand, hüpfte sie auf ihre Beine und trat zielgerichtet, mit einer großen Hoffnung, ebenfalls zu den Lesetischen. Der Laundry schien sie zunächst überhaupt nicht zu bemerken. Versunken in der Lektüre vor seiner frechen, spitzen Nase, schien er die Anwesenden trotz seiner Aufsehen erregenden Begrüßung nicht mehr zu bemerken. Auch er hatte ein dickes Buch vor sich, welches sich um die Gottheiten Hyrules drehte. Zelda lächelte sanft, schaute ihm über die Schulter, sodass auch andere Anwesende neugierig zusahen. Die Prinzessin räusperte sich schließlich und tippte dem Mitbewohner Links auf die Schulter. Er entließ einen überraschten Aufschrei, torkelte umständlich herum und zwinkerte. Hastig sprang er auf seine Füße und versuchte charmant zu lächeln. Er erkannte das Mädchen gegenüber ihm sofort von neulich, als sie in Links Klamotten herumgestöbert hatte. Und auch, weil er sich zugegebener Weise ein wenig in diese Schönheit verguckt hatte.

„Oh, Hallo“, sprach er aufgeregt und reichte der Dame eine schwitzende Hand. Gleichzeitig musste er sich zusammenreißen sie nicht anzustarren und wurde immer nervöser. Aber er hatte dieses entzückende Gesicht nicht vergessen, obwohl sie heute ziemlich erschöpft aussah. Er war zunächst verwundert, dass er sie hier antraf, andererseits überraschte es ihn nicht, dass sie sich hier im Schloss aufhielt, zumal sie etwas wahrlich Adliges an sich hatte. Will wusste schließlich noch immer nicht, wen er hier vor sich hatte.

„Sei gegrüßt, Will“, sprach die junge Lady und lächelte erzwungen. „Ich bin erfreut, dich zu sehen. Du studierst Bücher für die baldigen Prüfungen an der Ritterschule, nicht wahr?“

„Das ist richtig“, stotterte er teilweise. „Ähm… und du, was machst du denn hier?“ Daraufhin kicherte das Mädchen und sprach mehrdeutig: „Nun, ich bin öfters hier. Ich habe es nicht weit von meinem Zuhause zu der Bibliothek.“

„Oh, du wohnst in der Stadt.“

„Ja, so könnte man das in etwa sagen“, grinste sie. Ihre leuchtend blauen Augen schwenkten umher, während einige neugierige Augenpaare dem Geschehen zusahen. Sie hob eine Hand, entließ eine leichte Geste damit und sofort gingen die Schaulustigen ihren Aufgaben wieder nach. Will war verdattert, aber konnte immer noch nicht unter einen Hut bringen, dass das gottesgleiche Geschöpft vor ihm sehr viel Einfluss und Macht zu haben schien.

„Ähm…“, lispelte Will und versuchte zwanghaft Worte zu finden, um ihr ein Kompliment zu machen. ,Solche hübschen Wesen mussten einfach von Komplimenten umschmeichelt werden und jeder Mann machte das‘, dachte Will. Sein Vater machte seiner Mutter auch immer wieder Komplimente. Und vielleicht war das eine Möglichkeit ihr Interesse auf ihn zu lenken.

„Also du…“, begann er. „Du bist wirklich ein richtiges Mädchen.“ Als die Worte gesagt waren, musste Will ein weiteres Mal darüber nachdenken, um zu begreifen, dass er diesen Stuss tatsächlich verkündet hatte. Rotwerdend bedeckte der Laundry über das eben Gesagte seine Augen und wünschte sich im Erdboden zu versinken. „Bei Nayru, ich Depp…“, murmelte er. Er rechnete damit, dass sie durch diese Worte äußerst verärgert davon stiefeln, oder dass sie ihm glatt eine Ohrfeige für diesen geistlosen Blödsinn zusammengebastelter Laute geben würde. Aber nichts von seinen Befürchtungen traf ein.

Stattdessen verzog sie ihre blonden Augenbrauen fröhlich, grinste dann und fing lauthals an zu lachen. „Dass ich ein Mädchen bin, weiß ich schon“, erwiderte sie kichernd. „Aber besser es noch einmal gesagt zu bekommen.“ Sie schien sich sogar darüber zu freuen, dass Will dieser peinliche Ausrutscher passiert ist. Er jedoch atmete tief durch und hoffte, er würde sich nicht noch peinlicher benehmen.

„Tut mir leid, ehrlich“, meinte er noch einmal und traute sich schon gar nicht mehr sie anzuschauen. Sie kicherte wieder, kam nicht umher zu bemerken, dass in Wills Brust ein sehr gutmütiges und treues Herz schlug.

„Das war jedenfalls das erquicklichste Kompliment seit langem“, meinte sie, worauf Will strahlend und enthusiastisch aufsah. Nicht nur das, Wills Fröhlichkeit und Unbeschwertheit, taten ihr im Augenblick unheimlich gut.

„Tja, wir Laundrys wissen halt, wie man Komplimente macht“, entgegnete er und brüstete sich. Wenn das Ganze schon so danebenging, dann war es zumindest gut genug gewesen, die Lady zum Lachen zu bringen.

Zelda reichte ihm noch einmal die Hand, wand sich um ihre eigene Achse und wollte sich gerade wieder ihrer Lektüre widmen, als sie noch zaghaft fragte, obwohl sie nicht auf eine positive Antwort hoffte: „Link ist nicht bei dir, schätze ich.“

„Nein, aber auch nur, weil er etwas anderes zu erledigen hatte“, informierte Will. „Kann es denn sein, dass du ihn gerne sehen würdest?“ Zelda wand sich seitlich, schloss die Augen und nickte. Will stutzte über die plötzliche Traurigkeit, die er vonseiten der Dame spüren konnte. „Er ist an der Ritterschule geblieben?“

„Nein, das auch nicht“, sprach Will dann und konnte den plötzlichen, ernsten Tonfall der Schönheit nicht verstehen. „Wir sind gemeinsam hier her geritten. Aber er sagte, er wollte die Prinzessin besuchen. Ich weiß nur nicht, auf welchem Wege er sich in das Schloss schleichen will oder so.“ Daraufhin ließ die Dame vor ihm erschrocken das Buch aus ihren Händen fallen. Sie drehte sich blitzartig zu Will um und murmelte um es zu begreifen. „Link ist hier? Er wollte ins Schloss?“ Sie legte ihre Hände zusammen und sah aus, als wollte sie beten. Sie strahlte wie eine zweite Sonne.

„Wirklich? Link ist hier?“, erwiderte sie enthusiastisch. „Ja, er hat seit Tagen von nichts anderem geredet als die Prinzessin zu besuchen.“ Daraufhin konnte Will nur noch staunen.

Überschäumend, sich selbst nicht einmal bremsen könnend, umarmte sie einen sehr glücklichen Will und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Mit einem entgleisenden, irren Tempo, raste das adlige Wesen aus der Bibliothek, hetzte so schnell, dass sie auf ihrem Weg einen alten Gelehrten umstieß und mit ihrer magischen Kraft die großen Eichentore beinah auseinander riss. Und innerhalb weniger Sekunden war sie verschwunden.

„Das ging ja mal schnell“, murmelte Will irritiert und hatte das Gefühl zu Butter zerschmelzen zu müssen.

Der Gelehrte, der sich murrend wieder aufrappelte und sich mit seinen wackligen Knochen auf einen Gehstock stützte, schimpfte lediglich. Will trat näher und bot ihm seine Hilfe an, fragte, ob alles in Ordnung sei. Daraufhin beäugte ihn der Mann zänkisch. „Aber ja doch, einfältiger Kerl.“

Er zwinkerte mit alten, grauen Augen und sah Will kopfschüttelnd an. „Versteh‘ einer die jungen Leute. Keine Manieren haben sie. Da steht die Prinzessin vor dir und du verbeugst dich nicht einmal. Stattdessen scheinst du sie zu beleidigen, sodass sie in Windeseile davon stürmt. Ungehöriges Pack“, schimpfte er. „Keine Manieren haben diese neuen Ritterschüler… nicht einmal vor der Prinzessin Hyrules haben sie Respekt.“ Daraufhin schien der Laundry zu erstarren. Überfordert vergrößerten sich seine Augäpfel und sein Gesicht lief rot an. „Was? Das war die Prinzessin?“, stammelte er. Sich weiter in seine Scham stürzend dachte er daran, dass die Prinzessin bei ihm und Link im Zimmer saß, dass sie ihn in seinem hässlichen Nachthemd gesehen hatte und dass er mit der Prinzessin, beim Triforce, er hatte mit der Prinzessin geredet, als wäre sie eine gewöhnliche Hylianern. Nicht nur das, die Prinzessin hatte ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt! Will wollte gerade noch mehr im Boden versinken als vorher, weil er sie mit einem mehr als peinlichen Argument überhäuft hatte. Kochend rot vor Scham stürzte auch er hinaus aus der Bibliothek und brüllte: „Warum sagt mir das keiner vorher?“ Sich abreagierend lief er einige Runden um das Schloss.
 

Mit überschäumender Freude und dreifach schnellem Herztrommeln hetzte Prinzessin Zelda durch die geschmückten, langen Gänge in Richtung ihrer gut bewachten Gemächer. Sie konnte es kaum glauben, aber Link war hier im Schloss und er wollte sie besuchen. Es stärkte ihr Vertrauen, dass doch noch alles in Ordnung kommen könnte und sie würde ihn anschauen können, und vielleicht verstehen können, ob in Impas grausamen Anschuldigungen ein Funken Wahrheit steckte. Sie lächelte schwach und erreichte die ersten Wachen vor ihren Gemächern. Sie beauftragte jene, den jungen Burschen in grünen Gewändern, der womöglich durch die Gärten schleichen werde, in ihre Gemächer zu lassen, da er eine Audienz bei ihr habe. Sie wollte vorsorgen, falls Link den normalen Weg nehmen sollte. Und sie war sich nicht sicher, ob er es in seinem angeschlagenen gesundheitlichen Zustand schaffte, Geheimwege zu benutzen. Trotzallem hoffte sie inständig, dass er bereits in ihren Gemächern warten würde. Aufgeregt trat die Prinzessin durch den nächsten pompösen Gang und wurde von weiteren Wachposten ehrwürdig begrüßt. Man musste wissen, dass Zeldas aufwendige Gemächer beinah labyrinthisch angelegt waren. Zwei Arme von Gängen umschlossen die Privatgemächer; und von beiden Seiten konnte man in die rundlich angelegten Bereiche eintreten. Zeldas Gemächer waren sehr aufwendig restauriert worden nach dem letzten Angriff vor in etwa fünfzehn Jahren. Sie besaß dort alles, was sie zum Leben brauchte. Eine Lesestube. Ein geschmackvolles Vorzimmer mit Sekretär und Bar. Eine Wohnstube mit Polsterbank. Und ein hübsches Schlafzimmer mit Himmelbett.

Die adlige Schönheit hastete durch ihre Gemächer, blickte in jeden Winkel und rief letztlich nach Link in der Hoffnung, er war bereits hier. Aber je länger Zelda durch ihre Räume trat und je mehr die Realität sie überflutete wie eine Schockwelle, kamen die Gedanken hoch, dass Link vielleicht nicht an einem herzlichen Wiedersehen interessiert war. Und nicht nur das, Zelda fürchtete je länger sie in ihren Gemächern wartete, dass er vielleicht doch nicht erscheinen könnte. Sie wünschte sich ihn vor sich zu sehen, sein Gesicht zu berühren, in diese tiefblauen Augen einzutauchen, zu erkennen, was ihm auf dem Herzen lag. Nur würde er auch dies momentan kaum zulassen. Wenn er sie also besuchte, warum? Und mit den Zweifeln, die Zeldas Gemüt überschatteten, krochen weitere hässliche Fetzen der letzten Wochen hinauf. Seine Abweisung. Seine merkwürdige Krankheit und das Gefühl, dass etwas Schreckliches passieren musste, ehe die Hoffnung an Hyrules Firmament wieder erstrahlen konnte. Etwas Grausames, dass Zelda kaum ertragen würde. Sie fasste sich an ihr Herz, ballte beide Hände zu Fäusten und wehrte sich mit aller Macht gegen die Fähigkeit der Vorsehung, aber jene würde sie im Augenblick nicht, und erst Recht nicht nach diesem anstrengendem Tag, in Ruhe lassen. Vielleicht sah sie Link irgendwo in ihren Gemächern, vielleicht konnte sie ihn erahnen und spüren, aber etwas an ihm verblasste, erschütternd und erbarmungslos. Gerade eben noch konnte sie ihn vor sich sehen, und plötzlich verebbte alles. Die Sekunden zerrannen wie flüssiges Kerzenwachs im Feuer. Zelda röhrte panisch nach Luft, ließ sich zu Boden sinken und krümmte sich schmerzerfüllt zusammen. Stiche. Überall fühlte sie entsetzliche Stiche, Kälte und Bilder eines Kerkers drangen in ihren Geist. Jemand war dort und rief erbarmungslos nach ihr, aber sie konnte ihn nicht verstehen, konnte nicht begreifen, wer dort nach ihr rief. Dann konnte sie kurz eine Gestalt, ganz gehüllt in silbergraue Gewänder in ihren Gemächern stehen sehen, war sich nicht sicher, ob diese Gestalt wirklich war oder nur eine Einbildung. Und Zelda spürte so lange peinigende Schmerzschübe, bis es ihr Bewusstsein überforderte und sie zusammensackte.

Plötzlich klopfte es zaghaft an der Zimmertür ihrer Wohnstube und Zelda wurde aus ihren Tagträumen gerissen. Sie saß auf ihrer Polsterbank und blickte irritiert zu der großen, trommelnden Standuhr in ihrem Zimmer. Sie hatte eine Vision gehabt, auch wenn deren Inhalt neblig und verschwommen war. Durcheinander richtete sie sich auf, glaubte schon, ihr wären mehrere Stunden abhanden gekommen, aber dem war nicht so. Nur fünf Minuten waren verronnen, als plötzlich zwei Wachen um Eintritt baten. Zelda bejahte. Und beinah magisch öffneten sich die verzierten, mit Stoff beschlagenen Türen. Zuerst sah die Prinzessin nur die beiden Wachposten, starke Männer in hylianischen Rüstungen, die im Licht funkelten. Erst dann konnte sie hinter den beiden Männern etwas Unscheinbares, Grünes entdecken.

„Prinzessin Zelda, dieser Bursche schlich sich durch die Gärten und bat um Audienz, so wie ihr sagtet. Ist dies der Junge, der eine Audienz bei euch haben soll?“ Und als die Wache vorbeitrat und das eine Kind des Schicksals das andere Kind großartiger Talente erblicken wollte, war es, als würde die Welt stehen bleiben. Fast magisch hoben sich Zeldas Wimpern um ihre Sehnsucht zu erblicken. Verwundert betrachtete sich die Adlige die Gestalt, die vor ihr stand, bis ihre Gesichtszüge erfüllt waren von einer herben Enttäuschung und Traurigkeit. Ein kleiner Junge trat vor sie, der gekleidet war in grünem Leinenstoff und er lächelte. Aber Zelda konnte nicht erwidern. Enttäuscht von sich selbst, wie sie darauf warten und hoffen konnte, dass Link sie besuchte, wand sie sich um die eigene Achse und sprach kühl: „Danke, Ihr könnt nun gehen. Auch du, fremder Junge. Ich habe dir nichts zu sagen.“

Die Wachen verbeugten sich und traten zurück, warteten auf den kleinen Knirps, der jedoch grinste. „Aber Prinzessin, ich habe eine Nachricht von einer alten Frau für euch. Sie sagte mir, ich solle euch etwas ausrichten.“ Zelda zwinkerte und wand sich zu ihm. „Ein Ritterschüler würde in den Schlossgärten warten. Das soll ich euch mitteilen.“ Und einmal mehr gierte in Zelda eine starke Hoffnung. Mittlerweile war sie mehr als durcheinander, was hier geschah. Von welcher alten Frau könnte die Rede sein? Und was hatte dies mit Links Erscheinen im Schloss zu tun? Sie drückte dem Kind einige Rubine in die Hände und war in Windeseile auf dem Weg in die gepflegten, sauberen Schlossgärten…
 

Es war genauso unwirklich wie damals hier zu stehen inmitten der wunderschönen, herbstlichen Schlossgärten mit den vielen in faszinierenden Gebilden geformten Hecken, wo Winterrosensträucher blühend in die Höhe schossen und die Luft in einen geschmeidigen Duft hüllten. Damals wusste Link nicht wirklich, was er hier erwarten sollte, worauf er sich einließ. Und nun war es dasselbe. Erneut dieses ungewisse, belehrende Gefühl. Der Gedanke sich noch einmal zu überlegen, ob es richtig war, hier zu sein. Etwas trübsinnig tapste er umher in jenem von hohen Mauern umgebenen Schlossgarten und wartete, dass Zelda erschien. Hin und her gerissen, mit sich ringend, fragte er sich, ob er wieder gehen sollte, wissend, er hatte ihr wichtige Dinge zu erklären, aber auch wissend, dass er sich entschuldigen musste. Er fragte sich vor allem, wie er nur jemals so feige hatte sein können, sich zu weigern, sie zu besuchen. Warum hatte er sich von Valiant so beeinflussen lassen?

Ein ernüchternder, rufender Wind wühlte das dunkelblonde Haar auf seinem Kopf auf. Das Rauschen der Windgeister summte eine alte Weise, sodass er, hier stehend, aufgeregt und doch erinnernd, seine Fäuste ballte, den stillen Zorn auf sein absurdes Benehmen niederzudrücken versuchte. Seine tiefblauen Augen schillerten sich selbst mit Vorwürfen erfüllend bis sich jene schlossen. Es tat ihm leid… all‘ das, was er seiner Prinzessin die letzten Wochen und mittlerweile Monate zugemutet hatte. Er hatte ihre gemeinsame Zeit heruntergespielt, hatte ihre Zuneigung abgewiesen, sie einfach stehen lassen, als sie ihn bat sie zu besuchen. Und wofür? Für diesen idiotischen, sturen und stolzen Helden in seiner lebenserfahrenen Birne?

Link schabte mit seinen nussbraunen Lederstiefeln frustriert über den Boden und ließ sich dann einfach auf eine steinerne Treppenstufe sinken. Er ließ den Kopf hängen. Ein Gesicht wie eine halbe Ewigkeit Regenwetter.

Erst dann bemerkte er, dass sich jemand in diesen Bereich des Gartens gewagt hatte. Seine spitzen Hylianerohren vernahmen ein leises Taptap, ein galanter Rhythmus von teuren Schuhen, aber er sah nicht auf, hoffte darauf, dass sich alles zum Guten wenden und er mit jener bedeutenden Person, die er sich wünschte nur einmal berühren zu können, alles bereden konnte. Schmach und kämpfende Schamgefühle ließen ihn sich wie gelähmt fühlen, als er die Enden eines meerblauen, langen Rockes vor sich sehen konnte. Er schluckte nervös, traute sich nicht aufzusehen, bis er ein paar sanfte Hände spürte, die sich auf seine Schultern legten. Und es waren nicht nur die Hände, diese wärmende, wohltuende Berührung, die ihn unruhig und nervös werden ließ, es war auch ein Parfum, das ihm vertraut schien. Blüten… Frische Blüten auf den Wiesen Hyrules…

Und weil er einfach nicht reagieren, noch sich irgendwie artikulieren konnte, ließ sich die Gestalt vor ihm auf die Knie sinken. Als er aufsah, und obwohl er doch wusste, wen er vor sich hatte, so schien sich eine kleine unwirkliche Welt hinter den Schlossmauern aufzubauen. Er sah ihr nicht direkt in die saphirblauen Augen, aber sie im Gegenzug las so deutlich in seinen Gesichtszügen, was er dachte und empfand. Und da waren Schuldgefühle… jede Menge scheußliche und gemeine Schuldgefühle…

„Link…“, sprach sie und es klang wie Musik in seinen Ohren, wenn sie seinen Namen aussprach. „Du hast einst einmal zu mir gesagt, dass du mich vermisst hast…“, flüsterte sie. Er brachte darauf nicht einmal eine anständige Begrüßung über seine Lippen und versuchte zwanghaft an ihr vorbeizuschauen. Er fragte sich nur noch, ob es wirklich richtig war Zelda mit seiner Anwesenheit zu belasten.

„Jetzt hätte ich dies gerne zu dir gesagt…“, meinte sie leise, worauf er irritiert dreinschaute und etwas zurückwich. Beinah panisch zuckte er auf, als Zelda ihn dann sehr innig und gewagt in ihre Arme zog. ,Träumte er‘, fragte er sich. Oder suchte Zelda tatsächlich nach all den Gemeinheiten und Enttäuschungen seine Nähe? Er zitterte etwas in ihrer Umarmung, war verwirrt und gefangen in dem Gefühl zu erwidern oder es bleiben zu lassen. Aber auch jetzt konnte Link nicht aus seiner Haut. Die Augen nur halb verschlossen blieb er in der Umarmung und fühlte noch mehr Schuldgefühle je länger die Umarmung ging. Aber nicht nur er war unsicher, auch Zelda, die diese Nähe gesucht und schier wahnsinnig vermisst hatte, zweifelte. Und ihre Zweifel wuchsen unentrinnbar…

Und ein Beobachter, den keiner der beiden wahrnehmen konnte, würde nur denken, dass sich jene selbstlosen Seelen über eine eigensinnige Form der Magie gefunden hatten, denn wie keine andere Anziehungskraft wirkte Seelenverwandtschaft…

Entgleitendes Vertrauen

In den herbstlichen Schlossgärten, wo die vielen, bunten Blumen verwelkten und ein stürmischer Wind aufzog, saßen die beiden Kinder des Schicksals wie einst zusammen. Eine dämmerige Regenwolke schob sich verhüllend vor den ehrwürdigen Feuergott am Himmel, als Link unsicher und reumütiger wurde. Zelda umarmte ihn noch immer, hatte ihre kristallblauen Augen fest zugedrückt und schien beinahe eingeschlafen. Ihr gleichmäßiger, warmer Atem kitzelte seinen Nacken und es war dann, dass ihre Nähe, selbst das sinnliche Parfum, das ihn an eine riesige Blumenwiese der weißen Hyliarose erinnerte, seinen Herzschlag so sehr beschleunigte, dass er es nicht mehr aushielt. Etwas wirsch schob er die fünfzehnjährige Königstochter von sich weg und hüpfte schlaksig auf seine zitternden Beine. Obwohl er wichtige Dinge mit ihr besprechen wollte, hatte er gerade das sehnliche Bedürfnis einfach nur wegzurennen…

Wie in Trance gewesen, zog sich auch die erschöpfte Prinzessin auf die Beine, richtete ihren Blick zu Boden und führte ihre Hände vor der Brust zusammen. Auch sie verkrampfte sich, ahnend, dass Link für eine so innige Umarmung schlichtweg nicht bereit war. „Entschuldige… ich habe dich überrumpelt…“, murmelte sie schwach.

Nervös drehte sich der einstige Heroe um seine Achse und hüpfte von einem Bein auf das andere. „Nein… ich meine… das ist… es war nicht…“, stotterte er und versuchte sich zwanghaft von Zeldas Nähe abzulenken. Er war zappelig und wusste ganz genau, warum. Ihr Parfum, das sanft seine empfindliche Nase kitzelte, beschleunigte nicht nur seinen Herzschlag, sondern ließ ihn nicht mehr klar denken.

„Es ist in Ordnung…“, sprach sie leise und sich selbst belügend, wand ihm den Rücken zu und war unsäglich enttäuscht, dass er ihre Nähe noch immer nicht zulassen konnte. Sie kannte seine Beweggründe nicht und sprang ohne es zu merken zu weiteren voreiligen Schlussfolgerungen. Hatte sie wirklich geglaubt, er würde sie besuchen und die Verletzungen der letzten Wochen wären damit einfach vergessen? Dachte sie wirklich ihr Held der Zeit stand vor ihr? Wie blind war sie gewesen zu hoffen, dass zwischen ihnen wieder alles in Ordnung war?

„Zelda… ich…“ Link nahm seinen ganzen Mut zusammen und versuchte sich zu erklären. Aber er wusste überhaupt nicht, wo er anfangen sollte. Es war in den letzten Monaten und Wochen so viel passiert, das sich seinem Verständnis entzog. Und es gab so vieles, was ihn verunsicherte und belastete. Er wollte sich doch nur, auf eine aufrichtige und treue Weise, erklären und entschuldigen. Unsicher spielte er an dem Griff seines neuen Schwertes, das er am Gürtel trug.

„Warum bist du hier?“ Und ihre Stimme klang traurig und leidend. Es war lange her, dass Link diesen ermatteten, bekümmerten Klang in ihrer glockenhellen Stimme wahrgenommen hatte. Und es machte sein Herz schwerer als ohnehin schon. Er hatte Zelda verletzt, das spürte er. Er hatte sie mehr verletzt als er sich vorstellen konnte, mit Taten, die er teilweise nicht erinnern konnte…

Als er zunächst nicht antwortete, sich auf die Lippen biss und seine Fäuste ballte, stellte sie ihre Frage noch einmal, nur nicht mehr so sachlich, sondern lauter: „Warum bist du hier, Link?“ Er hörte die Ungeduld aus ihrer Stimme.

Er wand sich in ihre Richtung, bemüht ihr den Respekt und die Achtung spüren zu lassen, welche ihr doch zustanden, aber seine Lippen schienen wie versiegelt. Und er konnte nicht einmal in ihre himmelblauen Augen schauen, sich an die sanfte Farben erinnern.

„Ich…“, flüsterte er und hatte das Gefühl sich selbst ohrfeigen zu wollen. Konnte er nicht natürlich sein? Konnte er sich ihr gegenüber nicht so rechtschaffen verhalten wie früher. Warum nur war er ein so verdammter Feigling und Taugenichs geworden? Er stand hier, vor seiner Prinzessin, nein, vor dem wunderbaren Menschen, mit welchem er durch die Hölle der alternativen Zeit gegangen war und er brachte es nicht einmal fertig sie zu berühren, sie zu trösten, sich zu entschuldigen und ihr klar zu machen, dass er sie niemals verletzten wollte!

„Link…“, sprach sie und ließ sich auf die steinerne Treppenstufen im Garten sinken. Nachdenklich blickte sie zu dem einzelnen laubverlierenden Apfelbaum in jenen Hinterhöfen, wo eine Holzschaukel durch den Wind in Bewegung gesetzt wurde. Wie ein Hypnosegerät pendelte die Schaukel hin und her.

„Link… Ich weiß nicht, warum du hier bist, was du hier erwartest. Es hat sich in den letzten Wochen sehr viel verändert und ich weiß nicht, wo das hinführen kann. Ich weiß nicht, wohin unsere Begegnung führen soll. Aber ich schätze, auch weil du nichts zu sagen hast, und dich einmal mehr abgewendet hast, dass du nicht wegen mir hier her gekommen bist…“ Zumindest war Zelda mittlerweile davon überzeugt. Es tat weh, aber Links abweisendes Verhalten saß sehr tief und das Misstrauen ihm gegenüber wuchs je weniger Nähe er sich traute. Sie schloss ihre Augen und hatte einen trübsinnigen Ausdruck auf ihrem Gesicht. Sie verstand nicht, warum die Freude über seinen Besuch so schnell verschwunden war, alles, was sie noch wahrnehmen konnte, war Enttäuschung und Traurigkeit.

Für Link jedoch war die Aussage beinah ein Schlag ins Gesicht. War das nicht gerade der Grund gewesen? Er war wegen ihr in die Hauptstadt geritten. Er war wegen ihr hier, weil er sich nach ihr sehnte, weil sie ihm wichtig war und weil er…

„Wie kommt es, dass du nun zu mir geritten bist, wo du mich vor wenigen Wochen aus Kokiri weggeschickt hast, und wo du meine Einladung zu Neumond ausgeschlagen hast. Was bringt dich dazu, so unangekündigt zu erscheinen?“ Link wollte sich zwanghaft erklären, aber seine Worte blieben weiterhin wie betäubt in seiner Kehle stecken. Sie ließ ihm Zeit, wartete mehrere Minuten darauf, dass von seinen blassen Lippen entscheidende Worte kamen, aber Link blieb schweigsam.

„Link, das hat doch alles keinen Sinn“, murmelte sie schwach und schluchzte. „Es gab einst diese Zeit, da wir Freunde waren. Es gab einst ein Band des Vertrauens zwischen uns…“ Zelda umarmte sich und zitterte immer mehr in den frischen Herbstwinden, die weitere Regenwolken brachten. „Aber wo sollen wir jetzt anfangen dies wieder aufzubauen? Ich schaffe das nicht allein, und nicht zurzeit“, sprach sie schwach.

Und je mehr sie sagte, umso mehr zerriss es Links ohnehin gedemütigte Herz. Wollte sie ihn wieder wegschicken? Wollte sie ihre Freundschaft beenden, nur, weil er sich wie ein dummer, feiger und lächerlicher Trotzkopf aufgeführt hatte?

„Bitte, entschuldige mich. Ich…“, schluchzte sie und es war dann, dass die vielen besorgniserregenden Ereignisse wie Links Krankheit, die merkwürdigen Visionen und Träume, die neuen Pflichten am Hofe, Impas Anschuldigungen und die mittlerweile kurzen Nächte, Zeldas letzte Kraft aufgefressen hatten. Sie schwankte, war bemüht aus dem Hof zu treten, aber blieb plötzlich müde stehen. Sie spürte eine marternde Kraftlosigkeit und versuchte ihren Kreislauf in den Griff zu kriegen. Sie warf noch einen Blick zu Link, der wie ein Häufchen Elend in den Gärten stand. Er ließ die Schultern hängen, kniff die Augen zusammen und es war nur eine kleine Geste, die sie lange nicht mehr gesehen hatte, die sie davon abhielt einfach aus den Gärten zu stürmen. Denn in den schönen, meerblauen Augen des einstigen Helden, zeigten sich Tränen.

„Du willst unsere Freundschaft beenden…“, sprach er endlich, leise und fahl. Hatte Valiant tatsächlich Recht? Wollte Zelda nichts mehr mit ihm zu tun haben? Und weil er dies sagen konnte, der erste wirkliche Satz seit er hier erschienen war, wich die Farbe noch weiter aus Zeldas Gesicht.

„Freundschaft…“, widerholte Zelda gekränkt. „Haben wir denn noch so etwas wie eine Freundschaft?“ Sie wurde leicht bissig. „Weißt du, was Freundschaft ist?“

Mit den Tränen in den blauen Augen sah Link auf und schloss seine Augen aus Angst vor der Verletzung, die er in Zeldas Seelenspiegeln erblicken konnte. Er fühlte sich wie das letzte Aas, nicht fähig sich zu entschuldigen, nicht einmal fähig sie einfach nur in die Arme zu schließen und zu trösten, so wie er es unter anderen Umständen garantiert getan hätte.

„Freundschaft zeichnet sich dadurch aus, dass man einander vertraut… dass man füreinander da ist, und sich gegenseitig gerade dann unterstützt, wenn die Zeiten schwer sind. Ich wollte immer… immer deine Freundin sein, dir beistehen und auch dann da sein, wenn es keiner kann. Aber ich kann nicht, wenn du nicht mit mir redest… wenn du mich nicht an dich heranlässt.“ Sie war mittlerweile so verzweifelt, dass sie sich für ihren Ausbruch an Emotionen schämte. Sie fürchtete sich irgendjemand könnte dieses Gespräch belauschen und ihre Schwäche miterleben.

„Hast du eine Ahnung, wie weh es getan hat, dass du nach so langer Zeit einfach in meine Gemächer gekommen bist und es nicht einmal fertig gebracht hast, mich zu umarmen? Ist dir klar, wie weh es mir getan hat, dass du dich so kalt verhalten hast, auch in Kokiri? Und wenn du es nicht für nötig hältst, meine Einladung anzunehmen, dann könntest du zumindest einen Brief schicken und mir erklären warum. Aber es kam absolut überhaupt nichts.“

So bleich wie das graue Mauerwerk um sich herum, war Links Gesicht geworden. Er hatte nicht einen blassen Dunst einer Ahnung gehabt, dass Zelda ihn so sehr vermisst hatte. Es schockierte ihn zutiefst, dass er sich so sehr von diesen eigentlich angenehmen, wunderschönen Gefühlen abgegrenzt hatte…

„Link… rede mit mir… Bitte“, bat sie inständig. „Bitte…“, setzte sie hinzu, drückte ihre Hände auf das Herz und versuchte dem Bedürfnis zu widerstehen ihn weiterhin für seinen sturen Heldenstolz, seine Abweisung der letzten Wochen und seine momentane Unfähigkeit für Nähe zu verurteilen.

„Möchtest du denn noch mit mir reden?“, sprach er kränkelnd. Seine Stimme war rau und belegt. „Nachdem ich… dir diese Sorgen bereitet und alles falsch gemacht habe…“ Er schluckte und versuchte mit der trockenen Spucke in seinem Hals auch die massiven Schuldgefühle hinunterzuschlucken. „Scheinbar ist alles gesagt…“ Seine sturmblauen Augen schillerten wehmütig, bis er diese schloss und sich wieder auf die Steinstufe sinken ließ. Zeldas Ehrlichkeit und ihr Schmerz waren für ihn kaum zu ertragen.

„Nein, nichts ist gesagt… Denn ich wollte immer mit dir zusammen sein… immer mit dir reden, weil du, als mein Held der Zeit, mir wichtiger warst als irgendjemand sonst“, flüsterte sie. Und obwohl die Prinzessin jene Worte ehrlich und aufrichtig gemeint hatte, fühlte sich Link von ihnen verhöhnt. Wo war er schon wichtig? Es war immer nur der Held der Zeit wichtig. Wenn er nicht als Held erwacht wäre, wo wäre dann sein Platz in Hyrule gewesen? Wen hätte sein Schicksal interessiert als Junge, der im Wald zu einem Greis mutieren würde. Auch wenn Zelda wahrlich überzeugt war von ihren Gefühlen, sie hatte viele Dinge niemals verstanden. Sie hatte trotz ihrer Fähigkeit der Vorsehung seine Sehnsüchte und seine Probleme niemals wahrgenommen und auch nie mit ihm darüber geredet. Aber Vorwürfe machte sie ihm für die Dinge, die er einmal nicht meisterte, weil er nicht in der Lage war Nähe zuzulassen. Sie machte ihm Vorwürfe, weil er einmal nicht der Held Hyrules sein konnte…

Seine Augen blitzten in dem Augenblick, als ihm klar wurde, was Zelda verlangte, was sie immer verlangt hatte, gefährlich auf. „Ach ja? Ich war dir wichtig…“, sagte er murrend, versuchte nicht ausfällig zu werden. Aber nun fand er endlich Worte, geboren aus seiner Wut und der Verzweiflung, die sich über Jahre hinweg angestaunt hatte. „Glaubst du denn, du hättest auch nur eine Sekunde Zeit für mich gehabt, wenn ich damals nicht den heiligen Stein des Waldes bei mir gehabt hätte? Und denkst du wirklich, ich hätte irgendeine bedeutende Rolle für dich eingenommen, wenn ich nicht kämpfen hätte können?“ Er sprang auf seine Beine und zischte zynisch. „Für dich ist nur der Held der Zeit wichtig… das war immer schon so.“

Zeldas Mund klappte auf und sie war sprachlos. Ja, sie wollte mit Link reden und sie hatte seinen Schmerz gespürt, aber dass sich dahinter auch Hassgefühle ihr gegenüber verbargen, war ihr auf diese Weise niemals klar gewesen.

„Du warst immer dankbar, wenn ich dich besucht habe. Du warst immer glücklich, wenn ich mich bemüht habe, dir ein Freund zu sein. Aber du hast niemals gesehen, was nicht stimmte in all der Zeit, weil selbst du, wo du die siebte Weise bist, oft nur sehen kannst, was du sehen willst. Wen interessiert schon der Junge hinter dem Helden der Zeit!“

„Link…“, würgte sie aus ihrer betäubten Kehle. Seine Vorwürfe hatten sie so eiskalt erwischt, dass sie überhaupt nicht mehr wusste, damit umzugehen.

„Erspar‘ mir das, Zelda“, sprach er und fuhr sich durch das blonde, wilde Haar. „Mir ist klar, dass du viele Dinge niemals leichtfertig und selbstsüchtig getan hast, aber das macht deine Entscheidungen nicht weniger grausam.“ Er trat auf seine Beine, spürte sein Herz brennen, weil er mit seiner Ehrlichkeit einen weiteren Keil in ihre Freundschaft trieb. Aber er konnte diese Dinge nicht mehr hinunterwürgen und so tun, als wäre er der unbezwingbare Held, den nichts aus den Latschen hauen konnte. Auch er war nur ein Hylianer… ja, ein verstoßener, sich ungeliebt fühlender Hylianer…

„Du redest von Freundschaft und einem Band des Vertrauens. Aber behaupte nicht, du hättest mir jemals vertraut. Du hast mir nichts von den Geschundenen der Macht erzählt, obwohl diese Sekte mich angegriffen hat. Du überlässt mir irgendwelche magischen Gegenstände, weil du vermutest, dass ich damit erneut das Land retten kann. Und warum? Weil du nur auf den Helden der Zeit vertraust. Warum sonst hast du mich in die Ritterschule geschickt, doch nur, dass ich wieder erstarke und kämpfen kann. Du hast mir nicht einmal zugehört, als ich sagte, ich will dieser bescheuerte, verspottete Held nicht mehr sein!“ Link atmete schwer, hatte seine Energie in dieser Standpauke beinah verschwendet und er wusste, dass es nicht fair war. Aber er wollte nicht mehr! Er wollte diese Pflichten nicht mehr. Und nicht mehr für einen illusorischen, unechten Titel seine Seele verkaufen und sich demütigen lassen…

Und nun war es Zelda, die nichts mehr sagen konnte. Neben sich stehend und weil sie durch die momentanen Ereignisse ihre gesamte Kraft eingebüßt hatte, sackte sie auf ihre Knie. Sie presste eine Hand an ihre Lippen und konnte nicht glauben, was hier passierte. Was war mit ihrer Freundschaft, nein, ihrer Liebe, zu Link? Es konnte doch nicht sein, dass alles das, was sie einst teilten, nur leere Worte, nur Lügengebilde, gewesen waren! Empfand Link tatsächlich diesen unglaublichen Groll ihr gegenüber? War sie die ganzen Jahre über denn wahrlich so blind?

„Glaubst du wirklich, ich hätte nicht gesehen, wie wunderschön deine Seele und dein Herz sind, als du damals vor mir standest? Auch wenn du dich nicht zu einem Helden entwickelt hättest, ich hätte dich respektiert, immer. Glaubst du wirklich, ich brauche nur einen Helden?“, sprach Zelda bekümmert. Sie schluchzte bitter, und richtete sich wieder in die Höhe, aber taumelte. Sie fand ihre Stärke nicht. Sie sickerte aus ihren Händen, langsam und vernichtend, auch weil sie spürte, dass es nichts brachte mit Link zu reden. Sie waren beide verletzt wegen all‘ den Ereignissen, die geschehen waren und bei dem anderen Misstrauen ausgelöst hatten.

„Ich brauche einen Freund… keine Vorwürfe… Denn es geschehen immer mehr seltsame Dinge in Hyrule, Ereignisse, die ich nicht verstehen kann, Angriffe, die ich nicht vorhersehen kann“, sprach sie, aber bevor sie weiter erklären konnte, wurde sie von Link unterbrochen: „Dann frag‘ doch jemand anderen dir erneut auf den Schlachtfeldern zur Seite zu stehen. Frag‘ einen Helden, aber nicht mich!“, brüllte Link. „Ich will nicht mehr dein verdammter Held sein“, setzte er schnippisch hinzu und hielt die Konfrontation mit Zelda, obwohl er sich nach ihr gesehnt hatte, obwohl er sie wegen den Dreizehn Schlüsseln warnen wollte, und sogar das merkwürdige Männerarmband mit dem kupferfarbenem Metall bei sich trug, nicht mehr aus.

Mit zusammengekniffenen Augen hetzte er aus den Schlossgärten und konnte Zeldas Zusammenbruch nicht sehen. Zum zweiten Mal heute krümmte sie sich zusammen, weinte heftig und wünschte sich zu vergessen, wer sie war. Sie liebte Link, sie würde es auf ewig tun. Und er würde immer ihr Held bleiben, egal, was auch immer in Hyrule geschehen würde und egal, wie sehr er sich gegen seine Bestimmung wehrte. Denn sie würde ihn von seinem Titel niemals trennen. Link war der Held Hyrules und würde es immer bleiben…
 

Ohne auch nur eine Wache zu grüßen, selbst diejenigen Wachposten, die ihn noch von früher kannten. Und ohne den Blick nach oben zu richten, rannte der vergessene Heroe aus den märchenhaften Schlossgärten. Er war wütend, vor allem auf sich selbst. Er war hierher geritten mit dem Wunsch sich mit Zelda auszusprechen. Er wollte ihr verdeutlichen, dass sie immer auf ihn zählen konnte. Und was war passiert? Er hatte erneut versagt, sich aufgeführt wie ein dummes Kind! Warum nur war das Gespräch mit ihr so verdammt schief gelaufen?

An einem einzelnen Laubbaum, der auf den Pfad in Richtung der Stadt wurzelte, blieb Link stehen. Seine ansehnlichen Gesichtszüge schwer und beschämt. Er war blass und mit lila Augenringeln und gläsernen Augen sah er aus wie ein Gespenst. Er lehnte sich stirngerichtet an die morsche Baumrinde, stemmte seinen linken Arm gegen den Baum und schluchzte. Er fragte sich, was in ihn gefahren war, Zelda mit diesen heftigen Aussagen fertig zu machen, obwohl er doch deutlich wahrgenommen hatte, dass es ihr nicht gut ging. War er mittlerweile tatsächlich so ein Monster, dass er nicht einmal mehr in der Lage war, die Hylianerin, für die er doch die tiefsten Gefühle hegte, mit Respekt und Achtung zu behandeln? Er hatte Zelda noch nie so angefahren, so zurechtgestutzt und angeschrien wie gerade eben. Was, bei Farore, passierte nur mit ihm? War das nur die Wut über sein Schicksal oder veränderte er sich und geriet auf eine finstere Ebene, die er niemals betreten wollte?

Von weitem erkannte er einen gut gelaunten Will, der ihn noch nicht gesehen hatte und mit dem er sich gerade nicht auseinander setzen wollte. Beinah panisch hetzte Link weiter und rannte zu dem einzigen Ort, der ihm eine Antwort auf die Dinge geben konnte, die sich seinem Wissen entzogen. Beinah sehnsüchtig, als ob er einen alten Freund wiedersehen musste, sich reinigen musste, hetzte er in die Stadt und kam außer Puste, sich auf seine schlotternden, abgemagerten Knie stützend, vor den Toren der alten Zitadelle der Zeit zum Stehen.
 

Mittlerweile wurde Hyrules Himmelszelt von vielen grauen Wolkenschleiern überzogen. Eine kalte Brise wehte und wirbelte frisches Laub auf den abgetragenen Steinstufen am großen Tor der Zitadelle auf. Keine Menschenseele war in den Gärten vor der Zitadelle unterwegs. Eine zermürbende Stille schlich sich um das alte Gotteshaus. Ehrfurcht vor jenem heiligen Platz, selbst von den Wettergöttern. Links pulste raste noch von seiner feigen Flucht vor Zelda und sein Herz schämte sich, schämte sich elend. Zögerlich griff er an den übermenschlich wirkenden Türgriff des Gotteshauses, schob das Tor nur einen kleinen Spalt auf und wurde von der dahinterliegenden Dunkelheit verschluckt.

Mit neugierigen und geweiteten Augen erfasste Link das riesige Innere der alten Zitadelle. Er war schon so oft hier gewesen, erinnerte jedes Detail hier drinnen, aber seit seinem letzten Besuch hatte sich einiges verändert. Die Zitadelle war scheinbar umgebaut worden, und zwar in so deutlichem Ausmaß, dass Link den Eindruck hatte, er betrat eine andere Realität. Dort, wo einst nur ein purpurroter Teppich über die majestätischen Marmorplatten verlief, waren links und rechts ornamentierte Holzbankreihen aufgebaut worden. An den tragenden Säulen, wo das kolossale Deckengewölbe mit dem Kampf der drei Göttinnen gegen das Chaos der Gezeiten dargestellt war, hafteten riesige, magische Fackeln, die ihren Schein wärmend in den sonst so kühlen, beinah eisigen Innenraum warfen. Der einstige Altar wurde in ein zweites Stockwerk verlagert, sodass die erstarrten heiligen Steine nicht mehr so leicht berührt werden konnten und das Zeitentor war schlichtweg verschwunden. Stattdessen fußte dort nur ein Opferstein aus pastellfarbenem Gossipgestein, welcher dazu da war Tote an ihrer letzten Gedenkstätte aufzubahren. Verdutzt und zweifelnd, wo der Zeitenfels abgeblieben war und wo die heilige Klinge sich befand, hetzte Link umher und fühlte sich mittlerweile so überfordert, dass er Angst hatte, seine Vergangenheit war niemals passiert. Wo war das Schwert des Auserwählten? Wo war das Tor der Zeiten?

Hektisch stürmte er ein paar neue hölzerne Treppenstufen hinauf, die an den gigantischen Steinsäulen angebracht waren und in das zweite Stockwerk führten. Seine tiefblauen Augen wanderten überfordert und unruhig an dem Altar mit den drei heiligen Steinen entlang. Seine kalten, frierenden Hände legten sich zitternd an die mit einer silbernen Masse umwobenen Steine, ein Schutzmechanismus. Die heiligen Steine waren hier, aber wo war das Tor der Zeiten und wo war das Masterschwert?

Plötzlich spürte Link einen Luftzug hinter sich und drehte sich erschrocken um. Er torkelte zurück und krachte polternd und sich selbst verfluchend an den Altar und erschrak, als er einen Geist vor sich sehen konnte, den er im ersten Moment nicht erkannte. Es war Rauru, der Weise des Lichts. Der alte, graue Mann mit seinem orangenen Umhang führte lediglich einen Zeigefinger an seine Lippen, bat um Ruhe und nickte Link leise zu. „Du möchtest zu dem Schwert, nicht wahr?“, sprach er säuselnd.

Link nickte, blickte jedoch trübsinnig zu Boden.

„Das Schwert ruht nun in verborgenen Katakomben. Da sich so viele Schaulustige daran erprobt haben, ließ Prinzessin Zelda den Hort des Schwertes versiegeln und die Zitadelle von den alten Geistern umbauen“, erklärte er. „Folge mir.“

Link tat wie geheißen und folgte dem Weisen bis hin zum neuen Altar. Er sprach einige Formeln in dunklem Hylianisch. Eine alte Sprache, die kaum einer noch benutzen konnte. Und plötzlich bebte ein kleiner, kreisförmig umgrenzter Bereich unter Links Füßen. Ehe der einstige Heroe begreifen konnte, was geschah, wurde er von einem Gewand aus glühenden, gelben Farben umgarnt und teleportiert.
 

Als er seine Augen wieder öffnete war er in einem kreisrunden, stillen Raum ohne Einzelheiten oder irgendwelche Verzierungen. Von weitem rauschte Wind oder Wasser und an den Wänden wuchs Moos. Ein paar Fackeln an den Wänden glühten gemächlich und in der Mitte des Raumes, erstarrt zu Stein, rostend und tot, ruhte die heiligste Klinge der Welt…

Wie damals, ehrfürchtig und unschuldig, setzte Link einen Fuß vor den anderen, versuchte dem Klang zu lauschen, den das Masterschwert immer erklingen ließ. Aber das Summen der edlen Waffe war erloschen. Die legendäre Kraft der Heldenklinge war verendet…

Zaghaft führte Link seine kalten, schwachen Finger an das rostende Schwertheft, berührte die Klinge nur leicht, streichelte das einst so geschmeidige Leder. Aber er spürte nichts. Er konnte keinen Hauch Magie wahrnehmen. Nicht einmal das Schwert reagierte auf ihn! Schließlich umfasste er die Klinge fester, rüttelte an ihr, bemüht sie trotz aller Warnung aus dem Stein zu ziehen, aber die Klinge stak fest und starr. Er rüttelte immer mehr, stemmte sein gesamtes Gewicht gegen die Klinge und entließ schließlich einen verzweifelten Seufzer.

Er trat dagegen, spürte die Verzweiflung von vorhin wieder hochkochen, zog noch einmal an dem Heft, bis ihm seine Hände weh taten. „Ist das alles, was du noch bist! Ein stummes, billiges Schwert!“, brüllte er, zog weiterhin an dem Heft und versuchte mit aller Gewalt dem Masterschwert wieder Herr zu werden. „Du verdammtes, nutzloses Schwert! Wozu bist du überhaupt noch gut!“, zischte Link und riss so gewaltsam an dem Heft, bis seine Finger bluteten. „Hilf‘ mir!“, rief er, trat noch einmal dagegen. „Hörst du nicht! Ich bin dein wahrer Meister, ich war es immer und ich befehle dir. Lass‘ dich führen!“

Gewaltsam zog er mit beiden Händen an dem einst so edlen Griff, legte seine gesamte übriggebliebene Kraft in diesen Akt, aber das Schwert schwieg. Nicht einmal eine abweisende Reaktion. Kein Hauch Magie sonderte es ab. Es bestrafte seinen Herren mit Stille.

Verzweifelt, und begreifend, dass er tun konnte, was er wollte, sein Begleiter in den Abgründen der alternativen Zeit, würde ihm nicht zur Seite stehen. Er sackte vor der Klinge nieder, betrachtete sich seine blutenden Hände und hing das Schwert halb umarmend am Zeitenfels. „Ich flehe dich an…“, flüsterte er. „Gib‘ mir, mein wahres Ich zurück… ich flehe dich an… Wäre ich ich selbst, müsste ich Zelda nicht andauernd so enttäuschen… Hilf‘ mir…“

Aber auch mit seiner Verzweiflung und einer aufrichtigen Bitte. Mit einem Ruf, den Herzen hören konnten, ließ sich die Klinge aus ihrem tiefen Schlaf nicht befreien. Es war nicht bestimmt, dass er das Masterschwert wieder führte. Nicht heute und hier…

Plötzlich fühlte er eine warme Hand auf der Schulter. Zuerst dachte er, dass es Rauru wäre. Wer sonst hatte Zugang in diese heilige Halle? Aber Raurus Geisterhand war nicht für einen Hylianer fühlbar und erst recht nicht warm. Links dunkelblonder Kopf glitt langsam nach hinten, als die Fackeln an den Wänden in einem schimmernden, silbernen Licht erstarrten. Es wurde angenehm hell in den alten Katakomben, tröstlich und rein. Links tiefblaue Augen waren weit aufgerissen, als er hinter sich eine alte Frau in einem silbergrauen Umhang entdeckte, jene Frau, die ihm bereits einmal erschienen war. Vor einigen Wochen war sie es, die ihn beruhigt hatte, als Zelda im Schloss angegriffen wurde. Vor einigen Wochen hatte sie ihm seine Zweifel ausgeredet.

„Ihr… Ihr seid…“, murmelte Link und schaute betreten weg. Was wollte sie hier? Sich an seinem Leid ergötzen?

„Die graue Hexe, so könntest du mich nennen, mein dummer Junge…“, entgegnete sie ruhig.

Link räusperte sich, fragte sich bloß, was sie hier wollte und fragte sich außerdem, wie sie es geschafft hatte Raurus Tricks zu durchschauen und seine Fallen zu überwinden.

„Was wollt Ihr von mir?“, murrte der Junge, stützte sich auf seine blutigen Hände und trat auf seine Beine.

„Zunächst einmal muss ich dir klar machen, dass es nicht der richtige Zeitpunkt ist, sich an der Waffe zu testen“, sprach sie scharf. „Du kannst dein Herz für das Schwert herausreißen oder dich aufspießen, dadurch wird es ebenfalls nicht sprechen.“

„Was wisst Ihr schon!“, zischte der Junge und wand der alten Frau den Rücken zu. Was wollte diese Hexe schon wieder von ihm? „Ihr habt überhaupt keine Ahnung. Mischt Euch nicht in Dinge ein, die Euch einen feuchten Dreck angehen!“ Link wusste nicht, was es war, aber diese Dame brachte ihn mit ihrer bloßen Anwesenheit um den Verstand.

„Soso, du glaubst, dein Schicksal geht mich nichts an, hm?“, sagte sie bestimmt.

„Ja, das habe ich gesagt“, sprach Link gereizt. „Und ich glaube das nicht nur, ich weiß es. Es geht keinen beschissenen Hylianer etwas an, was mit mir passiert, und es interessiert auch keinen!“ Link platzte der Kragen, vor allem, weil das Schwert nicht reagierte und nun erschien ihm wieder diese merkwürdige, alte Frau, die ihn einen ,dummen Jungen‘ nannte. Sollte er mit diesen Ereignissen und dem furchtbaren Gespräch mit Zelda etwa noch gute Laune haben?

„Du bestehst darauf zu denken, keine Menschenseele ist an deinem Schicksal interessiert?“

Link blickte zweifelnd zu Boden.

„Aus verlässlicher Quelle weiß ich nur leider, dass es jede Menge Hylianer gibt, die dich lieben…“ Link lachte zynisch und schüttelte seinen Schädel. „Und das sagt mir eine alte Schachtel, die sich nicht einmal vorstellen kann? Wer sollte Euch etwas glauben? Tut nicht so, als wüsstet Ihr nur ansatzweise etwas über mich. Ihr seid das perfekte Beispiel für eine Hylianerin, die sich in mein Leben einmischt und so tut als wollte sie mich unterstützen.“ Link hatte nur leider nicht daran gedacht, dass er eine unglaublich starke Frau, selbst in ihrem Alter, sich gegenüber hatte. Und diese Frau ließ sich nichts gefallen. Sie trat näher und noch ehe Link reagieren oder ausweichen konnte, hatte sie ihm eine saftige Ohrfeige verpasst, die einen fetten, roten Abdruck auf Links Wange hinterließ. Er zuckte zurück, hatte nicht mit einer solchen Kraft gerechnet und hielt sich seit langem seine rechte, schmerzende Wange fest.

„Das ist die erste Ohrfeige heute. Wenn du noch mehr von diesem Stuss erzählst, bekommst du noch weitere!“, sagte sie belehrend. Und ihre gewaltige, alte Stimme ließ ihn aufhorchen und sich zusammenreißen. Etwas ängstlich, und Link hatte vor Ewigkeiten das letzte Mal wirklich Angst empfunden, versuchte er unter die silbergraue Kapuze der alten Frau zu schauen. Er konnte nur ein paar blaue Augen sehen, die scharf und eindringlich waren, mutig und unberechenbar stark.

„Lässt du mich jetzt erklären, weshalb ich hier bin, oder brauchst du sofort die nächste Schelle?“, sagte sie bissig.

Link schluckte, zwinkerte und schüttelte langsam seinen Kopf. Seine Wange pochte wie wahnsinnig. Er konnte kaum glauben, dass eine so alte Frau diese immense Kraft entwickelte.

„Gut. Normalerweise entscheidet sich niemand gegen meine Argumente“, sagte sie klar, worauf Link beinah angefangen hätte sie aus zu höhnen. Wie konnte man nur so von sich selbst überzeugt sein wie diese Frau?

„Also was führt Euch her?“, sprach Link dann, wand der Dame seinen Rücken zu und ließ sich auf eine Treppenstufe sinken. Gut, dann würde er diese Frau eben zuhören, was immer sie auch wollte. Als ob sich durch das Gesülze dieser Schreckschraube etwas ändern würde…

„Normalerweise ist es mir untersagt mich in die Geschehnisse einzumischen, vor allem in das, was diesen Zeitpfad angeht. Und ich hatte gehofft, dass ohne mein Zutun sich die Ereignisse fügen und du auf deinen rechtmäßigen Pfad gelenkt wirst. Aber bedeutsame und wichtige Geschehnisse scheinen sich zu verflüchtigen. Es ist, als ob sich die Realität verändert, als ob sich die Götter von Hyrule mehr und mehr abwenden.“

Link seufzte: „Und was hat das mit mir zu tun? Wenn sich die Realität verändert, so wie ihr sagt, warum sollte das schlecht sein?“

„Es ist schlecht, weil es eine neue Bedrohung gibt. Vielleicht eine alte, grausame Macht oder etwas völlig neues. Eine Macht, die in der Lage ist, die Geschichte, die bestimmt ist zu geschehen, umzuformen. Und das ist keine Zeitreise, die die Zukunft verändert, es scheint als ist jemand in der Lage alles das, was gut ist in einen Gegensatz zu verwandeln…“

Link seufzte erneut. „Und ich sage es noch einmal, was hat das mit mir zu tun?“

Macht aussendend trat die alte Frau direkt vor ihn, beugte sich zu ihm und fixierte ihn mit ihren blauen, scharfen Augen. Sie war seinem Gesicht so nah, dass er ihren Atem riechen konnte. Es stank nach Kräutern, bitter und Kopfschmerz verursachend. Aber endlich konnte er ihr direkt ins Antlitz blicken. Und sie war älter als er vermutete, viel zu alt, als dass er verstehen konnte, wie sie sich auf den Beinen halten konnte. Sie hatte Tausende Falten in ihrem mausgrauen Gesicht.

„Oh, mein dummer Junge, falls du es vergessen hast, in dir schlummert Hyrules mutigste Seele. Du hast gar keine Wahl als den Helden in dir zu erwecken und dich in Schlachten zu stürzen. Und auch ich sage es noch einmal. Du bist und bleibst ein Held. Dein Wille kann nicht gebrochen werden, auch wenn es Mächte gibt, die dies immer wieder versucht haben.“

Desinteressiert, und weil ihm dieser Tag auf die Nerven gegangen war, richtete sich Link auf und wich der Dame aus. Fing diese blöde Hexe jetzt auch damit an ihm klarmachen zu wollen, dass er auf ewig ein Held bleiben würde? Er wollte nicht mehr! Verdammt, konnte das überhaupt keiner verstehen, er wollte nicht wieder morden müssen. Er wollte nicht, dass andere wegen ihm leiden mussten. Und wenn er den Helden spielte, gab es genug Dämonen, die dann die Menschen, die ihm wichtig waren, quälte…

„Ich bin kein Held mehr“, murmelte Link und blickte zu dem verrosteten Schwertheft, wo sein Blut noch immer klebte.

„Doch, das bist du und wirst du immer bleiben.“

„Ich sagte“, sprach er mürrisch und deutlich, so laut, dass das Feuer der Fackeln aufgeregt zu rascheln begann, als ob es sich vor dem Triforcefragment des Mutes fürchtete. „Ich bin kein Held mehr!“ Link hatte so laut geredet, dass ihm die Kehle schmerzte.

„Macht es dir eigentlich Spaß dich selbst zu belügen?“, fragte sie dann, trat zu ihm und nahm seine linke blutende Hand in ihre beiden. „Warum hast du das Schwert aufgesucht, wenn du doch kein Held mehr sein willst? Warum hast du das Schwert angebrüllt dir dein wahres Ich zurück zu geben, wenn du doch kein Held sein willst?“ Beschämt blickte Link zu Boden. Er schloss seine tiefblauen Augen, ahnte, dass diese Frau tatsächlich mehr wusste, als er ihr zutraute.

„Mein dummer Junge“, sprach sie sanfter, streichelte seine Hände, sodass die Wunden verschwanden. „Ich weiß, wie schwer es zur Zeit für dich ist in diesem irren Kampf gegen das, was man Schicksal nennt. Ich weiß, wie verzweifelt du bist. Aber kämpfe mit allem, was du hast. Es ist dir bestimmt zu kämpfen und als derjenige Einzige zu bestehen, wenn andere fallen…“

„Wie soll ich noch kämpfen…“, murmelte er wehmütig. „Mit diesen schwachen Händen? Mit diesem abgemagerten, kränkelnden Körper?“

„Ja, mit diesen schwachen Händen und deinem kränkelnden Körper. Der Held der Zeit kann kämpfen, auch unter diesen Bedingungen.“ Link knurrte und stieß die Dame von sich weg. „Da ist es wieder… Ich verstehe schon… jeder braucht nur diesen blöden Helden in mir. Selbst Zelda! Alle brauchen sie nur den Helden der Zeit und nicht mich!“

Link hatte seinen Satz kaum zu Ende gesprochen, dass er bitter spüren musste, wie wenig die graue Hexe von seinem Gejammer hielt. Sie riss ihre meerblauen Augen auf, verzog ihr Gesicht, hob ihre rechte Hand und verpasste dem jungen Trotzkopf eine weitere saftige, und unglaublich dröhnende Ohrfeige. Link zuckte gequält auf und hatte den Wunsch sich mit dieser alten Dame zu schlagen. Er knurrte wie ein Hund und ballte die Fäuste. „Bei dir kommt man mit verständnisvollen Worten nicht weiter, du bist ein genauso sturer Bock wie dein Vater!“, zischte sie. „Höre ich eine solche Idiotie noch einmal von deinem Mund, prügel‘ ich dich windelweich!“ Link schluckte und sah die Hexe argwöhnisch an. Noch immer war ihm völlig unklar, was die Frau von ihm wollte. „Link“, sagte sie belehrend. „Du kannst den Helden und dich nicht trennen. Und Zelda sieht das sicherlich genauso.“

Er brummte, aber sagte keinen vernünftigen Satz dazu. Seine rote Wange haltend, stapfte er im Raum umher. „War es das dann? Könnt Ihr mich nun endlich in Ruhe lassen“, murmelte er.

„Damit du dich weiterhin in deine beschämende Verzweiflung und dein genießendes Selbstmitleid stürzen kannst?“, fragte sie bissig. „Nein, den Gefallen tue ich dir noch nicht.“

„Dann rufe ich halt nach Rauru, dass er mich hier herausbringt. Dann bleibt Ihr eben hier“, schimpfte der einstige Heroe, worauf die Frau anfing zu lachen. Sie lachte in einer unglaublich wahnsinnigen Weise. Ihre alte Stimme quietschte wie ein kaputtes Rad.

„Rauru? Tut mir leid dich zu enttäuschen, aber Rauru hat nur von mir gelernt, ich kenne seine Magie und seine Tricks. Du kannst lange darauf warten, dass er dich hier herausholt, wenn ich hier stehe.“ Link verdrehte genervt seine Augäpfel, aber musste einsehen, dass es nichts brachte diese Frau noch weiterhin herauszufordern. Sanftes Rauschen drang von weither, als die Sekunden zerrannen und Link auf weitere Worte der Hexe wartete.
 

Zu dem Zeitpunkt stapfte William Laundry fröhlich, aber etwas besorgt, weil er keine Ahnung hatte, wo sein Mitbewohner abgeblieben war, in der strahlenden Hauptstadt umher. Er genoss die vielen Menschen hier und freute sich über den Trubel und die Hektik, die er ein wenig vermisste. In Labrynna hatten sie auch lange Zeit in einer größeren Stadt gelebt. Dagegen war die Einsamkeit und Öde an der Ritterschule beinah unerträglich. Als er auf dem Marktplatz die verschiedenen Waren betrachtete, stürmte plötzlich ein kleines Mädchen in seine Richtung, umarmte seine Beine und sah ihn mit großen smaragdgrünen Augen an. Will grinste die Kleine überrascht an, freute sich dann aber ungemein seine kleine Schwester zu sehen. Er nahm sie auf die Arme und wirbelte sie aufgeregt durch die Luft. Gerade in dem Augenblick sah er seine Mutter und seinen Vater näher treten, die ihn ebenfalls liebevoll begrüßten. „Hey, was macht ihr denn hier?“

„Wir hatten eine Audienz bei Prinzessin Zelda wegen den Träumen und dem verrückten Gefasel deiner Schwester“, meinte Lassario und umarmte seinen Sohn. Es war schon einige Wochen her, dass sie sich gesehen hatten. Und obwohl Will solche Gefühlsduselei eigentlich nicht mochte, war er über die Maßen froh seine Eltern anzutreffen, so froh, dass er sogar seinen Vater umarmte. Außerdem wusste er den Wert seiner Eltern mehr und mehr zu schätzen, jetzt, wo er Hylianer in seinem Umfeld kannte, die weder Vater noch Mutter hatten.

„Hi, Mum“, meinte er und umarmte auch Belle, die ihn skeptisch beäugte. Normalerweise hatte Will nichts für Umarmungen und erst recht nicht Umarmungen seiner Mutter übrig. Sie gaffte ihn schockiert an, aber lächelte dann.

„Und konnte euch die Prinzessin irgendetwas raten?“, meinte Will und kratzte sich dann verlegen an der Wange. Er wurde kirschrot bei dem Gedanken, dass er die Prinzessin vor einigen Minuten gesprochen und sogar einen Kuss von ihr bekommen hatte. Aber das würde er für sich behalten.

„Ja, wir haben einige Neuigkeiten. Wir sind auf dem Weg in die Zitadelle der Zeit und wollten danach im Gasthaus speisen. Möchtest du uns begleiten?“, sprach Lassario.

„Was wollt ihr denn in der Zitadelle?“, sagte der Laundrysohn überrascht.

„Das erklären wir dir später. Aber sag‘ mal, bist du ganz alleine hier her geritten?“

Will schüttelte den Kopf. „Link ist mit mir hier, aber ich habe absolut keine Ahnung, wo er abgeblieben ist.“

„Link ist mit hier?“, sprach Belle dann. „Das ist schön.“ Sie lächelte bei dem Gedanken, dass Link und Will scheinbar die besten Freunde geworden waren.

„Ja, er ist wirklich ein guter Kerl“, meinte Will ehrlich. „Wenn wir nachher essen gehen, können wir Link nicht mitnehmen?“ Auch die kleine Lilly mischte sich ein und kullerte mit ihren großen grünen Augen. „Oh ja, das machen wir“, rief sie. „Linkelchen soll mit uns essen gehen. Das wäre toll!“

Lassario und Belle nickten beide und traten schließlich gemeinsam mit Will in Richtung der Zitadelle.
 

In den antiken Katakomben, wo das Blut der Zeit, Rost, Moos und Schimmel sich bildete, stand Link mit leerem Kopf vor der alten Hexe, die ihre silbergraue Magie durch den Raum gleiten ließ. Er wusste überhaupt nicht mehr, was er noch denken, geschweige denn sagen sollte. Er hatte nur das erdrückende Gefühl immer mehr falsch zu machen. Was war nur los mit ihm, dass er sich so sehr gegen sein Heldendasein wehrte? Hatte er es nicht genossen in jedem Kampf dieses wahnsinnige Adrenalin zu spüren, das durch seinen Körper schoss? Hatte es ihm nicht Genugtuung gebracht den Abschaum Hyrules unter die Erde zu bringen und das Licht zurückzufordern, immer und immer wieder? War es nicht sein Lebenssinn gewesen mutig und stark zu sein, vor allem auch für die edlen Wesen wie Zelda…

„Ich weiß, warum du in allererster Linie so unglaublich wütend auf dich bist“, sprach sie. „Es ist wegen der Prinzessin, habe ich Recht?“ Die Frau rückte ihre graue Kapuze etwas zurecht und spielte einmal mehr mit ihrem silbernen Licht, das sie in dünnen Fäden um das heilige Schwert im Stein tanzen ließ.

„Es demütigt dich, nicht in der Lage zu sein mit Zelda so umzugehen, wie du es gerne tun würdest, was? Du würdest sie gerne beschützen, so wie früher, nicht wahr?“, setzte sie hinzu und sie wusste, wie unangenehm sich diese Worte für ihn anfühlten, wie Stiche in seinen Ohren. Er kniff die Augen verzweifelt zusammen.

„Du würdest sie gerne berühren, aber wie sollst du das in diesem Zustand, mit diesem Körper. Du schämst dich, hast das Gefühl, kein vollwertiger Mann mehr zu sein. Und du glaubst, in diesem Zustand, bist du es nicht würdig, so etwas Edles und Schönes wie Zelda zu berühren.“ Und noch ehe die Frau ihn weiter mit diesen Dingen konfrontieren konnte, platzte Link der Kragen.

„Hört auf damit!“, brüllte Link dann und hielt sich seine Hände an die spitzen Hylianerohren.

Innerhalb weniger Sekunden stand die Frau vor ihm, legte ihren Kopf auf eine Schulterseite und grinste beinah barbarisch. „Habe ich den Nagel auf dem Kopf getroffen, mein dummer Junge?“

Und weil es Link mittlerweile zu viel war, holte er kräftig aus und wollte dieser Frau einen Schlag mit der Linken verpassen. Sie wich jedoch flink aus und schüttelte den Kopf. „Oh ja, du bist unglaublich wütend, dass du nicht der Held sein kannst, der du sein willst. Denn das ist deine ganze Motivation. Du willst ein Held sein, aber vor allem für Zelda. Sie war es, in der du nach Verlassen des Waldes einen Lebenssinn gefunden hast. Nur sie…“ Link hatte das Gefühl auf diese Worte zusammenzusacken. War diese Frau eine Seelenleserin, oder woher wusste sie das alles?

„Und gerade zu Gunsten der Prinzessin, möchte ich dir etwas verraten.“ Er hörte weiterhin willig zu, wusste nicht, wie er mit dieser Dame noch diskutieren sollte. Jedes Argument aus seinem Mund hatte bei ihr keine Chance. Sie nahm den Ernst aus seinen Worten wie Wind aus Segeln…

„Es ist nicht gut, dass Zelda und du, dass ihr beide euch anzweifelt…“

„Das weiß ich selbst“, murrte Link beinah boshaft. „Ich habe versucht mit ihr zu reden, aber es ist alles schief gelaufen.“

„Ja, weil du keine Ahnung hast, warum… Aber Zelda leidet, sie leidet wahnsinnig. Sie hat jede Menge Pflichten, jede Menge Aufgaben, sie könnte sich mittlerweile verdreifachen und würde diese vielen Verpflichtungen nicht mehr schaffen. Sie braucht den Helden der Zeit, weil sie bald nicht mehr weiß, wo sie ihre Kraft für die nächsten Geschehnisse hernehmen soll. Mein dummer Junge, deine Prinzessin verliert ihre Kraft, wenn es so weiter geht. Du musst dich entscheiden, dich von ihr fern zu halten oder sie zu unterstützen. Deine momentanen Spielchen machen Zelda krank… Sie ist nicht so stark, wie es den Anschein hat und sie braucht dich, dich, nicht nur den Helden. Du weißt es nicht, aber Zeldas Seele und deine sind untrennbar miteinander verbunden. Ihr seid beide Kinder des Schicksals. Du musst lernen in deine Seele hineinzuhorchen, dich selbst wieder finden und annehmen.“ Link konnte dem ganzen nicht mehr folgen. Die Worte aus dem Mund der Hexe schlitzten an dem bisschen Selbstwert und Stolz, der noch verblieben war und ließen ihn torkeln. Wovon redete die Frau nur? Seine und Zeldas Seele verbunden?

„Vertraue ihr, sie wird dich nicht enttäuschen“, setzte die Hexe hinzu und lächelte das erste Mal warmherzig durch ihre Falten hindurch. Es war das erste Mal, dass sie warm und mütterlich auf ihn wirkte.

„Ach nein, aber sie hat ständig alle Fäden in der Hand, sie entscheidet gegen meinen Willen. Sie…“

Die Hexe unterbrach ihn scharf: „Stopp! Stopp! Stopp!“ Irritiert sah Link auf. „Wann hat sie schon gegen deinen Willen entschieden?“

„Sie hat mich auf diese bescheuerte Schule geschickt!“, warf Link ihr vor.

„Ja und?“, entgegnete sie. „Niemand hat dich gezwungen mit der Anmeldung dorthin zu marschieren. Das ist allein auf deinen Mist gewachsen. Und bedenke, warum hat Zelda dir die Anmeldung für die Schule zukommen lassen?“

Link zuckte mit den Schultern und wusste darauf nichts zusagen.

„Nicht aus Egoismus, auch wenn du das wohl denkst. Sie wollte das Beste für dich und nun tu‘ nicht so, als ginge es dir an der Schule nicht besser! Du hast Freunde, du hast einen Platz, eine warme Mahlzeit, ein Bett. Urteile nicht so über sie, damit schneidest du dir nur ins eigene Fleisch!“

Gebrandmarkt und sich erniedrigt fühlend sackte Link wieder auf die Steinstufe. Er vergrub seinen Kopf in den Händen und fragte sich, was hier nur passierte. Musste ihn diese Frau, die nichts mit ihm zu tun hatte, wirklich klar machen, was für ein schlechter Freund er war? War er mittlerweile so zerfressen von Selbstzweifeln, dass es seine Seele spaltete?

„Mein dummer Junge…“, begann die alte Hexe noch einmal. Und dieser unsinnige Kosenamen schien Link mittlerweile nicht einmal mehr zu stören. „Es gibt so viele Menschen, die dich unterstützen, auch, wenn du es nicht einmal sehen kannst, auch in der Vergangenheit. Aber vertraue nicht den falschen Leuten. Lass‘ mich dich noch warnen. Es gibt einige in deinem Umfeld, die dein Vertrauen nicht verdient haben. Bedenke, dass vieles, was andere sagen, nicht der Wahrheit entsprechen muss. Glaube nicht den Worten der falschen Leute.“

Verwundert sah Link auf: „Meint Ihr Valiant von Hyrule?“

„Nicht nur“, meinte sie beschwörend. „Und bevor ich gehe und du endlich deine Ruhe vor mir hast-“ Sie schäkerte und grinste durch die alten Falten hindurch. „- lass‘ mich dir eine weitere Sache mit auf den Weg geben. Es wird der Zeitpunkt kommen, da du noch einmal durch die Zeiten reisen wirst und ich hoffe nicht allein…“

Link zwinkerte. „Wie meint Ihr das?“

„Du wirst schon sehen“, sprach sie noch. „Du wirst es erfahren…“ Sie rückte ihre Kapuze noch einmal zurecht und die silberne Magie, die wie ein Nebelgewand durch die Katakomben wandelte, tanzte näher und umhüllte die Alte fließend.

Eine zaghafte Hoffnung manifestierte sich in den tiefblauen Augen des ewigen Helden Hyrules. Er würde noch einmal durch die Zeiten reisen? Wäre er dann in der Lage alles besser zu machen? Er zwinkerte noch einmal, aber nur in einem Bruchteil einer Sekunde war die alte Frau verschwunden.

„Wartet! Und erklärt mir dies!“, rief er in den mittlerweile leeren Raum. Er hüpfte auf die Beine und hetzte in dem Raum umher, rief nach der Hexe, aber sie war verschwunden. Tief durchatmend blieb Link dann vor dem heiligen Schwert stehen, war unglaublich durcheinander und wünschte sich nichts sehnlicher, gerade jetzt, wo diese Dame ihm einige Dinge, auf eine grobe, aber furchteinflößende Weise klar gemacht hatte, gerade jetzt, wollte er noch mehr ins Schloss stiefeln und Zelda um Verzeihung bitten…
 

Er warf noch einen bekümmerten Blick zu der heiligen Waffe, strich mit der Linken über das Heft, als wollte er sich bedanken, und wurde dann ein weiteres Mal teleportiert. Als ihn Raurus Magie zurück in die große heilige Halle der Zitadelle brachte, war er nicht mehr allein. Sich unterhaltend standen die Laundrys dem Geist Raurus gegenüber. Sie waren so gefangen in dem Gespräch, dass sie zum Glück nicht bemerkt hatten, dass Link auf nicht gewöhnlichen Wegen in das Gotteshaus eingetreten war. Lilly war die erste, die den vergessenen Heroen nahe des Eingangs entdeckte, fackelte nicht lange und stürmte auf ihn zu. „Linkelchen!“, brüllte sie vor Freude und lachte neckisch. Sie stolperte, rappelte sich wieder auf und krallte sich an Links Beinen fest. „Das ist so schön, dass du hier bist. Hallo, Linkelchen!“, rief sie überschwänglich.

Link hatte Mühe das Mädchen von sich wegzudrücken und nicht zu grob oder abweisend zu reagieren und seufzte nur. „Dir geht es nicht gut!“, sagte sie und schaute ihn bekümmert an. Sie drückte ihre rosa Lippen aufeinander, verzog ihr kleines Vollmondgesicht und bekam wässrige Augen. „Das tut mir leid“, sprach sie piepsend. Sie schien ganz genau zu wissen, dass etwas mit ihrem Linkelchen nicht in Ordnung war. Link schloss die Augen, schüttelte seinen Kopf und schaute beflissen und kurz angebunden zu den Laundrys. ,Aha‘, dachte er, Will war auch hier. Ob er in der Schlossbibliothek alles hatte erledigen können? Hoffentlich… Denn Link hatte die Schnauze voll von dem Tag und wünschte sich einfach nur zurück zu der Ritterschule zu reiten. Alles, was er erreichen wollte, war schief gelaufen…

Auch Will und seine Eltern blickten in seine Richtung. Sie hatten ihr Gespräch mit Rauru beendet, wichtige Entscheidungen treffen können und hatten neue Pläne für ihre Tochter. Belle war die erste, die bemerkte, dass Link aussah als ginge die Welt für ihn unter. Als Raurus Geist summend in der Zitadelle verschwand, trat die schöne, rothaarige Frau zu Link hinüber, wollte ihm zuerst die Hand reichen, aber entschied sich dann dagegen. Link sah drein, als bekam er einen Herzkasper, als Belle ihn mütterlich an ihre Brust drückte und liebevoll umarmte. „Hallo, Link“, sagte sie sanft. Heute hatte er wahrlich zu viele Umarmungen bekommen…

„Was macht ihr eigentlich hier?“, fragte er benommen und wand sich irritiert aus der Umarmung.

Lassario reichte ihm seine Hand und begrüßte ihn ebenfalls. „Nun ja, wir hatten etwas mit Rauru zu besprechen, aber konnten bereits eine Lösung finden. Wir wollten uns nun in ein Gasthaus begeben“, erklärte er. In dem Moment stieß Belle ihren Gatten ganz sanft in die Seite und blickte ihn auffordernd an. Lassarios schokoladenbraune Augen sahen unsicher in die leuchtenden seiner Ehefrau, aber er verstand. Er hielt sich eine Hand hinter den Kopf und streichelte durch sein kurzes, bräunliches Haar. „Mmh… möchtest du denn mit uns kommen. Du bist eingeladen“, sagte er dann, worauf auch Will grinsend dreinschaute. Sich fragend, was er davon halten sollte, schaute Link mit seinem trübsinnigen blauen Augen in der Runde umher. Er wollte diese Familienidylle der Laundrys nicht stören und fühlte sich ohnehin gerade unwohl in Gesellschaft, vornehmlich, weil der Streit mit Zelda sein Gemüt belastete…

„Ich weiß nicht, ob das…“, begann Link, wollte diese Einladung auf jeden Fall ausschlagen und wurde dann von Belle beinah böse angeschaut.

„Wehe du sagst jetzt nein“, sprach sie drohend.

„Also…“, stotterte Link.

„Dann wäre das ja geklärt“, meinte dann Will und ließ Link erst gar nicht dazukommen sich Ausreden zu überlegen. Der trübsinnige Blondschopf seufzte, aber sah dann dankbar auf.

Und ganz unscheinbar, und unter ihrem silbergrauen Mantel schmunzelnd, trat die graue Hexe hinter einer Säule hervor. Sie lächelte dann und verschwand in ihrem silbergrauen Licht. Lassario blieb in dem Augenblick kurz stehen und schaute zu dem Bereich, wo die alte Frau noch vor Sekundenbruchteilen stand. Belle bemerkte ebenfalls, dass etwas nicht stimmte. „Was ist los?“, fragte sie skeptisch, gerade deshalb, weil Lassarios Augen in einem alten Glanz schimmerten. „Ich dachte nur…“, sprach er, schüttelte seinen lebenserfahrenen Kopf und schob Belle mit den Kindern aus der Zitadelle.
 

Das beschauliche Gasthaus „Zum bewirtenden Zauberer“ war vollgefüllt mit Hylianern, die lachend und schmatzend an etwa zwanzig Tischen saßen. Ein junges, korpulentes Fräulein, hektisch wirkend, bediente eifrig die vielen Gäste in dem großen Saal mit dem niedrigen bunten Deckengewölbe. Die Laundrys und Link saßen ein wenig abseits in einer Ecke, ein Bereich, der von einem Torbogen von dem restlichen Saal leicht abgetrennt wurde. Unheimlich gemütlich war es hier drin und es duftete einladend nach angenehmen Gewürzen. Die weißen Wände der Gaststube waren mit festem Schimmerholz und üblichen Kristallen ausgekleidet und überall hingen Trophäen und Medaillen des Zaubererhandwerks. Sogar Hörner der schrecklichsten Getiere, die auf Hyrules Steppe hausten, waren an den Wänden angebracht und brachten eine eigentümliche, aber wundersame Stimmung in den Innenraum. Und die guten Gewürze und die sinnliche Wärme des Innenraums umschmeichelten auch Links Sinne. Er hatte hier noch nie gespeist und erst recht nicht in Gesellschaft. Überhaupt war es selten gewesen, dass er zu einer Mahlzeit eingeladen wurde. Etwas nachdenklich, Lassarios Einladung misstrauisch bedenkend und die emotionalen Erlebnisse des Tages verdrängend, schaute er in der Runde umher. Er bemerkte zunächst nicht die Kellnerin in ihrem bunten Kleid, die ihm ein Glas Lon-Lon-Milch-Kakao unter die Nase stellte und schaute trübsinnig ins Leere. ,Wie konnte er nur so dumm sein, sich so jämmerlich und schwach aufzuführen selbst mit seiner Krankheit! Hatte die graue Hexe nicht doch vielleicht Recht? Konnte es sein, dass seine Zweifel nicht nur mit seiner derzeitigen körperlichen Verfassung zu tun hatten? Was war, wenn die graue Hexe Recht hatte und jemand die Realität verändern wollte?‘

In dem Augenblick wurde Link von der kleinen Lilly, die direkt neben ihm saß, aus seinen Gedanken gerissen. „Linkelchen, es stimmt!“, rief sie vorwitzig. Ihre großen grünen Augen knisterten förmlich vor Neugierde und Wissen. Irritiert ließ Link sein blasses Gesicht in den kräftigen Augen des Mädchens spiegeln.
 

„Was stimmt?“, mischte sich Will ein und wuselte mit seiner großen Hand durch das rote Haar seiner Schwester. Er packte sie kichernd am Kopf, worauf sie mit ihren kleinen Händen sein Handgelenk umschloss und quengelte. „Der, der Link zur Zeit ist, ist er nicht. Und Zelda ist zur Zeit auch nicht Zelda. Und Hyrule ist bald nicht mehr Hyrule!“

„Jaja“, lästerte der junge Laundry erheitert und deutete auch Link an, der etwas bleich im Gesicht zu werden schien, dass er nicht auf das Gefasel seiner kleinen Schwester hören sollte. „Und Papa ist plötzlich Mama. Zoras gehen durchs Feuer und Goronen können seit neustens schwimmen.“ Will lachte dann und hielt sich seinen Bauch fest.

„Du bist blöd, Will!“, schimpfte das Mädchen und zog die Nase nach oben.

„Lieber blöd als so durchgeknallt wie du“, entgegnete er und lachte, wurde aber im selben Moment von seiner Mutter sehr böse angefunkelt. Er schluckte und schwieg.

Link seufzte, versuchte Lillys Worte wegzuschieben. Aber die neuerlichen Ereignisse gefielen ihm gar nicht. War denn das, was er im Augenblick wahrnahm und dachte, vielleicht gar nicht wirklich? Waren Will, Belle, Lilly und Lassario vielleicht nur Gebilde einer anderen Realität?

„Nun lasst uns doch nicht streiten, Lilly wird demnächst bei dem Weisen des Lichts lernen mit ihren Fähigkeiten umzugehen. Wir sollten endlich bestellen und essen“, schlichtete Lassario und versuchte Link freundlich entgegen zu lächeln. Er war ihm nicht abgeneigt, aber Links Verhalten und seine Charakterzüge beunruhigten ihn deutlich. Er wollte es nicht zeigen, aber der Ritter beobachtete den einstigen Helden sehr genau und Link spürte dies…

Es dauerte nicht lange und der Tisch war gedeckt mit einer Platte Rundhornziegenbraten mit Herzbeerenpüree, gebratenen Hylanortafeln mit Steppennussspeck und Schalen mit Himmelskürbissuppe. Lassario schob Link als erstes einige der kleinen Speiseplatten zu und schien ihn mit seinen schokoladenbraunen Augen beinah auszusaugen. Je mehr er über Link erfuhr, umso außergewöhnlicher fand er ihn. „Bitte bedien‘ dich“, sprach er klar und anbietend. Link zwinkerte und wusste nicht, womit er so viel Freundlichkeit verdient hatte. „Lass‘ es dir schmecken. Du bist unser Gast.“ –„Danke…“ Ein sehr unsicheres Murmeln brachte der einstige Heroe über seine Lippen und er kam nicht darum zu denken, dass an Lassarios Freundlichkeit irgendetwas faul war.

„Wie ist es euch eigentlich an der Ritterschule ergangen?“, meinte der Ritter an Link und Will gerichtet und schlürfte genüsslich von der Suppe.

„Es ist super“, sprach Will begeistert. „Zwar ziemlich anstrengend mit dem vielen Schwertunterricht und stressig, aber es gibt echt tolle Fächer wie den Praxisunterricht bei Newhead oder die Vorlesung bei Aschwheel. Ich freu‘ mich auch auf die Meditation der Farore und das Bogenschießen nächstes Trimester. Noch machen wir ja nur etwas Theorie.“

„Scheint so, als ob es euch dort nicht langweilig wird, was?“

„Mit Link sowieso nicht“, schmunzelte Will. Er schlürfte von seinem Kakao und grinste. „Kannst du dir vorstellen, dass Link Viktor fertig gemacht hat.“ Verwundert sah Lassario auf. Er zuckte nervös mit einem Augenlid. „Wie das?“

„Viktor hat ihn provoziert, daraufhin hat Link ihm eine Lektion verpasst, die sich gewaschen hat.“ Stolz erzählte Will von Links Taten.

Doch jener seufzte nur und spielte das Ereignis runter. „Der Typ hat sie nicht alle. Wie will der unfähige Tropf den Schülern beibringen wie man kämpft?“, entgegnete Link gelangweilt. „Das Schwert ist unsere wichtigste Waffe und wir brauchen jemanden, der das Fechten beherrscht, nicht so einen Spinner.“ Lassario runzelte die Stirn und zupfte sich an seinem kurzen Bart. Er wusste darauf nichts zu sagen. Es war lediglich interessant für ihn, dass Link mit Viktor aneckte.

„Einer der besten Schwertfechter und Klingenwerfer war einst Jake Lancus, ich frage mich, was wohl aus ihm geworden ist“, sprach Lassario nach kurzer Pause.

„Was? Du meinst den Säufertypen?“, sprach Will verwundert und lachte sogleich. „Der kommt in die Kneipe nahe der Schule und besäuft sich ständig. Das kannst du nicht ernst meinen?“ Lassario ließ vor Schreck sein Besteck fallen. „Jake Lancus ist ein Säufer geworden?“ Lassario schien völlig entgeistert und wurde fahl im Gesicht.

„Was ist mit ihm? Kanntest du ihn?“, sagte Link. Der nach schlechtem Bier muffelnde Kerl und seine komischen Worte von neulich kamen ihm wieder in den Sinn. Der Typ hatte Link sehr bitter und übel beschimpft. Weil Lassario benommen auf den Teller vor seiner Nase blickte, übernahm Belle die Erklärung. Mitfühlend legte sie ihrem Gatten eine warme Hand auf die Schulter.

„Jake Lancus war einer unserer besten Freunde, ein zu achtender Mann und begnadeter Schwertkämpfer. Von ihm hättet ihr so manche geheime Kunst lernen können.“

Will blickte verwundert drein. „Aber das kann doch nicht sein, wie kann jemand denn nur so abstürzen? Ihr glaubt nicht, wie armselig der Kerl aussieht. Er hat graue, fettige Haare, eine magere Gestalt und ist gelb angelaufen an der Haut und in den Augen vor lauter Alkohol“, sagte er. „Der Mann hat höchstens noch die Kraft seine Weinflasche in der Hand zu halten, mehr aber auch nicht.“

Lassario und Belle schien diese Nachricht mehr als nachdenklich zu stimmen. Sie blickten sich traurig lächelnd entgegen. „Da scheint irgendetwas passiert zu sein“, murmelte Belle. Sie wischte sich eine Träne von den Augen.

„Artus und Robin haben erzählt, er sei dem Alkohol verfallen, nachdem er versucht habe ein Kind zu töten“, erklärte Will und stopfte sich gut gewürztes Ziegenfleisch in den Mund.

Daraufhin schlug Lassario mit der Faust auf den Tisch. „Halt deinen vorlauten Mund, mein Sohn!“, giftete er. Er klang angefressen und aufgebracht. „Jake Lancus würde niemals versuchen jemanden umzubringen. Da stimmt etwas nicht!“
 

Belle versuchte ihren Gatten zu beruhigen und griff auch mit der anderen Hand an seine Schulter, drückte sanft zu, was ihn sich beruhigen ließ. „Lassario“, sprach sie warnend. „Wir wissen viele Dinge nicht und können nur mutmaßen. Jake hatte genauso wie Arn auch seine dunklen Seiten. Wären wir nicht aus Hyrule geflohen, wüssten wir jetzt vielleicht mehr.“

Als sie diese sagte blitzte der Zorn in Lassarios dunklen Augen auf. „Höre ich da einen versteckten Vorwurf?“ Belle hielt ihm daraufhin drohend einen Zeigefinger unter die Nase. „Jawohl, werter Ritter. Es war deine Entscheidung Hyrule zu verlassen. Also lebe auch mit den Konsequenzen. Begreife endlich, dass vieles passiert ist, was du nicht wissen kannst.“

„Ja, aber keiner zwingt mich, dass ich diese alten Kamellen aufwärme“, brummte er.

„Es sei denn diese alten Kamellen sind wichtig für unser neues Leben in Hyrule. Du musst dich endlich mit der Vergangenheit auseinandersetzen und dich deinen feigen Schuldgefühlen stellen.“ Lassario reckte den Kopf zur Seite und ließ einen alten Trotz an die Oberfläche und bestrafte seine Frau mit Schweigen. Er konnte und wollte die Schatten der Vergangenheit nicht an sich heranlassen, denn er hatte sehr viel zu bereuen. Und er konnte und wollte nicht begreifen, dass in Hyrule vieles passiert war, was er nicht verhindern konnte…

„Warum habt ihr Labrynna überhaupt verlassen?“, sprach Link dann. „Nur wegen dem Angebot des Königs?“ Er erinnerte sich dunkel, dass Will einiges dazu erzählt hatte. Abtuend aß Lassario seinen Braten und schien sich nicht länger an dem Gespräch beteiligen zu wollen.

„Das ist nur nicht ganz richtig“, entgegnete Belle und strich sich ihre roten Haare zurück.

„Aber es war der Hauptgrund“, brummelte Lassario.

„Nein, war es nicht“, stritt Belle.

„Doch war es, und basta!“ Lassario verschärfte seinen Ton, sodass die Leute am Nebentisch aufsahen.

„Es war, weil wir uns nach der Heimat gesehnt haben“, sagte Belle angriffslustig. Sie hatte sich nie von ihrem Mann das Wort verbieten lassen und würde nun gewiss nicht damit beginnen. Derweil sahen sich Will, Link und Lilly fragend an.

„Labrynna war sehr schön und wir lernten viele gute Menschen dort kennen. Aber es ist eben doch nicht Hyrule…“, erklärte Belle stolz, aber auch traurig. „In Hyrule sind unsere Wurzeln, und ich für meinen Teil, wollte immer herausfinden, was mit den Hylianern passiert ist, die mir wichtig waren.“

„Und konntest du es herausfinden?“, meinte Will. „Ihr habt nie über die Vergangenheit geredet, ich weiß zu wenig über meine Großeltern und so weiter.“ Belle strich ihrem Sohn daraufhin über das sonnengebräunte Gesicht. „Zu gegebener Zeit werden wir darüber reden, das heißt, wenn es dein Vater für richtig hält.“

„Du wirst es nie für richtig halten, Papa“, piepste Lilly dann. Sie sprang von ihrem Platz und krabbelte auf seinen Schoß. „In der Ritterschule hängt ein Bild von deiner Schwester. Jemand muss es dir geben.“ Daraufhin sah Lassario aus, als wollte sein Geist den Körper verlassen. Es wurde mucksmäuschenstill am Tisch, bis er Lilly zu Belle drückte und sich vom Tisch entfernte.

„Scheiße, das war nicht gut“, meinte Will und blickte seinem Vater hinterher.

„Nein, das ging wahrlich daneben“, sagte Belle zustimmend.

Link zwinkerte nur, wusste nicht so Recht, was er von Lassarios Reaktion halten sollte, aber er verstand es nur zu gut. Wozu sollte man über die Vergangenheit reden, wenn sie weh tat? „Was genau ist mit Lassarios Schwester?“, fragte er dennoch und beobachtete Lassario, der sich an der Theke einen starken Schnaps bestellte.

„Das ist wohl genau das Problem. Keiner weiß, was mit ihr passiert ist. Das ist sehr bitter für ihn“, sprach Belle. Sie wischte Lilly über die vollgekleckerten Mundecken. „Lillyschatz, ist das wahr? Hängt in der Ritterschule ein Bild von Lassarios Schwester?“ Sie nickte und knabberte dann an ihrer Hylanortafel. „Nun ja, es hing immer da irgendwo, aber ich weiß nicht mehr genau.“

Die sanfte Frau nickte und drückte die Kleine an sich. „Es ist gut jetzt, mein Schatz, dein Papa muss sich irgendwann damit konfrontieren.“

Nachdenklich musterten Links tiefblaue Augen den kräftigen Ritter weiterhin. Und obwohl er so stark war, seine alte Ritterrüstung abgenutzt und daraufhin deutend, dass er einige Biester in die Hölle geschickt hatte, wirkte er für den Fünfzehnjährigen wie ein gebrochener Mann. Er hatte seine Familie in Hyrule zurückgelassen, gerade als der Krieg ausbrach. Er war wie ein Feigling geflohen um vielleicht das ungeborene Leben in Belles Bauch zu schützen. Und nun hatte er mit vernichtenden Schuldgefühlen einen sehr üblen Preis dafür zu zahlen…

Wenig später kam Lassario wieder und schien wie ausgewechselt. Heiter gestimmt und einfallsreich hatte Lassario den ein oder anderen Witz parat, zu denen seine Kinder schäkernd lachten. Link sagte nicht mehr viel, aber das musste er auch gar nicht. Die Laundrys respektierten sein Schweigen, lächelten ihn an, aber zwangen ihn nicht sich am Gespräch zu beteiligen. Es war angenehm für Link sich einfach entspannen zu können und nichts erklären zu müssen. Nachdenklich, aber abgelenkt von seinen Problemen, genoss er seine warme Mahlzeit und war mehr als dankbar für die Einladung…
 

Als sich abendliche Ausläufer über Hyrule niedersenkten und die lichte Welt vom Abendrot verschluckt wurde, hatten sich Will und Link von den anderen verabschiedet, auf die Steppe begeben und ritten gemächlich und wachsam zurück zur traditionellen, gelobten Ritterschule. Sie waren bereits zwei Stunden durch die abendliche, von Nebelschwaden durchzogene Lanayru- Provinz mit ihren tiefen, schattigen Tälern, aalförmigen Pfaden durch Berge und Brücken über gigantische Schluchten geritten, als wenige Schneeflocken vom düsteren Himmel fielen. Sie trabten über ein großes Stück Steppe, wo wenige Bäume wurzelten. Der Wind peitschte heftig und rauschte brausend über die finstere Landschaft. Er sang sein Lied des Klages, sang warnend und als ein letzter Zeuge vor dem nahen Sturm…

„Hey“, meinte Will, der die gesamte Zeit hinter Link geritten und beinah eingeschlafen war. Eingehüllt in seinen dicken Wollmantel nahm er die Kälte um sich herum kaum war. „Ich hab‘ dich noch gar nicht gefragt, wie dein Gespräch mit der Prinzessin gelaufen ist. Konntest du sie treffen?“ Link nickte bloß, hatte beinah das Gefühl allein von der Erinnerung daran, überfordert zu werden.

„Und wie war es nun?“

„Nicht gut…“, brummte der vergessene Heroe, wünschte sich, der sonst immer so neugierige Will gab sich mit der Antwort zufrieden. Er blickte mit seinen scharfen, tiefblauen Augen umher, fixierte die alte, verrottete Steinmauer neben ihnen und einen unauffälligen Waldverschlag weiter westlich. Er wusste nicht genau, was es war, und obwohl Link sich sicher war, dass ihr Pfad ungefährlich war, so hatte er für einige Augenblicke das Gefühl von dutzenden Augen in seinem Nacken. Er ergriff die Zügel fester und gab dem Pferd das Signal zu stoppen.

„Du willst nicht über das Gespräch mit der Prinzessin reden, oder?“, entgegnete Will verständnisvoll. Seine grünen Augen schillerten mitfühlend unter seiner braunen Kutte hervor. Erneut schüttelte Link seinen Kopf.

„Du musst ja nicht darüber reden, wenn du nicht willst“, sagte er und ritt neben Link, versuchte in der immer dichter werdenden Dunkelheit dessen Gesichtszüge auszumachen. „Aber du hättest mir wenigstens sagen können, dass das gottesgleiche Geschöpf in unserem Zimmer neulich tatsächlich die Prinzessin gewesen ist.“ Er wollte etwas schäkern und Link aufheitern, auch wenn er merkte, dass Link von irgendetwas abgelenkt war. „Du glaubst nicht, wie geschockt ich war, als ich sie in der Schlossbibliothek angetroffen habe und realisierte, dass sie die Thronerbin Hyrules ist.“

Überrascht blitzten Links Augen auf. „Du hast sie im Schloss getroffen?“

„Jap, sie wirkte ziemlich erschöpft, ich fand es war irgendwie ein unpassender Zeitpunkt“, erklärte der Laundry. Sich schelten wollend, dass sogar Will Zeldas Kraftlosigkeit wahrgenommen hatte und er sie noch so zurechtgestutzt hatte, kniff Link seine Augen zu, spürte die kalten Schneekristalle in seinem Gesicht und hatte den Wunsch auf der Stelle für sein Fehlverhalten bestraft zu werden…

Aber er hätte diesen Gedanken vielleicht nicht denken sollen…
 

Beunruhigt fixierte Link mit seinen tiefblauen Augen die kleine ruhige Waldkette westlich und lauschte dem Rauschen des Windes. Für einen schwindenden Moment, nicht lang und laut genug, als es für echt zu halten, konnte Link ferne Geräusche wahrnehmen. Wie ein holpriges Hufgetrappel, leise vibrierend. Argwöhnisch, und Link traute dem Frieden der Steppe so wenig wie seinem verteufeltem Schicksal, schaute er vorwärts. Majestätisch ließen sich die blühenden Wiesen, vereinzelten Sträucher und einsamen Bäume von dem glühenden Schimmer des Abendrots in einen vertrauten Zauber hüllen. Nebelschwaden krochen wie Geister über die Wiese, tanzend, beinah lachend. Und wenn die Seele des Landes schlief in der anbrechenden Nacht, konnte kein Lichtgeist länger über den Frieden wachen. Es war dann in der Nacht, geheimnisvoll und bestialisch, dass andere Geschöpfe aus den Tiefen der Erde krochen, die Welt mit Blut beträufelten und sich barbarisch daran labten…

Auch Will stoppte dann das Pferd von Artus, der laut schnaubte und viehisch wieherte. Der schwarze Hengst wurde fahrig, ließ sich kaum beruhigen. Mit befehlender Stimme klopfte Will dem schönen Tür auf den Hals. Er blickte misstrauisch zu seinem besten Freund und nahm auch dessen Aufregung wahr. „Findest du nicht auch, dass es unheimlich auf der Steppe sein kann, wenn sich das Abendrot niedersenkt?“, meinte Will dann und fragte sich, warum ihm das vorher noch nicht aufgefallen war. Er wurde nervöser, je mehr er die Zweifel in Links Gesichtszügen ablesen konnte. Er hatte den gleichen bedenklichen Ausdruck auf seinem Gesicht wie in der Höhle als sie beide von einem Riesenwurm angegriffen wurden.

„Link?“, sprach Will dann fragend, spürte eine marternde Nervosität in seinen Adern zunehmen und blickte ebenfalls ängstlich über die noch ruhige Landschaft. In blutroten Farben getauft schien sich die Steppe auf ein baldiges Gemetzel vorzubereiten.

„Link!“, wiederholte der Laundryjunge aufgebracht.

Doch der einstige Heroe antwortete nicht. Wie in Trance fixierten seine scharfen Augen, entschlossen, aber auch besorgt die nördlichen Hänge, dort, wo ihr Pfad in Richtung Ritterschule führte. Plötzlich wieherte auch die Stute von Newhead aufgeregt, ließ sich nur unter gutem Zureden von Link beruhigen und es war dann, dass Will endlich wusste, dass etwas nicht in Ordnung war.

Und von weitem, gefährlich und berauscht, genährt von verwesendem Fleisch, trunken von Mordlust, donnerten harte, scharfe Klauen und schwere Rüstungen in den jammernden Boden. Ächzendes Gebrüll erfüllte die Luft und ließ den Wind erzittern. Ein scharfes, hektisches Galopp wurde hörbar und der Boden begann zu beben.

„Was ist das?“, rief Will entgeistert, umfasste zitternd die Zügel des Pferdes und versuchte in der zunehmenden Dunkelheit und den schleichenden Nebelschwaden am nördlichen Horizont etwas auszumachen. Nur düster erhoben sich die nördlichen Berge und unscheinbar, beinahe verräterisch, schlichen leise Schatten über die Steppe in Richtung der beiden jugendlichen Hylianer. Ihre Herzen trommelten hektisch und waren doch nur ein einladender Klang für jene, die sich nach jungem Hylianerfleisch und reinem Blut verzehrten.

Link konnte nicht einmal antworten, als beide Pferde überreagierten, stürmisch und panisch um sich schlugen. Ein aufhetzendes Wiehern wie das eines sterbenden Einhorns erfüllte die zitternde Luft. Will begann zu schreien, hielt sichkrampfhaft an dem schönen Hengst fest und konnte nicht begreifen, was hier geschah. Denn er hatte noch nie die Dämonen gesehen, die nachts in einer wahnsinnigen Manie über die hylianische Welt hetzten, Blutspuren hinterließen und folterten, was ihnen in die Quere kam. Und als Link, geübt und wissend, die Stute Lady wieder unter Kontrolle brachte, seine entsetzten blauen Augen sich weiteten in einer Sekunde gefrorener Zeit, war es, dass sich der Abschaum Hyrules mit gnadenlosem Gebrüll, entsetzlich und übermächtig, am nördlichen Horizont zeigte. Da waren gefräßige Moblins mit nackter Haut reitend auf riesigen entstellten Wölfen mit Krallen so scharf wie Rasierklingen. Schwere Rüstungen aus billigem Eisen, schneidend und bluttrunken lagen auf der kalten, schleimigen Haut weniger der ältesten Dämonen des Landes. Weitere Reiter zeigten sich am Horizont, menschengroße Gestalten mit schimmernden, schwarzen Umhängen und ein blutrotes Dreieck leuchtete durstend auf so mancher Stirn, und auch sie ritten auf starken, halbzerfleischten, dämonischen Pferden. An die fünfzig Kreaturen, bis an die Zehen bewaffnet, gierig und kannibalisch, hetzten näher, trommelten die Angst aus der toten, leidenden Erde und sangen mit schrillen Stimmen grässlich:
 

„In Teufelsküche, dort lebt der Geschmack,

das Fleisch der Helden wird dort gehackt.

Kommt trinkt mit uns den leckersten Wein,

das Blut der Helden, schenket uns ein.

Im finsteren Hyrule, seht unsere Macht,

die Helden, sie fallen, lacht und lacht.“
 

Ein gigantisches, kreideweißes Horn erklang ohrenzerreißend, das ein Dämon in dunkelroter Kutte spielend in einer entstellten Hand hielt, versetzte die Steppenlandschaft in ihren pechschwarzen und blutroten Farben in Schwingungen, erzittern ließ jenes die Tiere, die friedlich auf der Steppe lebten. Steppenhasen, Füchse und kleineres Getier hetzte kreischend davon und rannte markerschütternd und geächtet direkt in die Richtung von Link und Will. Und die Welt stand still, die Zeit schien zu gefrieren, gerade da, wo der einstige Held der Zeit die Zügel seines Pferdes fest umfasste, und wusste, dass er nur zwei Möglichkeiten hatte. Kämpfen und Sterben oder Fliehen und sich das mit Scham besudelte Herz aus der Brust reißen. Wie einst war er konfrontiert mit dem Bösen, roch den galligen, verwesten Geruch der Dunklen, wusste, er würde die Biester bekämpfen, mit allem, was er hatte; und dieser Kampf, diese Gefahr, die sich tief in die Geschichte Hyrules eingrub, dieses gigantische Ausmaß einer Bestimmung war nur da um erfüllt zu werden. Diese Gefahr war sein Schicksal. Seines allein.

Mit einem letzten Glühen karminroter Strahlen löschte die Nacht das Licht des wärmenden Feuergotts und gerade in dem Moment, wo die Finsternis wie ein würdeloser Schatten über die Welt kroch, blickten die Dämonen lachend und kreischend zu den beiden jugendlichen Reitern, bliesen noch einmal das erschütternde Horn, riefen zur Schlacht und riefen den Sensenmann auf ihre Seite. Links Schrei glitt rufend durch die Lüfte und mit einer hetzenden Reaktion wollte er die Stute Lady in Richtung des kleinen Waldverschlags treiben, eine Chance zu entkommen, nicht mehr. Link brüllte regelrecht, ließ die Biester am nördlichen Horizont nicht aus den Augen und konnte hören, wie die fünfzig Kreaturen ihren wahnsinnigen Gesang ein weiteres Mal anstimmten und ihre räuberischen Reittiere mit harten Schlägen vorwärtshetzten. Nur kurz vergewisserte sich der einstige Held dem Zustand seines Freundes, der nicht begreifen konnte, was hier passierte. Er war noch nie mit einer mörderischen Schlacht konfrontiert, kannte die Gefahr nicht und kannte schmerzhafte Wunden nicht. Der Laundry schien vor lauter Angst und Unverständnis vergessen zu haben, seinen Körper zu bewegen. Leer und starr wie Eis hockte er auf seinem Pferd, ließ sich auch von Links Schrei nicht aus seinem Schock reisen. Geistesgegenwärtig ritt Link zurück, verpasste dem schwarzen Hengst einen Schlag auf die Flanke und das stolze Tier stellte sich aufbrausend auf die Hinterläufe, brüllte wild und donnerte in einem schnellen Galopp hinter Link her. Der einstige Kämpfer betete seit langem zu den Göttinnen, betete, sie mögen sie entkommen lassen, betete, dass Will nichts passierte. Verzweifelt schnellten die beiden jugendlichen Reiter auf ihren Pferden in Richtung des Waldes, spürten die Stimmen der Dunklen zischen, trauten sich kaum zu atmen, hörten das erbarmungslose Gebrüll und spürten die Steppe dröhnen. Ab und an sah Link zurück, während sich die Wälder näherten, aber auch die Dämonen hinter ihnen näher kamen und ihre stachligen, brennenden Schwerter in die Höhe reckten. Dicke Pfeile zischten durch die Luft, glühend und vernichtend…

Und es war dann, dass die Hetzjagd über die Steppe begann. Die Treiberei der Dunklen nach ihrem Abendbrot würde den Tod anlocken. Und die dämonische Sehnsucht nach süßem Blut, um vergangene Rachegelüste zu stillen, erwachte…

Das Blut der Helden…

In Hyrule war die Finsternis wie eine erstickende Decke niedergegangen und es war nun die wucherische Zeit, da diejenigen Geschöpfe herrschten, die das Licht fürchteten. Gewaltvoll ritten, gerade da, als sich ein sattfarbener Mond am Himmel zeigte, die Dämonen der dunklen Epochen über die entweihte Steppe und zischten. Sie waren zwei weniger kampfbereiten Reitern auf der Spur, Reiter, die sie nahe der Ritterschule, ihrem eigentlichen Bestimmungsort, angetroffen hatten. Und für Moblins galt nur ein Gesetz, wenn sie Hylianer in der Steppe erspähten. Es galt nur das eine abschreckende Gesetz: Töte, was du finden kannst und lass‘ niemals Mitleid vor Blutdurst walten. Töte, und lass‘ nichts am Leben.

Die hungrigen, riesigen Wölfe und fetten Wildschweine, auf denen die Moblins ritten, brüllten und fauchten missgestimmt. Sie hatten lange Zeit keine Körper mehr mit ihren Raubtierzähnen auseinanderreißen können, schienen ausgelaugt und unbefriedigt, teilweise bereit ihre Reiter abzuwerfen und zu zerfleischen. Sie knurrten, wühlten mit ihren messerscharfen Krallen Würmer aus dem Boden. Nahe des finsteren Waldes, in welchen Link und Will panisch hineingeritten waren, blieb die Meute dann stehen und einige Moblins stiegen von ihren gefährlichen Reittieren. Ihre rotglühenden Augen funkelten bedrohlich in Richtung der unschuldigen Wälder. Auch jene Mitglieder der Blutschatten zischten, und ihre scharfen gezackten Klingen klirrten. Ein weiteres Mal erklang das riesige Horn eines Dämons, zielgerichtet verbreitete der Klang Panik in dem kleinen Waldverschlag und dutzende Vögel flogen aufkreischend davon.

Link und Will ritten derweil noch immer mit der Angst im Nacken weiter in die Tiefe des Waldes hinein. Sie bemühten sich leise zu sein, nicht zu viele Sträucher zu zerstören und verräterische Spuren zu unterlassen. Sie waren vorhin nur knapp einem gezielten Angriff entkommen. Das Glück schien auf ihrer Seite, denn auch der Pfeilregen hatte weder die Reiter noch eines der Pferde erwischt. Link lenkte die Pferde vorsichtig auf einem sicheren Pfad weiter, blickte mit seinen tiefblauen Augen auskundschaftend durch die Schwärze der Nacht und versuchte seine von den Gefahren geschulten Sinne zu nutzen um nicht größere Tiere aufzuscheuchen. Wachsam warf er immer wieder einen Blick zu seinem Freund, hatte sein neues Schwert kampfbereit in der Hand und seit ihrer waghalsigen Flucht kein Wort verloren. Sein einziges Ziel war sie beide aus dieser Hölle herauszubringen und vielleicht auch die Ritter an der Schule zu warnen. Er spürte nahezu, dass diese Biester auf der Steppe nicht ohne Grund in Richtung Norden ritten. Sie hatten gewiss ein Ziel und welches Ziel lag näher als die traditionsreiche Schule?

Will wimmerte in dem Moment, hatte kaum noch Kontrolle über seinen Körper und versuchte nicht zu zittern, sich zu übergeben oder vor lauter Angst vom Pferd zu stürzen. Halt suchend blickte er zu Link, hatte die verrückte Hoffnung, dass Link in der Lage war, sie beide aus dieser Gefahr herauszubringen, auch wenn jener seit Tagen kränkelte. Worauf sollte Will im Augenblick sonst noch vertrauen? Darauf, dass sein Pferd schneller war als eines dieser gefräßigen, halbzerfleischten Bestien, die mit dem Willen des Bösen angetrieben wurden? Angstgelähmt zurückblickend, angestachelt selbst durch die kleinsten Geräusche des Waldes und unglaublich nervös, krallte sich der Laundry an den ledernen, schweißbenetzten Zügeln des Pferdes fest und hoffte, er würde aus diesem Alptraum aufwachen.

Kurz überlegte Link, ob es ratsam wäre, sich hier irgendwo zu verstecken, aber der unbenutzte Waldverschlag war nicht besonders groß. Die Moblins würden schlussendlich vielleicht soweit gehen, den Wald niederzubrennen, wenn sie ihre Beute nicht fanden. Und Moblins gaben niemals auf, bevor sie Hylianer foltern und ermorden konnten. Der vergessene Heroe lenkte das Pferd um Hundertachtzig Grad und versuchte den Zustand Wills in der Finsternis einigermaßen wahrzunehmen.
 

„Bist du soweit okay, Will?“, flüsterte Link, klopfte der Stute Lady auf den Hals und beobachtete seine Umgebung so genau wie möglich. Will jedoch antwortete nicht und schluchzte nur. Er hatte die Hosen voll vor Angst, wollte nur noch zurück in die Ritterschule und sich in seinem Zimmer einsperren.

„Will…“, meinte Link. „Du kannst dich weiterhin von deiner Angst lähmen lassen und dir damit auf der Stelle dein eigenes Grab schaufeln, oder du versuchst dich zusammenzureißen!“, sprach Link etwas lauter, so laut, wie er es sich in der gefährlichen Umgebung zutraute.

„Ja, ich bin okay…“, brachte der Laundry abgehackt hervor. „Was sind das für Bestien da draußen?“, setzte er quengelnd hinzu. „Wie kann es denn sein, dass eine Horde von denen durch Hyrule reitet und keiner merkt etwas…“, winselte er. „Ich will hier nur noch weg.“ Er wurde immer fahriger, kurz davor irgendeine dumme Handlung zu tun. Gerade da trabte Link näher und packte die Zügel des Hengstes Stormynight, sodass Will nicht in der Lage war überreagierend wegzureiten.

„Ich sagte, reiß‘ dich zusammen!“, sprach er befehlend. Und der eisige Klang in Links Stimme schien noch erbarmungsloser als die Kreaturen, die ihnen an den Kragen wollten. Will schluckte nur, zitterte und wollte am liebsten heulen.

„Beim Segen der Götter, was sollen wir denn tun, Link?“, winselte der Laundry. „Wir können doch nicht darauf warten, dass sie uns finden? Und wir können nicht hoffen, dass uns jemand hilft. Was sollen wir denn machen?“ Link umfasste sein Schwert energischer, blickte durch die Finsternis in Richtung der Angreifer und überlegte verbissen, was zu tun war.

„Was sollen wir denn nur machen?“, bibberte der Laundry erneut. Plötzlich zuckte Will zusammen und vergaß, was er noch sagen wollte. Monströs und dröhnend erklang ein weiteres Mal das dumpfe Horn der Dämonen, sendete ein Zeichen zum Angriff. Nicht klardenkend, drückte der Laundry mit seinen Unterschenkeln gegen den Körper des starken Hengstes und das Tier wieherte verräterisch. Link handelte schnell, strich dem Pferd beruhigend über den Kopf und sprach schlichtende Worte.

Und als die Dämonen näher kamen, ihre rotglühenden Augen durch die Nacht stachen, sie den unschuldigen Wald schändeten und mit rupfenden Geräuschen Sträucher und junges Leben zwischen dem Laub niedermetzelten, hatte Link seinen Plan…

„Will, kennst du den restlichen Weg zur Schule?“, fragte Link energisch und wusste, ihnen blieb nicht mehr viel Zeit, ehe die Dämonen sie inmitten der Sträucher und laubwerfenden Bäume entdeckten.

„Wie meinst du…?“, sprach er, er wollte nicht begreifen, was Link im Sinn hatte, obwohl er es ahnte.

„Uns bleibt keine andere Wahl als uns zu trennen. Du musst zur Schule reiten und die Ritter warnen“, sprach Link klar, zeigte nicht einen Hauch von Angst oder Zweifel. „Ich werde versuchen diese Bestien abzulenken.“

Will schüttelte lediglich den Kopf und entgegnete mit einem unsicheren: „Aber das…“ Erstens traute er es sich kaum zu alleine in der Nacht bis zur Schule zu reiten, wenn er von solch widerlichen Pack verfolgt werden könnte. Und zweitens wollte er nicht ohne seinen besten Freund und Zimmerkollegen zurück reiten.

„Will!“, murrte Link dann. „Uns bleibt keine Zeit um darüber zu diskutieren. Du reitest gefälligst zur Schule und warnst die Ritter. Ich bin mir sicher, dass die Dämonen zur Schule reiten wollten.“

„Aber…“, brachte der unerfahrene Kämpfer hervor und konnte kaum verstehen, was Link von ihm verlangte.

Ein weiteres Mal erklang das aufscheuchende Horn und erschütterte dröhnend den Boden. Die Welt unter Links und Wills Füßen vibrierte. Selbst die Seele Hyrules schien sich angesichts der Horde von blutrünstigen Dämonen zu fürchten und litt, litt schrecklich und verkümmert. Kurz nachdem das Horn erklungen war, stapften die Moblins in gleichmäßigen, aufhetzenden Schritten über den Boden, erzeugten einen Rhythmus, der den Schweiß aus den Poren der Verfolgten trieb. Und neben dem Trommeln auf den schlammigen Erdboden, brüllten die Moblins und Blutschatten wahnsinnig: „Schlitzt sie auf!!!“ Und ein weiteres Mal schrillte eine tiefe Stimme umher: „Findet sie und schlitzt sie auf!“

„Bitte, Will…“, meinte Link dann leiser, versuchte seinen mittlerweile besten Freund durch die verhängnisvolle Schwärze anzulächeln und stimmte weitere trübsinnige, aber entschlossene Worte an. „Du musst das jetzt tun. Das ist deine einzige Chance zu entkommen. Ich kümmere mich um die Dämonen…“ Link versuchte die Situation zu retten, und vielleicht auch sich selbst daran zu erinnern, wozu er in der Lage war. Wenn die graue Hexe recht hatte, und er selbst mit seinen schwachen Händen, dem kränkelnden Körper, der legendäre Held sein konnte, dann blieb ihm ohnehin keine andere Wahl. Er musste kämpfen, selbst mit dem Blut an seinen Händen. Kämpfen für seine Ideale und gerade in dem Augenblick für einen treuen Freund, den er heimlich immer sehr wertgeschätzt hatte.

„Link, du bist krank! Du kannst sie nicht besiegen!“, protestierte der Laundry verzweifelt. Inzwischen war es völlig egal, ob die Moblins seinen Schrei hören würden. Sie waren ohnehin auf ihrer Fährte.

„Dann bin ich halt krank!“, kreischte Link. „Denkst du, die Moblins sind deswegen gnädiger? Die hacken uns ohne Mitleid die Köpfe ab, und stecken unser Fleisch in die nächstbesten Kochtöpfe! Ich muss kämpfen, so versteh‘ doch, Will…“ Link brach in den Worten ab, spürte das Nagen und verräterische Ticktack der Zeit, hörte die Dunklen näher stapfen.

„Will, du warst noch nie mit Dämonen konfrontiert und kennst diese Berge nicht. Du weißt nicht, wie man diese Biester ablenkt!“

„Aber du wohl?“, unterbrach er ihn verstört.

„Ich diskutiere jetzt nicht mehr“, meinte Link dann scharf. „Du wirst fliehen, oder ich zwinge dich dazu!“ Link war am Ende seiner Geduld. Wenn Will sich nicht überzeugen ließ, würde er ihn mit anderen Mitteln überzeugen müssen. „Sag‘ Newhead und den anderen, ich locke die Biester in den Sumpf der Umbras und dann zum vergessenen Tempel der Destinia. Wenn ich diese Biester nicht ablenke, erreichen jene die Ritterschule und es gibt dort genügend Hylianer, die sich nicht verteidigen können. Ich kann so versuchen einige in die Falle zu locken.“ Er hatte nichts zu verlieren, er hatte nun die Gelegenheit zu beweisen, welche Seele in ihm schlummerte.

Und noch ehe Will weiter zögern und ihn mit Fragen verunsichern konnte, schlug Link dem schwarzen Hengst ein weiteres Mal an das breite Hinterteil und der Hengst schnellte wiehernd und aufgeregt weiter. Will blickte fassungslos zurück, brüllte den Namen seines Freundes, als sich das Mondlicht zeigte. Mit einem geruhsamen Ausdruck saß Link anmutig und kampfbereit auf der Stute Lady. Sein Gesicht war teilweise von schwarzen Schatten der Nacht erfüllt und doch konnte der Laundry ein mutiges Lächeln entstehen sehen. Es würde vielleicht das erste und letzte wirkliche Lächeln sein, das Will von seinem Freund sehen konnte. Der Laundry kreischte verzweifelt, während der starke Hengst sich nicht stoppen ließ und durch das Unterholz bretterte. Er fühlte eine überwältigende Machtlosigkeit in sein Herz kriechen. Denn er ließ seinen besten Freund zurück, floh wie ein mieser Feigling und der Schmerz in seiner Brust war mit nichts vorherigem vergleichbar. Gedemütigt und uneins mit sich selbst ritt Will weiter, blickte noch einmal zurück, fühlte sich gebrandmarkt, weil er seinem besten Freund einem düsteren Schicksal anvertraute. Und als er den Wald weiter östlich und ungesehen von dem Heer des Bösen hinter sich ließ, weinte der Laundry seit langer Zeit bittere Tränen…
 

Mit einem neuen Ziel brachte Link die junge Stute, seine einzige Begleitung in die bevorstehende Schlacht, in Bewegung. Rauschend und aufmerksam schritten sie vorwärts. Der Wind summte um Links spitze Ohren und die Stimmen der Dämonen näherten sich. Immer schneller bretterte Lady durch das Unterholz und es war dann, dass Link sein neues Schwert summend in die Höhe streckte. Er setzte an zu einem gellenden Schrei, und es war dann, dass die zu Fuß gehenden Moblins aufhorchten. Dutzende rotleuchtende Augen, wie rubinfarbene Stecknadelköpfe in den Wäldern, blickten in Links Richtung. Sie zischten, riefen nach Tod und Vergeltung, trommelten mit ihren pelzigen Füßen über den Boden und rannten in Links Richtung. Immer näher und näher kam der Abschaum Hyrules, bereit zu morden und bereit zu sterben. Link beschleunigte sein Tempo soweit er konnte, ließ sein strahlendes Schwert nach unten krachen, hörte sein Herz und das pulsierende Fragment des Mutes um die Wette pochen und metzelte sich durch den Wald. Als er die ersten Moblins erreichte, brüllten jene boshaft, kreischten mit ihren schiefen Stimmen und es war dann, dass der vernichtende Ruf des riesigen Hornes ein weiteres Mal aus der Ferne dröhnte. Link kreischte, hetzte an den Moblins vorbei und zerteilte mit seinem Schwert einige, hackte Köpfe ab wie einst und versuchte standzuhalten. Röchelnd fuhr die Klinge durch die Leiber der ungenügend geschützten Kreaturen, zerriss pelzige, dreckige Haut und zertrennte schwache Knochen. Sein Schwertarm schmerzte elend. Nach so langer Zeit mit seinem kränklichen Körper Geschöpfe des Bösen in die Hölle zu schicken, war grausam und unheimlich ermüdend. Es kostete alle Kraft, die Link in den letzten Tagen angesammelt hatte. Hastend rauschte der junge Kämpfer weiter durch den Wald und genau in Richtung der Blutschatten und größeren Moblins, die am Rande des Waldes standen. Er würde sich durch diese Biester durchkämpfen mit dem bisschen Mut und der verbliebenen Stärke, die er noch hatte. Nur, wenn er ihre Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte, würde Will am anderen Ende des Waldes die Chance haben zu entkommen. Das Pferd schnellte wie verrückt vorwärts. Der Reiter hatte Mühe den Ästen und vielen Zweigen auf seinem Weg immer auszuweichen, spürte einige Schnittwunden in seinem Gesicht brennen, spürte die verwundeten Moblins hinter ihm um ihr Leben betteln und hörte die erzürnten Rufe der Dämonen vor ihm. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, versuchte das heftige Adrenalin in seinem Körper zu ignorieren und lachte wie ein Wahnsinniger in seiner Stunde des Schicksals.

Todesmutig ritt der einsame Streiter mit gezücktem Schwert aus dem Waldverschlag heraus, bremste sein junges, wildes Reittier nur wenige Meter vor den verbliebenen vierzig Kreaturen des Bösen, als auch der Wind stillstand. In einer Sekunde der Ehrfurcht, hämisch glotzend, belächelten die Geschöpfe den jungen Kämpfer, bis einer der Reiter mit einem rötlichschillernden Umhang seine Hand hob. In der Schwärze der Nacht konnte Link kaum erkennen, wer der Befehlshaber der Dunklen war, und es interessierte ihn im Augenblick auch nicht. Aber jener Teufel musste von Statur und Größe den anderen weit überlegen sein.

Link hielt seine schimmernde Klinge erhaben in die Höhe, riss an Ladys Halfter, bis sich das Pferd aufbäumte und auf die Hinterläufe stellte. Link machte sich bereit für das, was bevorstand. Und wenn er hierbei draufgehen sollte, dann mit Stolz und Ehre. Er leckte sich über seine trockenen Lippen, grinste barbarisch und wusste, wie lächerlich seine Herausforderung gegenüber den Dunklen wirken musste. Aber er hatte einen einzigen Trumpf in der Hand und er spürte, dass dieser seinen Zweck erfüllen würde.

„Ihr wollt das Blut der Helden?“, rief er, hob seine blitzende Klinge in die Höhe. „Dann kommt! Ich bin hier!“ Er brüllte den letzten Funken Achtung vor seinem eigenen Leben aus der Kehle. Er ließ sich auf das Gemetzel ein, ließ sich für die barbarischen Sehnsüchte der Dämonen missbrauchen.

„Ich bin hier! Ich bin am Leben!“, kreischte er. Und innerhalb von Sekunden riss er die Stute nach rechts, galoppierte weniger Meter, sodass er auf einer kleinen Erhöhung stand.

Die Dämonen waren zu entsetzt darüber, wie sich jemand ihren Klingen und Klauen so freiwillig zum Fraß vorwerfen konnte. Spöttisch blickten sie dem Ritterschüler nach, amüsierten sich, ließen ihre verrotteten Stimmbänder vibrieren. Und als jene Geschöpfe der Nacht Links Aufforderung nachgingen, ihre entstellten Reittiere über das Steppengras hetzten, reckte der junge Held seine linke Hand in die Höhe. Blendend und gleißend zeigte sich das Fragment des Mutes als Botschaft und letzter Funken Verstand, den der jugendliche Reiter entbehrte. Und das Triforcefragment des Mutes glühte strahlend hell und erinnernd. Am blutroten, schwarzen Firmament riss die heilige Macht den Himmel auf, sodass sich das fahle, kühle Mondlicht auf Hyrules Steppe spiegelte. Die Macht des Mutes sendete ein Zeichen. Und dieses Zeichen war eine Warnung an all jene, die ihre Herzen mit grusligem Begehr gefüllt hatten. Das goldene Strahlen glitt in die ungewisse Zukunft und auch in die nebulöse Vergangenheit…
 

Zu dem Zeitpunkt ritt Will mit den schlimmsten Gedanken und einem erledigten Körper in Richtung der stolzen Ritterschule. Er konnte immer noch nicht glauben, was gerade passiert war, obwohl sein Körper mit den Folgen der heftigen Angst von vor wenigen Minuten zu kämpfen hatte. Will fühlte sich erbärmlich, fürchtete sich vor jedem Schatten auf der Steppe und fror unsäglich. Er hatte wie ein kleines Kind gewinselt und geheult, sich angestellt wie ein Häufchen Elend und zu guter Letzt hingenommen, dass sich sein bester Freund dafür opferte, nur dass er flüchten konnte. Nur dass ihm nichts passierte! Und was hatte er getan? Er hatte nicht die Spur einer Gegenwehr gezeigt, war weggelaufen wie ein dummes Stück Vieh! Will trieb den Hengst Stormynight noch schneller über den Weg und konnte ganz weit am Horizont die spitzen Dächer der Ritterschule und der Benimmschule von Madame Morganiell entdecken. Ein erstes erleichtertes Aufseufzen entkam seinen blassen Lippen. Ein Schwaden eisiger Luft bildete sich vor seinem Mund, als er atmete, und erst jetzt nahm er die eisige Kälte auf der Steppe war. Er musste so schnell wie möglich Newhead verständigen und klarstellen, dass Link in massiver Gefahr war. Ganz kurz kam der Gedanke auf, dass Link vielleicht schon lange von den rostigen Klingen aufgespießt worden war, aber Will verdrängte den Gedanken so schnell er aufkam…

Er schnaufte tief durch und ließ auch den Hengst von Artus McDawn kurz zur Ruhe kommen. Vom pechschwarzen Himmel tanzten erneut dicke Schneeflocken, rieselten auf den Wollumhang des Ritterschülers und benetzten auch das hellbraune, zerzauste Haar. Flüchtig blickte Will über seine Schulter, sah mit seinen smaragdgrünen Augen einmal mehr Schatten über die Steppe kriechen, die ihn beunruhigten. Er war sich nicht sicher, ob er mittlerweile überall gefräßige Feinde sah, oder ob südlich tatsächlich einige Widersacher lauerten. Als er das Gefühl hatte, die Schatten im Süden bewegten sich, stolperte sein Herz mit einer erneuten Angstwelle. Heftig riss er an den Zügeln des Pferdes, entließ einen aufhetzenden Laut aus seiner belegten, trockenen Kehle und ritt zügig weiter. Ab und an warf er einen Blick zurück, während der kalte Herbstwind um seine Hylianerohren peitschte. Er trieb Stormynight über eine kleine Brücke, an vereinzelten Bäumen vorbei, durch einen kleinen Bach, wo das eiskalte Wasser hektisch aufgewirbelt wurde und blickte erneut in Richtung Süden. Doch diesmal war er überzeugt, dass er sich die Schatten in der Ferne nicht einbildete. Da waren fünf Kreaturen, die näher hasteten. Zuerst konnte Will nicht deutlich erkennen, ob es Menschen oder Dämonen waren. Er hoffte auf ersteres, war sich jedoch nicht sicher, was er tun sollte. Wie hoch war wohl die Wahrscheinlichkeit, dass hinter ihm in dieser späten Nachtstunde Ritter unterwegs waren, wo eine Horde von Bestien vor wenigen Minuten über die Steppe gebraust war? ,Vernichtend gering‘, schallte Links ernste Stimme durch seine Gedanken und es war dann, dass Will mit der Erinnerung an seinen Freund wieder mehr Mut fasste. Er brüllte ein heftiges „Heyja!“, gab Stormynight das Signal in seinem schnellsten Galopp weiter zu hetzen und blickte hoffend zu der alten Schule, die nur noch wenige Minuten entfernt lag…
 

Link Strategie, sein verrückter Plan die Brut des Bösen hinter sich herzulocken, ging währenddessen auf. Rund vierzig Biester des Bösen waren hinter ihm her, donnerten kreischend über die Steppe und schienen den anderen Hylianer überhaupt nicht mehr im Gedächtnis zu haben. Denn sie wussten, wer vor ihnen war. Sie wussten, welch‘ edle Beute sie sich nicht entgehen lassen konnten. Das leuchtende Triforcefragment hatte seinen Zweck erfüllt.

Mit einem makaberen Grinsen, sich fragend ob er noch bei Verstand war, ritt Link geradewegs nach Osten, wo eine riesige, aber alte und weniger stabile Brücke über die Verlorene Schlucht führte. Er hörte das Lärmen der Monster hinter ihm, war nicht einmal mehr in der Lage Angst zu empfinden und kam sich vor wie in einem Theaterstück. Es war lächerlich, was er hier tat. Todesmutig und dumm…

„Schlitz ihn auf!“, riefen die Moblins verächtlich. Ihre rostigen Rüstungen klapperten. Ihre Schwerter klirrten und ihre Herzen bluteten. Es war nicht das erste Mal, dass sie Ritter oder Helden verfolgten. Sie würden den einen Helden, der oft genug mit ihnen Katz und Maus gespielt hatte, nicht entkommen lassen. Niemals wieder…

Und gerade dann blickte Link kurz zurück, hatte noch genügend Abstand zwischen den Monstern, aber wurde das Gefühl nicht los, dass es nichts brachte. In dem Moment spannten einige niedere Wesen ihre Bögen und dickstämmige Pfeile zuckten an Link vorbei. Geschickt lenkte er die Stute über die nächtliche Steppe, wich den mörderischen Geschossen aus und steuerte mit grimmiger Entschlossenheit auf die Brücke über die Verlorene Schlucht zu. Er wusste, warum. Sein Wissen über Hyrules Landschaft und hylianische Bauten machte sich in dem Augenblick bezahlt. Denn diese Brücke war bereits vor Jahrhunderten errichtet worden, hatte viele lockere Steine und war an manchen Stellen nur mit Seilen grob verbunden. Link wusste, dass diese Überführung nicht zu viel Gewicht aushalten konnte. Aber vielleicht wusste das Heer des Bösen dies nicht…

Hektisch atmend schnellte der einsame Streiter des Guten näher, blickte zurück und noch immer klebten die Kreaturen der Nacht an ihm wie Pech. Vor ihm lag im Licht des Mondes, die Augen folternd eine riesige Schlucht, die sich aufgetan habe, als eine Welle der Zerstörung aus der Erde geschossen war. Viele Hylianer waren durch dunkle Kräfte, so erzählten die Dorfältesten, in den Abgrund gezogen worden. Die Schlucht war, vor allem nachts, völlig unauffällig. Keine Umzäunung war angebracht und nirgendwo waren Sträucher oder Bäume. Links Mundwinkel zogen sich in die Breite, als er die Brücke erreichte und in einem vorsichtigerem Tempo über die weniger einladende Schlucht trabte. Er passierte die Brücke ohne Probleme, ließ der Stute Lady eine kurze Verschnaufpause und überprüfte mit seinen scharfen, tiefblauen Augen seine Situation. An der Schlucht geifernd und widerlich lachend standen sie aufgereiht mit ihren schweren Rüstungen, zerflederten Leibern und entstellten Fratzen. Dutzende Kreaturen des Bösen, die wie Ratten in die Fallen gingen. Nicht eine Sekunde überlegten die Dämonen, sondern ritten weiter, mit einem Affenzahn an Geschwindigkeit sausten sie über das wacklige Gestein der Brücke, wüteten und rissen mit ihrer Mordlust die Geister der in die Schlucht Gefallenen aus ihrem ewigen Schlaf. Ohne lange zu überlegen gab auch Link seinem Ross die Sporen, konnte gerade noch sehen, dass einige Biester über die Brücke marschiert waren, als ein ohrenbetäubendes, furchtbares Knallen über die Steppe fegte. Und mit dem reißenden Geräusch der zerberstenden Brücke gingen weitere zänkische Stimmen unter. Einige Biester waren verendet. Aber die Mehrzahl hatte die Brücke passiert.

Der Held seufzte, spürte, wie seine Kräfte schwanden, während am Horizont einmal mehr der gutmütige Mond leuchtete. Aber noch war die erbarmungslose Hetzjagd über die Steppe nicht vorbei… und noch war sein Wille nicht gebrochen. Sein Schwert fest umfasst führte ihn sein Weg weiter, dorthin, wo der Kampf tobte…
 

Inzwischen näherten sich die schattenhaften Gestalten dem einsamen Ritterschüler William Laundry immer mehr. Und je näher die hetzenden Schatten kamen, umso klarer wurden deren Umrisse. Erschrocken wirbelte der junge Kerl auf Stormynight herum, fühlte sein verängstigtes Herz auf eine fieberhafte Weise pochen, die ihm völlig fremd war, und erkannte, dass seine Verfolger keinesfalls Ritter sein konnten. Denn in der Dunkelheit der Nacht konnte er erkennen, dass jene Wesen nicht auf Pferden ritten. Es waren dickleibige Biester und gerade da konnte er ein furchteinflößendes Glimmen, rot und warnend, von mehreren Augen wahrnehmen. Und das teuflische Glühen verriet sich. Nur böse Seelen hatten ihr Augenlicht für die Flammen der Hölle geopfert…

Sein Ziel wieder im Blick hetzte Will weiter. Seine ganze Hoffnung konzentrierte sich auf die Ritterschule, die nur noch wenige Meter entfernt lag. Er kniff seine Augen zusammen, umfasste energisch die ledernen Zügel des Pferdes, und es war das erste Mal seit dem Angriff, dass Wills rechte Hand zu dem Griff seines Schwertes wanderte. ,Verflucht nochmal!‘, schimpfte er in Gedanken. ,Bin ich wirklich so ein Feigling!‘ Und während auch das Pferd langsamer wurde, eine marternde Erschöpfung das stolze Tier heimsuchte, wusste Will, dass er sich bis in alle Ewigkeiten schämen würde, wenn er als geachteter Ritterschüler nicht in der Lage war zu kämpfen. Ein Gedanke an seinen Freund und Zimmerkollegen kam auf und erinnerte ihn daran, wie grausam die Welt wäre ohne den Mut der Helden Hyrules. Und nicht nur die Helden sollten alles opfern, was sie besaßen. Es sollten andere ihnen gleich tun. Niemand sollte vor Herausforderungen und Bedrohungen weglaufen! Und er war schließlich Ritterschüler. Er hatte seit vielen Wochen Schwert- und Ausdauertraining, hatte am Muskelaufbau und Praxisunterricht teilgenommen. Sollte er dann nicht in der Lage sein zu kämpfen?

Als er seine smaragdgrünen Augen wieder öffnete, drangen die feindlichen, brüllenden Laute der fünf Moblins an seine spitzen Ohren. Und es war auch dann, dass er sein Kurzschwert zog und wusste, er würde vor dieser Gefahr nicht weglaufen können. Abrupt riss er an Stormynights Halfter, biss die Zähne zusammen, verkrampfte sich immer mehr, und wand sich mit einem verzweifelten Schrei in Richtung der Angreifer…
 

Zu dem Zeitpunkt saß der Lehrer Nicholas Newhead Pfeife rauchend und sich mit einem Soldaten, der den nächtlichen Wachposten besetzte, unterhaltend auf der stolzen Mauer der alten Schule. Nicht viele Soldaten waren an der Schule stationiert. Wozu auch, es waren friedliche Zeiten und keiner ahnte, dass irgendwo verhüllend teuflische Gestalten grausame Pläne schmiedeten. Genüsslich sog Nicholas an seiner Pfeife, fühlte sich selig und himmlisch betört durch das Suchtmittel, auch wenn er wusste, welch schädliches Werk der Stoff in seinen Lungen tat. Nur zufällig schaute der junge Soldat durch sein Fernrohr und konnte in der Nacht sechs Gestalten sehen. Seinem geschulten Auge entging nicht, dass die Gestalten bis auf eine kleinere aussahen wie Moblins des zweiten Grades. Moblins mit grüner, dünner Haut und einzelnen pelzigen Stellen. Moblins, die sehr flink und teuflisch sein konnten, und die in der Lage waren Waffen zu benutzen.

„Sir Newhead, seht Ihr dies auch?“, meinte der junge Soldat, reichte dem Ritter das Fernrohr und stemmte sich nachdenklich auf seine Lanze.

Verwundert blickte der einstige Schwindler durch die Linse und traute seinen Augen genauso wenig wie dem benebelnden Suchtmittel in seinen Lungen. „Bei Dins Feuer, das ist einer der Ritterschüler und fünf Moblins auf Wildschweinen!“, brüllte er. Mit einem Satz hüpfte er von der Mauer, rannte zur riesigen Alarmglocke und schwang diese mit ächzendem Dröhnen mehrmals hin und her. Innerhalb weniger Minuten rannten wenige gut trainierte, ältere Schüler und einzelne Ritter des Lehrerpersonals mit ihren Waffen in den Innenhof und nur wenige erklärende Worte waren gefallen, als jene auf kräftigen, ausgeruhten Pferden durch das Burgtor preschten. Die schrille Alarmglocke erklang noch immer, riss auch die letzten Schüler aus den Betten und sorgte für Tumult sogar in der Mädchenschule. Auch Nicholas machte sich in Eile kampfbereit. Er zog sich ein Kettenhemd über, bedeckte diesen mit einer leichten dunkelgrauen Leinentunika, grabschte aus seinem Büro eine Tasche mit Verbandszeug, roten Elixieren und eines mit starkem Schlafmittel, schnappte sich eines der Pferde und ritt zielstrebig auf das freie Feld.

Will hetzte auf Stormynight gerade mit einem gezückten Schwert vorwärts. Das eisige Mondlicht und die riesigen Wolkenfetzen am Himmel bildeten dunkle Wogen auf den weitläufigen Feldern der Steppe und es schien beinahe als trieb der leuchtende Himmelskörper die regenverhangenen Fetzen des Horizonts vorwärts. Und wie sich dunkle Abdrücke der Wolken auf der Steppe bewegten, so bewegten sich auch die Gegner, ritten kämpfend aufeinander zu, erfüllt von Mordtrieb und Idealen. Zähneknirschend donnerte Will näher, ritt geradewegs in die Arme der Moblins. Stormynight johlte gespenstisch auf. Ein Wieher, als hackte man dem stolzen Hengst alle Beine ab. Aber sein Reiter ließ ihm keine Wahl. Stürmisch donnerte der Hengst näher, sauste scharf und knapp an den Moblins vorbei und etwas unsicher ließ Will seine Klinge an der Flanke einer der gefräßigen, entstellten Bestien vorbeirauschen. Er erwischte das dämonische Wildschwein bitter. Ein furchteinflößender Schrei, morbide klingend, röchelnd und garstig, entkam der Bestie, die sich krümmte, ihr Tempo nicht abmildern konnte und sich donnernd überschlug und das erbärmlich zischende Moblininsekt knackend unter sich vergrub. Ungläubig, seine grünen Augen weit aufgerissen, schaute der junge Laundry zu den sterbenden Kreaturen, konnte kaum glauben, was er gerade eben getan hatte und schien wie gelähmt. Er hatte nicht einfach nur gekämpft. Er hatte mit seiner Attacke einer Moblinkreatur und seinem Reittier den Tod gebracht…

Das Schwert in seiner Hand fiel klirrend zu Boden, als er seine Tat begriff. Er hatte gemordet, das, was ein Ritter lernen musste zu tun. Seine Hände waren nun in Blut getränkt. Und diese Erfahrung, dieses furchtbare, dämonische Gefühl brannte tief, kratzte an seinem Gewissen und seiner unschuldigen Seele. Unsicher sah er auf, kam sich vor, als träumte er, als die vier anderen Moblins schimpfend näher hasteten. Sie riefen ekelhafte Schimpfwörter, schwuren den Vernichter ihres Moblinsbruders zu töten, mit Blut und Schleim.

Im letzten Moment kam Will zur Besinnung, preschte mit Stormynight weiter, hörte im Hintergrund andere Stimmen, hörte vertraute Hylianer rufen. Verdutzt und voller Hoffnung reckte der Laundry seinen Schädel nach hinten, als die Moblins von ihm abließen und zänkisch ihre Richtung änderten und auf der bedrückenden Steppenlandschaft geradewegs in ihr Verderben hetzten. In etwa zwanzig Reiter des Guten donnerten auf starken Pferden näher. Sie brüllten hylianische Kampflaute in die gefahrvolle Nacht, riefen nach Tod und Sünde, bereit die Erzfeinde der Hylianer ohne mit der Wimper zu zucken, niederzumetzeln. Fünf Reiter spannten Pfeile, die schrill und mörderisch durch die Luft zuckten. Die zum Tode geweihten Kreatur stießen klägliche Schmerzlaute aus, als die Pfeile sich in dunkles, fettiges Fleisch bohrten und dämonische Herzen spalteten. Zwei Reittiere verendeten durch den Pfeilregen. Die anderen Reiter griffen mit ihren Schwertern an, nahmen Wunden in Kauf, nahmen Narben an der Seele in Kauf, aber errangen mit wilden Schwertstreichen den Sieg. Von weitem wirkte der Angriff beinah unwirklich. Zu sehen wie das Gute und Böse sich gegenseitig tötete, zu sehen, wie das Leben in Hyrule dem einzigen Zweck des Kampfes diente, brachte nur denen Genugtuung und Wunder, die ein Hyrule, wie es im Augenblick war, nicht dulden konnten…

Schlachten waren dazu da, beendet zu werden. Kriege waren dazu da, gewonnen zu werden. Aber keiner wusste um die weitreichenden, wahnsinnigen Konsequenzen, welche diese mörderische Energie verursachte. Niemand sah…
 

Als Will endlich tief ausatmete, wusste, dass der Kampf vorbei war, zog er sich sachte von dem treuen Hengst und hatte das Gefühl, seine Beine wollten nicht mehr mitspielen. Nun, da die Gefahr gebannt war, zappelten seine Glieder vor Nervosität. Er trat ein paar Schritte und hob sein blutdurchtränktes Schwert vom Boden auf. Seine Gesichtsmuskeln zuckten angsterfüllt bei dem Gedanken, dass jene Klinge seinen weiteren Lebensweg darstellen sollte. Das schwarze Blut des Höllenschweins lief stinkend und beinah dampfend an seinem Kurzschwert hinab. Wills Augen glühten vor Angst, als er sah, wie ältere Ritterschüler teilweise grinsend, beinah genauso krank und bestialisch wirkend wie die Dämonen, von ihren Pferden sprangen. Auch Sir Viktor, Newhead und die stolze Gerudo Kramanzia, sowie drei weitere ältere Ritter und fünf junge Soldaten waren hier und überblickten die Lage.

Newhead war der erste, der bei Will war. „Bist du verletzt?“, sprach er.

Will schüttelte nur den Kopf, beobachtete die älteren Ritterschüler, die das letzte böse Leben der Moblins mit grausamen Schwertstößen richteten. Wehrlos lagen die Dämonen auf dem Boden, zogen sich mit abgehackten Gliedmaßen über die entweihte Steppe, zischten flehend, aber kein dunkles Hylianisch von ihren Lippen würde ihre Vernichter gnädig stimmen. Will kniff seine Augen zusammen, als die Ritterschüler ihre Schwerter in die Leiber der wenigen Kreaturen stießen und auch das sterbende Winseln endete.

„Will, ist alles in Ordnung?“, fragte Nicholas besorgt. Es schien als spürte er, dass der Angriff der wenigen Moblins nicht das Hauptproblem war. Will kam nicht einmal dazu zu antworten, als Sir Viktor in seiner schimmernden Rüstung näher trat. Er sprach dröhnend und abfällig: „Gratulation, Laundry. Ich hätte nicht gedacht, dass du das hinkriegst.“

Verunsichert sah er auf, wand sich ohne ein Wort zu Sir Viktor zu Nicholas. Er wollte alles erklären und auch mitteilen, dass Link in massiver Gefahr war, aber sein Mund bewegte sich schneller als seine Stimmbänder. Ein undeutliches Brabbeln entkam seinen Lippen. Dann sackte er endlich auf seine Knie, spürte seine Kräfte schwinden und eine unangenehme Taubheit um seine Glieder.

„Das war noch nicht alles“, murmelte Will, atmete tief durch und zog sich wieder auf die Beine. „Sir Newhead“, setzte er geschwind hinzu. Noch immer zitterte seine Stimme vor Aufregung. „Bitte, Ihr müsst Link retten!“ Nicholas blickte ihn irritiert an. Er legte eine beruhigende Hand auf Wills rechte Schulter. „Jetzt ganz langsam. Was ist mit Link?“

„Wir sind gemeinsam von der Hauptstadt hierher geritten, als wir auf fünfzig Kreaturen des Bösen gestoßen sind. Link hat versucht die Bestien auf seine Fährte zu lenken… Ich weiß nicht, was weiter passiert ist.“ Will verschluckte sich halb und stotterte wieder. „Bitte, Link ist diesen Kreaturen schutzlos ausgeliefert. Wie soll er denn in seinem gesundheitlichen Zustand kämpfen?“

Newhead schien die Sachlage sofort zu verstehen. Seine sonst so fröhliche Miene verfinsterte sich. Energisch packte er Will schließlich an beiden Schultern. „Wo ist Link hin geritten?!“ Sein Ton war scharf und befehlend.

„Er sagte etwas von Sümpfen und dem Tempel der Destinia. Er wollte nicht, dass die Kreaturen zur Schule reiten und hat das alles auf sich genommen für diejenigen, die nicht kämpfen können“, schluchzte Will. „Ihr müsst ihm doch helfen!“ Verzweifelt blickte Will in die Runde der scheinbar desinteressierten älteren Schüler und Lehrer. Aber keiner antwortete ihm.

„Bitte, tut doch etwas!“, rief der Laundry, aber sah nur die Abwehr und unbeteiligten, eisernen Gesichter der Schüler. „Er wollte uns alle doch nur beschützen!“

Gerade da sprang Nicholas auf sein prächtiges Pferd und bestimmte für diejenigen, die nur auf Ansage warteten. Entschlossen Link nicht im Stich zu lassen, sprach er entschiedene Worte: „Ich reite zu den Sümpfen und zum Tempel. Wer zu feige ist, sich seinen Rittertitel unehrenhaft erschleichen will, und nicht in der Lage ist, aufopfernden Hylianern zu helfen, soll zurück zur Schule reiten und sein feiges Gesicht dort vergraben!“ Er wischte sich über seine Stirn und hielt dann sein Schwert nach oben. „Zukünftige Ritter Hyrules, wollt ihr kämpfen oder euch schämen!“

Und seine Worte zeigten Wirkung. Fast alle älteren Ritterschüler, die drei jungen Soldaten, Kramanzia und selbst die drei Ritter nickten einander zu. Bloß Sir Viktor blieb hämisch grinsend stehen. „Seid Ihr alle bescheuert? Wegen einem einzelnen Schüler macht Ihr so ein Theater?!“, argumentierte er. „Hyrule kann nicht Rücksicht nehmen auf einzelne Schicksale!“

„Dass Ihr den jungen Link am liebsten unter der Erde wissen wollt, ist ja kein Geheimnis, nicht wahr, Viktor?“, spottete Nicholas. „Das beweisen Eure kranken Worte. Ihr seid doch nur beleidigt, dass Link es geschafft hat euch vor allen Leuten vorzuführen und Euren lächerlichen Kampfstil zu entlarven!“ Daraufhin lachten einige Schüler abfallend. Verdrießlich senkte Sir Viktor sein Haupt, stapfte zu seinem Pferd. „Wie auch immer… die Schule muss bewacht werden und der Rat der Ritter sollte verständigt werden. Ich reite zurück“, murrte er und war mit einer Hand voll Ritterschüler in Windeseile auf dem Pfad in Richtung Schule.

„Will, du reitest ebenfalls zur Schule“, ordnete Nicholas an.

„Aber…“ Bevor Will argumentieren konnte, unterbrach ihn der Lehrer. „Du hast heute genug getan. Link würde nicht wollen, dass du verletzt wirst.“ Es gefiel dem Laundry nicht, aber Nicholas hatte wohl oder übel recht. Wie sollte er in seinem abgekämpften Zustand noch nützlich für die Ritter sein? Seine grünen Augen leuchteten hoffend, als die zwanzig Reiter in der tiefen Nacht verschwanden. ,Konnte dieser Wahnsinn nicht endlich ein Ende haben‘, dachte er. Was war dies für eine Welt, für ein Land, dass eine bestialische Brut wie Dämonen geschaffen hatte? Was war dies für ein Hyrule, indem edle Seelen, verführt zu Mordgier und Rache, geschändet wurden? Will sackte ein weiteres Mal auf seine Knie, bemüht die Ereignisse von gerade eben endlich zu begreifen, als vom Himmel beruhigend und sanft Schneeflocken fielen…
 

Zügig ritt Link geradewegs auf die alten Sümpfe der Umbras zu. Der Wind peitschte heftig und eisige Schneekristalle schlitzten in seinem käseweißen Gesicht. Er hatte diesen Ort schon einige Male passiert, aber teilweise weniger freiwillig und auch nicht, weil es sich lohnte. Die größten, nebligen und stinkenden Sümpfe Hyrules, nicht weit entfernt vom gigantischen Hylia-See, waren ein Ort, wo so manches Naturgesetz verrücktspielte. Es gab Bereiche, die kaum überwindbar waren, magnetisch und zermürbend, und es gab inmitten der Sümpfe Stellen, wo vergangene Generationen tief nach verborgenen und seltenen Brennstoffen gegraben hatten. Nur hatte jede Gier nach Schätzen und Reichtum ihre schrecklichen Konsequenzen…

Link wusste um die kaum sichtbare Gefahr in den Sümpfen und auch wie lebensmüde es war, sich in diese Gefilde zu wagen. Aber er kannte den Weg und wusste, es war seine einzige Hoffnung einigermaßen heil aus dieser Situation herauszukommen. Vorsorglich riss er einen Stofffetzen seiner nasskalten, grünen Tunika ab und band sich diesen als Schutz vor den Mund. Der Pfad war in der Düsternis kaum zu erkennen und ein falscher Schritt könnte dazu führen, dass sowohl die Stute als auch ihr Reiter in modrigem und klebendem Moor in fremde Abgründe gezogen werden könnten. Aufmerksam blickte Link um sich und beobachtete die dichten Nebelschwaden, die auch den Moblins die Sicht zu ihm erschweren würden. Hier und da sah er Gräser aus dem Boden sprießen. Ab und an waren hier Überreste eines Zaunes, der als Orientierung durch die Sümpfe angebracht wurde. Aber jemand, der den Weg nicht kannte, wäre den Tücken des Sumpfes gefährlich und ohne Anhalt ausgeliefert. Kein Hinweisschild. Keine Sicht. Und überall lauerte die Gefahr. Plötzlich knackte es inmitten der Nebel, es raschelte. Und die neuen Geräusche vermischten sich mit den schimpfenden Moblins und Blutschatten hinter dem einzelnen Kämpfer. Lady grölte. Ihre Hufe sanken ab und an in tiefen Matsch und Moor. Link zügelte die wiehernde und aufgeregte Stute Lady, beruhigte sie mit sanftem Summen und nuschelte hylianische Worte in ihre Ohren. Er hoffte sehnlichst, dass er es schaffte Newheads Stute ohne Harm aus dieses Verfolgungsjagd herauszubringen…
 

Der einsame Reiter warf furchtsame Blicke zurück, konnte die rubinroten Augen der Dämonen in den Nebeln erkennen und versuchte ruhig zu bleiben, sich nicht aus der Reserve locken zu lassen und eilte aufmerksam weiter. Erneut knackte es in den Mooren, es raschelte und wenn man genau hinblickte, die Augen inmitten der Nebel an einen Punkt haftete, konnte man die grausamen Bestien, die die Sümpfe bevölkerten vielleicht wahrnehmen. Inmitten der weißen Nebelfratzen, gespenstisch und verschlingend, spielten kleine Widerlinge mit den Elementen. Inmitten der Nebelschwaden waren schwarze, wie Seide leuchtende Punkte, die jegliches Licht und Leben anknabberten und viel zu gerne nisteten sie in allem, was atmete und sich bewegte. Nicht ohne Grund wurde jener schreckliche, nach Verwesung muffelnde Ort, die Sümpfe der Umbras genannt…

Als Link hinter sich grausame Schreie seiner Verfolger hören konnte, versuchte er weiterhin standhaft zu bleiben. „Schlitzt ihn auf!“, dröhnte es hinter ihm. „Lasst den Helden nicht entkommen!“ Und die Hufe und Klauen der Kreaturen hinter ihm donnerten weiterhin heftig über den Boden, ließen die Erde vibrieren. Sie würden eher sterben als den Helden entkommen zu lassen. Link kniff die Augen zusammen, betäubte seine aufkommende Angst vor den Bestien in den Mooren mit einem Gedanken an das einzige, was ihm immer Kraft gegeben hatte in jeder ausweglosen Situation. Es gab nur ein Wesen in Hyrule, dass er ein letztes Mal sehen wollte, wenn seine Zeit gekommen war. ,Es war wie damals‘, dachte er, ,wie damals in der alternativen Zukunft‘. Er war geflohen, hatte gekämpft, gebetet und doch immer an das schönste und reinste Licht in Hyrule gedacht. Er murmelte den Namen der Prinzessin Hyrules, immer und immer wieder. Und es war dann, dass die brüllenden Stimmen der Dunklen hinter ihm nicht mehr nach der Vernichtung des einen Helden schrien, sondern ihre schrillen Laute sich in beängstigende Todesschreie wandelten.

Panisch blickte Link zurück und konnte einige seiner Verfolger in den Nebeln von ihren Reittieren stürzen sehen. Sie gifteten grässlich, rissen an ihrer Rüstung, zappelten mit Beinen und Armen und versuchten die tückische Gefahr in den Sümpfen abzuwehren, aber es war zu spät. Die Gefahr in den Sümpfen, tief hervorgeholt aus der düsteren Erde, untot, und sich verzehrend nach Licht, auch genannt Umbrakäfer, krabbelten in die Münder, Nasen und Wunden der Bestien. Einmal befallen von jenen gottlosen Viechern, konnte nichts mehr helfen. Sie nährten sich an allem, was lebte, ob rein oder dämonischen Ursprungs. Lebens- und Lichtenergie war ihr einziger Begehr und dafür folterten sie grausam. Dutzende Wesen der Lichtwelt waren an Umbrakäfern bereits verendet…

Als sich die Nebel langsam zurückzogen, lagen einige der Moblins und Blutschatten regungslos am Boden. Schwarzglänzende Käfer mit gelblichen Mustern krabbelten aus ihren vernichteten Körpern und fraßen sich hinein in den schlammigen Boden. Die Umbras waren befriedigt und die Gefahr gebannt. Aber noch hatte Link mit in etwa zwanzig Verfolgern zu kämpfen. Der Anführer der Kreaturen blickte verächtlich in seine Richtung. Er war es, der ein gigantischer Horn am Rücken trug und den anderen Dämonen weit überlegen war. Seine dunkelrote Kapuze fiel zurück und gab das Bild eines jungen Mannes mit blondem Haar und einem gefolterten Gesicht preis. „Dafür zahlst du, Held! Glaubst du, du kannst uns entkommen?“, rief er dröhnend. „Lächerlich!“ Sein rechter Arm krachte vorwärts, gab den verbliebenen Bestien das Signal immer weiter zu kämpfen für Blut und Ehre. Und das Heer des Bösen sammelte barbarische Kräfte, ließ sich von der Vernichtung ihrer Gleichgesinnten nicht beeindrucken und marschierte in Links Richtung.

Der vergessene Heroe schnaufte aufgeregt, spornte Lady ein weiteres Mal an in ihrem schnellsten Tempo weiter zu hetzen. ,Nur noch ein wenig‘, sprach er in Gedanken. ,Nur noch ein wenig…‘ Das schöne, starke Pferd stellte sich aufbrausend auf die Hinterläufe, wieherte angsterfüllt und schnellte von dannen. Aber die junge Stute war mittlerweile erschöpft, genauso wie ihr Reiter. Zähneknirschend versuchte sich Link zusammenzureißen, dem Gefühl seines müden Körpers nicht nachzugeben und blickte immer wieder zurück zu seinen Verfolgern. Sie näherten sich immer mehr. Der Abstand zu ihm und Lady wurde immer kleiner und es war da, dass Link spürte, wie dumm dieser ganze Versuch die Kreaturen irrezuführen eigentlich war. Moblins fühlten keine Erschöpfung. Die dämonischen Reittiere spürten keine Schmerzen. Und Moblins nahmen Gefühle kaum wahr. Link hatte sicherlich einen guten Plan, die Finsteren mittels den Gefahren von Hyrules Landschaft in die ewigen Jagdgründe zu befördern, aber er würde nicht ewig durch die Nacht reiten können, nicht mit einer erschöpften Stute und nicht mit seinem beanspruchten Körper.

Was war es wert diesen Kampf weiterzuführen? Egal, wie viele dieser Kreaturen Link in die finstersten Abgründe schickte, sie kamen doch nur wieder. Mörderisch. Tosend. Und zehnmal so stark und grausam wie vorher. Wofür kämpfte er noch, wo er wusste, kein Kampf würde der letzte sein?

Die Hetzjagd ging weiter, immer weiter, erbarmungslos und das einzige Ziel, das Link noch hatte, war ein alter Tempel, den er schon einmal betreten hatte. Seine letzte Verteidigungsmöglichkeit. Seine letzte Zuflucht…

Die Chadarkna

Völlig aufgelöst und mit zitternden Gliedern, als hätte man einen Fluch durch seinen Körper gejagt, erreichte Will die traditionsreiche Ritterschule, die auf einem größeren Hügel gelegen war. Er trabte durch aufgeregte Menschenmassen hindurch in Richtung des Stalles. Schüler aller Altersklassen und auch einige Mädchen standen laut diskutierend im Hof der beiden Gebäude. Noch wusste keiner so recht, was geschehen war, aber die läutende Alarmglocke ließ alle unruhig werden. Die Leute um sich herum ignorierend kam der junge Schüler Laundry im Stall an und stieg mühevoll von dem schwarzen Hengst. Ängstlich zitterten Wills Hände. Der Schrecken von vorhin saß noch tief in seinem Herzen und er wünschte sich nichts sehnlicher als sich einfach in seinem Bett zu verkriechen.

In dem Augenblick stapften Robin Sorman und Artus McDawn in die Stallungen und begrüßten Will. Sie waren beide aufgeregt und wissbegierig, wollten umgehend wissen, was geschehen war. Nur selten erklang die Alarmglocke an der Schule und dass sie überhaupt benutzt wurde, hieß nichts Gutes. Etwas musste passiert sein und da Will noch vorher auf der Steppe war, musste er es wissen. Mit besorgtem Gesichtsausdruck, käseweiß und fahl, trat William vor Artus und Robin und spürte in dem Augenblick eine schwere Müdigkeit über sich hereinbrechen. Er seufzte, wusste nicht, was er jetzt sagen oder tun sollte und kam sich vor wie in einem Alptraum.

Weitere Schüler rannten in den Stall der Schule, umzingelten den jungen Laundry und löcherten ihn mit Fragen, die er gerade nicht beantworten wollte.

„Was ist denn eigentlich passiert, Will?“, riefen sie hektisch. Will sah den Jugendlichen um sich verzweifelt entgegen und blieb sprachlos. Seine sonst so vorwitzigen, leuchtenden Augen waren wässrig und gereizt. Er sah mittlerweile so aus, als hätte er Fieber. Er schloss seine Augen und seufzte ein weiteres Mal.

„Nun lasst ihn doch einfach mal in Ruhe“, meinte ein weiterer Schüler dann. Es war Kieran von Irien, ein älterer Schüler einer höheren Jahrgangsstufe. Er war ein in Magie bewanderter langer Kerl mit schwarzglänzendem, gelocktem Haar und brauner Haut. Er war eher unauffällig und war jemand, der sich kaum mit den anderen Jugendlichen unterhielt. Er gehörte seit einigen Tagen zu Ians Gang und schien eigensinnige Motive zu haben sich in Ians Gang zu halten. Dann schob er Will gemeinsam mit Robin und Artus aus den Stallungen. Sie liefen über den vollgefüllten Innenhof, wo Sir Viktor sich mit einer aufgesetzten, sich selbst feiernden Rede schmückte. Die Schüler klebten an seinem Mund, weil jeder wissen wollte, was geschehen war. Selbstherrlich begann er zu erklären:

„Werte Schüler der Ritterschule. Ja, in der Tat, die Alarmglocke läutete und sie wurde benutzt aus dem einzigen Grund, weshalb ihr hier auf der Schule seid. Auf unserer Steppe, nur wenige Meter von der Schule entfernt hetzten fünf Kreaturen Hyrules dunkelster Zeit näher. Aber wir Hylianer, wir, da wir in diesem Land regieren, erfüllten unsere Pflicht und begegneten den niederen Kreaturen und schickten sie unter die Erde, auf dass sie niemals wiederkehren mögen. Wir Hylianer haben gesiegt wie wir immer siegen werden. Deshalb seid ihr hier an der Schule, um euch zu beweisen und diese Monster zum Teufel zu jagen! Deshalb sage ich: Wir feiern heute und werden auch jene angehenden Ritter feiern, die in diesen Sekunden weitere Dämonen auf der Steppe besiegen. Dämonen, die wie gottlose Viecher feige wegreiten. Wir werden die zukünftigen Ritter in dieser Stunde feiern und deshalb soll morgen kein Unterricht sein. Hoch leben die Ritter! Bringt Tod denen, die unser Hyrule beschmutzen wollen!“

Als seine Worte endeten, brüstete er sich noch, erhob sein schmieriges, blondes Haupt in die Höhe und lachte. Und die Schüler pfiffen. Fast jeder klatschte auf seine Worte, bis auf einzelne Schüler. Und bis auf Will, der zu diesem Wahnsinn und zu dieser Lügerei nicht applaudieren konnte. Link wurde mit keiner Silbe erwähnt. Link war einmal mehr unbedeutend für viele…
 

Schließlich gingen alle Schüler zurück in ihre Zimmer. Die Gefahr war gebannt, aber kaum ein Jugendlicher konnte nach der Aufregung Schlaf finden. Aus den Gemächern drangen wilde Geräusche und viele diskutierten laut und aufgeregt. Denn noch war nicht alles geklärt und die älteren Schüler waren noch nicht von ihrer Verfolgungsjagd heimgekehrt…

Will trat mit Robin und Artus in den Gang, wo er sein Zimmer hatte. Erst jetzt fiel ihm wahrlich ein Stein vom Herzen, denn nun begann er zu realisieren, dass er außer Gefahr war. Er fuhr sich durch sein nussbraunes, schulterlanges Haar und blickte nachdenklich nach draußen. Einmal mehr fielen Schneeflocken in der eisigen Nacht. ,Wenn die Nacht doch nur vorüber wäre und auch Link wieder an der Schule sein würde‘, hoffte Will.

„Nun erzähl‘ uns endlich mal, was Sache ist, Laundry!“, sprach Robin energisch. Er saß wie auf glühenden Kohlen und hielt es kaum mehr aus nicht informiert zu sein. Will entließ einen elenden Laut aus seiner Kehle. Eine Mischung aus Seufzen und Winseln und sah den jungen braunäugigen Sorman trübsinnig an. „Link ist noch da draußen bei den Dämonen…“, sprach er endlich und stemmte sich gegen die kalte, beschlagene Fensterscheibe. „Link und ich sind von der Hauptstadt hier her geritten“, erklärte er. „Wir waren keine zwei Meilen von der Schule entfernt, als wir von einer Horde von Monstern attackiert wurden…“ Es fiel ihm ungeheuer schwer diese Worte überhaupt über seine aufgesprungen, trockenen Lippen zu bringen, während sowohl Artus, als auch Robin entsetzt drein schauten. Ihnen fielen die Kinnladen herunter und starrten einander schockiert entgegen. Weitere Schüler tapsten über den Gang und verschwanden in ihren Zimmern. Auch Kieran von Irien war unter ihnen, aber er zögerte. Dem Gespräch unauffällig lauschend stand er am anderen Ende des Ganges.

„Scheiße! Ihr wurdet angegriffen?“, rief Robin entgeistert, konnte den Worten des Laundry kaum glauben. „Wie kann denn sowas passieren? Das ist doch völlig unmöglich!“

„Darum geht es doch gar nicht, viel wichtiger ist, dass du überlebt hast!“, sagte Artus und wollte Will etwas aufheitern. „Und wo ist Link?“, setzte er hinzu.

Will kniff die Augen zusammen, schämte sich elend und murmelte gezwungen: „Ich weiß es nicht…“

„Was soll das heißen, du weißt es nicht?“, meinte Robin. „Sag‘ schon, du bist doch zusammen mit ihm unterwegs gewesen. Wo ist er?“ Energisch packte der junge Sorman seinen Kollegen an den Schultern. Will fluchte dann: „Er hat diese Biester auf seine Fährte gelenkt… rund fünfzig Kreaturen waren alle hinter ihm her. Er sagte, wenn er nichts tue, würden diese Bestien zur Schule reiten.“ Will riss sich los und brüllte: „Versteht ihr nicht! Er hat diese Gefahr für uns auf sich genommen. Er allein. Nicht Viktor und auch kein anderer Schüler wären dazu in der Lage gewesen. Und was machen wir? Er kämpft alleine gegen fünfzig Dämonen, während wir hier alle ahnungslos herumstehen, uns an den Ereignissen aufgeilen und Viktor seine schmierigen Reden hält!“ Mitfühlend und vielleicht auch beschämt sank die Aufregung aus den Gemütern der beiden Ritterjungen. „Aber wie…“, sprach Artus. „Wie kann Link so etwas nur tun? Wie kann er nur so lebensmüde sein? Glaubt er denn tatsächlich, er müsse uns alle retten? Wir können schließlich kämpfen!“

„Er wollte nicht, dass irgendwer verletzt wird oder sterben muss“, murmelte Will. Seine tiefe Stimme war weich und leidend, so untypisch für ihn. „Und vielleicht hat er das auch nur getan, damit ich flüchten konnte.“

„Beruhige dich, Will“, sagte Artus. „Es ist doch nicht deine Schuld, dass diese Biester hinter euch her waren.“- „Aber es ist meine Schuld, dass Link allein mit diesem Abschaum fertig werden muss. Ich bin einfach geflohen wie ein mieser Feigling!“ Anklagend kamen die Worte aus seiner trockenen Kehle. „Ich habe meinen besten Freund diesen Kreaturen überlassen. Das kann ich mir niemals verzeihen…“

Artus seufzte nachdenklich. „Du hast das einzig richtige getan, du bist hier her geritten um Hilfe zu holen. Zu zweit gegen fünfzig Dämonen kann nicht gut ausgehen…“

„Das macht meine Schuldgefühle auch nicht leichter…“, brummte Will sarkastisch. Eine Pause entstand…
 

„Es ist unheimlich, dass so etwas geschieht“, meinte Artus dann sachlich. „Es ist nicht zu glauben, dass eine Horde von Dämonen über die Steppe prescht und keiner merkt etwas. Es gibt doch Grenzposten in jeder Provinz. Es gibt Späher, Soldaten und Ritter, die die Steppe bewachen. Wie kann es denn sein, dass so viele Moblins einfach so durch Hyrule marschieren? Ich meine, ich glaube dir, Will. Aber es ergibt einfach keinen Sinn.“ Die scharfsinnigen Worte des jungen McDawn stimmten auch Will nachdenklich.

„Da steckt sicherlich etwas anderes dahinter… findet ihr nicht, dass es komisch ist, dass sie ausgerechnet dann auftauchen, wenn Link und du unterwegs sind?“, sprach Robin. Auch er wurde misstrauisch.

„Glaubt ihr etwa, sie sind hinter Link her? Oder waren es von Anfang an?“

„Naja, es ist schon etwas komisch, dass fünfzig Kreaturen sich von einem einzelnen Schüler aufhetzen lassen und alle fünfzig hinter ihm her reiten, oder habe ich das falsch verstanden?“

Will schüttelte den Kopf.

„Naja, wir wollen mal nichts mutmaßen, aber Link ist ohnehin ein komischer Kerl. Merkt doch jeder, dass da was faul ist“, raunte Artus. „Hoffen wir bloß, dass er heil aus der Sache herauskommt…“

Robin nickte und Will murmelte ein verzweifeltes ,Ja‘.

„Wenn Link das überlebt, dann schmeißen wir eine Party für ihn“, meinte Robin Sorman dann lachend. Er wollte diese unangenehme Stimmung verscheuchen.

„Das würde er doch niemals annehmen…“, entgegnete Will trübsinnig, aber er versuchte sich von Robins Worten mitreißen zu lassen.

„Dann sagen wir ihm halt nicht, dass die Party für ihn ist“, lachte er. „Wir sollten nicht solche Gesichter machen. Er ist der beste Kämpfer an der Schule, oder nicht?“

Will nickte hoffnungsvoll.

„Dann schafft er das garantiert“, sprach Robin.

„Ja, das wird er…“, meinte Will zuversichtlich.

„Ich wette mit euch, dass er es schafft…“, entgegnete der Schürzenjäger Sorman.

„Abgemacht“, sagte Artus.

Mit einem genervten Gute- Nacht- Gruß trat Will in Richtung seines Zimmers und bemerkte den geheimnisvollen Kieran von Irien, der die Unterhaltung die gesamte Zeit belauscht hatte. Er nickte bloß, irgendwie mitfühlend, aber auch mit einem aufmunternden Grinsen im Gesicht. Dann verschwand er von dem Korridor und trat die Treppen ins nächsthöhere Stockwerk hinauf.
 

In der Nähe des gigantischen Hylia- Sees, dessen klares, eisiges Wasser gewaltvoll an die Brandungen schwappte und das berieselnde Rauschen des kostbaren Elements bis über die uralte Steppe schallte, sauste ein einsamer Streiter dicht gefolgt von einer Horde brüllender und brutaler Dämonen voran. Seit nun mehr einer halben Stunde floh der vergessene Heroe vor seinen gefährlichen Widersachern. Er hatte die Brücken über die reißenden Stromschnellen des Flusses Hylos passiert, war durch enge, labyrinthische Schluchten geritten mit der Hoffnung die Bestien irgendwie abzuhängen. Aber sie waren ihm noch immer dicht auf den Fersen, metzelten sich durch Sträucher und Gebüsch, und sie kamen näher…

Unzählige Hufe und Klauen bohrten sich mit rupfenden Geräuschen in das mit Reif bedeckte Steppengras. Immer wieder zuckten brennende Pfeile durch die Luft und zischten leise, als sie sich in die gefrorene Erde senkten. In ihrer Welle der Zerstörung klapperten die Rüstungen der dunklen. Ihre gezackten Klingen erhoben sich träge in die eisige Luft, als wollten sie die Himmelsgötter herausfordern. Sie tauschten Signale aus, sprachen in dunklem Hylianisch und spukten verächtliche Worte aus ihren zerfetzten, entstellten Mündern. Sie versuchten den Helden zu umzingeln, schickten schnellere Reiter nach vorne, aber noch war das Glück auf Links Seite. Geschickt lenkte er Lady durch die von Moblins erschaffene Barriere und versuchte das sich immer schwerer anfühlende Schwert von Arn Fearlesst in die gefräßigen, teuflischen Reittiere zu rammen. Aber seine Kräfte schwanden und die oberflächlichen Fleischwunden, die er den Bestien zufügen konnte, stachelten die Kreaturen nur noch mehr auf.

Und dann endlich konnte er wenige Meter vor ihm, in verhüllender Dunkelheit und an der Grenze zu der Provinz Faron, sein Ziel entdecken. Der vor vielen Jahrhunderten errichtete Tempel der Destinia erhob sich stolz und wehrte sich gegen den Zerfall und die Zeichen der Zeit. Der vergessene Tempel war eine Einzigartigkeit hylianischer Baukunst und vor Jahrhunderten aus dunklem, obsidianartigem Gestein erschaffen worden, das wie ein glänzender Nachthimmel funkelnde Lichtstrahlen verschluckte. Auf einem splitternden, riesigen Fels, der sich aus der tiefen Schlucht erhob, war dieses Monument errichtet worden. Majestätisch lag der Tempel dort, reckte sich alte Götter lobpreisend in die Höhe. Sieben Brücken, teilweise zerstört, führten zu dem pyramidenähnlichen Bauwerk, an dem Nässe glitzere, die von dem schwärzlichen Gestein abgesondert wurde…

Link war bereits einmal hier um die vielen Höhlen im Tempel zu erkunden, teilweise auch auf Schatzsuche… und er wusste jener verhängnisvolle Ort hatte viele Geheimgänge und Fallen, die ihn vor den Dämonen schützen konnten. Er preschte durch das trockene, brüchige Gras auf eine der sieben Brücken ohne Brüstungen zu, fühlte sich müde und matt und spürte, dass ihn seine Kräfte mehr und mehr verließen. Seine Glieder zitterten und sein Herz pumpte beinah unregelmäßig, ließ ihn frieren und schwitzen zugleich. Er blickte angstvoll zurück und hatte die Befürchtung ein weiterer Krankheitsschub könnte ihn einholen und diese Verfolgungsjagd schneller entscheiden als er erhofft hatte. Seine rechte kalte Hand wanderte zu seiner ledernen Gürteltasche. Er fühlte das durchmischte Elixier der Tränen der Nayru dort, betete inständig, dass er es nicht schon wieder einsetzen musste…

Weitere Schneekristalle glitten vom stürmischen Nachthimmel, als Link endlich eine der steinernen Brücken über die Schlucht zu dem Tempel passierte. Er spornte die erschöpfte Stute noch einmal an, verpasste ihr sanfte Tritte mit beiden Oberschenkeln und hörte, wie ihre klappernde Hufe auf dem stabilen Gestein der Brücke klirrten. Er ritt zügig weiter, reckte seinen jugendlichen Schädel zurück und sah die Dämonen ebenfalls die Brücke passieren. In dem Augenblick spannten die Dunklen erneut ihre mörderischen Pfeilgeschosse, denen Link bisher geschickt ausgewichen war. Die Bestien brüllten und es war da, dass der Anführer der Dunklen ein weiteres Mal sein riesiges Horn erklingen ließ. Es donnerte eine grausige Melodie in die Nacht, und es rief diejenigen, die ihre Herzen bereits für teuflische Sünde und Rache geopfert hatten. Es ließ die Welt vibrieren, entzweite Schwaches, entzweite Vergangenes und Reines…

Hetzend überquerte der junge Held die Passage, schaute in die unendlich scheinende Tiefe rechts und links von sich und hörte die reißenden Sehnen der dickstämmigen Bögen hinter sich. Es war wie als tickte die Zeit langsamer. Er konnte die mit Horn überwucherten Klauen der Moblins spüren, sah ihre entstellten Finger sich an den scharfen Sehnen schneiden und wie jene die giftigen Geschosse mit der Gewalt der Bögen auf ihr Ziel lenkten. Link kniff seine Augen zu, schnellte auf Lady immer weiter, als die Pfeile zischten. Nur jetzt konnte er dem Pfeilregen kaum mehr ausweichen. Die schmale Brücke bot nicht viel Spielraum und als er zurückblickte, die Geschosse im Visier, riss er seinen Schwertarm kreischend herum, zerteilte einige Pfeile, aber konnte bei weitem nicht alle abblocken. Weitere Pfeile wurden von den finsteren Kreaturen durch die eisige Luft befördert, und als Link Lady zögernd nach rechts steuerte, prallten weitere Pfeile nieder. Ein Pfeil sauste knapp an Links Gesicht vorbei. Ein weiterer schnitt an seinem rechten Bein entlang. Ein heftiger Schrei aus Links Kehle dröhnte in den Abgrund. Zähneknirschend presste er seine rechte Hand auf die nicht tiefe, aber brennende Fleischwunde. Lady wieherte panisch, bockte schließlich und folgte Links Befehlen nicht mehr. Sie bäumte sich auf, trat mit ihren Hinterläufen aus und als der nächste Pfeilregen folgte, erwischte jener das schlanke, muskulöse Tier am linken starken Oberschenkel. Lady entließ ein Geschrei, das die Tiefe der gigantischen Schlucht ausfüllte, bretterte noch einige Meter und knickte mit ihrem linken Hinterbein weg. Der einsame Reiter wurde knackend niedergeworfen, verhedderte sich im rechten Steigbügel und wurde einige Meter weit mit gezerrt. Link brüllte aus Leibeskräften, stürzte endlich zur Seite, als das schwere Tier winselnd niederschlug. Schreiend hing der Held halb über der Kante in den Abgrund, und war mit dem rechten Fuß unter Ladys schwerem Körper begraben. Link war am Rande der Bewusstlosigkeit, als das angsteinflößende Horn des Anführers ein weiteres Mal erklang. Das Triforcefragment des Mutes flackerte kurz auf, aber erlosch dann wirkungslos, es schwieg, so wie das einstige nun so leere Kämpferherz. Wie in Trance konnte Link sehen, dass die Dämonen näher hasteten. Ihre schmierigen vernarbten Häupter grinsten. Ihre Stimmbänder vibrierten siegessicher. Und vielleicht war es nun endlich Zeit, dass der vergessene Heroe die Niederlage erfahren musste, die er immer fürchtete. Es war Zeit zu verlieren… Zeit schwach zu sein…
 

In der entseelten Nacht tanzten die Schneeflocken bemitleidend auf das von triefenden Kratzern übersehene Gesicht des Jungen mit dem einzigartigen Schicksal. Er hing kopfüber an der abgewetzten Brücke, verloren und von seinen Schutzgeistern verlassen. Das wimmernde Gestöhne der leidenden Stute vermischte sich mit seinen hechelnden Atemzügen. Er presste die Lippen aneinander. Seine kalten Hände umfassten das eisige Gestein und er zog sich unter Aufbietung all seiner Kräfte etwas zurück auf die Brücke. Sein rechter Fuß pochte wahnsinnig, als er ihn geradeso unter dem schweren Gewicht der verletzten Stute hervorziehen konnte. Sein Blick wanderte von den Blutschatten und Moblins, die hämisch lachend in seine Richtung stapften, zu dem winselnden Getier. Blut sickerte aus den Nüstern des schönen Pferdes von Nicholas. Weitere Pfeile hatten sich in den Rücken von Lady gebohrt…

„Denkst du, du kannst uns entkommen?“, rief der Anführer der Dunklen, ein breiter Krieger, dessen Kapuze im Mondlicht, das spärlich die Wolkendecke durchdrang, schimmerte. Just in dem Moment fiel die Kapuze hinab und gab sein Antlitz preis. Eine Bestie geschaffen aus Moblinfleisch und hylianischem Wahnsinn. Seine rubinroten Augen blitzten messerscharf durch die Nacht und blieben auf Link haften.

„Es tut mir leid…“, murmelte Link, streichelte kurz über das schöne, rehbraune Gesicht des anmutigen Pferdes und begann zu flüchten. Auf allen vieren krabbelte der verletzte Ritterschüler vorwärts. Er wirkte erbärmlich, wie ein gefallener Held, der sich den Monstern Hyrules zu Füßen warf. An dem Schwert in der Linken zog er sich in die Höhe, kreischte markerschütternd, als er versuchte auf dem rechten Fuß zu gehen. Link humpelte dann grimmig vorwärts, direkt auf den Tempel zu.

„Du wirst bluten, Held der Zeit!“, rief der Dämon. Seine schweren Stiefel gruben sich wuchtig in den Boden. Hinter ihm krochen Moblins und weitere Blutschatten her. In schwarzen Mänteln gekleidete Kreaturen, menschlich, aber verdorben, mit einem weinroten Dreieck auf der Stirn. Ihre langen, schmalen Leiber tanzten über die Brücke, erinnernd… so wahnsinnig vertraut…

„Dein Blut wird das Gestein benetzen… und in den Abgrund sickern, bis nichts mehr von deinem Lebenssaft übrig ist!“, rief der blonde Mann und blies ein weiteres Mal in sein Horn, doch nun war der Ton ein anderer. Es wirkte beinah, als zerstückelte das hohe Fis die Realität, schallte hinein in eine andere, neue Wahrheit und rief etwas herbei, das die Welt verändern würde.

„Lauf nur weg!“, lachte der Mann spöttisch, trat siegessicher weiter. Seine großen Schritte holten den verletzten, humpelnden Schüler mit Leichtigkeit ein. Verachtend schaute Link zurück und zog sich dennoch weiter. Er würde nicht aufgeben, nicht durch die Hand solcher Wesen, die Hyrule allein mit ihrer Existenz folterten. Er grinste halbherzig… Es war wie die graue Hexe gesagt hatte… Er würde kämpfen müssen als Held der Zeit auch unter der Bedingung mit einem grausamen Fluch beladen zu sein. Dann blieb er einfach stehen, den Kreaturen den Rücken zugewandt. Eine ungewöhnliche Ruhe ging von ihm aus. Schwer atmend wand er sich um seine eigene Achse, als auch seine zwanzig Verfolger stehen blieben. Links Haupt war gen Boden gerichtet und sein goldenes Haar fiel verdeckend über Augen und Nase. Lediglich seine aufgeplatzten Mundwinkel konnte man sehen, die sich in die Breite schoben. Dann lachte er, als hätte der Wahnsinn dieser Verfolgungsjagd die Vernunft aus seinem Kopf vertrieben.

„Und was ist mit euch gottlosen Kreaturen? Blindlings und ohne Verstand reitet ihr alle hinter mir her… erbärmlich… Rund fünfzig Kreaturen. Und die Hälfte von euch sind mir in die Falle gegangen. Glaubt ihr wahrlich, es bedarf so viele Monster mir den Kopf anzureißen? Ihr seid nichts weiter als gehirnloser Dreck.“ Link spuckte Blut, das von einer aufgeplatzten Lippe in seinen Mund gewandert war.

„Du wagst es noch dich über uns lustig zu machen!“, brüllte der Halbhylianer. Er ließ sein gigantisches kreideweißes Horn zu Boden fallen und schien sich für den Angriff zu rüsten. „Du hast keine Ahnung, mit wem du es zu tun hast. Mein Meister wird dich zum Winseln bringen und den restlichen Mut aus deinen Venen hinaus prügeln.“ Unbeeindruckt umfasste Link die Klinge von Arn Fearlesst energischer, blickte hinter sich zu dem einladenden Eingang des Tempels, der zum Greifen nah war und wieder nach vorn, wo der blonde Dämon in stapfenden Schritten auf ihn zulief.

,Jetzt oder nie‘, dachte Link, drehte sich um seine Achse und sputete sich. In humpelnden Schritten hetzte er weiter, sah sein Ziel so nah, dass er hoffnungsvoll lächelte, aber gerade in dem Augenblick, wo er den Eingang passieren wollte, gerade da, als er Sicherheit finden wollte, prallte er mit voller Wucht gegen eine Barriere, unsichtbar, aber stark und unüberwindbar. Link knallte schreiend einige Meter zurück, schaute entsetzt zu dem Eingang, der durch ein magisches Schild geschützt schien und blickte noch entsetzter drein, als ein mit schwarzer Farbe bemalter und Stahl gestärkter Stiefel neben ihm auf dem Gestein rieb. Verächtlich stand der Halbhylianer mit dem schütteren blonden Haar direkt vor ihm, grinste köstlich und schüttelte schadenfroh seinen Schädel. Noch ehe der Ritterschüler das Schwert in die Höhe heben und sich aufrichten konnte, trat der Bastard mit seinen schweren Stiefeln auf dessen linke Hand und leckte sich währenddessen über seinen lippenlosen Mund. Immer fester trat er zu. Link schrie so laut wie lange nicht mehr und schaute den Dämon von unten herab an. Links schöne Gesichtszüge verzerrt zu einem Trauerspiel. Der Schmerz hatte Wasser in seine Augen getrieben. Aber er würde nicht einbrechen und nicht winseln, nicht zum Gefallen einer Bestie wie dieser. Dann packte der Kerl ihn am Kragen und hob ihn mit Leichtigkeit in die Höhe.

„Dachtest du wahrlich, du hättest eine Chance? Unser Meister ist deinen einfältigen Plänen lange voraus…“, zischte er und umgriff mit seiner kalten Hand eisern Links Kehle. Er röchelte, öffnete seine tiefblauen einen Spalt und kämpfte gegen die Bewusstlosigkeit, die sein Körper seinem Willen aufzwang. Der Mann näherte sich seinem Gesicht und flüsterte mit einem dampfenden, nach Schwefel stinkenden Atem in sein linkes spitzes Ohr: „Er ist nah… er wird gleich hier sein und dich begrüßen… schon lange wünschte er sich ein Wiedersehen mit dem einen Helden…“ Link öffnete ein Auge blinzelnd, blickte herausfordernd in die rubinroten Augen des Dämons und umfasste mit seinen beiden schwachen Händen dessen Klauen, die seine Kehle zerquetschen wollten. Er hatte die Worte des Dämons kaum verstanden, aber er hatte das Wort ,Wiedersehen‘ vernommen. Was meinte der Kerl mit Wiedersehen?

Link konnte seinen Gedanken nicht zu Ende denken, als er ein weiteres Mal gewaltvoll durch die Luft befördert wurde und knackend auf dem leblosen Gestein der Brücke aufschlug. Er krümmte sich, hielt sich mit beiden Händen seinen Magen und schaute in den düsteren schwarzgefärbten Himmel, der sich ein weiteres Mal entlud. Doch nun fielen keine Schneeflocken mehr vom Himmel. Blitze zuckten über den Horizont, die keinen natürlichen Ursprung haben konnten. Diese Nacht war der Anbeginn einer Veränderung in Hyrule, die nur zu einer gewaltigen Schlacht führen konnte…

„Sieh‘, Held! Sieh‘ denjenigen, der rechtmäßig und allein diese Welt beherrschen sollte. Sieh‘!“, rief der Anführer und deutete mit seinem muskelbepackten Arm zu dem Eingang des Destiniatempels, dort, wo eine magische Mauer Link an seinem weiteren Weg gehindert hatte. Und dort, wo die Realität eine andere messerscharf trennte, wo Gesetze verrücktspielten auf ewig, missbrauchte eine niedere Gestalt heilige Mächte. Stück für Stück, kaum erfassbar für das Auge eines Hylianers, und nicht hörbar mit den so ausgeklügelten, spitzen Ohren der Elfen, öffneten sich in der Nacht vergessene Tore. Die Blutschatten hielten mittlerweile rauchende Fackeln in den Händen und stapften mit ihren schweren Stiefeln auf den Boden, produzierten trommelnde Geräusche für ihren einzigen Meister. Und als ein funkelndes, leises Knacken, ein Riss, weißleuchtend und grausam, in der Luft entstand und sich schneeweiße Finger mit spitzen Nägeln durch die Ritze schoben und das Portal vergrößerten, gingen alle Blutschatten und Moblins zu Boden, verbeugten sich vor ihrem Herren, der diese Welt und Zeit verändern würde. Und plötzlich zersprang das Portal und ein Dämon ohnegleichen, einzigartig und stark, erhob sich selbstherrlich in diesem Hyrule…

Betäubt von seinen brennenden Wunden, aber bei Bewusstsein, sah Link auf und spürte eine Grausamkeit und Verdorbenheit, die er seit der Begegnung mit Ganondorf nicht mehr erfahren hatte. Wer war dieser in dunklem Leder gekleidete Dämon vor ihm, dessen breite, athletische Gestalt teilweise von einer tiefroten Rüstung bedeckt, stark und durchtrainiert war? Wer, bei Farore, war dieses Ungetüm mit der ungeschundenen, beinah reinen Haut und der düsteren Aura, die jegliches Licht verscheuchte? Er kannte jene Gestalt nicht, war sich sicher, dass er ihm noch nie begegnet war und trotzdem erschien er ihm vertraut…

Des Helden zitternden Arme hielten sein Gewicht kaum aus und doch stemmte er sich in die Höhe. Link würde vor einer Bestie wie dieser niemals niederknien. Wackelnd kam er auf seine Beine, hechelte wie ein sterbendes Lamm, aber brachte seinen Körper über dessen Grenzen der Belastbarkeit hinaus. Sein Fuß schmerzte elend und war vielleicht gebrochen. Seine linke Hand war verstaucht und er wäre einige Zeit nicht in der Lage ein Schwert zu halten. Sein Hals brannte wie Feuer, aber all dies hinderte ihn nicht daran dem Bösen die Stirn zu bieten. Einen Trumpft hatte er noch… Zaghaft wanderte Links Rechte zu seiner Gürteltasche, dort wo die Tränen der Nayru in dem winzigen Gefäß pulsierten. Wenn er es nur schaffte, das Elixier zu benutzen, könnte er vielleicht durchhalten…

Doch Link zögerte, als der Dämonenlord seine rechte Hand in die Höhe streckte und mit dem Zeigefinger pendelte. „Ei ei ei…“, sprach er mit einer Stimme, die in der Luft vibrierte. Es war wie als nutzte jener Kerl mehr Stimmbänder als ein wachsendes, gewöhnliches Wesen überhaupt hervorbrachte. Der Klang seiner Stimme, beinah anmutig rein, und doch bösartig und schrill, sauste über die Brücke, drang in die Schlucht vor dem Tempel und endete mit einem langgezogenen Echo.

„Das wird dir nicht helfen… nicht in meiner Gegenwart…“, zischte er. Und Augen erfüllt mit allen Farben, unrein und verräterisch, kamen unter einer langen Kapuze zum Vorschein.

Link schluckte, nahm die Tränen der Nayru dennoch an sich, schlang einige schwarze Perlen herunter, aber es war, wie der Dämon angekündigt hatte. Nichts passierte… weder sein Fuß, noch seine Hand heilten, und sein Körper blieb erschöpft und matt wie vorher auch…

Sein Gegenüber klatschte mehrfach, bat um Applaus für die Demonstration seiner einzigartigen Fähigkeiten und erhielt Beifall von seinen Untergebenen. Dann endlich zog er seine blutrote Kapuze von seinem geschminkten, mit sonderbaren Zeichen bemaltem Haupt. Er hatte ein langgezogenes, ebenmäßiges Gesicht, schmal und mit hervorstehenden Wangenknochen. Symbole in Dunklem Hylianisch, die für den Begriff ,Krieg‘ standen, bedeckten seine knappe Stirn und reichten bis zu einer eher breiteren Nase. Seine Haut war hell wie die eines Menschen. Und von seiner Stirn an die Schädeldecke spaltend war ein flammendroter Zopf geflochten und lief bis in seinen Nacken hinein.

„Du scheinst nicht gerade erfreut zu sein mich zu sehen, ewiger Held…“, sprach er spöttisch und trat näher. Das Leder seiner Kleidung spannte knirschend, als er sich bewegte. Und als er näher trat, sprangen dem jungen Heroen die seltsamen Gegenstände ins Auge, die der Dämon an sich trug. Gegenstände, geformt aus dem eigensinnigen Metall jener Dreizehn Schlüssel, von denen Link auch jetzt einen bei sich trug.

Angewidert wischte sich Link über seine aufgeplatzte Oberlippe und sprach murrend: „Wer bist du?“ Er hatte Mühe sich auf den Beinen zu halten und stützte sich auf seine Knie. Herausfordernd blitzten Links tiefblaue Augen in Richtung seines Gegners.

„Oh, bei Destinia, der arme Held kann sich scheinbar nicht an mich erinnern“, lachte sein Widersacher, hob seine Hände sich lobpreisend in die Höhe, öffnete seinen schmalen Mund und atmete die eisige Nachtluft genießend ein.

„Ist das nicht verblüffend, meine Kreaturen“, rief er in die Stille der Nacht. „Der Held kann sich nicht erinnern!“ Trunken angesichts seiner Überlegenheit ließ er seine Stimmbänder rollen und sein feindseliges Jauchzen vermischte sich mit dem wahnsinnigen Gelächter der Blutschatten und Moblins hinter Link.

In Sekundenbruchteilen wirbelte der Mann näher und stand direkt neben dem vergessenen Heroen. Er neigte seinen teilweisen kahlen Schädel zu ihm und flüsterte: „Ich bin… derjenige, der dich töten wird… Du bist eine bemitleidenswerte Kreatur, Held… Denn weder die Macht deines Mutes, noch sonst etwas, gibt dir das, was du brauchst. Ich habe dein Leid gesehen, mich daran ergötzt, es genossen wie in keinem Moment vorher, denn ich habe dich die gesamte Zeit beobachten lassen und nichts hast du gespürt, nichts hast du erahnt… Du kämpfst erbarmungslos gegen die Ketten, die dich im Augenblick bannen, aber du wirst nicht in der Lage sein, diese zu brechen, weil ich es so will…“ Amüsiert stolzierte er wieder in Richtung des alten Tempels. „Du hast keine Vorstellung von den Dingen, die in Hyrule geschehen sind und noch geschehen werden. Und weißt gerade mal einen Bruchteil der Grausamkeit, die deine Seele bereits ertragen hat. Du weißt nichts über deine eigene Mordlust, den unzerstörbaren Trieb nach Kampf und Brutalität in deinem Herzen. Du ahnst nicht, wie viele Wesen an deiner Klinge bereits verendet sind, und noch verenden werden… Aber ich, so wahr ich hier stehe im Angesicht der freien Nachtluft Hyrules… und im Angesicht der Göttin des Mondes… und als Richter über deine Scheußlichkeit… ich werde nicht zulassen, dass du uns vernichtest, ewiger Held! Denn wir sind die rechtmäßigen Herrscher über dieses Land, nicht diese widerliche Brut der Hylianer!“ Und je länger er redete, umso lauter und energischer wurden seine grausamen Worte.

Benommen lauschte Link den Worten der Bestie, die eine sehr mächtige und furchteinflößende Aura besaß. Und Link spürte, dass er, selbst wenn er völlig fit wäre, kaum eine Chance gegen diesen Bastard hatte. Gedemütigt sah der junge Mann zu Boden, schämte sich seiner selbst und konnte kaum verstehen, wovon dieses machtbesessene Scheusal redete.

„Ich sag‘ dir, wer ich bin… obwohl ich dies schon einmal tat…“, flüsterte der Kerl, und schnippte mit seinen langen, schmalen Fingern. Und als das Schnippen verhallte, zu schnell, als dass Link irgendwie reagieren konnte, schossen mindestens zehn grobgliedrige Ketten, kalt und scharf, aus dem Gestein der Brücke, rissen an den Armen des um sich schlagenden Heroen, wanden sich um seinen Hals und seine Hüfte und rissen ihn nieder. Ein quengelnder Laut entbrach dem Mund des jungen Burschen, als er niedergerungen seinem Ende entgegen sah. ,Es war vorbei…‘, summte er in seinen Gedanken. ,Endlich war es vorbei… Verzeih‘ mir, Zelda…‘ Er formte Worte mit seinem Lippen, die er nicht aussprach. Wie in Trance, lethargisch, beinah leer, sah er in die Augen der letzten Kreatur, die er glaubte zu sehen. Er wusste, dass er diese Ketten kaum sprengen konnte, dafür fühlte er sich zu schwach. Und das Fragment in seiner Hand schwieg, vielleicht auch wegen der gewaltigen Übermacht der kampfbereiten Dämonen um sich herum.

„Jeder kniet vor mir… selbst du…“, zischte er und blickte den Fünfzehnjährigen herablassend an. „Ganz allein vor mir kniet alles… denn ich bin ein König unter den finsteren Geschöpfen der Welt. Ich bin Lord Chadarkna… Und mein Name soll als letztes Wort von deinem Lippen klingen, erst dann erfahre ich Genugtuung… Ich will dich betteln hören… schreien nach deiner armseligen Prinzessin Zelda…“ Und als der Name seiner Seelenverwandten fiel, schien es, als flackerte das letzte bisschen Stärke und Mut in Links Körper auf, als brach allein ihr Name seine Trance. Aber Link sprach kein Wort. Er hatte genug geredet. Er war dem Reden mit solchem Abschaum überdrüssig. Seine tiefblauen Augen schimmerten in einem Glanz, der nicht zu brechen war. Selbst in dieser aussichtslosen Lage, war keine Angst in Links Seelenspiegeln zu finden. Vielleicht würde er aufgeben, vielleicht war es zu spät, aber er würde Furcht niemals zeigen…

Einmal mehr lachte der Dämon kollernd, reckte sein blasses Haupt in die Höhe und strich sich durch das spärliche Haar auf seinem kantigen Schädel. Als schwebte er über den Boden, hastete er erneut näher zu Link, berührte sein Kinn und rückte das Gesicht des Helden in seine Richtung. „Du könntest ein so wundervoller und kräftiger Dämon sein, zu schade, dass du nicht willst… Es gibt andere vor dir, die meine schöpferischen Fähigkeiten mit Demut angenommen haben.“ Und der Dämon ließ seine gelblichen Augen zu dem blonden Halbhylianer wandern. „Wie dem auch sei, du besitzt etwas, das mir gehört…“ Und der Chadarkna wühlte in Links Gürteltasche herum, interessierte sich scheinbar für die Tränen der Nayru, aber umgriff dann einen Gegenstand, den Link eigentlich in die Obhut Zeldas geben wollte. Kreischend vor Freude hob der Chadarkna das kupferne Männerarmband in die Höhe, das ein Mädchen dem Helden geschenkt hatte. Aber wie konnte der Dämon davon wissen?

„Ei ei ei…“, hauchte der Dämon „Wer hätte gedacht, dass du hinter den Dreizehn Schlüsseln her bist, was? Nur… zu schade, dass du das nun schon zum zweiten Mal machst…“ Sich amüsierend über Links überraschtes Gesicht und seine Unwissenheit erschufen sich dutzende Lachfalten im Gesicht seines Peinigers. Und auch die Blutschatten und Moblins grölten gehässig. Aber Link schwieg. Was sollte ihn in dem Augenblick noch verwundern? Ja, allmählich passten die vielen Puzzleteile zusammen. Er hatte ohnehin geahnt, dass er in irgendwelche Machenschaften verwickelt war… warum sonst sollte er verflucht sein? Und nun hatte er endlich eine Antwort…

„Zur Belohnung, dafür, dass du mir diesen Schlüssel so gnädig und dankbar überreichst, werde ich dir etwas zeigen, bevor wir uns hier in dieser Zeit verabschieden… eine Wirklichkeit, die wunderschön ist und dir einen Pfahl ins Herz stoßen wird…“ Damit kniete der Bastard nieder und schaute mit seinen gelblichen Glaskörpern und den vielen blutigen und ockerfarbigen Splittern in der sonst schwarzgrauen Regenbogenhaut in Links wunderschöne, leuchtende Augen.

„Wir Chadarkna sind ein in Magie bewandertes Volk gewesen, bevor ein Held uns beinahe auslöschte… Wir verfügen über Mächte, die ganz Hyrule entstellen könnten… ich kann Dinge tun, die du dir in deinen schlimmsten Träumen nicht ausmalen kannst… ich kann die Wirklichkeit zerreißen, noch ehe deine Prinzessin irgendeine Vorahnung davon hat… und nun sieh‘ genau hin und höre, fühle und leide, zerbreche…“ Und obwohl Link es nicht wollte, konnte er diesen widerlichen hypnotisierenden Augen kaum ausweichen. Da war ein Druck, der von dem Chadarkna ausging, den Link nicht wegschieben konnte. Ein Zwang, hetzend und folternd… reißend und gnadenlos…

Und wenn man genau hinblickte und in diese tiefblauen Augen eintauchte, waren dort Bilder, die der Chadarkna zermürbend direkt in Links Gedanken einpflanzte. In den schwarzen Pupillen liefen Bilder ab, Geschehnisse, die hätten sein können und die Links Herz bereichert hätten… Seine Seele wurde schwer, wurde in einen dumpfen Schlaf gewogen, als er Schönheit sah… und unerschöpfliche Wärme…
 

Der junge Heroe blinzelte, war sich nicht ganz sicher, was geschehen war und spürte dann das holpernde Auf und Ab des vertrauten Pferdes, auf dessen Rücken er saß. Er zwinkerte, streckte sich und gähnte dann. Im ersten Augenblick war er völlig irritiert, was geschehen war, aber dann füllte sich sein Bewusstsein mit Wissen und der Erinnerung daran, wo er war. Er wischte sich den restlichen Schlafsand aus seinen Augen und rückte die grüne Mütze auf seinem Kopf zurecht. Er musste eingeschlafen sein, warum und wieso, entschied er nicht zu hinterfragen. Und dann besann er sich weiter, entließ seinem Mund ein erneutes herzhaftes Gähnen und blickte lächelnd um sich. Er ritt gemächlich auf der größten Handelsstraße Hyrules und war nicht weit entfernt vom Schloss. Links und rechts von sich lagen die Hügel der gigantischen Steppe Hyrules, die wie giftgrüne Wellen in der Weite untergingen. Er lächelte und je mehr er lächelte, umso klarer wurde in dem Augenblick seine Absicht und das, was hinter ihm lag. Er war zurück in der Heimat, nach vier langen Jahren von Abenteuern, und hatte, nachdem er den Hafen Hyrules verlassen hatte, nur einen ehrlichen und innigen Wunsch. Er wollte ins Schloss reiten und Zelda sehen. Sein Grinsen wurde breiter. Er malte sich in Gedanken aus, wie es sein würde, Zelda zu besuchen, ihr von den Abenteuern zu erzählen und dachte an ihre Eleganz und ihre wunderschönen Augen, als die kluge Stute unter ihm energisch wieherte. „Ich weiß, Epona, es ist nicht mehr weit!“, sprach Link erheitert. „Dann kriegst du deine Mahlzeit.“ Er freute sich, fühlte sich frei und sicher, genoss den friedlichen hylianischen Wind, der um seine Ohren blies und hatte auf seinen Gesichtszügen den Mut und die Willenskraft, die ihm zustanden, die ihn auszeichneten. Geschwind ritt er dahin, prachtvoll, und als der eine Held, der er doch war.

Er erreichte die Hauptstadt, wurde dann im Schloss von den Wachen erfreut empfangen und erhielt sofort eine Audienz bei dem König Hyrules und seiner Tochter. Mit seinem fünfzehnjährigen Antlitz, kampferfahren, gereift und sehr ansehnlich trat der Heroe vorwärts. Eine sattgrüne Tunika mit goldenem Saum bedeckte seinen durchtrainierten Körper. Schulterplatten aus silberweißem Stahl, Beinschoner und ein feines Kettenhemd machten ihn stattlich und ließen ihn als den starken und kampfbereiten Helden erkennen, der er sein musste. Ein glänzendes Schwert und langer dunkler Umhang waren an seinem Rücken befestigt. Zielsicher trat er vorwärts, edel und zufrieden. ,Endlich‘, dachte er. Endlich war er hier, zurück in Hyrule, dem Land, das von all den Ländern, die er während seiner Reise besucht hatte, doch am legendärsten und prachtvollsten war. Und er hatte viele Länder gesehen…

Als ihm die schweren Tore in den Königssaal geöffnet wurden und er mit seinem beneidenswerten Grinsen in den Raum eintrat, erhoben sich sofort die Ritter, die allesamt an einer langen Tafel saßen. Sie klatschten, zollten ihm den Respekt und die Achtung, die ihm zustanden. Und Harkenia von Hyrule in seiner roten Gewandung und goldenen Rüstung, stolz und erfreut, erhob sich ebenfalls, lächelte begrüßend und deutete Link an näher zu treten. Und neben dem König auf ihrem Thron saß das wohl zauberhafteste Geschöpf, dem Link je begegnet war. Sie trug ihre königliche Gewandung, jene Tracht, die er an ihr in der alternativen Zeit gesehen hatte und sie war… auch mit dem einfühlsamen Lächeln und den kristallenen Freudentränen in ihren warmen Augen… einfach wunderschön… Links tiefblaue Augen blieben auf ihrem würdevollen Abbild haften und seine Augen verloren sich in ihren. Selbst er, als Heroe, der immer stark und gefasst war, spürte nun so etwas wie Freudentränen, die aus seinen Augen quellen wollten. Zuerst wusste er nicht, was er noch tun sollte. Wenige Meter vor dem Thron blieb er stehen und starrte die Prinzessin wie hypnotisiert an. Alles, was er wollte, was er jemals von ganzem Herzen begehrte, verkörperte dieses Mädchen, das sein Schicksal teilte. Und sie lächelte, sie lächelte so tiefsinnig, dass es ihm das Herz wärmte und er wusste, dass er willkommen war.

Unsicher, was wohl in dem Moment von ihm verlangt wurde, sah er Boden, aber das mutige, vielleicht auch etwas unverschämte Grinsen in seinem ansehnlichen Gesicht mit der spitzen Nase, den hohen Wangenknochen und den schönen Augen, blieb. Er sah wieder auf, wollte etwas sagen, aber kam dann nicht mehr dazu. Überwältigt von ihrer Freude und ihren angenehmen Gefühlen, sauste die Prinzessin in seine Richtung. Ihr langes, goldenes Haar flatterte im Wind, als sie sich zügellos in Links Arme warf. Auch er lächelte, packte sie an ihrer Hüfte und wirbelte sie einige Male durch die Luft. Herzhaftes Gelächter schallte durch den Königssaal und erst, als das freudige Lachen endete, umarmte er Zelda innig. Seine starken Arme hielten sie verträumt und liebkosend an sich gedrückt. ,Danke…‘, dachte er. ,Das war die schönste Begrüßung seines Lebens…‘ Genießend schnupperte Link Zeldas Duft nach frischen, strahlenden Blumen auf den Wiesen Hyrules und drückte sie immer enger an sich. Er murmelte dann Worte, die er noch nie gesagt hatte und in diesem Leben vielleicht auch niemals sagen würde… Denn von seinen spröden Heldenlippen erklang ein kleines Sätzchen träumerisch und ehrfürchtig, als er seinen blonden Kopf auf Zeldas Schulter drückte. Er sprach sehnsuchtsvoll und glücklich: „Ich bin zuhause…“

„Ich bin zuhause…“ Worte, die er für sich noch nie gespürt hatte. Worte, für die es doch kein Gegenstück gab. Und die hylianischen Windgeister trugen die Worte hinfort, bis in eine grausamere Zeit und Welt. Folternd flüsterte es: „Ich bin zuhause…“
 

Und jene wunderschöne Wirklichkeit, die in dem Herz des Helden lebte, atmete und an ihren Ketten riss, zersplitterte in dem Augenblick in Tausende Scherben… sie war vielleicht irgendwo geschehen, verunstaltet und letztlich zerrissen, leidend und weinend. Und von Links tiefblauen Augen, da er diese Bilder genossen und gespürt hatte, da er sich diese angenehmen Gefühle und Zeldas Nähe so sehr gewünscht hatte, tropften in dem Augenblick Tränen der Verzweiflung. Kummer, den er niemals zulassen wollte. Und es tat weh, unglaublich weh…

„Nein…“, murmelte er qualvoll. Denn er litt an den Bildern… er litt so sehr wie lange nicht mehr. Es zermürbte und folterte das von einer dicken Schale ummantelte Herz. Es war die größte Grausamkeit für den vergessenen Heroen zu realisieren, dass diese Bilder, jene, die er sich wie nichts anderes wünschte, irgendwo geschehen konnten und vielleicht sogar passiert waren… Es war für Link die größte Schande und Schmach aus dieser Realität zu erwachen. Sein ansehnliches Gesicht war niedergebeugt und zu Boden gerichtet. Seine verblassenden Tränen vermischten sich mit dem Blut seiner Wunden…

„Das ist es, was du hättest haben können, wenn du dich nicht in meine Pläne eingemischt hättest…“, zischte der Chadarkna und blickte den verzweifelten Heroen amüsierend von oben herab an. „Aber in diesem erbärmlichen, jämmerlichen Zustand habe ich dich damals nicht sehen können… es nicht genießen können, wie du bettelst und leidest… Und ich habe, bei Hylia, genug Keime in deinen Kopf gepflanzt um dich zu brechen, nur hast du dich bis zum Schluss tapfer geschlagen.“ Gerade da sah Link auf. Seine leuchtenden, wilden Augen blitzten und sahen den Dämon herablassend entgegen. Jetzt wusste Link wahrlich genug. Hatte dieser Abschaum ihn in seinen schwächlichen Zustand gebracht? Angewidert spukte Link auf die Füße des Dämons und versuchte zu grinsen.

„Danke für die Information…“, murmelte der einstige Heroe zynisch. „Wer immer du bist, die Hylianer werden dich vernichten…wenn nicht ich, dann ein anderer Held…“ Link würgte die Worte geradeso heraus, als sich die eisige Kette um seinen Hals enger zog.

„Niemand außer mir redet hier…“, zischte die dreifach gespaltene Zunge des Dämons. Er kniete nieder, streichelte die Kette um Links Hals und murmelte: „Was hast du gesagt, Held…“

Und obwohl die Ketten an seiner Kehle rissen, sich in seine Haut gruben und er heftige Schmerzen haben musste, brachte der Fünfzehnjährige würgende Worte aus seinem Mund: „Du wirst vernichtet…“

„Wie war das?“ Und einmal mehr zogen sich die Ketten enger, aber Link blieb standhaft, mit dem bisschen Mut und Stärke, die ihm geblieben waren. Der Schweiß perlte sich über seiner Stirn und er wurde so weiß im Gesicht wie die Schneeflocken, die vom Himmel fielen.

„Du…“ Link hechelte nach dem bisschen Luft, dass seine Luftröhre einsaugen konnte. „… wirst…“ Jegliches Blut aus seinem Gesicht verschwand, aber sein Wille ließ ihn das letzte Wort noch stur herauswürgen. „… vernichtet…“ Und gerade in dem Moment, bevor eine siegende Ohnmacht über den Helden kam, ließ der Dämon die Ketten wieder lockerer. Er drehte sich um seine Achse, klatschte in seine Hände und schien vor Freude zu zerbersten.

„Du bist herrlich… ja, so unglaublich herrlich, was für eine Kreatur der Nacht und des Wahnsinns… Wie kann die ärmliche Brut der Hylianer nur einen Mann hervorbringen, dessen Willen durch nichts zu brechen ist? Einfach legendär… atemberaubend… herrlich…“ Link hechelte, rang quälerisch nach Luft und spürte die eisige Nachtluft in seiner Lunge schlitzen. Er hörte mit zusammengekniffenen Augen zu, wusste, dass er keine Kraft mehr hatte länger zu bestehen, aber seinen Stolz würde er nicht wegwerfen. Er war vielleicht ein Schwächling geworden. Er hatte in letzter Zeit zu viele Tränen vergossen. Er war sich selbst fremd, aber seinen Stolz ließ er sich nicht nehmen…

„Ich dachte, es bringt nichts dich zu töten, du würdest eh nur wiedergeboren werden, genauso wie deine göttliche Prinzessin, aber jetzt erlebe ich Genuss und Befriedigung… Jetzt ist meine Stunde… Jetzt… jah… jetzt…“ Und je mehr der Dämon sprach, umso mehr schien er sich an seinen eigenen Worten zu ergötzen. Er schleckte um seine Mundwinkel, streichelte mit seinen langen, schmalen Fingern seinen Oberkörper und atmete geräuschvoll.

„Jetzt… jetzt werden wir herausfinden, wie viel du aushalten kannst, Held.“ Er kicherte dann, trat einige Schritte in Richtung der Blutschatten und Moblins, seiner niederen, verruchten Kreaturen, die er doch gezeugt hatte, die er allesamt begehrte. Und das nächste unerfreuliche Ereignis geschah in Form einer Erkenntnis, die Links Gemüt zusätzlich belasten würde. Und egal, wie viele heroische Taten Link in seinem Leben vollbracht hatte. Die meisten davon wären nicht in der Lage das Übel und Unverständnis wegzuwaschen, welches ihn gleich einnehmen würde.

„Komm‘ zu mir… meine wunderschöne… so unglaublich weibliche… singende Kreatur…“, sprach der Chadarkna, öffnete seine Arme für eine Bestie, die sich aus den Reihen der Blutschatten erhob. Mit unsicheren Schritten, närrisch und kichernd, trat das Wesen näher, und als jener Blutschatten eine schwarze Kapuze zurückschlug, konnte Link seinen Augen nicht mehr trauen. Die Rechtschaffenheit einst so lieblicher Wesen war übertüncht von dem schwarzen Gewand einer grausamen Realität, die der Chadarkna Hyrule aufzwang. Denn vor ihm grunzend, gefährlich und beseelt von niederen Trieben, stand eine alte Freundin, jemand, die wie keine andere es verstand mit Tieren zu sprechen, sich am Singen erfreute und stets gelächelt hatte…

Sie würdigte Link keines Blickes, sondern trat wie eine Untergebene dies zu tun hatte näher zu ihrem Herren und Meister. Sie schien Link nicht einmal zu erkennen und er zweifelte, ob in dieser Hülle noch etwas von dem einstigen Farmmädchen vorhanden war. In ihren Augen, die einst graublau waren, regierte eine erschreckende Leere und Gefühlskälte. Die Ausdruckslosigkeit in ihrem Gesicht zeugte von dem Nichts, das sich in ihrer Seele breit gemacht hatte. Ihr langes, kastanienbraunes Haar hing strubbelig über ihre abgemagerten Schultern…

Malon…

Der Chadarkna, erregt durch seine perversen Gedanken und besessen von Leid und Mordsucht, hatte ein neues Spielchen mit dem vergessenen Heroen zu spielen. Und für jenes Spielchen verwendete er gerne, wie er es formulieren würde, etwas feine Würze…

Er legte dem Mädchen einen starken Arm um die Schultern, schleckte mit seiner dreifach gespaltenen, violetten Zunge über ihre rechte Wange, aber sie rührte sich nicht. Ausdruckslos ließ sie sich von dem Dämon beflecken und benutzen.

„Gutes Kind…“, flüsterte der Chadarkna. Es war grauenhaft, dass er solche Worte überhaupt in den Mund nahm. „Liebes Mädchen“, seufzte er schnalzend. „Wir werden uns jetzt von dem ewigen Heroen verabschieden, seinen Geist zersplittern und seinen Körper zum Platzen bringen… Aber daran sollst auch du Genuss und Erfüllung erfahren. Und deshalb…“ Und der Dämonenlord ließ seine bleichen Fingerkuppen über Malons blutrote Lippen wandern, bis er ihre Lippen mit seinen Fingerspitzen öffnete. „Deshalb… sing‘… Singe für mich dein Heldenlied… Geschöpf der Nacht… Sing‘… so grausam wie vorher auch… Sing‘!“ Das tiefrote Dreieck auf ihrer Stirn begann zu funkeln, begann zu pulsieren und zu leben, fast wie ein übernatürlicher Mechanismus, der das Mädchen ein- und wieder ausschalten konnte. Marionettenhaft tapste sie näher zu Link, blickte ihn mitleidig an und setzte sich dann an den tiefen, elenden Abgrund. Sie pendelte mit ihren Beinen und begann zunächst zu summen. Sie stimmte sich ein für das Lied, das sich in Links Gedächtnis festbrennen würde. Und das Summen glitt hinüber in eine andere Zeit, stahl Wahrheit und Unschuld. Es summte fein und herzzerreißend, so schön… so wunderschön…

Und mit jedem weiteren Ton einer befehlsgewaltigen Melodie trommelte das einst so starke Herz in Links Brust energischer. Es war wie, als war da eine eisige Hand, die sein Herz zerquetschen wollte. Er keuchte, hatte das Gefühl Malons Melodie verursachte mehr Schmerzen als er in seinem Leben bisher ausgehalten hatte. Und dann, als sie endlich mit ihrer Strophe begann, bewegten sich die schweren, teilweise rostigen Ketten um Links Körper, schnitten heimtückisch und grausam, schienen wie Schlangen einer wahnsinnigen Melodie zu folgen…

„In Teufelsküche, dort lebt der Geschmack,

das Fleisch der Helden wird dort gehackt.“

Und die rupfenden Kettenglieder, ummantelt vom Reif der eisigen Nacht zogen sich einmal mehr enger um den geschwächten Körper des Jungen, der sich allein der Grausamkeit dieser Nacht stellte. Link entließ einen herzzerreißenden Schrei, spürend, wie die Ketten seinen Körper mit den trägen und folternden Bewegungen in Stücke zu reißen versuchten. Erbarmungslos quetschte das rostende, magische Eisen das Leben aus seinem Körper…

„Malon… hör‘ auf damit…“, würgte Link aus seiner Kehle und kämpfte gegen die Folter. Tief senkten sich die Fesseln in sein Fleisch, rissen an Nerven, zersplitterten Knochen…

„Malon…“, japste Link verzweifelt… Aber er würde sie kaum erreichen, sie war eine Marionette der Chadarkna geworden, folgte ganz allein den Befehlen der Dämonen und vielleicht war alles, was ihre Seele zusammenhielt, bereits gebrochen. Sie sang weiter, unbeeindruckt und gefühlskalt, während der Chadarkna seine Arme in die Höhe streckte und zu tanzen begann.

„Kommt trinkt mit uns den leckersten Wein,

das Blut der Helden, schenket uns ein.“

Und mit einer weiteren Strophe bewegten sich die Ketten schneller, fraßen sich tief in den schwachen Körper des Heroen. Hechelnd hockte der vergessene Held auf dem kalten Gestein. Er bekam kaum noch Luft und sein Herz pumpte hetzend, so hetzend, dass es in seiner Brust weh tat. Seine grüne Tunika war zerrissen und an den Ketten, dort an Hüfte, Hals, den Armen und Beinen, wo sie sich fruchtbar und hungrig in seine Haut gebohrt hatten, tropfte Blut. Link japste nach Luft, gefoltert und vergessen. Er wusste nicht mehr, ob er noch etwas anderes als Schmerzen fühlen konnte, sackte weg und sein blonder Kopf knickte vornüber, aber noch war er bei Bewusstsein. ,War das nun sein Ende‘, fragte er sich wie in Trance. Er konnte Stimmen in seinen Ohren hören, die leise und flüchtig beruhigende Worte hauchten und dachte daran, dass es vielleicht die Wesen sein würden, die Hylianer in das andere Reich brachten. Aber noch war es nicht vorbei… und bei all den Schmerzen, die der Held in der Lage war auszuhalten, bei all den Grausamkeiten, gab es doch Ereignisse, die seinen Körper noch weiter zermürben konnten. Denn der weibliche Blutschatten sang weiter…

„Im blutenden Hyrule, seht unsere Macht,

die Helden, sie fallen, lacht und lacht.“

Und diesmal, als Malon ihr Lied beendete, waren es nicht mehr die Ketten, die seinen Körper am schlimmsten entstellten. Mit einer gezackten, schwarzen Klinge, grinsend und befriedigt an Mordlust und Grausamkeit, stand der Chadarkna vor dem Heroen, leckte sich mit seiner gespaltenen Zunge über seine Lippen und lachte. Link sah die Klinge und wusste, dass es nun endgültig vorbei war. Sein Leben in Hyrule… seine Zeit als Hylianer… sein Schicksal… Er schloss seine blutenden Augen in seinem käseweißen Gesicht, wo sich schwache Punktblutungen zeigten. Und auf seinen verletzten Lippen hatte er den Namen der Prinzessin. Sie würde sein letzter Gedanke sein, das hatte er sich immer geschworen…

Der Chadarkna holte aus, bereit die Klinge in das Herz des jungen Mannes zu stoßen. Er lachte närrisch, übermächtig und wusste, dass der Tod des Heroen seine Pläne um ein Vielfaches voranbringen könnte. In einer ewigscheinenden Sekunde ließ er den Dolch in die Richtung des Herzen von Link gleiten. Ein weiterer Blitz zuckte über den Nachthimmel, als sich jedoch das Schicksal einmischte…

Eine silberne Klinge sauste nieder, traf das Teufelsinstrument des Chadarkna und beförderte seine Mordwaffe in den Abgrund. Noch ehe der Chadarkna oder irgendein Blutschatten in der Lage waren das Ereignis zu verstehen, sausten weitere Wurfgeschosse nieder, prallten mit Wucht in die Schwachstellen der Monster. Einige Moblins und Blutschatten knallten durch gezielte Attacken nieder und verloren den Halt. Brüllend verfielen sie dem Abgrund. Der Chadarkna wurde in seinen rechten Arm getroffen. Eine weitere saubere, scharfe Klinge hatte sich schrillend in sein Rückgrat gebohrt. Er fauchte und schaute um sich. Gezielt suchten dämonische Augen den Ursprung des Angriffs und sein Blick blieb auf einem hohen Plateau des Tempels haften. Eine magere Gestalt, gekleidet in einem weißen Mantel, gekrümmt von mehreren schweren Klingen, die er auf seinem schwachen Buckel geschnallt hatte, erhob sich auf dem höchsten Plateau des alten Destiniatempels. Er trug einen Helm, der sein Gesicht verhüllte, aber seine Klingen sprachen eine eindeutige Sprache…

Link versuchte noch dem Geschehen zu folgen, heftete seine verschwommenen Augen nach oben und spürte schließlich wie seine Wunden ihn niederrangen und in eine herbe Bewusstlosigkeit schickten. Die Ketten lösten sich im Nichts auf und sein Körper schlug knackend auf das Gestein…

Weitere Klingen donnerten nieder, bis die Blutschatten und Dämonen Pfeile spannten. Aber mit dem verhüllten Mann, der zielgenau seine Klingen pfefferte, gingen nun weitere Krieger in den Angriff. Nur wenige Meter vor der Brücke erschienen aus der Dunkelheit der nächtlichen Landschaft, kampfbereit und strotzend vor Stärke, zwanzig Reiter des Guten. Ein hylianischer Schlachtruf ging durch die Nacht, als die Reiter, allen voran Nicholas Doomrent, auf die Brücke hetzten und in einer kriegerischen Symphonie den Dunklen den Kampf ansagten. Mit lautem Getöse meuchelten die tapferen Reiter ihre Gegner nieder.

Angewidert trat der Chadarkna zurück, öffnete sein Portal in eine andere Wirklichkeit und sah dem Gemetzel zu. Er lächelte entzückt, warf noch einen Blick zu dem sterbenden Heroen und grunzte. Bewusstlos lag Link dort, geschändet und so stark verletzt, dass es für seinen verfluchten Körper noch länger dauern sollte, zu gesunden. Also was wollte der Chadarkna auch mehr? Er hatte einen weiteren Schlüssel, hatte den Helden ein weiteres Mal demütigen können und würde sich nun zurückziehen. Zügig schritt er durch das Portal, genauso wie der von einer Klinge am Bauch durchbohrte Halbdämon und einige Blutschatten wie Malon, die zwar verwundet, aber lebendig ihrem Meister folgten. Mit einem schrillen Knall schloss sich das Portal wieder und es war nur Nicholas, der versucht hatte den Dämonen zu folgen. Irritiert und fassungslos stand er dort, war außer Atem und blickte zurück, wo die Ritterschüler die letzten Moblins unschädlich machten. Die kräftige Gerudo Kramanzia war die erste, die an Links Seite niederkniete. Sie winkte Nicholas zu, der sofort näher hastete. Geschockt ließ er sich zu Boden sinken, und gemeinsam drehten sie den vergessenen Heroen auf seinen Rücken. Es hatte ihn so sehr erwischt wie in all den Kämpfen der alternativen Zeit nicht. Seine tiefblauen Augen waren geöffnet und leer. Betäubt richtete er seinen Blick in den düsteren Nachthimmel. Seine Arme und Beine waren von den Ketten zerquetscht worden und an den Stellen, wo die Fesseln ihre Arbeit geleistet hatten, waren die Blutadern so massiv durchtrennt, dass seine Glieder unzureichend mit Lebensenergie versorgt wurden. Sein Brustkorb hob sich ächzend, sackte knirschend zurück und ließ vermuten, dass seine Rippen gebrochen waren. Und überall dort, wo die Ketten vorher waren, konnte man hässliche Wunden, Fleisch und sehr viel Blut sehen. Kramanzia schluckte und drehte sich weg. Ihr wurde übel, und obwohl sie schon viele Wunden gesehen hatte, überforderte Links leidender Zustand ihr Gemüt.

Nicholas handelte schnell, zerriss seine Gürteltasche vor lauter Unruhe und hoffte, dass es noch nicht zu spät war. Verzweifelt stützte er Links Kopf mit einer Hand, als jener reagierte und tief nach Luft röchelte. Er schwitzte in seinem Todeskampf, zitterte und starrte Nicholas mit einem Ausdruck des Bettelns an.

„Es tut mir leid… deine Stute Lady…“, hauchte Link jämmerlich. Doch Newhead schüttelte beinah befehlend seinen Kopf.

„Bitte… sag‘ Zelda nichts… hiervon…“, stieß Link noch aus seiner Kehle, bevor Nicholas ihm ein starkes rotes Elixier mit Schlafmittel an die Lippen setzte.

„Hör‘ auf zu reden und trink‘ gefälligst, ich will nicht, dass du abkratzt!“, fauchte er. In einem Akt der Verzweiflung flößte Nicholas dem Jungen das Elixier in den Mund, war dabei ihm das zweite Getränk an die Lippen zu setzten, als aber das Schlafmittel wirkte. Links Körper entspannte, sank lasch zurück und die schlimmsten Wunden schlossen sich langsam, ganz langsam und stückchenweise. Sein Leben, das doch am seidenen Faden hing, war vorerst verschont…

Sein letzter Blick vor der tiefen Ruhe, die wie eine Welle über ihn schwappte, glitt hinauf zu dem höchsten Plateau auf dem Tempel, dort wo der Klingenwerfer gestanden war, aber auch jener war verschwunden, dann endlich fand Link Ruhe, fand Schlaf und Heilung…
 

Gerade da traten die Ritter, Soldaten und Ritterschüler, zum Teil verwundet näher, blickten bemitleidend zu dem Heroen und schwiegen. Eine unangenehme Stille erfüllte die Welt erneut, dort wo vorher die wahnsinnigen Klänge und grausamen Gesänge der Bestien herrschten. Es wurde still, dort wo Hyrules Geschichte eine Wende erfuhr. Es wurde still und tröstlich…

Und die Gedanken der wenigen Ritter, Soldaten und Ritterschüler kreisten um das, was edle Seelen ertragen konnten. Sie alle ließen ihre Häupter sinken und dachten mit Verwunderung und Respekt an den jungen, bewusstlosen Mann, der für andere zu viel ausgehalten hatte… Denn er hatte die Bestien von der Ritterschule weggelockt, zur Hälfte vernichtet und andere beschützt…

Wie konnte er nur so edelmütig sein dies durchzustehen? Es bedarf Jahrtausende… noch mehr… Jahrmillionen, um eine solche Seele zu finden. Und wenn die herrschenden Völker Hyrules Gerechtigkeit in all ihrer allumfassenden Form kennen würden… Wenn sie ahnen würden, was es kostete so gut und so mutig zu sein… Sie alle würden es nicht ertragen und dem Helden wünschen, dass all das, was er begehrte, in Erfüllung ging… Er hatte es nicht verdient benutzt zu werden… Er hatte es nicht verdient zu leiden, denn er war so viel mehr als ein Spielball oder jemand, den man verspotten durfte… er war so viel mehr als der eine Held, der in der Lage war, die Grausamkeit Hyrules zu verändern… Er allein, von all den legendären Seelen, hatte es verdient glücklich zu sein…

Das Training mit dem Fragment

Am Tempel der Destinia leuchtete ein kupferner Schimmer des Sonnengotts als erster Ruf des Lichtes, eine Welle wärmender Energie kündigte den Morgen an und schien besänftigend über das Schlachtfeld. Rauchwolken stiegen gen Himmel, rührten von den Feuern her, die die Ritterschüler entfacht hatten um die Überreste der Dämonen zu verbrennen. Schweigend verabschiedeten sich die Helden dieser Nacht von dem Schauplatz des Kampfes am Destiniatempel, ritten gemächlich und erschöpft zurück zur traditionsreichen Ritterschule, alle bis auf Nicholas Doomrent. Er vertraute Link der stolzen Gerudo Kramanzia an, der er von allen noch am meisten vertraute und blieb an diesem düsteren Ort um noch ein paar Nachforschungen anzustellen. Er hatte Kramanzia aufgetragen zunächst William Laundry und die Krankenschwester Eliza McDawn zu informieren, was die Gerudo ohne Umschweife tun würde. Mit dem bewusstlosen Link in ihrem Armen ritt die stolze Dame zurück zur alten Ritterschule.

Und dort in der Schule herrschte noch immer Aufregung und Tumult. Viele Schüler und auch die Mädchen der Benimmschule diskutierten lärmend im Schulinnenhof, und waren noch entgeisterter, als die Ritterschüler, zwar ohne Verluste, aber mit bitteren Verletzungen, und Link, der mit seiner in Blut getränkten Tunika aussah wie ein zerstückelter Fleischklumpen, zurückkehrten. Der junge Held wurde umgehend von Eliza McDawn versorgt und auch William Laundry wurde informiert. Als er seinen nunmehr besten Freund auf der Pritsche im Raum der Krankenschwester sah, stiegen ihm Tränen in die Augen, die er sich sofort wieder wegwischte. Er wollte nicht wie ein Jammerlappen wirken, wenn Link so viel ausgehalten hatte, wollte so standhaft und stark sein wie er. Und er hatte Schuldgefühle ihn im Angesicht der Gefahr zurückgelassen zu haben, und diese gemeinen Gewissensqualen wurden nicht besser…

Auch der König wurde über die Umstände informiert, und der Rat der Ritter beschäftigte sich umgehend mit dem Vorfall. Es war nicht wegen dem Pflichtgefühl gegenüber Link, dem Helden der Stunde, dass die Herrschenden nun besorgt waren und Pläne schmiedeten. Nein, denn Links Rolle in den Ereignissen wurde erst einmal heruntergespielt, vielleicht auch deswegen, weil er darum bat, dass Zelda nichts von dem Kampf erfuhr. Aber Dämonen in so zahlreicher Art, die über die Steppe preschten und Unheil anrichteten, konnte keiner ignorieren, nicht einmal Viktor, der Schuldirektor. Und so kamen von Harkenia von Hyrule mehrere Anordnungen zum Schutz der Ritterschüler. Die Soldaten an der Schule wurden vervierfacht und ohne entsprechende Begleitung sollten die Schüler das Schulgelände nicht mehr verlassen. In einigen Tagen würde außerdem das Fest zu Ehren der Göttin Nayru gefeiert werden, und zu diesem Zweck sollte die Schule den Winter über erst einmal geschlossen werden. Des Weiteren wurden einige Friedenswachenden, zu denen auch Wills Vater gehörte, zu einer Mission über die Steppe geschickt…
 

Im Haus der Laundrys verbreitete die Nachricht um die Mission, die der Ritter Laundry bestreiten musste, Aufregung und Sorge. Belle saß bekümmert in der warmen Küche, hatte ihrem Ehemann einige Mahlzeiten vorbereitet, die er in die Satteltaschen der alten Stute packen konnte. Noch immer hing ein angenehmes Aroma in der Luft, erinnerte an Kräuter und gekochtes Schweinefleisch. Sie stopfte mit Zwirn und Faden einige Löcher seiner Tunika, ersetzte das Leder seines Riemens, und flickte so gut es ging seine dicksten Strümpfe. Der Auftrag des königlichen Rates hatte angeordnet ihn auf die Jagd nach Moblins zu schicken, Dämonennester auszuhorchen, was Belle überhaupt nicht gefiel. Sie wusste ja, dass ein Ritter Hyrules gewisse Pflichten hatte, aber sie stand immer wieder Todesängste aus, bis sie wusste, dass es ihrem Ehemann gut ging. Sie wirkte übermüdet, war käsig in ihrem sanft gebräunten Gesicht und ihr dunkelrotes, langes Haar fiel ungekämmt über ihre von grünem Leinen bedeckten Schultern. Als sie schluchzte und ein paar Tränen über ihre Wange kullerten, trat plötzlich ihre kleine Tochter in die Küche. Sie lächelte und wirkte völlig frei und gut gelaunt in ihrem weißen Nachthemd. Sie hüpfte unverblümt zu ihrer Mutter auf den Schoß und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Lillyschatz, du weißt, dass Papa ein paar Tage verreisen wird, richtig?“, sprach Belle bekümmert und streichelte das weiche Haar ihrer Tochter.

„Jap, aber das ist nicht so schlimm… ihm wird es gut gehen, Mama“, entgegnete sie. Belle versuchte zu lächeln und gab dem Mädchen einen Stups auf die spitze Hylianernase.

„Weil du nichts Schlimmes siehst, ja?“, murmelte sie. Belle konnte sich immer noch nicht so recht damit anfreunden, dass Lillys Gefasel tatsächlich die Fähigkeit einer sehr begabten Magierin sein sollte.

„Papa wird sich am Arm weh tun, aber das heilt wieder“, sprach sie piepsend. „Mama… sei nicht so traurig.“ Die Angesprochene schniefte und drückte das Mädchen noch einmal an sich. Sie fragte sich nur, wohin das alles führen sollte… Wenn Lilly diese Begabung hatte, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand diese Fähigkeit nutzen wollte…

Gerade da trat Lassario in den Raum, kampfbereit, mit Kettenhemd bekleidet. Nur der Riemen für sein Schwert fehlte noch und seine Ersatzkleidung, die Belle pünktlich genäht hatte. Er trat mit einem zögerlichen Grinsen näher und schenkte seiner Frau einen abwartenden Blick. Sie nickte, wusste sie doch, dass er Abschiede überhaupt nicht mochte. Und bisher hatten die Laundrys sich niemals Lebewohl gesagt, vor keiner Schlacht, an der Lassario teilnehmen musste. Und der breitschultrige, lebenserfahrene Mann hatte bereits einige Schlachten hinter sich…

Belle trat auf ihre Beine und umarmte ihren Gatten innig. Sie küsste seine trockenen Lippen, streichelte über die vielen Bartstoppeln an seinem Kinn und wirkte ein wenig missbilligend. Es gefiel ihr nicht, wenn er sich dabei keine Mühe gab. „Du hättest dich noch rasieren können, mein werter Ritter…“, sprach sie aufheiternd.

„Du weißt, dass ich das niemals mache vor einer Schlacht, es ist ein Glücksbringer.“

Sie drohte ihm spielerisch und schüttelte den Kopf. „Du und deine Ausreden… darin bist du genauso gut wie im Schwertschwingen, mein Liebster.“

„Zum Glück“, erwiderte er. Er hob seine Tochter auf den Arm und küsste ihre Stirn. „Mach’s gut, meine Kleine. Ich hoffe, dass ich vor dem Fest der Göttin Nayru wieder hier sein kann.“

Sie fasste mit beiden Händen an seinen Dreitagebart und grinste: „Mama hat recht… Bärte sind furchtbar“, erwiderte sie und lächelte.

„Na!“, erwiderte er spielerisch. „Bärte können toll sein.“

Sie zog eine beleidigte Schnute und schüttelte den Kopf. „Ich mag aber Bärte nicht. Ich will keinen Bart bekommen.“

Darauf lachten sowohl Belle als auch Lassario das erste Mal an diesem traurigen Morgen. Lilly war eben trotz ihrer Gabe nur ein kleines Kind. „Lillyschatz, das wirst du auch nicht“, meinte Belle erheitert. „Jetzt muss dein Papa aber los…“ Belle drückte ihm noch einen Kuss auf die Wange und murmelte etwas Liebevolles in sein Ohr.

Dann verabschiedeten sie sich gemeinsam. Das kleine wissende Mädchen saß winkend auf dem Arm ihrer Mutter. Und Belle lächelte angenehm, winkte ebenfalls, aber keiner sprach ein Lebewohl oder ein Wort des Abschieds… und es war dann, dass Lassario mit einem Satz auf sein Pferd sprang, noch einmal zurückblickte und schließlich in gemächlichem Galopp am Horizont verschwand.

„Mama… es wird dunkel in Hyrule…“, murmelte Lilly, obwohl Lassario der aufgehenden Morgensonne entgegen ritt.

„Nein, denn es wird immer wieder die Sonne aufgehen… selbst in der dunkelsten Nacht und der grausamsten Stunde… dafür kämpfen die Ritter Hyrules“, ermutigte Belle. „Und wir sollten niemals daran zweifeln. Die Dunkelheit wird niemals siegen…“ Lilly lächelte überglücklich und sah ein weiteres Mal mit ihren großen, grünen Augen in Richtung des Sonnenaufgangs. Ja, das stimmte in der Tat. Die Sonne würde immer wieder aufgehen, weil es Helden gab…
 

In dem Augenblick schreckte William Laundry verstört aus dem Schlaf. Er war alleine in dem muffelnden Quartier, da Link noch immer von Eliza McDawn behandelt wurde. Mit einem herzzerreißenden Gähnen quälte er sich aus dem feuchtgeschwitzten Bett, zog sich in Windeseile an, aber hatte noch im Schlaf trunkenen Zustand seinen blassgelben Stoffanzug mit der Innenseite nach außen und verkehrt herum angezogen. Er wollte unbedingt nach seinem Kumpel schauen… und sich vor allem dafür entschuldigen, dass er feige weggeritten war, als die Moblins hinter ihnen her stürmten. ,Schuldgefühle waren etwas gemeines‘, dachte der junge Ritterschüler. Er kratzte sich an seinem Hintern, suchte mit tückischem Schlafsand in den Augen nach seinen Stiefeln, aber sah im dämmrigen Licht gerade einmal so viel um das Bett vom Tisch zu unterscheiden. Er bückte sich, kramte nach seinen Stiefeln mit der am Hintern geöffneten Hose, die er falsch herum angezogen hatte und die blöderweise sein käseweißes Hinterteil verschönernd preisgab. Plötzlich hörte er ein eindeutiges Türklappern, das ihm den Atem stocken ließ. Peinlich berührt hüpfte er auf seine Beine und sah ein bekanntes Gesicht mit einem Kerzenständer in den Händen in das Zimmer treten. Es war die Halbgerudo Midnehret, die er vor einigen Wochen kennen gelernt hatte. Sie hatte einen Besen in der Hand, einen Eimer mit Reinigungssubstanzen und schaute leicht errötet drein.

„Was, beim… Triforce…“, rülpste Will erschrocken, als sie ihn musterte. „Kannst du nicht klopfen?“

„Äh… ich habe dich bei… bei…“ Sie schluckte einmal kräftig und dachte beim Anblick von Will an eine Selbstverständlichkeit, die ihrer Meinung nach Männer einfach tun mussten und die sie Männern immer wieder bereitet hatte.

„Könntest du dich bitte umdrehen!“, schimpfte er aufgebracht, aber sie verzog nur ihre roten Augenbrauen und erinnerte sich mit einem fiesen Gedanken daran, dass dieser junge Ritterschüler es war, der sie immer wieder provoziert hatte, vor einigen Wochen, als sie einen Spiegel kaufen wollte. Nun aber saß sie am längeren Hebel. Sie kicherte. „Du solltest deinen Anzug erst einmal richtig herum anziehen“, meinte sie. Und es war dann, dass Wills Kopf rot anlief. Erst da begriff er seine Situation und die Tatsache, wie peinlich er aussehen musste. Er sah unbeholfen an sich hinunter, blickte zu der grinsenden, rotgelockten Dame und wieder an sich hinunter. Er drehte sich nervös herum, als ihm einfiel, dass sein Hinterteil durch einen Schlitz herausschauen musste, drückte seine Hände gegen den Po und winselte etwas. Beinah panisch torkelte er zu seinem Bett und setzte sich kurz.

„Du bist der erste naja… Mann, der es peinlich findet, sich vor mir auszuziehen…“, sprach sie verlegen.

„Was soll das heißen: ‚naja‘ Mann?“ Der Satz hatte Will noch mehr in seinem Stolz gekränkt, als die Tatsache, dass sie in das Zimmer eingetreten war, als er sich anziehen wollte.

„Äh… nun ja… Du bist nicht gerade reif, ich meine, das würde ich sagen“, meinte sie und lachte nervös.

„Ich wüsste nicht, weshalb wir jetzt darüber diskutieren sollten, wie reif ich bin!“ Mit hochrotem Kopf stapfte er in ihre Richtung und knallte verärgert die Tür vor ihrer Nase zu. Er brabbelte mehrere Schimpfwörter hinter der verschlossenen Tür und zog sich betreten seine Kleidung an, diesmal auf korrekte Weise. Erst dann öffnete er die Tür wieder und sah die Halbgerudo noch immer davor stehen. „Was willst du denn noch?“

„Ich muss heute die Zimmer putzen… nur kurz bitte… ich konnte gestern nicht fertig werden, weil so viel Tumult war…“, erklärte sie unsicher.

Er seufzte und bat sie schließlich herein. „Wieso putzt du die Zimmer, ich dachte, du wärst bloß eine Hure“, meinte Will verärgert.

„Ich bin eben nicht bloß eine Hure…“, meinte sie, spannte einen Lappen an den Besen und wischte über den Boden. „Ich habe eine Stelle als Putzmädchen bekommen.“

„Wie schön, das heißt, anstatt Männern einen zu wedeln, wedelst du jetzt den Staub ab. Ist genauso ein dummer Dreck.“ Er war tierisch sauer, weil sie ihn beleidigt hatte, aber er wusste auch, dass er mit seinen Worten zu weit gegangen war.

„Du bist gemein…“

„Du warst doch vorhin gemein zu mir! Du hast dich über mich lustig gemacht!“

Sie grummelte etwas vor sich hin und putzte mit einem Lappen den Tisch, öffnete das Fenster und machte schließlich noch die Betten.

„Ich habe es einem Mädchen an der Morganiellschule zu verdanken, die Chance Zimmermädchen zu sein. Es ist eine gute Arbeit.“

„Das heißt, du bist raus aus deinem Job als Hure?“

„Noch nicht gänzlich… aber ich arbeite daran…“

„Das kann ich mir vorstellen“, meinte er frech.

Und es war das erste Mal, dass er das Feuer der Gerudos in ihrem Blick sehen und spüren konnte. Sie sah aus wie ein Raubtier, das ihn auf der Stelle zermalmen wollte. Er hob beschwichtigend seine Hände und grinste gutmütig. „Bist du nun fertig mit dem Putzen, ich muss hier weg“, sprach Will ernster. Seine tiefe Stimme hatte die Sachlichkeit wieder gewonnen, die sie normalerweise ausstrahlte. Sie nickte eingeschnappt und schenkte ihm einen weiteren bärbeißigen Blick. Wie ein wütender Stier stapfte sie aus dem Raum und knallte die Tür hinter sich zu. Seufzend stand Will in dem Raum und fragte sich mittlerweile, wie er in seinem Leben Frauen jemals verstehen sollte…
 

Da Viktor den Unterricht hatte ausfallen lassen, um seiner Meinung nach die Ritterschüler zu feiern, war kaum eine Seele unterwegs in den langen Gängen der Schule. Fast alle schliefen noch in ihren Betten und Will konnte es den Leuten nicht einmal verübeln. Hektisch rannte er in die Aula, dann in Richtung des großen, noch verschlossenen Eingangstors. Er nickte dem jungen Soldaten, der das Tor bewachte, kurz zu und erklärte, dass er nur zu Eliza McDawn schauen wollte, worauf der Soldat ihm die riesige Eichenpforte öffnete. Genauso hektisch hastete der junge Laundry in die Mädchenschule und stürmte ohne Anzuklopfen, obwohl er das von anderen verlangte, in das urige Krankenzimmer hinein. Aber die mit blutigen Lacken bespannte Pritsche, auf der Link versorgt wurde und wenige Stunden verbracht hatte, war leer.

Irritiert sah William um sich, bis er Eliza McDawn, die Verlobte Valiants von Hyrule, den Gang entlang tapsen sah. Sie wirkte erschöpft und musste eine lange Nacht mit dem Verbinden von Wunden hinter sich gebracht haben. Ihr kurzes, aschblondes Haar war leicht durchgeschwitzt und ihre großen, wissenden Augen blickten den jungen Laundry verwundert an.

„Nanu, brauchst du eine Medizin?“ Ohne eine Antwort zu geben, trat Will zur Seite und schüttelte den Kopf. Er hatte alle möglichen Wörter auf seinen Lippen, und wusste nicht, mit welchem er beginnen sollte. Doch da sah Eliza bereits, was los war. Sie hastete geschockt in den Raum und begriff, dass ihr Patient verschwunden war. Sie klang aufgeregt: „Wo ist er hin?“

„Das würde ich auch zu gerne wissen“, meinte Will und zwinkerte mit seinen grünen Augen. „Wie ging es ihm?“ Etwas niedergebeugt sah er zu Boden.

„Nun ja, seine Wunden haben sich bisher nur oberflächlich geschlossen… ich kann mir nicht vorstellen, dass er in seinem Zustand, mit einem verstauchten Bein, durch die Gegend humpelt.“

Will schüttelte nur seinen Kopf, sich fragend, wie Link so lebensmüde sein konnte. Erst rettete er die Schüler vor einem Angriff durch Dämonen und schließlich verschwand er mit heftigen Wunden und sagte keinem, wo er hinwollte. Verärgert deswegen marschierte Will zurück in die Ritterschule…
 

Beinahe gewaltvoll riss der alte Feuergott am Himmel mit lodernden Strahlen den trüben Himmel auseinander und die wärmenden Wogen Sonnenlicht glitten über Hyrules grüne Hügel. Wenige Meter humpelte, teilweise sehr schwerfällig, ein junger Kerl in Richtung des Glücksteichs, wurde von den feuerroten Farben der Sonne geblendet. Er hechelte, war völlig erschöpft und verbraucht, spürte Schmerzen in seinen Gelenken und einen matten Druck des roten Elixiers, das ihn in den Schlaf schicken wollte, aber quälte sich weiter. Sein stolzer Sturschädel hielt es nicht aus, dass sich andere um ihn kümmerten wie um ein hilfloses Baby…

Er sah makaber aus… Blut klebte in dem goldblonden, durchgeschwitzten Haar. Sein Gesicht übersät mit Schürfwunden und aufgedunsenen Hautstellen. Der weißbläuliche Stoffanzug, den er schon Ewigkeiten besaß, war teilweise zerrissen. An seinen Armen und an den Beinen hing das schützende Gewand nur noch an wenigen Fasern zusammen, dort, wo die Ketten des Chadarkna versucht hatten seinen Körper zu entstellen. Und überall, an Bauch, Brust, selbst am Kragen hatte getrocknetes Blut in der waldgrünen Tunika Spuren hinterlassen. Eigentlich sah er so aus, als könne er sich kaum auf den Beinen halten, aber sein Wille brachte ihn über alles hinaus… sein Wille… und diesen würde der junge Heroe sich von keinem dahergelaufenen Dämon brechen lassen…

Stoßweise trampelte er vorwärts, blinzelte und versuchte den Zwang wegzuschieben auf der Stelle in den Schlaf zu sinken. ,Nur noch ein bisschen‘, spornte er sich an, wollte sich in der Hütte am Glücksteich ausruhen, und alleine, ohne die nervenden Augen der vielen Ritterschüler über die Worte des Chadarkna nachdenken… und sich wenn nötig überlegen, wie er mit diesem Wissen weiterverfahren sollte.

Der junge heroische Blondschopf trat wenige Schritte weiter, als er hinter sich einen sehr geschockten und zugleich belehrenden Ruf vernahm. „Link, hast du den Verstand verloren! Was, bei Destinia, machst du auf der Steppe!“ Der Angesprochene blieb stockend stehen und schloss seufzend die meerblauen, glasigen Augen. Es war Nicholas Doomrent hinter ihm, der wahrscheinlich von seiner Spurensuche am Destiniatempel zurückgekehrt war. Link hörte ein schnelles Galopp, aber drehte sich nicht um. Seine spitzen Ohren lasen in den Geräuschen, dem Knirschen des Leders und des Grases, dass der Lehrer mit aufgeregten Schritten auf ihn zustürmte. Er spürte eine große Hand auf seiner rechten Schulter, die ihn bestimmend und fest packte, aber daraufhin knirschte Link bitterlich mit den Zähnen. Selbst die Schulter tat weh…

„Link, geh‘ verdammt nochmal ins Krankenzimmer!“, sprach Nicholas erbost und stellte sich direkt vor ihn, sodass das Licht der Sonne von seiner langen Gestalt verdeckt wurde. Auch Nicholas sah erledigt aus. Seine graue Tunika war an der rechten Brusthälfte zerrissen. Rußige Flecken bedeckten sein kantiges Gesicht. Selbst in seinen braunen, kurzen Haaren hing Staub. „Hörst du nicht!“ Seine Stimme war energisch und voller Sorge.

Verwundert hoben sich Links Augenbrauen um Newhead deutlicher zu mustern, aber das Sonnenlicht in seinen Augen brannte brutal. Warum war der einstige Schwindler nur so besorgt um ihn? Als Link in dessen undefinierbaren Augen las, konnte er neben Enttäuschung vor allem Mitgefühl erkennen…

„Es geht schon“, murmelte er benommen und wischte sich über seine trockenen Lippen. Er befeuchtete die Lippen zwanghaft mit seiner Zunge und schmeckte doch nur Blut.

„Bist du dir sicher?“, meinte der einstige Schwindler. „Mir gefällt es nicht, wenn du mit deinen Verletzungen nichts Besseres zu tun hast als über die Steppe zu wandern.“

„Ich will… in die Hütte am Glücksteich… Ich will nur meine Ruhe“, sprach er benommen und hoffte, dass Nicholas das verstand.

Newhead griff sich ratlos an sein Kinn, aber nickte dann einsichtig. Er ahnte, was in dem Jungen vorging. „Unter einer Bedingung“, sprach er. „Ich begleite dich dorthin…“

„Wenn es… sein… muss“, hauchte Link über seine aufgeplatzten Lippen und torkelte etwas unbeholfen weiter. Er hatte nicht die Kraft und nicht die Lust mit Nicholas zu diskutieren.

Schweigend tapsten die beiden Kämpfer vorwärts. Nur das Knattern ihrer Lederschuhe und die Hufe des Pferdes im Steppengras waren hörbar. Schleppend bewegte Link seinen mitgenommenen Körper in Richtung des Waldes und freute sich nur noch auf das Bett in der alten Waldhütte… die blöde Pritsche in Elizas muffelndem Krankenraum war unangenehmer als der blanke Boden…

Zufrieden erreichte der vergessene Heroe die Hütte am Glücksteich. Es war kühl und frisch in der kleinen Behausung, aber die Stille verwöhnte Links spitze Ohren auffallend. Als er in der kleinen Stube stand, hechelnd und schwerfällig, spürte er eine Welle der Erleichterung über sich hereinbrechen, wissend, hier könnte er wahrhaft Ruhe finden… keine neugierigen Fragen… keine nervenden Gesichter. Er hatte vor lauter Benommenheit kaum mehr wahrgenommen, dass Nicholas überhaupt mit dabei war, quälte sich die ersten Stufen in das Obergeschoss hinauf, als der Lehrer ihn am Arm ruckartig zurückhielt. Er führte einen Zeigefinger an seine Lippen, hatte ein eigenwilliges Geräusch vernommen, das er zunächst nicht zuordnen konnte. Dann allerdings sprang eine Kreatur vom Dachboden in einem erstaunlichen Satz die gesamte Treppe hinab, knurrte beinahe teuflisch und fletschte ein bedrohliches Mundwerk. Nicholas zog sofort sein Schwert, bereit das riesige, wolfsähnliche Tier zu erledigen, als Link sich auf seine Knie sinken ließ und dem Raubtier eine Hand entgegenstreckte. „Wulf!“, freute sich der junge Heroe, worauf das gefährliche Tier, nun keineswegs mehr gefährlich wirkend, kurz erfreut aufheulte, mit einem weiteren Satz nähersprang und dem verletzten Jugendlichen mit der großen, schlabbrigen Zunge über das gesamte Gesicht schleckte.

„Das soll doch nicht etwa ein Hund sein!“, meinte Nicholas entgeistert und traute dem Spielchen nicht.

„Er ist… ein prima… Zeitgenosse…“, sprach Link, spürte die Müdigkeit unaufhaltsam werden und war dabei ohnmächtig zu werden, als Nicholas ihn an seinem rechten Arm auf die Beine zog. „Bist du dir wirklich sicher, dass du hier bleiben willst?“

Link nickte erschöpft.

„Mir ist klar, dass du dich hier erholen willst, aber du solltest wenigstens Will Bescheid geben“, meinte Newhead.

„Wozu?“, entgegnete Link scharf. „Damit er noch mehr Schuldgefühle hat, weil ich mich aus dem Staub mache…“ Er seufzte, war überrascht, dass er für diese Aussage und einen sehr unangenehmen Ton dahinter noch die Kraft hatte. Dann schüttelte er den Kopf und atmete scharf ein. Selbst das Kopfschütteln verursachte Schmerzen.

„Und was ist mit diesem hübschen Mädchen aus der Schule… ah ja, dieser Ariana Blacksmith?“

„Sie hat Hausarrest… außerdem geht sie das nichts an“, brummte der verletzte Jugendliche.

Newhead nickte, obwohl er innerlich den Kopf schüttelte.

„Gibt es noch etwas?“, meinte Link, dem langsam die Geduld versagte. Er wollte endlich Schlaf… und Ruhe.

„Ja, da wäre noch etwas“, begann Schwindler. Neugierig blickte er sich in dem Raum um, überwältigt von der Gemütlichkeit hier drin. „Es geht um das Training mit deinem Fragment. Ursprünglich hätten wir warten sollen damit, bis du wieder fit genug bist. Aber ich habe heute eine Sturmtaube erhalten, die mich anweist dein Training sobald wie möglich zu beginnen. Wie wäre es, dass du heute Abend bei mir vorbeischaust, natürlich nur, wenn es dir besser geht?“

Link verdrehte genervt die tiefblauen Augen, denn er war sich nicht einmal sicher das Fragment überhaupt auf diese intensive Weise trainieren zu wollen. Dann tapste er eine weitere Stufe hinauf. Seine Nerven lagen blank und er wollte jetzt nicht mit Nicholas darüber diskutieren. „Ja, okay…“ Er hoffte bloß, dass Nicholas diesmal nicht wieder weiblichen Besuch hatte und er deswegen so lange warten musste.

„Oh, und du hast die Bestnote für deinen Aufsatz über Arn Fearlesst bekommen, hätte ich nicht gedacht, du hast mich echt überrascht damit, dein Aufsatz hängt in der Aula.“

Aber auch diese Neuigkeit schien Link nicht zu beeindrucken. „War es das dann?“, murmelte er nörgelnd.

„Kleiner, du bist echt ein sturer Bock“, sprach Nicholas, dann leicht erheitert. Links Eigensinn war zwar grauenhaft, machte dem Schwindler jedoch deutlich, dass der Heroe im Augenblick genau wusste, was er wollte. Und Ruhe und Heilung finden an einem abgeschiedenen Ort, ohne die anstrengenden Mitschüler, war vielleicht die richtige Entscheidung.

„Pass‘ auf dich auf, Link…“, sprach Nicholas und trat mit einem Klappern seines Kettenhemds und den stählernen Schulterplatten in Richtung Eingangstür.

„Das übernimmt… Wulf…“, murmelte der Heroe schläfrig und tapste glückseelig die restlichen Stufen hinauf. Mit leichtem Kopfschmerz und einem Anflug von Übelkeit sank er in das Bett, lag dort wie ein Toter und schlief tief und fest. Der zottelige Wolfshund, schwarze und graue Fellflecken seinen muskelbepackten Körper umhüllend, saß beobachtend neben dem Bett, heulte einen klagenden Gesang und würde den jungen Heroen mit seinen gelben Augen bewachen, bis der Schlaf ihn zurückgab…
 

Und kaum war der vergessene Held der Zeit in den Schlaf gesunken, sein Brustkorb sich unregelmäßig, beinahe ängstlich hebend und senkend, wandelte dort in dem Häuschen jener mildtätige Geist, der Link bereits einmal auf unsichtbaren Pfaden geholfen hatte. Ein Geist, rein und erhaben, und doch traurig, legte eine weißschimmernde Hand auf den Brustkorb des jungen Heroen, bis er kurz zuckte, aber dann ruhig und friedvoll in einen besseren Schlaf sank. Ein Geist, kaum erkennbar, der ihm geholfen hatte eine Feder zu führen… Auch Wulf schlief, schien durch die Anwesenheit einer sanften Brise Hoffnung nicht gestört. Kein Raunen aus seiner Raubtierkehle, kein Kläffen. Und auch Links Schlaf wurde erfüllend, reich und belohnend.

Er schlief, verführt von liebevollem Gesang, umschmeichelt von all dem, was er vermisste und dem, was er sich aus tiefstem Herzen wünschte. In der Allmacht großartiger Gesetzt, berieselt von seinen Wünschen, Wärme und der Unvergänglichkeit seiner Ideale, träumte er. Und es sollte sein, dass er dort in einer Zwischenwelt, einem Pfad zu dem gehüteten Platz in seinem Herzen Liebe fand. Tiefe Zärtlichkeit und Reinheit. An einem Platz, den er nicht kannte, spürte er die Anwesenheit einer wärmenden Seele, berührt und innig umarmt. Er fühlte sich sicher, geborgen und beschützt. Von Händen, die so zart und liebevoll waren wie in einem Märchen. Von einer Stimme, geschmeidig und weich, die zu ihm sprach. Von einer körperlichen Wärme, die seinen eigenen Zauber erweckte. Alles, was er wahrnehmen konnte, dort in einem Traum war das Gefühl eine Zuflucht gefunden zu haben, Nähe und etwas, wo er sich anlehnen konnte. Er sah keine anhaltenden Bilder zu den Gefühlen, erblickte nur ein sicheres Gemach für Sekundenbruchteile. Ein mit vielen Decken und Kissen beladenes Bett, in dem jemand ruhte, der summte, fein und andächtig, mit einer Stimme, nach der sich sein Körper verzehrte. Dann ein Spiegel, eigensinnig geformt, wellenförmig, mit seltsamen Schriftzeichen, auf die er sich nicht konzentrieren konnte. Er spürte und genoss. Er schwebte innerlich angesichts der Wonne eines angenehmen Morgens, der weiße, reinigende Lichtstrahlen in das Gemach schickte. Die Lichtstrahlen fielen auf sein Spiegelbild und er sah sich, stark und lächelnd, als der junge Held, der er doch war, dort in dem eigenwillig geformten Standspiegel. Heroisch und mutig blickte er hinein, konnte für Sekundenbruchteile entdecken, was Reife bedeutete, was Glück bedeutete und erinnerte, wer er war. Er war auserwählt zu kämpfen, mit allem, was er hatte und für alles, was er liebte. Sein Lächeln spiegelte sich auf der glatten Oberfläche des Materials, reflektierte das Bewusstsein für alles das, was noch kam. Er sah sich selbst, wie er einen Zeigefinger erst zu seinen Lippen führte, darum bat zu schweigen, und diesen linken Zeigefinger dann auffordernd in seine Richtung streckte. Er deutete an, er selbst zu sein, deutete an, was es hieß sich seine Bestimmung zu wählen und vielleicht war da noch mehr, was sich erst in der Zukunft entscheiden sollte. Ein Spiegelbild verheimlichte die Wahrheit… Ein Spiegel schenkte ihm Antworten und gab preis, wonach er sich sehnte… und vielleicht war dort in den Spiegeln der Weg zu seinem verlorenen Glauben und einer aufgezwungenen Bitterkeit zu finden…
 

Als Link spät am Nachmittag, in spürbarer, wenn auch nicht vollständiger Heilung seiner Wunden, und mit dem Gespür seiner selbst beraubt worden zu sein, erwachte, fühlte er gerade noch, dass eine Träne seine Wange hinab getropft war, spürte einen reinigenden Nachklang der Wonne, die ihm geschenkt wurde, dort, wo nicht viele Seelen hinfanden und viele Seelen nicht sehen konnten. Gereift in nur wenigen Stunden lag der Held der Zeit in seinem selbstgewählten Ruheort, der Hütte am Glücksteich, besonnen, und er realisierte, dass jenes Ereignis, wo er sich selbst wieder spüren konnte, wo er wusste, was seine Bestimmung war, wo er sich vollständig fühlte, doch nur in grausamen Kämpfen zu finden war.

Er hob seine leicht beschmutzten Hände in die Höhe. Sie waren weiß, leicht abgemagert. Unter den grob gewachsenen Fingernägeln hing getrocknetes Blut. Das Triforcefragment des Mutes leuchtete schwach, pulsierte heftige Energiewellen in seine Blutadern, bis er die Fäuste ballte. Er knirschte mit den Zähnen, zog sich kraftsuchend aus dem Bett und hielt Ausschau nach Wills Wolfshund, der jedoch nicht mehr in der Hütte zu sein schien. Mit einem entschlossenen Gedanken trat Link ins Erdgeschoss hinab, dachte an die Dinge, die sein neuer Feind ihm mitgeteilt hatte und wusste, er würde vor dieser Herausforderung nicht weglaufen. Er würde niemals feige davon rennen, nicht einmal mit dem Fluch eines elenden, kränklichen Körpers, welcher von den kalten Lippen des Chadarkna ausgesprochen worden sein musste.

Der vergessene Heroe trat schwerfällig, aber mit einem neuen Gefühl der Stärke hinaus in die Kälte. Es war trüb außerhalb, und vom grauen Himmel tanzten Schneeflocken, die wie Puderzucker die kahlen Laubbäume um ihn herum und den duftenden, moosigen Waldboden bedeckten. Seine tiefblauen Augen verloren sich auf der klaren Wasseroberfläche, die von den sanften Schneeflocken benetzt wurde. Und er sah… Bilder aus lang vergessenen Träumen, Visionen der alternativen Zeit. Sie hauchten Leben und Kampfgeist in seine Gedanken, stachelten das Leben und die Macht an, die einst seinem Herzen erwuchs. Und er wusste, er würde kämpfen, bis zum bitteren Ende. Für die Seelen, die Hyrule zusammenhielten. Er würde kämpfen, mit allem, was er hatte.

Sein nur mehr leicht verwundetes Gesicht erhob sich in Richtung des Himmels, der magischen, lebendigen Welt, und seine Augen, in denen endlich ein verlorener, kleiner Funke Mut wiederkehrte, sendeten einen stillen Ausruf an alle, die teuflische Absichten in ihren Herzen trugen. Selbst als Krüppel, selbst als verspotteter Dummkopf, und selbst als Gefallener würde der wahre Held Hyrules kämpfen…

Mit einem zitternden linken Arm, kaum kräftig genug für sein Schwert, aber entschlossen, hob er die Klinge von Arn Fearlesst in die Höhe, schwor sich, den Weg zu finden aus seiner Lethargie, auch wenn es noch Rückschläge geben sollte, auch wenn sein Körper brechen würde, er würde sich nicht noch einmal von dem Chadarkna erniedrigen lassen. Das war seine Energie, gefüttert aus dem Willen einer alten Seele. Stählern und unzerstörbar…
 

Als Link in die Ritterschule zurückkehrte, unterließen die Mädchen und Jungen im Schulinnenhof sofort ihre momentanen Tätigkeiten wie das Wäscheaufhängen oder die Fechtübungen. Sie musterten den jungen Kämpfer, der mit einem kühlen, ernüchterten Gesichtsausdruck direkt zu dem Haupteingang der Ritterschule steuerte. Einige machten ihm bereitwillig Platz, manche zogen ihre Kapuzen bewundernd hinab. Eine unangenehme, plötzliche Stille breitete sich im Hof aus, sodass die Schneeflocken hörbar waren, wie sie niederrieselten.

Mit wachen Augen fokussierte der junge Heroe das große, alte Eichentor und hatte nur das Ziel etwas zu essen und anschließend sofort mit Nicholas über das mögliche Training zu sprechen. Er beachtete die Schüler nicht weiter. Aber sie musterten ihn fortwährend, und sie taten dies aus einem besonderen Grund. Er sah etwas verändert aus, seine ansehnlichen Gesichtszüge waren frisch und erholt. Und trotz der in Blut getränkten Tunika bewegte er sich völlig normal über den Innenhof.
 

Gerade in dem Augenblick wurde er von zwei warmen, in kirschrotes Leinen gepackten Armen umschlossen. Ein Paar Mädchenarme hielten ihn fest, umschmeichelten die verbliebenen Wunden. Noch ehe er sich umdrehte, hörte er jemanden schluchzen und spürte eine zarte Gestalt, die sich an seinen Rücken schmiegte. Er schloss seine tiefblauen Augen, spürte eine weitere Last von sich abfallen, genoss, seufzte, spürte seinen Körper schwer werden. Ein Kribbeln, wohlvertraut, heilend, schlängelte sich durch seine Adern. Erst als die warmen Hände sich langsam von seinem Bauch lösten, drehte er sich um und blickte in ein Paar bernsteinfarbene Augen. Traurig waren sie, gläsern, aber mit dem vollsten Mitgefühl für alles, was ihm wiederfahren war. Es war Ariana, die, obwohl sie Hausarrest hatte, seine Nähe suchte. Sie hatte die Neuigkeiten vernommen und die gesamte Zeit vor dem Fenster gewartet, bis Link zurückkehrte. Als sie ihn in dem Hof entdeckte, war sie so schnell sie konnte hinausgeeilt. Sie hatte sich nicht einmal einen Umhang umgeworfen in der Eiseskälte, und auch ihr pechschwarzes, langes Haar war offen und ungepflegt. Sie wollte nichts von ihm erfahren, sie wollte ihn nicht überfordern, alles, was sie wollte, war ihm zu zeigen, dass sie hinter ihm stand, für jetzt und für das, was kam. Sie legte ihre Hände auf seine Wangen, musterte seine Seelenspiegel.

„Ich werde nicht darüber diskutieren“, sprach er, bevor Ariana das Wort erhoben hatte. „Das betrifft nur mich etwas… und geht niemand anderen etwas an.“ Seine Worte erklangen schärfer als er es beabsichtigt hatte. So scharf und abwehrend, dass auch das Mädchen ihm gegenüber zurückwich. Sie blickte bedauernd zu Boden, nickte zweifelhaft. Ohne einen erneuten Blick in ihr hübsches Gesicht trat er vorwärts, wollte sie in diesen Kampf nicht mit hineinziehen. Wozu auch? Und wozu sollte er Ariana, Will oder Zelda noch weiter mit seiner Gebrechlichkeit belasten! Es war sein Weg, sein Schicksal und sein Kampf… Egal, was auch immer hinter den letzten Ereignissen steckte, mit welchen teuflischen Spielchen Link zu kämpfen hatte, eine andere Wahl als sich der Bedrohung zu stellen, im vollen Bewusstsein für den Schutz seiner Freunde, hatte er nicht…

Als das große Tor den heldenhaften Jungen verschluckte, stand Ariana noch immer mit ihren Hausschuhen und einem einfachen Leinenkleid außerhalb, wo ein stürmischer Wind aufkam. „Link…“, sprach sie traurig. „Du bist nicht allein… ich werde dir immer beistehen.“ Sie drückte ihre Hände gegen die Brust, spürend, wie der Schnee ihr pechschwarzes Haar befeuchtete, spürend wie die Kälte des Winters in ihren Gliedern tobte. Eine warme Träne tropfte von ihrer blütenweichen Wange, sank hinein in das Schneegewand, das den Kiesboden bedeckte, und erstarrte zu feinem opalartigem Kristall…
 

Auch im Gebäude verhielten sich die Hylianer um Link herum wie ausgewechselt. Kein Tuscheln, das sonst seine spitzen Ohren benetzte, drang durch die hallende, mit Kerzen beleuchtete Aula. Kein Schimpfen, kein unangenehmes Wort, und auch keine Bewunderung. Und es war sehr schnell, dass die Schüler versuchten dem jungen Helden auszuweichen. Auch Artus und Robin standen kaum drei Meter weiter und musterten ihn irgendwie durcheinander. Sie versuchten ihm mit ihrer Gestik und Mimik zu zeigen, dass sie ihn bewunderten für das, was er getan hatte und nickten ihm zu. Aber dafür hatte Link gerade keinen Nerv. Mit schweren Schritten marschierte Link in Richtung seines Zimmers, überlegte, wie er auf Will reagieren sollte, und fragte sich, ob jener nur ansatzweise verstehen konnte, was mit ihm los war…

Als er die Tür öffnen wollte, seinen mit Blutflecken benetzten Kopf dagegen lehnte und kurz tief einatmete, wusste er, dass er, auch um den jungen Laundry zu schützen, keine andere Wahl hatte, als sich einmal mehr abweisend zu verhalten. Mit einem weiteren, ermutigenden Atemzug, öffnete er die Tür und trat schwerfällig über die Schwelle. Er hatte die klappernde Holztür noch nicht geschlossen, als Will bereits mit einem fragenden und deutlich besorgten Gesicht vor ihm stand. Hilflosigkeit stach aus seinen sonst so vorwitzigen Gesichtszügen. Benommenheit und Schuldgefühle, die sich in einige Stirnfalten gruben… Will smaragdgrüne Augen leuchteten schwermütig, auch dann, als Link sprachlos an ihm vorüber trat. Er marschierte mit nur halb geöffneten Augen zu seinem Bett, wo ein neues Gewand lag. Ein silbergrauer, flauschiger Anzug, der das Kettenhemd beinahe unnötig machte. Er war hergestellt aus einem weichen Metall, das sich wunderbar in Fasern wie Leinen oder Wolle einnähen ließ. Und er schützte noch besser als so manche Rüstung, Link erinnerte sich, dass er in der alternativen Zukunft einen ähnlichen Anzug besessen hatte. Und neben dem Anzug lag frisch und ordentlich zusammengefaltet eine neue waldgrüne Tunika, die jedoch viel edler war als seine bisherige, so edel, dass man sie eigentlich auf einem Fest tragen könnte. Da waren goldene Saumen angenäht, und der Stoff musste vom königlichen Schneidermeister hergestellt worden sein, denn an der Innenseite der Tunika war das Symbol der Königsfamilie mit dunkelgrünem Faden aufgestickt.

„Da war ein Bote, der dir das gebracht hat, ich schätze, es kommt von der Prinzessin oder so…“, sprach Will seufzend. Seine tiefe Stimme war leise und unsicher. Inzwischen lehnte er an der Tür und hatte die Arme verschränkt.

Link nickte wortlos, hoffte sehr, dass sein Zustand der Prinzessin verschwiegen wurde, ließ sich auf das Bett sinken und sah kurz in den Spiegel schräg gegenüber. Himmel, er sah aus wie ein Zombie, der gerade vom Grab auferstanden war…

„Du siehst furchtbar aus… du solltest ein Bad nehmen“, meinte Will, nun etwas deutlicher. Link nickte abermals, räumte die neue Kleidung in den Schrank und stand betreten davor.

„Warum bist du einfach verschwunden? Eliza McDawn war außer sich“, fing der Laundry an. Aber eigentlich war er selbst derjenige, der außer sich war. Er hatte sich Sorgen gemacht, und er war derjenige, der sich feige fühlte.

„Es ist meine Sache, wohin ich gehe“, meinte Link frostig, ließ die Worte ohne Nachzudenken über seine Lippen gleiten. Er rollte mit den Augen und setzte ein „Sorry“ hinterher.

„Nein… eigentlich tut es mir leid“, sprach Will dann und trat zu seinem Kumpel hinüber. „Ich… bedauere, dass ich wie ein Feigling geflüchtet bin, als die Dämonen hinter uns her waren. Ich hätte dir beistehen müssen.“

Link blickte mit seinen tiefblauen Augen leicht erzürnt auf: „Und wie hättest du das tun wollen, Will? Mit deiner ausgefeilten Schwerttechnik?“ Erneut kamen die Worte unüberlegt aus dem blassen Mund des vergessenen Heroen. Und sie waren giftig und ironisch.

Will fiel die Kinnlade herunter und er bekam einen roten Kopf. Er schluckte den Knoten in seinem Hals herunter, wusste nicht, was er darauf sagen sollte und wand sich um seine eigene Achse.

„Will… entschuldige…“, meinte Link ruhiger, griff sich an seine Schläfen und versuchte sein vorlautes Mundwerk zu bremsen. „Es ist nur, dass diese Sache niemanden etwas angeht, auch dich nicht. Ich werde nicht darüber diskutieren und ich will nicht, dass du dich da einmischst.“

Betreten tapste der junge Laundry zur Tür, nickte bloß und verließ das Zimmer eingeschüchtert.

Link ließ sich seufzend auf sein Bett sinken, schlug sich gegen seine lädierte Stirn und fragte sich, ob er nicht doch zu weit gegangen war…
 

Am späten Abend, als die meisten Schüler nach einem genüsslichen Mahl in ihren Zimmern ruhten, war Link der letzte, der sich im Speisesaal aufhielt. Er wollte den Leuten aus dem Weg gehen und hatte ein Bad genommen und dann gewartet, bis der große Ansturm vorbei war. Er konnte Getuschel und die vielen neugierigen Fragen von Will, Artus, Robin und den anderen gerade nicht ertragen. In seine Gedanken versunken aß er eine hylianische Nudelpfanne mit Hähnchenfleisch und Herzbeerensoße, als die Küchenfrau gerade das Buffet abräumte. „Jungchen, ich muss gleich den Raum abschließen, nimm‘ das Essen mit in dein Zimmer.“ Einsichtig tapste Link, nun bekleidet mit seiner schwarzen Tunika, aus dem Saal und wusste aber, dass er jetzt garantiert nicht in sein Zimmer gehen wollte. Er hatte Will vorhin unfair zusammengestaucht, obwohl es sicherlich unnötig war. Mit dem Abendessen in seinen Händen marschierte Link zu dem Lehrer Nicholas…

Als Link den schmalen Gang erreichte, wo der einstige Schwindler sein spärlich eingerichtetes Büro hatte, duftete die Nudelpfanne noch immer dampfend vor seiner Nase. Und das Essen lenkte ihn zum Glück ein wenig von seinen verbliebenen Schmerzen ab. Der Fünfzehnjährige hörte plötzlich ein brummendes Geräusch aus dem Raum vor sich, ein Geräusch, das er sofort als ein sehr eigenwilliges Schnarchen erkannte, zerreißend, als sägte Nicholas Bäume, drang der Laut durch die Holztür zu seinem Büro und endete erstickend in dem hallenden Gang. Der vergessene Heroe schüttelte seinen Schädel, hatte ein dümmliches Grinsen im Gesicht und trat einfach in den Raum.
 

Tatsächlich schien Nicholas beschäftigt. Beschäftigt mit einer Tätigkeit, der auch Link gerne nachging. Nicholas Doomrent lag lässig auf einer kleinen Metallpritsche, hatte ein Buch auf seinem Brustkorb aufgeschlagen, schnarchte, sodass sich die Balken bogen und hatte einen Zahnstocher in seinem Mund, auf dem er im Schlaf herum kaute. Noch immer war der Lehrer verdreckt, hatte nicht einmal seine graue Tunika gewechselt, an der noch Staub und Schmutz hing. Sein dunkelbraunes Haar war unordentlich und struppig.

„Nicholas?“, brummte Link genervt, trat mit seiner Mahlzeit ein, aber der Lehrer ließ sich nicht wecken. Kopfschüttelnd machte es sich der Schüler vor dem Schreibtisch bequem und ließ seine wachen, tiefblauen Augen durch den Raum wandern. Es sah unordentlich aus, so als ob Nicholas nicht die Zeit hatte sich um Ordnung in diesem Raum zu kümmern. Auf dem Bücherregal lag meterhoher Staub. Über dem Bürosessel hing alte, unsauber gefaltete Kleidung. Und auf dem Büro, neben einer Wachs triefenden großen Kerze lagen Pergamentblätter durcheinander. Es war schmuddelig hier drin, roch nach Zigarren und abgestandener, sauerstoffarmen Luft.

Erneut trat der junge Heroe vor den Ritter Newhead, stemmte seine Hände in die noch leicht schmerzenden Seiten und sprach laut und eindringlich Schwindlers Namen. Aber erneut reagierte er nicht, brummte, biss den Zahnstocher ab und spuckte die Teile aus seinem von einem Dreitagebart umschmeichelnden Mund. Link zwinkerte verdattert, brüllte dann den Namen des Lehrers, worauf dieser fluchend aufsprang, vor Schreck die Pritschte umwarf und den Heroen gähnend und grinsend beäugte. „Oh, hallo… Link, nanu, bist du schon hier… Ist es denn so spät?”

„Es ist bereits nach acht abends, du wolltest, dass ich vorbeischaue“, murmelte der Heroe und ließ sich wieder auf den Holzstuhl vor dem Schreibtisch sinken. Genüsslich aß er seine Nudeln und sein Hähnchenfleisch.

„Ja, richtig“, sagte Nicholas, sprang hinüber zu seinem Schreibtisch und kramte zwischen den vielen Zetteln herum. Das Licht der wenigen Kerzen im Zimmer flackerte unruhig, bis der Lehrer eine lange Rolle mit einem eigenwilligen Magierzeichen fand. Ein Wachssiegel mit einem Kreis und einem Raben in der Mitte. „Es geht um das Training deines Fragmentes“, sprach Newhead mit ernster Stimme.
 

Etwas zweifelnd sah Link auf, während ein langes, mit roter Soße bedecktes Nudelstück von seinen Lippen hing und er es schlürfend in den Mund zog. Es wunderte ihn, dass der Lehrer sofort zum Thema kommen wollte und ihm nicht erneut eine Predigt wegen des Vorfalls am Destiniatempel hielt. Irgendwie verhielt sich Nicholas etwas merkwürdig, so untypisch, seit der brutalen Attacke des Chadarkna. Schon vor einigen Stunden, als er ihn auf der Steppe angetroffen hatte, war dem Heroen das aufgefallen. Nicholas wirkte beinahe besorgt und stellte komischerweise keine Fragen. Aufmerksam beobachtete Link das widersprüchliche Verhalten seines Lehrers und hatte das Gefühl, er verschwieg ihm etwas, und verhielt sich irgendwie nicht wie der sonst so gelassene, lebensbejahende Hylianer, der in diesem Körper steckte.

„Ehrlich gesagt… habe ich mir noch nie Gedanken darum gemacht das Fragment des Mutes irgendwie zu trainieren“, meinte Link und leerte seinen Teller. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich es irgendwie nutzen und einsetzen kann.“ Und da war noch mehr in Links Gedankengängen. Manchmal hatte er den Eindruck das Fragment tat Dinge gegen seinen Willen.

„Deswegen bist du ja hier, damit wir das herausfinden können“, murmelte Nicholas und ließ sich kaum von dem Schriftstück vor seiner breiten Nase ablenken. Interessiert las er weiter, blickte prüfend in Links tiefblaue Augen und wieder auf das Schreiben.

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das überhaupt herausfinden will“, sprach Link dann seufzend. Er schloss seine tiefblauen Augen und runzelte die Stirn. Das schummrige Kerzenlicht beleuchtete die Zweifel in seinen feinen Gesichtszügen.

„Du hast aber keine andere Wahl“, argumentierte Nicholas scharf. „Ich kann durchaus verstehen, dass du Bedenken über die Verwendung des Triforce hast, gab es in Hyrules Geschichte doch genug Beispiele, wo Hylianer und andere es frevelhaft eingesetzt haben, aber wie willst du dich in deinem Zustand demnächst verteidigen?“

„Wer redet von demnächst?“

„Du glaubst jawohl nicht, dass die Dämonen dich in Ruhe lassen, oder?“ Nicholas zwinkerte und zupfte sich an seinem Kinn. „Du bist schließlich der Held der Zeit.“

„Was hat das damit zu tun“, murrte Link, hüpfte auf die Beine und trat energisch im Zimmer auf und ab. „Du hast ja keine Ahnung!“

Die angespannten Schultern sinken lassend, lehnte sich der Lehrer in seinen breiten Sessel und musterte den blonden Jungen vor sich, der ihm mittlerweile ans Herz gewachsen war. „Ja, das ist leider richtig“, hauchte der Ritter bedauernd. Er faltete die Hände und stemmte sein kantiges, ungewaschenes Gesicht darauf ab. „Ich weiß nicht, was am Destiniatempel vor sich ging. Und ich kann wohl kaum damit rechnen, dass du vorschnell irgendwem an der Schule mitteilst, was passiert ist, aber ich weiß, dass du beinahe wie ein Stück Fleisch zerhackt wurdest. Kannst du deinen unsäglichen Sturschädel nicht zur Seite schieben und dich zumindest einmal von mir überzeugen lassen, Kleiner?“ Nicholas grinste dann, vielleicht aus Hilflosigkeit.

Link schwieg und stemmte seine Hände gegen die Wand. Er ließ den blonden Kopf hängen, seine tiefblauen Augen schillerten trübsinnig.

„Außerdem… deine Prinzessin nutzt die Macht ihres Fragments ebenfalls. Sie schenkte mir damit ein neues Gesicht, hat sogar die Finger an meiner Hand wiederhergestellt. Und sie kann es scheinbar kontrollieren. Sollte dich das nicht darin bestärken, dass es dir gelingen kann?“

„Ich weiß nicht…“

„Vielleicht ist deine Sturheit das einzige Problem.“

„Das weiß ich auch nicht…“

„Das heißt, du bist nicht einmal mutig genug um es zu versuchen?“, meinte Schwindler belustigt, kratzte mit einem weiteren Zahnstocher den Belag von seinen gelben Zähnen. „Dass du so eine Memme bist, hätte ich wahrlich nicht gedacht. Und sogar ein Mädchen, nämlich deine Prinzessin, ist mutiger darin Magie zu nutzen.“

Mit einem Murren und großen, stapfenden Schritten trat Link direkt vor den Schreibtisch, funkelte Nicholas böse und eindringlich an und stützte seine schmerzenden Arme geräuschvoll auf dem Pult ab, sodass die Kerzen und eine Teekanne darauf wackelten. „Ich bin keine Memme!“ Er war sauer, unglaublich sauer…
 

„Dann beweis‘ es!“, sprach Nicholas lachend, lehnte sich näher und grinste mit einem gemeinen Schabernack in seinen undefinierbaren Augen. Die Falten um seine lebenserfahrenen Augen verschwanden, als sich auch der Rest seines braungebrannten Gesichts entspannte. Er wusste, was den Jungen auf die Palme brachte und er wusste, wie er es schaffen konnte ihn herauszufordern.

Er hüpfte auf die Beine und hielt dem miesgelaunten Link das Schreiben der Magierin unter die Nase. Jener Magierin, deren Zeichen ein schwarzer Rabe war.

„Erinnerst du dich an Undora, die verrückte Magierin, die dich am Fest der neuen Ritter begutachtet hatte?“ Link zwinkerte, schluckte dann einen Knoten in seinem Hals herunter und wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Das ging ihm zu schnell. Er war sich noch nicht einmal sicher, das Fragment tatsächlich trainieren zu wollen, auch wenn er es bereits verwendet hatte. Aber Nicholas war schon einen Schritt weiter. „Undora hat mir dieses lange Schreiben geschickt, in welchem sie mir ausführlich erklärt, wie wir das mit dem Training der Macht des Mutes am besten bewerkstelligen.“

„Aber…“, begann Link, doch der Lehrer hörte ihm gar nicht zu.

„Der Auftrag kommt vom König persönlich, und du kannst dich nicht gegen das Wort von Harkenia erheben, Kleiner.“

Aufgeregt spannte Link seine Arme auseinander. „Das Wort des verfluchten Königs interessiert mich nicht die Wundererbse. Was soll dieser Mist!?“ Wutgeladen kamen die Sätze über seine blassen Lippen und er zügelte seinen Unmut nicht. Er hasste es wie die Pest, wenn irgendjemand über ihn bestimmen wollte. Er konnte es nicht ertragen, es widerte ihn an! „Ich werde diesen Scheiß nicht tun!“, brüllte Link und war so aufgeladen, dass er nicht merkte, wie diese Wut sich verselbstständigte.

„Oh doch, das wirst du“, sprach Nicholas dreist und grinste. Völlig gelassen pflanzte er sich wieder in seinen Sessel und beobachtete das Schauspiel. Link war so leicht aus der Fassung zu bringen, vor allem auf diese Weise. Nicholas schmunzelte verräterisch.

„Was ist daran so lustig!“, brüllte der junge Mann. Und es war dann, dass sein Fragment ganz sanft, in gleichmäßigem Takt, ahnend und prophetisch, zu pochen begann.

„Lustig daran ist, dass du dich benimmst wie ein unglaublicher, kleiner Trotzkopf“, erwiderte Nicholas amüsiert.

Links Lippen bebten daraufhin. Seine Fäuste waren angespannt und sein Gesicht rot wie das eines Stieres. Er wusste schon gar nicht mehr, was er noch sagen sollte.

„Wer hätte gedacht, dass der kühne Held der Zeit, den Dämonen fürchten, so ein quengelndes Baby ist.“

Und noch ehe die letzten Wörter des Satzes von Nicholas blassen, spröden Lippen kamen, schlug Link mit einem sich Luft machenden Schrei auf den Schreibtisch ein. Seine linke Hand donnerte gewaltvoll nieder vor lauter Frust und Ärger. Und gerade in dem Augenblick sprühten giftgrüne, schaurige Funken aus seiner Hand, tanzten erschreckend schnell in der Luft und spalteten mit einem monströsen Dröhnen das Möbelstück. Wie ein beißendes Schwert, das durch Knochen glitt und feine Ränder hinterließ, hatte Links unvorhersehbare, magische Attacke den Sekretär auseinandergerissen.
 

Dümmlich und mit den Augenbrauen ängstlich zuckend hockte Nicholas in seinem Sessel, hatte gerade so seine Beine wegziehen können, aber seine Hosenbeine waren an einigen Stellen mit kleinen Löchern geschmückt. Der Lehrer grinste und sprach nervös: „Ich frage mich gerade, wie ich das der Putzfrau erklären soll…“

Irritiert führte der Fünfzehnjährige seine linke Hand vor sein Gesicht und betrachtete sich das pochende Fragment des Mutes. Er wusste, dass es manchmal auf seine Stimmung reagierte, aber eine solche Attacke hatte er damit noch nie heraufbeschwören können. Geräuschvoll ließ sich Link wieder auf den Holzstuhl sinken und schaute betreten und entschuldigend zu dem zerfetzten Schreibtisch.

Nicholas hielt sich dann seine großen, leicht haarigen Hände an den Wanst und begann herzhaft zu lachen, erfreute sich an der geschockten Miene des Jungen und wusste nicht, ob er jemals ein dümmeres Gesicht als das von Link gerade eben gesehen hatte.

„Du hast das alles provoziert, nicht wahr?“, murmelte Link beschämt.

Dämlich dreinblickend wippte der Lehrer mit dem Kopf auf und ab und wischte sich sein dunkelbraunes Haar von den Augen. „Jap, das war ein Test von Undora… und anders kriege ich dich ja nicht zur Mitarbeit.“

„Wie willst du mich, bitte schön, mit Provokationen zur Mitarbeit bringen?“ Link verschränkte genervt und skeptisch seine Arme. „Ich habe vor lauter Wut dein Mobiliar zerfetzt…“ Nicholas schien deswegen jedoch nicht gerade bestürzt. Es schien, als interessierte ihn die magische Attacke kaum mehr. „Nun, das Triforce reagiert deutlich auf deine Gefühle, wie wir gerade gesehen haben. Die Magierin Undora meinte, ein Test diesbezüglich könnte dich zur Antwort bringen…“ Und Nicholas hatte noch ein As im Ärmel, er wusste, dass es ein Wesen in Hyrule gab, für das Link tiefe Empfindungen hegte und vielleicht war sie der Schlüssel, damit der Junge seine goldene Macht annahm.

„Ich habe immer noch nicht gesagt, dass ich das Fragment überhaupt auf diese Weise trainieren will“, entgegnete der junge Mann widerspenstig. „Ich weiß nicht, ob ich diese Zeit dafür investieren will.“

„Ach nein?“

„Nein.“

„Nun…“ Nicholas grübelte, bis er einmal mehr verräterisch grinste. „Kann ich dich vielleicht mit einem Gedanken an deine Prinzessin überzeugen? Wenn du nicht in der Lage bist das Schwert zu führen wie einst um ihr zur Seite zu stehen, wäre es nicht eine Gunst, löblich und erfüllend, für dich zu wissen, dass du sie in Zukunft mit deinem Fragment beschützen könntest, mit solchen Attacken wie gerade eben?“

Erst da fiel dem Jungen die Kinnlade herunter und er schaute belämmert drein. Das war, so musste der vergessene Heroe zugeben, ein Gedanke, der ihn nicht nur überzeugte, sondern beeindruckte. Seine tiefblauen Augen spazierten hinauf zur fleckenübersäten Decke und dann wieder in die grünlichgrau leuchtenden Augen seines Lehrers. Wenn er stark genug wäre Kräfte zu aktivieren, die nicht einmal Zelda mit ihrem Fragment hervorbringen konnte, dann… dann… Hätte Nicholas das nicht gleich sagen können?

„Gut, was soll ich tun?“, war Links kurze, schmerzlose Antwort. Und er hinterfragte nichts mehr.

Vor lauter Überraschung wäre Schwindler beinahe vom Stuhl gerutscht. „Nanu, das ging aber plötzlich schnell“, lachte er. Und dies bewies nicht nur Links plötzliche Einsatzbereitschaft. Die Tatsache, dass er sich auf einmal überzeugen ließ, machte deutlich, dass in ihm noch immer der Wunsch steckte Zelda zu beschützen…

Nicholas bat Link daraufhin sich im Schneidersitz auf den Boden zu setzen, außer Reichweite von weiteren Möbelstücken, die der junge Heroe sonst in Stücke hauen könnte. Auf einem rauen Bärenfell machte es Link sich bequem und wartete auf Anweisungen von Nicholas, der mit genug Sicherheitsabstand vor ihm saß.

Und diese Lektion, die Macht, die der junge Heroe nun in sich spüren und irgendwann auch verwenden können würde, war eine Lehre, die er niemals wieder verschmähen würde. Er würde reifen und wachsen an dem Wissen, das ihm der heilige Mut bereit war zu schenken. Eine Lektion für sein Leben.
 

Nicholas durchdringende, grünlich schillernde Augen blickten beschwichtigend in das stürmische Blau von Links mutigen Augen. Und aus dem Schreiben der Magierin zog jener eine Aufgabe, die auch ihn bereichern konnte. Macht war ein verteufeltes Werkzeug und es war dennoch besser als der Tod…

„Undora weist in dem Schreiben mehrere Aufgaben an, die dich dazu führen werden den heiligen Mut zu beherrschen, aber es mag ein sehr beschwerlicher Weg dorthin werden.“

Dass Einsatz von Magie keine Spielerei und möglicherweise gefährlich ist, wusste Link schon lange. Etwas ungeduldig wackelte er auf dem Pelz hin und her.

„Die Magierin sprach von drei Fähigkeiten, erst brauchst du diese, danach kannst du das Fragment wahrlich meistern.“

Link wedelte abtuend mit den Fingern. „Nun sag‘ schon, welche drei Fähigkeiten meint die Hexe?“

„Zügle deinen Tatendrang, Kleiner“, meinte der Lehrer. „Sonst machst du noch die Schule dem Erdboden gleich, und soweit wollen wir es ja nicht kommen lassen, oder?“ Nicholas lachte, trank genüsslich von einem Krug seinen Hylanortrank und wischte sich das Getränk mit einem Ärmel von den Lippen.

Link seufzte und meinte gelangweilt, aber einverstanden: „Na gut…“

Sorgfältig las der Lehrer noch einmal das Schriftstück von Undora und sah dann freudig erregt auf: „Also, hier steht es ja. Zunächst musst du mit dem Fragment Kontakt aufnehmen…“ Er erklärte die Worte langsam und zerfahren. „Zuerst musst du deine Sinne und deine Wahrnehmung schulen…“

„Meine Wahrnehmung schulen, für das Fragment, meinst du?“

Nicholas nickte zufrieden. „Ich vermute, du spürst die goldene Macht oft gar nicht, was?“

Einsichtig sah Link zu seinen im Schneidersitz verdrehten Beinen. Das war leider richtig. Es war sehr oft, dass der junge Held das Fragment kaum wahrnahm. Manchmal funkelte es, manchmal vibrierte es in der Hand, aber es gab auch Tage, wo er es völlig vergaß. Es erschien ihm oft, als hätte es einen eigenen Willen.

„Undora spricht von Schlüsselwörtern, die du brauchst um einen Zugang zu der Macht in dir freizulegen. Stell‘ es dir vor, wie eine Tür, durch die du gehen musst und dafür benötigst du einen Schlüssel.“

„Ein Schlüsselwort? Welches soll das sein?“, meinte Link widerwillig. Es war ja schön und gut, dass er mit dem Fragment eine Chance hatte Zelda erneut zu beschützen, aber wozu war das alles so kompliziert?

„Das Schlüsselwort musst du selbst finden, etwas, was dich das Fragment spüren lässt… etwas, das mit Mut verbunden ist, etwas, auf das du emotional reagierst, deshalb der Test vorhin.“

Link setzte seinen rechten Zeigefinger an das Kinn und starrte auf das blasse Fragment auf seinem linken Handrücken. Das war gar nicht so einfach herauszufinden, was ihm helfen könnte das Fragment besser wahrzunehmen.

„Denk‘ nach, Kleiner. Was ist Farores Macht? Und was ist verborgen in dem Fragment auf deiner Hand?“
 

Und in Links tiefblauen Augen konnte man sehen, dass er sich deutlich mit der Frage zu beschäftigen begann. Farores Macht… Ja, was war die Macht der Göttin des Mutes?

„Nayrus Macht… ist die Macht über die Gesetzte, symbolisiert Besonnenheit, Weisheit, das, was unsere Welt in Gestalt zusammenhält. Din… ihre Macht ist die Kraft der Zerstörung“, erklärte Link leise. „Und Farore… sie stellt das Leben dar, in völliger Harmonie, aber ihre Macht ist auch der Mut zum Wachstum… Reifung…“

„Ja, das ist es… weiter, Link… was verbindest du noch damit“, sprach Nicholas ruhiger und eine schleichende Faszination keimte in ihm. „Geh‘ tief in dich hinein, lass‘ dich führen… Was kannst du sehen? Was ist Farores Macht…“ Nicholas‘ tiefgefärbte Stimme schallte umher, flüsternd und hypnotisierend, als der tapfere Schüler seine Augen schloss.

„Farore… zeig‘ dem auserwählten Kind, das dein Behälter ist, was du ihm an Macht versprochen hast“, hauchte Nicholas, erschuf mit seinen Händen ein merkwürdiges Zeichen, grünlich leuchtend in der Luft, die einzige Magie, die er selbst anwenden konnte. Das Symbol eines Dreiecks tanzte in den Lüften, legte sich auf die Stirn des konzentrierten Jugendlichen und führte ihn in sein eigenes Verhängnis. Fasziniert beobachtete Nicholas, wie der Junge ihm gegenüber auf das Symbol reagierte, beobachtete wie er seinen Geist in die Hände der Schutzgöttin Farore legte.

Die Sekunden tickten zögerlich über das Ziffernblatt von Nicholas Wanduhr. Das Trommeln und tückische Klacken eines Minutenzeigers ließ die Welt stocken. Es tickte, hypnotisierend, es tickte, leise und bannend, es tickte, wie seit Jahrhunderten… Tick… Tack…

„Was kannst du sehen, Link?“

Und ganz schwach öffneten sich die blassrosa Lippen des Jungen für Worte, die er kaum wahrnahm. Seine Heldenstimme erklang zögerlich, aber auch bestimmend. „Dort ist das Entstehen… Reinheit… ein Wald am Anbeginn der Welt… Wörter in Holz geschnitzt…“

„Welche Worte stehen dort?“, fragte Nicholas und ahnte, dass der Junge eine Schwelle überschritten hatte, die er gehen musste um seine Antwort zu finden.

„Ich kann sie nicht lesen… da sind Symbole… in vergessenem Hylianisch…“

„Was ist dort noch, in diesem Wald?“

„Dort ist das Wachstum von Blättern und Zweigen… Licht, das durch Baumkronen funkelt… opalartiges Gestein, schimmernd… eine Brücke aus diesem Gestein…“

„Und wo führt dich diese Brücke hin?“, murmelte Nicholas und war vielleicht noch verzauberter als Link selbst. Das mussten Erinnerungen sein, die irgendwo in einem Leben zuvor entstanden waren. Und vielleicht waren Gefühle an diese Bilder geknüpft mit denen der Held der Zeit einen Schlüssel zu seinem Fragment formen konnte.

„Ich weiß es nicht…“

„Konzentriere dich, wohin führt die Brücke? Wie sieht jene aus?“

Dem Schüler tropfte in dem Augenblick eine Schweißperle von der Stirn, und sein Körper schien sich gegen die Bilder zu wehren. Er zuckte mit Muskeln in seinem Gesicht. Seine Atmung ging tief.

„Es ist… eine kleine Brücke, gläsern wirkend… über einen Bach… dahinter ist etwas Vertrautes…“

„Geh‘ hinüber…“, sprach Schwindler sanft.

„Ich kann nicht…“, sprach Link und seine Stimme wurde weich und zittrig.

„Was hindert dich?“

„Etwas wartet dort… verlockend…“

„Was kann dir helfen über diese Brücke?“

Und gerade als Link die letzten Formeln aus dem neugierigen Mund seines Lehrers vernahm, er sich spürte, dort wo die Zeiten anders waren und die Welt uralt, dort wachte etwas, dort verweilte etwas, das sich anfühlte wie ein Heilzauber in seiner Seele. Dort war jemand, der ihn über diese Brücke begleiten konnte…

Gerade, als er sich traute, als er weiter gehen wollte in seinen eigenen Geist, platzte irgendwo in ihm der Faden. Mit einem Dröhnen fiel die Brücke in sich zusammen, begrub den Weg zu seinem Schicksal und die Welt in seinem Bewusstsein, mutig und rein, die Blätter und Zweige, die Schönheit der Natur, zerfielen zu Staub.

Erschrocken riss Link die Augen auf, atmete heftig und blinzelte mehrmals, suchend nach einer Erklärung für das, was er gerade gesehen hatte, spürte aber auch, dass da etwas war, was ihn blockierte. Orientierungslos sah er dem Lehrer Newhead in die undefinierbaren Augen.
 

„Ist alles in Ordnung, Kleiner?“, sprach Nicholas. „Zum Glück hast du nicht wieder irgendetwas in alle Einzelteile zerlegt.“ Er wirkte belustig und so gut gelaunt wie eh und je.

„Ich verstehe das nicht, was war das gerade eben?“

„Nun, das ist in etwa die Meditation der Farore, das, was im nächsten Semester gelehrt wird. Es ist die Suche nach dem eigenen Mut und das Entdecken der eigenen Ängste“, entgegnete Schwindler. „Jeder angehende Ritter muss diese Meditation meistern. Und da es sich gut eignet zum Training deines Fragments wäre das wohl deine erste Aufgabe. Du musst in deinem Bewusstsein etwas finden, dass dir helfen kann, Kontakt mit dem Fragment herzustellen. Und du solltest das in nächster Zeit des Öfteren trainieren.“

„Mehr nicht?“, murrte Link ungeduldig. „Das ist ja wohl nicht dein Ernst. Ich soll mich hinsetzen und in Trance gehen? Das soll mutig sein?“

Nicholas schaute dümmlich an die Decke, dann in Links erwartende Augen und schließlich nickte er mehrfach.

„Das kann’s ja wohl nicht sein.“

„Doch, das ist es, was Undora von dir erwartet. Erst musst du Kontakt herstellen.“

Verstört hüpfte Link auf seine zitternden Beine, erinnerte diese seltsamen Bilder und konnte sich aber überhaupt keinen Reim daraus machen. Irgendwie reichte ihm das nicht. „Angenommen ich schaffe den ersten Schritt und bin in der Lage das Fragment in mir zu spüren, was dann?“ Der Held der Zeit machte keine halben Sachen. Jetzt, da er damit begonnen hatte, würde er auch die restlichen Schritte schaffen wollen.

„Im nächsten Schritt musst du das Fragment sozusagen anzapfen, wie ein Fass, das man aufmacht. Und die Energielenkung lernen… aber das ist nicht einfach, sagte die Magierin. Und erst zuletzt erreichst du die Techniken, die das Fragment in sich birgt. Aber das erst später, ich denke, für heute ist es genug.“ Auch Nicholas trat auf die Beine, streckte sich und war verwundert über die fortgeschrittene Zeit. Gähnend und schläfrig schaute er auf seine Wanduhr.

„Nicholas… sag‘ mir, was hast du davon, dass ich lerne mit dem Fragment umzugehen?“

Der Lehrer leckte sich über seine trockenen Lippen und grinste tückisch. „Du wirst mir gegenüber doch nicht misstrauisch, oder?“ Er strich sich mit einer Hand über seine Brust.

Link zögerte kurz und schüttelte dann seinen Kopf. Nicholas war einer der wenigen, denen er vertraute. Und warum sollte Nicholas auch lügen?
 

„Link… du bist mittlerweile wie ein Sohn für mich, kurier‘ deine Wunden in den nächsten Tagen aus und übertreibe das Training nicht…“, meinte der Lehrer und seine undefinierbaren Augen funkelten eindringlich. „Sei‘ demnächst außerdem sehr vorsichtig. Und pass‘ auf, wem du vertraust.“ Noch ehe Link irgendwie auf diesen Satz reagieren konnte, schob der edelmütige Schwindler den Jungen aus dem Raum, schob die Holztür vor seiner Nase zu und ärgerte sich über seine eigene Rührseligkeit. Ja, er war mittlerweile im besten Alter um einen Sohn in die Welt zu setzen, eine Familie zu gründen. Und er musste einsehen, dass der Unterricht der jungen Ritter ihn auf dieses Bedürfnis hinwies. Es war eine Ehre für Nicholas hier zu arbeiten, die zukünftigen Kämpfer Hyrules auszubilden und wachsen zu sehen. Und manchmal dachte er daran, wie es wäre seinem eigenen Sohn das Fechten beizubringen. Nicholas Doomrent wollte Familie… und wollte diese gemeinsam mit der Frau, die das Bett mit seinem Todfeind Viktor teilte…

Helden im Kreuzfeuer

Wenige Tage verstrichen und das Ende des ersten Trimesters an der Ritterschule rückte näher. Link hatte versucht sich so unauffällig wie möglich zu verhalten und hatte nach wie vor kein Wort über den Angriff des Chadarkna verloren, obwohl einige Schüler ihn deswegen versucht hatten auszuquetschen. Der junge Held hoffte, dass die Vorkommnisse am Destiniatempel allmählich in Vergessenheit gerieten, immerhin wusste kaum einer, was wirklich geschehen war. Keiner vermutete, dass in verwinkelten, realitätsfernen Welten eine neue Gefahr drohte… niemand wusste diesen Umstand. Niemand außer Link… und jener musste sich erst klar werden, was er mit diesem Wissen in die Wege leiten sollte. Er konnte wohl kaum dem König davon berichten, ahnte er, dass er bei ihm auf keinem guten Zweig saß. Und warum auch sollte der König Hyrules ihm Glauben schenken? Und was Zelda anging… er wollte nicht einmal im Traum daran denken sie damit zu belasten…

Mit der meerblauen Okarina an den Lippen saß er gerade auf dem Dach der alten Ritterschule und musizierte eine erfundene Weise, die der aufgehenden Sonne huldigte. Die letzten Tage waren für ihn erfüllt gewesen von kurzen Nächten. Und er vermisste den Schlaf auch nicht. Und mit dem Schwert trainieren war in seinem gesundheitlichen Zustand keine Alternative, obwohl er dies seit dem Angriff des Chadarkna gerne tun würde…

Und so schallten die dumpfen Okarinaklänge über das alte Land Hyrule, wurden vom Wind hinfort geführt und vermischten sich mit Lauten der Natur…

Als er die Okarina absetzte und jene in seiner Hosentasche verschwinden ließ und zögerlich in Richtung einer Leiter an der schwarzgrauen Mauer trat, konnte Link für einen kurzen Augenblick in der düsteren Dämmerung in etwa drei, vier Schatten ausmachen, die hastig in Richtung eines heruntergekommenen Schuppens an der Rückseite der Schule traten. Im Schutze des Halbdunkels bewegten sich die Gestalten vorwärts, lautlos, auf schnellen Füßen in ein scheinbares Versteck hetzend. Die kleine Holzhütte, hinter welcher die wenigen Punkte wie Stecknadelköpfe in einer Stickerei wirkend, verschwanden, wurde kaum genutzt. Link wusste nur, dass dort Harken, Schaufeln und Besen für die Gartenarbeit untergebracht waren. Und es war höchst ungewöhnlich, dass jemand um diese Uhrzeit dort herumschlich. Nicht sicher, ob die wenigen Schatten tatsächlich Ritterschüler oder Mädchen der nahen Schule waren, kletterte Link die Mauer hinab und überlegte zögerlich, ob er dem auf den Grund gehen sollte.

Mit der zunehmenden Morgendämmerung, die wie ein goldener Morgen in einer kalten Welt der Tränen über das Land zog, tapste Link durch den Innenhof, schlich vorbei am Brunnen, trat im Schatten der Gebäude an den Soldaten vorbei, die über die morgendliche Kälte wetterten und huschte unauffällig in Richtung eines Hinterhofs, ganz nahe dem Bereich, wo die Außenduschen angebracht waren. Er fand die Hütte, deren morsche Holzbalken von der aufgehenden Sonne mit flammendem Rot bemalt wurden, völlig leer vor. Keine Seele schien hier anwesend zu sein. Kein trügerisches Geräusch zerstörte die Stille. Mit Engelsgeduld untersuchte der junge Held die Umgebung, fand kraklige, nicht von Menschenfüßen stammende Fußspuren im nassen Schneematsch und sah sorgenvoll auf. Es war, wie er vermutet hatte. Und er erinnerte sich an die Vorkommnisse vor wenigen Wochen, als ein Moblininsekt in seinem und Wills Zimmer herumgeschlichen war. Irgendwelche Kreaturen, die vielleicht einen grausigen Zweck verfolgten, spionierten in den Nächten die Schule aus und nutzen Pfade, die kaum einem Hylianer bekannt sein konnten. Die Kreaturen der Finsternis beobachteten genau, was an der Schule vor sich ging und vielleicht waren der Mord an dem Hausmeister Hopfdingen und der Angriff der Blutschatten auf der Steppe nicht die letzten erschreckenden Ereignisse im Umkreis der Schule.
 

In seine Gedanken versunken bemerkte der junge Heroe, dessen Hände und Nase mittlerweile rotgefroren waren, nicht die Gestalt, die sich durch den Matsch auf ihn zubewegte. Ihm blieb beinahe das Herz stehen, als sich eine in raue Lederhandschuhe gepackte Hand fest auf seine rechte Schulter legte. Eine unbekannte Stimme erklang belehrend: „Hey, Bürschchen. Es ist den Schülern untersagt ohne Aufsicht hier herum zu schleichen.“

Erschrocken wirbelte Link herum und amtete erleichtert auf, als er einen hylianischen Soldaten vor sich stehen sah. Es war ein kleiner Mann, sogar kleiner als der junge Heroe selbst, aber seine energische, kraftvolle Stimme hatte Link völlig aus dem Konzept gebracht. Er war in eine einfache Rüstung gesteckt worden. Aber weder der halb verbeulte Helm, noch das Gesicht des Mannes interessierten Link. Es war eher der Brustpanzer, der seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Das Wappen der hylianischen Königsfamilie, das auf seinem breiten, silberfunkelndem Brustpanzer aufgemalt war, schien den jungen mit einer eigenartigen Lebendigkeit anzustarren. Erst dann blickte Link dem Mann in die wachen Augen. Und als er dies tat, stieß jener seinen Speer, der in seiner rechten Hand wie Bronze funkelte, in den kalten Matsch.

„Junge“, sprach er warnend. „Deine Lehrer würden es nicht gut heißen, wenn du dich gegen die neue Hausordnung der Schule stellst und tust, was dir beliebt.“ Er klang ausgesprochen erfreut, dass er zumindest diese Befehlsgewalt besaß und deutete mit einer Hand zurück zu dem Schulgebäude. „Begib‘ dich in die Schule, Bursche. Beim nächsten Mal lass‘ ich Sir Viktor wissen, dass du gegen die Hausordnung verstößt.“

Und als Link verstand, dass jener Kerl wohl zu gerne auf das Wort des Direktors hörte, zuckte der Schüler kurz mit den Schultern und spielte das Spielchen mit. Es war nicht hilfreich, wenn er sich einmal mehr querstellte und seinem Hitzkopf freie Bahn ließ, obwohl er diesem Kasper nur zu gerne etwas Passendes entgegnet hätte. Aber Link bremste sich, hörte die warnende Stimme von Nicholas, die zu ihm sprach: ,Verhalte dich unauffällig…‘ Und er hatte Recht.

Mit einem Nicken und wissend, er konnte dem Wachpersonal kaum von seiner Beobachtung erzählen, trat Link zurück in den Innenhof, wo die ersten Lichter der unzähligen Öllampen und Kerzen in den Fenstern Lichtspiele verursachten. Die beiden Schulen erwachten aus dem Schlaf und der Unterricht würde bald beginnen. Zielsicher tapste Link durch den Schneematsch im Innenhof, spürte eine unangenehme Brise eisiger Luft durch seine Glieder toben und stolperte zum Haupteingang…
 

Auch in der Aula der Schule waren bereits Dutzende Lichter entfacht, die wie ein leidenschaftliches, glimmendhelles Meer aus flüssigem Sonnenschein die vergilbten Säulen, die von hier aus ein Teil des Bauwerks stützten, anstrahlten. Und die tanzenden Lichtspiele schienen groteske Fratzen an die mit funkelnden Steinen besetzte Wände zu zimmern, die dann ihre Schatten über den Boden, zu dem Empfangsbereich, über den riesigen Kamin, bis zu den auseinanderlaufenden Treppen schickten. Der Ritterschüler steuerte in der noch leeren Aula die Treppenstufen an und wollte sich in sein Zimmer begeben, als er an einem großen Brett vorübertrat, wo Ankündigungen, wichtige Neuigkeiten und andere Dinge angeheftet waren. Auch sein Aufsatz über Arn Fearlesst war noch dort angebracht. Mit Melancholie las Link die Worte erneut.
 

Und das erste Mal, seitdem er diese Worte gefunden und niedergeschrieben hatte, klangen sie für ihn nach Abschied, als haftete der Tod an ihnen. „Er war ein Fearlesst, einer eines alten edelmütigen Geschlechts, das sich Ängsten und Dämonen stellte. Er war Arn Fearlesst, ein Familienvater, ein Ehemann, und ein Held.“ Es erschien dem vergessenen Heroen beinahe, als waren jene Worte in das Ewigengestein, so nannte man in Hyrule jenen feinen granitartigen Geröll, den man für die Gräber verwendete, eingemeißelt worden. Und die Gräber in Hyrule waren oft geformt wie ein Gegenstand, den der Verstorbene im Leben am meisten wertschätzte. Bei Rittern war die Form des Grabmals häufig ein Schwert. Ja, dachte Link. Diese Worte erinnerten ihn an das, was auf einem Grabstein stehen sollte…
 

Plötzlich nahm er ein paar schlürfende Schritte wahr und roch ein starkes, nach See riechendes Öl und blickte verwundert um sich. Ein Schüler der höheren Jahrgangsstufe mit dunklem Haar wie Rabenfedern, trat zu ihm heran und musterte ihn sehr eindringlich. Link kannte den jungen Mann kaum, wusste nur, dass er einige Jahr über ihm war und manchmal mit Ian herumhing. Er hatte Schlamm an seinen Stiefeln, was vermuten ließ, dass er sich ebenfalls außerhalb aufgehalten hatte, und er stank regelrecht nach seinem Parfum.

„Guten Morgen“, sprach er und knackte mit seinen Gelenken. Er schien seinen Nacken halb zu verdrehen, bis er Link mit seinen schmalen Augen musterte.

„Morgen“, brummte Link unbeholfen und wusste nicht, was jener Schüler von ihm wollte. Andererseits, so hatten ihn einige Mitstreiter wegen des Vorfalls am Destiniatempel versucht auszufragen. Vielleicht hatte dieser Ritterschüler ähnliche Absichten. Link blickte zu seinen Stiefeln und hoffte, der junge Ritter ließ ihn in Ruhe, aber jener heftete seine Augen ebenfalls an das große Verkündigungsbrett.

„Du hast diesen Aufsatz über Arn Fearlesst geschrieben, nicht wahr?“, fragte der junge Mann mit einer Stimme, die kaum geheimnisvoller sein konnte. Er lispelte ein wenig, sprach beinahe unsicher, was nicht zu seiner großen Statur passte. Erst jetzt bemerkte Link, dass sein Gegenüber einen Tick hatte und oft ungewollt mit dem Kopf zuckte.

„Ja, es ist mein Aufsatz“, sprach Link und wollte höflich bleiben, auch wenn er kein Interesse an diesem Gespräch und wenig Verlangen nach neuen Freundschaften hatte.

„Das heißt, du bist Link, der Junge, über den sich die ganze Schule das Maul zerreißt?“, sprach sein Gegenüber, worauf der vergessene Heroe ihn nun doch interessiert und neugierig musterte. Es war für ihn etwas verwunderlich, dass dieser Ritterschüler scheinbar noch nicht wusste, wer er war, wo doch die ganze Schule über ihn redete.

„Ich habe nicht darum gebeten in Farores Licht zu stehen…“, murmelte Link, worauf der andere Schüler lachte. „Das kann ich irgendwie nachvollziehen.“ Dann endlich reichte der junge Mann dem Heroen eine mit Narben übersäte Hand. „Mein Name ist Kieran von Irien.“ Link nahm die Hand entgegen, verwundert wie eiskalt diese war. „Du bist mir an der Schule noch gar nicht aufgefallen“, meinte Link dann eher zu sich selbst als zu dem Burschen.

„Ich halte mich eher im Hintergrund“, sprach Kieran leise und schien dafür vielleicht auch einen guten Grund zu haben. Dann lächelte er wie ein kleines Kind, als seine schmalen, glasigen Augen über den Aufsatz wanderten. Sein aus kupferbrauner, glänzender Haut bestehendes Gesicht wirkte mit einem Schlag anmutig und kindlich, als eine alte Freude in seinen Geist drang. „Das ist ein sehr schönes Stück Schriftkunst… es rührt Herzen zum Schmelzen…“, meinte er bewundernd und schien gefesselt.

„Warum interessierst du dich so sehr für diesen Aufsatz“, sprach Link, nun doch erpicht. Er strich sich sein blondes Haar von der Stirn, das ihn allmählich störte. Er würde es sich bald schneiden müssen.

Kieran verschränkte die Arme. „Ich bin verwundert, dass jemand etwas über Arn Fearlesst schreibt, wo es doch schon lange her ist, dass er für den damaligen König gestorben ist.“

Sofort hatte Link irgendwie das Bedürfnis sich zu rechtfertigen. „Es war ein Auftrag in Newheads Unterricht und ich wusste nicht, über wen ich sonst schreiben sollte.“

„Du meinst, das ist alles, warum du diesen Aufsatz geschrieben hast und dann noch mit so viel Gefühl, fast so, als warst es nicht du, der den Aufsatz schreiben musste.“

„Was willst du damit andeuten?“ Skeptisch hob Link eine sandgelbe Augenbraue. Unterstellte ihm Kieran jetzt, dass er gemogelt und den Aufsatz nicht selbst verfasst hatte?

„Mmh“, seufzte er. „Nicht das, was du denkst.“ Und aus Nervosität zitterte Kierans Kopf etwas stärker. „Du solltest dich fragen, warum du diesen Aufsatz geschrieben hast.“

„Wozu? Arn Fearlesst ist ein Vorbild für viele Ritterschüler gewesen“, rechtfertigte sich Link und wusste nicht, warum er mit Kieran darüber diskutierte. Dieses Gespräch war eigenartig und dieser vielleicht siebzehn Jahre alte Bursche war noch eigenartiger. „Und mein Auftrag war es über berühmte Leute in Hyrule zu schreiben.“

„Warum hast du dann nicht den Helden der Zeit genommen, der ist noch berühmter als Arn Fearlesst“, entgegnete Kieran flach und konnte seine Augen noch immer nicht von dem Aufsatz abwenden. Er wirkte völlig rührselig und eine wundersame Form von Traurigkeit wuchs in seinen Augen mit schimmernden Tränen.

Link schnaubte entrüstet. Dieses Gespräch war irgendwie ermüdend. Er konnte Kieran ja wohl kaum erzählen, dass er keine Lust hatte über sich selbst zu schreiben. Erneut musterte der blonde Heroe sein Gegenüber und erst dann, wo er deutlich wahrnehmen konnte, das Kieran in Trauer war, kam ihm ein weiterer Gedanke. Hatte Kieran vielleicht Arn Fearlesst als Vorbild?

Zum zweiten Mal stellte der Held folgende Frage: „Sag‘ mir, warum interessiert dich dieser Aufsatz so brennend?“

Aber Kieran lächelte nur wieder. „Wusstest du, dass Arn Fearlesst sich um Waisenkinder gekümmert hat, er hat einige Kinder finanziert und unterstützt.“

„Ja, das hatte ich irgendwo gelesen“, erwiderte Link mit einem enttäuschten Seufzen. „Das beantwortet aber nicht meine Frage.“

„Nicht direkt, was?“, lachte Kieran amüsiert. Aber dann verstummte er wieder schlagartig, als habe man ihm das Lachen verboten. „Wusstest du, dass Arn die Meditation der Farore besser beherrschte als irgendjemand in Hyrules Geschichte.“

Aber auch das beantwortete Links Frage kaum. Mittlerweile war er von dem Gespräch genervt und blickte wieder zu Boden. Erneut fielen ihm die mit Schneematsch besudelten Stiefel seines Gegenübers auf, aber diesmal fragte er sich, was Kieran in der Früh draußen gemacht haben könnte.

„Warum erzählst du mir das überhaupt?“, brummte Link und bemühte sich nicht zu gähnen. Es langweilte ihn mittlerweile dem rabenschwarzhaarigen Schüler an den Lippen zu kleben.

„Tja, warum wohl…“, sprach er kühn. Und mit seinen Worten strich er seinen rabenschwarzen Haaransatz zur Seite und deutete auf eine große Fläche narbiger Haut auf seiner Stirn. „Ich habe viele Gründe, dir das zu erzählen…“

Irritiert betrachtete sich Link die vernarbte Haut und endlich schien es Kieran geschafft zu haben seine Neugier zu wecken. „Was hast du dort gemacht?“, erwiderte er mit Mitgefühl.

„Das ist eine lange Geschichte… du solltest wissen… dass Arn Fearlesst einen Chadarkna getötet haben soll… Er war wohl der einzige, der wusste, wie man diese Biester zur Strecke bringt…“, sprach Kieran mitleidig und wand sich um seine Achse.

Doch diese Worte musste Link erst einmal verkraften. Geschockt brachte er zunächst kein Wort über seine blassrosa Lippen. Er wusste noch nicht, was er sagen wollte, als er Kieran eine Hand auf die knochige Schulter legte. „Warte!“, sprach Link laut und eindringlich. „Nochmal… Wozu erzählst du mir das?“ Mehr als diese Frage brachte Link vor Erstaunen und plötzlicher Nervosität nicht aus dem Mund.

„Ja, wozu wohl…“, sprach Kieran geheimnistuerisch.

„Lass‘ dieses Theater“, warnte Link dann. Seine Stimme schwoll an, genauso wie er sie gegenüber einem Feind erheben würde. „Ich halte nichts von solchen Spielchen. Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann sag‘ es mir frei ins Gesicht.“

„Nein, wohl kaum…“, murmelte Kieran leise. Gerade da waren Schritte hörbar und die ersten wachen Ritterschüler traten von den Stockwerken hinab in Richtung der Aula, um schließlich im Speisesaal zu verschwinden.

„Aber…“ Und mit einem Grinsen, verschlagen, beinah unecht und gekünstelt, als wäre der junge Bursche nur eine Puppe, drehte er sich wieder um. Dennoch leuchtete in seinen gelben Augen eine Welle der Hoffnung. „… ich möchte dir noch sagen, dass Arn Fearlesst sehr wohl ein wunderbarer Mann war. Ich habe nicht wirklich etwas mit den Fearlesst zu tun, aber ich wurde für einige Wochen von ihm aufgenommen, als meine Eltern ermordet wurden. Ich kann mich nicht wirklich erinnern, dennoch bin ich ihm sehr dankbar…“

Link verstummte daraufhin und sah Kieran von Irien mit seinen schlammbesudelten Schuhen die Treppen hinauf stapfen.

Für einen kurzen Augenblick, eine irritierende Erschöpfung spürend, lehnte sich der vergessene Heroe mit dem Rücken an die Wand. Er fühlte sich plötzlich äußerst unwohl in seiner Haut, ahnte, dass viel mehr Wesen in das verwickelt waren, was in Hyrule vor sich ging, als er es sich vorstellen konnte. Und die Informationen von Kieran brannten ihm ein wenig auf der Seele. Denn das alles bedeutete wahrhaft nichts Gutes…
 

Wenig später befand sich Link mit seinem Zimmergenossen, den anderen Drittklässlern und sowohl jüngeren als auch älteren Ritteranwärtern im Speisesaal, wo ein wildes Durcheinander von lärmenden Diskussionen und lästiges Getratsche herrschte. Sonnenstrahlen funkelten in dem Speisesaal von außerhalb herein und erhellten den Raum zusätzlich zu den Dutzenden glimmenden großen Öllampen, die an den Wänden angebracht waren. Die stramme Köchin der Schule mit ihrer weißen Kochhaube auf dem runden Kopf brachte immer wieder dampfende Quarkröllchen, Triforceplätzchen und süße Aufläufe herein, wovon die Jugendlichen kaum genug bekommen konnten. Das Fest zu Ehren der Göttin Nayru rückte näher und da war es Tradition, dass leckere, süße Speisen serviert wurden. Und heute war einer der letzten Tage, bevor die Schule für die kälteste und schneereichste Zeit des Jahres geschlossen wurde.

Mit einem unguten Gefühl und irgendwie ohne Appetit saß Link auf seinem Platz an der Tafel neben William Laundry und kaute freudlos auf einem Zoralakritzentaler herum. Er starrte ins Nirgendwo, zumindest wirkte es so, denn seine meerblauen Augen hafteten seit mehreren Minuten auf der mit frischen Flecken betünchten Tischdecke. Er seufzte und stützte schließlich seinen Kopf an einer Hand ab.

„Irgendwie komisch, dass du keinen Appetit hast“, sprach Will mit seiner tiefen Laundrystimme und schaute den einstigen Helden der Zeit überprüfend an. „Du wirst nicht schon wieder krank, oder?“

Link zwinkerte darauf. Erneut überfiel ihn sein nunmehr bester Kumpel mit seiner Fürsorge. Der blonde Heroe wollte zunächst schnippisch darauf antworten, aber auch hier bremste er sich, wollte nicht aus der Haut fahren, zumal er Will einige Antworten bezüglich des Dämonenangriffs schuldete und weil es der Laundry garantiert nicht böse meinte.

„Nein“, sprach Link klar und richtete sich auf. „Ich habe schlichtweg keinen Hunger.“

„Dass ich das noch erlebe“, lachte Will, worauf weitere Schüler an der Tafel aufsahen. Sein Lachen war herzlich und fröhlich. Es tat gut und steckte an. „Ausgerechnet Link, einer der größten Vielfraße im Umkreis, hat keinen Hunger.“ Weitere Schüler sahen auf. Mittlerweile war es an der Schule Gang und Gebe, dass, wenn der Name Link fiel, alle von ihren momentanen Tätigkeiten abließen. Nur die wenigsten schienen kein Interesse an dem zu haben, was der ansehnliche Kämpfer trieb. Und sofort ruhten Dutzende Augen auf ihm.

Mit einem scharfen und sarkastischen Blick, der seinen Zweck erfüllte, dankte Link seinem Kumpel auf ironische Weise für die Aufmerksamkeit und bedeckte sein rot anlaufendes Gesicht mit einer Hand.
 

„Bei Farore, Link, seit Tagen versuchen wir Infos über den Angriff aus dir herauszuquetschen und immer sind wir bei dir auf Granit gestoßen“, begann Artus McDawn, der schräg gegenüber saß, und strich seine goldenen Locken nach hinten, die verspielt über seine schmale Brust fielen. Er sah frisch und gesund aus, bekleidet mit einer samtenen schwarzen Tunika über einem neuen kupferfarbenen Kettenhemd. „Es ist doch kein Wunder, dass die Leute dich neugierig mustern, wenn du keinem mitteilst, was passiert ist.“

Auch der beinah kahl geschorene Robin Sorman, der neben Will saß, stimmte mit ein: „Ja, das Problem ist nämlich, wenn du nichts erklärst, wird keiner aufhören dir misstrauisch oder tuschelnd zu begegnen, und die Leute werden dir noch mehr unterstellen.“

Link schluckte verdattert die Spucke in seinem Hals herunter und bekam einen roten Kopf. Er verstand die Logik dahinter. Aber so einfach war es schließlich nicht. „Und was bitte schön wird mir unterstellt?“ Er versuchte sich herauszureden, was nicht funktionierte. In menschlicher Kommunikation war er nie wirklich gut gewesen. Schon damals in Kokiri nicht. Nur in der alternativen Zeit hatte er gelernt zu argumentieren, aber auch nicht so, wie es ihm in vielen Situationen von Nutzen wäre. „Ihr tut gerade so, als wäre das, was ich getan habe, frevelhaft und furchtbar…“, ergänzte er mürrisch.

„Ganz im Gegenteil. Deine selbstlose Tat alleine und auf eigene Faust Dämonen von der Schule wegzulocken, ist gigantisch, und wirft gerade aus diesem Grund einige Fragen auf…“, meinte Artus erneut. Mehrere Drittklässler am Tisch begannen sich an der Diskussion zu beteiligen, lauschten gespannt.

„Welche Fragen?“, meinte Link stur und schaute dann von einem zum anderen. Neben Artus und Robin saßen noch andere Schüler, mit denen Link einige Fächer besuchte. Darunter waren Deyan Boldar, ein dicker kleinwüchsiger Hylianer, dessen Familie viele Ländereien besaß und der immer mit dem anderen Zwerg Sepreain Gmeindal, dessen Schwester den älteren Bruder Deyans ehelichte, herumhing. Diese beiden Familien hatten immer wieder in die andere eingeheiratet und beinahe könnte man sagen, dass sich Sepreain und Deyan wie ein Ei dem anderen glichen. Beide hatten sie Augen, die dicht in den Höhlen lagen, beide besaßen gekräuselte braune Locken. Und auch diese beiden hatten seit einigen Tagen unangenehme Fragen gestellt.

Artus schüttelte mit dem hübschen Kopf, sodass seine blonden Locken an ihm baumelten wie goldene Blätter an einem Baum im Sturm. „Link, glaubst du wirklich, ich kaufe dir deine schauspielerische Leistung ab, als ob du nicht ganz genau wüsstest, welche Fragen dein Verhalten aufwirft“, lachte der McDawn und trank von seinem Kelch frisches Wasser, spülte seine Worte herunter.

„Nun rück‘ halt endlich raus damit, was am Tempel passiert ist. Irgendwann weiß es eh jeder an der Schule“, murrte Robin Sorman und lehnte sich zufrieden über seinen gefüllten Magen zurück. Er streichelte über sein dunkles Wams und hielt sich den Bauch. „Mann, ich habe zu viele von diesen Triforceplätzchen verschlungen.“

Link biss sich auf die Lippen, spürte weitere Blicke in seinem Nacken und verkrampfte sich auf seinem Sitz. Er ahnte, was nun kam, man würde ihn fragen, woher er den Mut nahm sich einer solchen Gefahr zu stellen. Man würde ihm weitere unangenehme Fragen stellen, seinen Kopf ausweiden, als wären darin Rubine versteckt. Und vielleicht würde ihn am Ende jemand darauf ansprechen, ob er der Held der Zeit war…

„Ich werde zu den Vorfällen am Tempel nichts sagen“, sprach Link nach einer Pause der Stille. Seine Aussage mochte kühl und leer klingen, aber etwas anderes würde seine Lippen kaum verlassen.

„Du bist vielleicht ein Sturkopf“, brummte Robin. „Was ist denn überhaupt dein Problem? Wir sind eine Gemeinschaft von Ritterschülern, wir zählen aufeinander und die meisten von uns würden dem anderen unser Leben anvertrauen. Schließlich sind wir nicht umsonst an einer Ritterschule.“

„Gut gesprochen, Robin“, sprach Deyan, der Hylianer, der doch aussah wie ein Zwerg, und mischte sich in die Diskussion ein.

„Das will ich doch gehofft haben“, lachte der Frauenheld Sorman und wischte sich mit einer Serviette Essensreste von seinem breiten Mund. Er hatte volle Lippen, vielleicht war es das, was die Mädchen beim Küssen an ihm so toll fanden…

„Jedenfalls bedeutet dein Schweigen, dass du etwas zu verbergen hast, Link“, meinte Artus erneut und fuchtelte belehrend mit seinem rechten Zeigefinger. „Und darüber zerreißen sich die Jungs alle die Mäuler.“

„Was sollte ich zu verbergen haben“, murrte Link und ließ es nun darauf ankommen. Er warf seinen Mitschülern herausfordernde Blicke zu. In seinen tiefblauen Augen schien ein reißendes, starkes Meer mit gewaltiger Strömung eine Küste wegzureißen. Sein Verstand war scharf und vorbereitet.

„Nun“, meinte Sepreain mit einer hellen, zerbrechlich wirkenden Stimme, die kaum zu seinem Erscheinungsbild passte. „Es gibt da einige Leute, die behaupten, dein Kampf gegen die Moblins wäre bloß eine Lügengeschichte. Das ist für manche ein Grund dir zu misstrauen und über dich herzuziehen.“

William schüttelte auf diese Worte den Kopf und brachte aufgeregt hervor: „Das ist jawohl eine Frechheit.“ Er war sichtlich verärgert wegen dieser Anschuldigung. Seine grünen Augen funkelten wie Gift. „Soll sich Link selbst so zugerichtet haben, dass er beinahe gestorben wäre?“

„Tja“, gluckste Sepreain, zermalmte Mürbeteig mit seinen schiefen, gelben Zähnen. „Das mag ein Argument sein, aber solange Link ein Geheimnis aus dieser Geschichte macht, wird es auch fiese Lästereien geben.“

„Und was sollte ich davon haben mir eine derartige Geschichte auszudenken?“, begann Link sich zu rechtfertigen.

„Ganz einfach, du willst im Rampenlicht stehen, deshalb hast du auch vor einigen Wochen Viktor fertig gemacht.“

Daraufhin schlug Link mit seinem Schwertarm auf den Tisch, sodass es krachte, die Teller und Schüsseln darauf wackelten und selbst am Ende der Tafel einige Gläser umfielen. „Das ist ja ungeheuerlich!“, schimpfte der vergessene Heroe. „Als ob es so schwer ist Viktor vorzuführen! Hätte nur einer von euch mal den Mund aufgemacht und Viktor gezeigt, was er für ein lahmer Schwertkämpfer ist, hätte ich es nicht tun müssen!“
 

Alle bei Tisch wichen plötzlich zurück und warfen erneut misstrauische Blicke in Links Richtung. Und für jenen wurde diese Situation immer unerträglicher. Er fühlte sich wie im Kreuzfeuer oder auf einer Anklagebank. Gerade das hatte er versucht zu vermeiden. Er konnte sich kaum erheben und klarstellen, dass er der Held der Zeit war. Wer sollte ihm das in seinem erbärmlich schwachen Zustand abkaufen? Sollte er sein Triforcefragment des Mutes in die Höhe recken, seinen goldenen Schein wie einen Schirm über die ungläubigen Schüler spannen, würde man vielleicht noch denken, er habe es sich erschlichen oder gestohlen.

„Das ist der nächste Punkt, den einige von uns nicht verstehen“, sprach nun Deyan mit einer Stimme wie ein Brummbär. „Da fängt das dritte Jahr für einige von uns an der Schule an und ein neuer Ritterschüler, von dem niemand vorher etwas gehört hat, kommt hierher, kämpft mit einem Talent, das kein anderer vorweisen kann, hat keinen bedeutenden Namen und beweist uns allen, was wir für Feiglinge sind. Wer soll da nicht misstrauisch werden?“ Und auf diese Worte hin brabbelten plötzlich alle am Tisch zustimmend. Ein wildes Diskutieren brach los und alle stimmten dem Boldarjungen zu.
 

Link spürte, wie sein Puls in die Höhe schoss und er anfing zu schwitzen. ,Toll‘, du Held, tadelte er sich in Gedanken. Wollte er nicht eigentlich unauffällig bleiben? Und nun sah er ein, dass seine Handlungen schreckliche Konsequenzen hatten. Gerade davor hatte Nicholas ihn gewarnt. Auch Orson hatte ihm dazu geraten, seine Fähigkeiten zu verbergen und was war passiert? Er hatte mit seiner Anwesenheit die gesamte Ritterschule auf den Kopf gestellt.

„Hinzu kommt, dass dann ausgerechnet dieser Kerl mutig genug ist ein halbes Dämonenheer von der Schule wegzulocken und ihm diese ganzen Biester, ausgerüstet mit tödlichen Waffen und vernichtenden Zaubersprüchen, folgen!“, schallte die klare Stimme von Artus durch die mittlerweile tobende Menge. „Ich will dich nicht angreifen mit meinen Worten, Link, und ich bin dir für diese Tat unendlich dankbar, auch weil du damit die Damen an der Benimmschule geschützt hast. Aber wer soll glauben, dass diese fünfzig Mann starke Brut des Bösen hinter einem einzelnen Schüler her donnert, als ob zehn von denen nicht genug sind um jenen zu töten? Es muss einen Grund geben, warum die Moblins dich unter der Erde wissen wollen!“

„Dann wisst ihr doch eh schon, was passiert ist“, pflaumte Link grantig umher und versuchte von dieser Frage abzulenken. „Seid ihr dann fertig mit dieser sinnlosen, nervtötenden Leier?“ Er wollte sich nicht länger in den Mittelpunkt dieser entehrenden Diskussion rücken lassen, wollte nur seine Ruhe. In Gedanken betete er zu seiner Schutzgöttin, sie möge irgendetwas passieren lassen, dass die Schüler Ruhe gaben.

Hilflos blickte er in Wills smaragdgrüne Augen und hoffte, der Laundry würde ihm helfen sich hier herauszureden. Aber Will schüttelte bloß den Kopf, was ihm unwillkürlich klar machte, dass auch er auf entsprechende Erklärungen wartete.

Jetzt saß Link in der Falle…

Und während die Leute lautstark über den mutigen jungen Mann redeten, der sich seiner Fehler bewusst wurde, hatte er für einen Moment das Gefühl, sein Versteckspiel war nun endgültig vorbei. Und es kam in seinen Gehirnwindungen noch schlimmer. Was wäre, wenn dadurch, dass sein wahrer Titel ,Held der Zeit‘ ans Licht kam, es ihm nicht mehr gestattet war, hier zu lernen? Weitere unsinnige Gedanken erschufen sich in seinem Kopf. Wie würde Zelda, die ohnehin von ihm enttäuscht war, darauf reagieren?
 

Und es war dann, dass sich der vergessene Held erhob. Und auf welche elegante Weise er sich aufrichtete. Edel wie ein König ragte seine Entschlossenheit über die Köpfe der Schüler hinweg. Mit einem scharfen Blick kam er auf seine Beine und plötzlich schwiegen alle. Selbst diejenigen, die aßen, trauten sich nicht mehr zu kauen. Und dann begann Link zu reden und schien mit seinen Worten zu wachsen. „Hat einer von euch jemals soweit gedacht, dass ich schlichtweg niemandem sagen kann, was am Destiniatempel passiert ist?“, rief er in die Menge. „Glaubt ihr, das würde euch irgendetwas einbringen oder nützen?“ Er machte eine kurze Pause und seine tiefblauen Augen funkelten eindringlich in das Gesicht von jedem Ritterschüler, der ihn musterte. „Wer von euch war jemals einer wirklichen Gefahr ausgesetzt? Wer von euch hat schon einmal gegen Dämonen gekämpft?“

Als sich keiner traute etwas zu sagen, sprach der einstige Held der Zeit einige an. „Was ist mit dir, Artus!“ Doch jener schüttelte den Kopf. „Und du, Robin?“ Und wieder kam nichts weiter als ein Kopfschütteln.
 

„Kaum einer von euch weiß, wie es ist einem Dämon den Kopf abzuschlagen oder verfilzte Gedärme aus dem Bauch zu reißen!“, sprach er donnernd und der gesamte Saal schwieg. Man hätte die Zeit persönlich ticken hören können, wenn man sich bemühte. „Und da glaubt ihr ein Mann, der das erlebt, hat Lust darüber zu reden?“ Links Stimme wurde immer energischer und er stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. „Hat von euch denn keiner so viel Verständnis und Einsicht, dass es besser für euer Leben ist, wenn ihr nicht alles wisst! Dämonen kennen keine Gnade. Dämonen räuchern jedes kleine Nest nach Informationen aus um Hylianer bluten zu lassen. Wenn ihr zu viel wisst, bringt euch das mit jedem Schritt näher zu eurem Grab.“ Link nahm einen tiefen, heftigen Atemzug, schloss sinnierend die Augen und konnte kaum glauben, dass er das tat. Aber eine andere Wahl als laut zu sprechen hatte er nicht. Geräuschvoll ließ er sich wieder auf seinen Platz sinken und vergrub das Gesicht in beiden Händen. Warum konnten die Leute nicht verstehen, dass er nichts Abartiges im Sinn hatte, er wollte diese ehrvollen Hylianer, und die meisten hier waren gute Seelen, doch nur schützen.

Eine unangenehme Stille schlich sich durch den Raum, wirkte beinahe gespenstisch. Und zumindest einige Schüler waren durch Links ehrenvolle Worte mildtätig und geduldig gestimmt worden. Es schien wie, als hätten Links einschneidenden Worte die Menge geteilt. Einige schwiegen, fühlten sich beschämt. So wie der McDawn, der ein leises ,Sorry‘ über seine Lippen gleiten ließ; oder auch Will, der betreten zu seinem halbgefüllten Teller schaute und den Appetit verloren hatte.

Aber ein anderer Teil der Menge war mit Links Aussage nicht zufrieden. Für Sepreain und Deyan waren Links Worte nur noch ein weiterer Stachel, der sie energischer und neugieriger werden ließ und antrieb. Sie begannen wiederrum rumorend zu diskutieren und steckten andere Schüler mit ihren Argumenten an. Auch Ian am anderen Tisch erhob sich und die Mitglieder seiner Gang taten es ihm gleich.
 

Zornig, mit Rachedurst Link etwas heimzuzahlen, begann Ian mit den weißen Zähnen zu knirschen. Sein weißblondes Haar zurückstreichend schickte er ein heftiges Gelächter in den Raum. „Lasst euch doch nicht für dumm verkaufen“, brüllte er. „Glaubt ihr wirklich, dieser Kerl dort, der nichts hat außer ein wenig Talent im Schwertfechten, ist der Edelmut in Person? Seid ihr Ritter oder Schwachköpfe?“

„Halt‘ deinen gehässigen, lügnerischen Schnabel, Ian!“, muckte Robin Sorman auf. Auch er verteidigte Link.

„Ich lüge nicht, ich sage euch, wer dort sitzt! Ein Narr, der viele Geheimnisse hat. Selbst einige Ritter des königlichen Rates behaupten, er wäre ein Sonderling, der sich Respekt und Achtung in Hyrule mit Heucheleien erkaufen will. Ich habe die Ritter belauscht, die neu an der Schule zugeteilt worden sind. Und keiner von denen hat Achtung vor diesem zugelaufenen Kerl, der nicht einmal einen Nachnamen hat!“

Link biss sich auf seine Lippen angesichts jener Demütigung. Er versuchte ruhig zu bleiben, sich nicht reizen zu lassen, aber die Macht in sich ließ sich kaum zügeln. Sein Triforcefragment begann zu pochen, so heftig, dass ihm seine linke Hand brannte wie Feuer… Er atmete fiebrig, schloss die Augen und drückte die rechte Hand auf die schmerzende Linke.

„Beweisen seine Worte nicht, dass er uns alle zum Narren hält? Bei den Göttinnen Hyrules, ihr könnt doch nicht einem dahergelaufenem Bastard Vertrauen schenken! Ihr seid die Söhne von ehrenwerten Rittern, die ihr Leben für Hyrule riskieren würden. Ihnen solltet ihr glauben, nicht einem Burschen, der angeblich mehr als zwei Dutzend Moblins besiegt haben soll und das im Alleingang!“ Ian schien in Fahrt zu kommen und ließ seine ganze Missgunst Link gegenüber heraus. Und seine Worte hetzten die Menge nur noch mehr auf.

Ein weiterer, älterer Schüler erhob sich. Ein langer, kräftiger Kerl, mit dem Namen Elyon Levias, der eine breite Narbe in einem hellen Gesicht trug. Er hatte silbernes Haar, wie flüssiges Metall umspielte es sein Gesicht. Und man sagte, seine Familie wäre geboren in dem Maul eines Fisches, da die mit dem Nachnamen Levias die besten Schwimmer Hyrules waren. Er war einer derjenigen, die am Destiniatempel die letzten Dämonen unschädlich gemacht hatten. Angriffslustig mischte er sich in die Diskussion ein: „Ich war dabei! Dort am Tempel der Destinia“, rief er dröhnend. „Ich habe gesehen, was Link erduldet hat und ich schwöre euch. Er ist kein Narr, kein Lügner und erst recht kein Feigling. Er ist ein Held!“
 

,Er ist ein Held‘, sauste der Ruf der Wahrheit durch den Saal, trank an dem Übermut der lachenden Ritterschüler. Allesamt wollten sie den einen Helden sehen, alle wollten sie den Helden der Zeit in ihren Reihen erkennen.
 

Ja, endlich waren die Würfel gefallen. Das Wort ,Held‘ sauste wie ein Feuerwerkskörper durch den Saal, stachelte weitere Diskussionen an und veränderte den Tag. Alle Schüler erhoben sich. Ein Kreis bildete sich um Link und die wenigen Freunde, die bei ihm am Tisch saßen.

„Schon lange wurde gemunkelt, der Held der Zeit sei an dieser Schule, trinke genauso wie die Schüler aus den Kelchen, speise mit ihnen und kämpfe mit ihnen“, sprach ein weiterer Schüler mit einer bekannten Stimme. Es war Kieran von Irien, der kurz zuvor mit Link gesprochen hatte: „Wenn Link ein Held ist, dann kann er nur der eine Held sein!“

Weitere Stimmen dröhnten und forderten aufbrausend: „Er soll seinen Handrücken zeigen!“

Eine riesige Welle von jubelnden, kreischenden Stimmen brach in dem Saal los. Schüler erhoben sich, donnerten mit ihren Fäusten Lärm produzierend auf die Tische, stapften mit ihren Füßen über den glattpolierten Boden und ließen eine Welle der Euphorie durch das alte Gemäuer toben. Und alles, was in dieser Schule lebte und auch das, was sich an Geistern und Schatten in den Wänden versteckte, wurde in diesen Sekunden aufgescheucht, wurde in dem Strom der Menge zu einem kleinen Funken, der die Wahrheit herausforderte.

Link schlug in dem Augenblick das Herz bis in der Kehle. Er sah bleich und verwundbar aus, spürte Übelkeit in seinem Magen schlitzen. Was sollte er jetzt tun? Diese Situation war ausweglos. Würde er sich weigern, wussten die Schüler, dass er etwas verbarg. Willigte er ein, sahen die Anwesenden allesamt das Fragment des Mutes. Er gab sich geschlagen und wusste, aus diesem Irrweg fand er nicht mehr heraus.
 

Und die Menge brüllte und tobte: „Er soll uns seinen Handrücken zeigen. Weg mit dem Lederhandschuh! Weg mit den Lügen und Geheimnissen!“

„Ist es wahr, Link?“, sprach Robin und stand mit einem entsetzen Ausdruck vor ihm. Er begann vor Anspannung an seinen Fingernägeln zu kauen, was der Frauenschwarm sonst nie tat. Aber Link antwortete nicht. Auch Artus wirkte überfordert. Er saß dort zusammengesackt auf dem Sessel, kam kaum auf die Beine und starrte wie alle anderen zu dem einst grünbemützten Waldbewohner.

Will stand neben ihm, legte ihm eine Hand auf die Schulter und murmelte leise, so, dass es niemand hörte: „Keiner kann dich zwingen… und ich glaube, die meisten achten nicht darauf, dass du Linkshänder bist.“ Geschockt und mit offenem Mund sah Link in die vorwitzigen Augen des Laundry und spürte eine Woge der Erleichterung und Dankbarkeit für den gutgemeinten Hinweis in sich aufsteigen. Will war tatsächlich unverbesserlich, schlau und gewitzt, und vielleicht auch der beste Freund, den man sich wünschen konnte.

Link grinste und schloss genügsam die Augen. Mit einem neuen Selbstbewusstsein erhob er einmal mehr seine klare, schöne Stimme. Respektwürdig war sie, ernst im Angesicht des Todes, zart und liebevoll in emotionalen Momenten. „Ich bin nicht der Held der Zeit“, sprach Link, mehr zu sich selbst als zu den anderen. Innerlich lachte er über diesen Wahnwitz, den er sich schon so oft gewünscht hatte. In so vielen Nächten hatte er sich gewünscht, er würde aufwachen und erkennen, dass die Legende der Helden wirklich nur ein Märchen war.

Seine ansehnlichen Gesichtszüge lösten sich von der Anspannung, die er vorhin noch gespürt hatte. „Ich bin kein Feigling, aber ich bin nicht der legendäre Held.“ Es war so einfach diese Lüge über die Lippen zu bringen und es sich irgendwo auch selbst einzureden. „Ihr alle sucht nur nach einem Helden, hinter dem ihr euch verstecken könnt!“, brüllte er. „Ihr seid alle Feiglinge, die lieber andere mutig sein lassen!“ Und mit dieser Aussage riss er sich selbst den rechten Handschuh herunter, spannte die Faust und zeigte in jede Richtung, damit die Welt es sehen konnte. Nichts war dort. Kein Symbol der Macht. Kein Beweis für eine legendäre Seele.

Ungläubig musterten die meisten den rechten Handrücken und es schien als sackte die Menge zusammen. Und die Hoffnung auf eine Erklärung, die doch keine war, versank in Verrat und dummen Schlussfolgerungen.

„Habt ihr jetzt genug?“, donnerte Links Stimme nieder wie ein Richter, der über das kindische Verhalten aller entschied. „Hört auf euch hinter Helden oder euren Vätern zu verstecken und beweist selbst euren Mut!“, fauchte er. Damit brach die Menge auf, und noch ehe jemand ihn fragen konnte, ob er das Fragment auf dem anderen Handrücken trug, erschienen endlich einige Lehrer, die von der Köchin bezüglich des Lärms alarmiert wurden. Als sie jedoch den Saal betraten, war das Kreuzfeuer, das Helden entlarven wollte, verstummt. Denn die Zeit hatte noch weitreichendere und reifere Absichten. Und dann, wenn die rechte Zeit kam, war auch Hyrule vorbereitet…
 

Wenig später tapsten Link und Will gemeinsam durch die winterlich geschmückten Gänge in Richtung des Vorlesungssaals, wo Lord Aschwheel eine der letzten Unterrichtsstunden gab. Es hieß, er würde heute über Dämonen sprechen und die Themen für das nächste Trimester ankündigen. Die vielen runden Fenster hier waren beschlagen und Reif haftete außerhalb und ließ spärlich Licht in den frisch geeinigten Gang fallen, wo neue Teppiche aus der begnadeten Arbeit der Gerudo lagen. Nachdenklich musterte der einstige Held der Zeit seinen Zimmergenossen William Laundry und bemerkte erstmals eine tadellose Reife in seinen frischen, jugendlichen Gesichtszügen und eine Verschlagenheit, die ihn an jemanden erinnerte. Will trottete mit geschwollener Brust und einem stolzen Grinsen vorwärts, hatte seit der heftigen Auseinandersetzung mit scharfen Wörtern im Speisesaal nichts mehr über seine blassen, schmalen Lippen gleiten lassen, sondern lächelte eigenwillig. Link war sich nicht völlig sicher, ob der Laundry sein Geheimnis tatsächlich gelüftet hatte. Aber der lange, gerissene Bursche sagte auch nichts diesbezüglich. Er verhielt sich völlig normal ihm gegenüber, grinste in sich hinein und schien äußerst zufrieden mit sich. Und so hoffte Link, die Geschichte im Speisesaal könnte mit dem Beweis eines fehlenden Fragments genauso ruhen wie ein Scharlatan, dem man Zunge, Augen und Ohren abgeschnitten hatte, damit er seine giftigen Lügen nicht weiter verbreiten konnte.

Link hatte irgendwie Mühe mit den schnellen Schritten von Will mitzuhalten und schob das auf seinen kränkelnden Zustand und seine ermüdeten Muskeln. Seit seiner unerklärlichen Krankheit, naja, murrte er in Gedanken und dachte dabei an die hässliche Fratze des Chadarkna, seit Dinge geschehen waren, die er nicht erinnerte, mussten sich seine einst so straffen Muskeln in Göttergrütze verwandelt haben. Schnaufend blieb Link stehen und stützte sich auf seine knochigen Knie.

Erst dann bremste Will sein Schritttempo und musterte seinen Kumpel. „Geht es dir gut?“

„Ja“, sprach Link grinsend und musste plötzlich lachen. Er war so erleichtert, dass die Gerüchteküche, die gebrodelt hatte wie ein gut gewürzter, heißer Hammelfleischeintopf, nun endlich aufgeräumt war. Und einen großen Teil der Entlastung des Helden war Will mit seiner Gerissenheit zuzuschreiben.

„Danke, Will…“, meinte Link leise, schaute zu seinen Füßen.

„Wofür?“, sprach jener schelmisch, wusste ganz genau, wovon Link redete. „Es gibt doch nichts, was du verheimlichst, oder?“ Er grinste beinahe teuflisch.

„Nein, es gibt nichts“, stimmte Link zu und erwiderte das hinterhältige Lächeln. Nach der ganzen Katastrophe am Tempel konnte der Tag kaum besser werden, entspannte sich Link. Es schien, als hätten die Ereignisse dort, die Folter und das Morden der Bestien, mit all der Grausamkeit und dem Blut, das doch vergossen wurde, eine eher unheimliche Konsequenz gehabt. Endlich konnte sich Link an der Schule frei bewegen, er selbst sein, und es würde sicherlich niemand mehr über seine Fechtkünste oder sein Wissen tratschen.
 

Und so saßen die Ritterschüler der dritten Jahrgangsstufe ruhig beisammen und lauschten den Worten des humpelnden Lehrers Lord Aschwheel. Der Vorlesungssaal war frostig wie immer und die Schüler saßen teilweise schlotternd auf ihren Plätzen. Die wenigsten klebten neugierig und aufmerksam an Aschwheels Lippen. Der alte Mann sprach heute über verschiedene Moblinrassen und deren Entstehungsgeschichten. Man teilte Moblins, die häufigsten Kreaturen der Finsternis in Hyrule, mittlerweile in mehrere Grade ein, wobei ein Moblin des ersten Grades kaum noch in Hyrule gesichtet wurde. Die fahlen Dämonengesichter, die den ersten Grad trugen waren ausgesprochen gefährlich, waren intelligent und ungeheuer hungrig nach Blut. Ein Moblin des ersten Grades, auch Blutmoblin genannt, unterschied sich deutlich von einem höheren Grad und war dementsprechend besser ausgerüstet und konnte von einem weniger gut ausgebildeten Kämpfer kaum so leicht niedergerungen werden.

Ein Moblin des ersten Grades, eine gewalttätige und grausame Schöpfung, so erzählte man sich wäre geboren worden durch den Leib eines lebenden Sumpfes, der von einer Göttin durch dunkles Licht auseinandergerissen worden wäre. Und als die Gottheit als eine Tat der Gnade jenen finsteren Ort begraben und in die Tiefe der Erde schicken wollte, habe er noch einmal seine niederträchtigen Arme, bestehend aus Morast und Leichen, aus Gier und Verderben, erhoben und dem unsterblichen Wesen ein Bein entrissen. Mit den Knochen, den Sehnen und Muskeln und dem Blut der Gottheit, habe sich das verfluchte Moor einer menschlichen Form bedient und jene Rasse der stärksten Moblins erschaffen. Seitdem lebte jener böse Wille. Und Moblins des ersten Grades waren diejenigen, die sich mit scharfen Schwertern bestückten, mit schweren, dicken Rüstungen und Helmen wenig Schwachpunkte boten und sie kannten keinen Schmerz…

Etwas nachdenklich schlug Link seine vielen Aufzeichnungen und Entwürfe über die Dämonen auf, die er in seinen Abenteuern gesehen und zum Großteil in epischen Schlachten vernichtet hatte. Der Gedanke an das Feuer der Tapferkeit, das damals durch seinen Körper geschossen war, der Rausch dieser genialen Kämpfe und sein verbitterter Wille selbst mit Wunden zu bestehen und seinen Gegner in die ewige Verdammnis zu schicken, ließ ihn unruhig werden. Manchmal vermisste er es sogar ein wenig…

Auch er hatte Zeichnungen über Moblins des ersten Grades in seiner Sammlung und hatte viele interessante Aspekte dazugeschrieben. Fast jeden Dämon hatte er in seinem Buch festgehalten, aber einen solchen Gegner wie den Chadarkna hatte er vorher niemals angetroffen. Link erinnerte sich mit einem mulmigen Gefühl in seiner Kehle, fast so, als schnitten erneut die reißenden Ketten tief in sein Fleisch, an jene Kreatur des Wahnsinns.

Etwas nachdenklich sah er auf und sah Lord Aschwheel humpelnd durch den Raum tapsen. Sein Gehstock schabte pfeifend wie auf Schiefer über den Boden. Wenn jener Dozent sich in dem Wissen über Dämonen auskannte, konnte er vielleicht auch etwas über den Chadarkna wissen. Und dunkel erinnerte sich Link, dass Lord Aschwheel am Anfang des Schuljahres schon einmal sehr spärlich über diese Dämonen gesprochen hatte.
 

Es war am Ende der Vorlesung, das Link seine Neugier nicht mehr bremsen konnte und er den Arm hob.

„Ja, Link, du hast Fragen?“, sprach der alte Humpelnde erstaunt. Die meisten Jugendlichen brachten die Vorlesungen schließlich ohne allzu großes Interesse hinter sich.

„Ja, ich habe eine Frage, aber nicht zu den Moblins“, sprach Link klar. „Könntet Ihr etwas über die Chadarkna erzählen?“

Der alte Mann schob die Brille von seiner Nase und runzelte die Stirn. „Man erzählt sich jenes Geschlecht wäre schon lange ausgestorben. Ein Held soll den letzten jener Kreaturen ausgelöscht haben. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“ Er wirkte etwas unwirsch, sah dann nervös um sich und klatschte in die Hände. „Gut, damit ist die Stunde beendet. Im nächsten Trimester erzähle ich euch etwas über die Göttin Hylia.“

Etwas enttäuscht, dass Aschwheel ihn so leicht abfertigte, verharrte Link einige Augenblicke auf seinem Platz. Als er seine Schulsachen zusammenräumte und alles in seinen alten, zerlumpten Rucksack steckte, stand Aschwheel mit einer Pergamentrolle vor ihm. Er hielt den Jungen am Arm zurück und musterte ihn mitleidig. „Du hast nicht ohne Grund nach dem Chadarkna gefragt, nicht wahr?“ Überfordert blickte Link in das alte, faltige Gesicht des Mannes. Er sah in dem Moment aus seinen Augenwinkeln Will und die anderen aus dem Saal heraustreten.

„Nein, nicht ohne Grund, sonst hätte ich wohl kaum gefragt“, sprach Link und wand sich ab. „Aber ich wüsste nicht, was Euch das angeht“, setzte er schnippisch hinzu.

„Mich vielleicht nicht… aber den Rat des Königs…“, erwiderte Aschwheel mit einem leichten Groll in seiner sturen Stimme. Und er hielt dem vergessenen Heroen das Schreiben unter die Nase. „Das ist eine Anordnung vom Rat des Königs, der mich anweist, dich über eine Befragung zu informieren, an welcher deine Teilnahme erwünscht ist.“

„Eine Anordnung?“ Link klang verdutzt.

„Dachtest du wahrlich, dein Kampf am Destiniatempel hätte keine Konsequenzen?“, murmelte der Alte beschwichtigend. „Du bist blutjung und zu grün hinter den Ohren als zu erahnen, welche Verantwortung du gegenüber Hyrule hast. Dein König erwartet deine Stellungnahme eine Woche nach Nayrus Fest. Solltest du nicht erscheinen, hat auch das Konsequenzen für dein Leben an der Schule.“

Mit einem bissigen Ausdruck in seinem ansehnlichen Gesicht, so gefährlich wie der Wolfshund, der in Nähe der Glücksteichhütte auf Beutejagd ging, ließ sich Link belehren und bremste erneut seinen Hitzkopf. Er war verpflichtet einem Streitgespräch beizuwohnen? Die Frage war nur, ob man es wirklich so nennen konnte. War dieses Treffen nicht vielleicht eher ein Verhör?
 

„Ich habe verstanden“, sprach Link frustriert und krallte sich das Schreiben.

,Na prima…‘, dachte der einst grünbemützte Abenteurer. Er hatte heute eine halbe Katastrophe mit Wills Hilfe abwenden können. Ein Verhör vom Rat der Ritter bezüglich der Dämonenarmee war jedoch eine ganz andere Geschichte… Und Link wusste, dass er bei einigen Rittern kein gutes Ansehen genoss. ,Das würde heikel werden‘, dachte der Heroe. Er hatte genug Sorgen, was die Drohungen des Chadarkna anging, sorgte sich um die Zukunft Hyrules und fühlte sich hilflos angesichts der Ereignisse, die Kampfbereitschaft forderten. Er hatte genügend Ängste auszuhalten, musste er nun noch den Rittern klar machen, dass ein altes Dämonengeschlecht Hyrule entstellen wollte? Sie würden ihm ja ohnehin kaum Glauben schenken.

Er wollte mit seinem griesgrämigen Gesicht aus dem Saal trotten, als Aschwheel ihn mit einem aufrichtigen Blick zurückhielt. „Vielleicht ist es nicht meine Aufgabe dich über irgendetwas zu belehren, Link. Mir ist durchaus klar, dass der eine Held Hyrules niemals leichtfertig mit einer Gefahr in dem alten Land umgehen würde. Warte kurz…“ Er stützte sich schwerfällig auf seinen Gehstock und holte einen verstaubten Wälzer aus einem Fach seines Vorlesungspults. „Lies‘ es mit Sorgfalt, am besten in den Winterferien…“ Verblüfft nahm der vergessene Heroe das schwere Buch an sich, staunte über den zerschlissenen Umschlag, ein Material, das sich anfühlte wie Wachs. Es war ein Buch über Dämonen in Hyrule. „Möglicherweise findest du darin Antworten auf deine Fragen.“

Link bedankte sich und sah eine sonderbare Aufregung in Aschwheels faltigen Gesichtszügen. Seufzend stapfte der Ritterschüler aus dem Raum und traf sich mit den anderen Burschen, die ihn mittlerweile so normal wie vorher behandelten, zum Schwerttraining…

Blutige Botschaft

„Wir sollen doch nicht alleine raus gehen“, sprach der Laundryjunge mit gezücktem Schwert und der Angst im Nacken, die mit seinen Erinnerungen an den Vorfall auf der Steppe lebendig wurde. Er presste seine von der frischen Nachmittagsluft erkalteten, spröden Lippen aneinander, als er gemeinsam mit seinem Zimmermitbewohner Link, der eine winzige, halbrunde Tür ins Freie erspähte, die neuen Regeln an der Ritterakademie missachtete. Ihm war nicht wohl bei ihrem Vorhaben, könnten sie beide schließlich eine saftige Strafe von Sir Viktor erhalten, sollten sie dabei erwischt werden ins Freie zu stiefeln.

Aber Link hatte immer seinen eigenen Kopf und Will kannte ihn in der Hinsicht schon sehr gut. „Hey, es hat keiner von dir verlangt, dass du mich begleitest“, entgegnete der Heroe schnippisch und schob das morsche, unauffällige Türchen in der Mauer auf. Es quietschte einschneidend wie Schmirgelpapier.

„Ich kann dich mit deinem Dickschädel jawohl kaum alleine zur Hütte am Glücksteich marschieren lassen, wenn auf der Steppe Moblins herum wüten“, rechtfertigte sich Will und schlüpfte als erster durch die Öffnung. Link blickte mit seinen scharfen Augen um sich, dass auch ja keiner ihnen folgte oder sie beim Verlassen des Grundstücks beobachtete.

„Nun hör‘ auf zu jammern, du wolltest nach Wulf schauen und ich muss mich unbedingt um ein paar Angelegenheiten kümmern“, meinte Link und stapfte durch den Schnee, hielt sich hinter Will dicht an einigen Baumschatten, sodass das Wachpersonal auf der Mauer ihn nicht entdeckte. Es war frostig außerhalb und eine Nebelsuppe hing in der Luft, machte das Auskundschaften der genaueren Umgebung unmöglich. Die märchenhaften Hügel, die mit Schnee bedeckt waren und wie mit Zuckerguss bedeckte Wellen über das Land rauschten, waren nur verschwommen durch das Nebelgewand erkennbar. Und finstere Wesen nutzen diese Wettererscheinungen gar zu gerne.

„Ja, aber was ist mit den Moblins… sollten wir nicht lieber wieder zurückgehen?“, meinte Will, hielt plötzlich still und spitzte seine langen Hylianerohren, sodass sie beinahe noch spitzer aussahen. Das aufscheuchende Gekrächzte einer Steppenkrähe knallte wie eine Peitsche nieder und ließ den Laundry aufschrecken.

„Will, reiß‘ dich zusammen, es sind absolut keine Dämonen in der Nähe“, meinte Link, klopfte ihm auf die rechte Schulter und marschierte mit seinem Lederrucksack, der klappernd auf seinem Rücken hing, weiter des Weges.

„Aber was ist, wenn nun doch Moblins aufkreuzen, sollten wir nicht einen Lehrer fragen, ob er uns in die Hütte begleitet?“

Link lachte beinahe wie ein Wahnsinniger auf diese Worte. Er funkelte seinen Kumpel ungläubig an und grinste dann ironisch: „Als ob eine Horde von denen von unserem tollen Wachpersonal so leicht aufzuhalten ist!“

„Bei Din, du bist ein tollkühner Arsch…“, brummte der Laundry, zog seine schwere Wollkutte enger um seinen spindeldünnen Körper, aber grinste dann.
 

Die Jugendlichen tapsten schweigend weiter, überquerten eine kleine Steinbrücke über den jungen Fluss Lyriellens Geist, der von den Bewohnern der nahe gelegenen Stadt halb leer gefischt war, dann über eine Handelsstraße, wo die frischen Spuren einer Kutsche im sandigen Schneematsch eingebrannt waren wie feine Schrift in Porzellan.

Vor der Glückshütte war der kleine See mittlerweile von einer dünnen Schicht von Eis bedeckt und funkelte wie ein riesiger Kristall. Auch die kleine einstöckige Hütte war von Schnee überzogen und wirkte unscheinbar, umgeben von chaotisch gewachsenen Bäumen, die das kleine Bauwerk beschützten. Vor der Hütte war ein kleiner Berg von gehacktem Brennholz gestapelt, das Link in den freien Minuten der Schule zusammengesucht und eher schlecht als recht gespalten und zerhackt hatte.

„Hast du das Holz vorbereitet?“, fragte Will neugierig. Das war genügend um die erste schneereiche und kalte Zeit des Winters zu überstehen. Link nickte, wenige Eiszapfen hingen in seinem angefeuchteten, blonden Haar. Mit seinem vollgepackten Rucksack trottete er in das urige Häuschen. Will folgte mit halb durchgeweichten Stiefeln. „Du willst den Winter doch nicht etwa hier verbringen?“, schlussfolgerte der Laundry. Es musste einen Grund geben, dass Link das Holz gehackt hatte. Und einen anderen, als dass er vorhatte in der Hütte zu heizen, gab es wohl kaum.

Der junge Heroe war der Antwort und Erklärung, dass er wohl kaum einen Ort hatte, wo er über die Ferien hingehen konnte, müde. Mit grimmigem Gesicht lud er seinen Rucksack auf einem kleinen von Holzwürmern angefressenen Rotheidetisch ab und entleerte diesen. Es war ein festes Holz, das spärlich auf der Steppe wuchs, eine Baumart, die sehr tiefe, knorrige Wurzeln besaß.

Einige Gläser Eingekochtes, getrocknetes Gemüse und Obst, ein paar Einkellerungskartoffeln, geräuchertes Fleisch und Speck kamen zum Vorschein. Links letzte Rubine gingen für das Essen drauf, das er aus den Resten der Schulküche abgekauft hatte. Auch wenn er einen guten Preis für die Waren aushandeln konnte, machte es ihm Sorgen, ob die Dinge ihn über den Winter bringen würden.

Verdutzt musterte Will die Essensvorräte auf dem Tisch und schaute betroffen zu seinem besten Freund. Link fuhr sich nachdenklich durch das nasse, teilweise gefrorene goldblonde Haar und murmelte unsicher: „Wenn man den Winter überstehen muss, wird man erfinderisch.“ Er wirkte trotz der bevorstehenden, langen Zeit der Einsamkeit zufrieden mit sich.

Während draußen der Gott des Winters seine gefrorenen Kristalle zur Erde schickte, wie in einem Reigen unendlicher Schönheit rieselten die Schneeflocken hinab, begriff Will die Situation und kam sich mit einem Schlag verwöhnt und kindisch vor. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, dass seine Mutter Belle sich um Essensvorräte und um das Feuerholz kümmerte. Er hatte noch nie mit dem Gedanken gespielt, wie schwer es doch sein konnte, einen Winter in Hyrule ohne großartige Unterstützung zu überleben. Will wusste nicht mehr, was er dazu noch sagen sollte.

Link kratzte sich daraufhin an der Stirn, kam sich etwas hilflos vor, weil er Wills Betroffenheit wahrnahm und räumte die Speisen in einen klappernden Schrank, den er abschließen konnte. Die Hütte gehörte zwar niemandem, aber er war sich nicht völlig sicher, ob nicht doch der ein oder andere Dieb hier herumstreunte. Zu diesem Zweck hatte Link ein neues Schloss an der Haustür angebracht, zumal er einige Schlösser und Schlüssel in seinem Gerümpel herumtrug.

Doch gerade da hielt ihn Will am Arm zurück. „Willst du den Winter wirklich hier verbringen? Ich meine, ich könnte dich zu meiner Familie einladen“, sprach er. Seine smaragdgrünen Augen funkelten mit einer herzerwärmenden Ehrlichkeit und entwaffnenden Treue.

Der vergessene Heroe fuhr sich seufzend durch das feuchte, goldene Haar. „Will…“ Er wusste nicht so recht, wie er es ihm erklären sollte. Aber er konnte nicht riskieren, dass die Dämonen, oder genauer gesagt der Chadarkna, Wills Familie nur wegen ihm angriff. Und dass dieser Feind ein weiteres Mal zuschlagen würde, ahnte Link mit tiefsitzender Beunruhigung. Einige Wassertropfen rieselten von seinem Haar und benetzten seine pechschwarze Tunika. Link biss sich auf die Lippe, versuchte dem Laundry auszuweichen und klopfte sich das Wasser von dem schwarzen Stoff.

„Was ist nun? Ich bin mir sicher, meine Mutter hat nichts dagegen. Mein Vater ist ohnehin nicht zuhause… er ist unterwegs auf einer Mission über die Steppe.“

Link schüttelte banal seinen hübschen Kopf und kümmerte sich um das Essen, das er in einen Schrank räumte.

„Heißt das, du hast keine Lust?“, bohrte Will geduldig nach. Wenn Link so eine Geheimnistuerei veranstaltete, musste wohl etwas anderes dahinter stecken. „Oder…“ Und Will reimte sich ein paar andere paranoide Dinge zusammen. Er grinste über beide Ohren, ein Gesichtsausdruck, mit dem er als Clown durchgehen könnte. „Es gibt einen Grund, dass du hier bleiben willst, was?“ Will kicherte und blickte aus dem Fenster, um nach seinem Wolfshund Ausschau zu halten. Wulf schien auf Beutejagd zu sein und war bisher nicht aufgetaucht. Er hoffte bloß, dass er nicht zu wild wurde.

„Glaub‘ mir, es ist besser, wenn ich hier bleibe“, entschied der blonde Heroe und räumte einige Dinge in der Hütte zusammen. Er schüttelte die Decken aus, wischte den Staub von dem Kaminsims und sprang kurz die Treppen hinauf, um schließlich mit dem Bettzeug wieder hinab zu trotten.

„Du kriegst Besuch, nicht wahr?“, mutmaßte Will und traf ausnahmsweise kein Ziel damit.

Link schüttelte seinen Kopf und schenkte seinem nun mehr besten Freund einen ehrlichen Blick. „Nein, das nicht, aber ich finde es gut so.“ Es war vielleicht auch möglich, dass er mit der Einsamkeit im Winter einige Fragen für sich klären konnte. Link hatte sich in seinem jungen Leben selten einsam gefühlt, war das Alleinsein ohnehin gewöhnt seit der Kindheit in Kokiri. Erst in den letzten Monaten hatte er wahrgenommen, wie trostlos die Welt sein konnte, wenn es in den Nächten niemanden gab, der da war und keine Umarmung, die wärmte…

„Falls du es dir anders überlegst, sag‘ mir Bescheid“, meinte Will lächelnd.

Link nickte dankbar und begann auch das Bettzeug auszuschütteln. Doch gerade da, als er mit den schweren Federdecken in die Nähe des Kaminsims kam, wo das Portrait einer Lady stand, welches vorher im Keller herumlag, erwischte Link jenes unwirsch mit den Stofflaken und das Bildnis fiel klappernd zu Boden.

Der Laundry hob das Bild in seine großen, schmalen Hände und blickte die Lady wie hypnotisiert an. Und auch der junge Held warf einen Blick auf das Gemälde. Und es war dann, dass es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Diese wunderschöne Frau mit den edlen, starken Gesichtszügen, der sanften Haut und dem dicken, vollen sandblonden Haar hatte er schon einmal gesehen… er hatte sie in seinen nächtlichen Schatten gesehen, erlebt, wie sie sich bewegte, erlebt, wie sie atmete.

„Aber ja, das ist die Frau von der ich letztens geträumt hatte… als ich von Arn Fearlesst träumte…“, murmelte Link leise und kam nicht umher sich bei einem Blick auf das wunderschöne Gesicht der Lady, die auf eine magische Weise in dem Ölgemälde lebendig schien, irgendwie verloren zu fühlen.

„Bist du dir sicher?“, sprach Will und schien wie gefangen im Anblick der Frau. Sie war so wunderschön, ganz so wie Prinzessin Zelda.

Link nickte verdattert, ließ die Federdecke zu Boden sinken und riss seinem Kumpel das leicht verstaubte Portrait aus den Händen. „Ich bin mir völlig sicher… ich habe diese Frau gesehen, wie sie sich mit Arn Fearlesst unterhalten hat.“

Will setzte einen Zeigefinger an sein Kinn, das mit braunen Barthaaren ganz spärlich bedeckt war. „Das würde aber doch deinen komischen Traum endlich erklären.“

Link zwinkerte: „Warum?“

„Nun ja, du hast dich lange Zeit mit Arn Fearlesst beschäftigt, hast ihn dir in deinem Unterbewusstsein irgendwie vorgestellt. Und diese wunderschöne Frau kam deshalb in deinem Traum vor, weil du sie vorher hier gesehen hast und du dir vorgestellt hast, dass jemand wie Arn Fearlesst alles hatte, auch das, was du nicht hast.“

„Kannst du aufhören in Rätseln zu sprechen?“, bat Link inständig, unterdrückte das Gefühl des Ärgers deswegen. Will konnte nichts dafür, dass er in letzter Zeit von vielen Leuten auf diese Weise bequatscht wurde, vornehmlich von der grauen Hexe, die es ebenfalls liebte, geheimnistuerisch zu sein.

„Du hast diese hübsche Frau als seine Gattin dargestellt, weil dein Kopf dir damit eine Botschaft senden wollte. Und diese ist ziemlich klar, wenn man den Inhalt deines Traumes deutet. Es ging um Familie…“

Link blickte betreten zu Boden und verkrampfte sich. Er spürte ein Kloßgefühl in seinem Hals zunehmen, als Will davon sprach. Familie… Wenn Link einen Wunsch an das Triforce richten könnte und sonst in Hyrule alles in Ordnung war, dann würde er sich wohl wünschen seine Eltern zu sehen, oder auch etwas Verständnis dafür zu erhalten, warum sie ihn damals nach Kokiri brachten. Manchmal… war da ein unheimlicher Groll, den Link gegen seine Erzeuger richtete. Weil sie ihn einfach in die Wälder verbannt hatten. Weil sie aus ihm einen Sonderling machten. Und weil er wegen ihnen oft dachte, dass er zur Liebe nicht fähig war…

„Mmh, du bist Waise, kein Wunder, dass du dir eine Familie wünschst“, sagte Will berechnend und hoffte, er hatte seinem Kumpel damit die Laune nicht verdorben. Aber Link sah unendlich geknickt aus. Seine meerblauen Augen schillerten gläsern und er ließ den Kopf ein wenig hängen. Da wusste Will auch, dass er zu weit gegangen war…

„Ich will irgendwann auch mal Familienvater sein“, setzte der Ritterschüler hinzu, weil er spüren konnte, wie unangenehm die Situation für Link war. „Aber dazu brauche ich erst das richtige Mädchen. Ich hatte in Labrynna eine Freundin, aber wir sind ja dann weggezogen. Wäre ich noch dort, hätte ich sie wohl irgendwann geheiratet, sie war ein süßes hellhäutiges Mädchen mit dem Namen Larissa, mit zwei geflochtenen nussbraunen Zöpfen. Sie war ein liebes Mädchen, aber jetzt muss ich erst jemanden kennen lernen. Du hast ja einige Damen zur Auswahl…“

„Das stimmt doch gar nicht“, brachte Link rotwerdend hervor. Aber er konnte darüber nicht lachen. Der Gedanke an einen alten Zorn, der in ihm brodelte, wenn er an seine Eltern dachte, kam aus ihm herausgekrochen wie ein Wurm aus seinem Schlupfloch. Da dachte er lieber an jemanden wie Arn Fearlesst, auch wenn es im Traum war. Link konnte sich nicht vorstellen, dass Arn Fearlesst jemanden im Stich ließ und der Gedanke an jenen Ritter als Vorbild, der sein eigenes Kind wohl niemals in die Wälder geschickt hätte, beruhigte Link.

„Ach nein, und was ist mit Zelda oder Ariana? Und bedenk‘ mal die Mädchen, die dir an der Schule Geschenke gemacht hatten, auch die interessieren sich für dich.“

„Ich finde, du gehst damit zu weit. So einfach ist das nicht…“, murmelte Link genervt und stellte das Portrait der schönen Lady wieder verschönernd auf den Kaminsims. Es war irgendwie angenehm, wenn die Augen jener Frau beobachteten, was vor sich ging. Gemeinsam traten die Jugendlichen aus der Hütte heraus, verriegelten die Tür und tapsten zufrieden, auch wenn Will seinen Wolfshund nicht gesehen hatte, zurück in Richtung der traditionsreichen Ritterschule.
 

Zu jenem Zeitpunkt saß die Prinzessin Hyrules mit runzelnder Stirn, schnaufend und betrübt, in ihrem Arbeitszimmer. Sie sah durcheinander aus, das dachte auch der unscheinbare, zwerghafte Bote, der verzagt in den runden Raum trat, wo sich auf dem antiken Sekretär Zettel, Briefe und Anträge stapelten. Ein offenes Fenster ließ ein wenig trockene Winterluft in das Arbeitszimmer, zerzauste das ohnehin ungepflegte honigblonde Haar der Königstochter und kühlte ihre blassen Wangen rosa an.

„Eure Majestät, ich überbringe wichtige Kunde“, sprach der unscheinbare junge Bote, verbeugte sich hektisch und blinzelte unter seinem einfachen Soldatenhelm hervor.

Zelda erhob sich in ihrer weinroten Robe, seufzte und nahm ohne weitere Worte den Brief an sich, der mit einem großen roten Wachssiegel, dem Falke der Königsfamilie, geschmückt war. Nur Mitglieder der Königsfamilie durften jenes Siegel verwenden. Mit einem leichten Lächeln öffnete Zelda das Siegel und wies ohne weitere Worte den jungen Überbringer der Nachricht an, sich zu entfernen.

Zuerst konnte sie auf dem leeren Pergament nichts entdecken, bis sie einen Zauber, der nur wenigen Hylianern aus der Oberschicht vertraut war, anwendete. Es war ein Schutzmechanismus, der half die Zeilen vor unliebsamen Augen zu kaschieren. Wenn der Schreiber des Briefes diesen Zauber nutzte, um seine Informationen geheim zu halten, schien das Schriftstück wertvoll und bedeutsam zu sein. Sie sprach Formeln in altem Hylianisch, ließ jene Formeln leise ausklingen, bis sich Buchstaben auf dem Pergament manifestierten.

Und schließlich dachte die Prinzessin an denjenigen, der diese eigenwillige, stolze Handschrift nutzte und ihre Gedanken wurden klar. Es war ein Schreiben nur an sie adressiert, von keinem anderen als ihrem Fleisch und Blut, von keinem anderen als Valiant von Hyrule. Sie lächelte noch einmal, ließ sich mit ihrem schweren, roten Gewand in den Lehnsessel zurücksinken und las die Worte bedacht.
 

Meine liebste Zelda,

ich schreibe dir hier von der Grenze aus, hier, wo die Wolken verhangen und düster sind, und das Land arglistig, grau und unfruchtbar. Ich hoffe, der Brief fällt in deine Hände, in deine allein und habe den Brief meinem treusten Boten anvertraut, da ich so manches zu berichten habe, das nicht für fremde Ohren bestimmt ist.

Liebes Cousinchen, du magst dich fragen, warum ich nicht zuerst deinen Vater um Rat frage, nun das hat eine sehr einfache Erklärung. Du weißt, dass ich dein Urteil vor allen anderen wertschätze. Ich möchte deine Einschätzung, deine weise Sicht der Dinge, noch bevor ich mir den Rat deines Vaters einhole. Und vielleicht ist das, was ich zu berichten habe, nicht von so großer Bedeutung um damit an Harkenia heranzutreten.

Tatsache jedoch ist, dass, und diese Sache scheint kaum mehr zu verleugnen zu sein, etwas in Hyrule vor sich geht, auf das die königliche Familie kein Auge hat. Hier an der Grenze ist spürbar, vielleicht mehr als im Innenland, dass Dämonenherden aufgescheucht und unruhig sind, dass der schwarze Handel blüht, auffällig viele Reisende Schutz in Hyrule suchen. Es ist spürbar, dass etwas im Gange ist, das wir kaum verstehen könnten.

Und doch, ja, vielleicht ahnst du es mit deiner einzigartigen Gabe der Vorsehung bereits, fanden ich und meine Ritter eine Spur, die uns Erklärungen für die Angriffe in Hyrule, wie auch den Angriff auf die Ritterschule, welcher wohl ebenfalls bereits an deine Ohren gedrungen ist, geben könnten. Vor wenigen Tagen entdeckten wir eines dieser Nester, wo sich Moblins zielgerichtet organisiert haben. Und durch einen Segen der Göttinnen, konnten wir herausfinden, dass derzeit die Suche nach bestimmten Gegenständen im Dämonenreich an oberster Priorität steht.

Liebste Zelda, ich möchte dich weder beunruhigen, noch dir weitere Aufgaben anvertrauen, wo ich doch weiß, wie viel du auf deine zierlichen Schultern stemmst, und doch müssen wir uns vorbereiten. Vielleicht hast du bereits von den sogenannten ,Dreizehn Schlüsseln‘ erfahren. Wenn nicht, dann lass‘ mich dir berichten, dass diese Gegenstände etwas hüten, etwas versiegeln, das wir nicht auf freiem Fuß wissen sollten, etwas Schauriges, das nicht einmal Dämonen beschreiben möchten. Aus den Mündern der Moblins konnten wir zumindest die Kunde herausbekommen, dass einige dieser Schlüssel in Dämonenbesitz verweilen, konnten aber keinen dieser Gegenstände sichern. Cousinchen, was mich beunruhigt ist, dass Dämonen bereits hinter diesen Schlüsseln her sind, und wir nicht wissen, was diese Schlüssel bewachen und wo. Aber wenn Dämonen weiterhin danach suchen und wir sitzen untätig herum, und jene Bestien haben Erfolg mit der Suche, wird das für Hyrule in einer Katastrophe enden, zumindest ist es das, was Informanten und Moblins auf der Schlachtbank berichten. Ich bitte dich, Zelda, wenn Dämonen nach diesen Schlüsseln suchen, sollten wir dies ebenfalls. Es wäre günstig, wenn wir diese Gegenstände vor dem Abschaum Hyrules in die Finger kriegen könnten.

Es liegt mir fern, dir Sorgen zu bereiten, aber Hyrules Sicherheit steht für mich an oberster Stelle und nur du bist in der Lage herauszufinden, wo diese Schlüssel ruhen. Du hast schon immer die Gabe der Vorsehung gehabt, konntest weise entscheiden. Und auch jetzt vertraue ich auf dich, Cousinchen. Hilf‘ mir bei der Suche der Schlüssel, nur das kann uns im Augenblick Sicherheit garantieren. Sicherheit für unser blühendes Hyrules und Frieden für das Land, das uns in die Hände gelegt wurde.

Ich erbitte deine Antwort in kurzer Zeit. Und achte auf dich, Cousinchen. Wir wissen nicht, wem wir trauen können, umso mehr sorge ich mich um dein und Harkenias Wohl.

Die liebsten Grüße

Valiant
 

Zelda seufzte, rieb sich die Stirn und strich sich über ihre von schwerer Wolle bedeckten Arme, bis sie sich erhob und das Fenster schließen wollte. Ein Blick aus traurigen, himmelblauen Augen ging hinaus über die weite, in dichtem Nebel liegende Steppenlandschaft. Von hier oben aus, schien es fast, als hing eine zerklüftete graue Robe über Hyrule und nur das Haus der Regenten strahlte über das dunkle, gefährliche Grau, die Masse, die Hyrule in Nebel hüllte… eine erstickende Substanz, die das Licht verschluckte und Visionen von der Zukunft unmöglich machten…

Genauso war die Situation in ihrem geliebten Land für sie… Weiter zu sehen, die Zukunft zu erahnen, eine mehr oder weniger geartete Gabe der Vorsehung zu nutzen, all‘ dies lag für sie im Nebel…

Valiant sprach von ihrer Fähigkeit weise zu entscheiden. Valiant sprach von den Möglichkeiten, die sie als Prinzessin des Schicksals doch hatte. Er vertraute auf ihre Visionen. Wie enttäuscht würde er sein, wenn er erdulden musste, dass die besondere Fähigkeit seiner Cousine, zerrüttet war, leer war, und vergessen war. Denn Zelda konnte kaum mehr auf ihre Visionen vertrauen, spürte die Zukunft nicht so wie früher, und fürchtete sich vor einem Blick in ihre eigene Seele. Sie hatte sich in den letzten Wochen zu viel aufgebürdet, Ereignisse in die Wege geleitet, die nicht einmal ihr Vater ahnte, und selbst wenn er es wissen würde, er könnte es kaum verstehen. Seine Tochter hatte etwas verloren, das mit nichts ersetzt werden konnte… und mit dem Verlust eines Herzenssplitters verlor sie auch ihre Fähigkeiten…

Und schließlich konnte sie Valiant kaum begreiflich machen, was sie von seinen Absichten hielt. Sie ahnte, dass es unklug wäre, die dreizehn Schlüssel zusammen zu bringen, und doch war auch sein Argument nicht ohne. Wenn die königliche Familie die Schlüssel nicht aufspüren konnte, würden es Dämonen mit Sicherheit, und auf längere Sicht, tun.

Sie schloss die Augen, verriegelte lärmend das Fenster und traf einen Entschluss, der sie schon einmal in schwierige Situationen gebracht hatte. Schon einmal hatte sie mit unüberlegten Handlungen das Chaos heraufbeschworen. Aber vielleicht musste es, mit Hinblick auf keine anderen Möglichkeiten, mit Hinblick auf eine Chance, zu eben besagtem Chaos kommen…

Mit zitternder Hand tauchte die Prinzessin ihre goldene Feder in das schwarze Tintenfässchen und setzte ein Schriftstück für Valiant auf. Es war an der Zeit in die Geschehnisse einzugreifen. Es war an der Zeit ebenfalls nach den dreizehn Schlüsseln zu suchen, unabhängig davon, wie gefährlich dies auch sein würde…
 

Während Link und Will ihren Weg über die Steppe beschritten, und als am nebelverhangenen Horizont die Türme der Ritterschule und jene der Mädchenakademie sichtbar waren, rieselten erneut Schneeflocken nieder, benetzten die Köpfe der Fünfzehnjährigen.

„Ariana hat schon wieder Hausarrest, was?“, sprach der Laundry und kratzte sich an seiner Stirn und schnaufte wegen der Kälte. Er zitterte unkontrollierbar, dachte an Labrynna. So kalt wie im Norden Hyrules war es in Labrynna nie gewesen. „Du sag‘ mal, ehrlich jetzt, was hältst du von der Schmiedstochter? Findest du sie nicht auch etwas merkwürdig?“

Link hatte beinahe mit der Frage gerechnet, denn auch er machte sich Gedanken um den schwarzhaarigen Wildfang und ihre verrückte und doch herzensgute Art und Weise mit anderen Hylianern umzugehen. Und teilweise musste sich Link eingestehen, dass er ihre Anwesenheit, seitdem sie dauernd Hausarrest hatte, irgendwie… vermisste…

Er hielt inne, spürte angesichts einer zunehmenden Nervosität die Kälte kaum mehr und hörte sein Blut in den Ohren rauschen. „Ich muss mich irgendwie bei ihr bedanken… sie hat mir… gut getan…“, sprach er durcheinander und sprach er, obwohl er dies nicht sagen wollte. Er schlug sich gegen seine halbzugefrorene Stirn, wollte sich am liebsten im Schnee vergraben, weil er das zugegeben hatte.

„Schenk‘ ihr ein paar Blumen, darüber freuen sich Mädchen doch immer“, entgegnete Will.

„Aber sie ist kein gewöhnliches Mädchen, sie würde sich wohl über einen Bogen oder ein Schwert mehr freuen als über Blumen…“ Link lachte befreiend auf angesichts des Gedanken. Ja, in der Tat. Sie war genauso ungewöhnlich wie Zelda… Das musste der Grund sein, entschied er, dass er sich von ihr wie magisch angezogen fühlte.

Und gerade da wurde der Laundryjunge fuchsrot im Gesicht, so auffällig, dass es auch Link bemerkte. Peinlich berührt schien er eine weitere Frage auf dem Herzen zu haben. „Du sag‘ mal, hast du eigentlich schon… nun ja… ist vielleicht eine peinliche Frage. Aber hast du schon mit einem Mädchen geschlafen?“, sprach Will stotternd, trat in einen tiefen Schneehaufen und verlor beinahe seine gefütterten Lederstiefel, als er weitereilen wollte. „Vielleicht mit Ariana oder Zelda?“

Link kratzte sich dusslig am Kopf und verstand die Frage nicht. Wie sollte er die Frage auch verstehen, wo er die verschiedensten Zeitpunkte verpasst hatte, etwas über körperliche Vereinigungen zu erfahren. „Was meinst du damit?“

„Naja… halt… das, was Erwachsene machen, wenn sie Kinder zeugen wollen.“

„Mmh…“

„Das ist ja dann auch notwendig, wenn man eine Familie gründen will.“

„Äh…“

„Außerdem soll es echt Spaß machen…“, sprach Will nervös. „Das haben Artus und Robin erzählt, obwohl ich denen nicht abkaufe, dass sie das schon gemacht haben.“

„Öhm…“ Link kratzte sich an einer Augenbraue und fragte sich, was daran Spaß machen sollte mit einem Mädchen in einem Bett zu schlafen. Er hatte in der alternativen Zeit öfters davon gehört, dass Hylianer, vor allem Eheleute, gemeinsam ins Bett gingen, und hatte auch die Gerudo über das Thema Beischlaf reden gehört. Allerdings konnte er sich darunter noch immer nichts vorstellen, bis er an seine Träume mit Zelda dachte…

Er wurde fiebrig rot im Gesicht, begann zu schwitzen, dass er Sorge hatte, der Schnee auf der sandigen Straße wurde von seiner plötzlichen körperlichen Hitze geschmolzen.

„Naja und Mädchen können doch wirklich wunderschön aussehen und stell‘ dir Zelda oder Ariana doch mal nackt vor“, meinte Will, blickte grinsend in die Höhe und in seinen smaragdgrünen Augen funkelten Schamgefühle, aber auch Neugier. Er dachte an gewisse weibliche Reize und lachte frei heraus.

Panisch stiefelte Link vorwärts, versuchte sich von der Vorstellung einer nackten Zelda in seinem Bett abzulenken, aber schaffte dies kaum. „Kannst du nicht aufhören darüber zu reden, das ist ja grausam!“, brüllte Link und drehte sich mit schambesudelter Mimik zu seinem Kumpel um.

„Warum?“, meinte Will und zwinkerte. „Es gibt ja kaum einen Jungen, es sei denn er interessiert sich für Männer, der nicht Interesse an diesem Thema hat.“

„Weil es…“, aber Link fand keine passende Ausrede.

„Sag‘ bloß, du hast kein Interesse daran mit Zelda zu schlafen?“, bohrte Will nach.

Aber auch diesmal antwortete Link nicht und blickte benommen zu seinen Füßen. Doch, irgendwie hatte er schon Interesse daran… zumindest auf die unschuldige Weise, die er sich vorstellte. Und weil es schön war mit Zelda zusammen zu sein…

Nur war das seit ihrem Streit kein Thema mehr. Er hatte sie enttäuscht mit einem kindischen Trotzkopf, mit entehrenden Behauptungen, die gnadenlos über seine Lippen geschossen waren, wo sollte er dann noch daran glauben, dass sie seine Nähe wollte und bei ihm schlafen wollte…

„Wie kann man mit einer heißen Lady wie Zelda nicht schlafen wollen“, sprach der Laundry perplex, stellte sich herausfordernd vor Link und musterte ihn ungläubig. Sein schmales Gesicht war mittlerweile rotgekühlt, seine grünen Augen von der Kälte angefeuchtet. „Die hat einen Körper wie eine Göttin, das muss dir doch aufgefallen sein, und ein Gesicht wie eine Fee.“

Link brüllte seine Verlegenheit mit einem Schrei heraus, zog sich an den blonden Haaren und versuchte die heftigen, erregenden Bilder aus seinen Träumen zur Seite zu schieben, funktionierte nur nicht so, wie er wollte. „Bei Farore, kannst du damit nicht aufhören, Will!“, schimpfte Link verzweifelt. Er wollte nicht, dass sein Körper wegen den Gedanken an eine nackte Zelda verrücktspielte.

Will lachte wie ein Gorone, lautstark und brummig, hielt sich die Hände an den Wanst und klopfte seinem Freund auf die Schulter. „Ist ja schon gut, ich habe ohnehin meine Antwort.“ Er grinste und setzte, bevor Link darauf eingehen konnte, hinzu: „Was anderes, hast du denn ein Geschenk für deine Prinzessin, ich meine für das Fest der Nayru?“

,Das war eine gute Frage‘, dachte Link. Man musste wissen, dass die Hylianer vor allem drei bedeutsame Feiertage in ihrem Kalender hatten. Da wäre zum einen das Fest der Göttin Din, welches man auch als Dins Reifung bezeichnete. Es war ein alter Brauch, der dem Feuer des Lebens gewidmet war. Überall in Hyrule wurden an diesem Tag Feuer gezündet, und jene Feuer, die hoch in den Himmel schlugen, sollten die Lebenslichter der hylianischen Gesellschaft anfachen und der Göttin Din huldigen. Man erzählte sich, jener Tag, der in dem letzten Sommermonat stattfand, stärke die Lebensenergie der Hylianer. Dann war da Nayrus Geburt, das Fest, an dem sich Hylianer beschenkten. Es sollte die Bande der Liebe mit bedachten Geschenken stärken und den Zusammenhalt im Volk. Und als dritten bedeutsamen Tag im Jahr fand Farores Ruheschlaf statt. Ganz Hyrule genoss an diesem Tag Stunden voller Ruhe und Harmonie, und es war jene Zeit, da man den Ahnen gedachte.

Link nickte verlegen. Ja, er hatte ein Geschenk für Zelda… Aber er würde es dem Laundry nicht verraten, dafür war es nicht perfekt genug. Er hatte sich bemüht etwas für die Prinzessin zu basteln, genauso wie Will es ihm gezeigt hatte. Er hatte begonnen einen Adler oder Falken aus Holz zu schnitzen, und war selbst überrascht, dass er es tatsächlich einigermaßen geschafft hatte. Zelda liebte jene Kaiser der Lüfte, es war etwas, mit dem er ihr eine Freude machen konnte… nur fragte sich der vergessene Heroe, ob er ihr dies nach den ganzen Missverständnissen überhaupt noch schenken durfte. Hatte er noch das Recht der Prinzessin an diesem Tag seine Aufwartung zu machen? Nachdem er sie so sehr mit seinen Worten gekränkt hatte?

„Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich ihr das schenken kann, was ich im Sinn habe“, erklärte Link leise. Noch immer fühlte er sich beschämt wegen Wills Kommentaren und schuldig, weil er Zelda vor kurzen so angefahren und abgewiesen hatte.

„Nun, du hast ja noch etwas Zeit dir das zu überlegen. Aber lass‘ dir nicht ewig Zeit. Eine Prinzessin sollte man nicht verschmähen.“

„Ich weiß…“

„Na dann, obwohl ich mir vorstellen kann, wie schwierig es sein kann etwas für jemanden zu finden, der ohnehin alles hat, was man sich vorstellen kann. Die Königsfamilie soll eine riesige Schatzkammer haben.“

„Deswegen überlege ich ja… Zelda sollte etwas bekommen, dessen Wert nicht mit Rubinen auszudrücken ist.“

Will nickte. „Es sollte von Herzen kommen und nicht so wirken, als wolltest du dafür ebenfalls etwas.“

„Ja, das ist richtig…“

Doch da kam dem Laundry ein aufheiternder Gedanke. „Andererseits… Wenn du ihr etwas Tolles schenkst, kriegst du vielleicht eine Belohnung und sie schläft erst recht mit dir“, lachte Will aufhetzend und hüpfte kichernd weiter.

„Argh, Will!“, fauchte Link entgeistert, spürte seinen Herzschlag bis in der Kehle und stapfte weiter, beugte sich nieder und formte einen Schneeball, den er dem heftig lachenden Laundry an den Hinterkopf knallte. Will sank so breit wie er war nieder, kugelte sich weiterhin vor Lachen und war durch Links Schneeballgeschosse keinesfalls zu beeindrucken. Er lachte, bis er den zornglühenden Blick in Links Gesicht sah. Erst dann verstummte er, wissend, diese Diskussion war peinlich genug gewesen…
 

Schweigend tapsten die Ritterschüler vorwärts, fragten sich, warum sie über so etwas Peinliches überhaupt geredet hatten und versuchten sich im Schutz des Nebels so schnell wie möglich in Richtung der Schule zu bewegen. Als sie auf der breiten Handelsstraße liefen, und nahe des Waldes das Kreischen der Steppenkrähen eine schaurige Symphonie anstimmte, waren da draußen im Nebel noch andere Geräusche, die die beiden Hylianer verwunderten. Immer lauter werdend, von Schnelligkeit und Ungeduld erzählend, schienen an die Fünfzig Hufe sich zielgerichtet vorwärts zu bewegen. Und da waren Stimmen, freundliche, gemischt mit unzufriedenen.

„Was mag das sein?“, murmelte Will, zog sich seinen wärmenden Wollmantel enger und musste plötzlich niesen.

„Das sind keine gewöhnlichen Hufgeräusche“, entgegnete Link, schloss die Augen und spürte mit seinen Hylianerohren in die Geräusche hinein. Tatsächlich war da ein leises Klirren, das die hetzenden Laute der Hufe begleitete. Es hörte sich an wie feine Glöckchen, die im Schnee wirbelten, wie die straffen Sehnen einer Gitarre, die gerade gezupft wurden. Wie eine rauschende Welle war da draußen außerdem ein Knacken und mitten in den Stimmen konnten Anwesende einem eigenwilligen Gesang lauschen, eine Melodie in einem Hylianisch, das einen aufbauschenden, langgezerrten, aber runden Dialekt hatte.

Überrascht blieben die beiden Ritterschüler auf dem Weg stehen, als aus dem dichten Schutz des Waldes und der weißen Nebelgewänder die ersten Reiter einer großen Gesellschaft reitend auf Geschöpfen mit silbernem Fell, ähnlich starken Pferden und doch waren es keine, erschienen. Drei Reiter wurden vom Nebel preisgegeben. Und sie alle ließen sich mit ihren würdevollen, glattpolierten Rüstungen, weißlich schimmernd wie Schneestahl, tragen von muskulösen Tieren, die wie Pferde aussahen aber ein entscheidendes ungewöhnliches Detail auf den langen, schmalen Köpfen trugen. Jedes stolze Getier mit den silbernen Mähnen, besaß ein Geweih, auf welches dunkle Symbole aufgemalt waren. Stolz ritten die Kämpfer näher auf jenen starken Geschöpfen, die es nur weit entfernt des großen hylianischen Kontinents gab. Nur auf Hyladién gab es jene Wesen, die schneller galoppieren konnten als gewöhnliche Pferde. Man nannte sie Silberschneehirsche, eine Brut, so sagte man, die einst von Göttern geritten worden wäre.

Wills grüne Augen wurden riesig, als er die pferdeähnlichen Reittiere bewunderte. Er konnte kaum etwas zu Link sagen, als sich aus den Verborgenheit schaffenden Wäldern und dem schützenden Nebel weitere Gebilde zeigten. Da waren mehrere Kutschen, rundlich mit großen Rädern aus einem glitzernden Metall, Karren mit Koffern und allen möglichen Kisten, Waffen und Nahrung, Säcke und Kleidung, über Hundert Ritter und Soldaten auf den stolzen Hirschen der nördlichen Insel. Behände, als schwebte die kleine Gesellschaft leichtfertig über den Schnee, zogen die vielen Hylianer weiter, nahmen allesamt die breite Handelsstraße ein, auf der Link und Will verzückt das Geschehen beobachteten.

„Weicht zurück, junge Burschen, weicht zurück vor dem Adel Hyladiéns“, rief einer der drei Reiter der vordersten Front, jener drei Krieger, die zuerst in das Gesichtsfeld der Jungen gerückt waren. Er war ein großer, langer Mann, der einen silberfunkelnden Helm auf dem Kopf präsentierte, und aufbrausend vor den beiden Burschen thronte. „Ihr blockiert die Handelsstraße!“ Sein weißer Hirsch bäumte sich auf, blieb dennoch stumm und nur seine klirrenden Hufe donnerten im Schnee. Sein langer, pechschwarzer Umhang, wo mehrere kämpfende Hirsche aufgestickt waren, flatterte im kalten Wind, als er sich darbot.

Noch ehe Link und Will entsprechend reagieren, sich aus ihrem hypnotisierendem Erstaunen lösen konnten, schnellten die Kutschen, Karren und Reiter näher, bis die beiden mit überraschten Schreien aus ihren Kehlen von der Straße sprangen. Perplex saßen der Held der Zeit und sein Freund im Schnee und beobachteten die Gesellschaft aus Hyladién in Richtung der Hauptstadt weiterreisen.

Die größte Kutsche fuhr in dem Moment geschmeidig an den beiden vorbei, ein Gefährt, rund und doppelt so hoch wie die anderen, mit zwei Stockwerken und mehreren Fächern. Die Kutsche war geschmückt mit Bannern aus Hyladién, einem weißen Pferd mit Geweih auf dunklem Untergrund, und bemalt mit eigenartigen Blättern und Blütenköpfen. Gerade da steckte jemand seinen Kopf aus einem der runden Fenster, ein gepudertes Gesicht war erkennbar, ehrenwert, mit dunklem, lilaschimmerndem Haar, aber zu kurz um ihn wirklich zu erkennen und sich einzuprägen. Aber ein hohnartiges Lachen, dreist und amüsiert, war ein Markenzeichen eines Menschen, das man nicht vergaß. „Passt das nächste Mal besser auf, dämliche Fratzen!“, lachte er. Mit raschem Tempo sausten die Reisenden weiter bis am Horizont die klirrenden Hufe der Silberschneehirsche im Nebel untergingen…
 

Mit Neugierde und Aufregung diskutierten Will und Link über ihre Beobachtung der Adligen aus Hyladién, als sie sich vorsichtig zurück in die Schule begaben. Das dichte, eisige Nebelgewand über der Steppe schien sich noch weiter zu verdichten, wirkte wie Zuckerguss vor den Sinnen und machte das Auskundschaften der nahen Umgebung immer unmöglicher. Link hatte Mühe den aufgeregten Will, der von nichts anderem als den Rössern aus Hyladién reden konnte, im dichten Nebel zu erspähen.

„Das war gigantisch“, meinte Will begeistert und trat als erster in Richtung des kleinen Tors in der Mauer. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Silberschneehirsche der nördlichen Insel so wunderschön sind.“ Er schien genauso wenig wie Link darauf zu achten, sich möglichst vorsichtig zu verhalten und leise zu bleiben. Denn die Wachposten an der Schule waren geübt. Erst letzte Woche waren einige Schüler dabei erwischt worden sich heimlich aus dem Schulkomplex zu stehlen.

Will kicherte: „Das war krass. Hast du diesen riesigen Ritter gesehen, mit dem edlen Wams und der massiven Rüstung. Er hatte das wohl muskulöseste Reittier überhaupt. Wenn ich einmal Ritter bin, will ich auch ein solch prächtiges Ross haben und so edel wirken.“ Der Laundry war so fasziniert, dass er nicht sofort auf Links warnende Zeichen achtete. Denn Link ahnte, dass sie beide sich etwas beeilen sollten. Um Ruhe bittend führte der vergessene Held einen Zeigefinger an seine nassgekühlten Lippen und tippte seinem Freund auf die Schulter.

„Was’n los?“, sprach Will, als sie beide vor dem versteckten Türchen ins Innere der Schule standen.

„Jetzt rede leiser, Will“, wisperte Link und hatte das Gefühl, dass sie beide beobachtet wurden. Plötzlich wirbelte Link herum, fasste mit der linken Hand an den Griff seines Schwertes und trat im dichten Nebelgewand, das sie nicht einmal die eigenen Hände erblicken ließ, einen Meter weiter. Ganz unscheinbar, versteckt, wie ein geübter Wanderer durch den Nebel, verbarg sich jemand in der Nähe von Will und Link, nutzte vielleicht dieselbe Pforte um sich hinaus in die Freiheit zu stehlen. Mit einer raschen Bewegung, einer Attacke gleich, setzte Link dem Wesen, das versuchte sich unscheinbar durch den Nebel zu bewegen, die Klinge an die Kehle, packte den scheinbaren Feind am wolligen Kragen und rang ihn in Sekundenschnelle zu Boden. Ein krachender Schrei glitt durch die Luft und entzweite den Nebel, machte deutlich, dass es kein Feind war, der ebenfalls durch den Nebel gewandert war. Es war ein Mädchen, dem Link und Will bereits begegnet waren. Eine Dame, die kaum Achtung und Respekt an der Schule besaß.

„Lass‘ mich los!“, rief sie mit Angst in der Stimme. „Meine Güte! Ich wollte doch nur zurück in die Schule!“

Link blinzelte, richtete sich auf und erkannte in dem miesen Wetter Ansätze der Mädchengestalt. Sie war kräftig gebaut, leicht muskulös und reif, besaß langes, rotes Haar bis zu den Schultern, zwei ungleiche Augen, und er vernahm eine trübsinnige, etwas unsichere Stimme, die er erst nach langem Überlegen seinem Besitzer zuordnen konnte. Er hatte diese Mädchenstimme am Fest der Ritter gehört, und auch dann, als er in Viktors Büro herumgeschnüffelt war.

Und als sie, eingepackt in einen verfilzten, grauen Umhang, nähertrat, erkannte auch Will das Mädchen, mit dem er seltsamerweise immer wieder komische Begegnungen hatte. Es war die Halbgerudo Midnehret, die ihn beleidigt hatte, die ihn als ,naja‘ Mann bezeichnet hatte. Ihre gemeine Herabwürdigung spiegelte sich noch immer als Beleidigung in Wills grünen Augen. „Bei Nayru, nicht du schon wieder…“, murmelte er und drehte sich weg.

„Pft… das könnte ich jawohl auch zu dir sagen“, entgegnete sie. „Was macht ihr beide denn hier im Freien? Die Ritterschüler haben doch das Verbot die Schule ohne Lehrpersonal zu verlassen, nicht?“ Sie zitterte und ihre Stimme war belegt, obwohl sie versuchte sich vor den beiden Schülern zu behaupten.

„Auch das könnten wir wohl dich fragen. Du bist Putzfrau an der Schule, auch du solltest das Gebäude nicht ohne Begleitung verlassen“, meinte Will schnippisch.

„Ich weiß… aber das geht dich nichts an“, meinte sie und blickte nervös ums sich.

„Wie schön, damit sind wir mal ausnahmsweise einer Meinung“, erwiderte der Laundry murrend. Seit diese Midnehret ihm über den Weg gelaufen war, nervte sie ihn. Ihre ganze Art und Weise und diese dummen Bemerkungen musste doch jemand zurechtstutzten. Sicherlich, er war nicht jemand, der über andere herzog, er war eigentlich überzeugt ein aufrichtiger Hylianer zu sein, aber diese Halbgerudo wusste einfach nicht, was Anstand war, und sie hatte nicht das Recht solche gemeinen Dinge zu sagen! Nicht zu einem Laundry!

„Wie auch immer“, versuchte Link zu schlichten. „Wir müssen alle zurück in die Schule, nicht wahr?“ Er wollte mit solchen Streitereien nichts zu tun haben und hielt sich heraus. Kopfschüttelnd, weil er nicht verstand, warum Midnehret und Will ein solches Drama veranstalteten, trat Link näher an das versteckte Türchen und schob die Pforte lediglich ein Stückchen auf, als ihn ein paar kräftige, dunkle Augen von der Innenseite der Pforte bedrohlich musterten. Link wich im ersten Augenblick die Farbe aus dem Gesicht und er stolperte rückwärts, landete vor Schreck im kalten Schneematsch auf dem Hosenboden.

„Hahaha… wen haben wir denn da?“, lachte eine quietschende Stimme. Ein hinterhältiger Humor und eine genießende Überlegenheit sprachen aus der Stimme eines Lehrers, der auf eine solche Gelegenheit gewartet hatte.

Link wischte sich über seine Augen, ärgerte sich, dass er zwar Midnehrets Anwesenheit, aber nicht die von Viktor wahrgenommen hatte, wurde immer blasser im ansehnlichen Heldengesicht, genauso wie Will und Midnehret, die beide dreinblickten wie Gespenster.

Vor ihnen stand Sir Viktor mit dickem, fleckigem Wams, das er sich in Eile über den Oberkörper gezogen hatte. Sein dürres, blondes Haar hing verklebt über seinen Schultern, die von nassem Schnee bedeckt waren. Er sah zufrieden aus, grinste überheblich, sodass sich die Falten immer tiefer in sein verbrauchtes Lächeln gruben.

„Sieh‘ einer an, das Heldchen mit dem Versager Laundry und der Hure, die glaubt, sie könnte ein anständiges Mädchen werden.“ Der Schuldirektor klapperte mit seinen Stiefeln und kratzte sich mit einigen Fingernägeln Essensreste aus den Zahnlücken. „Wen von euch soll ich zuerst darüber belehren, dass man sich an die Schulregeln zu halten hat?“

„Sir Viktor, ich bitte Euch, das ist ganz anders gewesen“, begann Will in Erklärungsnot. Die Tatsache, dass der Direktor ihn und Link ohne zu Zögern von der Schule werfen konnte, ließ ihn zappelig werden.

„Ihr wisst beide, was es heißt, sich den Regeln zu widersetzen!“, donnerte seine Stimme umher, ließ beinahe den Nebel zurückweichen. „Ich werde euch wegen Regelverstoß von der Schule schmeißen.“ Er lachte schäkernd, verschränkte die Arme und hielt sich vor erregtem Glucksen eine Hand vor den Mund.

„Sie haben sich den Regeln nicht widersetzt, das war ich“, begann Midnehret und trat mit schlotternden Knien vor den Lehrer. Sie hatte Angst und Respekt vor jedem Mann, dem sie bisher begegnet war. Und sie hatte noch nie das Wort gegen einen Kerl erhoben, der sich an ihr vergangen hatte. Aber sie wollte ihr Leben ändern, ein anderer Mensch sein, als der, den die Welt aus ihr gemacht hatte. Sie wollte sie selbst sein, das Feuer der Gerudos in sich erkennen, auch wenn ihr Blut unrein und sündenvoll war. Wie sollte sie ein neues Leben beginnen, wenn sie sich nicht behauptete?

Link und Will sahen das rotgelockte Mädchen mit Verwirrung und Verwunderung zugleich an. „Ah ja?“, fragte Will und erhielt einen Tritt von Midnehret auf den rechten Fuß. Die feinen Muskeln in seinem Gesicht zuckten vor Schmerz, bis er verstand, den Mund zu halten.

„Ich habe die Schule durch dieses Tor verlassen, Link und Will wollten mich lediglich daran hindern und haben damit ritterlich ihre Pflicht getan. Die beiden trifft keine Schuld“, sprach sie zittrig und beobachtete mit Herzrasen das amüsierte Kopfschütteln von Sir Viktor. Nervös strich sie ihr gelocktes, volles Haar zurück und war bereit für eine verbale Gemeinheit oder einen Schlag ins Gesicht. Das kannte sie ohnehin von Sir Viktor.

„Du kleines, schmutziges Ding, glaubst du, nur weil du anfängst andere in Schutz zu nehmen, vergibt dir Destinia dein frevelhaftes Leben als Hure? Du bist Dreck und wirst Dreck bleiben.“

„Dann lieber Dreck als ein Spielzeug für noch dreckigere Ritter…“, sprach sie und biss sich sogleich auf ihre großen, roten Lippen. Es stand ihr nicht zu, diese Dinge zu sagen. Und es waren eigentlich nicht ihre Worte. Es waren die Worte eines Mädchens, das ihr beigebracht hatte sich zu wehren…

„Das hast du nicht umsonst gesagt!“, donnerte Viktors schiefe Stimme umher. Midnehret kniff die Augen zusammen, bereit für eine knochige Faust in ihrem Gesicht, aber der Schlag blieb aus. Als sie die Augen öffnete, standen Will und Link vor ihr, blickten Viktor giftig an.

„Habt ihr nicht gehört, was sie gesagt hat“, sprach Link befehlend. „Es gibt hier nichts zu klären für Euch, Viktor.“ Mit einem auffordernden Nicken deutete der vergessene Heroe in Richtung Schulinnenhof. „Keiner von uns ist auf der Steppe, es ist nicht so, dass Ihr uns auf der Steppe erwischt habt, nicht wahr?“

Viktor spuckte trockenen Schleim neben Link zu Boden, brummte etwas vor sich hin.

„Ihr entschuldigt, wir würden dann gerne am Unterricht teilnehmen“, meinte William Laundry und grinste genauso dämlich und siegessicher wie Link.

Gerade da marschierte ein junger Soldat, jener breite, kleine Kerl, der Link beim Spionieren am Morgen erwischt hatte um die Ecke des Gebäudes, schien dringend wichtige Dinge mit Viktor besprechen zu haben. „Herr Schuldirektor, Heagen ist hier um seinen kranken Sohn abzuholen, ihr solltest so schnell wie möglich in den Saal kommen.“

Mit einem bedrohlichen Funkeln in seinen dunklen Augen wand sich der blonde Direktor um seine Achse, ließ seinen Blick noch einmal zu den tiefblauen Seelenspiegeln des Helden der Zeit wandern. „Ich krieg‘ dich noch, Satansbraten… so war ich hier stehe…“, knurrte er, bis er mit dem Soldat in das Schulgebäude eintrat.
 

„Das war ja mal nervenaufreibend“, murmelte Will und atmete tief durch. Er konnte kaum glauben, dass sie beide einem Schulverweis entgangen waren, und das mit der Unterstützung einer Hure, die völlig selbstlos gehandelt hatte. Mit großen grünen Augen blickte Will in die unsicheren, ungleichen der Halbgerudo. Nachdem er sich ihr gegenüber wie ein Idiot aufgeführt hatte, fühlte er sich etwas unwohl ausgerechnet von ihr aus einem fiesen Schlammassel herausgeholt worden zu sein.

„Ein Danke wäre nicht schlecht“, sprach die junge Halbgerudo und funkelte den Laundry mit ihren großen, roten Wimpern an. „Naja-Mann“, setzte sie schäkernd hinzu. Sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen, aber sie war sichtlich nervös nach ihrer Behauptung vor Viktor. Ihre Knie schlotterten und sie schwitzte.

Will entging ihre Nervosität nicht und er hatte nach der haarscharfen Situation nicht mehr den Nerv sich erneut provozieren zu lassen. Er war dankbar genug, dass er seinen Eltern ein Ausscheiden aus der Ritterschule nicht beibringen musste. Er grinste nur erleichtert.

„Warum hast du uns eigentlich geholfen?“, sagte Link und trat mit den beiden in Richtung des Innenhofs.

„Weil du so wunderbar Okarina spielst…“, meinte sie verlegen. „Und weil Ariana meinte, ihr beide seid gute Kerle…“

„Ariana?“

„Jap, sie ist wohl das Beste, was die Mädchenschule zu bieten hat“, sprach Midnehret begeistert. „Sie ist wundervoll und hat eine so graziöse Figur. Ich mag ihr langes, weiches Haar und ihre natürliche Eleganz. Außerdem kann sie so toll argumentieren, lässt sich ihren Mund nicht verbieten, ist temperamentvoll und eigensinnig, genauso wie ich gerne sein würde.“ Es klang beinahe so, als hatte Midnehret ihre Göttin gefunden, die sie auf ewig anbeten konnte. Ariana schien ihr beinahe den Kopf verdreht zu haben…

„Du solltest nicht versuchen jemanden zu kopieren“, meinte der Laundry. „Jeder hat seinen eigenen Wert.“ Er verschränkte die Arme und bewies erneut die Tugenden seiner Familie. Ein Laundry erkannte solche Muster. Ein Laundry kannte den Wert von Moral und Ordnung.

Mit ihren ungleichen Augen schaute sie betroffen in die grünschillernden des Ritterschülers und blickte beschämt nieder. „Ja, vielleicht… aber ich mag Ariana sehr“, meinte sie abwinkend. „Naja-Mann…“, setzte sie kleinlaut hinzu.

„Bist du nun endlich fertig mit deinen Provokationen?“ Will schüttelte den Kopf und versuchte ruhig zu bleiben, so wie es seine Vorfahren in brenzligen Situationen getan hatten.

„Ja, ich denke schon“, entgegnete sie zwinkernd und deutete zu den aufgeregten Schülern im Innenhof. Erst jetzt schienen Link und Will zu bemerken, dass der Trubel im Innenhof tatsächlich ungewöhnlich war. Sowohl Mädchen mit dicken Wollmänteln wie auch scharenweise Ritterschüler in ihren pechschwarzen Rüstungen standen aufgeregt diskutierend vor dem Schulgebäude. Selbst die älteren Schüler hatten ihre Fechtstunden beendet und blickten neugierig in Richtung des Haupteingangs. Sogar einige Ritter standen aufgereiht vor dem Haupteingang. Eine große Kutsche mit Karren und Koffern war durch den Schneematsch in den Innenhof geführt worden. Zwei schwarze Warmblüter waren an die Kutsche gespannt, schabten schwerfällig mit ihren Hufen, prusteten und zeigten ihre gelben Zähne beim Wiehern.

„Was ist denn hier los?“, meinte Link verwundert, hoffte insgeheim, dass die Diskussionen sich nicht erneut um ihn drehten.

„Ihr habt das noch nicht mitbekommen, weil ihr nicht hier wart, was?“, erklärte die Halbgerudo. „Aber ein Schüler Namens Mondrik Heagen wurde ziemlich übel zusammengeschlagen.“

„Wie bitte?“, murmelte der vergessene Heroe, konnte die Worte kaum glauben und wurde erneut fahl im Gesicht. „Mondrik wurde verprügelt?“ Er packte Midnehret an ihren Schultern, blickte sie entgeistert an und ließ sie augenblicklich wieder los.

„Ja, du hast richtig gehört“, entgegnete sie. „Er wurde windelweich gekloppt, seine Stirn wurde zerschnitten und er soll in einem Zustand geistiger Benommenheit mit seinem eigenen Blut das Wort ,Held‘ an die Wand geschrieben haben. Echt gruselig, nicht? Manche sagen: vielleicht war es ein Hilferuf an einen Helden oder der Held hat ihn zusammengeschlagen.“

„Das ist ja ungeheuerlich, ich habe… ich meine, der Held würde Mondrik Heagen niemals verprügeln…“, sprach Link nervös und richtete seine Augen zu dem Haupteingang, wo gerade besagter Jüngling auf einer Pritsche hinaus transportiert wurde. Er hatte einige Bandagen im Gesicht, schien bewusstlos zu sein. Neben ihm trat ein gutaussehender, wenn auch leichte dicklicher Ritter mit langem Pferdeschwanz, in das er seine dunkelbraunen Locken gebunden hatte, und eine stattliche, sicherlich teure Rüstung umhüllte ihn. Auf dem glattpolierten Stahl seines Brustpanzers war der königliche Falke aufgemalt. Und der kräftige Mann hielt die Hand des Jungen inständig, hatte einen mitfühlenden Ausdruck der Anteilnahme in seinem jugendlich wirkenden Gesicht, wo die Ähnlichkeit zu Mondrik erkennbar war. Die gleichen großen Augen mit hervorstechenden, dunklen Wimpern. Und die gleiche runde Nase. Das musste der Ritter Heagen sein, der seinen Sohn heim holte. Und neben ihm lief Olindara Heagen, die korpulente Zwillingsschwester des Burschen, mit verweintem Gesicht.

„Ich frage mich, warum er überhaupt zusammengeschlagen wurde“, meinte Will. Mit besorgtem Blick musterte er Midnehret eindringlicher. „Was weißt du noch darüber?“

„Ich weiß nur das, was alle wissen“, entgegnete sie und rieb sich ihre schmalen Arme. „Und das habe ich euch gerade erzählt.“ Mit einem bangen Ausdruck ging ihr Blick zu den wenigen Rittern in der Runde.

„Aber da steckt garantiert mehr dahinter. Mondrik Heagen ist alles andere als gefährlich, vielleicht der unbeholfenste Junge der Schule. Es ergibt eigentlich keinen Sinn, warum sich jemand die Mühe macht ihn zu verprügeln“, schlussfolgerte Will und schwenkte seinen Blick nachdenklich zu den tiefblauen Augen seines besten Freundes. „Link, du ahnst etwas, habe ich Recht?“

Der heimliche Heroe seufzte und schloss sinnierend die Augen. Die Sorgenfalten in seinem Gesicht verbargen einen mehrdeutigen Ernst. „Dass Mondrik so massiv bedroht wurde, kann nur bedeuten, dass jemand Informationen von Mondrik wollte. Was viele nicht wissen ist, dass Mondrik scheinbar eine Begabung hat in schaurige Dinge hineinzustolpern. Erinnert Euch an den Mord des Hausmeisters, auch da war er der erste, der ihn gefunden hat.“

„Das heißt, du vermutest, er wurde zusammengeschlagen, weil er irgendwelche Informationen hatte?“, sprach Midnehret ungläubig und zitterte. „Das klingt ja gruselig. Es ist besser, wenn ich mich da heraushalte.“

„Vielleicht hat er in der Schule irgendetwas gesehen?“, bemerkte der Laundry.

„Oder er wusste etwas Wichtiges“, hauchte Link schuldbewusst über seine Lippen. Mondrik wusste schließlich sein Geheimnis…

„Vielleicht etwas, das mit dem einen Helden zu tun hat? Warum sonst sollte er das Wort Held an die Wand schreiben?“ Will sprach seine Worte leise und anteilnehmend, aber auch bestimmend. Link aber schluckte nervös, sodass sich sein Adamsapfel deutlich zeigte.

„Oder es geht um etwas ganz anderes, was wir nicht vermuten können“, sprach Will.

„Nun ja, wer weiß, was wirklich dahinter steckt“, sprach die rothaarige Schönheit. Sie hob beschwichtigend die Hände und wirkte nervös und unpässlich. Ihr rechtes Augenlid zuckte vor Besorgnis. „Ich weiß, dass es bei den Hylianern den Glauben gibt, dass sich die Geschehnisse und Fügungen, die die Götter erwählen, denjenigen suchen, den sie brauchen. Aber ich möchte nicht unbedingt in angsteinflößende Angelegenheiten hineingezogen werden. Ich bin froh, wenn ich mein Leben einigermaßen auf die Reihe bekomme. Es ist daher gut, dass die Schule erst einmal dicht ist über den Winter… Vielleicht legen sich diese seltsamen Vorfälle dann wieder. Einen angenehmen Tag noch euch beiden.“

„Ja, hoffentlich“, meinte Will, als Midnehret bereits davon tapste. Sie warf einen Blick über ihre Schulter und grinste. „Übrigens, vorhin das war echt aufrichtig von dir. Danke…“, setzte Will hinzu.

„Nennt mich Mid, das kann man sich eher merken. Bis demnächst“, rief sie noch und verschwand im Schulgebäude der Mädchen.
 

„Das war schon nett, oder?“, sprach der Laundry und grinste. „Und diese Halbgerudo wirkt ganz anders als sonst, meinst du nicht?“

„Ja, irgendwie schon“, sprach Link, aber schien mit seinen Gedanken auf einer Reise zu sein. Er starrte ins Leere, ein Ausdruck der Benommenheit in seinem käseweißen Gesicht.

„Du machst dir Sorgen wegen Mondrik, was?“

„Eher wegen dem, was er an die Wand geschrieben hat“, brummte Link und rieb sich die Hände. Er freute sich auf den hoffentlich warmen Vorlesungssaal und sein gemütliches Zimmer.

„Nun ja, ich würde es nicht auf die Goldwaage legen. Ich würde mich eher fragen, wer sich in der Schule an den Schwachen vergeht und da fallen mir einige Leute ein“, sagte Will und streichelte seinen spärlichen Bartwuchs.

„Zum Beispiel.“

„Ians Gang, die suchen sich doch dauernd schwache Leute aus zum Fertigmachen.“

„Ich hoffe nur, dass es wirklich eine solche harmlose Erklärung dafür gibt“, sprach Link und in seinen tiefblauen Augen flackerte ein schwaches Licht, erinnernd an Kämpfe und die Grausamkeiten, die in Hyrule warteten. „Aber… du hast bestimmt Recht, Will…“

„Jap, immer!“, neckte er und lachte. „Sei mal‘ froh, dass ich so gescheit bin.“ Er brüstete sich schauspielerisch, worauf auch Link ansatzweise grinste. Doch bevor er mit Will zurück in das mit Schnee bedeckte Schulgebäude trat, hetzte er zu der großen Kutsche, wo die Familie Heagen gerade ihre Waren stapelte. Die aus schwarzem, gebeiztem Seeholz gefertigte Kutsche war gefechtsbereit entworfen worden, zusätzlich mit vielen Eisenplatten beschlagen zum Schutze der Insassen. Wenige unscheinbare Bedienstete des Hausstands der Heagens, darunter zwei Mägde, ein Kutscher, drei Soldaten und ein Stallbursche, werkelten übereifrig an der Kutsche und den Waren herum, machten sich bereit für die Abreise.

Sir Heagen, der lange, etwas dickliche Ritter mit den gelockten Haaren, hatte seine Tochter Olindara fürsorglich in die Kutsche geschoben und den kränkelnden Mondrik eigenhändig hineingetragen, und hüpfte für die letzten Vorbereitungen wieder aus dem Gefährt. Gerade da fielen seine gutmütigen Augen auf Link, der etwas unbeholfen wenige Meter weiter stand. Er hatte seine Hände in die Hosentaschen gesteckt, wusste nicht so recht, was er tun sollte. Eigentlich wollte er bloß wissen, ob Mondrik wieder gesund werden würde. Im nächsten Moment stand Heagen bereits vor ihm und musterte ihn erpicht. Und die warme Aura des Mannes ließ vermuten, dass er einem Gespräch mit Link nicht abgeneigt war.

„Du bist Link, habe ich Recht?“, meinte er sachlich. Und trotz einer Milde, die in seiner Stimme lag, verbargen seine dunklen Augen Funken von einer scharfen, starken Präsenz, ließen eine gefährliche Intelligenz und Begabung in logischem Denken vermuten.

Mit einem ruhigen Nicken bestätigte der junge Ritterschüler die Frage und hielt ihm begrüßend seine linke Hand entgegen. „Ihr seid Sir Heagen?“

„Korrekt“, entgegnete er freundlich. „Ich bin zum Teil den Masterrittern angehörig, tätige aber auch Angelegenheiten die Verteidigungspolitik betreffend.“ Er kratzte sich an seinem Dreitagebart, wirkte ansonsten aber außergewöhnlich gepflegt und blickte überprüfend zu der Kutsche.

„Mondrik redet sehr viel über dich“, bemerkte der Mann. „Nicht ungewöhnlich, wenn man weiß, wer du bist.“ Die Andeutungen in seinen Worten waren gewagt, überraschten Link jedoch nicht sonderlich. Es gab genügend Ritter, die seine Identität kannten, aber größtenteils anzweifelten.

„Ich hoffe, dir ist bewusst, dass es unter uns Rittern auch einige gibt, die mit der Legende nicht viel zu schaffen haben wollen. Ich bezweifle nichts und respektiere das Wort des Königs, aber ich muss mich mit der Legende Hyrules auch nicht unbedingt auseinandersetzen. Alternative Zeiten und Vergangenheit bringen uns wenig Rettung für die Gegenwart.“

Link verstand kaum, worauf Sir Heagen zu Sprechen kommen wollte, aber für ihn war klar, dass Heagen ihn nicht mit Verachtung ansah. „Ich bin nicht daran interessiert, dass mir irgendwer Glauben schenkt“, meinte Link betont. „Ich möchte genauso wie die anderen Schüler behandelt werden.“

Heagen nickte stumm, aber lächelte ein wenig.

„Wird Mondrik wieder gesund?“, setzte Link hinzu, ahnend, dass der Ritter kaum Lust hatte sich zu lange in ein Gespräch mit dem Helden der Zeit zu verstricken.

„Ja… den Göttinnen sei Dank“, sprach der Mann leise. Seine Stimme bekam Risse. „Mir ist klar, dass Mondrik nicht der Stärkste ist. Er ist auch nicht der Begabteste im Bereich Schwertkampf und Magie. Tatsächlich ist er oftmals sehr beschämt, vermeidet die Auseinandersetzung mit anderen, kann sich schwer behaupten. Aber ein solcher Angriff war unnötig und sehr feige.“

„Dem stimme ich zu“, meinte Link und nickte. „Und es beunruhigt mich.“

Heagen grinste etwas und streichelte seinen rechten Lederhandschuh. „Das sollte es auch. Ich bin nicht derjenige, der zu schnellen Schlussfolgerungen greift, aber mein Sohn schrieb schließlich das Wort Held an die Wand, was für viele ein Zeichen sein kann.“

„Ich habe mit dem Angriff nichts zu tun“, sprach Link lauter. Er wusste, dass er sich nicht rechtfertigen brauchte, aber ein Teil in ihm wünschte, es klar zu stellen. „Mondrik ist einer der guten Seelen an der Schule. Es war eine miese, armselige Tat ausgerechnet ihn zusammenzuschlagen.“

Heagen schien zu grübeln und kratzte sich an seiner runden Nase. Er trat noch einen Schritt näher und murmelte, sodass keiner zuhören konnte. „Ich weiß, zumal Mondrik mir versichert hat, dass du es nicht warst. Man hat ihn gezwungen das Wort Held an die Wand zu schreiben. Es sollte dich aufhorchen lassen, wenn du doch der legendäre Held sein willst, dass Hylianer in deinem Umfeld nur wegen dir verletzt werden. Und Mondrik weiß dein Geheimnis.“

Link senkte den Blick, fühlte sich erneut schuldig. Seine Augen wurden gläsern bei dem Gedanken an die Worte des Chadarkna und den Geschehnissen, die ihm eine scheußliche Bürde aufluden. Ja, er war der Held der Zeit und er war derjenige, der andere beschützen und aus diesen Angelegenheiten heraushalten sollte. „Wenn Mondrik wegen mir diese Wunden aushalten muss, werde ich dafür gerade stehen.“ Da war diese schwere und ergreifende Aufrichtigkeit in seinen tiefblauen Augen, die Sir Heagen jegliches Misstrauen nahm. Die Gesichtszüge des Ritters entspannten sich völlig. „Danke für deine Anteilnahme, ich weiß dies durchaus zu schätzen. Und ich achte Mondriks Wünsche. Er steht völlig hinter dir.“

Link nickte dankbar, aber auch verlegen. Mit geschlossenen Augen kratzte er sich an seinem Hinterkopf.
 

„Dennoch… war dieser Angriff auch eine Aufforderung an meine Familie“, meinte der Ritter nach einer Pause.

„Habt Ihr eine Spur von denen, die Mondrik angegriffen haben“, sprach Link.

Heagen verzog sein mildtätiges Gesicht zu Zweifeln, bitteren Sorgen und seufzte.

„Ihr wisst etwas, habe ich Recht?“

„Ich bin mir nicht völlig sicher und ich hüte mich vor voreiligen Schritten. Ich werde aber den Rat des Königs von meinem Verdacht gerne berichten. Das sollte dem Helden genügen.“

„Dem einen Helden genügen Andeutungen nicht“, sprach Link bestimmend.

Heagen lächelte leicht verschlagen. „Die Ritter Hyrules werden sich um Recht und Ordnung kümmern, auch in dieser Angelegenheit.“

„Auch das genügt einem Helden nicht“, sprach Link geduldig.

Heagen lachte erheitert. Und während er lachte, wirkte er jünger als erwartet. Er legte dem Burschen eine Hand auf die Schulter und grinste. „Und was würde diesem Helden genügen?“

Auch der Ritterschüler grinste, sendete einen hinterhältigen Blick aus seinen tiefblauen Seelenspiegeln. „Antworten“, meinte Link tonlos.

„Die Antwort ist, dass du herausfinden solltest, warum Mondriks Stirn zerschnitten wurde. Und dies muss dem einen Helden endlich genügen.“

Link biss sich auf seine kalte Unterlippe, rief sich Bilder der letzten Ereignisse in seine Gedanken, aber konnte im Moment keinen Bezug herstellen zwischen seinen unerledigten Heldenpflichten und Mondriks zerschnittener Stirn. Er zwinkerte und sah den Kutscher dem Ritter Heagen auffällig zuwinken. Die Abreise war überfällig.

„Wie immer es auch steht, bleib‘ deinem Herzen treu, vertraue auf deine Ideale… und die rechten Menschen werden dir zur Seite stehen. Dass du meinen Sohn verteidigst, wird dir eines Tages von Vorteil sein“, meinte Heagen abschließend. Er warf seinen mit silbernem Zwirn bestickten dunkelbraunen Umhang zurück und nickte dem Ritterschüler auffordernd zu. Verabschiedend hüpfte Sir Heagen ebenfalls in die Kutsche, lächelte noch einmal spitzfindig und schlug das Türchen zu. Mit langsamem Trab zogen die Warmblüter die gut befestigte Kutsche durch den knirschenden Schnee.

Mit einem scharfen, warnenden Blick schaute Link der Kutsche hinterher. Ein neues Ziel erwuchs seinem Herzen. Er hatte Zeit den Winter über in der Hütte am Glücksteich seine Nachforschungen anzustellen. Er würde nun nicht mehr zögern und sich für das nächste Gefecht vorbereiten…

Die Morganiells

Als sich die Winternebel in der namhaften Provinz Eldin lichteten und der Abend nicht fern war, hatte sich ein Großteil der Schlossgesellschaft auf dem größten der fünf Innenhöfe des Schlosses versammelt. Heute war der Tag, wo Hyladiéns Adel in die Hauptstadt Hyrules einreisen sollte. Das berühmte Geschlecht der Morganiells, die seit mehreren Jahrhunderten ihre stolzen Stammbäume aufzeichneten, würde erscheinen, Hyrules König erneut die Treue schwören und vergangenen Zeiten, geknüpft an Bilder der Freude unvergesslicher Taten und Geschehnisse, die ein ganzes Jahrzehnt alt waren, gedenken.

Der gesamte Innenhof war winterlich mit glitzernden Figuren und Kristallen geschmückt. Schneerosen und Gebilde aus Wachs wurden für die Begrüßung der Morganiells angefertigt und verschönerten die Szenerie. Ein weißer Hirsch mit prächtigem, goldenem Geweih aus Kristall erhob sich auf dem riesigen Springbrunnen in der Mitte des Hofes. Ritter der hylianischen Tafelrunde in ihren schimmernden Silberrüstungen, ältere im Ruhestand befindliche Krieger, die Ministerposten übernommen hatten, feine Ladys in Gewändern mit allen Farben der Welt, Soldaten, Hofnarren, Mägde warteten ungeduldig und aufgeregt auf das Erscheinen der ehrenwerten Gäste.

Und an vorderster Front, die besten Ritter des Landes in seinem Schatten, thronte Harkenia von Hyrule auf. Stattlich, frisch und begnadet sah er aus mit seiner wie Licht funkelnden Rüstung, die geschickt seinen gealterten Körper umschmeichelte. Ein tiefroter, langer Mantel mit goldenen Stickereien fiel an seinem Rücken hinab. Jener und die reichlich verzierte Krone auf seinem Haupt ließen ihn als den wahren Herrscher Hyrules erkennen. Und neben ihm, verhalten wirkend, trat Zelda, die Prinzessin Hyrules, hob ihr trübsinniges Gesicht in Richtung des blaugesichtigen Himmels, wo die Nebelschleier vergingen. Sie schien der Anziehungspunkt der meisten Augenpaare zu sein, trug sie doch ihre königliche Gewandung, eine teure, seidene Tracht mit aufwendigem Schmuck. Sie war wunderschön, vielleicht auch mit dem geheimnisvollen, wenngleich leicht traurigen Ausdruck auf ihren jugendlichen Gesichtszügen. Aber die leichte Kümmernis hüllte sie in noch mehr Mysterien als ohnehin schon.

Die saphirblauen Augen stetig auf das große Tor gerichtet, wo in wenigen Minuten die Kutschen des Adels aus Hyladién erscheinen würden, suchte Harkenias rechte Hand die linke seiner Tochter. Aus ihren Gedanken gerissen prüfte sie ihren Vater, prüfte die Aufregung in seinem faltenreichen Gesicht und entdeckte Unruhe neben seiner Vorfreude auf die Gäste. „Du bist traurig, Tochter“, äußerte er sachlich und ruhig, machte die Aussage ohne jene in Frage zu stellen. Es war so offensichtlich, dass es der Prinzessin Hyrules nicht gut ging. Ihr Gesicht war blass, obwohl die Hofdamen ihre Blässe und die dunklen Augenringel mit reichlich Schminke zu bedecken versuchten. Und es wäre für Zelda unmöglich erneut zu lügen und ihre momentane Erschöpfung und ihren eher schlechten Gemütszustand abzustreiten. Sie nickte leicht, bemüht ihre Äußerungen vor den anwesenden Rittern zu kaschieren.

„Was macht dein Herz so schwer?“, flüsterte er, noch immer seine Augen starr zum Burgtor gerichtet.

Sie seufzte. „Es ist nicht der Rede wert, Vater. Du solltest dein Herz nicht mit meinen Sorgen beladen, sondern dich an deinem Besuch erfreuen.“

„Dazu muss er erst einmal erscheinen“, erwiderte er schmunzelnd. Aber allein Zeldas Hinweise und Bemerkungen bezüglich seiner Gäste ließ seine Mundwinkel beben und sein Gesicht um einige Jahre jünger wirken. „Aber es stimmt, Tochter, wir sollten heute nicht an die Sorgen des Morgens denken, wo es Neuigkeiten aus Hyladién geben wird.“ Er lächelte, er lächelte so entzückt wie schon lange nicht mehr. Und dies schien wohl auch der Grund, warum Zelda ihm seine abrupte Gesprächsführung und sein Abwinken ihrer Sorgen nicht übel nehmen konnte. Er wirkte so glücklich, dass sie ihn ihre Angst um Link, ihre Sorge bezüglich der dreizehn Schlüssel und auch ihre weniger angenehmen Gedanken, die sich um das Erscheinen der Morganiells drehten, nicht aufbürden wollte.

„Zumal wir alles arrangiert haben, was wir in der derzeitigen Situation für Hyrules Sicherheit tun können“, setzte Harkenia sicher und gefasst hinzu. „Verträge mit unseren Bündnispartnern wurden erneuert. Valiant macht eine hervorragende Arbeit an der westlichen Grenze. Auch unsere Waffenschmieden sind gut besetzt. Dann hast du eine neue Anwärterin für den Posten der Weisen des Lichts gefunden und deine Kontakte zu den zwei verborgenen Völkern spielen lassen. Mehr können wir im Augenblick nicht tun.“

,Ja, wie einfältig‘, dachte Zelda fahl und sie konnte kaum auf Harkenias Worte eingehen. Jeder redete von Sicherheit. Ihr Vater tat dies. Die besten Ritter taten dies. Selbst Valiant redete nur noch von Hyrules Sicherheit. Und doch, so wusste ein kleiner Teil in Zeldas Seele, war nichts auf diesem großen Kontinent und nichts in dieser ereignisreichen Ära wirklich sicher. Sie alle vertrauten auf das, was sie mit ihren menschlichen Augen sehen konnten, beriefen sich auf das, was sie mit ihrer hylianischen Intelligenz wissen konnten, und waren doch alle zu blind und zu ängstlich um ihre Augen für das zu öffnen, was hinter dem Scheinbaren lag.
 

Noch immer hielt Harkenia die linke Hand seiner Tochter fest umschlossen und als die ersten Fanfaren ertönten, bezeugten, dass die vielen Reittiere aus Hyladién, Kutschen und Karren von den Wachposten mit bloßem Auge auf der vielbefahrenen Steinstraße von der Hauptstadt zum Schloss erspäht wurden, umfasste der Regent die zierliche Hand Zeldas noch energischer. „Ich weiß, dass du es nicht für eine so gute Sache hältst, dass die Morganiells kommen…“, hauchte er über seine Lippen und während er sprach funkelte in seinen lebenserfahrenen Augen väterliche Besorgnis.

„Du hast meine Abneigung gemerkt?“

„Ja, in der Tat, auch wenn ich sie nicht völlig verstehen oder akzeptieren kann.“ Er schloss für lange Sekunden die Augen, wirkte zögerlich in dem, was er an sie herantragen wollte. „Zelda… nur weil Ornella mich besuchen kommt, bedeutet das nicht, dass ich sie mit dem Platz deiner Mutter ersetze“, flüsterte er und blickte sie leicht prüfend an, aber Zeldas plötzliche Verwunderung, sichtbar in ihren edlen Gesichtszügen, konnte er kaum deuten. Zaghaft strich sich die Prinzessin eine Strähne ihres langen Haares, das sich aus dem geflochtenen Zopf gelöst hatte, nach hinten.

„Bei Nayru, Vater… das ist wahrlich nicht meine Sorge“, erwiderte sie etwas schmunzelnd. Die Annahme ihres Vaters, Zelda könnte eine Stiefmutter nicht ertragen, war völlig deplatziert und entsprach nicht der vollen Wahrheit. Ihre geringste Sorge drehte sich um eine neue Liebschaft ihres werten Herren. Ganz im Gegenteil, er sollte sich in den Jahren, die er in diesem Leben noch besaß, alles Glück gönnen, der er ergreifen konnte. Zelda wünschte ihm dies von Herzen… es war lediglich ein ungutes Gefühl, das sie mit den Morganiells in Verbindung brachte, ein warnendes Gefühl, das auch Zelda nicht zuordnen konnte.

„Nun dann lassen wir dieses Thema ruhen und genießen den Tag“, erwiderte er und heftete seinen starken, fröhlichen Blick nach vorn. „Die Morganiells lassen sich immer Zeit… es ist ein Wunder, dass sie noch vor Sonnenuntergang erscheinen.“ Ja, die Morganiells waren es eigentlich gewohnt, dass man auf sie wartete, wohingegen es nicht der Sitte entsprach, dass man jenen nördlichen Adel warten ließ.
 

Erneut erklangen die Fanfaren, ein Rhythmus, eine Melodie der Begrüßung, die schnell und fröhlich durch den Innenhof bis hin zu den höchsten Zinnen des Königshauses dröhnte, eine Melodie, die schon seit langer Zeit nicht mehr erklungen war. Und als sich die goldenen Fanfaren im Sonnenlicht noch einmal erhoben, von weither der Jubel von den Hylianern der Hauptstadt hörbar wurde, erschienen die ersten Reiter der nördlichen Insel auf ihren stattlichen, edlen Silberschneehirschen. Ihre Rüstungen funkelten im Licht der Sonne wie Perlen. Karren und Kutschen schlossen sich an, bis weitere Ritter des Hausstands der Morganiells in den Innenhof einzogen. Innerhalb weniger Minuten war der Innenhof prall gefüllt mit Wägen und Reittieren und die Menge tratschte heftig, jubelte und applaudierte. Denn im Volk der Hylianer war der nördliche Adel mit Respekt gesegnet und ihre Aufwartung beim König freute das Volk.

Die größte Kutsche, die mehrere Stockwerke besaß, kam wenige Meter vor dem Antlitz Harkenias und seiner Tochter zum Stehen, ein Gefährt, das kaum ein Hylianer im Lande jemals gesehen hatte. Große, mit goldener Farbe verzierte Räder trugen die riesige Kutsche mit ihren vielen, runden Fenstern, Bannern aus festem, edlem Stoff, Verzierungen hyladischer Malkunst. Und als sich die große Tür der Kutsche öffnete, eilten eiligst drei Untertanen des Hausstands herbei, legten samtene Teppiche zu Boden und erbauten flink eine Treppe für den Adel, das jener elegant aus der Kutsche heraustreten konnte. Und es war dann, dass zuerst die ranghöchste Person der nördlichen Insel ihre Reiseunterkunft verließ. Ornella Morganiell, eine feine Lady, die auch sehr viel Raffinesse in politischen Angelegenheiten bewies, stieg als erste aus der Kutsche. Die Blicke der Schlossgesellschaft fielen mit Respekt und Achtung zu ihrer langen, schlanken Gestalt. Sie war eine äußerst große Frau mit langen Beinen und vollem, dunklen Haar, das in einer aufwendigen Frisur in die Höhe gesteckt edel und geschmackvoll wirkte. Ein Diadem mit orangefarbenen Steinen wand sich wie eine Schlange auf ihrer Schädeldecke, hielt das lange Haar nach oben, wobei wenige, feine, rote Strähnen mit einer eigenwilligen Flechtarbeit zu kleinen Nestern gearbeitet waren. Es musste Stunden gedauert haben eine solche aufwendige Frisur zu erschaffen. Eine samtene ockerfarbene Robe mit feinen schwarzen Stickereien, hohem Stehkragen ließ sie als eine kühle Herrscherin erscheinen. Und edel, das Bild vervollkommnend, war feiner Schmuck dezent am Hals, an den sehr spitzen Elfenohren und Armen der Dame platziert. Denn Hyladién war bekannt für teuren Schmuck und liebliche Edelsteine, selbst Goronen bezahlten hohe Preise für die Gesteine, die auf der Insel in verschiedenen Mienen abgetragen wurden.

Ihr glattes, mit Puder und teuren Cremen benetztes Gesicht, straffte sich zu einem Ausdruck des Gefallens, wenngleich das kühle Lächeln kaum sichtbar war, als sie den König in ihren hellen, schwach blauen Augen spiegelte. Ein den Hyladiérn vertrautes Symbol war auf ihrer linken Wange aufgemalt worden, eine Blume, lang und schmal wie Lady Morganiell, und in dem Flechtwerk jener Blume waren Runen eingezeichnet. Auch für diese Kunst waren die Bewohner der nördlichen Insel bekannt. Die Einwohner Hyladiéns waren begabt in der Verwendung von durch Schriftzeichen gestützter Zauberei. Und jenes Symbol auf Ornella Morganiells Wange verbarg einen leichten Zauber.

Verzückt trat sie näher, schritt majestätisch vorwärts und schenkte dem Regenten weitere verzauberte Blicke. „Harkenia, mein König, es ist wundervoll Euch nach der langen Zeit zu begegnen. Wie lange es wohl her sein mag, stolze zehn Jahre?“, sprach sie auf eine vertraute Weise, verbeugte sich anmutig vor dem Staatsoberhaupt und hielt ihm schließlich ihre weißen, langen Hände entgegen.

„Ornella“, sprach Harkenia erfreut, nahm ihre Hände in die seinen, die von dunkelroten Lederhandschuhen gewärmt wurden. „Es ist auch mir eine Freude.“ Er lächelte, Harkenia hatte lange Zeit nicht mehr auf diese entspannte Weise gelächelt. „Lasst Euch anschauen. Es scheint, als seien die zehn Jahre spurlos an Euch vorüber gegangen.“

„Ein ehrvolles Kompliment von einem ehrvollen Mann, ich danke Euch.“ Sie fühlte sich geschmeichelt und atmete die frische Winterluft genießend ein. Und schließlich fielen ihre strengwirkenden Gesichtszüge zu Zelda, wo sich kaum Falten zeigten trotz der vier Lebensjahrzehnte, die Ornella bereits auf der Welt war. Ihre lange, schmale Nase wackelte, als sie stärker lächelte, ihre runden Augen funkelten. „Und Ihr müsst die Prinzessin Hyrules sein. Aus Euch ist ein wunderschönes Mädchen, ein Juwel geworden, so wie die Reisenden in Hyladién immer sagen. Ich begrüße Euch herzlich, Prinzessin“, sprach Ornella. Und obwohl sie streng und kühl wirkte, war ihre Stimme warm und einschmeichelnd angenehm. „Als ich Euch das letzte Mal sah, wart Ihr noch ein kleines Mädchen von sechs Jahren, ein aufgewecktes Kind, nun aber sehe ich eine reife, erwachsene Lady vor mir.“ Sie legte der verwunderten Prinzessin beide Hände auf die Schultern und drückte ihr einen Kuss auf die rechte Wange. „Ich wünsche mir, wir finden baldigst etwas Zeit für Konversationen.“

Die Thronerbin entschied sich wortlos zu nicken, lächelte zaghaft und wusste noch nicht recht, was ihr erster Eindruck von Ornella aussagte. Sie wusste nur, dass die Adlige der nördlichen Insel scheinbar bemüht war gepflegte Manieren vorzuspielen, wusste jene doch sicherlich ganz genau, dass aus Zelda keine reife, erwachsene Lady geworden war. Es gab genügend Gerüchte im Volk, die mehr der wahren Persönlichkeit der Königstochter näher kamen als solche Worte. Und Zelda war mit Abstand nicht die Prinzessin, die man sich vielleicht wünschte. Ornella wusste das, hatte die junge Prinzessin es der Adligen der nördlichen Insel schon damals bei ihren Besuchen nicht leicht gemacht. Die adrette Königstochter erinnerte sich mit einem Schmunzeln, dass sie Ornella damals Streiche gespielt hatte, ihre Haarfärbemittel mit Dreck ausgetauscht, ihr sogar Essensreste ins Bett gelegt hatte. Ob die Herrscherin der nördlichen Insel dies bereits vergessen hatte?

„Ornella“, sprach Harkenia und lächelte ihr ein weiteres Mal aus seinen stolzen Gesichtszügen entgegen. „Ich habe vom Tode Oreduns II. gehört. Von meiner Seite ein herzliches Beileid, ich hoffe, unsere Briefe und Aufwartungen haben Euch erreicht.“

Lady Ornella senkte den Kopf als Bestätigung und wippte zögerlich, sodass die aus Haar geflochtene Krone auf ihrem Kopf wackelte. Sie faltete ihre Hände und schien für einen Augenblick benommen. „Ja, Eure Anteilnahme erreichte mein Haus“, sprach sie klar und schickte dem König einen tiefgehenden Blick. „Mein Gemahl ist im Kampfe gefallen, so wie er es sich wünschte, wie er es als Krieger der Hylianer verdient hat. Kein anderer Tod hätte uns allen die Genugtuung bringen und ein Loslassen ermöglichen können wie jener.“

„Und vielleicht kann die Zeit hier Euch wieder ein Lächeln auf das Gesicht zaubern, Ornella“, setzte der König hinzu, verbeugte sich noch einmal vor dem stolzen Antlitz der Adligen und küsste ihre rechte Hand.

„Das wäre mein Wunsch“, sprach sie und trat neben den König, blickte schließlich wieder zu der riesigen mehrstöckigen Kutsche, wo ein junger Bursche, der in etwa Zeldas Alter hatte, schwungvoll heraussprang. Die junge Königstochter heftete ihre kristallblauen Augen neugierig und interessiert zu dem Jungen, der sportlich und agil wirkte. Trotz schwarzbemaltem Brustpanzer mit weißem Silberschneehirsch, hellen Schulterplatten, Beinschonern und Waffenrock aus schwerem Stahl bewegte er sich locker und flink, genoss das Spiel von durchtrainierten Muskeln unter seinem silbernen Wams und musste auch in der Kampfkunst sehr begnadet sein. Ein langes Schwert mit Edelsteinen besetztem Griff trug er vorbereitend an seiner Hüfte. Und ansehnlich war der junge Mann ebenfalls. Zelda schluckte etwas, spürte eine leichte Aufregung und Unruhe, war es lange her, dass sie beim Anblick eines jungen Mannes verlegen wurde. Aber dieser Morganiell, und Zelda ahnte, wie sein Vorname war, hatte etwas an sich, das sie entgegen ihres Willens beeindruckte. Flink und grinsend bewegte er sich über den Innenhof, winkte dem Volk zu, ließ die Töchter der Ritter am Hofe dahin schmelzen mit Augen, die wie Lichter aus einer anderen Zeit, silbern mit einem weißen Ring und messerscharf, funkelten. Dunkles, leicht lila gesträhntes Haar spielte im kühlen Winterwind, schulterlanges Haar, das er am Hinterkopf zu einem Zopf verbunden hatte. Und da fiel es der Prinzessin wie Schuppen von den Augen, warum er auf sie wirkte, warum sein verspielt wirkendes Erscheinungsbild diese Übermacht besaß ihr eine Gänsehaut über den Rücken zu schicken. Wäre sein Haar blond und wären seine Augen blau… würde sein Erscheinungsbild und seine athletische Art und Weise sich zu bewegen sie noch mehr an ihren damaligen Helden der Zeit erinnern…

Sie verzog ihr hübsches Gesicht, als mit dem Gedanken an Link alle Wunden in ihrem Inneren wieder aufbrachen. Sie presste die Hände auf die Brust, als eine Stütze die aufkommenden Tränen wegzudrücken. Zwanghaft versuchte sie zu lächeln, zuckte mit den feinen Muskeln in ihrem Gesicht, als sie dies tat.

In dem Augenblick stand der durchtrainierte Morganiell bereits vor ihr. Seine Haut war blass, aber straff, sein gepudertes Gesicht verbarg leichte Mitesser verschuldet der Pubertät. Und seinen dunklen Bart hatte er seit mindestens drei Tagen nicht rasiert. Ein männliches Parfum wedelte um Zeldas spitze Nase, roch eigenartigerweise südländisch nach fremdartigen Gewürzen, scharf und feurig. Er begrüßte sie gepflegt und seinem Stand entsprechend, aber mit einem mehr als charmanten Grinsen. Und dieses Grinsen behielt er bei, als er sich verbeugte und ihre Hand küsste. „Seid gegrüßt, edle Prinzessin der hylianischen Lande.“ Er zwinkerte, als er sich wieder aufrichtete, ahnend, dass seine leichte Flegelhaftigkeit eine verblüffende Wirkung bei Zelda erzielte.

„Ich grüße Euch ebenfalls, Oredun Morganiell, den III.“, entgegnete sie vorschriftsmäßig. Er nickte, legte eine von dunklen Lederhandschuhen bedeckte Hand auf seinen Brustpanzer und begann auch ihrem Vater seine Aufwartung zu machen. Er schien kurzangebunden, kaum Interesse an den Anwesenden zu tragen und als er ein weiteres Mal seine raue Stimme erhob, war alles, was er erfragte, zu wissen, wo sich die Kampfarena befand, wo er sein Schwert schärfen lassen konnte und ob sich einige Ritter als Übungsduellanten für ihn zur Verfügung stellen konnten. Ja, das war Oredun Morganiell und sein Ruf als Krieger, der kaum ein anderes Interesse als das an Waffen und Fechten besaß, eilte ihm weit voraus. Auch sein Vater Oredun II. war berüchtigt für seine Leidenschaft im Kämpfen. Eine Leidenschaft, die er teuer bezahlt hatte…

Mit einer raschen Verbeugung vor Harkenia stolzierte der Spross der Morganiells wieder zu der Kutsche und schien auf eine weitere Person zu warten. Er war keine drei Meter vor der Kutsche entfernt, als sich eine Peinlichkeit ausgehend von einer tollpatschigen, jungen Dame zutrug, die sich durch ihre unbeholfene Art ebenfalls einen erheiternden wenn auch weniger ruhmreichen Titel im Lande der Göttinnen gemacht hatte. Es war die Tochter von Ornella, die Erstgeborene, nur ein Jahr älter als ihr Bruder, die bemüht war sich auf ihren großen in schwarze Stöckelstiefel gepackten Füßen exakt und vorschriftsmäßig aus der Kutsche heraus zu bewegen. Sie heftete ihren Blick nach vorn zu ihrer Mutter und trat unbeholfen vorwärts, knickte auf einer Stufe der kleinen Treppe um und krachte donnernd zu Boden. Einige Ritter aus Hyladién lachten, waren dies wohl gewöhnt, aber keiner half ihr auf. Sie zögerte einen Moment, wimmerte leicht und kam so unbeholfen wie sie gefallen war kaum wieder auf die Beine.

„Bei Hylia, Schwester, kannst du deine Füße nicht benutzen wie andere Hylianer dies tun!“, schimpfte Oredun, hastete näher und wirkte nun keinesfalls mehr gelassen. Seine Schwester und ihre Unfähigkeit sich mit ihrem langen Körper elegant zu bewegen, schienen sein Blut wallen zu lassen. Sie war eine Morganiell. Und eine Morganiell hatte sich mit Grazie zu bewegen. Er half ihr auf die Beine zu kommen und schickte ihr einen eisigen Blick entgegen. Dann schüttelte er missbilligend den stolzen Kopf und begann sich mit einem der treuen hyladischen Ritter zu unterhalten.

Ophelia presste ihre Beine aneinander, als müsste sie dringend eine Toilette benutzen, wirkte schlaksig mit ihrer langen, zierlichen Gestalt und war rot wie eine Tomate in ihrem auffallend ebenmäßigen Gesicht. Sie war so schön wie ihre Mutter, besaß die gleichen schmalen, rosigen Lippen, die gleiche lange, gerade Nase und ebenfalls runde, kleine Augen von einer blassen verwaschenen blauen Farbe, aber von Charme und Eleganz keine Spur. Ihr blutrotes Gewand mit hohem Kragen, langen Trommelärmeln, das ebenfalls schwarze Stickereien als Verzierung besaß, war am langen Rock, wo eine etwas hellere in orangem Ton gehaltene Schürze angebracht war, durch ihren Sturz mit Schlammflecken besudelt. Hektisch versuchte Ophelia Morganiell den Dreck zu beseitigen, schaute hilflos zu ihrer Mutter, die standhaft nicht darauf reagierte. Sie winkte sie lediglich näher, sprach mit den kühlen Augen eine Aufforderung aus, sich vorzustellen.

„Mein König“, stotterte die junge Morganiell und zupfte sich an ihrem dunklen mit rosa Strähnen angefärbten Haar, das mit geflochtenen Zöpfen an ihrer kleinen Brust hinabfiel. „Ich möchte Euch ganz herzhaft…“, begann sie und brach rotwerdend ab. Sie dachte über ihre Worte nach, machte auch die Anwesenden auf ihren Sprachfehler aufmerksam und als die Runde aus Adligen zu lachen begann, wusste sie, wie peinlich ihre Worte klingen mussten. „Ich… ich begrüße Euch herzlich… Es ist mir eine Ehre den Kontinent Hyrules besuchen zu dürfen…“, rasselte sie herunter, konnte kaum so viel Mut aufbringen dem amtierenden Herrscher in die Augen zu schauen und biss sich auf ihre mit orangener Farbe bemalten Lippen.

„Es freut mich ebenfalls Eure Bekanntschaft zu machen, Ophelia“, sprach Harkenia und hielt dem jungen Ding seine rechte Hand entgegen. Zögerlich nahm das Mädchen jene an, verbeugte sich ungeschickt und küsste den Handrücken schmatzend.

Im ersten Moment schien Ophelia völlig vergessen, sich auch bei Hyrules Thronerbin vorzustellen, bis ihre Mutter sich energisch räusperte und ihrer Tochter einen ernsten, auffordernden Blick entgegenwarf.

„Oha… jaja…“, stammelte das Mädchen, trat vor Zelda, aber konnte auch der Thronfolgerin nicht in die schönen Augen schauen. Hastig verbeugte sie sich, brachte Worte über die Lippen, die kein Anwesender verstehen konnte und hetzte zurück an die sichere Seite ihrer Mutter.
 

Mit leichtem Unmut, sich aber vor zu schnellen Schlussfolgerungen bremsend, versuchte Zelda einen Blick in die Seele der jungen Morganiell zu werfen. Sie spürte Mitleid, bedacht, dass jenes nicht in Verachtung absank, aber hatte den Eindruck, das sie als Seelenleserin vor einer dunklen, schwarzen Wand stand, die es unmöglich machte, in Ophelias Inneres hineinzublicken. Das Mädchen musste etwas erfahren haben, das sie verändert hatte, das sie kurios wirken ließ, vielleicht ein Trauma, eine verhängnisvolle Erfahrung, oder sie wünschte schlichtweg nicht, dass ihr jemand zu nahe kam. Und aus diesen Erlebnissen, aus diesen Erfahrungen schöpften sich Unsicherheit, Trauer und Angst…

Weitere Gäste stellten sich vor, darunter wenige Minister und Ritter. Der bedeutendste Ritter aus Hyladién, über den Kinder bereits großartige Geschichten in ihren jungen Köpfen hatten, war Sir Lowena, ein stolzer, starker Mann mit langem, weißen Haar, das er unter seiner Rüstung versteckte. Er war ein halber Hüne, so groß, dass er selbst dem König von Hyrule, der stattlich und hochgewachsen war, auf den Kopf spucken konnte. Seine Bekanntheit wuchs durch die Schlacht an der Meerenge vor Hyladién, wo er es gewesen sein soll, der als einzelner Krieger die Brücke bewacht und eine Armee von Untoten abgewehrt haben soll. Seitdem beherbergte er als Belohnung für seinen Einsatz den größten Silberschneehirsch, der jemals von den Meisterzüchtern erschaffen worden war. Und jener war sein Ross, sein Eigentum, seine Familie.

Auch Zelda bewunderte jenes riesige Ross, streichelte verzückt über dessen schlanken Hals und spürte das samtig weiche, kurze Fell unter ihren kühlen Händen. Sie fühlte Beständigkeit und Stärke mit süßer Gewissheit, sah für einen kurzen Moment sich selbst auf einem dieser Wesen reiten, fühlte das Auflodern von einer Erfahrung, die älter war als diese Welt… und doch konnte sie das Bild kaum festhalten oder verstehen. Sie konnte nur zusehen, wie ihre Fähigkeit der Vorsehung durch ihre Finger sickerte…
 

Im prallgefüllten Innenhof loderten die ersten Fackeln wild, ließen Schatten tanzten und auch Musik erklang. Flöten erhoben sich zwischen Geigen und Trommeln, vereinigten sich mit den Gesängen eines hylianischen Chores. Anmutig war sie die Melodie, die den Innenhof erfüllte wie ein Zauber, der die vielen Kristalle mit einem Wettspiel der brennen Fackeln zum Funkeln brachte. Einiges wurde mit den Rittern und Adligen diskutiert, so manches wurde berichtet, und annähernd eine Stunde stand Hyrules Adel mit seinen Gästen außerhalb. Viele tanzten. Viele diskutierten eifrig und es schien, als sprühte diese besondere Nacht vor Entzückung Funken. Eine aufheizende Stimmung lag in der Menge und so manche traurige Seele war bereichert. So mancher Hylianer ließ sich von dem Abend verwandeln.

Nur die Prinzessin Hyrules blieb bekümmert. Sie spürte ihre Zeit dahin rennen, wo sie sich doch um andere Angelegenheiten viel dringender kümmern musste. Sie seufzte, fühlte sich erschöpft und beobachtete die silbernen Rösser mit ihren klingenden Hufen in verschiedenen Stallungen verschwinden, als ihr eine Idee kam. Mit einem hoffenden Lächeln, endlich etwas Ruhe zu finden, einen Ort aufzusuchen, der ihre Kraftreserven auffüllen würde, bat Zelda ihren Vater kurz um ein Ohr.

„Erlaubst du mir die nächsten Tage auszureiten?“, sprach sie inständig, wollte ihn nicht noch mehr belasten und entschied ihm dies mitzuteilen, obwohl sie unter anderen Umständen wohl einfach ohne zu fragen aus dem Schloss verschwunden wäre… wie üblich…

„Jetzt, wo wir unseren Besuch haben, Zelda? Ich hatte gehofft, du würdest Gefallen an einem Gespräch mit den Morganiells finden.“

„Das ist nicht der Grund. Ich habe etwas zu erledigen, Vater“, betonte sie mit Nachdruck.

„Ich weiß, dass ich dich kaum an deinem Abenteuersinn hindern kann. Aber seit dem Angriff in den Schlossgärten wünsche ich nicht, dass du ohne Begleitung die Schlossmauern verlässt. Es ist zu deinem eigenen Schutz, Liebes.“ Seine saphirblauen Augen schillerten im Licht der Verwunderung und der Sorge.

„Ich weiß, Vater.“ Aber ein schelmischer Gedanke, dass sie auch die letzten Tage das Schloss ab und an verlassen hatte, brodelte in Zelda und ließ sie trotz ihrer Erschöpfung und beginnenden Kopfschmerzen etwas grinsen.

„Und der Zeitpunkt ist ungünstig.“ Harkenia zupfte sich nachdenklich am Kinnbart.

„Auch das ist mir klar… aber…“ Und dann seufzte sie. Sie fühlte sich in der Zwickmühle. Sie konnte ihrem Vater kaum erklären, dass sie Ruhe brauchte, weil sie ihre Pflichten nicht mehr schaffte. Sie konnte ihm kaum erklären, dass sie sich von ihrem wertvollsten Freund enttäuscht und verraten fühlte…

„Aber ich würde dies begrüßen“, mischte sich Ophelia Morganiell ein, die mit halbem Ohr zugehört hatte. Der rote, warme Herzbeerenwein, der ausgeschenkt wurde, und ein Glas davon, welches ihre Mutter erlaubt hatte, schien ihren Gaumen zum Vibrieren gebracht und ihre Hemmungen geschmolzen zu haben. Ihre Wangen waren rot und ihr Mund redefreudig. „Ich bin zwar nicht so gut im Reiten, aber zum Glück noch nicht vom Pferd gefallen, wo ich doch sonst nicht so geschickt bin…“, sprach sie. Und noch ehe Harkenia erneut das Wort erheben konnte, sprach Ophelia munter weiter. „Vielleicht könnte Zelda mir die Landschaft um das Schloss zeigen. Das würde mir sehr gefallen. Ich bitte Euch, mein König.“ Einmal mehr öffnete der König seinen Mund, wurde aber im selben Moment von der Morganiell überfahren. „Es wäre doch die Gelegenheit für mich Hyrule zu sehen, und wenn ich dadurch Zelda etwas besser kennenlernen kann, ist das doch ebenfalls erfreulich. Versteht Ihr, mein Lord?“ Die Unsicherheit der jungen Morganiell und der süße Rausch des Alkohols schienen ihr ein so rasches Mundwerk verliehen zu haben, dass sie kaum mehr wahrnahm, wie sie andere damit überforderte.

Zelda zwinkerte verdattert und war davon nicht ansatzweise so begeistert wie sie ihre Gestik und Mimik für eine wünschenswerte Reaktion zurechtrückte.

„Jaja, tut dies!“, sprach der König wie aus der Pistole geschossen, hoffend, er könnte Ophelias Redeschwall beenden. „Aber nicht ohne ritterliche Begleitung.“

„Sir Lowena könnte uns begleiten. Ich werde ihn darüber unterrichten“, sprach Ophelia ohne Pausen zu machen. Und noch ehe Zelda ihren Unmut über die Situation ausdrücken konnte, war die junge Morganiell schon wieder verschwunden. Die erschöpfte Königstochter fuhr sich über ihre Stirn, seufzte und konnte den Gedanken kaum ertragen, sich um ein weiteres Anhängsel kümmern zu müssen. Ein weiterer Energievampir und erneut hatte sie keine Wahl…
 

Und dann in den nächsten Minuten traten Harkenia im Schutze seiner Ritter, sowie seine Gäste Ornella, Ophelia und Oredun Morganiell mit ihrem Hausstand durch den von sanftem Abendschein, funkelnden Lichtern und brennenden Fackeln erleuchteten Innenhof in Richtung des größten Burgtors des Schlosses. Mit feiner Unterhaltung schien der König abgelenkt und entspannt zu sein, bemerkte nicht, dass seine Tochter mit schweren Gesichtszügen stehen blieb und tief durchatmend im Innenhof verweilte. Sie richtete ihr Haupt gen Norden, wurde ein sinnierender Zeuge der vielen Funken hochschießendem Feuers, gedachte der Zukunft, gedachte der Vergangenheit, bis eine heiße Träne sich über ihrer rechten Wange perlte.

„Eine so wunderschöne Lady sollte niemals so traurig dreinblicken wie Ihr dies tut, Prinzessin…“, sprach eine ausdrucksvolle, tiefe Stimme anschwellend. Es war Sir Lowena, der inzwischen seinen schweren Stahlhelm abgenommen hatte und sein mit etlichen Narben übersätes Gesicht von der frischen Abendluft benetzen ließ. Er hatte ein gutmütiges Grinsen, obwohl er mit seinem dunklen Teint, den vielen Narben, bedrohlich wirkte. Die Schatten der flinken Flammen, die sich in seinem Gesicht spiegelten, trugen ebenso zu seiner gefährlichen Maskerade bei.

„Ich…“, seufzte sie und schloss den inneren Widerstand verlierend die Augen. Wozu sollte sie sich rechtfertigen und wozu sollte sie erneut eine glückliche Fassade aufsetzen? Auch das kostete sie gerade zu viel Kraft…

„Ich hoffe, es ist nicht wegen einem Mann“, bemerkte Sir Lowena. „Keine so anmutige Person wie Ihr sollte wegen einem Mann Tränen vergießen.“

„Und wenn es ein besonderer Mann ist…“

„Auch dann nicht. Kein Hylianer ist es wert, dass man für denjenigen Qualen und Schmerzen durchmacht.“

Skeptisch hob Zelda eine Augenbraue, fand den Gedanken von Sir Lowena auf eine Art düster und abscheulich. „Meint Ihr dies tatsächlich?“, erwiderte sie spitz.

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es keiner und keine jemals wert waren um sie zu weinen…“, sprach er fest. „Was immer dieser besondere Mann tut, er scheint nicht zu verstehen, dass er Wunden hinterlässt an einem Herzen, das viel zu kostbar ist um vernarbt zu sein.“

Auf diese Worte hob Zelda ihr schönes, wenn auch trauriges Gesicht nach oben, traf mit ihren blauen die ebenfalls blauen Augen des stolzen Ritters und fand Besänftigung, Trost und Anteilnahme darin. „Und wenn dieser besondere Jemand auch um die besondere Frau weint… wenn beide dies tun?“

„So etwas… scheint dann wahre Liebe zu sein.“

„Ja, so scheint es…“, schluckte sie und ärgerte sich über ihre eigene Rührseligkeit. Warum nur hatte sie mit diesem erwachsenen Mann auf diese vertraute Weise gesprochen? War sie mittlerweile völlig neben sich? Erst verlor sie ihre Fähigkeiten, dann versagten ihr Temperament und ihr Dickkopf und schließlich holte sie sich Trost bei einem ihr fremden Ritter? Sie verwandelte sich in etwas, das sie gerade sehr erschreckte. Sie konnte nicht so weiter machen, zumindest das, sagte ihr einstiger Sturschädel noch. Und sie wusste auch, was sie tun würde. Sie brauchte Abstand von all diesem Chaos des Schlosslebens. Sie brauchte etwas Glück und sie wusste auch, wo sie sich das holen würde… Sie brauchte Link…

Mit einem entschlossenen Lächeln begegnete sie ein weiteres Mal dem gutmütigen Grinsen des Ritters aus Hyladién. Er wirkte überrascht, als Zelda plötzlich schmunzelte. „Ihr habt mich auf eine Idee gebracht, Sir Lowena“, sprach sie erheitert. „Habt Dank!“

Er nickte wortlos, verbeugte sich und behielt sein verblüfftes Grinsen bei, als Zelda in Windeseile durch den Haupteingang des Schlosses stürmte.
 

„Verzeih‘, dass ich jetzt erst frage, aber wie war Eure Fahrt hierher, Ornella? Ihr müsst erschöpft sein“, sprach der König wenig später in dem kleinsten der vielen Speisesäle des Schlosses. Eine gemütliche Atmosphäre regierte dort, wo ein großer Kamin Wärme spendete und den Speiseraum, der nur für kleinere Gesellschaften ausgelegt war, erhellte. Der Saal war winterlich geschmückt worden. Wenige Kristalle am Kronleuchter, am Tischschmuck und an den Wänden funkelten, brachen das Licht der riesigen weißen Standkerzen. Und eine Tafel aus weißem Holz, wo lediglich acht Personen Platz nehmen konnten, verschönerte den Innenraum. Riesige silberne Gardienen schmückten den Raum zusätzlich und eine Karte von Hyrules Kontinent, wo auch das nördlich liegende Hyladién aufgezeichnet war, hing über der Wärmequelle.

Lediglich Harkenia und Ornella Morganiell befanden sich in dem geschmackvoll eingerichteten Raum, saßen gemütlich am Tisch und pflegten ihre Konversation.

„Mein König, die Fahrt hierher war erfrischend, würde ich sagen“, schmunzelte Ornella erheitert. Sie strich sich eine dunkle Strähne ihres Haares, das sich aus ihrer aufwendigen Frisur gelöst hatte, nach hinten und lächelte ihrem Gastgeber entgegen. „Es war ein wunderbares Erlebnis Hyrule nach all der Zeit wiederzusehen“, setzte sie höflich hinzu. Ihr geheimnisvoller Blick fiel von Harkenia zu den wenigen Soldaten, die an dem doppeltürigen Eingang Wache hielten.

„Dies zeigt Eure Liebe und Hingabe Hyrule gegenüber“, meinte der König sanft. Unter seinem grauen Bart, der den Bereich unter seiner Nase mit seinem Kinn verband, war ein erfreutes Lächeln erkennbar. „Ihr habt Hyrule vermisst, schätze ich.“

„Das ist in der Tat der Fall, ich habe Hyrules weite Steppen und tiefe Täler vermisst, die Wärme des Südens…“, sprach sie nickend. Ihr Blick blieb bei den stummen Wachposten haften. „Ich hoffe doch sehr, dass Eure Wachen an das Gelübde des Schweigens gebunden sind.“ Eine Sorge und leichtes Misstrauen nahm von Seiten Ornella den Raum ein, überdeckte die angenehme Ruhe und das Knacken des Feuers.

„Ich bitte Euch, Ornella. Natürlich ist das Leben von ihnen an das Schweigen gebunden. Sorgt Euch nicht“, sagte der Herrscher des Landes mit sicherer Stimme.

„Entschuldige, ich bin erschöpft und hungrig. Ich zweifle nicht an der Treue Eurer Soldaten.“

„Aber ihr seid dennoch besorgt?“ Harkenias saphirblaue Augen funkelten mit der gleichen raffinierten Schläue wie jene Zeldas in vielen Situationen vorher.

„Seit dem Tod meines Mannes, ja“, entgegnete sie seufzend, umfasste mit ihren beiden in sanfte dunkle Lederhandschuhe gepackte Hände die große Rechte des Königs und drückte diese leicht. „Sein Tod hat mein Haus in große Unruhe geschickt und uns Hyladiérn ein gesundes Misstrauen in die Gemüter gelegt“, erklärte sie. „Ophelia ist seit seinem Tod völlig verändert.“

„Erzählt mir mehr von Ophelia“, sprach Harkenia mit Mitgefühl in seiner tiefen Stimme.

Ornella entging nicht die Form der Zuneigung in den blauen Augen des Königs und ihr entging nicht das Wohlgefallen ihres Händedrucks. „Ophelia ist eigentlich ein sehr liebes Mädchen, sie war auch sehr talentiert, spielte das Spinett außergewöhnlich gut, war begabt in vielerlei Dingen wie dem Tanzen und im Anfertigen feiner Handarbeiten. Sie war zurückhaltend, bezaubernd und höflich, edel wie eine Morganiell. Aber seit Oreduns Tod begann sie sich seltsam zu benehmen, wurde schusselig und tollpatschig. Es stimmt mich trübsinnig zu sehen wie ihre anmutige Art verfällt…“

„Das bedauere ich sehr, Ornella. Es ist nicht viel bekannt über die Umstände von Oreduns Tod, nicht wahr?“

Die Adlige der fernen nördlichen Insel senkte den Kopf und ihre Augen schimmerten wie hellblaues Glas. „Ophelia ist mit ihm auf ihren Silberschneehirschen ausgeritten, als es passierte… man sprach von einem Angriff von Dämonen, obwohl meine ergebensten Ritter keine Spur finden konnten. Es scheint, als hätte sich jene schändliche Brut einfach in Luft aufgelöst. Mein Gemahl war der beste Krieger von Hyladién, es ist schlichtweg unmöglich, dass er so leicht besiegt werden konnte und keine Opfer auf der Seite der Dämonen zurückgeblieben sind. Keine Blutspuren. Keine Leichen, nur Fragen und Melancholie blieben zurück…“

„Ihr habt mein Mitgefühl, Ornella.“

Sie nickte entzückt, lächelte geheimnisvoll und traurig wie vorher auch. „Ophelia redet bis heute nicht darüber, sie war ohne Verletzung. Auch die Leiche meines Gemahls war beinahe ohne Harm, lediglich sein geliebter Ohrring fehlte…“

„War an jenem etwas Besonderes?“ Eine sonderbare Aufregung glich dem König auf das starke, straffe Gesicht.

„Nun, nicht dass ich wüsste“, entgegnete die Morganiell. „Der Ohrring war ein Erbstück, soweit ich erinnere und jener bestand aus einem teurem, sehr seltenem Material, aber enthielt keine Edelsteine.“

„Es war also nicht wegen jenem Schmuck, dass er attackiert wurde?“

„Nein, wohl kaum“, sprach sie sicher. „Es würde mich verwundern.“

Harkenia seufzte, behielt seinen leisen Verdacht für sich. Er erhob sich, stolzierte mit klappernden Beinschonern und Schulterplatten zu der Karte des hylianischen Königsreichs. Ornellas Worte stimmten ihn nachdenklich, schickten eine Brise eisige Warnung über seine fünfzig Jahre alten Schultern. In Hyrules gab es für alle Ereignisse ein Schicksal, eine mehr oder weniger wertvolle Ursache. Und in dem Strudel der göttlichen Geschehnisse war es oftmals schwierig das Ruder zu behalten, wo das winzige Boot durch die Irrfahrt des Lebens kentern konnte. Harkenia von Hyrule hatte das Ruder immer festgehalten, hatte immer an sein Land gedacht und daran, wie Sicherheit und Frieden erhalten bleiben konnten. Und dafür liebte ihn das Volk abgöttisch. Seit sein Bruder vor fünfzehn Jahren fiel, regierte er das Land mit Weitsicht und Hingabe, ließ das Königreich blühen. Und nichts war Harkenias geschultem Auge entgangen, nur die Warnung seiner Tochter bezüglich der Gerudos, jene hatte er vor wenigen Jahren nicht wahrhaben wollen. Und diese Erinnerung fühlte sich bitter in seinem Herzen an, stieß ihm übel auf. Es wäre töricht von ihm den Mord an einem herrschenden Adligen wie Oredun Morganiell nicht ernst zu nehmen. Und Harkenia hatte in Unkenntnis von Ornella bereits vor vielen Wochen Nachforschungen angestellt, hatte sich über den merkwürdigen Ohrring, der gestohlen wurde, informiert. Harkenias Augen beobachteten wie ein starker Adler die Geschehnisse von weitem…
 

„Und was ist mit Eurer Tochter? Ihr wünscht, dass sie in die Mädchenschule kommt, genauso wie Oredun in der Ritterschule der Söhne des Schicksals unterwiesen werden soll?“, entgegnete er, ließ seinen Blick währenddessen über die ockerfarbene Karte Hyrules schweifen, bis er schwermütig einen nördlichen Punkt in der Provinz Lanayru fokussierte.

„Ja, das ist meine Absicht. Ophelia könnte sich ihres Selbst erinnern an einem Platz wie diesem. Und mein Sohn ist ohnehin bestens aufgehoben an einem Platz, wo er trainieren kann.“ Sie schmunzelte ein wenig. Und das leichte Lächeln in ihrem schmalen, langen Gesicht trug zu der natürlichen Schönheit Lady Morganiells bei. Harkenia mochte ihr stilles Lächeln, hatte sich mit einem angenehmen Gefühl in seinem Herzen an jenes erinnert und war froh, dass es noch vorhanden war.

„Er ist außergewöhnlich begabt, das hörte ich von Reisenden“, meinte der Herrscher neugierig.

„Nicht nur das, er hat eine besondere Gewandtheit mit der Klinge. Sein Stil ist scharf und tödlich. Und die meisten machen den Fehler ihn aufgrund seines Alters zu unterschätzen, was zu deren Niederlage führt. Wenn Ihr mich fragt, ist Oredun ein Anwärter auf einen Heldentitel.“

Harkenia klatschte begeistert in die Hände und nahm wieder an der Spitze der Tafel Platz. „Dann wird er die Ritterschule mit seinem Talent bereichern können wie es andere vor ihm bereits getan haben. Hyrules Ritter waren immer stark und tapfer, bereit für unseren wertvollen Kontinent zu kämpfen.“ Der König und sein Gast lächelten einander mit Verständnis entgegen. Es hatte zwischen der Königsfamilie und dem Haus der Morganiells immer ein starkes Band bestanden, eine tiefe Freundschaft, die gesegnet war mit Ehrlichkeit und Vertrauen. Und beide Anwesende spürten dieses Band gerade aufleben.

„Und was ist mit Eurer Tochter, Harkenia. Ist sie geeignet für den Thron?“, sprach Ornella wissbegierig. „Ich hoffe, Ihr entschuldigt meine Neugier. Aber die Prinzessin Hyrules ist nun mal in aller Munde und wenn sie den Thron erben sollte, dann betrifft das auch Hyladién, unsere Bündnisse und wirtschaftlichen Verpflichtungen.“

Er nickte und hob bestätigend seine rechte Hand. „Ich verstehe, worauf Ihr hinauswollt, aber ich versichere Euch. Zelda ist das Beste, was Hyrule jemals haben kann, vorausschauend, tapfer, stark und weise. Wenn die Legenden wahr sind, dass im Königshaus göttliches Blut fließt, würde ich jeder Zeit meine Hand ins Feuer legen dafür, dass meine Tochter dieses Blut besitzt.“

Ornella lächelte glattzüngig. „Dann braucht sie einen guten Gemahl, der ihr hilft ihre Fähigkeiten weiter auszubauen.“

Harkenias saphirblaue Augen blitzten mit Erstaunen auf. „Ihr denkt über eine Vermählung mit Oredun nach, nicht wahr?“

„Ist dies so offensichtlich?“ Ornella lehnte sich zurück und nippte von ihrem blutroten Wein, genoss den leicht feurigen Geschmack der mildscharfen Frucht der Herzbeerensorte, die in Hyladién nicht wuchs.

„Ja, allerdings“, lachte der König und lehnte sich mit dem Krug Wein in der Hand ebenfalls zurück. Er nahm einen herzhaften Schluck seines Getränks und grinste. „Ihr habt Euch wie mir berichtet wurde kaum verändert.“

„Soso…“, sprach sie amüsiert. „Ist dies ein Kompliment oder eine bloße Feststellung, ich hoffe auf ersteres.“

„Einer bezaubernden Lady wie Euch sollte man niemals mit einfachen Feststellungen begegnen.“

Sie schwieg darauf, lächelte in sich hinein und schloss sinnierend die Augen.

„Aber, was meine Tochter betrifft, ich werde niemals von ihr verlangen aus Pflichtgefühl Hyrule gegenüber einer Eheschließung einzuwilligen, welcher ihr Herz nicht ebenfalls zugeneigt ist.“

„Ich verstehe, Ihr möchtet Ihr dies selbst überlassen?“

„Zelda hat beinahe göttliche Gaben. Sie wird alleine entscheiden, mit wem sie das ewige Bündnis eingeht.“

Ornella strich sich über die aufwendige Blütenzeichnung auf ihrer rechten Wange, spürte die Magie des Symbols, das einen Schutzzauber darstellte, vibrieren, während ihr sanftes Gesicht mit Kummer bedeckt wurde. „Ganz anders als es damals bei uns war… Wir konnten nicht für uns selbst entscheiden.“

„Ornella…“

„Verzeiht mir, ich wollte nicht rührselig werden…“, brach sie ab. Mit einem auffälligen Zwinkern wechselte sie das Thema. „Aber sagt, stimmt es denn, was man sich im Hause Hyladiéns erzählt? Zelda und der sogenannte Held der Zeit pflegen ein inniges Band, aus dem Liebe entstanden ist?“

Die dunkelblonden Augenbrauen des Königs hoben sich kritisch. „Nun, das sind Gerüchte im Volk. Der Held bekommt die Prinzessin wie in den Märchen, die wir als Kinder so bewunderten. Ein wünschenswerter Irrsinn im Volk. Letztlich betrifft auch dies nur meine Tochter.“ Harkenia zupfte sich am Bart, wusste ja, dass hinter Zeldas Zuneigung zu dem Heroen mehr steckte als bloßes Getratsche im Volk, aber er würde dies kaum zur Sprache bringen, und erst recht nicht vor Ornella.

Die Adlige der nördlichen Insel hielt sich verlegen eine Hand vor den mit oranger Farbe bemalten Mund. „Ein feiner Irrsinn des Volkes, wenn man bedenkt, dass die Identität des Helden nach wie vor anonym ist. Kaum jemand kennt sein wahres Gesicht, ist dem nicht so?“

„Ja, das ist korrekt.“

„Und welchen Beweis könnte dieser jemand erbringen der Held der Legende zu sein? Mehr als ein Fragment scheint es nicht zu sein, nicht wahr?“

Der König seufzte. „Ich ahne, Ihr seht diesem Kämpfer mit einer sehr misstrauischen Haltung entgegen?“

Ornella stützte beide Hände gewagt und ihre Missgunst andeutend auf dem Tisch ab. „Sollte ich nicht? Jeder könnte der Held der Zeit sein und jeder könnte damit ein falsches Spielchen treiben.“

„Ich versichere, der wahre Held der Zeit würde alles tun um Hyrule und seine Völker zu unterstützten. Ich wäre bereit in jeder Angelegenheit hinter ihm zu stehen, so wie meine Vorfahren hinter den legendären Helden standen.“

„Dem widerspreche ich auch nicht, mein König“, sprach sie beflissen. „Aber könnte nicht jeder behaupten dieser Held zu sein? Ich zweifle nicht an der Legende, wohl aber an der Identität des Helden der Zeit. Mir wurde berichtet, er wäre ein scheinbar unauffälliger, schwach wirkender Jüngling. Es gibt Zweifel von vielen Seiten. Hast du nie in Frage gestellt, dass der von dem Ihr glaubt der Held zu sein, tatsächlich der eine Held ist?“

Harkenia schüttelte seinen mit goldener Krone geschmückten graublonden Kopf. Sein Tonfall wurde missmutig. „Nein, natürlich nicht. Ich verließ mich immer auf das Wort meiner Tochter und ich habe andere Gründe, die ich nicht darlegen werde.“

„Natürlich…“, meinte die Morganiell erneut scharfzüngig. „Erlaubt mir die Bemerkung, aber Zelda wirkt, ehrlich gesagt, sehr mitgenommen und erschöpft… anders als der Wirbelwind, den ich von damals noch in Erinnerung hatte.“ Sie blickte schräg in das wildsprudelnde Feuer des Kamins, verbot sich weitere Worte, war es doch nicht ihr Recht sich darüber zu mokieren. Sie erhob sich träge, tapste zu der Karte des hylianischen Kontinents und verschränkte die Arme. Auch Harkenia erhob sich, suchte ihren Blick und nahm ihre Hände in seine. „Es ist auch Euch aufgefallen…“, entgegnete er.

„Verzeiht mir, Harkenia. Ich wollte Euch nicht beunruhigen. Aber ich habe mehr von Eurer Tochter erwartet, sehe aber vor mir ein zerbrechliches, trübsinniges Mädchen. Sie wirkt nicht wie die stolze, starke Thronerbin, die Hyrule so abgöttisch liebt.“

Der König runzelte die Stirn, seufzte und weitere Sorgenfalten erhoben sich auf seiner Stirn. Er hatte es gemerkt, natürlich hatte er das. Ihm war nicht entgangen, dass seine Tochter in letzter Zeit neben sich stand, ihre Stärke eingebüßt hatte. Er wusste, dass sie sich viel aufgebürdet hatte, dass sie sich sorgte, vor allem um den Helden der Legende, der ihrem Herzen sehr nah gekommen war. Aber Harkenia war auch davon überzeugt, dass seine Tochter in der Lage war ihre Kräfte zu stärken, wenn es darauf ankam. Zelda war trotz ihrer Erschöpfung eine unheimlich starke, eigensinnige und kämpferische Seele.

„Ornella, unterschätzt sie nicht. Womöglich hat sie sich viele Aufgaben aufgebürdet in den letzten Wochen, hat darin ihre Stärke investieren müssen, aber sie spielt niemals mit falschen Karten. Zelda ist sehr raffiniert, weiß um die Geschicke der Welt besser als jemand sonst. Was nun wohl geschehen muss, ist, so scheint mir, dass sie ihre Pflichten einige Tage zur Seite schiebt und Erholung findet.“ Der König lächelte und führte seinen Gast zurück zu ihrem Sitzplatz. „Genauso wie man Euren Sohn nicht unterschätzen sollte, solltet Ihr sie nicht unterschätzen. Ihr wärt überrascht, wenn Ihr wüsstet, wozu sie fähig ist.“ Ornella nickte mit Genugtuung in ihrer Mimik, nahm Platz und nippte erneut an ihrem mundigen Wein.
 

In dem Augenblick erklangen von außen klappernde Geräusche. Mehrere Stiefel und Stöckelschuhe klirrten auf den gewienerten Bodenplatten aus Marmor, kündigten das Erscheinen weiterer Gäste an. Als die doppelwandige Tür geöffnet wurde, traten im Schutze der Ritter McDawn, Sorman und Lowena die Prinzessin Hyrules in den Speiseraum und hinter ihr folgend die unbeholfene Ophelia Morganiell eingehängt in den Arm ihres Bruders Oredun. Die Kinder der Herrschenden nahmen ebenfalls an der Tafel Platz, während die Ritter an den Seitenwänden Wachposten einnahmen. Schließlich brachten zwei Mägde und die Köchin Maia, die seit dreißig Jahren die Mäuler des Königshauses versorgte, Spezialitäten der hylianischen Küche. Auf einem kleinen Wagen waren seltene Früchte aufgetafelt wie beispielsweise eine sehr energiespendende, betörend duftende Sorte der silbernen Herzbeeren, mit scharfen Gewürzen ummanteltes Gemüse und der feurige, aus den jungen Blättern der Donnerblume hergestellte Salat, den Hyladiér liebten. Die Bewohner der nördlichen Insel besaßen generell sehr eigenartige Vorlieben, was Gewürze und Braten betraf. Sie liebten gepökelte Speisen, mochten Fleisch, das vor Blut triefte und aßen Innereien, die zu Delikatessen verarbeitet wurden. Aus diesem Grunde hatte Maia die ungewöhnlichsten Speisen auf einem zweiten Essenwagen gepackt. Mit Hylanorflocken gebackene Leber, ein süßlicher Eintopf mit Gemüse und Innereien, die die Prinzessin nicht aussprechen wollte und blutiger Fisch. Ein wenig angewidert betrachtete sich Zelda die ungewöhnliche Mahlzeit, roch das frische, rosafarbene Blut in dem nur kurz gerösteten Seejabufisch, der mit Kräutern eingedeckt die Mitte der Tafel dekorierte.

Innerhalb kürzester Zeit war die gesamte weiße Tafel geschmückt, warmer Herzbeerenwein und Kräutertee eingeschenkt und das Küchenpersonal verschwand. So wie es der Sitte entsprach, bediente sich der König an der Spitze der Tafel als erster von dem Fischbraten und hob seinen goldenen Kelch in die Höhe, begrüßte noch einmal seine Gäste und ließ seine Freude über den Besuch mit geschmeidiger Stimme verlauten. „Speist mit mir, meine Gäste. Auf die Zukunft Hyrules und Hyladiéns.“

Entzückt nickte Ornella an seiner rechten Seite den Worten zu und blickte die ihr gegenüber sitzende Prinzessin der hylianischen Lande erneut begutachtend an. Ihr Lächeln war beflissen und herausfordernd, sendete der jungen Thronerbin Neugierde. Auch Ophelia, die an Ornellas Seite saß, kam nicht umher die Königstochter bewundernd anzustarren. Sie beobachtete, welche Gabel Zelda benutzte, wie sie ihr Weinglas hielt und welche Speisen sie aß. Die kokette Prinzessin war es gewohnt im Mittelpunkt zu stehen, aber schenkte ihren Beobachtern einen kühlen Blick und entschied dies zu ignorieren. Sie musterte interessiert Oredun, der neben ihr saß und als einziger nur sein Essen anstarrte.

Grinsend belud er seine Gabel mit dem blutigen Fischfilet, leckte sich die auffallend dunklen Lippen, als er es aß und spürte sofort, das Zelda ihn beobachtete. Er grinste, starrte mit seinen kühlen silbernen Augen zurück und hob sein Glas zu einem hyladischen Trinkspruch. „Auf die bezaubernden Ladys an unserem Tisch“, sprach er, erhielt dafür eine herabwürdigende Gestik im Gesicht seiner Mutter.

„Auch meine reizende Mutter ist damit gemeint“, entgegnete er scharfzüngig. Er ließ sich nichts gefallen, auch das war über ihn bekannt im Volk, und er war ein eingebildeter, selbstverliebter Neunmalkluger, so hieß es, obwohl sich die Prinzessin ihr eigenes Bild machen würde. „Mein König“, setzte er schleimend hinzu. „Eure Speisekarte ist wahrlich ein Genuss.“ Er nahm sich eine große Suppenschüssel von dem Eintopf aus Gemüse und Innereien, aß schmatzend und beinahe leidenschaftlich. Sein Adamsapfel hob sich auffallend, als er schluckte.

„Der Dank gilt Maia, unserer Köchin“, entgegnete Harkenia und lächelte in die Runde. Er hatte gehofft, der Abend würde herzlich und gemütlich werden und zumindest Oredun hatte einen Teil dazu beigetragen.

„Ihr habt Euch tatsächlich Mühe gemacht, dass sich Eure Küche an unseren Mahlzeiten orientiert, mir ist bewusst, dass die hyladische Küche nichts ist für verwöhnte und einfache Gemüter. Sie ist doch sehr speziell. Habt Dank, Harkenia“, sprach Ornella, um die Worte ihres Sohnes zu entschärfen. Der König nickte ihr entgegen.

„Ja, und unser Essen mag nicht jeder, nicht wahr?“ Ophelia erhob ihre Stimme auf eine piepsige Weise, wollte sich mit aller Gewalt am Gespräch beteiligen. „Es würde mich nicht wundern, wenn Eure Lordschaft das Essen nicht mag.“

Der König hob schlichtend seine Hände in die Höhe. „Es ist gut so, danke Ophelia.“

„Ich wette, Prinzessin Zelda traut sich nicht den Eintopf zu essen“, sprach sie herausfordernd und blickte erwartend in die überraschten Augen der Thronerbin.

„Bei Hylia, Schwester“, knurrte Oredun und legte sein Besteck zur Seite. „Bitte halte dich zurück.“

Etwas irritiert und eine leichte Nervosität spürend musterte die Prinzessin den Morganiell, der neben ihr saß. Es war in ihrem Leben sehr selten, dass jemand sie verteidigte. Und Oredun hatte seiner Schwester beinahe das Wort verboten. Sie stemmte interessiert ihre von samtenem Handschuh bedeckte Rechte an ihr Kinn, und fühlte sich innerlich das erste Mal seit langer Zeit wohl in der Gesellschaft von Jungen in ihrem Alter.

„Ich schätze, eine Thronerbin kann selbst für sich entscheiden“, schmeichelte der Morganiell und grinste ihr verschlagen entgegen. „Ist dem nicht so?“

Zelda nickte mit Genugtuung. Aber Ophelias Unterstellung würde sie dennoch nicht auf sich sitzen lassen. Zur Verwunderung aller Anwesenden nahm sie sich eine Schüssel, belud diese randvoll mit dem zwiespältigen Eintopf und aß, ihr Blickfeld in Richtung der jungen Morganiell gerichtet. Der Mund von Ophelia stand sperrangelweit auf, und sie spürte, dass sie sich nicht mit der Prinzessin messen konnte.

„Prinzessin, Ihr überrascht in jeglicher Hinsicht“, lachte Oredun. Er hatte ein prickelndes Lachen, das selbst Zelda, die sich immer kühl gab, die standhaft und erhaben wirkte, eine leichte Röte ins Gesicht brachte. Sie konnte sich kaum wehren, aber Oreduns charmante Art beeinflusste sie, erinnerte sie an das, was sie vermisste…
 

„Ich habe gehört in der Ritterschule haben sich einige seltsame Vorfälle ereignet“, meinte die Herrscherin der nördlichen Insel, um das Gespräch zu einem bedeutenderen Inhalt lenken. Sie richtete ihre blassen, blauen Augen mit einem vor Zuneigung strahlenden Leuchten zu den saphirblauen des Königs. Auch Zeldas himmelblaue Augen blitzten auf, als das Gespräch sich zu dem Thema Ritterschule bewegte. Seit Tagen hatte sie den Eindruck ihr Vater verschwieg ihr wichtige Inhalte.

„Nun, das ist leider korrekt, auch zu meinem Bedauern. Aber schließlich sind Dämonenangriffe keine Seltenheit in Hyrule. Wozu bilden wir unsere jungen Burschen auch sonst so gut aus?“, argumentierte der König sachlich und trank von seinem goldenen Kelch. Er hob den Kelch in Richtung der drei Ritter, die ihre Schwerter haltend im Raum standen.

„Ich kenne nur die Berichte von den Reisenden und unseren Boten“, begann Oredun wissbegierig. In seinen silbernen Augen glomm Aufregung und ein verbotener Durst nach dem Kampf. „An meine Ohren drang die Kunde von einem unauffälligen Ritterschüler, der eine heldenhafte Tat vollbracht, Dutzende Kreaturen in den Tod gelockt haben soll und dabei schwer verwundet wurde. Aber welche Dämonen haben den Angriff zu verantworten? Darüber war nichts bekannt.“

Fahl im Gesicht werdend starrte die Prinzessin ihrem Vater in dessen alte, wissende Augen und fühlte sich verhöhnt und vor den Kopf gestoßen. Nicht er, noch einer der Ritter haben ihr davon berichtet. Sie hatte von einen Angriff gehört, aber nichts darüber, dass ein einzelner Schüler daran beteiligt gewesen sein soll. Beschämenderweise war es Zelda außerdem entgangen ihre wissbegierigen Adleraugen zu nutzen und sich zu informieren. Sie verkrampfte sich und spürte erneut, dass die vielen Aufgaben über ihren Kopf wuchsen… Sie hatte in den letzten Tagen nur noch an die ,Dreizehn Schlüssel‘ gedacht und sich mit den beiden verborgenen Völkern verständigt…

Und als Harkenia den Blick seiner Tochter bemerkte, sanken seine Augen schuldbewusst nach unten. „Euch, Oredun, ist nichts bekannt, da wir selbst nichts darüber geäußert haben. Es wird demnächst eine Anhörung zu dem Thema stattfinden.“ Harkenia putzte sich die Essensreste von seinen Mundwinkeln und trank von seinem Herzbeerenwein, als hatte er noch nie etwas getrunken. Hastig schlürfte er das heiße Getränk hinab und versuchte das Gesprächsthema zu umzugehen.

„Vater“, sprach Zelda und ballte die Hände zu Fäusten. „Ist es das, was ich vermute?“ Zelda fixierte ihn, nagelte ihn fest mit ihren anklagenden, wissenden Augen, und eine Antwort musste er ihr ohnehin nicht mehr geben. Sie öffnete schwach ihren Mund und schloss die Augen um zu begreifen. Sie spürte es… in ihrem Herzen, in ihrer Seele. Sie spürte alles, was sie wissen musste. Es gab nur einen Ritterschüler, der mutig genug war sich für andere auf eine derartige Weise zu opfern… Sie schluchzte leise und schluckte den Schmerz und ihre Sorge um Link ihre Kehle hinab. Und es enttäuschte sie, dass ihr Vater ihr nichts gesagt hatte. Vielleicht hatte er noch ganz andere Dinge vor ihr verschwiegen…

Oredun bemerkte die traurige Stimmung, die sich wie ein grauer Schatten über das anmutige Gesicht der Prinzessin legte. „Andererseits“, meinte er aufheiternd und lehnte sich in den breiten Sessel zurück. „Habe ich auch gehört, dass keiner getötet wurde.“

„Das ist richtig… die Verwundeten wurden bereits versorgt, sparen wir uns dieses leidige Thema.“ Harkenia blickte mit seinen saphirblauen Augen schräg und zupfte sich am grauen Bart.

„Aber auch heute ist etwas Komisches passiert“, sprach Ophelia. Sie konnte ihren Mund nicht halten, bemerkte nicht, dass ihre Aussage unangebracht war. „Ich habe vorhin ein paar Ritter belauscht. Es soll ein Ritterschüler namens Mondrik Heagen verprügelt worden sein. Das ist nicht schlimm, aber unheimlich ist, dass er mit Blut das Wort ,Held‘ an die Wand geschrieben hat. Ist das nicht wahnsinnig?“ Die Ritter, allen voran Sir Lowena, seufzten zu jenen Worten.

Oredun Morganiell verdrehte seine Augen, räusperte sich auffällig und war es wohl leid seiner Schwester erneut über den Mund zu fahren.

„Liebes, das war unpassend“, sprach Ornella kühl und strich ihrer Tochter eine Strähne ihres dunklen Haares aus dem Gesicht. „Respektiere das daran geknüpfte Leid und die Schande, die dieser Junge aushalten muss. Es ist geschmacklos sich daran zu ergötzen.“

Beschämt starrte sie auf ihren vollgefüllten Teller und nickte. „Verzeiht bitte. Aber es ist doch furchterregend…“

„Das klingt beinahe so, als hätte ein Held in dieser Angelegenheit grausame Taten begangen“, bemerkte Oredun und beobachtete das Verhalten Zeldas dabei kritisch. Auch er kannte die Geschichten im Volk, das Gerede über die Prinzessin und den vergessenen Helden. Und wenn ihn etwas interessierte, dann ein Kampf gegen den angeblichen Helden der Zeit. Mit heimlicher Befriedigung sah der Morganiell die Prinzessin auf seine Worte anspringen. Ihre sanften Augen wurden bissig und aus ihrer Haltung sprach Angriffslust.

„Macht Euch das nicht stutzig, Prinzessin Zelda?“, sprach der Kämpfer.

Sie funkelte ihm mit ernüchternder Strenge entgegen, ließ sich nicht herausfordern, obwohl er das gerne erlebt hätte. „Nun, es wäre wohl vorschnell und dumm darüber ein Urteil zu fällen ohne entsprechende Anhörung der Beteiligten. Und warum auch sollte mich dieser Vorfall stutzig machen?“ Die Wahrheit jedoch war eine ganz andere, es machte sie misstrauisch, dass Mondrik Heagen, der schwächste Rittersohn an der ganzen Schule, einen solch fatalen Hinweis an die Wand malte. Und es trug nicht gerade dazu bei, die Anschuldigungen von Impa, die sich auf Links Verrat bezogen, zu entkräften…

„Wenn der Ritterbursche den Hinweis gibt, ein Held habe ihn zusammengeschlagen, könnte man wohl annehmen, es handle sich dabei um den einen Helden, dessen Identität nach wie vor streng gehütet wird.“

Zelda schloss die Augen, ließ sich ihre innere Wut nicht anmerken. „Sehr geschickt, Eure Kunst Puzzleteile zusammenzufügen. Die Wahrheit ist jedoch oftmals eine ganz andere.“ Sie sprach wie eine Herrscherin, standhaft und zweifellos.

„Wahrheit hat viele Gesichter. Es gab in Hyrules Geschichte schon öfter gute Männer, die ihre Ideale verraten haben… Helden können fallen“, argumentierte er.

Zeldas saphirblaue Augen leuchteten mit einem Feuer, das Oredun nicht erwartet hatte. Erschrocken wich er zurück, als die Thronerbin ihn kühl musterte. „Selbst Götter können fallen“, sprach sie trocken. „Macht Eure Hausaufgaben, Oredun, vorschnelle Schlussfolgerungen von jungen, unreifen Herrscherkindern brachten Hyrule nicht nur einmal in Gefahr. Und derartiges Denken über Prozesse in unserer Welt, wie Ihr es vermögt, kann gerade dazu führen, dass gute Menschen fallen.“ Zelda lächelte heimtückisch, als sie endete. Der Morganiell grinste ebenfalls und klatschte Respekt zollend in die Hände. „Ihr lasst Euch nicht provozieren, huch?“, sprach der Hyladiér.

Verschlagen antwortete sie: „Dafür braucht es weitaus mehr als die Beleidigung des Helden der Zeit.“

Er grübelte, kratzte sich an seinem Dreitagebart und vielleicht waren weitere Worte unangemessener als die Aussagen seiner Schwester, aber der Adlige aus dem Norden wusste auch, dass Zelda die gewollte Botschaft seiner Worte erkennen würde. Die Botschaft einer Herausforderung. Eigensinnig. Und berechnend.

Er lachte mit seiner prickelnden Stimme, löste die dunklen Haare aus dem Pferdeschwanz und griff nach Zeldas linker Hand. „Sagt, Prinzessin“, sein Händedruck war überraschend, aber nicht unangenehm. „Es ist doch gewöhnlich und richtig, dass Prinzessinnen den ganzen Tag nichts anderes tun als Sticken, geschwollen reden und Tanzen, nicht wahr?“ Er küsste ihre Hand. Erschrocken über diese Aussage verlor Sir Sorman im Hintergrund sein Schwert und ließ es zu Boden plumpsen. Er erwartete ein heftiges Donnerwetter, wusste jener Ritter nur zu gut, wie Hyrules Prinzessin in die Luft gehen konnte.

„Ihr irrt Euch gewaltig, junger Morganiell“, entgegnete sie amüsiert und blieb wider Erwarten kühl. „Das ist Klischee, nicht wahr? Dann könnte ich annehmen, Ihr tut genau das, was die meisten Prinzen den gesamten Tag tun.“

„Und das wäre?“

„Arme Tiere erschießen, Wein trinken und Röcken hinterher jagen.“

„Oh, ich versichere, dass ich keineswegs Röcken hinterher jage.“

Auf die Bemerkung blitzten nicht nur Ornellas Augen verräterisch auf, sondern auch die von Zelda. „Ich verstehe, Ihr interessiert Euch lediglich für Schwerter.“ Die Prinzessin grinste heimtückisch.

„Wie meint Ihr?“ Etwas nervös, Zelda könnte ihre Worte in einem anderen, seine Mutter verstörenden Licht geäußert haben, sah Oredun zu seinen blassen, langen Händen.

„Nun… Schwerter können eine Leidenschaft sein. Ich kann jedoch mindestens genauso gut mit einem Schwert umgehen wie Ihr!“, sprach die Königstochter ablenkend und beobachtete kritisch die Gestik des Morganiell. Sie wusste mit welchen Waffen sie wertvolle Informationen erhalten konnte.

„Ach, und bei welchem Lehrer wollt Ihr dies gelernt haben?“ Hilflos blickten sich die Ritter in der Runde um und trafen auf ein nervöses Grinsen des Königs.

Zelda lachte rechthaberisch. „Eine der letzten Shiekah war meine Trainerin und lasst Euch gesagt sein, dass Shiekah körperlichen Schmerz eher ertragen und Schnelligkeit viel besser beherrschen als wir Hylianer.“

„Eine Shiekah, das ist allerdings interessant.“

„Und nicht nur das“, sprach sie sicher. „Ich hatte wesentlich mehr Zeit meine Technik zu verfeinern, ich habe sieben Jahre länger gelebt als Ihr, Oredun.“

Er musterte sie mit einer versteckten Unsicherheit, bis er diese Warnung verstand. Als eine der wenigen hatte die Prinzessin des Schicksals Erinnerungen an die alternative Zeit. „Und ich bin der beste Krieger Hyladiéns. Jeder, der gegen mich das Schwert erhebt, ist töricht!“

„Wenn das so ist, dann will ich töricht sein. Tretet gegen mich an!“, zischte Zelda, wirkte wie die Rebellin, die sie war, ließ ihr Kämpferherz handeln und ihr göttliches Blut wallen. Und mit ihren Worten erhob sich der Hyladiér ebenfalls, stützte sich grinsend mit beiden Händen auf den Tisch und der kampfbereite Ehrgeiz wucherte in seinen silbernen Augen wie ein Gewächs der Magie.

Die Ritter und selbst der König, der Zeldas Dickkopf kannte, erstaunten. Ornella lächelte ängstlich und zuckte mit ihren Händen. Ophelia aber rutschte auf die Bemerkung von ihrem Platz, krallte sich die rechte Hand ihres Bruders und sprach flehend: „Bitte nicht, Oredun… Bitte keine Kämpfe!“

Er nickte seiner älteren Schwester entgegen. „Ophelia hat ausnahmsweise Recht.“ Er reichte der Prinzessin eine entschuldigende Hand. Er hätte sie keinesfalls auf diese Weise provozieren müssen. „Ich sollte keine Mädchen schlagen.“

Zelda durchschaute seine Absichten, aber würde nun nicht mehr zurückweichen. Sie wollte die Herausforderung, sich spüren, ihre Stärke erglühen lassen so wie früher. Unschuldig dreinblickend spazierten ihre Blicke an die verzierte, mit silberner Farbe bemalte Zimmerdecke. „Ich hingegen habe kein Problem damit Mädchen zu schlagen. Soll ich es Euch beweisen?“ Sie hob die Hand gegen den Morganiell mit einem verteufelten Grinsen, worauf er die Hand blitzschnell abfing und eine aufgeregte Verwunderung über seinem Gesicht aufflackerte. „Kokett…“ Melodisch kam das Wort über seine dunklen Lippen. Er schloss die Augen. „Ich kann leider nicht widerstehen. Verzeih‘ mir, Schwester“, liebäugelte er an Ophelia gerichtet. „Diese Herausforderung muss ich annehmen. Was für ein Krieger wäre ich, wenn ich vor einer anmutigen Lady weglaufen würde.“

Aber da schlug Ornella, die sich das Gespräch bisher mit hochgezogenen Augenbrauen angehört hatte, auf den Tisch. „Oredun Morganiell, ich sage nur so viel. Du spielst mit deiner Ehre!“, sprach sie scharfzüngig und erhob sich ebenfalls. Aber da packte Harkenia sie an der Hand und zupfte sich erneut an seinem Bart. „Bei den Göttern… sie sind beide temperamentvolle, sture Raufbolde… Lasst sie sich ihre Hörner abstoßen.“

„Aber, mein König…“, murmelte sie benommen. War er denn nicht besorgt, einer der beiden könnte einen solchen Kampf mit Wunden oder gar mit dem Tod bezahlen?

„Habt etwas Vertrauen, Ornella“, sprach er erheiternd und zwinkerte seiner Tochter entgegen. Er war so dankbar, dass Zelda etwas von ihrer Stärke und Lebenslust zeigte, dass er diesen Kampf gerne erdulden würde.

Ihr mit oranger Farbe bemalter Mund spitzte sich, bis sie sich wieder tiefer in ihren gepolsterten Sessel sinken ließ. Mit geschlossenen Augen und einer sonderbaren Ruhe ließ sie sich von den Worten des Königs überzeugen. Sie umklammerte seine Rechte und lächelte ihm entgegen. Sie flüsterte: „Ihr hattet Recht, Harkenia, ich muss mich korrigieren. Ich hatte ein falsches Bild von Eurer Tochter…“

Der Regent lächelte erfreut. „Gut, dann lasst uns diesen gelungenen Abend beenden.“

„Der Abend ist noch nicht ganz ausgeklungen“, widersprach Zelda und grinste heimtückisch. Ihr Körper vibrierte vor Aufregung in der Erwartung eines Kampfes. „Es steht noch eine Herausforderung im Raum und es würde mich betrüben, wenn diese nicht ernst gemeint wäre.“ Harkenia schluckte verdattert und schaute in Richtung der Pendeluhr im Raum und dann in die silbernen Augen des Morganiells. „Aber Liebes, unsere Gäste sind müde und müssen rasten.“

„Dem stimme ich zu. Wie wäre es mit einem Kampf morgen in aller Frühe?“, entgegnete Oredun.

Leicht bissig und unzufrieden reagierte Zelda auf die Bemerkung. „Wie wäre es mit einem Kampf sofort? Oder seid Ihr zu müde um Euren Schwertarm zu heben?“, neckte sie und fühlte ihre alte Macht brodeln. Seit langer Zeit fühlte sie sich endlich wieder kräftig und stark, bereit zu kämpfen. Und es war vielleicht das erste Mal, dass ihr Vater mit seinen Hoffnungen Recht hatte. Er hatte sich gewünscht, dass der Besuch seiner Tochter gut tat… und zu Zeldas Eingeständnis wirkte der Besuch der Morganiells wie ein überfälliger Heiltrank, lenkte sie ab, wenn auch vielleicht nur für ein paar Stunden. Überrascht wanderten ihre Augen zu den drei Rittern im Raum, die ehrerbietend klatschten. Ja, so kannten sie ihre Thronfolgerin. So kannten sie die Prinzessin des Schicksals und ihr feuriges Temperament!

Oredun erhob sich erfreut, ballte beide Hände zu Fäusten und lachte. Er streichelte sein rostrotes Schwertheft, strich sich mit einer Hand spielerisch durch das lilagesträhnte Haar und ließ seine prickelnde Stimme rollen. „Wie Ihr wünscht, aber wenn ich einmal kämpfe, lasst Euch gesagt sein, dass ich keine Rücksicht nehmen werde“, sprach der Hylianer des Nordens.

„Das braucht Ihr auch nicht. Ich werde Euch zeigen, was eine Prinzessin kann!“, sprach Zelda erfreut. Sie hastete zum Ausgangs, strahlte, als vergaß sie alle Zweifel der letzten Wochen. „Kommt, oder wollt Ihr hier sitzen bis Ihr angewurzelt seid?“, lachte sie. Und es war eines der ersten Male, dass das Lächeln einer Frau den Morganiell erröten ließ. Er ließ sich nicht länger bitten und stapfte mit seinen schweren Stiefeln hinter der Prinzessin her.
 

„Das ist außerordentlich interessant“, freute sich Ornella und klatschte in die Hände. Sie hatte gehofft, ihr Sohn und die Prinzessin des Reiches würden sich anfreunden und war entzückt, dass dies der Fall war. „Aber ich bin doch zu erschöpft um dem Kampf beizuwohnen“, erklärte sie und gähnte.

„Gibt es Wünsche, die das Königshaus seinen Gästen im Augenblick erfüllen kann?“, meinte Harkenia, erhob sich und bot Lady Ornella seinen Arm an. Sie ließ sich von ihrem Gastgeber aus dem Raum geleiten und die Ritter folgten gemächlich.

„Was ich baldmöglichst wünsche, ist, dass mir meine Gemächer gezeigt werden, sowie ein angenehmes Bad erwarte ich.“

„Ich habe eine Hofdame, die Euch alles zeigen wird. Richtet an sie alle Wünsche, die Ihr erfüllt erwartet.“

„Danke, das ist großzügig, Harkenia“, sprach sie und strich mit ihren langen, dünnen Fingern über das Blumensymbol auf ihrer Wange. Plötzlich verharrte die Herrscherin der nördlichen Insel in ihrer Position, bis sie taumelte, sich sofort wieder fing und nach Ophelia Ausschau hielt. Noch immer saß das sechzehn Jahre alte Mädchen auf ihren Platz im Speisesaal, schien zu träumen. Ihre schmalen hellblauen Augen verloren sich auf der Karte Hyrules, bis die Stimme ihrer Mutter sie aus den Gedanken riss.

„Ophelia? Folgst du uns bitte.“

„Ja, doch, aber ich will den Kampf von Oredun nicht sehen, das gehört sich nicht!“, maulte sie und hetzte in Richtung ihrer Mutter. Sie stolperte, krachte unbeholfen an die Seite von Sir Lowena, der sie ohne mit den Wimpern zu zucken an den Armen packte und ihr auf die Beine half. „Ich hasse Kämpfe!“, brüllte sie.

„Dein Bruder wird das richtige tun“, sprach Ornella und streichelte ihr über den Kopf.

„Mein Bruder ist ein charmanter Blödmann, der es toll findet, Mädchen zu beeindrucken und das mit dieser scheußlichen Vorliebe, die er hat!“

Harkenia grinste. Anscheinend sagte Ophelia nicht immer unpassende Dinge, sondern bewies auch ein großes, freches Mundwerk.

„Ich weiß, dass du es gut findest, wenn sich Oredun mit Prinzessin Zelda zusammentut. Du willst ja bloß, dass die beiden heiraten. Ich weiß es genau.“

Ornella biss sich auf die Unterlippe, schluckte ihren Ärger herunter und sah betreten in Harkenias Augen. Aber der König lachte, hatte seit langer Zeit keinen mehr so erheiternden Abend verbracht und fühlte so etwas wie Familienbande entstehen. Zumindest hoffte er es. „Ophelia, Ihr seid ein schlaues Mädchen“, meinte er und trat vor sie.

Sie wurde fuchsrot um ihre Wangenknochen, was ihre blasse Haut deutlich prägte und verbeugte sich ehrfurchtsvoll. „Ich danke Euch, mein König…“

„Aber auch Ihr braucht Ruhe und Schlaf, nicht wahr?“ Sie nickte schüchtern. „Gut. So soll es sein.“ Und damit erschienen in Windeseile eifrige Zimmermädchen und die ranghöchste Hofdame des Schlosses, die den Gästen ihre mit warmem Kaminfeuer durchfluteten Gemächer zeigten.

Ein Abend, der Veränderungen in das Königreich und Veränderungen in den schicksalhaften Ablauf der Welt brachte, endete mit Wärme und Wonne im Schloss des Regenten. Und eine Nacht brach an, die den Himmel weiße Perlen weinen ließ. Denn vielleicht war es der Himmel, der sich gegen die Veränderungen auflehnte, wo es die auserwählte Maid des Schicksals nicht konnte…

Eine vertraute Herausforderung

Die private Übungsarena der Prinzessin war eine genussvolle Augenweide für jeden, der den Kampf, kühne Herausforderungen und starke Waffen mochte. Versteckt in einem abgelegenen Hinterhof, am Ende der labyrinthischen, verblühenden Schlossgärten beflügelte ein runder Platz umgeben von dicken Steinmauern seit Jahren die Kämpferseele der Königstochter. Unter freiem Himmel hatte sie ihre Energie in kraftvolle Attacken gelegt, sich abreagiert, wenn es nötig war, hier, wo dickes, knöchelhohes Gras in den Sommermonaten ihre Füße kitzelte, wenn sie barfuß wandelte. Und während sie hier trainierte, spürte sie Erdung und die Kraft des reichen Landes unter ihren Füßen. Und dort in jener runden Arena leuchteten hungrige Fackeln an den grauen Wänden. Holzstämme waren errichtet und Waffenständer wie auch Vitrinen aus steingehärtetem Holz, wo weitere Waffen versteckt waren, hingen an den Seiten. Ruhig war es hier, wo der Lärm des Schlosslebens nicht hinfand.

Oredun Morganiell war höchst angetan, erblickte die von mehreren Soldaten bewachte Kampfarena, wo er seinen Wettstreit gegen die Prinzessin ausführen würde, mit strahlenden, silbernen Augen. Und es verwunderte ihn die Vitrinen, die mit wenigen kunstvoll gefertigten Schwertern mit gegerbten, weichen Ledergriffen, dunkelroten Verzierungen und Stahl aus goronischer Schmiedekunst, einem kleinen Schild gemacht für die Hand einer Frau mit dem Königssymbol Hyrules, und jede Mengen abgenutzten Dolchen mit erkennbaren Blutspuren am Stahl, vollgepackt waren.

,Trainierte die Thronerbin tatsächlich alleine hier?‘, fragte er sich. Er musste zugeben, dass ihn der Gedanke trotz der erstaunlichen Gerüchte im Volk und Zeldas Temperament, von dem er vorhin Zeuge wurde, irgendwie erschreckte. Er war es eigentlich gewöhnt, dass Ladys nicht für das Schlachtfeld erzogen wurden. Und ein Teil seines hochmütigen Herzens wollte der koketten Prinzessin zeigen, dass Mädchen nicht für den Krieg gemacht wurden. Er würde sie darüber belehren, wo ihr Platz war…

Auf dem Thron, wo sie hübsch lächeln konnte. An einer Tafel, wo sie gewandt sprechen konnte. Und in einem großen Bett, wo sie ihre Kinder zur Welt bringen konnte…

Als er sich jedoch um seine eigene Achse drehte, einen Luftzug verspürte, der Glanz und Frische versprühte, ahnte er, er müsse seine festgefahrene Meinung überdenken. Denn das zierlich und zerbrechlich wirkende Erscheinungsbild der Prinzessin mit ihrem pinken, seidenen Kleid war dem Erscheinungsbild einer Kriegerin gewichen, die Wunden ertrug, die ihre Welt bis zum bitteren Ende verteidigte und die er im Endeffekt doch ernst nehmen sollte.

Ihre spitzen mit goldenem Stahl besetzten Langstiefel reichten bis knapp über ihre schmalen, hübschen Mädchenknie. Ein goldener Gürtel hielt einen fliederfarbenen Faltenrock aus einem leichten Stoff gefertigt von den geschickten Händen der Gerudos. Ihr Korsett aus weißem Leder war bedeckt von einer Rüstung, auf der sich das Licht der Fackeln brach. Und die Fackeln spiegelten sich ebenso mit einer faszinierenden Eigenheit, brennend und geheimnisvoll, in ihren leuchtenden Seelenspiegeln.

„Ihr überrascht mich ein weiteres Mal, Prinzessin“, erklang Oreduns Stimme frohlockend. Zelda wirkte nun wie eine Kriegerprinzessin, die sich gewandt und flink bewegen konnte, sich nicht einschüchtern ließ und bereit war zu töten.

„Ihr seid nicht der erste, der seine Meinung von mir korrigieren muss“, entgegnete sie und strich ihren langen, geflochtenen Zopf nach hinten. Ihr Blick fiel zu ihren derzeitigen Lieblingswaffen, einem Einhänder und einem Schild aus goronischer Schmiedekunst, welcher Darunia, der Anführer der Goronen, ihr zu ihrem letzten Geburtstag zukommen ließ.

„Wollt Ihr weiter reden oder können wir dann beginnen?“, sprach sie und ließ ihre Hiebwaffe in der rechten Hand tanzen. Dann schnallte sie ihren Schild an ihr linkes Handgelenk.

„Ihr seid ungeduldig“, bemerkte der Morganiellsohn. „Aber es soll mir Recht sein.“ Und damit zog er sein schweres Stahlschwert herausfordernd und trat in Angriffsposition. Sein wärmender Umhang flatterte im kühlen Winterwind, als scheinbar alles andere still zu stehen schien.

„Ich muss zugeben, dass ich keine Herausforderung dieser Weise erwartet hätte, als ich das Königsschloss betreten habe.“

„Ihr wiederholt Euch in dem Inhalt Eurer Worte. Wie oft wollt Ihr noch erwähnen, dass Ihr Euch überrascht fühlt?“, entgegnete sie.

Er grinste schelmisch. „Wie oft wollt Ihr Euch noch darüber wundern?“ Seine Bewegungen über den leicht frostigen Boden waren geschmeidig. Zögerlich und doch bewusst verriet seine Beinarbeit, die Haltung seines Schwertes, Schläue und Genauigkeit. Oredun Morganiell war niemand, der ohne Präzision seine Gegner niederwälzte. Jeder Stich saß sicher und fest. Jeder Tritt und jeder Hieb war hundertprozentig platziert.

Die Prinzessin unterließ es zu antworten, wartete auf den einen Moment, der ihr Bewusstsein wie ein Lichtbündel im Kosmos traf, der sie beflügelte und ihr den Pfad ihres Klingenspiels wies. Oredun schien seine Kräfte zu sammeln, verhielt sich ebenso abwartend wie sie. In ihren Augenpaaren loderte das Verlangen die Seele der beiden Schwerter schreien zu hören, es knisterte vor Spannung. Und als Flocken von Schnee niederrieselten wie Kristalle aus Federn, beide Kontrahenten zwinkerten, glitten sie stumm näher, stießen sich kraftvoll ab und ein Schwert prallte fiebrig an das andere. Ein junger Wachsoldat unterdrückte einen gewagten Schrei im Hintergrund, ein weiterer stützte sich klappernd auf seinen Speer und produzierte Geräusche, die die Kampfarne einfing. Aber weder Oredun noch Zelda ließen ihre Stimmen vibrieren. Wären sie alleine hier, würde man in andauernden Momenten den Schnee am Erdboden zu Eis erstarren hören…
 

Und dann in den nächsten Minuten war das Feuer in der Kämpferseele der Prinzessin entfacht und das Eis des kühlen Nordens in Oreduns hochmütigem Herzen splitterte. Ein Szenario aus gewagten, schrillen und leidenschaftlichen Bewegungen tobte hier in jenem Abschnitt des Schlossgartens, als selbst die Zeit staunte. Zelda flog durch die Lüfte, drehte sich elegant mit dem Schwert in ihrer Hand und ließ ihre Klinge tanzen. Mit Leichtigkeit federte Oredun ihre Streiche ab, testete sich mit präzisen Attacken heran, schien ebenfalls in der Luft zu schweben, aber hielt sich dennoch zurück und Zelda spürte dies. Seine Hiebe waren gut platziert, aber nicht mit der Gewalt und Stärke, die sie vermutet hatte. Die Schwerter krachten aneinander, bis sie Funken sprühten. Beide Kontrahenten starrten sich lautlos an, spürten das Feuer des Kampfes und doch besaßen sie zu viel Respekt und Vorsicht, zu wenig Vertrauen in die Fähigkeiten des Gegenübers, als dass sie geheimere Techniken nutzen mussten.

„Wollt Ihr Euch nicht mehr zutrauen, Sohn der Morganiell?“, neckte Zelda, als Stahl an Stahl rieb. Ihre saphirblauen Augen blitzten wie das herbe Metall ihrer Waffe und forderte das Silber in Oreduns Seelenspiegeln heraus. Es schien, als wagte er es sich noch immer nicht die Prinzessin als vollwertigen Gegner zu betrachten.

„Dass ich Euch erst verletze, oh nein, nehmt es mir nicht übel, Prinzessin, aber ich werde gewiss nicht weiter gehen als nötig“, schmunzelte er und der Charme in seinen Gesichtszügen hatte etwas Spöttisches.

„Dann werde ich dafür sorgen, dass Ihr weiter gehen müsst“, murmelte sie und zog im gleichen Augenblick ihre Waffe nach links, stieß ihren Gegner mit dem Schild zurück und wich in geschickter Beinarbeit nach hinten. Oredun konnte ihre Absicht nicht erahnen, staunte nur, als Zelda ein weiteres Mal auf ihn zusteuerte. Ihr langes, goldenes Haar flatterte ihm kühlen Wind, ihre geschmeidigen Bewegungen schienen sich dem Rhythmus der Natur anzugleichen. Sie wirbelte näher und Oredun, der diese Attacke als lebensmüde und dumm bezeichnen würde, tat eben dies, was Zelda sich erhoffte. Gewandt stellte er sich in Verteidigungshaltung, ignorierte die Warnung in den schlauen Augen der Königstochter und erstaunte ein weiteres Mal, als sich die Thronerbin noch während sie mit rasender Geschwindigkeit in seine Richtung bewegte, nach hinten fallen ließ und kurz bevor sie ihn erreichte, stützte sie sich flink ab, wirbelte zu seiner rechten Seite, wissend, er würde ihren Angriff blocken, aber noch immer hatte sie ein unermessliches Grinsen auf ihren Lippen. Ihre Atmung ging schnell, als sie Oredun beobachtete und sich der junge Krieger abwartend verhielt. Sie summte, rollte sich geschickt hinter den Morganiell, der seine Waffe zückte. Aber der Angriff blieb aus. Mit einem raschelnden Schnalzen sank die Prinzessin nieder, verpuffte in einer Wolke aus glühenden, dunkelblauen Schatten und schien mit dem Erdboden zu verschmelzen. Irritiert über den Einsatz von Magie sah der Schwertfechter um sich, aber konnte die Prinzessin nirgendwo entdecken und er spürte ihre Anwesenheit auch nicht. Ratlos blickte er zu den Wachsoldaten, die amüsiert grinsten. Oredun lächelte verschmitzt in sich hinein und verstand. Zelda machte es sich auf eine wunderbare Weise zunutze, dass er noch nie gegen ein Mädchen gekämpft hatte…

Und er wurde ein weiteres Mal von Zelda überrascht. Er hatte sie nicht wahrgenommen, hatte nicht erahnt, dass sie sich heran gepirscht hatte und fühlte sich beschämt, als er einen abgekühlten Stahl an seiner Kehle spürte. Listig hatte sich die Prinzessin ihre Schatten zunutze gemacht, sich an seinem Rückgrat versteckt und ihm in einem Moment der Unachtsamkeit die scharfe Klinge an die Kehle gesetzt. Er konnte ihr heimtückisches Grinsen erahnen, auch wenn er es nicht sah.

„Nun… wollt Ihr mich noch immer mit Eurer halbherzigen Schwertkunst abfertigen?“, flüsterte sie in sein Ohr und sah für einen Sekundenbruchteil etwas auf seiner rechten Hand aufflackern. Ein kleines weißes Licht, das durch seine ledernen Handschuhe drang. Irritiert deswegen verlor die Königstochter ihre Konzentration, wurde so schnell entwaffnet wie noch nie in ihrem Leben und spürte einen bitteren Hieb einer fremdartigen Magie, wie ein Strudel aus silbernen Funken, der sie mehrere Meter weiter katapultierte. Gewandt fing sich die junge Thronerbin ab und erhob sich würdevoll. Sie wischte sich eine Schweißperle von der Stirn.

„Ich hab‘ es mir überlegt, Zelda“, sprach er schmunzelnd und spielte mit ihrer Lieblingswaffe, der er in die Höhe warf und spielerisch wieder auffing. Die Klingen tanzten wie Bälle eines geschickten Hofnarren in seinen Händen. „Es muss einen Grund geben, warum Ihr so leidenschaftlich kämpft. Da ist mehr als nur das Blut einer Kriegerin in Euren Adern, nicht wahr?“

„Sehr viel mehr, Oredun“, erwiderte sie spitz.

„Ihr bereitet Euch auf den Krieg vor, habe ich Recht?“, murmelte er in ihre Richtung, sodass es die Wachen nicht hören konnten.

Aber diese Aussage hatte die Prinzessin nicht erwartet. Mit immer bleicher werdendem Gesicht verlor sie jede Fassung, erschrak immer mehr, je länger sie über Oreduns Worte nachdachte. Was, bei den Göttern, war in diesen Morganiell gefahren?

„Es scheint, als habe ich Euch jetzt auch überfordert, Zelda… aber unter uns…“, sprach er leise und trat mit besorgtem Gesichtsausdruck näher. Er überreichte ihr die Klinge, die sie mit Eleganz und Ehrgeiz führte. „In dem Land Hyrule scheint nicht alles in Recht und Ordnung zu sein, meint Ihr nicht auch?“

Die Prinzessin verzog ihre Augen zu Schlitzen, blieb standhaft wie so oft und fragte sich immer mehr, was sie hier tat und ob sie diesem Adligen tatsächlich trauen konnte.

Er strich sich durch sein dunkles, gesträhntes Haar, welches das Feuer der Fackeln annahm und trat neben sie. Ohne sie anzublicken, verließen weitere Andeutungen seine Worte. „Was denkt Ihr, warum ich diesem Kampf zugestimmt habe?“

Zelda unterließ es zu antworten und spürte eine ungewollte Unruhe in sich keimen.

„Es war mir wichtig, dass Ihr Worte von meinen Lippen hört ohne die Anwesenheit meiner Mutter oder Ophelia.“

Erneut blieb die Prinzessin stumm, verfolgte mit ihren Augen jedoch jede Regung, die Oredun tat. Er steckte seine silberne Klinge mit dem blutroten Heft zurück in die Schwertscheide und verschränkte die Arme. „Der Tod meines Vaters war kein Zufall… nichts geschieht ohne Grund…“, flüsterte er und hob sein ansehnliches Gesicht gen Horizont. Der silberne Schein der Sterne schien besinnlich nieder und weckte Hoffnung, die in seinen Augen auflebte. „Ich meine, Euch ist doch sicherlich alles bekannt über die Umstände seines Todes.“ Zelda nickte stumm, aber nahm an seinem Ausblick teil. Je mehr er sagte, umso mehr wollte sie ihm vertrauen. Diesem geheimnisvollen Silber in seinen Augen…

„Mein Vater war einer der besten Krieger dieses Jahrhunderts, er muss Dämonen verwundet oder besiegt haben… Seit wann können sich Feinde einfach in Luft auflösen?“

„Ihr seid den Spuren nachgegangen… besser wohl eher: den Spuren, die kaum sichtbar sind und von den meisten Augen nicht wahrgenommen werden“, entgegnete sie und zog sich ihren Umhang über. Es war eisig geworden außerhalb, nun da das Feuer des Übungsgefechts geendet hatte.

„Und diese Spuren lassen nur einen Schluss zu, Prinzessin“, sprach er und lächelte melancholisch. „Mein Vater besaß einen Ohrring aus einem sehr eigenartigen, kupferfarbenen Metall. Meine Mutter und auch Ophelia streiten ab, dass jener etwas mit dem Angriff zu tun haben könnte. Aber ich bin mir sicher.“ Er streichelte seine rechte Hand mit der linken und wand sich zu der verwunderten Thronerbin.

Zelda versuchte ihre Sorge bezüglich der dreizehn Schlüssel zu verbergen, aber wie sollte sie dies, wenn vieles dafür sprach, dass Oreduns Vater einen dieser Gegenstände besessen hatte. „Sagt mir, Oredun… Warum erzählt Ihr mir das?“

„Weil es schlichtweg für Eure Ohren bestimmt ist“, meinte er beflissen und hüpfte in Richtung Ausgang. Er streckte sich und gähne genüsslich. „Ah, und Prinzessin… es war ein kurzer Kampf, aber ich habe es genossen. Ich hoffe, wir können uns demnächst wieder zu einem Duell treffen. Ihr habt mir eine Lektion erteilt.“

„Ihr habt Euch trotz allem zurückgehalten!“

„Ihr Euch doch auch, nicht wahr?“ Sie errötete leicht und nickte.

„Ich glaube, es gibt kein Mädchen, das so tadellos kämpfen kann wie Ihr. Euer Kampfstil ist atemberaubend und leidenschaftlich, man spürt, wie Ihr darauf brennt Eure Welt zu verteidigen… einfach nur scharf…“

„Scharf? Was für ein flegelhafter Ausdruck“, lachte sie und spürte, dass Oredun nicht zwangsläufig ihr Feind war, aber war er deswegen ein Verbündeter?

„Aber meine Worte sind wahr… Euer Kampfstil ist einfach scharf.“ Und als die Worte des Morganiell mit seiner prägenden, leicht prickelnden Stimme ausklangen, schienen sich seine Worte mit den weißen Schneeperlen zu vermischen, die andächtig niederrieselten. Es war, als beweinten sie eine Verkettung der Geschehnisse, die das Gute nicht beabsichtig hatte. Es war wie, als beweinte die Welt das aufgedrängte gute Gefühl, das sich Zelda mit diesem Kampf beschafft hatte. Wie ein geölter Blitz schoss die Warnung zurück in die Seele der Prinzessin des Schicksals und es war wie, als erwachte sie aus einem bösen Traum…

Da war jemand in ihrer Erinnerung, der ähnliche Worte wie der Morganiell benutzt hatte. Da war jemand, den sie mit ihrer Lust nach Ablenkung, ihrer Lust nach Abenteuer und einem aufgesetzten Frohsinn verriet…
 

Es war in der Zeit, die sich geopfert hatte, als der Wahnsinn die Welt regierte. Und es war in den Wäldern an einem heiligen Ort, der sich selbst mit vergessenen Zaubern schützte. Eine der letzten Festungen gegen die massive Verseuchung des Bösen thronte dort auf, wo Kreaturen aus geschmeidigem Holz tanzten und heilige Hallen mit tiefem Wurzelwerk und riesigen Blätterdächern bewachten. In der verlorenen Zeit wandelte sie hier mit einer verräterischen Maskerade. Sie hatte sich durch verwelktes Kraut, dürre Kletterpflanzen und Moor gekämpft, war auf einige Laubkerle und Zyklopen mit Morgensternen getroffen, aber fühlte sich wunderbar, voller Energie und Hoffnung. Und das Licht der Hoffnung wuchs, selbst hier in scheinbar düsteren Wäldern. Denn das erste Mal seit fast sieben Jahren drangen goldene Lichtstrahlen durch schattige Baumkronen. Und während sie sich voranschlich und die heilige Lichtung, wo die Weise des Waldes wartete, erspähte, raschelte es unter ihren flinken Füßen. Es raschelte arglistig, bis sie in weiteres Geräusch, produziert durch klappernde Lederschuhe, wahrnehmen konnte. Galant stieß sie sich in ihrer Shiekahrüstung vom Boden ab, krallte sich lautlos einen jungen Ast und saß ihren Atem unterdrückend im Baumwipfel. Ihre glühend roten Augen beobachteten jede Bewegung hier an einem Platz, den das Böse mit aller Gewalt versuchte unter Kontrolle zu bringen.

Und plötzlich endeten die Schritte abrupt und die Warnung hatte ihre Fühler ausgestreckt. Vielleicht hatte die andere Seele, die ihrem Schicksal folgte, ebenso wahrgenommen hier in der Wildnis nicht alleine zu sein. Aufmerksam schaute sich die adlige Kriegerin um, lauschte dem Rascheln der trockenen Blätter, die mit dem Wind spielten, sah mit ihren blutroten Augen Veränderungen in der unheiligen Welt vor ihren Sinnen. Sie spürte Aufregung und entschied ihren sicheren Platz hier, wo der sterbende Wald zu ihren Füßen lag, zu verlassen. Galant bewegte sie sich durch die Lüfte, beinahe lautlos trat sie auf den erdigen, entweihten Boden. Und als erneut ein Rascheln durch die schattige Wildnis ging, zog sie ihre beiden Kampfmesser blitzartig. Sie schnellte herum, nicht sicher, was hier an diesem düsteren Ort verweilte und was sie fürchtete.
 

Und als sie den Angriff erwartete, gab sich aus dem raschelnden Dickicht eine kampfgewandte und schwer bewaffnete Gestalt preis. Lautlos stürzte sich ein grüner Punkt auf sie, knallte seine Stahlwaffe mit einer verheerenden Stärke nieder, die sie nicht parieren konnte. Mit mehreren Rückwärtssaltos wich sie nach hinten, schnaubte heftig und war erstaunt über eine gewaltige Attacke, die ein Widersacher ausgeübt hatte. Beide Dolche in die Höhe gereckt, angriffsbereit stand sie dort, kurz vor dem Eingang in den Waldtempel und zögerte nicht. Diesmal war sie bereit anzugreifen. Mit einem wilden Geschrei sauste sie näher, ließ ihre Kampfmesser tanzen und legte ihr gesamtes Potential in die Klingen. Leidenschaftlich kämpften die Kontrahenten in der Düsternis der leblosen Wälder, wo das Böse hauste. Und ein weiteres Mal stieß der Gegner die verwandelte Prinzessin zurück und als endlich seine Stimme ertönte, diese angenehme, männliche Stimme, die ihr Herz berührte, ließ sie beide Dolche niedersinken, hastete hinaus aus der Dunkelheit, welche von riesigen Laubdächern geworfen wurde und sah aufgeregt und erfreut zugleich um sich. Kein Feind war hier in ihrer Nähe, es war ein Freund, der sein Leben für sie bereits riskiert hatte.

Das Licht der Sonne funkelte golden nieder, als auch er aus den Schatten heraus trat. Das heilige Licht schien den Jüngling zu umgarnen, der nicht ihr Feind war, wohl aber selbst irritiert war über das vertraute Gesicht eines geheimnisvollen Shiekah. Entschuldigend steckte er seine Waffe zurück, maulte die um ihn herum schwirrende blaue Fee an, die den Angriff befohlen hatte, und reichte dem bekannten Gesicht eine versöhnende Hand. „Äh, entschuldigt bitte… ich habe nicht geahnt, dass sich hier in dem dunklen Dickicht der Wälder gute Seelen aufhalten.“ Er kratzte sich am Kopf und lächelte dann breit. Es schien ihm zu gefallen, dass Shiek hier war. „Es war Navis Idee alles anzugreifen, was nicht bei drei auf dem Baum ist“, erklärte er kindisch und hob den Zeigefinger in ihre Richtung. Die kleine Fee brummte piepsige Worte, quengelte auf eine schrille Weise, aber der junge Held der Zeit grinste nur und ignorierte ihr Jammern.

Erst dann ließ Shiek die Waffen fallen, atmete erleichtert aus und lächelte in sich hinein. Es tat gut zu wissen, dass Link in die Wälder gekommen war wie prophezeit und es tat gut zu wissen, dass er über einen kraftvollen Angriff verfügte, dem sie als Shiek nicht standhalten konnte. „Ihr seid trotz Eures siebenjährigen Schlafes begabt das Masterschwert zu führen“, sprach sie tonlos. „Ihr seid der mutige Krieger, der erwartet wurde und seid talentiert im Schwertkampf.“

„Und Ihr seid scharf…“, platzte es aus seinem Mund, vermutlich weil er spürte, etwas sagen zu müssen, und begriff erst im nächsten Augenblick den Sinn seiner Worte. Erstarrt sah er in Shieks rotglühende Augen, dann nach oben und schließlich beschämt zu Boden. Er murmelte ein verschlucktes: ,Beim Heiligen Deku‘, drehte dem Shiekah seine attraktive Rückenansicht zu und ärgerte sich über das heitere Lachen seiner Fee.

Es war das erste und letzte Mal, dass er es schaffte Shiek zum Erröten zu bringen. Glücklicherweise war das Rot der Wangen unter dem weißen Tuch seiner Verkleidung nicht sichtbar.

„Äh… ich meine Euer Kampfstil ist scharf…“, setzte Link brabbelnd hinterher und errötete ebenfalls. „Ich… ich weiß, was es heißt, wenn Erwachsene sagen, die eine Frau oder der eine Mann wären… scharf…“ Er brachte diese Erklärung kaum über seine Lippen, tat nichts anderes, als nervös mit den Augen zu zucken und zu stammeln. In seinem Verhalten war der elfjährige Junge versteckt…

„Ach ja?“, murmelte Shiek, versuchte ernst und kühl zu bleiben, obwohl er Probleme hatte dies umzusetzen.

„Ja, ich hab‘ das… im Gasthaus in Kakariko schon gehört.“ Er schien sich mit aller Gewalt rechtfertigen zu wollen. Und es war so einfach in seinem Verhalten abzulesen, wie unsicher er war.

Shiek bemühte sich nicht zu kichern, aber erlaubte sich einen Spaß. „Das heißt, Ihr findet mich nicht scharf, was?“

Sein Verlegenheitsrot steigerte sich weiter bis selbst seine Nasenspitze rot glühte. „Äh, so hab‘ ich das auch nicht gemeint“, brüllte er und sah seine Fee, die kullernd um ihn herum flog, beleidigt an. Es war wie, als wollte er sich dafür bedanken, dass sie ihm in dieser Angelegenheit nicht half. „Ich meine, Ihr seid ja… Ihr seid… ähm doch irgendwie… scharf.“ Er verzog sein Gesicht, bedeckte seine Augen mit einer Handfläche und schien sich noch mehr über sich zu ärgern. „Aber so ist das auch wieder nicht gemeint!“, sprach er beschämt, blickte zu seinen Stiefeln und wühlte den Erdboden mit täppischen Bewegungen so stark auf, dass bereits mehrere Löcher entstanden waren.

„Wie habt Ihr es denn dann gemeint?“

„Beim Triforce… Ihr bringt mich noch um den Verstand!“, sprach er dann lauter. Und auch jetzt konnte er das Grinsen von Shiek unter dem weißen Schal nicht erkennen. „Ich bin nicht so naiv und unschuldig wie die meisten denken… ich glaube, dass ich viele Dinge sehr gut planen kann. Auch dann, wenn es vielleicht nicht so scheint.“

„Wie meint Ihr das?“ Shiek musste zugeben, dass ihn die Worte nun doch sehr neugierig stimmten. Der Bursche, der im Inneren Zelda war, zwinkerte erstaunt.

„Ich habe letztens etwas verstanden… Es gibt deutlich mehr Gefahren in Hyrule als Ganondorf. Ich bin dabei etwas herauszufinden, was nicht unbedingt diese Zukunft betrifft, aber vielleicht eine andere.“ Er schäkerte und kratzte sich am Kopf. „Nichts geschieht ohne Grund, was?“

„Nein, wohl nicht“, entgegnete sie, nicht sicher, was er meinte.

Sein Lächeln verschwand, als er an einen alten Baumstumpf heran trat, wo einst eine gute Freundin auf ihn gewartet hatte. Beinahe liebevoll streichelte er über das morsche Holz, wo sich trockene Moose angesammelt hatten. „Als wir uns das letzte Mal sahen, Shiek, habe ich die Welt, die sich auf so scheußliche Weise verändert hat, noch nicht gesehen. Und jetzt liegt Hyrule in Trümmern, mehr als ich es erahnen konnte. Alles ist so düster, selbst hier die Wälder sind leer, ausgetrocknet und krank.“ Er drehte sich in Shieks Richtung und neben seiner Entschlossenheit fand sich eine tiefe Traurigkeit über Hyrules momentanen Zustand in seinem ansehnlichen Gesicht. Die schwindende Zeit hatte nicht nur einen Mann aus ihm gemacht, sondern einen ungemein hübschen Mann dazu. Sich dieser Tatsache bewusst werdend, drehte sich Shiek verlegen um.

„Der Himmel ist ausdruckslos und grau… die Steppe verwüstet. Wenn Hyrule in dieser Zeit schon so krank ist, wie viele Dimensionen und Zeiten mag es geben, wo diesem Land das gleiche Schicksal wiederfahren ist?“ Dann schlug er mit der Faust auf das Holz und suchte Shieks Blicke.

Und es war das erste Mal, seit die Prinzessin den Jungen kannte, dass er wahrhaft reif auf sie wirkte, obwohl da nur ein Kind in diesem Männerkörper hauste.

„Link… diese Frage kann Euch niemand beantworten…“

„Ich erwarte auch keine Antwort“, erwiderte er rau. „Aber ich habe mich entschieden… ich will dieses Land beschützen und für es kämpfen, auch in einer anderen Zeit.“

„Du schwörst Hyrule zu beschützen ganz gleich welche Gefahr auf es einströmen mag?“

„Ja, das werde ich… bei dem Masterschwert in meiner Hand.“ Seine meerblauen Augen blitzten mit dem Mut in seinem Herzen.

„Für Hyrule…“, begann Shiek und testete, ob der Held der Zeit jene Worte aus seiner Erinnerung noch kannte. Denn die Prinzessin des Schicksals hatte sie ihm beigebracht. Ein Ruf, der durch die Jahrhunderte eilte, erklang in Hyrule, wenn Schlachten drohten. Und jeder Hylianer kannte jenen Ruf.

„Für Hyrule! Und nur für es werde ich kämpfen, werde ich Mut, Weisheit und Kraft beweisen. Für Hyrule soll meine Seele unsterblich sein. Mein Herz kraftvoll und mein Körper bewaffnet. Für Hyrule!“

„Gut so, Heroe… Wenn Eure Seele bereit ist, dann hört meine Worte…“ Und es war dann, dass Zelda ihn auf seine nächste Mission im Waldtempel vorbereitete und es war dann, dass die Erinnerung allmählich verblasste… ganz zögerlich und dann immer fordernder versanken die Bilder im starren Nebel.
 

Nicht eine Minute war verflogen, als sie aus der geistigen Welt abdriftete in die jetzige Realität. Und eine unsichtbare, kristallene Träne perlte sich auf ihrer Wange mit einer Erinnerung, die so fesselnd und so schön war, dass sie am liebsten für immer in jener Erinnerung leben wollte. Es fiel ihr schwer in der Gegenwart anzukommen, fiel ihr ungeheuer schwer zu begreifen, wo sie war und es tat weh, sich ihrer derzeitigen Hilflosigkeit zu besinnen…
 

Da waren der ansehnliche Morganiell mit seinem silbernen, durchbohrenden Blick und das erloschene Feuer eines Übungsgefechts. Oredun hatte den Kampf mit ihr genossen, er hatte mitgespielt, aber er hatte die Idylle, ohne es zu wissen, auch wieder zerstört. Und er hatte Zelda mit seinem Hochmut eine Lektion erteilt. Seine Worte waren wie ein Zauberspruch, der einen Fluch gebrochen hatte. Einen scheußlichen Fluch, der die junge Thronerbin an jenem Menschen zweifeln ließ, der an ihr Herz angenäht war… und das seit Jahrtausenden.

„Prinzessin?“ Mehrmals hatte Oredun die junge Königstochter angesprochen. Mehrmals hatte sie nicht auf die besorgte Stimme der Adligen reagiert.

„Ich ziehe mich ebenfalls zurück, gute Nacht, Oredun.“ Ihr war schlichtweg der Hunger nach Herausforderungen vergangen. Ihre Streitlust versiegte mit der Erinnerung an ihren Heroen. Und gleichzeitig begann sie zu begreifen, dass Link oftmals sehr viel weiter dachte, als es selbst sie erahnte. Vielleicht hatte er bereits in der Zukunft, die vergessen wurde, seine tiefblauen Augen auf Gefahren gerichtet, die damals in der Erde brodelten. Und vielleicht, so begann sie zu begreifen, hatte seine momentane Amnesie eine weitaus größere Bedeutung. Niemand sollte den Helden der Zeit unterschätzen, nicht sie, nicht Oredun und auch nicht das Böse.

Sie lächelte schwach und spürte eine wohltuende Energie in ihrem Herzen entstehen. So sehr sie es auch versuchte, und so enttäuscht sie auch von ihm war, sie konnte sich den Helden der Zeit nicht aus ihrem Herzen reißen… nicht hier und nicht in einer anderen Welt…

Kapitel 42
 

Nachdenklich saß Link eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn auf seinem Platz im staubigen Raum der Zauberkunde und hatte seinen schweren, aber hellwachen Kopf auf seine Arme gelegt. Er starrte aus den mit funkelnden Schneekristallen bedeckten Glasscheiben, hörte die Schule munter werden, lauschte dem Poltern in den winterlich geschmückten, eisigen Gängen an diesem letzten Unterrichtstag. Einige Fackeln hingen an den sonst so kahlen Wänden in diesem Turm, wo die von vielen als Gespensterunterricht bezeichnete Lehrstunde abgehalten wurde. Und die letzte Stunde im Ersttrimester, so erzählten die älteren Schüler, würde eine ganz spezielle sein. Eine Magierin ohnegleichen würde erscheinen und ein waghalsiges Unterfangen eingehen. Eine Herausforderung würde im Raum stehen, die jeder Ritteranwärter meistern musste.

Niemand sonst war so früh unterwegs wie der junge Heroe, dem die Ereignisse der letzten Tage den Schlaf geraubt hatten. Er atmete seufzend aus, sah kühle, neblige Luftblasen aus seinem Mund wandern, die außerhalb seines Körpers zu erstarren schienen und schillerte mit seinen tiefblauen, ernsten Augen in Richtung des düsteren Horizonts. Er wischte sich blonde Strähnen von den Augen, die sich anfühlten wie Eiszapfen und doch störte ihn die Kälte nicht. Er fühlte sich sonderbar betäubt, grübelte melancholisch darüber nach, was wohl geschehen wäre, hätte der Chadarkna ihn an jenem verhängnisvollen Tag am Tempel der Destinia getötet. Wäre er zu den Göttinnen in ihr hohes Himmelshaus eingeladen worden oder war es, wie der Chadarkna gesagt hatte… es hätte vielleicht nicht lange gedauert und er wäre erneut reinkarniert… und wer wusste schon wie oft seine Seele diesen verdammten Wahnwitz schon unternommen hatte…

Er schlug mit der Faust auf den Tisch, ein unangenehmer Laut dröhnte in dem spitzen Ohr nach, das die Tischplatte, auf der er lag, berührte. Die hässliche Fratze des Chadarkna- Dämons grub sich in seine Gedanken, machte ihn mürbe und zugleich wütend. Der Gedanke, dass dieses Scheusal für seinen erbärmlichen Zustand verantwortlich war, fraß den jungen Heroen regelrecht auf. Er kniff die Augen zusammen, schämte sich für sein Unvermögen zu handeln, wünschte sich zu kämpfen. Und gleichzeitig hatte er keine Idee, wie er sich dieser Gefahr stellen sollte, selbst wenn er fit wäre… Er hatte keinen Plan irgendetwas Sinnvolles zu unternehmen.

Er hatte es ja versucht, rechtfertigte er sich in Gedanken, er hatte versucht ein einigermaßen unauffälliges Schulleben zu führen. Und er erledigte nach wie vor Heldenpflichten, denn die Schüler waren im Zuge des Angriffs unter seinem Schutz gestanden. Was wollte Farore noch von ihm? Er bewies ständig seinen Mut, konnte die Göttin seines Fragments ihm nicht doch einen Wink geben, ihn unterstützen?

Und Link sollte mittlerweile wissen, dass man oftmals das bekam, was man sich wünschte, nur meistens nicht in der Gestalt, die man erhoffte.

Er hörte die runde Tür in diesen Raum klappern und erkannte an dem Wirrwarr an gehässigen Schritten vier Gestalten, die in den Raum donnerten, ihre Ledertaschen lässig auf eine Bank warfen und sich schließlich abfallend unterhielten. Sie schienen Link, der in einer hinteren Ecke saß, noch nicht bemerkt zu haben, schäkerten und produzierten einen Lärm an diesem frühen Morgen, der Link auf die Nerven ging. Er murrte angewidert und blickte in Richtung der Unruhestifter. Er lehnte sich auf seinem Platz zurück und erkannte neben Ian, dem aschblonden Viktor-Fanatiker, noch drei andere Schüler, mit denen er einige Fächer hatte. Er kannte nur die Vornahmen von den dreien, die da waren Sironimus, Wygard und Nolan, mehr wusste er nicht von den drei Burschen… und es interessierte ihn auch nicht sonderlich. Es war jedenfalls unschwer zu erkennen, dass alle drei hinter Ian herliefen, ihn anhimmelten wie ihre begnadete Gottheit und versuchten seine Dummheit zu übertreffen…

Link Augen blitzten in dem Moment in Richtung der vier Jugendlichen, als er den Namen Mondrik Heagen aus ihrer Konversation heraushören konnte. Ob Ians Bande vielleicht doch etwas mit dem feigen Angriff auf Mondrik zu tun hatte?

Einer der Burschen machte schließlich auf Link aufmerksam, worauf Ian sich zu ihm umdrehte und mit geschwollener Brust zu ihm hinübertrat. Er stützte seine lange Gestalt auf Links Tisch ab. Sein aschblondes, dürres Haar ließ Platz für kahle Stellen auf der Kopfhaut. Und überhaupt wirkte Ian heute noch unsympathischer als sonst.

„Was glotzt du so!“, sprach er dröhnend.

Entspannt lehnte sich Link zurück, ließ sich nicht provozieren, obwohl er unter anderen Umständen Ian wohl gerne wieder eine verpasst hätte.

„Bist du mittlerweile ein riesiger Streber, dass du so früh auf den Beinen bist?“, reizte Ian und funkelte den Heroen mit seinen rabenschwarzen Augen an.

Aber Link unterließ es darauf anzuspringen und gähnte. Er drückte die Hände an den Hinterkopf und blickte dem Anführer der schlimmsten und dümmsten Bande an der Schule zornig in die Augen.

„Hör‘ auf so zu glotzen!“, brummte Ian und erhielt Gesellschaft von seinen anderen drei Unterstützern, die Link umzingelten.

„Oder was?“, piepste der junge Heroe schauspielerisch. „Brichst du dann wieder in mein Zimmer ein?“ Link grinste und kurbelte seine linke Schulter. „Oh weh, der böse Ian, der eine Null im Schwertkampf ist, wird mich ganz übel und ganz bitter verprügeln“, piepste Link erneut, ließ seine Stimme ängstlich und kindisch klingen und amüsierte sich. Er schaute mit einer glanzvollen schauspielerischen Leistung in die Runde und zog eine dümmliche Grimasse. „Bei der Göttin des Mutes, Farore, ich hab‘ ja solche Angst!“

Wygard, der längste der Burschen und vielleicht der längste Kerl an der Schule, begann zu lachen, die beiden anderen wichen zurück. Die gesamte Schule wusste, wie talentiert Link in den meisten Fächern war und die wenigsten wollten sich mit ihm anlegen, jetzt, da er im Alleingang Dämonen vernichtet und bewiesen hatte, dass er sich Gefahren stellen konnte.

„Lass‘ gut sein, Ian… es hat doch keinen Zweck!“, sprach Sironimus, ein lachsfarbener Brillenträger und ein Abkömmling einer reichen Familie aus Hyrule, und seinen Stand kennzeichnend, trug er Goldketten um seinen Hals, Goldringe an beiden Händen und mehrere Ohrringe.

„Er hat uns zum Narren gemacht und beleidigt, findest du das etwa gut so?“, erwiderte der aschblonde Jugendliche und ballte die Hände zu Fäusten. „Nur weil er mittlerweile sowas wie der Held der Schule ist, heißt das noch lange nicht, dass er uns alle auf einmal besiegen kann!“ Die drei Jugendlichen in der Runde, die Mitglied von Ians Bande waren, schüttelten beinahe gleichzeitig ihre Köpfe und wanden sich ab. Mit offenem Mund blickte Ian seinen Freunden hinterher und ärgerte sich über seine eigene Dummheit. Keiner von den Burschen wollte sich mit Link anlegen, Hilfe konnte er in einer Prügelei von niemandem mehr erwarten.

„Du wirst dich noch wundern… namenloser Bastard, im neuen Trimester wird sich hier einiges ändern! Ich krieg‘ dein Geheimnis noch heraus, wetten?“, zischte der Ritteranwärter.

„Viel Spaß dabei“, lachte Link.

„Ich werd‘ dir irgendwann auflauern und dann bist du fällig!“, setzte Ian drohend hinzu.

„Mmh… etwa so wie Mondrik?“, entgegnete der unerkannte Held und erfragte auf geschickte Weise, was er wissen musste. „Was hast du angestellt?“, stellte er ihn zur Rede.

„Was soll das heißen?“ Irritiert verzog Ian sein langes Eselgesicht.

„Nun ja, Mondrik wurde von jemandem verprügelt, nicht wahr?“, meinte Link und erhob sich. Der Ernst in seinen Seelenspiegeln durchbohrte Ian wie ein Speer.

„Moment mal“, sprach er und schüttelte abwinkend die Hände. „Damit hab‘ ich nichts zu tun.“

„Sicher?“

Ian rülpste und kratzte sich unsicher am Hintern.

Link deutete auf das Schwert von Arn Fearlesst, das er an seiner rechten Seite trug. „Wenn ich zu Kämpfen gegen Moblins fähig bin, meinst du nicht, du solltest dich besser nicht mit mir anlegen?“

Er spuckte etwas Schleim aus seinem Mund und verschönerte damit den Steinboden.

„Wenn du etwas mit Mondrik angestellt hast, und ihm diese Wunden zugefügt hast, krieg‘ ich das noch raus, Ian!“, drohte Link. „Ich hätte dich für den Einbruch in meinem Zimmer anschwärzen sollen…“

„Tja, du bist halt zu gutmütig, Idiot…“, lachte Ian. „Dachtest du, ich lass‘ mich so einfach von dir einschüchtern?“

„Du kriegst noch dein Fett weg, Ian…“, knurrte Link wie ein Hund und ballte seine Fäuste.

„Das bezweifle ich. Warte ab, bis Oredun Morganiell in die Schule kommt. Dann vergeht dir das Grinsen und dein beschissener Ruf als Held der Schule ist erledigt!“

Oredun Morganiell… Mehrmals ließ Link den Namen über seine Lippen wandern und hatte für Sekundenbruchteile ein Bild von einem jungen Kerl mit überragender Schwerttechnik in seinen Gedanken. Irgendwie kam dem jungen Helden der Name auf eine sonderbare Weise vertraut vor, aber völlig unter einen Hut bringen konnte er das ihn beschleichende Gefühl nicht.

„Und ob du mir glaubst oder nicht, ich habe Mondrik nicht verprügelt und ich habe auch nichts mit seiner zerschnittenen Stirn zu tun… Frag‘ meine anderen Leute, auch die älteren Schüler und frag‘ Kieran von Irien, der wird dir das gleiche erzählen!“, brummte Ian noch und trat mit den Händen in den Hosentaschen zurück zu seinen Kumpels.

Zwinkernd schaute Link dem Tunichtgut Ian hinterher und erlebte eine Explosion von verwirrenden Verbindungen in seinem Kopf. Mit einem Mal dachte er an den Chadarkna, dachte an Kieran, der eine vernarbte Stirn besaß und von jenem Dämon geredet hatte und er dachte sofort auch an Mondrik Heagen, den wehrlosen Jungen, der das Opfer scheußlicher Taten wurde.

Sich ohrfeigen wollend rieb sich der Heroe die Stirn, blickte hinaus zu dem Innenhof, wo die älteren Schüler ihre Fechtübungen begannen, dort außerhalb, wo sich der Horizont allmählich hellgrau färbte. „Ich bin so dämlich! Warum bin ich da nicht eher drauf gekommen!“, rief Link erbost, rannte durch den Raum, sodass er einige Stühle umwarf und war im Handumdrehen aus dem Saal der Zauberkunde verschwunden.
 

Außer Puste hetzte der junge Ritterschüler die Wendeltreppe hinab, wühlte sich durch Schüler, die nach oben wollten und hatte nur noch das eine Ziel: Im Handumdrehen herausfinden, was es mit Kierans zerschnittener Stirn auf sich hatte. Ob es vielleicht nur Zufall war, dass auch Mondriks Stirn zerschnitten wurde?

Link war so in seine Gedanken versunken, dass er Will beinahe nicht bemerkte. Bepackt mit seiner Zauberschiefertafel stiefelte der Laundry mit Artus und Robin die Treppen hinauf und rief seinem besten Kumpel hinterher. Der junge Heroe bemerkte ihn und erklärte kurzangebunden. „Hey, Will, ich muss Kieran finden…“

„Wen?“

„Kieran von Irien, du weißt schon den dunkelhäutigen Kerl, der in Ians Gang ist, der aus einer höheren Jahrgangsstufe.“

Will blickte drein, als hatte er keine Ahnung von irgendetwas und meinte lediglich: „Aber der Unterricht fängt gleich an!“

„Das ist mir gleich… ich muss das jetzt herausfinden!“ Link wirkte unruhig und aufgeregt, als wäre er in ein Nest Riesenkillerbienen hineingeraten. „Es geht um Hyrules Sicherheit!“, setzte er hinzu und hielt weiterhin Ausschau nach den älteren Schülern, die im Innenhof trainierten. Kieran war sicherlich unter ihnen. Wenn er Kieran heute nicht mehr antraf, war es zu spät. Die Schule war ab morgen geschlossen!

Fassungslos und Link mit trübsinnigen, smaragdgrünen Augen musternd stand Will vor ihm. Er hielt ihn am Arm zurück, als er weitereilen wollte. „Hyrules Sicherheit?“, stutzte er. „Wieso?“

„Das erklär‘ ich dir ein anderes Mal, kannst du der Magierin sagen, ich verspäte mich?“

Will nickte verdutzt und blickte dem Heroen mit einem unguten Gefühl hinterher. Und als sich Link entfernte, inmitten der wenigen Schüler unterging, die in seine Richtung strömten, hatte der Laundry für wenige Sekunden das Gefühl, dass Link irgendwann verschwand, dass er erneut seinen Weg ging und in der Geschichte vergessen wurde. Ein Gefühl, das er nicht begreifen konnte, beschlich ihn, war es doch eher so, dass seine Schwester diese seltsamen Wahrnehmungen hatte. Er tat sein ungutes Gefühl als einen Nachhall schlechten Schlafes ab und stapfte hinauf in den Turm.
 

Die verschmähte Morgensonne warf hässliche gelbe Flecke durch die graue Himmelsdecke, ließ ein Feuer vermuten, das über den Wolken brannte. Ein Feuer, das auf die Ritteranwärter, die heißblütig außerhalb trainierten, überzugehen schien. Aneinanderprallende Schwerter und grobe Schritte trommelten einen heißen Rhythmus in den frostigen Boden. Der junge Heroe spürte das Feuer, so tosend, so mächtig und rufend, als wollte es ihn verschlingen. Es war hypnotisierend die Schwertfechter zu beobachten, ihre fließenden Bewegungen, die Gewalt der Waffen und den anheizenden Zauber zu spüren, der sich aus jedem Kämpfer nährte…

Und während sie sich duellierten, geschah es eher unabsichtlich, dass sich Link in den Mittelpunkt der Szenerie begab und auch seine Wahrnehmung für die Leidenschaft eines Kampfes geöffnet wurde. Rings um ihn herum duellierten sie sich, bildeten abstrakte Formationen, und er trat dort in den Mittelpunkt, wand sich mehrfach um seine eigene Achse, spürte Kühnheit und Macht, ein sonderbare Energie, die den Innenhof berauschend füllte. Da war die Herrschaft der Schwerter um ihn herum, erzwungen von Ritterschülern in stählernen, grauen Rüstungen, geebnet von jenen, die ihren Mut demonstrierten.

Aber in jenem Zirkel der machtvollen Kämpfer, die Magie und Raffinesse benutzten, konnte Link Kieran von Irien nicht ausmachen. Einem nach dem anderen sah der vergessene Held in die Augen unter dicken Stahlhelmen, aber es sah keine sandfarbenen Augen, die denen Kierans entsprachen. Einer der Burschen nahm seinen Held ab und zum Vorschein kam das hübsche Gesicht von Elyon Levias, dem Ritterschüler mit dem silbernen Haar. Jener Ritteranwärter hatte Link neulich im Speisesaal verteidigt. „Es muss einen Grund geben, dass du dich als Zielscheibe zur Verfügung stellst“, meinte er erheitert. Trotz der Eiseskälte liefen Schweißtropfen über Elyons ausgewogenes Gesicht.

„Ich suche Kieran von Irien, hat ihn jemand von euch gesehen?“, sprach Link erklärend. Erst jetzt schien er zu begreifen, wie dümmlich es ausgesehen haben mochte, dass er mitten ins Kampffeld spaziert war.

Elyon zupfte sich an dem spitzen silbernen Bart, den er besaß, und schien zu grübeln. „Ist es dringend?“, sprach er deutlich.

„Jap“, meinte Link ehrlich und spürte einige verächtliche Blicke in seinem Nacken. Es musste aus irgendeinem Grund merkwürdig aussehen, dass er ihn sprechen wollte. Einige Siebzehnjährige begannen zu lachen.

Elyon grinste ebenfalls, winkte Link hinterher und marschierte in seiner Soldatenrüstung in Richtung Haupteingang. „Gut, ich bring‘ dich zu ihm, aber ich hab‘ eigentlich was Besseres zu tun.“ Dankbar hetzte Link hinter Elyon hinterher, der sich auffallend leicht in seiner Rüstung bewegte.
 

Elyon Levias führte sie beide in Richtung der Katakomben der Schule, vorbei an den Latrinen, wo Hopfdingen den Tod fand, weiter hinein in die Tiefe, wo sich oftmals ältere Schüler in den dortigen, kalten Aufenthaltsräumen trafen. Der Silberschopf nahm eine Fackel von den Wänden, worauf Link es ihm gleich tat. Aber es wunderte ihn der Umstand, wohin sie sich begaben, beträchtlich. Denn sie tapsten hinab zu den einstigen Kerkern der Burg.

„Was willst du eigentlich von Kieran?“, meinte Elyon und seine glockenhelle Stimme, die so hell klang wie der Gesang einer Meerjungfrau, hallte durch die Gänge.

„Er hat Informationen, die ich für eine Sache benötige“, entgegnete Link und versuchte so wenig wie möglich zu verraten und keine schlafenden Hunde zu wecken. Er kannte Elyon kaum, wusste nur, dass er einer alten Ritterfamilie angehörte, sehr gut fechten konnte und ihn neulich im Speisesaal verteidigt hatte. Seine Familie besaß einige Seen in Lanayru, und das Geld jener Familie floss hauptsächlich aus der Fischerei und man munkelte sich, die Levias-Familie hatte Blut eines anderen Volkes als den Hylianern in den Adern.

Elyon, der silberhaarige Anführer der wohl besten älteren Ritterschüler, trat nickend vorwärts. „Es sollte mich wohl nicht interessieren, was du von ihm willst, aber du solltest nicht zu lange mit ihm allein sein. Es gibt einige Gerüchte über ihn… Und in diese Gerüchte willst du sicherlich nicht mit einbezogen werden.“ Elyon kratzte sich am Haaransatz, als wirkte er etwas hilflos.

„Welche Art von Gerüchten?“

„Nun ja“, murmelte Elyon verlegen, und schien gleichzeitig angeekelt zu wirken. „Er hat etwas andere Geschmäcker… wenn du verstehst.“

Link wackelte mit seiner Nase und verstand keineswegs. Er entschied sich mit den Schultern zu zucken und spürte, dass es besser war, sich mit diesen Themen nicht genauer auseinanderzusetzen. Und manche Umstände wollte er auch gar nicht zu genau wissen…
 

Es dauerte nicht lange und sie beide erreichten in der unendlich scheinenden, labyrinthischen Enge der Katakomben einen Bereich, wo einst Verräter und Feiglinge ausgepeitscht wurden und ihre Strafe absitzen mussten. Hyrule hatte seine Schattenseiten und weitaus mehr dunkle Zeitalter als in den Texten niedergeschrieben wurden…

Und je näher sie den Kerkern kamen, umso deutlicher klangen von dort Laute, die sich wie zischende Schlangen durch die Gänge bohrten. Laute, die in den Ohren stachen und sich mit jedem weiteren Schritt in der klirrendkalten Dunkelheit zu Schreien wandelten. Als ob verwundete Tiere hier wüteten, sprengte ein qualvolles Stöhnen unsichtbare Barrieren, die Geister zurückhielten. Elyon Levias deutete mit seinem rechten Zeigefinger vorwärts, ein Ausdruck des Mitleids in seinem milchig weißen Gesicht. „Nun geh‘ schon, Kieran hält sich meistens in der hintersten Zelle auf…“ Link nickte und trat vorwärts, obwohl er nicht vermuten wollte, was ihn hier erwartete. Er sah Elyon mit seiner Lichtquelle in den Gängen verschwinden, er rannte beinahe, als ob er sich hier in dem Gemäuer nicht sonderlich wohl fühlte. Link schluckte, spürte eine Gänsehaut über seinen Rücken wandern und teilte jenen Gedanken. Was Kieran von Irien hier in den verlassenen Kerkern trieb?

Link trat sachte vorwärts, zuckte zusammen bei jedem weiteren Schrei, der sich anfühlte, wie als wollte sich jemand damit schänden. Es waren keine reinen Schmerzschreie, eher ein qualvolles Japsen und Röcheln, vermischt mit einer Befriedigung, die den jungen Heroen erschreckte. Er tapste durch stehendes, dreckiges Wasser, spürte Spinnweben in seinem Gesicht und erkannte die Schreie als von der raschelnden Stimme Kierans stammend.

Da war Grausamkeit in allem, was der sonst so unauffällige bronzehäutige Kieran tat. Als Link verstand, was seine Augen benetzte, hatte sich der Iriensohn erneut geschändet. Unaufhaltsam drängte sich das Schauspiel vor Links Sinnen auf und ließ den Heroen erkennen, dass ein Hylianer noch weiter als er dachte, sinken konnte…

Mit einer knielangen Stoffhose bekleidet stand Kieran in einer frostigen Zelle. Sein Oberkörper war frei, aber nicht dies erschreckte Link in der Eiseskälte, sondern ein mit roten Striemen, blutig und nässend, vielleicht eiternd, übersäter Rücken und eine schwarze Peitsche aus Dodongoleder, die wuchtig in junges Fleisch gegraben wurde. Kieran verwundete sich selbst, knallte die Waffe mehrfach nieder und entließ mit jedem weiteren Schlag einen Schrei, der Knie zum Zittern brachte. Absichtsvoll versenkte sich die Peitsche in seinem Fleisch, zerstückelte ihn… brach ihn…

Mit offenem Mund und mitleidige Worte auf seiner Zunge stand Link daneben, wusste Kieran hatte ihn längst bemerkt, aber er unterließ seine Schändung nicht. Sein Rücken brannte wie Feuer, seine Hände waren aufgeschürft und doch konnte er sein Leiden nicht beenden. „Was willst du?“, stöhnte er zähneknirschend, als er die reißende Waffe kurz stoppte und sich stirngerichtet gegen die moosige Kerkerwand stemmte. Blut lief tropfend über seinen Rücken, der glänzte wie erdfarbene Juwelen, und sammelte sich an dem Bund seiner Hose, wie auch auf dem dreckigen Erdboden.

„Ich…“, murmelte der junge Heroe mitleidig, spürte tiefstes Bedauern für Kierans Situation.

„Sag‘ schon…“, brummte er mürrisch. Erst dann flackerten seine sterngelben Augen in Links Richtung und er erkannte den neuen Helden an der Schule, erkannte den blonden Burschen, mit dem er sich letztens unterhalten hatte. Schambleich wendete er sich ab.

„Du bist in Ians Bande…“, meinte Link leise, nicht sicher, ob er vielleicht wieder gehen sollte. Es war nicht schwer wahrzunehmen, wie wenig Kieran bei dem, was er tat, nach Gesellschaft verlangte.

„Ja… bin ich…“, murrte er unter seinen brennenden Wunden. „Du wirst nicht… hierhergekommen sein, um mich das zu fragen…“

Link verstummte und schüttelte den Kopf. Kieran hatte überall am Körper Narben, nicht nur auf der Stirn, wie er angenommen hatte. Vielleicht hatte er sich auch die Wunden an der Stirn selbst zugefügt und jene Narben hatten nichts mit dem Angriff auf Mondrik zu tun.

„Erschreckt dich das, was ich tue, nicht?“, fragte er und rieb mit den Händen an dem gerillten Griff der Peitsche entlang. Link nickte, spürte eine Abweisung von Kieran ausgehend, die ihn verstehen ließ, wie es auf andere wirken musste, wenn er selbst kühl und abweisend war… und wie dies auf seine Prinzessin gewirkt haben musste.

„Wenn du nichts weiter zu sagen hast, geh‘, ich bin hier noch nicht fertig, verschwinde gefälligst! Ich werde nichts mehr sagen!“, zürnte er, schien nicht bereit eine Unterhaltung mit Link zu führen und machte sich für weitere Schläge bereit. Link ignorierend begann er sein tödliches Folterinstrument erneut zu schwingen.

Aber er hatte nicht mit Anteilnahme und einer Geste der Freundschaft gerechnet, die ihn in seinen Taten verändern würde. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ihn jemand an seiner eigenen Schändung hindern würde.

Mut und Mitgefühl wechselten sich ab in Links tiefblauen Augen, als er Kieran in seinem Wahn stoppte. Er fing die Peitsche mit der bloßen Hand ab. „Deine Wunden ändern nichts an der Vergangenheit… Sie machen dich nur schwach…“, sprach der Heroe und ließ einen Funken seines wahren Gesichts an die Oberfläche. Er wurde geboren zu beschützen und zu retten… und er war in der Lage Mitgefühl zu zeigen. Ja, unsterbliches Mitgefühl war eine Gabe, die in einer grausamen, kriegsträchtigen Zeit nur wenigen eigen war. Und es erforderte Mut Mitgefühl zu zeigen.

„Meine Schwäche erdulde ich gerne…“, hauchte er über seine Lippen, die nach Blut schmeckten.

„Niemand hat es verdient so bestraft zu werden…“, entgegnete Link.

„Das ist richtig… niemand außer mir…“ Es war wie, als glitzerten schwefelfarbige Tränen in seinen katzengelben Augen.

Als er erneut zuschlagen wollte, riss der Held die Peitsche dem überraschten Ritterschüler flink und gewandt aus der Hand. „Wenn du Vergebung willst, für das, was du als Hylianer getan hast, dann suche sie in Taten für andere, nicht in eine grausamen Selbstverstümmelung. Dies sehen Götter nicht als Abbüßung… Was du tust, ist feige.“

Kieran sackte auf die Knie. Seine blutbesudelten Hände sanken in eisiges Wasser, das nicht wusste, wie helles Tageslicht verbrennen konnte. „Aber ich habe Dinge getan, mit denen ich nicht leben kann…“, bibberte er und drückte seine blutbeschmierten Hände ins Gesicht.

„Und deshalb glaubst du mit selbstverstümmelnden Handlungen leben zu dürfen?“

Schockiert sah der verwaiste Rittersohn auf und zuckte ungewollt mit seinem Kopf. Erneut machte sich sein Tick bemerkbar.

„Unsere Welt ist nicht gerecht… und Hyrule funktioniert auch nicht nach unseren Vorstellungen von Belohnung und Bestrafung. Das einzige, was wir tun können, ist so zu leben, dass wir nichts bereuen müssen. Und für dieses Leben hat jeder von uns eine Chance verdient, selbst wenn wir dies oftmals nicht sehen können… selbst ich nicht.“ Er gestand sich ein, dass auch er an diesen Worten gezweifelt hatte, viel zu lange. Und doch keimte da eine friedvolle Hoffnung in ihm, die ihn befähigte Kieran, ganzgleich welches Herz in seiner Brust schlug und welche Teufeleien er auch plante, zu heilen. Er kannte ihn kaum, aber Anteilnahme und Güte hatte jedes Herz verdient…

„Nichts geschieht ohne Grund…“, flüsterte Link, als Farore in Abbild ihrer Macht, auch den Jungen mit den mildtätigen Worten belohnte. Das Fragment des Mutes pulsierte, leuchtete herzerwärmend und reinigend, drang wie glühende Lichtstrahlen durch die Gänge und reinigte Blut, reinigte Wunden und reinigte ein verzweifeltes Herz…

Mit Tränen in den Augen erhob sich Kieran, blickte den goldenen Strahlen hinterher, die ihm erschienen wie Feen, Lichtwesen, die seine Schuld wegtrugen. Er trat zögernd und schwankend vorwärts und erstaunte. Das erste Mal seit vielen Jahren fühlte er sich warm und friedvoll.

„Warst du das?“, murmelte er blinzelnd, gerade da, als die Lichtstrahlen erloschen.

Link begann ein wenig zu lächeln, auf eine Weise, die er lange nicht erfahren hatte und hatte keine Ahnung von den weitreichenden Konsequenzen, die sein Handeln ermöglichte. Aber er entschied, dass sein Tun richtig war… Er bedeckte seine linke Hand und war sich sicher, dass Kieran das Fragment nicht bemerkt hatte.

„Geh‘ hinaus ans Tageslicht und trainiere mit deinen Kameraden“, meinte Link und hatte den eigentlichen Grund seines Erscheinens beinahe vergessen.

Kieran nickte, zog sich schmerzverzerrt ein Leinenhemd über und warf sich außerdem einen graumelierten Umhang über die Schultern. „Jetzt verstehe ich, wie du diesen Aufsatz über Arn Fearlesst schreiben konntest“, sprach er leise. „Du hast ein reines Herz…“ Dann sah er auf und schien Link mit seinen gelben Augen zu durchbohren.

„So rein ist es nicht mehr“, murmelte der Heroe widerwillig. Auch er hatte Blut an seinen Händen, edles Blut, unsterbliches Blut…

Kieran wischte sich ein paar Tränen aus den Augen und schien erst jetzt, als seine Trance aufgehoben war, zu spüren, wie eiskalt es hier in diesem Kerker war. Er rieb sich die Arme und zuckte erneut ungewollt mit seinem Kopf. „Danke…“, sprach er und verbeugte sich vor Link. Jener sah drein wie ein Gespenst bei der ehrerbietenden Geste und zwinkerte verdattert. Er kratzte sich am Kopf, sah den schwarzhaarigen Jungen auf wackligen Beinen vorwärts trotten, als ihm noch etwas einfiel.

„Kieran, warte kurz…“ Link trat hinter ihn, wollte unbedingt seine Antworten. „Eine Sache noch. Warum bist du in Ians Gang?“

„Tja… Es ist auch nur eine Strafe“, erwiderte der Iriensohn trübsinnig.

„Und deine vernarbte Stirn?“, meinte Link neugierig. Seine Augen schillerten mit aufrichtigem Wissenswunsch. „Hast du dir dies selbst zugefügt… oder…“

„Ich sag‘ nur eines…“, unterbrach er den Blondschopf. Er winkte Link zu sich, trat näher und näher, bis seine Lippen sein rechtes Ohr beinahe berührten. Ganz schwach murmelte er ein zögerliches Wort in Links Gehörgänge. „Blutschatten…“, hauchte er und fürchtete sich zugleich.

„Blutschatten?“, stutzte Link und zupfte sich an seinem Kinn. „Du meinst… die Geschundenen der Macht haben dir das angetan?“ Innerlich kochte der Heroe vor Erstaunen. Er war seinem Gespür gefolgt, hatte seine Sinne geschärft und nun endlich einen Anhaltspunkt. Wenn Kieran von ihnen angegriffen wurde und dabei seine Stirn zerschnitten wurde, mit welcher Absicht auch immer, war mit Mondrik vielleicht ähnliches geschehen.

„Du hast es nicht gehört… Blutschatten…“ Kieran überschlug sich vor Angst mit seiner hellen, beinahe hohen Stimme. Er schaute nach links und nach rechts, als befürchtete er beobachtet zu werden. Er führte einen Zeigefinger an seine blassen Lippen und wackelte noch extremer mit seinem Kopf, zuckte nervös immer wieder nach links. „Bitte schweig“, bat er inständig und verbeugte sich noch einmal mit gefalteten Händen.

Link spürte, welche Angst der Gedanke in Kieran verursachte und hatte keine Wahl als seinen Wunsch zu folgen. Er würde schweigen… vorerst. Aber er würde mit diesem Wissen arbeiten.
 

Link rannte hektisch die lange, hellerleuchtete Wendeltreppe hinauf, wo sich das kristallene Sonnenlicht ergoss, und starrte die große Uhr am Deckengemälde an und fragte sich, wo die Zeit hingelaufen war. Von dem neunzigminütigen Unterricht der Magierin, einer besonderen Magierin wohl gemerkt, die heute erscheinen würde, waren bereits dreißig Minuten verstrichen. Er machte sich bereit für das Donnerwetter seines Lebens, spürte seinen Herzschlag bis in der Kehle, während er schnaufend die runde Holztür zu der Turmspitze öffnete. Es quietschte herb, produzierte einen Laut, den Link innerlich verfluchte. Als er aber seinen strohgelben Kopf durch den Türspalt steckte, die Schüler diskutierend auf den Bänken sitzend oder an den Fenstern stehend sah und kein Lehrpersonal entdeckte, lachte er selbstverliebt in sich hinein. Zufrieden trat er in den Raum, schloss die knarrende Tür unauffällig und huschte zu dem Sitzplatz neben Will. Freudlos lag der hellbraune Schopf des Laundry auf dem Tisch und seine Augen waren fest verschlossen. Er wackelte mit der Nase und öffnete die smaragdgrünen, listigen Augen, als Link einige Pergamentblätter aus seinem Rucksack nahm.

„Beim Triforce, dass du nur immer so ein verdammtes Glück haben musst!“, raunte er und grinste sogleich. „Wir warten schon eine halbe Stunde auf die Magierin. Artus hat Sir Viktor Bescheid geben wollen, der war aber wieder mit anderen Dingen beschäftigt und sagte lediglich, wir sollten die Zeit hier absitzen und warten.“

„Das ist ja mal wieder typisch Viktor…“, murmelte Link, aber er war nach dem Gespräch mit Kieran so zufrieden endlich eine Spur zu haben, dass ihm heute sicherlich nichts die Laune verderben würde.

Will stemmte den hübschen Kopf an seiner Rechten ab und blickte seinen Kumpel neugierig an. „Sag‘ schon.“

„Was meinst du?“

„Was wolltest du von Kieran und was sollte dieses Gefasel über Hyrules Sicherheit?“

Link seufzte und versuchte auszuweichen, aber Will wusste mittlerweile zu viel über ihn… und er ahnte garantiert, dass er der Held der Zeit war.

„Du brauchst dich jetzt nicht dumm zu stellen“, murrte der Laundry und ballte beide Fäuste. Mit einem geschauspielerten Todernst schaute er seinen besten Freund in die mutigen Heldenaugen.

„Will…“, murmelte Link, biss sich auf die Unterlippe, als sich der Laundry erhob. Er tapste zu dem Fenster, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und fixierte seinen Kumpel mit Zweifeln.

„Ich kann es dir nicht erzählen“, meinte Link aufrichtig.

Will atmete geräuschvoll aus, aber schien nicht enttäuscht zu sein. Er hatte seine typische gutmütige Grimasse aufgelegt und lächelte verständnisvoll. „Ist doch in Ordnung“, sprach er. Er wartete auf eine Reaktion seines besten Freundes, die aber ausblieb.

Denn Link fixierte mit scharfen meerblauen Augen einen schwarzen, sich bewegenden Punkt außerhalb. Etwas scheinbar Großes flog mit hoher Geschwindigkeit in Richtung der Schule, hob sich deutlich vom hellerleuchteten, weißen Firmament, das wirkte wie ein Teppich mit blauen Flecken, ab. Aufgeregt sprang Link auf, schupste Will zur Seite und lehnte seine Hände gegen die Fensterscheibe. Er vermutete, dass es ein Drache war, obwohl er wusste, dass jene Wesen in Hyrule kaum mehr gesichtet wurden. Auch die anderen Schüler bemerkten die faszinierende Erscheinung am Himmelszelt und begannen zu diskutieren. Und das fliegende Objekt näherte sich weiterhin, glitt entspannt durch die Lüfte, segelte auf unsichtbaren Bahnen über die Welt. Und je näher der schwarze Punkt kam, umso mehr konnte Link erkennen, dass es sich weder um einen Drachen, noch sonst um ein bloßes Tier handelte.

Dort oben, wo der Horizont weit war und die Welt wehrlos zu Füßen lag, schwebte eine bekannte, dickliche Hexe näher, hatte sich in einen riesigen Raben mit kohlenschwarzem Federkleid verwandelt und nur ihr mit Warzen bedecktes Gesicht war menschlich geblieben. Sie lachte, segelte in einem wahnsinnigen Tempo vorwärts und steuerte gerade jenes Fenster an, an welchem Link nach außen blickte. Sie lachte und noch ehe der Heroe verstand, was sie vorhatte, grinste sie makaber und plumpste mit ihrem Affenzahn durch das dicke Glasfenster und erwischte den blonden, heldenhaften Ritterschüler unsanft. Ihr wieder einmal spektakulärer Auftritt kam schnell und unerwartet und mit einer zerberstenden Scheibe, die ihre Splitter in den gesamten Raum verteilte und eine herbe Brise eisiger Winterluft nach innen stieß.

Link hatte nicht einmal die Gelegenheit sein Gesicht zu verziehen oder zu schreien, als er von ihrem schweren Gewicht begraben wurde. Kaum sichtbar, mit flimmernden Sternen vor den Augen, diente er breit und platt als Landungsbahn für Undora, jener Magierin, die die Schüler am Beginn ihrer dritten Jahrgangsstufe begutachtet hatte. Sie lachte geifernd und erhob sich nur schwerfällig, schüttelte sich, bis ihr Federkleid verschwand und sich in eine schwarze Robe verwandelte. Sie ignorierte ihren vermeintlichen Retter Link, der ihr eine bequeme Landung ermöglicht hatte, und blickte mit ihren katzenartigen Augen, welche rasch die Farbe wechselten, im Raum umher. Sie rieb sich die schrumpeligen Hände und begrüßte die überforderten Ritterschüler freudig. „Oh oh, ich bin zu spät. Ist das zu fassen, nein, ich bin zu spät. Die Hälfte der Stunde ist vorbei und ich bin zu spät!“ Sie stieg über den am Boden liegenden, quengelnden Link darüber, schien irritiert, weshalb er am Boden lag.

Er richtete sich etwas auf, klopfte sich an seine Stirn um zu überprüfen, ob er noch heil war und sich das gerade nicht eingebildet hatte und sah Undora, die Magierin, sich wackelnd zu dem Lehrerpult begeben. „Hexen machen mich einfach fertig“, quengelte er und erinnerte sich, dass er bei seinen Abenteuern niemals gut auf Hexen zu sprechen war. An Sexy Thermo Hexy wollte er gar nicht erst denken… Und selbst beim Fest der neuen Ritterschüler hatte Undora nicht mit der Wimper gezuckt ihn zu ärgern und bloß zu stellen.

Will half ihm auf die Beine und führte ihn kichernd zu seinem Sitzplatz. „So viel zur Sicherheit Hyrules“, lachte er und erhielt von Link einen giftigen, belehrenden Blick. Er wetterte: „So viel wohl eher zu meinem Glück“, worauf der Laundry weiterhin grinste.

Undora rückte eine sechseckige Lesebrille auf ihre krumme Hexennase und richtete ihren schwerfälligen Körper auf, sodass es widerlich im Rückgrat knackte. Das Knirschen ihrer Gelenke schien den Schülern mehr auszumachen als ihr. Es klang wie, als rieb man Schiefertafeln aneinander, folterte die Gehörgänge auf eine fiese Art und Weise. Allesamt steckten sich die Burschen die Finger in die Ohren und verzogen die Gesichter, als saßen sie auf Dekubienen.

„Meine werten Schüler“, quietschte ihre uralte Stimme, als wären ihre Stimmbänder eingerostet. Niemand konnte sagen, ob sich das Knacken ihrer Gelenke oder ihre Stimme schlimmer anhörte und anfühlte. „Heute an diesem letzten Tage, dann, wenn das erste Trimester sich abschließt, und die Zauberei in euren Hirnen geboren werden soll, erscheine immer ich. Nur aus diesem Grund bin ich hier, werde euch den einen wundervollen und mächtigen Zauber näherbringen, euch einweihen in eine verborgene Kunst, die eure Seelen ruft und stärkt. Heute erhaltet ihr die Einweihung in die Meditation der Farore, obwohl Meditation vielleicht ein falscher Begriff dafür ist… es ist eine absichtsvolle Reise, tollkühn, in die Welt von Farore…“

,Sie würde heute die Meditation der Farore lehren?‘, dachte Link. Aber er wusste doch schon in etwa, wie es funktionierte… er hatte es nur aus Bequemlichkeit nicht mehr versucht. Und da fiel ihm ein, dass es ja Undora war, die den Auftrag an Nicholas ihm diese Meditation unbedingt nahezulegen, übermittelt hatte.

Die Magierin kratzte einige Laubblätter aus dem schneeweißen Haarbüschel hervor, der wie ein Nest ihren Kopf bedeckte, nahm einen tiefen Atemzug und ließ jene verwelkten, bunten Blätter durch den eiskalten Raum schweben. Sachte flatterten sie zu dem zerstörten Fenster und als sie dort zu Boden rieselten, und Link, der nicht weit weg saß, die Blätter beobachtete, verwandelten sich diese in kleine bunte Strichmännchen, die hastig die vielen Scherben auflasen und mit reiner Magie an das Glas hinaufkletterten und die Scheibe erneuerten.

„Boah… das ist erstaunlich!“ William Laundry war fasziniert und angetan von Undoras Zauberkünsten. Vielleicht würde sie heute noch weitere Magie vorführen.

Und als die Scheibe wieder ganz war, die kleinen Blätterwesen ihre Arbeit getan hatten, hüpften sie zurück zu ihrer Meisterin, kletterten an ihrem kohlrabenschwarzen, kratzigen Umhang hinauf und verschwanden in ihrem schneeweißen Haar.

„Seit über einhundert Jahren verleihe ich die Meditation der Farore den Mutigen, den Furchtlosen und den Tapferen. Und es ist mir immer wieder eine Ehre.“ Sie lächelte breit, schien höchst erfreut hier sein zu dürfen und sah von einem Schüler zum anderen. Ihre glimmenden, winzigen Augen wechselten erneut die Farbe… sie schien die Schüler mit ihrer Magie abzugleichen. Zumeist waren ihre Augen kupferbraun… bei einigen waren sie blau… nur, als sie Link fixierte, mit einer erstarrenden Haltung, waren ihre Augen wiesengrün.

„Mann, seit hundert Jahren…. Wie alt wird Undora wohl sein?“, flüsterte Will.

„Wie alt ich bin?“, fragte sie laut und eindringlich, als hätte sie ihre Ohren überall im Raum.

Rotwerdend sank Will an seinem Platz zusammen und sah betreten weg.

„Ich bin 169 Jahre alt… hab‘ ich mich nicht gut gehalten?“ Sie knackte erneut mit ihren Gelenken und die Schüler gaben eine erwartete, verzweifelte Zustimmung, brüllten quälerisch und hielten sich die Ohren zu. Sie kicherte siegreich. „Heute seid ihr aber nicht hier um alt zu werden, sondern um die Einweihung einer Kunst zu erleben, die euch nicht nur im Kampf, sondern in der Entwicklung eurer Fähigkeiten weiterbringt und eurem Lebensziel näherbringen kann. Ihr werdet einen Zauber lernen, der kein Zauber und gleichzeitig der stärkste Zauber ist, den eine Magierin lehren kann. Die Kenntnis um einen Pfad in eurem Schicksal!“ Sie erklärte mit Begeisterung, drehte sich im Raum, spürte ihre Magie überall leben und atmen.

„Die Meditation der Farore ist etwas, das man nicht beschreiben oder in ein Lehrbuch pressen kann… man kann sie nur erfahren… Sie ist ein Werkzeug und arbeitet mit der Kraft des Mutes.“ Sie machte eine kleine Pause in ihrem Redeschwall und blickte erneut in der Runde umher. „Erst nächstes Trimester werdet ihr jene wundervolle Trance üben… aber der Zauber braucht Zeit zum Atmen… ich darf euch heute alle verhexen!“ Ängstlich blickten sich die jungen Burschen gegenseitig an. Magie war ja eine interessante Geschichte, aber wer wollte sich schon von einer durchgeknallten Person wie Undora verhexen lassen?

Sie rieb sich die von Warzen übersäten Hände. „Ihr müsst lernen in eine Welt einzutauchen, in der ihr die Krieger in euch findet… einige von euch sind bereits initiiert worden… ein anderer Teil eher nicht…“

Sofort glitt Wills Arm in die Höhe. „Was bedeutet das?“, warf er ein.

„Mmh… Initiierung… mmh…“ Sie starrte den neben Will sitzenden, grübelnden Link an und wechselte ihre Augen erneut zu einem giftigen Grün. „Du!“, rief sie. „Du weißt es, was ist eine Initiierung?“ Alle Augen fielen auf Link, der den Kopf schüttelte erneut im Rampenlicht zu stehen. Schwach sprach er: „Es ist ein Ritus, der uns in eine neue Gemeinschaft aufnehmen soll… und dafür braucht es manchmal die Begegnung mit dem Tod.“ Er konnte Undora von vornherein nicht leiden und ihre Art und Weise ihn in den Unterricht einzubinden, trugen nicht gerade zu einer Verbesserung seiner Ansicht bei. Ihm kam ihr Unterricht wie ein riesiges Theaterspiel vor!

Undora klatschte mehrfach in die Hände, und während sie klatschte sprudelten Seifenblasen in allen Regenbogenfarben aus ihren Händen. „Ja, das ist es… eine Seele muss erst Schmerz, Angst und Elend kennenlernen um ihren Schliff zu erhalten. Wie wahr! Einen Bonuspunkt an den Burschen mit der grünen Aura. Und ich erinnere doch gerne daran, dass ihr euch bei mir auch einen Rang erarbeiten könnt.“ Sie zwinkerte dem unerkannten Heroen entgegen.

Ratlos und begriffsstutzig blickten sich die fünfzehnjährigen Burschen an und fürchteten sich beinahe vor Undoras Absicht sie heute allesamt zu verhexen.

„Aber ist das nicht gefährlich?“, kam eine Wortmeldung von Artus McDawn, dem dieses Spielen mit seiner Seele nicht gefiel. „Wir sollen alle Angst und Schrecken durchleben in einer Trance?“

„Mmh… ja, nicht ganz so… so ähnlich… aber ja, das sollt ihr.“ Sie machte eine kleine Pause, wackelte mit ihrer krummen Warzennase und rieb sich ihr rechtes Ohr. Sie zog ein kleines Blättermännchen aus ihrer Ohrmuschel. „Oh, das hat gekitzelt… mmh, es könnte sein, dass ihr den Weg nicht mehr findet, oder… verrückt werdet!“, schnalzte sie laut. „Aber das wird schon nicht passieren, ich hatte höchstens fünfzig Schüler, die durchgedreht sind.“ Sie winkte ab, spielte es herunter und machte die Burschen damit noch nervöser. Ängstlich tauschten sie Blicke der Skepsis aus.

„Ihr habt sowieso keine Wahl euch das auszusuchen, ihr müsst die Reise in jene geistigen Sphären lernen, ob ihr nun wollt, oder nicht.“ Sie wirkte übereifrig mit ihrer absurden, aufgeweckten Magie, schien liebevolle Absichten den Schülern gegenüber zu haben. Jedoch… Vertrauen in Undoras Fähigkeiten war eine ganz andere Geschichte.

„Lasst euch nicht beirren, es ist in Ordnung Angst zu empfinden, sie ist ein Katalysator, ein Treibmittel für eure Kraft.“

Ein weiterer Schüler hob seinen Arm. „Aber das, was ihr mit uns vorhabt, klingt so einschüchternd, wir haben alle zu viele Fragen zu jener Magie.“

„Es gibt immer wieder Fragen, die man sich als bewusstes Wesen stellen sollte…“, erwiderte sie. „Fragen wie jene, warum wir kämpfen müssen und wohin dies führen soll… Fragen des Seins… Über den Eintritt in geistigen Sphären gelangen wir zu einer einzigartigen Macht über das, was wir Leben, Bewusstsein und Zeit nennen… Ihr könnt eintauchen in die Vergangenheit, in die Zukunft und vielleicht in Dinge, die ihr vergessen habt…“ Dabei funkelten ihre Augen, erneut giftgrün, in Links Richtung. Ihre Stimme wurde weich und klirrend, wie eine Klangschale…

,Dinge, die ihr vergessen habt‘, schallte es in Links Gedankengängen nach. Wie zerberstendes Kristall splitterten die Worte durch seinen Kopf, rupften an einer Barriere, die ihn schützen sollte und die er sich vielleicht selbst auferlegt hatte.

,Dinge, die du vergessen hast und vergessen wolltest…‘, klirrte es, als brachen überall in Hyrule Glasscheiben, als ging eine gläserne Welt zu Bruch.

Er verkrampfte sich auf seinem Sitz, sein Körper stand unter glühender Energie und in seinem fiebrig roten Gesicht blitzte vergangener Schmerz herauf. Da war Folter in seinen Gedanken, in seinem Herz… und in seiner Vergangenheit. Für einen Bruchteil entehrender gestohlener Zeit sah er einen Turm in einer fernen Dimension, wo riesige Bestien aus erstarrtem Gestein als Abbilder aller Völker wachten. Dort war es finster und grausam, glühend heiß und bösartig kalt. Dort war das Böse und die Wahrheit.

„Nana, mit Magie spielt man nicht“, riss ihn eine wie Schmirgelpapier klingende Stimme aus den Gedanken. In einem Wimpernschlag trat die lehrende Hexe mit ihrem runden Erscheinungsbild vor Link und rückte so nah an sein Gesicht, dass er ihren fauligen Atem riechen und ihre gelblichgrünen Zähne sehen konnte. „Und besonders bei dir kann ich sehen, dass du kurz davor stehst, magische Attacken einzusetzen. Du bist wütend… wohl eher auf dich selbst … aber auch hoffnungsvoll, mmh. Du hast versagt… ich kann es in deiner Aura sehen, da brodelt Aufregung in dir, weil du etwas herausgefunden hast.“ Bitterböse funkelte Link in ihr faltiges Gesicht und machte mit einem Blick seiner tiefblauen Augen deutlich, was er von ihrem Gerede hielt. Aber erst jetzt verstand er wahrlich, dass niemand sonst die Worte gehört hatte. Undora hatte sich telepathisch in seinen Kopf geschlichen.

„Newhead hat den Zauber an dir bereits ausgesprochen, nun wollen wir einmal schauen, wie es funktioniert. Und es ist richtig, was du vermutest… wenn du diese Seelenreise absichtsvoll meisterst, kannst du deine Amnesie ergründen…“ Damit wand sie sich ab und ließ einen schwitzenden jungen Burschen in weiterer Verwirrung zurück. Er sah käseweiß aus, als näherte sich ein neuer Krankheitsschub, den er aber mit gewaltvollem Erfolg zurückdrängte. Sein Atem ging rasch und zwei feine Adern in jeweils einem Auge waren geplatzt. Es sah aus, als weinte er Blut…

Will hatte seine listigen grünen Augen sofort wieder dort, wo der Heroe sie nicht haben wollte und bemerkte den kränklichen Zustand seines Freundes. „Hey, Link! Geht es dir gut? Deine Augen sind blutunterlaufen“

Der angesprochene Bursche hob beschwichtigend seine Hände und biss sich auf die Unterlippe. Er rieb sich die Augen, bis es wieder ging und wollte nicht schon wieder Mitleid von seinem Kumpel. Er winkte ab und starrte aus dem Fenster, als Undora weitere Erklärungen anstimmte.
 

Alsdann breiteten die Schüler inmitten des Raumes Decken aus, schoben die Bänke an die Turmwände, alles streng nach Anweisung der Hexe, und nahmen im Schneidersitz auf den Decken Platz. Sie wies die Ritterschüler an sich zu sammeln, die Augen sanft zu schließen und ihren Atem gleichmäßig und fließend werden zu lassen.

Der Zauber würde kommen mit Ruhe und Besonnenheit. Der Zauber würde seinen Weg finden mit Konzentration und Absicht. Der Zauber erstarkte im Bunde…

Ihre schrille Stimme nahm ein eigenartiges Säuseln an, ein reinigendes Zischen wie jenes einer Schlange, das eine Gänsehaut verursachte. Und als sie spürte, dass die Zeit reif war, bewegte sie ihre schrumpeligen Hände in ehrfurchtsvollen Bewegungen durch die Luft, erschuf ein smaragdfarben funkelndes Dreieck, das sich vervielfältigte und lautlos, aber mit spürbarer Magie zu jedem einzelnen Schüler wanderte. „Gut, dann könnt ihr alle jetzt mit Magie spielen!“, jubelte sie. „Farore, da du bist in deinem Haus über den Wolken, schenke den auserwählten Jünglingen deine Gnade, deine Güte und Tapferkeit. Dein Weg soll unser sein. Dein Ziel liegt vor uns. Dein Zauber lehrt uns. Wir sind deine Behälter, fülle uns mit deinem Mut…“ Und als ihre tranceverstärkende Stimme kraftvoll anschwoll, legten sich die vielen Dreiecke erforschend und bemächtigend auf jede einzelne Stirn der besorgten und doch neugierigen Ritteranwärter. Allen, außer bei Link, dem diese Gunst bereit gewährt wurde…

Es begann eine lodernde Fahrt des Mutes, eine Achterbahnfahrt in vergessene Seelenstrudel dort in den Herzen von jedem einzelnen Jungen. Allesamt waren sie verhext, und angespannt. Einige konnten die Konzentration nicht halten, wurden nervöser und sahen, spürten, rochen und hörten nichts… die Wahrnehmung war eine komplizierte Geschichte. Manch einer war bereit und ein anderer noch lange nicht… Einige sahen Bilder aus ihrer Vergangenheit, ein andere spürte reinigende Magie. Ein Dritter roch beißenden Rauch, wo keiner sein konnte. Ein vierter hörte die lieblichen Feen des Wasserreiches singen… Die Trance, geführt von einer göttlichen Instanz, führte sie alle auf einen Weg und doch war jeder Weg ein anderer. Alles war richtig, auch das, was nicht passierte…

Nach wenigen Minuten öffnete der erste Ritterschüler seine Augen, blickte im Raum umher und hatte scheinbar die Geduld verloren. Weitere folgten. Auch Artus und Robin gaben auf oder konnten mit dem, was sie wahrgenommen hatten, nichts anfangen. Neugierig blickten sie in die Runde, wo einer nach dem anderen aus der seltsamen Tranceübung ausstieg. Auch Will verließ den Zugang zu seinem Unterbewusstsein oder einer Welt fern abseits und er konnte mit dem, was er erfahren hatte, kaum etwas anfangen. Er erinnerte sich lediglich an eine Schlacht und dort zogen Drachen vorüber, zumindest dachte er, dass es Drachen waren. Denn gesehen hatte er noch keinen…

Dann allerdings geschah etwas Merkwürdiges, etwas, dass den jungen Laundry nun doch an den Sinn dieser Tranceübung Glauben ließ. Er blickte zu Link, der noch immer tief in Trance ruhte, völlig entspannt schien und unter seinen Augenlidern bewegten sich seine Seelenspiegel rasend. Er war mittlerweile der letzte, der meditierte, sein Atem ging langsam und gleichmäßig. Er ließ sich von allen, die ungeduldig auf ihn warteten, nicht beirren.

Und es war dann, dass Will etwas sah, was nur seine in Magie begabten Augen erfahren konnten. In der Unsichtbarkeit dieser Welt ruhten heilige Gesetze, etwas so Verborgenes, das nur göttlich sein konnte. Und in jenen Sekunden wurde er Zeuge jener alten, in der Welt schlummernden Wahrheiten.

Will stotterte, und in seinen giftgrünen Augen zündeten sich Feuer einer neuen Wahrnehmung. „Krass…“, hauchte er über die Lippen und erhob sich. Träumerisch huschten seine Augen von einem Punkt des scheinbar leeren Raumes zum nächsten. Da waren unzählige grünlichgolden schillernde Wolken, die an dünnen Seilen an Link angenäht schienen. Sie nahmen die staubige Turmspitze völlig ein, tanzten, bis sich aus den Wolken Bilder erhoben. Umrisse bildeten sich, verschiedene Grün- und Goldtöne zeigten Wesen und Orte, leidenschaftlich und von ungeheurer Beständigkeit. Will traute sich nicht wegzublicken, als die Lichtwesen begannen sich zu bewegen. Und in dem Rauch erkannte er Gesichter, Lichtwesen und Kreaturen mit glühenden Augen. Da war ein riesiger Golem aus funkelndem Gestein in dem Rauch und Link, der wirkte wie ein Zwerg, aber sein Wille war todesmutig und pulsierend. Mit einem Schwert in seiner Hand sprang er und kletterte an dem Wesen hinauf, zerfetzte mit gnadenloser Wucht einen Arm der riesigen Kreatur. Dann zeigte der Rauch ein neues Bild… es war wieder ein Kampf. Erneut sah er den Helden im grünen Gewand kämpfend gegen eine riesige Schlange mit nur einem Auge…

Und plötzlich zerbrachen die Bilder und Will stand mit gläsernen Augen inmitten des Sitzkreises. Schleunigst nahm er wieder Platz, kam sich vor als hätte er seinen Verstand verloren. Was war das gerade eben?

„Du hast es gesehen, Laundryjunge…“, flüsterte es säuselnd. Rasch wanderte Wills pochender Schädel zu Undora, die die Lippen nicht bewegte. Sie sprach telepathisch und ihre Augen färbten sich das erste Mal glühend rot. „Das kannst du gut, weil Magie in deinem Blute steckt. Du bist begabt… lass‘ es zu. Sperre dich nicht dagegen wegen den unheimlichen Fähigkeiten deiner Schwester…“ Verstört sah er zu Boden.

Und gerade da kam Link zur Besinnung, streckte sich und gähne. Er fühlte sich, als hätte er einige Stunden geschlafen und sah dann den geschockten Will ihn mit offenem Mund anstarren. „Ist irgendwas?“ Aber er erhielt keine Antwort. Es war eines der ersten Male, dass Will nicht wusste, was er sagen sollte…
 

Alsdann beendete die Hexe die Stunde, bedankte sich für die Aufmerksamkeit und versprach den Schülern neue und lehrreiche Erfahrungen mit der Trance, die nun in dem Blut der Schüler steckte. Zufrieden und sich auf die Ferien freuend stürmten die Rittersöhne den Turm hinab.

Doch bevor Undora ging, hielt Link sie auf. „Ihr könnt mir erklären, warum sich meine Augen vor einigen Wochen beinahe weiß gefärbt haben, nicht wahr?“

Sie sabberte etwas, nahm ein kleines Schächtelchen mit Schnupftabak und zog das Gebräu in ihrer Nase brummend hinauf. „Nun, du hast mit einer Macht gespielt, die du schon einmal verwendet hast und ein Bruchteil dieser Macht steckt noch in dir… Was ist mit dem Kriegergott, dessen Form du angenommen hast?“ Sie schien benebelt und ihre Augen versanken immer weiter in den Höhlen.

„Als… in Termina?“, sprach Link laut. „Aber ich habe alle Masken von damals zerstört.“

„Das Problem ist, dass Fierce Deity dir sehr ähnlich ist. Hab‘ keine Angst vor ihm… er hat sich deiner nicht bemächtigt, aber wenn du deine Macht nicht kontrollieren lernst, wirst du zu etwas, dass du nicht sein willst… Macht hat immer auch eine gefährliche, düstere Seite. Auch deine Seelenverwandte könnte sich in etwas verwandeln, dass sie nicht ist, wenn sie ihre Macht auf falsche Weise einsetzt, oder vielleicht hat sie dies schon lange…“ Sie steuerte zu dem Fenster und klatschte aufbrausend in die Hände, sodass diesmal schwarze Federn daraus flogen.

Link fühlte sich sprachlos und dachte über Undoras Worte nach. Erneut ein Geheimnis, das er nicht unbedingt herausfinden wollte. Aber blieb ihm denn eine Wahl? „Ich will meine Stärke zurück…“, sprach er sehnsuchtsvoll, schabte mit den Stiefeln über den Boden und wirkte wie ein unschuldiges Kind, das eine schlechte Tat begangen hatte.

„Darauf warten alle Verzweifelten in Hyrule, alle Hoffenden und die, die hinter dir stehen“, sprach die Hexe und traf ihn mit Wärme und einem brennendem Mitgefühl.

„Und ich noch mehr…“, sprach er aufrichtig und schuldbewusst. Er sah weit vor sich seit einer ewigwährenden Irrfahrt von Dunkelheit und Leere endlich wieder eine Lichtquelle leuchten. Endlich spürte er eine vergessene Wärme in sein Herzen zurückkehren… und es war nur der Gedanke, dass er von Nutzen sein konnte…

Undora lächelte und es war wohl das erste Mal, dass ihr faltiges Lächeln angenehm und ehrlich war. „Bald ist es soweit, dass du zu mir kommen wirst… dann in der Winternacht, wo ein Gegenstück deines Herzens gequält wird… Erinnere dich an den Brief mit der Karte zu meinem Heim… Jetzt muss ich aber los!“ Und diesmal ohne das Fenster zu zerstören, hüpfte die gute Hexe nach draußen, verwandelte sich während ihrem Sturz in einen dicken, riesigen Raben und segelte über die Türme der Ritterschule, bis sie über den nördlichen Wäldern nur noch ein kleiner schwarzer Punkt war und verglühte…

Lassarios Grauen

Es war, als zog die Welt vor den Sinnen der hylianischen Prinzessin in einem Wimpernschlag vorbei, hier, wo sie ihren weißen Hengst Silberregen über schneebedeckte Hänge und Hügel der hylianischen Steppe preschte. Sie genoss ihre momentane Freiheit mit einem zaghaften Lächeln auf dem Gesicht, spürte die hetzenden Bewegungen des starken Pferdes unter sich und donnerte dahin. Geschmeidig lenkte sie Silberregen vorwärts, vertraute auf seine Stärke und Gewandtheit und ließ ihre Augen von der strahlenden Schönheit ihres Landes benetzen. Die Sonne war erst vor wenigen Minuten aufgegangen, schickte dünne Schleier aus schmerzlosem Feuer über die Welt und brachte den Eiszauber des Winters zum Funkeln…

Ihr Vater, König Harkenia von Hyrule, hatte ihr den Ausflug gestattet trotz der momentanen Gefahr von Moblinherden, die die hylianische Steppe mit Blut und zerfetzten Knochen brandmarkten. Aber er hatte ihr den Ausflug nur unter bestimmten Bedingungen gestattet, zum einen war Ophelia Morganiell ebenfalls an dem Ausritt beteiligt und versteckte sich in einer kleinen Kolonne aus Soldaten und ihrem Ritter Sir Lowena, und zum anderen hatte der König drei seiner besten Ritter zum Schutz der Prinzessin auf die Steppe gesandt. Nur, und Zelda grinste spitzbübisch angesichts des Gedankens, war es nicht das erste Mal, dass sie mit ihrem stolzen Getier die Ritter, in deren Nähe sie sich aufhalten sollte, abhängte und austrickste. Auf einem der zahllosen puderzuckerweißen Hügel konnte sie die wenigen dunklen Punkte der Ritter und Hyladiér ausmachen und erneut grinste sie. Der Ausflug tat ihr gut, trotz der eisgekühlten Wangen und der Schweißnässe unter ihrem schweren, weißen Pelzmantel…

Die wenigen Reisenden zogen über lichte, schneebedeckte Hügel, badeten im sonnigen Glanz Hyrules bis sie in der Nähe eines Monuments des Glaubens an die Götterdreiheit rasteten. In einem Tal, das vom reinigenden Licht des Feuergottes geflutet wurde und wo drei riesige Säulen mit rotem, grünen und blauen Metallen und Gesteinen verschönert thronten, symbolisierten die Macht der Göttlichen, die ihren Atem über die Sonne in die Erde schickten. Die riesigen Säulen waren über Steinbänke miteinander verbunden. Ein ebenfalls steinerner Altar befand sich in der Mitte, war geschmückt mit kostbaren schockgefrorenen Blumengestecken und Opfergaben von seltenen Tieren.

Als Zelda jenen Ort der Ruhe und Andacht erreichte, erhielt sie missbilligende Blicke ihrer Ritter Sorman, McDawn und Heagen, die eine kurze Rast an jenem Platz vorgeschlagen hatten. Die kleine Gesellschaft hatte Decken auf den Steinbänken ausgebreitet und genoss die frische Winterluft. Geräuschvoll sprang die junge Prinzessin von ihrem Reittier und grinste verschlagen in die Gesichter der Königlichen Garde.

„Prinzessin, erlaubt mir die Bemerkung“, sprach Sir Heagen. „Wir sind zu Eurem Schutz eingeteilt. Wüssten wir nicht, dass außerhalb eine Bedrohung warten könnte, würden wir Euren Wildfang gerne unterstützen, aber die Zeiten sind nicht die friedvollsten und keiner der Anwesenden möchte Euch verletzt wissen.“

„Ich danke Euch für Eure Besorgnis, Ritter Heagen“, entgegnete sie tonlos und marschierte geradewegs zu einer leeren Steinbank, ließ sich darauf sinken und blickte andächtig zu dem Altar in der Mitte. Es war angenehm hier, ein Platz der Reinheit und des Schutzes. Kein Dämon wagte sich in diese Schlucht und ein Gefühl der Sicherheit durchströmte sie. Heute, so entschied sie, wollte sie nicht an die Gefahr denken, die in düsteren Schlupfwinkeln Hyrules aufbegehrte. Ihr Blick heftete sich in die Höhe, wo das Licht am saphirblauen Himmel funkelte. Gerade da trat Ophelia, deren Anwesenheit die Prinzessin bisher ignoriert hatte, direkt vor sie, und wirkte wie ein übernatürlicher Schatten, der Zeldas Blick trübte. Für eine Unternehmung außerhalb war die Adlige aus Hyladién auffallend unpassend bekleidet. Erneut trug sie spitzzulaufende Lederstiefel mit Absatz, musste sich die Seele aus dem Leib frieren in einem Seidengewand, das wie zu Stoff gewordenes Feuer ihre dürre Figur umspielte. Ein knapper, pechschwarzer Pelz reichte gerade bis unter ihre Hüfte und stank nach altem Rind. Ihr langes Haar floss wie Pech mit rosa Strähnen an ihrem Rücken hinab und reichte soweit wie der Pelz. Ihre zierlichen, weißen Hände hielten eine mit goldener Farbe angemalte Schachtel mit hyladischen Runen umklammert. Während des gesamten Ausritts hatte Zelda gespürt wie viel Ophelia daran lag mit ihr ins Gespräch zu kommen, nur war sie dem geschickt ausgewichen.

„Prinzessin, dürfte ich… ich nehme Platz, ja?“, stotterte die Morganiell unbeholfen und pflanzte sich hektisch neben Zelda auf eine dicke Wolldecke. Sie musterte Zelda immer wieder, sah dann nervös zu dem Altar und schließlich zitternd zu den hohen Säulen aus magischem Gestein.

„Ihr seid gut im Reiten, Prinzessin Zelda“, sprach sie leise und presste ihre schmalen Lippen aneinander, vielleicht weil sie sich fragte, ordentlich und höflich zu reden.

„Ich bin, seit ich das erste Mal auf einem Pferd saß, auf der Steppe unterwegs“, entgegnete die Prinzessin sanft und lehnte sich zurück. „Aber den Hyladiérn sagt man nach die besten Reiter des Weltenpalastes zu sein. Ich vermute, Ihr genießt es auf Euren Silberschneehirschen durch die Welt zu reiten.“

„Ich mochte es früher mehr als heute“, sprach Ophelia leicht schnippisch und zugleich schnell und aufrührerisch. Verwundert blickte die junge Prinzessin in die blassblauen Augen der Morganiell und sah einen leisen Schmerz aufflackern. „Aber es hat Spaß gemacht Hyrules Steppe kennenzulernen…“, setzte sie höflich hinzu. Erneut umklammerte sie ihre goldene Schachtel, als hing davon ihr Überleben ab.

„Ihr habt etwas auf dem Herzen“, sprach Zelda höflich und fragte sich zugleich, wo dieses Gespräch hinführen würde. Sie wollte nicht über Ophelia urteilen, aber sie gehörte zu einem Schlag der Elfen, mit denen sich Zelda kaum umgeben wollte. Die adrette Königstochter hatte das Gefühl durch Ophelias Anwesenheit nichts zu lernen, nichts zu spüren und konnte dieses sonderbare Gefühl kaum beschreiben. Zelda schätzte eher die Anwesenheit von Seelen, die ihr halfen sich selbst zu erkennen, sich selbst am Kragen zu packen, sich zu entwickeln. Irgendetwas an Ophelia blockierte sie. Ob dieses Gefühl ein Problem Zeldas oder vielmehr ein Problem der Morganiell war, konnte sie noch nicht entscheiden…

„Liebste Prinzessin“, begann die Morganiell und während sie sprach, schienen ihre Augen endlich mit Leben zu erwachen. „Ich wollte Euch etwas überreichen…“ Sie wirkte dennoch zögerlich, aber drückte der verwunderten Thronerbin die goldene Schatulle in die Hände. Und während sie dies tat, umfasste sie kurz aber deutlich gewaltvoll das rechte Handgelenk der blonden Schönheit.

„Das sind Pralinen aus meiner Heimat… eigentlich war es die Idee meines Bruders Euch diese mitzubringen, Prinzessin Zelda…“, sprach sie und drehte sich geschwind weg. „Ich wollte Euch ein Geschenk machen“, setzte sie schmeichelnd hinzu. „Überall gibt es die großartigsten Geschichten über Euren Mut und Eure Weisheit.“ Sie lispelte etwas und legte nervös ihre beiden langen Hände auf die rotangekühlten Wangen. „Ich bin so froh, dass ich sie Euch überreichen konnte.“

„Habt Dank, Ophelia“, sprach Zelda verwundert und fühlte sich etwas schuldig bei dem Gedanken mit der tollpatschigen Morganiell nichts anfangen zu können, obwohl jene sich sehr viel Mühe gab mit Zelda gut zu stehen. „Das ist sehr reizend von dir. Ich mag Pralinen schon sehr.“ Es entsprach zwar nicht der vollen Wahrheit, aber sie wollte nicht erneut unhöflich sein.

„Ihr solltet unbedingt von den Pralinen probieren. Sie sind ein Genuss und zergehen auf der Zunge.“

Zelda seufzte und sah die hohe Erwartung in den blassen Augen der Morganiell. Ophelia schien sich gerade nichts sehnlicher zu wünschen, als das Zelda die Schokoladenspezialität kostete. Ein unangenehmer Zwang stellte sich im Magen der Prinzessin ein, aber sie konnte das Angebot kaum verschmähen.

„Ich vermute, Ihr liebt diese Pralinen selbst sehr, nicht wahr?“ Die Königstochter lächelte und erhielt ein aufgeregtes Kopfnicken von Ophelia. Ganz zögerlich öffnete Zelda die Schachtel, zog einen leichten süßlichen Stoff von dem Genuss in die Nase und sah in Dreiecken geformte Pralinen aus dunkler, milchiger und weißer Schokolade. Sie dufteten eigentümlich nach den starken Gewürzen der Hyladiér, aber dennoch unheimlich interessant. Zelda sah das Funkeln in Ophelias Augen und deutete es als eine Hoffnung auf Bestätigung.

„Wisst Ihr was?“, sprach Zelda freundlich und reichte der Morganiell die Schachtel entgegen. „Wie wäre es, wenn wir teilen?“

Ophelia sah das als ein Angebot, das ihre Nervosität und ihre vielen Ängste mit anderen in Kontakt zu kommen mit einem Wimpernschlag vernichtete. Sie nickte mehrfach und begann auf eine nahezu fiebrige Weise zu lächeln. Es wirkte so, als hatte sie sehr lange nicht mehr lachen können.

„Ihr seid so herzlich, Prinzessin, seid bedankt…“, sprach Ophelia und deutete auf die Pralinen. „Ich würde Euch die weißen empfehlen, die sind hervorragend, ich will Euch diese natürlich nicht aufdrängen…“ Und die junge Morganiell bediente sich, nahm sich gleich zwei der cremefarbenen Pralinen. Da war ein Glitzern in ihren schmalen Augen, während sie aß, als belohnte der süße Genuss ihre Bedürfnisse seit langer Zeit wieder.

„Die mit Milchschokolade würden mich gerade eher reizen“, entgegnete Zelda und legte eine Praline auf ihre Zunge. Ein wolliger, angenehmer Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus, süßlich wie Zimt und mildscharf wie Pfeffer.

„Und was meint Ihr?“

„Ein interessanter Geschmack“, sprach die Prinzessin und spürte wie der süße Genuss ihre Kehle hinab schlüpfte. „Und Ihr meintet, es war eigentlich Oreduns Idee?“

„Ich sag‘ doch, er ist ein Weiberheld und Charmeur. Als es hieß wir würden die Königsfamilie besuchen, war es sein erstes Anliegen Geschenke an die Prinzessin zu richten. Ich fand, er wollte Euch mit einem unglaublichen Ehrgeiz bezirzen.“

Zelda lachte daraufhin und hielt sich eine Hand vor den Mund.

„Das ist nicht so lustig…“, brummte Ophelia und klang entgegen ihrer vorhergehenden Nervosität wie eine Bärin. „Mein Bruder ist nicht so toll wie er sich gibt… Ihr solltet nicht auf ihn hereinfallen…“

Zelda spitzte ihre Ohren und wurde mit einem Schlag sehr hellhörig. „Ist dem so?“ Sie nahm sich noch eine Praline, diesmal eine von den weißen und war überrascht, wie anders sich diese in ihrem Mund anfühlte als die vorhergehende. Diese war cremig und süß, so wie Schokolade schmecken sollte.

„Er ist auch ein ziemlicher Lügner und würde über Leichen gehen um seine Ziele durchzusetzen…“ Sie verkrampfte ihre Hände, wackelte mit ihrem rechten Bein ununterbrochen, als begann sie sich zu fürchten.

Zelda verzog das Gesicht leicht verächtlich. „Es überrascht mich dies aus Eurem Mund zu hören, Ophelia, wie würde Euer Bruder wohl reagieren, wenn er wüsste, wie Ihr über ihn redet?“

„Er weiß dies schon seit er angefangen hat ein Holzschwert zu schwingen“, entgegnete sie piepsig.

„Dann sagt mir, Ophelia, wenn Euer Bruder gewisse Ziele verfolgt, welche könnten das wohl sein?“

„Er will König werden, und würde Euch dazu Honig um den Mund schmieren bis er allen Honig von ganz Hyrule aufgekauft hat.“

Abermals lachte Zelda, aber ihr Lachen war keineswegs störend für die Morganiell. Es war aufweckend und herzlich. „Ich hatte eher das Gefühl Oredun hegt Interesse an dem Kampf, an allem, was außerhalb abgeschotteter Schlossmauern vor sich geht und damit steht er nicht allein.“ Die Prinzessin widersprach vorsichtig und hütete sich davor sich von Ophelia beeinflussen zu lassen, andererseits… hatte sie sich nicht vielleicht bereits von Oreduns Charme manipulieren lassen?

„Glaubt Ihr nicht, er wäre ein guter König?“, meinte sie dann und ließ die Unterhaltung noch einmal durch ihre Gedanken kreisen. Was Ophelia wohl, außer ihrem Wunsch mit Zelda in Kontakt zu kommen, im Sinn hatte?

„Irgendwann vielleicht, aber im Moment finde ich es wunderbar, dass Harkenia den Thron besitzt und wohl mit meiner Mutter teilen wird.“

Irritiert hob Zelda eine honigblonde Augenbraue und ihre mit Saphiren besetzte Tiara verrutschte leicht. Hatte sie richtig gehört, was Ophelia annahm? Harkenia würde den Thron mit Ornella Morganiell teilen? Dies hatte ihr Vater noch nie zur Sprache gebracht.

„Das ist wohl eher dein Wunsch, nicht wahr? Dass deine Mutter den Thron mit meinem Vater teilt?“, sprach die Prinzessin klar und kühl und mit einer Festigkeit in der Stimme, die die junge Morganiell erneut nervös machte. Jene zuckte plötzlich und begann mit ihren Händen zu spielen. „Doch… doch… ich glaube ja…“, sprach sie zittrig. Sie zupfte sich mit beiden Händen die seidigen Haare. „Doch, doch, dem ist so, meine Mutter meinte, es könnte durchaus sein, dass sich Harkenia und sie verloben.“

Die Nachricht versetzte der Prinzessin nun doch einen kleinen Stich in ihrem Magen, es war nicht so, dass es sie erschreckte, aber dass selbst Ophelia davon wusste, obwohl ihr Vater dies bisher abgestritten hatte, enttäuschte sie. Es kam ihr so vor, als beratschlagte ihr Vater diese wichtigen Themen nicht mehr mit ihr, auch einer Diskussion über den Angriff am Destiniatempel war er geschickt ausgewichen.

„Entschuldigt, Prinzessin…“, murmelte die Hyladiérin aufgeregt, hüpfte von ihrem Platz. „Ich… ich fände es gut, wenn wir… zurückreiten.“ Sie hatte Zeldas Missfallen deutlich wahrgenommen und vielleicht konnte sie nicht damit umgehen. Seufzend blickte die Thronfolgerin Hyrules dem unsicheren Mädchen hinterher, spürte ein Gefühl des Mitleids, weil sie diesen Gedanken selbst nicht annehmen konnte. Irgendetwas gefiel Zelda nicht an diesen Entwicklungen. Wenn Ornella Königin Hyrules werden würde, dann hätten sowohl Oredun als auch Ophelia unter gewissen Umständen ein Anrecht auf Hyrules Regentschaft. Ein übles Gefühl stieg in ihr hoch, während sie hier saß, die Reittiere im Hintergrund wiehern hörte, beschützt von den Säulen der Göttinnen. Die wenigen bunten Blumen am Altar begannen zu welken…
 

Als Zelda in Begleitung der wenigen Ritter zurück ins Schloss stürmte, hatte wohl keiner damit gerechnet, dass sie übelgelaunt als erste Amtshandlung die momentane Versammlung ihres Vaters auf sehr stürmische und stimmungsgeladene Weise beendete. Auch Harkenia war mehr als überrascht über den plötzlichen Wutausbruch seiner Tochter, wo sie die letzten Tage erschöpft gewirkt und sich sehr zurückgezogen hatte. Türen knallten durch legendäre Magie, ein Dröhnen ging durch die vielen Gänge im Schloss als Zelda sich ungefragt Zutritt zu einem Beratungszimmer verschaffte. Alle, die an der Besprechung teilnahmen, hüpften vor Schreck von ihren gepolsterten Sesseln. Denn Zelda stapfte wie ein wütender Stier in das Besprechungszimmer, wo eine Entscheidung über vergessene Ländereien gefällt werden sollte. Es sollte ein glücklicher Umstand sein, dass die adrette Königstochter ausgerechnet jene Besprechung störte.

Mehrere Ritter wie Sir Viktor, einige Bauern und Gutsleute waren anwesend. Harkenia von Hyrule saß mit einem Schreiber an der Spitze der langen mit Kuchen und warmem Wein bedeckten Tafel und sah das Donnerwetter seines Lebens bevorstehen, ahnte, dass der jungen Thronerbin etwas ungeheuer Übles über die Leber getrampelt sein musste.

„Geht jetzt, alle zusammen“, befahl sie. Ihre jugendliche, sonst so reine, helle Stimme schwoll an als ein Versuch ihre Absicht auszudrücken. „Ich habe eine Unterredung mit meinem Vater zu führen.“

„Aber mein König“, begann Sir Viktor aufgeregt. Er deutete auf ein Schriftstück vor seiner Nase. „Ihr habt mir zugesagt eine Entscheidung über die Ländereien der Fearlessts zu fallen. Genauso wie andere finde ich es bedauerlich dieses Land unbenutzt zu lassen. Ich brauche nur eine Unterschrift von Euch. Wir brauchen nicht mehr zu diskutieren!“ Auch andere stimmten mit ein. Und da wusste Zelda, worum es ging. Sir Viktor war interessiert noch mehr Land zu besitzen als ohnehin schon und er besaß mehr als ihm zustand, vielleicht durch sehr unrechte Wege. Ein Grund mehr, dachte sie, diese Verhandlung zu unterbrechen. Sir Viktor war ihr schon lange ein Dorn im Auge. Wenn sie ihn damit eines auswischen konnte, umso besser.

„Und Ihr, Sir Viktor, habt mir gerade eben nicht zugehört. Hiermit unterbreche ich diese Verhandlung, weil es als Thronfolgerin mein Recht ist! Geht hinaus. Ein Urteil über Euer Anliegen soll ein anderes Mal gefällt werden.“

Harkenia, der bisher nur geschwiegen hatte, schüttelte amüsiert den Kopf. Manchmal gefiel es ihm, wenn sich seine Tochter in Entscheidungen wie diese einmischte, so brauchte er zunächst kein Urteil fällen. Und dieser Fall und Viktors Versuche die Ländereien der Fearlessts einzuheimsen, bereitete ihm einiges Kopfzerbrechen. Er nickte lediglich, stopfte seine goldene Feder in ein Tintenfass und lehnte sich in seinem breiten Sessel zurück. Er sah entspannt und unheimlich gepflegt aus und Zelda wusste woran es lag. Sie ahnte, dass er Ornella Morganiell nicht nur bei Tag besucht hatte. Sein graugesträhntes Haar war gewaschen und fiel gepflegt über seine Schultern. Selbst seinen grauen Vollbart hatte er gestutzt. Er sah um mindestens zehn Jahre jünger aus. Er machte eine winkende Armebewegung, worauf die Anwesenden unter Murren und Seufzen das Besprechungszimmer verließen.

„Habt Ihr es wieder geschafft Euren Willen durchzusetzen, Prinzessin“, flüsterte Sir Viktor verächtlich, als er an ihr vorübertrat. Sie blickte ihm bissig entgegen. „Das werde ich immer, Sir Viktor. Immer, wenn Ihr es nicht erwartet.“ Er brummte und hetzte an anderen Interessierten vorbei, stieß einen dürren Gutsherren zu Boden, aber hetzte aufgebracht weiter. Kopfschüttelnd trat die Prinzessin, noch immer bekleidet mit einem weißen, langen Pelzmantel in den Raum und ließ die Tore schließen. Sie wünschte allein mit ihrem Vater zu sprechen und hoffte, er verstand ihr Anliegen.

Er erhob sich, blickte trotz seines amüsierten Lächelns missbilligend in ihre saphirblauen Augen. „Ich hoffe, es hat einen guten Grund, dass du diese wichtige Versammlung unterbrichst, Tochter.“ Er zupfte sich an seinem Bart. „Geht es um die Ländereien der Fearlessts?“

Zelda schüttelte den Kopf und legte ihren Pelzmantel ab und als sie dies tat, blickte Harkenia sie mit großen Augen an. Sie trug ihre Rüstung aus leichtem, goldenem Elfenstahl und er sah sie nicht gerne darin. Es machte aus ihr noch weniger die wohlerzogene Prinzessin, die er sich einst gewünscht hatte. Etwas verausgabt tapste sie hinüber zu ihrem Vater, trat mit fragendem Gesicht vor ihn und rückte näher an sein Gesicht, sodass sie in seinen klaren, blauen Augen lesen konnte.

„Was ist, Liebes?“ Er umfasste ihre zierlichen Schultern und drückte sie sanft in einen Sessel direkt neben seinem.

„Ich verlange Antworten, Vater“, meinte sie tonlos, grabschte einen goldenen Kelch und spülte die Worte mit einem Schluck warmen Herzbeerenwein herunter.

„In welcher Hinsicht?“

Sie durchbohrte ihn nahezu und dem König gefiel dieser Blick nicht. Diesen Blick hatte Zeldas Mutter einst aufgesetzt, wenn etwas nicht stimmte.

„Wie stehst du zu Ornella? Und bitte kein Schönreden. Du musst mich nicht schonen.“

„Ist das alles, deswegen unterbrichst du diese Besprechung?“

Zelda winkte ab und rollte mit den Augen. „Als ob du es nicht genossen hast. Ich weiß, dass du dich seit Jahren davor drückst die fearlesstschen Besitztümer zu vergeben.“ Und in der Tat. Dies war Zelda schon vor wenigen Monaten aufgefallen. Manchmal kam es ihr so vor als hütete ihr Vater ein Geheimnis diesbezüglich, als lag das große Andenken der Fearlessts an seiner Brust und er wollte sich dieses nicht wegnehmen lassen.

„Zelda…“, murmelte er väterlich. Auch er nippte an seinem mundigen, starken Wein. „Es ist ein Gefühl, das mich schon lange verfolgt. Ich habe noch immer die Hoffnung, dass diese Ländereien in die Hände von jemandem gelangen, der ihrer auch würdig ist.“

„Und du glaubst, du könntest eine solche Person finden, nicht wahr?“ Er nickte und doch wirkte er trübsinnig. „Vater, es gibt keinen Fearlesst mehr, wem sollten diese Ländereien zustehen?“

Er grinste und tippte mit seinen Fingerspitzen an Zeldas rechte Wange. „Du wärst überrascht, wen ich im Sinn habe, aber das ist ein Thema für eine andere Stunde.“

„Ich hoffe, du willst Ornella nicht noch mit diesem riesigen Land belohnen, wo du Ihr scheinbar bereit bist einen Platz an deiner Seite und ein Anrecht auf Hyrules Herrschaft zu geben.“ Zeldas Worte kamen kühl und stur aus ihrem vollen, blutroten Mund. Vor Schreck und weil er die Aggressivität in ihren Worten nahezu spüren konnte, spuckte der König den Wein zurück in den Kelch. Er war sprachlos, aber der Ausdruck in seinen Augen verriet Scham.

„Ich bin enttäuscht, dass du mir dies nicht mitgeteilt hast…“, setzte sie hinzu, erhob sich und wendete ihm den Rücken zu. „An deiner Reaktion aber sehe ich, dass es keine Erfindungen von Ophelia Morganiell sind.“ Zelda verkrampfte sich, spannte beide Hände zu Fäusten, sodass ihre Magie die Gläser und Teller auf dem Tisch zum Klirren und Wackeln brachte. „Und ich hatte gehofft, es seien tatsächlich Spinnereien einer tollpatschigen, ängstlichen Hyladiérin, wie beschämend für mich.“

Harkenia seufzte und zum ersten Mal seit langer Zeit verstand er seine Tochter nicht. Alles an ihr, ihre rasenden Worte, die empfindliche Reaktion, die fiebrige Wut und ihre Verwundbarkeit ließen ihn zweifeln, ob nicht etwas anderes nicht mehr stimmte. Sie verhielt sich gerade so untypisch, dass er zweifelte, ob sie bei klarem Verstand war. Er hatte gespürt, dass sie erschöpft war, aber diese Gereiztheit war ihm neu. War er wirklich zu weit gegangen sie nicht zu informieren?

„Tochter, ich kann dich nicht über jede Kleinigkeit unterrichten. Außerdem wusstest du, wie wichtig mir Ornella ist! Warum wohl hat sie diesen weiten Weg auf sich genommen hierher zu reisen? Weil wir schon immer eine gute Verbindung hatten“, erklärte er mürrisch und spürte in sich nicht mehr den Vater Zelda gegenüber, sondern den König, der Befehle gab.

„Ich wusste es nicht eindeutig“, sprach sie ruhiger werdend. Ihre Kampfeswut flaute ab, stattdessen spürte sie Verletzungen. Wie konnte ihr Vater diese Worte in den Mund nehmen und ihr erklären, dass er sie nicht über jede Kleinigkeit informieren konnte! Sie empfand eine ähnliche Grausamkeit wie bei ihrem verpatzten Gespräch mit Link vor wenigen Wochen…

„Tochter, du bist begabt in der Vorsehung, das hast du mir immer wieder bewiesen und nun willst du das nicht gespürt haben. Natürlich mag ich Ornella, sie ist eine vornehme, intelligente Frau, die jeden Schachzug auf Hyladién im Blickfeld hat, natürlich haben wir über eine Verlobung nachgedacht. Das sollte dich nicht überraschen.“

Und nun war es an Zelda entsetzt und wie vor den Kopf gestoßen zu reagieren. Dass ihr Vater über eine Beziehung zu der Herrscherin von Hyladién nachdachte, war ihr sicherlich nicht völlig fremd. Aber der Gedanke, dass der König tatsächlich über eine Verlobung nachdachte, erschütterte sie. Wo, bei den Göttern Hyrules, war ihr Vater geblieben, der seit den bitteren Lektionen des Zeitkriegs immer wieder auf ihren Rat vertraut hatte, der wusste, wie schwerwiegend solche Entscheidungen sein konnten und wie gewaltvoll unbedachte Konsequenzen? War sie denn die einzige, die spürte, dass irgendetwas an den Morganiells verdächtig war?

„Wäre Valiant hier, wäre er noch erschütterter als ich es gerade bin… Du bist blind vor Liebe und gestattest einer fremden Person Einblick in die Belange des Reiches! Du hättest dies mit mir besprechen können!“, sprach sie wie die weise Prinzessin, die sie doch war.

„Ich habe dazu nichts mehr zu sagen, Tochter!“, sprach er streng. Er wirkte kühl und unnahbar, wenn er den Herrscher in allem, was er darstellte, zuließ. Die väterliche, warme Seite war in jenem Moment völlig verschwunden.

„Das kannst du nicht ernst meinen!“, sprach sie entrüstet. „Vater, ich bitte dich.“ Sie trat näher und blickte verzweifelt in seine sturen, saphirblauen Augen. „Warte mit dieser Entscheidung.“

„Es gibt nichts zu warten, ich habe Ornella bereits in grundlegende Dinge eingeweiht.“

Zelda zwinkerte und konnte nicht glauben, was hier passierte. Hilfesuchend und tiefdurchatmend blickte sie zu dem großen Stammbaum ihrer Familie, der an einer riesigen Wand des Besprechungszimmers hing. Es war ein riesiger Baum mit vielen Ästen und Zweigen mit silberner und goldener Farbe auf die Wand gemalt, und überall standen Namen, die ehrenvolle Dienste an Hyrule geleistet hatten, angefangen bei der Wiedergeburt der Göttin Hylia, die an der Spitze der Ahnenreihe stand. Die erste Herrscherin, die den Namen Zelda trug und die ihn respektvoll gemacht hatte. Die junge Königstochter hoffte innig, die Göttin, die in der Versenkung verschwunden war, wäre bereit ihr eine Antwort zu geben. Kurz schloss sie ihre Augen, suchte nach Argumenten, obwohl sie ahnte, dass sie mit Argumenten bei ihrem Vater nichts mehr erreichen würde.
 

„Und was ist mit dem Angriff am Destiniatempel?“ Sie wusste nicht, warum ausgerechnet dieses Geschehnis nun durch ihre Gehirnwindungen sprudelte. Andererseits war auch dieses Ereignis ein Beispiel dafür, dass es ihr Vater in letzter Zeit unterließ wichtige Dinge Hyrule betreffend mit ihr zu diskutieren. „Es war Link, der die Dämonen abgehalten hat zur Schule zu reiten, richtig?“ Sie erwartete nicht einmal eine Bestätigung, sie hatte es ohnehin in ihrem Gefühl. „Vater, du weißt, wie wichtig er mir ist und dann verschweigst du mir das?“

„Es war sein Wunsch…“, murmelte er und trank erneut schlürfend von seinem Wein.

„Wie meinst du?“

„Sir Newhead hat mich in Kenntnis gesetzt, dass es Links Wunsch war, dass du davon nichts erfährst.“

Sie taumelte und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. „Es war Links Wunsch? Warum sollte er mich in Unwissenheit lassen wollen?“ Unzählige furchtbare Gedanken strömten durch ihren Kopf. War an den Gerüchten etwas Wahres dran, dass er den Kontakt zu ihr einstellen wollte und dass er sich mit einem anderen Mädchen traf? Wollte er sie womöglich aus den nahenden Kämpfen heraushalten, weil er sie für schwach hielt?

„Du hast ihn belohnt?“, murmelte sie und versuchte sich von ihrem Gedankenwirrwarr abzulenken.

„Ja, mit einer Geste von Hyrules bestem Schneider.“

„Ich verstehe…“ Ja, dachte sie, und wie sie verstand…

„Zelda, nun reagiere nicht so trotzig. Ich weiß, du möchtest über alles informiert sein. Vielleicht solltest du lernen Verantwortung abzugeben, anderen Entscheidungen zu überlassen und dich darin üben geduldig und zurückhaltend zu sein.“

Aufgebracht breitete sie ihre Arme aus und stieß die Worte verzweifelt aus ihrer Kehle. „Jetzt belehrst du mich? Ich kenne diesen Mann, der immer froh war, wenn ich die Dinge in die Hand genommen habe, weil er sich vor wichtigen Entscheidungen davon gestohlen hat. Und ich kannte einen Mann, der seine Lektionen gelernt hat, der wusste, wie wichtig es ist auf das Band der Familie zu vertrauen, wie grausam unbedachte Entscheidungen das Reich beeinflussen können und nun sehe ich einen Narr, der blind ist vor Liebe und sich von weiblichen Reizen manipulieren lässt! Sie, deren Namen du seit Jahren nicht mehr ausgesprochen hast, würde sich für dich in Grund und Boden schämen!“

Und das erste Mal in Zeldas Leben spürte sie die starke Hand ihres Vaters in ihrem Gesicht. Noch ehe Harkenia wusste, was er tat, hatte er ihr eine Ohrfeige verpasst, die in ihrem Kopf nachdröhnte. Es hallte kraftvoll nach in jenem Besprechungszimmer. Zitternd verharrte die Prinzessin in ihrer Haltung, hatte den Kopf zur Seite gedrückt und unterließ es ihrem Vater in die Augen zu blicken. Das letzte Mal, dass sie eine solche Belehrung erhalten hatte, war sie eingesperrt gewesen in einem Kerker, und sie hatte die eisige rechte Hand eines Dämons in ihrem Gesicht ertragen müssen…

Sie schluckte ihre unangenehmen Empfindungen herunter, schluckte damit aber auch alle Gefühle des Verständnisses ihrem König gegenüber herunter.

Harkenia stolperte vor Schreck einige Schritte zurück und sah unheimlich durcheinander aus. Er sah beschämt zu Boden und schien zu realisieren, dass das, was hier Fatales passierte, nicht Zeldas Temperament zur Ursache hatte, und nicht ihre Abneigung gegen die Morganiells verantwortlich war für das Streitgespräch. Er hatte in seiner Rolle als Vater versagt… er hatte gerade abscheulich versagt.

„Ist das alles, mein König?“, sprach Zelda wie in Trance.

„Zelda…“, brachte er benommen über seine Lippen und sah mit Scham in ihr Gesicht. Der Schlag war nicht sichtbar, aber er würde noch lange in Zeldas Seele sichtbar sein. „Es tut mir leid… bei Nayru…“

„Ich sehe keine Notwendigkeit für weitere Diskussionen“, flüsterte sie, wand ihm mit Tränen in den Augen den Rücken zu, legte sich ihren weißen Pelzmantel über die Schultern und stolperte zu dem Ausgang.

„Zelda, nun warte doch!“ Er hetzte hinter ihr her und umfasste zögerlich ihren rechten Arm. Sie wirbelte herum und hob die rechte Hand. In ihren schönen Gesichtszügen war Schmerz begraben, ein Schmerz, den er darin noch nie gesehen hatte und der ihn sprachlos machte. Sie fühlte sich in ihrem Vertrauen verraten, so sehr wie damals, als sie ihn vor der Bedrohung durch Ganondorf gewarnt hatte und er nicht auf sie hören wollte.

„Auch dafür, was hier passiert ist, würde sie sich schämen…“, brachte sie kummervoll über die Lippen und verschwand augenblicklich aus dem Raum…
 

In verklingenden Nachmittagsstunden eines schneetreibenden Tages nahmen die Ritterschüler von ihren Kameraden Abschied, suchten Schutz und angenehme Stunden in der Obhut ihrer Familien, dort wo ein jeder sein Heim als beständig wusste. Der Gott des weißen Winters schickte riesige Kristalle funkelnden Schnees zur Erde und benetzte die dunkelgrauen Mäntel der vielen Ritteranwärter und Mädchen der Benimmschule von Madame Morganiell, als sie ihre Koffer und Habseligkeiten durch den Schneematsch trugen. Dutzende Kutschen und Karren zogen mit Vorfreude auf das Fest der Göttin Nayru von dannen und die Kinder der Adligen freuten sich auf ihre Familien. Die Schulen wurden heute geschlossen und das erste Trimester war endgültig beendet.

Auch Link trat mit den anderen außerhalb. Einige begabte und gute Herzen hatte er in diesem Vierteljahr kennengelernt und von einigen hatte er sich bereits verabschiedet. Er war vielleicht der einzige, der die Kapuze seines Mantels nicht über den Kopf gezogen hatte und ließ das Schneegestöber seinen blonden Schopf bedecken. Sehnsuchtsvoll blickte er in den Himmel und fühlte sich trotz der bevorstehenden Einsamkeit gut und sicher. Die Verzweiflung, die sich vor einigen Wochen in sein Herz gefressen hatte, schien vorerst gedämpft…

Will trat neben ihn und war vollbepackt mit seinen Schulbüchern, seinen Waffen und zwei Koffern, die den schneenassen Erdboden aufgesaugt zu haben schienen. Er wartete auf seine Mutter Belle Laundry, die ihm vor wenigen Tagen einen Brief geschickt hatte. Sie informierte ihn darüber, dass sie ihn abholen würde, was Will irgendwie beruhigte. Er freute sich darauf seine Familie wiederzusehen und wollte unbedingt wissen, ob es Neuigkeiten von seinem Vater gab.

„Verrückt, wie schnell die Wochen vorüber gezogen sind, findest du nicht?“, meinte Will. Er hatte ein rührseliges Grinsen in seinem hübschen Laundrygesicht.

„Ja, und es sind tatsächlich einige verrückte Dinge passiert…“, murmelte Link und beobachtete die Karren und Kutschen, die just in dem Augenblick an der Schule vorfuhren. Immer wieder stiegen Jungen und Mädchen in die Fahrgelegenheiten ein und ließen die Schulen vorerst hinter sich.

„Wie wahr“, sprach der Laundry und lächelte seinem besten Kumpel entgegen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich innerhalb dieser kurzen Zeit so viele neue Dinge lerne…“

„Naja, soviel lehrreichen Unterricht hatten wir auch wieder nicht“, brummte Link und verschränkte die Arme skeptisch. Wenn er an Viktors Unterricht dachte, konnte er nur die Nase rümpfen.

„Ich meinte auch nicht den Unterricht“, und Will zwinkerte. Auch er starrte in den Himmel und sanfte Schneeflocken benetzten sein leicht gebräuntes Gesicht, wo nussbraune Haare hinfielen. „Es geht eher um Freundschaft und Gemeinschaft“, sprach er. „Hyrule… und die Götter haben sicherlich viel mit uns Ritteranwärtern vor, aber solange wir wissen, Gleichgesinnte zu haben und uns auf heimliche Helden verlassen können, meinst du nicht, dass es uns dadurch viel leichter fallen kann, Vertrauen in die Zukunft zu haben?“ Wenn Will so redete, so wusste Link, schob er das auf seine Laundryweisheiten, die er von seinem Vater gelernt hatte, aber gerade jetzt, in diesem Augenblick, war er von diesen Weisheiten weit entfernt. Will hatte dieses positive, oftmals treudoofe Licht in sich, das auch Link immer wieder verwunderte.

„Ich war völlig blind am Anfang der Ritterschule“, gestand sich Will ein und beobachtete die vielen bekannten Gesicht Abschied nehmen. „Blind wie ich war, wollte ich nicht sehen, welche Verantwortung Ritter gegenüber dem Leben tragen. Ich habe nur das Ziel im Kopf gehabt ein begnadeter, stolzer Ritter zu werden, wollte Menschen haben, die zu mir aufblicken, und irgendwie habe ich die Werte, die mir mein Vater immer wieder einzureden versucht hat, falsch verstanden. Ich habe alles unterschätzt. Ich habe Dämonen unterschätzt, Ängste unterschätzt…“

Wills Worten aufmerksam folgend beobachtete Link weiterhin das freiheitliche Streben der Tausenden Schneeflocken. Er lauschte jedem einzelnen Wort und doch konnte er es kaum an sich heranlassen.

„Es ist nicht leicht… zu kämpfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wo andere dies vielleicht nicht leisten können“, murmelte der Laundry und beobachtete die schweigsame Reaktion von Link sehr kritisch. „Heldenhaft zu sein, Tugenden zu beweisen und den eigenen Mut zu stärken, sind Aufgaben, die wir an dieser Schule wohl nicht lernen können. Diese Dinge muss man sich selbst beweisen. Und ich konnte dies nicht…“ Will brach mit einem erstickten Seufzer ab und atmete tief durch.

„Will…“ Und Link drehte sich zu ihm, vielleicht das erste Mal blickte er seinem nunmehr besten Freund mit einer Tiefsinnigkeit in die smaragdgrünen Augen, das es den Laundry verwunderte. „Ich weiß, worauf du hinauswillst… es geht um den Angriff der Moblins vor wenigen Tagen.“

Will schluckte und ließ beschwichtigend die Mundwinkel sinken. Natürlich ging es darum. Das war eine bittere Lektion, die der junge Laundry lernen musste. Als der Angriff stattfand, hatte er nur zuschauen können, war geflüchtet wie ein feiges Stück Vieh. Und als er seinen Mut beweisen wollte, hatte er einem Moblin den Tod gebracht, hatte böses Fleisch aufgeritzt ohne nachzudenken und das erste Mal wirklich gemordet… und die Schuld dieses ersten Mordes stank bitter.

„Link, ich respektiere ja, dass du nicht über den Angriff am Tempel der Destinia sprechen willst“, rechtfertigte sich Will. „Und ich kann es vielleicht besser verstehen als manch ein anderer…“

„Wenn das klar ist, was wurmt dich dann…“, murmelte Link abwehrend.

„Es ist einfach… dass…“ Er atmete tief durch und erzeugte einen brummenden Laut mit seiner tiefen Stimme. Seine Gewissensbisse waren das Problem, er fühlte sich noch immer schuldig.

Will ließ die Mundwinkel hängen und erklärte. „Es geht darum, wie das ganze abgelaufen ist! Es war nicht so, dass ich sehr viel hätte tun können, aber ich habe mich so feige gefühlt… Du bist mein bester Freund, Link, und Freunde lassen einander nicht im Stich wie ich es getan habe.“

„Du hast absolut niemanden im Stich gelassen“, murrte Link und wischte sich über das Gesicht. Er wollte nicht über diese Rührseligkeiten reden. Musste das denn ausgerechnet jetzt sein, wo sie sich eigentlich verabschieden wollten?

„Ich habe einen falschen Weg gewählt, das ist das Problem!“, argumentierte Will.

„Aber es war der einzig mögliche Weg… unter Umständen hätten wir beide nicht überlebt, wenn du nicht geflüchtet wärst. Brauchst du diese schwachsinnige Diskussion jetzt um dich schlecht zu fühlen, oder was?“ Link stapfte genervt einige Meter vorwärts und sah einige Schülerinnen mit weißen Ledermänteln aus dem Eingang der Mädchenschule treten. Er spürte Wut in sich, weil Will anstatt erfreut darüber zu sein, dass sie beide lebten, sich schuldig fühlte. „Will, ich weiß, dass ich das mit dir hätte klären müssen, ich weiß, dass ich dir das ganze erklären muss, wo wir tatsächlich… Freunde… sind…“ Es war nicht nur der Gedanke, der sich für Link irgendwie neu anfühlte. Es war ungemein schwer es auszusprechen. Aber Will war mittlerweile tatsächlich sein bester Freund, so wie es die kleine Lilly prophezeit hatte. „Aber das ist nicht so einfach… Kannst du nicht akzeptieren, dass es nicht deine Aufgabe war in dieser Situation zu kämpfen?“

„Wenn das nicht meine Aufgabe war, was ist dann meine Aufgabe als Ritterschüler?“

Die Frage brachte den vergessenen Helden der Zeit auf bemerkenswerte Weise aus dem Konzept. Will hatte wohl oder übel Recht… Wenn es nicht seine Aufgabe war zu kämpfen, wofür lernte er dann in einer Ritterschule? Link seufzte genervt.

„Es erschreckt mich einfach, dass es so viele Dinge gibt, auf die diese Schule nicht vorbereitet… Wie sollen wir uns Gefahren stellen, wenn wir uns nicht mit unseren Ängsten in der Schule beschäftigen? Ich fühle mich schlichtweg unsicher mit diesem ganzen Kram! Kein Lehrer, außer Newhead vielleicht, bereitet uns wirklich darauf vor, was da draußen wartet.“ Wenn dieser Frust in Will schon lange bestand, hatte er ihn wahrlich meisterhaft verheimlicht. „Verdammter Mist, Link, als ich dieses Moblininsekt getötet habe, dachte ich, ich müsste in den nächstbesten Tempel gehen um meine Hände dort reinzuwaschen. Wie hältst du das aus?“

Der Heroe schluckte und sah auf seine Hände hinab. Jene waren vermutlich nicht mehr einfach nur in Blut getränkt. In ihnen hatte sich der Tod eingenistet…

„Du hast Wesen getötet, die ich mir nicht einmal vorstellen kann, nicht wahr?“ Er machte eine kurz Pause, als sich ein alter Schmerz in Links blasse Gesichtszüge grub. „Und ehrlich gesagt, will ich mir das auch gar nicht vorstellen.“ Er klopfte seinem Kumpel auf die Schulter. „Bei Nayru, ich will hier ja keinen Zirkus veranstalten und es muss echt seltsam wirken, sollte uns jemand zuhören, wie wir hier über Gefühle quatschen…“

Link grinste ansatzweise und schnaubte.

„Aber hilf‘ mir das irgendwie gebacken zu kriegen“, meinte Will und erst jetzt verstand Link, dass der Laundry ihm keine Vorwürfe machen wollte, sondern sich schlichtweg hilflos fühlte. „Wie war es für dich, als du das erste Mal getötet hast? Konntest du dann einfach so weitermachen?“

Der junge Held ließ sich seufzend auf einen Koffer von Will sinken und vergrub das mit Sorgen befleckte Gesicht in den eisgekühlten Händen. Er erinnerte sich deutlich an die Schreie der Dämonen, die er ins Jenseits befördert hatte und die meisten schrien in unruhigen Nächten erneut. Und er erinnerte seine ersten Kämpfe im kranken, verteufelten Dekubaum, dem Wächter der Wälder. Damals war es noch einigermaßen in Ordnung, er hatte sich vorgestellt, Unkraut zu jäten. Schwierig wurde es dann, als es Dämonen auf zwei Beinen waren und später von Ganondorf verfluchte Hylianer…

„Es ist niemals leicht einem Wesen den Tod zu bringen… und wir haben nicht das Recht über Leben und Tod zu entscheiden…“, sprach er schwach und beobachtete weiterhin die Mädchen in ihren weißen Mänteln. Sie wirkten so unschuldig und irgendwie reinigend, wenn er die Erinnerungen zuließ. „Aber wenn wir Dämonen nicht aufhalten, wer sollte es sonst tun… vielleicht sagt man gerade in so einer Situation, dass der Zweck alle Mittel heiligt, schätze ich.“

Auch Will setzte sich auf einen Koffer und nahm an Links Ausblick teil. Mitgefühl glomm in seinen grünen Augen und er wollte verstehen. Helden und auch Ritter hatten ihre Pflichten. Mit diesen Pflichten entschied man sich für den Weg als Ritter und das erforderte nun mal Opfer und wenn dieses die einstige Unschuld in sich trug… Natürlich hatte man nicht das Recht über Leben und Tod zu entscheiden, und mit welchem Recht vernichtete das Licht die Dunkelheit? Aber der Laundry wusste auch, dass er nicht in der Instanz war diese Fragen zu beantworten. Er konnte nur nach seinem Gewissen handeln, entscheiden, was gut und was böse war und auch die Grauzonen würde er nicht vergessen. Er konnte nur nach seinem Herzen handeln und die Wesen beschützen, die beschützt werden mussten. Auch das war eine Pflicht der Ritter.

Irgendwie- und das sah er nun vor sich- war diese Erkenntnis wie der Kampf von Links grünem Licht gegen die Dunkelheit, als er bei Undora die Meditation der Farore übte. Er vernichtete das Böse als ein Überbringer des Lichts, weil er tat, was sonst niemand konnte. Er tat es nicht für sich, nicht um grausame Bedürfnisse zu befriedigen, er tat es, weil es richtig war und darauf musste er vertrauen. Eine andere Wahl hatte ein Held nicht.

Der Laundry grinste. Das, was er im Turm bei Undoras Unterricht gesehen hatte, würde er mit einem Lächeln für sich behalten. Ja, er verstand. Alles drehte sich um die Aufgabe eines Helden. Ein Held würde dann bereit sein, dann kämpfen und auch vernichten, wenn nicht sogar sich opfern, dann, wenn andere es nicht konnten… das war seine selbstauferlegte, grausame, aber notwendige Schuld…
 

Gerade hielt ein weiterer Karren im Hof der Schule und eine alte, kluge Stute, die Link als die Stute Katarina erkannte, weckte auch Wills Aufmerksamkeit. Eine schlanke, hübsche Frau mit dunkelgrünem Mantel stieg von dem Karren herab und zog just in dem Augenblick einen schwarzen Schleier von ihrem Gesicht und lächelte Link und Will entgegen. Es war Belle Laundry, die mit ihrer kleinen Tochter hierher gereist war um ihren Sohn abzuholen. Auch Lilly trug eine dunkelgrüne Kutte und war völlig eingemummt, sodass man sie fast nicht erkannte. Ihr dickes, dunkelrotes Haar war unter ihrer gestrickten Wollmütze vergraben, sie wirkte wie ein in Kleidung eingepackter Wollknäuel, aber ihre Augen leuchteten wie grünes Licht. Sie hüpfte trotz der dicken Kleidung wie ein Wirbelwind in Links Richtung und ließ ihren Bruder scheinbar außer Acht. Ehe Belle sie einholen konnte, hastete Lilly zu ihrem heimlichen Helden, umarmte seine Beine so fest, dass er Will neben ihm flehend anblickte.

„Linkelchen!“, rief sie und schmiegte sich eng an seine Knie. Sie erdrückte ihn beinahe, lachte ausgelassen, weil sie sich freute. „Hallo, Linkelchen!“

„Ähm, hallo“, sprach er durcheinander und kam sich immer unpässlicher vor, wenn man bedachte, dass einige Ritterschüler das Schauspiel belächelten.

Etwas enttäuscht kniete Will vor seiner Schwester nieder und sah sie grimmig an. „Na toll, Link begrüßt du überschwänglich und was ist mit mir?“ Er breitete die Arme aus, wohl, weil er seine Schwester tatsächlich vermisst hatte.

„Hallo, mein Lieblingsbruder!“ Sie lachte. „Du hast es nie gemocht, wenn ich dich umarme“, piepste sie, aber warf sich ihrem Bruder herzlich um den Hals. „Aber Link mag sowas, weil er das zu schätzen weiß! Stimmt doch, gell?“ Sie hüpfte aus der Umarmung und sah zu dem Heroen auf. „Aber ich bin leider nicht Zelda, sie würdest du noch lieber umarmen!“

„Äh…“, stotterte er und wischte sich geschmolzene Schneekristalle aus dem Gesicht und sah irritiert zu Boden.

„Sie wird dich besuchen kommen, ganz bestimmt!“, rief Lilly singend und hüpfte zurück zu ihrer Mutter. Belle nahm sie an der Hand und tapste begrüßend zu William und seinem besten Freund hinüber, während Link nur den Kopf schüttelte. Ob Lilly auch diesmal Recht hatte und Zelda ihn besuchen würde? Andererseits, so dachte er, warum sollte sie das tun? Und sie wusste schließlich nicht, dass er in einer Hütte nicht weit entfernt von der Schule nächtigen würde.

Belle überraschte Link und riss ihn mit einer wärmenden Umarmung aus seinen Gedanken. Er war puderrot im Gesicht, als er Belle mit großen Augen musterte. Sie verhielt sich noch immer so liebevoll ihm gegenüber, genauso wie vor einem halben Jahr, als sie ihm eine Fleischsuppe unter die Nase gehalten hatte. „Sei gegrüßt, Belle“, sprach er schüchtern und löste sich aus der Umarmung, worauf Lady Laundry herzlich lächelte. „Ich bin froh dich zusehen, Link“, meinte sie und ließ ihre dunkelgrünen Augen schimmern. „Will hat uns geschrieben, dass du in einen bitteren Kampf verwickelt warst.“

Link winkte ab und schüttelte abtuend die Hände. „Es passt schon wieder, aber wie geht es dir und Lassario?“

Belle sah verwundert drein. „Nun, Lassario wurde auf eine Mission über die Steppe geschickt nach der Sache am Destiniatempel, es macht mir einige Sorgen…“ Belle hielt Lillys Hand in dem Moment fester und blickte schräg seitwärts. Da verstand Link, dass sie über Links Teilnahme an jenem Kampf Bescheid wusste und es musste ihr einen Schrecken eingejagt haben, dass auch Will darin verwickelt wurde.

„Hat Dad schon Briefe geschickt?“, meinte der Laundrybursche.

„Ja, es ist alles in bester Ordnung“, entgegnete seine Mutter sanft, aber hatte schwache Tränen in ihren schönen Augen.

„Wozu ist er auf einer Mission?“, meinte Link, ahnend, es war unpassend, dass er so neugierig war, aber es ging schließlich nur um ihn.

„Er soll Dämonennester ausspionieren…“, meinte sie zögerlich und wendete dem Heroen ihren Rücken zu. „Link es tut mir leid, aber ich fürchte, wir können uns kaum länger unterhalten, ich möchte nicht riskieren in der Dunkelheit auf der Steppe unterwegs zu sein. Wir müssen wieder weiter.“ Link nickte einsichtig und sah Belle und William mit den Koffern zu dem Karren treten. Lediglich Lilly stand noch neben ihm und zupfte an seinem schwarzen Kapuzenmantel. Ihre großen, runden Glubschaugen starrten ihn bettelnd an.

„Kannst du nicht mit uns kommen?“, piepste sie. „Ich verspreche dir, es wird nichts passieren. Er wird dich bei uns nicht finden.“

Link ließ sich auf die Knie sinken, versuchte das Gefasel dieses Mädchens ernst zu nehmen, aber fürchtete sich beinahe vor jedem weiteren Wort. Er packte die kleine Lilly fest an den Armen. „Lilly… höre mir jetzt genau zu. Du darfst ihn nicht sehen, begreifst du das. Dieser Mann ist böse und du weißt das. Du darfst ihm nicht erlauben, dass er sich in deine Gedanken schleicht. Hast du das verstanden!“ Mit einem Schlag wurde Link so streng, dass Lilly ihn mit Tränen anschaute.

Sie schluchzte. „Ich weiß ja. Aber er ist beinahe überall. Er wird Zelda weh tun, ganz sehr…“

Link wurde immer bleicher im Gesicht. „Wann?“

„Ich weiß es nicht… Das Licht sieht nicht mehr alles… ich glaube, es ist dann, wenn du gehst…“

„Wo sollte ich hingehen?“

Sie näherte sich seinem Gesicht. „In das Licht…“, hauchte sie an sein Ohr. „Dort, wo keine Schmerzen mehr sind.“

Und noch ehe er der unschuldigen, wissenden Lilly weitere Antworten entlocken konnte, riss sie sich mit einem traurigen Funkeln in ihren grünen Augen los und hüpfte zurück zu dem Karren, wo die Stute Katarina ungeduldig wurde.

Link erhob sich mit weiteren Zweifeln und das beruhigende Bild der Idylle der letzten Tage, wo er mit Will lustige und ehrliche Gespräche geführt hatte, wo er sich von dem dunklen Schatten furchtvoller, grausamer Gedanken gelöst, Nachforschungen angestellt und sogar den Streit mit Zelda weggeschoben hatte, zerbrach just in dem Augenblick, wo Lilly ihn über seine Sterblichkeit belehrte. Er trug einen Fluch mit sich, dessen Gesicht und Konsequenzen er bereits gespürt hatte. Er kramte in seiner Hosentasche nach den verunreinigten Tränen der Nayru, jenem starken Heilmittel ohne dass er schon lange nicht mehr hier wäre… und er spürte, dass auch dieses ihn nicht ewig retten würde. Er war belastet durch vergangene Fehler und Taten des Zerstörens, er war kein Opfer… und auch er würde sich gegen den Tod, der ihn irgendwann ereilen würde, nicht wehren können… Und dass der Fluch sein Leben kosten könnte, das hatte er bei seinem letzten heftigen Zusammenbruch bereits erahnt. Nur war es jetzt das erste Mal, dass es eine andere Seele ausgesprochen hatte. Und Lillys Worte waren nicht zu unterschätzen…

Erneut ließ er sein Haupt von schimmernden Schneekristallen bedecken, spürte das Leben solange er es noch konnte und hoffte, er würde die Gefahr, die derzeit in Hyrule weilte, irgendwie verstehen und abwenden können, aber vielleicht lag dieses Schicksal nicht mehr in seinen Händen…

Unsicher trat Link zu dem Karren hinüber, wo Will, Belle und Lilly bereits aufsaßen und ihm aufmunternde Gesichter zuwarfen. Will nickte ihm entgegen und packte die Zügel in die Hände. „Ich hoffe, du stellst die Ferien über keinen Blödsinn an, ich bin schließlich nicht da und würde einiges verpassen“, sprach er heiter gestimmt, aber auch etwas melancholisch. Link nickte trübsinnig.

„Wir sehen uns im neuen Trimester, Link“, meinte er und auch diesmal nickte der junge Held unsicher. Er konnte kaum etwas darauf sagen und spürte ein neues, noch nie dagewesenes Kloßgefühl im Hals. „Lass‘ es dir gut gehen, ja?“, sprach Will und schien noch immer etwas auf dem Herzen zu haben. Er seufzte und ließ die Zügel wieder los. „Mann, wer hätte gedacht, dass es mir so schwer fällt mich von meinem besten Kumpel zu verabschieden.“ Er murrte und sprang noch einmal von dem Karren. Er trat vor seinem Zimmermitbewohner und reichte ihm die Hand, die Link schüttelnd annahm.

„Du weißt schon, dass ich nicht erneut rührselig werden will“, sprach Will fest. „Aber ich möchte schlichtweg, dass du weißt, dass du bei uns, den Laundrys, immer willkommen bist, und dass du mittlerweile irgendwie zur Familie gehörst.“

Links Mund klappte auf und seine Zunge fühlte sich betäubt an.

„Ich habe durch dich innerhalb weniger Wochen so viel verstanden und gelernt, irgendwann, so hoffe ich, kann ich davon etwas zurückgeben. Du bist mein bester Freund… und wenn du meine Hilfe brauchst, egal bei was, ich verspreche dir, dass ich mein Bestes geben werde.“ Wills listige Augen funkelten erneut mit seiner entwaffnenden Treue und Gutherzigkeit. „Du bist, und ohne, dass das jetzt schnulzig klingt, irgendwie mein Vorbild. Danke, dass es dich gibt.“ Er lachte scheu und klopfte seinem Freund noch an den Oberarm und sprang erneut auf den Karren. Mit einem weiteren Lächeln verabschiedete er sich und der Karren setzte sich in Bewegung. Mit einem angenehmen, warmen Gefühl im Herzen sah Link den Laundrys nach und auch er begann ein wenig zu lächeln…
 

Der Winter peitschte auch dann noch an die vielen, dicken Glasscheiben der alten Ritterschule, als die letzten Schüler das Grundstück verließen. Mit einem leichten Schmerz in der Brust, weil ihm der Abschied von Will irgendwie weh getan hatte, sortierte der junge Held der Zeit gemächlich seine Habseligkeiten. Es war melancholisch hier zu sein, wo die Schule leer wurde, hier zu sein, wo er auf eine verträumte Weise auf seinem Bett saß und sich in aller Ruhe in dem gemütlichen Zimmer umblickte. Bedeutsame Ereignisse der letzten Wochen zogen an seinen Sinnen vorüber, erinnerten ihn daran, dass er immer irgendwo in Hyrule einen Platz finden konnte, dass er willkommen war und dass es selbst in der ausweglosesten Stunde Hoffnung gab…

Er kramte in seinem kleinen Holzschrank umher, betrachtete sich Gerümpel, den er von seinen Reisen noch immer aufbewahrt hatte… sie halfen ihm oft zu begreifen, dass er sich die Schlachten gegen Monster, das Erkunden verschiedener Tempel und auch Momente mit herzensguten Hylianern nicht eingebildet hatte, dass es Wirklichkeit war, dass es sein Leben war.

Er bückte sich, entdeckte neben einigen Büchern, einem Schlüsselbund, Karten und Flaschen auch die Babydecke, die ihm der Dekubaum ausgehändigt hatte. Nostalgisch betrachtete er sich das vergilbte Stück Stoff, das aus einer feinen Wolle hergestellt war. Jemand aus seiner einstigen Familie, vielleicht seine Mutter, musste es selbst genäht haben, dachte er. Sachte und liebevoll fuhr er über den Stoff und fragte sich, wie sie wohl ausgesehen haben mochte und ob er wohl jemals verstehen würde, was vor fünfzehn Jahren geschehen war. Hatte seine Mutter ihn geliebt? Hatte sie sich dieses Leben für ihn gewünscht? Was würde sie wohl sagen, wenn sie wüsste, dass er der Held der Zeit war?

Mit einem Seufzen entschied er einige Dinge in seinen Rucksack zu packen und jene mit in die verlassene Hütte zu nehmen, in der er den Winter verbringen wollte. Auch der Brief von einer gewissen F.L. fiel ihm in die Hände und die seltsame Karte zu Undoras Heim, die auf der Rückseite des Briefs notiert war. Was hatte Undora nach dem letzten Unterricht gesagt, fragte er sich und beantwortete die Frage gleichzeitig in Gedanken. Er würde den Weg zu ihr sehr bald finden? Noch einmal blickte er auf die fast unlesbare Karte, wo keine Beschreibungen zu finden waren, wo teilweise der Weg und die Orte nicht beschriftet waren. Es musste ein Zauber auf der Karte liegen und vielleicht, so dachte er, gab sich der Weg tatsächlich erst preis, wenn die richtige Zeit gekommen war. Er packte auch diese Karte in den Rucksack, als er sich verwundert zur Tür drehte. Ein leichtes Knacken verriet, dass jemand in das Zimmer eingetreten war. Es war Nicholas Doomrent, der heimliche Schwindler, der außerordentlich gepflegt, mit einem rotschwarzen, langen Mantel, neuem Wams und kunstvoll gefertigten Beinschonern und Schulterplatten aus schwarzbemalten Eisen, mit einem väterlichen Grinsen vor ihm stand. Seine dunkelbraunen Haare waren gewaschen, sein sonstiger, wilder Bart rasiert und er musste sich ein langes Bad gegönnt haben. Er sah unheimlich gepflegt und gesund aus. Er musste sich aus seinem Verdienst als Lehrer eine neue Garderobe zusammengespart haben. Keiner würde vermuten, dass der einstige dreckige Schwindler in diesen feinen Klamotten steckte.

„Hey, Kleiner…“, sprach er und scheinbar wollte auch er sich vorerst verabschieden. „Du machst dich auch aufbruchsfertig, was?“

Link nickte betreten und kam sich erneut unpässlich vor. Die teilweise unangenehmen Abschiede von heute strapazierten seine Nerven. Er wollte sich nicht auf diese schmerzlichen Empfindungen einlassen und doch fühlte er sich irgendwie traurig.

„Ja, ich übernachte in der Hütte am Glücksteich“, erzählte er und blickte aus dem Fenster. Er wollte sich nicht noch länger mit diesem Abschiedskram beschäftigen und zog sich seinen Mantel über.

„Es ist verrückt, wie schnell das erste Trimester vorüber gezogen ist“, meinte Newhead und zeigte sein typisches Grinsen im Gesicht, diese lebensbejahende und vielleicht übertrieben heitere Geste.

„Jap“, stimmte Link zu und kam nicht umher erneut die tolle Kleidung an Schwindler zu bewundern. Wenn er noch zu seinen Heldentaten fähig wäre, hätte er sich ebenfalls ein solches Gewand herstellen lassen. Aber gerade da fiel ihm das samtene Gewand ein, das die Königsfamilie ihm nach dem Angriff des Chadarkna geschickt hatte. Ob es tatsächlich von Zelda kam?

Newhead trat mit lauten Stiefelgeräuschen in den Raum ein und nahm an Links Ausblick teil. „Hey, Kleiner… ehe du gehst, würde ich gerne noch etwas mit dir besprechen.“

Überrascht drehte sich Link zu Nicholas und las in seinen undefinierbaren Augen weitere Rätsel. „Was gibt es außer, dass ich bewundere, wie du dich heraus geputzt hast“, meinte Link und versuchte selbst die trübsinnige Stimmung zu verscheuchen. Er schob seine momentanen Zweifel so schnell wie er konnte zur Seite.

„Oh, ach das“, lachte Nicholas und kratzte sich an seinem frisch rasierten, spitzen Kinn. „Ich werde meine Schwester in der Hauptstadt besuchen, jetzt wo das Fest der Göttin Nayru vor der Tür steht.“ Dann allerdings bemerkte Link, dass der Ritter etwas in seiner anderen Hand versteckte.

„Ich verstehe…“, murmelte Link und zog sich seinen Rucksack auf den Rücken. Er wollte nicht neugierig wirken und trat in Richtung Tür.

„Link, jetzt warte noch einen Moment.“

„Du wolltest noch etwas mit mir besprechen?“

Nicholas nickte lediglich und wirkte zögerlich. „Ich möchte dich nicht beunruhigen oder dir irgendwelche Bürden aufladen, aber ich muss dir noch etwas mitteilen, bevor wir uns in diesem Winter nicht mehr treffen.“

„Und das wäre?“ Unbeteiligt und kühl stand Link vor der Zimmertür und hoffte, er könnte endlich in die Glückshütte stapfen und alleine sein. Die hartnäckige Besorgnis, die er von Newhead spüren konnte, ließ ihn erneut ein schmerzliches Gefühl in seiner Brust empfinden. Er hatte schon genug Abschiedsrührseligkeiten erfahren, konnte Nicholas das nicht einfach begreifen? Begreifen, dass es für den einsamen Streiter des Guten zu viel war diese Abschiede in die Länge zu ziehen? Und Link musste zugeben, dass sich für ihn ein Abschied lange nicht mehr so grausam angefühlt hatte.

Der herausgeputzte Newhead spürte entgegen Links Annahme sehr deutlich, wie genervt der Jugendliche im Augenblick war. Etwas forsch klopfte er dem Burschen auf den Kopf und murrte entrüstet: „Du brauchst dich nicht so sauertöpfisch anstellen.“

Link seufzte und fragte erneut: „Schön, was wolltest du mir noch mitteilen?“ Bemüht sachlich zu bleiben und seinen Trotzkopf zur Seite zu schieben, blickte er den einstigen Schwindler sorgenvoll an.

„Es geht um die Sache am Destiniatempel…“, sprach er leise, und setzte bei einem plötzlichen genervten Seufzer von Link im selben Atemzug hinzu. „Es geht mir nicht darum irgendetwas an Informationen aus dir herauszuquetschen, ich möchte dir eher noch etwas von meinen eigenen Nachforschungen berichten.“ Und Nicholas ließ sich genüsslich auf das weinrote Kanapee sinken. Er streckte sich und zündete sich eine Zigarre an. Seine Sucht beruhigend zog er den Rauch tief in seine Lungen.

Verwundert ließ sich auch Link noch einmal am Schreibtisch nieder und fixierte seinen Lehrer vom Praxisunterricht. Es war keine Überraschung für Link, dass derjenige, der die Blutschatten wie nichts anderes jagte, Untersuchungen anstellte. Es verwunderte den Heroen aber deutlich, dass Nicholas ihm diese mitteilen wollte.

„Ich habe nach dem Angriff der Dämonen noch etwas dort herum experimentiert, dort, wo jene scheinbar einen Riss in unserem Universum erzeugt haben.“

Link zog eine dunkelblonde Augenbraue verräterisch nach oben. „Wie kommst du darauf, dass es eine Art Riss in unserem Universum war und nicht einfach nur ein Teleportationsfeld?“

Nicholas gähnte und steckte die großen, schmalen Hände über seinem Kopf zusammen. „Es ist interessant, aber die Struktur der Gesteine um den Destiniatempel hat sich dort verändert, wo die Dämonen verschwunden sind…“

„Inwiefern?“

„Es fühlte sich an, als wäre manches Gestein in seiner Grundstruktur verändert, als wäre der Baustein der Elemente zerstört.“

„Aber Gestein ändert sich auch in der Nähe von Teleportationsfeldern“, argumentierte der Held der Zeit. Er wusste dies, hatte er schließlich einige Male solche Felder benutzt.

Nicholas sah mit Besorgnis in Links meerblaue Augen. „Bis auf ein entscheidendes Detail hätte ich das wohl auch angenommen, aber das Gestein zerschmolz regelrecht und das zeugt von einer weitaus größeren Energie als jene, die ein Teleportationsfeld aufrecht erhält.“

„Das Gestein ist zerschmolzen?“, meinte Link irritiert. „Wie das?“

„Das konnte ich leider noch nicht verstehen, auch wenn ein Experte der Goronen sich gerade damit beschäftigt. Es war jedenfalls kein Feuer, das jenes Gestein benetzte, sonst wäre es ziemlich leicht erklärbar. Es war etwas anderes, was die Grundstruktur unserer Elemente so verändern kann, dass ihr Bild, ihr Zweck und alles, was sonst noch an das Element gebunden ist, sich völlig anders verhalten. Das ist in der Tat beunruhigend… Denn wenn wir uns vorstellen, dass ein Dämon in der Lage wäre Elemente so zu beeinflussen, dass sich ihre gesamte Beschaffenheit ändert, und wir übertragen das auf alles, was unsere Welt aufrecht erhält, dann hätte er die Macht mit dieser verbotenen Alchemie alle Kontinente des Weltenpalasts zu verändern.“ Unbewusst verkrampfte sich der junge Heroe auf seinem Holzstuhl, lauschend Nicholas‘ entsetzlichen Worten, die gerade seine Vorstellungskraft sprengten. Ein Dämon mit einer solchen Macht wäre kaum zu besiegen!

Nicholas erhob sich und klopfte dem Jungen mitfühlend auf die Schulter. „Ich weiß, dass dich diese Neuigkeiten sehr beunruhigen, aber ich musste dir dies so schnell wie möglich mitteilen.“

„Danke, Nicholas…“, murmelte Link und freute sich mit immer mehr Ironie auf die Winterferien. Noch eine Sache, der er nachgehen musste. Auch Link erhob sich von seinem klappernden Holzstuhl und fragte sich, ob dieser Wahnsinn niemals endete. Er konnte tun, was er wollte, er würde immer der Held der Zeit bleiben und unheimliche Geschehnisse wie diese würden sich immer mit seiner Teilnahme zutragen…

„Wir werden das herausfinden, Link, und diese Dämonen vernichten…“, meinte Nicholas aufheiternd. Erneut war sein Grinsen erschreckend tapfer.

„Ja, das werden wir“, murmelte der Blondschopf, aber er zweifelte bitter…
 

„Hey, da fällt mir ein“, sprach Sir Newhead in einer weiteren aufheiternden Tonlage. „Ich hab‘ noch etwas für dich…“ Und er zauberte aus seinem Umhang eine kleine viereckige Truhe hervor, geschnitzt aus dem geschmeidigen und magischen Dekubaumholz. Vergessene Runen waren in das Holz eingearbeitet worden und ein eigenwilliger, aufwendiger Verschlussmechanismus, wie ein kleines Rätsel, verschloss jene Schachtel.

Link blickte irritiert von der Schachtel in Nicholas geheimnisumwitterte Augen und hatte den Eindruck die Schachtel war nur halb so mysteriös wie er.

„Naja…“, redete er unsicher vor sich her, wirkte beinahe genauso tollpatschig und unbeholfen in herzlichen Situationen wie Link. Er wollte zwar etwas dazu sagen, wollte auch erklären, warum er ihm ein Geschenk machte, aber schließlich drückte Schwindler dem perplexen Jungen die Box einfach in die Hände. „Jetzt nimm‘ es halt… es ist für dich zum Fest der Nayru“, murrte er und biss sich auf seine leicht vernarbte Unterlippe.

Zwinkernd hielt Link das Geschenk in den Händen und starrte demütig in Nicholas hübsches Männergesicht. Er wirkte nun gerade nicht wie ein Lehrer, noch wie ein Freund, sondern wie eine Vaterfigur. Nicholas machte ihm tatsächlich ein Geschenk?

„Du… du schenkst mir etwas?“, stotterte Link und sah mit dem Anflug eines Lächelns auf die eigenwillige Zauberbox. In Wahrheit machte sein Herz Jubelsprünge, weil es eines der ersten Male, dass er tatsächlich etwas geschenkt bekam. Etwas, das keinen bestimmten Zweck verfolgte wie es bisher Darreichungen anderer waren. Immer, wenn er bisher etwas erhalten hatte, so diente es nur dem Weiterbringen seiner Mission oder der Rettung anderer…

„Ich bin der Meinung, dass du ein Geschenk bitter nötig hast…“, meinte er grinsend. Und diesmal erinnerte das verschlagene Lächeln deutlich an den Zellengenossen, der vor einigen Monaten mit Link aus der Doomrentfestung geflohen war.

Aber Link blieb stumm vor Erstaunen. Er zwinkerte und eine Freude begann in seinen Augen zu strahlen, die er noch nie empfunden hatte. Er bekam ein Geschenk zum Fest der Nayru… Der Gedanke war so wohltuend. Es war ihm eigentlich völlig egal, was in dieser Box vorhanden war, es interessierte ihn momentan nur die Geste von Schwindler.

„Jetzt sag‘ doch was dazu“, sagte Nicholas und drehte sich ebenfalls etwas verlegen weg.

Aber der junge Heroe brachte kaum etwas über die Lippen, während seine tiefblauen Augen gläsern schillerten. „Ich weiß gar nicht… was ich sagen soll…“

„Wie wäre es mit einem Dankeschön?“, lachte Nicholas. Er rieb sich sein Kinn und packte den heldenhaften Burschen schließlich väterlich in seine Arme.

Rotwerdend wusste Link nicht mehr, wie ihm geschah und schaute über Nicholas Schulter. Etwas unbeholfen löste sich der junge Bursche aus dem väterlichen Griff und zwinkerte verdattert.

„Jetzt guck‘ nicht drein wie ein blaues Hühnerei“, meinte der Erwachsene grinsend. „Das hat alles seine Richtigkeit.“ Er warf die restliche Zigarre in einen metallenen Mülleimer und stand mit dem Rücken zu Link. Noch einmal drehte er seinen Schädel leicht seitwärts. „Hey, Kleiner, in der Box sind einige magische Objekte drin, auch eine Warnanlage vor Feinden, die du an der Hütte am Glücksteich anbringen kannst. Denk‘ bitte daran, dass nach den Winterferien sehr bald der Ball des Winterzaubers stattfinden wird. Also vergiss‘ nicht jemanden zu fragen! Und übe die Meditation der Farore…“ Link nickte schüchtern und blickte dem Lehrer mit Dankbarkeit in seinen Augen hinterher.

„Und pass‘ auf dich auf, Kleiner…“, meinte er noch und trat in den Gang hinaus. Auch Schwindler schien Abschiede nicht zu mögen und das Klappern seiner Rüstung verflüchtigte sich schleunigst, ging in den langen Gängen der Ritterschule unter.
 

Der Winter tobte garstig, ließ Schneegestöber vom Himmel knallen, als wollte er die Welt in einem Bett aus glitzerndem Schnee schlafen legen. Mühselig erreichte Link seinen gemütlichen, und von dichten Schneegewand bedeckten Bestimmungsort, hörte nur den Wind rauschen und begann in diesen wenigen Minuten, da die Einsamkeit ihn heimsuchte, bereits die vielen aufheiternden Stimmen in der Ritterschule zu vermissen. Er schob die quälenden Gedanken beiseite, stapfte durch hohen Schnee und ekelte sich an der Nässe, die durch seine Stiefel drang. Eiskristalle bliesen ihm ins Gesicht, setzten sich erstarrend in das blonde Haar, das unter der dunkelbraunen Kutte hervordrang. Seine Wangen waren rotgekühlt, seine Hände fühlten sich an wie Eiszapfen.

Als er die Türe in die kleine, gemütliche Hütte aufschob, und die Sonne ihren Rundgang am weiten Himmelszelt beendete und allmählich die Klauen der Finsternis über das Land zogen, hatte auch der junge Held Link das Gefühl irgendwie zuhause zu sein. Erleichtert trat er in die gemütliche Stube ein, schloss das knarrende Türchen mühselig, da einige Brocken Schnee über die Schwelle gefallen waren und erinnerte sich daran, dass die Hütte zwar nicht sein Eigentum war und er sich damit die ein oder andere Schwierigkeit einhandelte, aber entschied auch, dass es irgendwie gut tat hier zu sein. Sofort verriegelte er die Türe mit mehreren Schlössern, schob einen mitternachtsfarbenen Vorhang davor und vor das etwas größere Fenster im Erdgeschoss, sodass niemand seine Anwesenheit hier erahnen konnte.

Er warf den nussbraunen Mantel ab, rieb sich die Hände und fragte sich, warum ihm der Winter so unter die Haut ging. Alle vorigen Winter hatte er körperlich wunderbar weggesteckt, und nun fror er sich halb die Seele aus dem Leib. Murrend werkelte er am Kamin herum, fragte sich, ob es gut war durch den entstehenden Rauch aufzufallen, aber er brauchte Wärme und die Minusgrade waren selbst in die gemütliche Hütte eingezogen. Er schichtete Holz und erzeugte einige Funken. Ein munteres Feuer prasselte plötzlich im Kamin, aber füllte mit hungrigen, knackenden Flammen ebenso wenig die Leere wie Links Versuche sich irgendwie abzulenken. Melancholisch saß er vor den Flammen, hatte sich eine wärmende Decke umgeschlungen und spürte eine unglaubliche Sehnsucht nach Gesellschaft und Nähe… Es war irritierend für ihn, dass er sich innerhalb kurzer Zeit so sehr an die Anwesenheit von anderen gewöhnt hatte, wo er vorher ein mürrischer Einzelgänger gewesen war. Es hatte sich alles verändert… Ob zum Guten oder Schlechten, das konnte er im Augenblick nicht gänzlich entscheiden. Allerdings wollte er auf die Menschen, die er an sich herangelassen hatte, nicht mehr verzichten. Er brauchte seinen dreisten Freund Will, den mysteriösen Nicholas, brauchte selbst die Laundrys irgendwo, und er brauchte Ariana, auch wenn er sich von ihr nicht verabschieden konnte. Ja, er hatte am letzten Tag nach ihr gefragt, aber traurigerweise erfahren, dass sie schon seit einiger Zeit abgereist war.

Er erhob sich mit der Decke um seine Schultern, fühlte sich sichtlich wärmer und versuchte die unangenehmen Gedanken beiseite zu schieben. Er hatte ein paar Ziele für die wenigen Wochen. Er würde sich Zeit nehmen für aufwendige Nachforschungen, bei denen ihm die Bücher von Aschwheel helfen würden, und Zeit für die Trance der Schutzgöttin Farore investieren. Und er würde eine Lösung finden müssen für das Verhör, das eine Woche nach Nayrus Fest anstand. Seine tiefblauen Augen strotzten vor Ehrgeiz, als er begann wenige Kerzen anzuzünden, es sich am Tisch bequem machte, las und die Zeit vergaß…
 

Es war dann in einer trügerischen Nacht, als die schmutzigen Schatten der Finsternis sich wie eine Robe der Entartung über die Welt legten. Nahe der Grenze im unsicheren Westen, dort, wo Männer des Königs stationiert waren, wo auch Valiant von Hyrule fähige Männer unter seinem Kommando gegen Dämonenherden vereinigt hatte, sammelte sich der verwüstende Keim des Bösen, erhob sich spürbar in beißendem Regen, der nassen Schnee unterwanderte, spürbar in einem messerscharfen Wind, der über die Steppe peitschte, und spürbar in den ängstlichen Gemütern der Soldaten und Ritter, die mit fordernden Bewegungen klingend wie trockene Trommelschläge über die eisbedeckte Steppe hetzten. Der schleimige Schneematsch unter den Hufen der Reittiere stank nach Verwesung und Abfall, nach fauligen Gebeinen und aasigen Kräutern.

Lassario Laundry, der auf einem geliehenen Pferd saß, ein kräftiges Tier noch jung und stürmisch, wickelte sich noch enger in seine dunkelbraune Lederkutte, betete innerlich die Götter hätten Gnade mit ihnen und würden diesen unsäglich kalten Regen stoppen. Er lauschte dem nostalgischen Klappern der blutgeweihten Schwerter und pelzigen Schilde, ihr Schlachtruf summte in seinen Ohren nach. Er beobachtete die düstere, gefährliche Welt um sich herum, die Schatten, die von einsamen Hütten über den glühenden Schnee fielen, die Wälder in der Ferne, die das Tal wie eine Kette umarmte und eine Burg, die sich wie ein düsterer, grauer Klotz auf dem höchsten schneebedeckten Hügel der Umgebung, erhob.

Er schloss mit dem jungen Hengst ein wenig weiter nach vorne auf, preschte durch den eisigen Sturm, bis er seinen Befehlshaber ausmachen konnte. Er entdeckte das prächtige Ross von Valiant von Hyrule, das mit einem langen, rubinroten Mantel bedeckt war. Der junge Königssohn schien nachdenklich und grüblerisch. Eine helle Kapuze bedeckte sein ansehnliches Gesicht nur unzureichend, blonde, nasse Strähnen fielen über sein erschöpftes Gesicht. Aber seine grauen Augen leuchteten mit einem verborgenen Feuer der Stärke.

„Mein Prinz“, sprach Lassario bestimmt und erhoffte sich eine kurze Unterredung mit Valiant von Hyrule in der Absicht weitere Informationen über das Ziel der derzeitigen Reise zu erfahren.

Verwundert, so als hatte man ihn aus seinen mühsamen Gedanken herausgerissen, drehte der junge Prinz seinen hübschen und doch hochnäsigen Kopf in Lassarios Richtung, zwinkerte mehrfach und deutete mit einem Winken an näherzureiten. Der Laundry nickte bestätigend und schloss auf.

„Was gibt es, Sir Laundry“, sprach Valiant. „Ich hoffe, Ihr wollt Euch nicht genauso wie Sir Levias über das eiskalte Wetter beschweren.“ Er ließ seine Stimmbänder rollen, während er sprach, ein scharfer, amüsierter Unterton entkam seinen geschwollenen, königlichen Lippen. Irritiert blickte Lassario zu dem langen Ritter Sir Levias, dessen silbernes Haar selbst in der Schwärze zu leuchten schien. Es wunderte ihn ein wenig, dass ausgerechnet der Ritter Levias, der das Wasser liebte, sich über das Wetter beschwerte.

„Nein, nein, mein Prinz“, sprach der Laundry erklärend. „Es ist nur so, Ihr habt uns noch keine Auskunft gegeben, wohin wir reiten und was das Ziel dieses Auftrags ist.“

Valiant ließ seine grauen Augen blitzartig in die gutmütigen schokoladenbraunen des Laundrys stechen. Der Blick des Prinzen erschreckte ihn beinahe. Da war eine mordlüsterne Gewaltbereitschaft, die Lassario nicht gerne in den Augen eines Hylianers sah. Und in den grauen Augen Valiants verbarg sich der Wille zu töten.

„Ihr untersteht wie die anderen meinem Kommando und es ist meine Entscheidung und Voraussicht, die den besten Zeitpunkt auswählt, wann ich Informationen kundtue und wann nicht.“

„Entschuldigt, mein Prinz, ich zweifle nicht an Eurer Weisheit und Entscheidungsfähigkeit“, murmelte Lassario beflissen und fragte sich, ob er mit seiner Neugierde zu weit gegangen war. War es denn so verwunderlich, dass er als einziger des kleinen Trupps von Hylianern zu wissen wünschte, wohin die Reise ging?

Valiant grinste schließlich, so als hätte das kleine trotzige Kind in seinem Inneren, eine immense Genugtuung erfahren. Er wollte seine Macht demonstrieren und war entzückt, wie leicht es funktionierte.

„Ritter Laundry…“, begann er und knirschte kurz mit dem Zähnen, als versuchte er ein unangenehmes Gefühl zu verbergen. „Ihr habt schon Recht. Es wird wohl Zeit Euch und den Anderen nähere Kunde zu liefern.“ Er presste eine Hand auf seinen Bauch, und verzog kurzfristig das Gesicht.

„Seid Ihr verwundet, Prinz Valiant?“, meinte Lassario und erinnerte sich der bisherigen Schlachten. Seit Tagen spürten sie Dämonennester auf, seit Tagen tanzten die Klingen gegen Moblinherden. Es überraschte ihn nicht sonderlich, dass selbst Valiant, der ein begnadeter Schwertfechter war, einmal den Kürzeren aus einer Schlacht gezogen hatte.

„Es ist nicht der Rede wert, Ritter Laundry. Ein Kratzer von vorgestern…“ Lassario nickte lediglich und zwang sein schönes Reittier zum Stehen, genauso wie es die anderen Ritter in der Runde taten.

Als ein Zeichen, das nur ein König in die Welt bringen konnte, hob der junge Königssohn Valiant sein golden funkelndes Schwert in die Höhe, an dem sich der hinab rieselnde Schnee spaltete. Es war sein Zeichen, dass der Kampf nahte, und dass der Tod wartete.

„Ritter Hyrules… Verharrt einen Augenblick und beobachtet die Schönheit Hyrules selbst in dieser eisigkalten Winternacht. Seht die düstere Welt um uns herum, wo das Licht begraben liegt. Und richtet Eure vor Mut strotzenden Augen nach Norden!“ Valiant war es geübt ausführliche, schwungvolle Reden zu halten und bewies dies mit der kräftigen Hylianerstimme, die durch die Nacht dröhnte und bewies seine Absicht zu kämpfen. Seine Schwertspitze, aus der ein goldener Strahl glitt, wirbelartig sich in der Finsternis verflüchtigte, deutete in Richtung einer vor nicht allzu langer Zeit errichteten Villa, die von der Dunkelheit beinahe erstickt wurde. Wie eine geisterhafte Erscheinung ruhte das Anwesen auf einem einsamen Hügel, schien sich in etwas Abartiges, Rauchiges zu hüllen, das dem Tode nahe kam. Sorgenvoll erblickten die Ritter und Soldaten der kleinen Gemeinschaft das Anwesen, spürten eine mörderische Gefahr sich annähern, bemerkten einen Geruch, der nach Leichen stank von dem Gemäuer in ihre Richtung ziehen. Schon von weitem erzeugten flackernde Lichter, die wie glühende Geister hinter riesigen Fenstern vorbeihuschten, Misstrauen und Ängste in den Gemütern der Ritter und Soldaten.

„Vor uns liegt die Villa der Schneestern-Familie. Seit Wochen ist von dort keine Nachricht mehr zu uns gelangt. Ein Späher berichtete, er habe verdächtige Dinge vor sich gehen sehen, Schatten, die ohne Ursprung waren, Schatten, die sich fürchteten.“ Er machte eine kleine Pause, schnappte erneut nach Luft und schien durch ein paar fiese Stiche einer Wunde abgelenkt. „Vor wenigen Tagen sendete ich eine kleine Gruppe Söldner in die Feste, aber auch jene kehrten nicht zurück.“ Valiant sprach wacker und furchtlos zu seinen Kämpfern, wollte die Angst aus ihren Gemütern vertreiben. „Seid tapfer, Ritter und Soldaten Hyrules!“, rief er. „Wir werden diesen Ort erkunden! Und wenn Dämonen dort hausen, sollen sie unsere Schwerter kennenlernen!“

Und es war dann, dass ein zustimmender und todbringender Schlachtruf durch die Nacht dröhnte. Die wenigen Ritter und Soldaten machten sich bereit für eine Schlacht, die bedeutender sein würde als es Hylianeraugen wahrnehmen konnten.
 

Im sich spiegelnden Schatten der düsteren Wolken ritten Valiant und seine Männer vorwärts, verhielten sich immer leiser je näher sie der einsamen Feste kamen, hielten ihre todesmutigen Augen wachsam und offen. Eine Strategie wurde entworfen, ein Hinterhalt, ein Heranschleichen an die Feste mit dem vorsichtigen Gedanken, dass Geißeln in der Burg gehalten werden könnten und es nicht zieldienlich wäre die Meute von dämonischen Abschaum, der diesen Ort entweiht hatte, aufzuschrecken…

Wenige Soldaten blieben wachsam und verborgen unter dem Kommando von Sir Levias nahe der schattenreichen Hügel, ließen ihre zahlreichen Augenpaare über die erfrorenen Hügel gleiten, würden magische Feuer der Warnung senden hier im gefahrvollen Norden, der von Schneestürmen beherrscht wurde, und falls nötig Verstärkung heranholen. Sir Gmeindal der Ältere und Sir Boldar der Jüngere waren beide begnadete Bogenschützen, schlichen gemeinsam mit einer weiteren Truppe von Soldaten vorwärts, bezogen Stellung an einer breiten, uralten Steinmauer, die rutschende Erdmassen freigelegt hatten und die wohl noch von Ruinen herrührte, die vor Jahrtausenden errichtet wurden. Hier war ein günstiger Platz für den Einsatz von Ferngeschossen. Das feine Zirpen von Sehnen und Armbrüsten, gestopft und gefüttert von vergifteten und lähmenden Pfeilen und Bolzen, klirrte durch die eistreibende Nacht. Dutzende starre Fingerspitzen legten sich an schimmernde Bogensehnen, stachen unter durchnässten Handschuhen hervor und auch sie waren bereit. Zwei weitere Truppen, zu einer jener zählte Lassario Laundry, marschierten eiligst, im Schutze der umhüllenden Finsternis über die todbringende Steppenlandschaft, näherten sich dem Gebäude von Osten und von Westen, unterdrückten zwanghafte Atemzüge in der Nacht, lauschten dem Knistern des Schnees unter ihren stählernen Stiefeln. Zügig bewegten sie sich vorwärts mit den rauen Händen auf mordlüsternen Schwertern und kampfgeweihten Schilden.

Noch unentdeckt schlichen die Krieger in das gespenstische Anwesen, dort wo Schatten flohen, verängstigtes Leben verendet war und die Toten keine Ruhe finden konnten. Heruntergebrannte Fackeln glommen wie feuergebärende Augen, die aus anderen Dimensionen herrührten. Veilchenfarbene Stofffetzen des Wappen der Schneestern-Familie, zerstückelt und beschmiert mit altem Blut hing an den sonst so kahlen Steinwänden und eine sonderbare Stille, nur unterwandert von einem ganz eigenwilligen Knistern aus dem Gemäuer, ließ Blut und Lymphe der Streiter gefrieren. Kein Wort erklang zwischen den Kämpfern, verständigten sie sich doch nur über Handbewegungen und gelernte Mimik, bewegten sich galant in den verräterischen Schatten und schärften ihre Sinne.

Sie näherten sich den Überresten des Burgtores, starke Schlösser zerbersten, eiserne Verankerungen zerstückelt und stabiles Metall zerfetzt, konnte sich keiner der Streiter vorstellen, welche Gewalt hier gehaust haben musste, und welcher Streitmacht es gelungen war ein so robustes Tor auf diese Weise zerrissen zu haben. Lassario kniete nieder, ließ seinen scharfen Blick über die Erde wandern, suchend nach Räderspuren, aber es waren keine sichtbar, was ihm unerklärlich erschien. Ein riesiger Bolzen, gespannt auf einer Karre, musste dieses Tor auseinandergerissen haben, aber nichts deutete darauf hin… Getrocknetes Blut in der Erde und Brocken von elfischem Fleisch waren alles, was von den Bewohnern der Feste geblieben war und es zeugte von der Gewalt und dem Vernichtungstrieb der Bestien, die hier hausten. Argwöhnisch sah der Laundry auf, fühlte das Unbehagen in seiner Brust zunehmen. Hier an diesem Ort war etwas Grausames vor sich gegangen und hier wartete der Tod… Er ließ einen alten Zauber für sich sprechen, den er einst von seiner Mutter gelernt hatte. Ein Zauber, mit dem er hylianisches Leben in der Feste fühlen konnte. Wie der sanfte Flügelschlag einer Fee summten drei Worte des alten Hylianisch über seine Lippen, als er die Augen schloss und seiner Wahrnehmung folgte. Er suchte mit der Stimme seines Herzens nach Lebenszeichen, suchte nach hylianischen Herzen, die in dieser Feste schlugen. Aber alles, was er spüren konnte, war nur der Tod. Kein Zeichen eines schlagenden Herzens, kein warmes Elfenblut, das irgendwo durch Adern strömte… alles Leben hier war vernichtet.

„Habt Ihr etwas gesehen, Sir Laundry?“, sprach ein junger kahlköpfiger Soldat namens Widon, der seit wenigen Wochen in den Reihen der hylianischen Armee kämpfte. Es war einer seiner ersten Einsätze.

„Wir können vorrücken“, meinte Lassario und senkte den Blick. „Es sind keine Geißeln hier…“ Er ballte die Hände zu Fäusten, sodass sich das Leder seiner stahlbesetzten Handschuhe spannte. Sie waren zu spät gekommen… alles, was hier noch war, war der bittere Gestank zahlreicher Dämonen. Er gab ein weiteres Signal und trat mit der Schar von Kriegern weiter. Beinahe lautlos bewegten sich die Ritter und Soldaten weiter über den düsteren, zerstörten Innenhof, hielten sich geschickt in dem Schatten des Gemäuers. Es raschelte und knarrte, hier wo der Wind scharf über die verlassenen Burgspitzen peitschte. Und je weiter die getreuen Krieger der hylianischen Königsflagge schlichen, umso deutlicher waren da die gefahrprophetischen Stimmen von dämonischen Wachposten. Die beiden Truppen, die sich von Osten und Westen näherten, sammelten sich jeweils an zwei gegenüberliegenden Punkten des Innenhofs, gaben sich weitere Zeichen eines vorbereiteten Angriffs. Valiant führte von Westen her einige treue Krieger unter sich, während Lassario die andere Truppe befehligte. Und ein Signal in der Ferne loderte, erschaffen durch legendäre, hylianische Magie, signalisierte den Streitern an der alten Burgmauer und auch den Kämpfern auf den Hügeln, dass die Zeit reif war. Der Angriff war nicht mehr fern…

Alle Krieger wie sie dort in der eisigen Wintersnacht einem gespenstischen Flüstern lauschten, ihre eisgekühlten Hände auf zerschlissenen Lederheften ruhend, zitternd, aber vorbereitet, machten sich bereit. Ihre Augen funkelten mit Furcht und Tapferkeit, als die ersten dämonischen Wachposten näher kamen. Obwohl sie sich so leise wie möglich verhalten hatten, musste der verräterische Abschaum die Anwesenheit von lebendem Hylianerfleisch gerochen haben. Aus in die Erde gehauenen Kellergewölben kamen sie angestapft, sprudelnd vor barbarischem Verlangen ließen sie ihre kratzigen Schwerter an dem Gestein entlang schmirgeln, erzeugten krächzende Laute, die in die gnadenlose Nacht dröhnten und selbst Geister vertrieben. Entstellte, hässliche Fratzen mit zerschlissenen Eisenpanzerungen erschienen im rostigen Funkeln von zahllosen Äxten und Streitkolben. Dutzende waren es, blutbeschmiert und mordlüstern mit Stacheln besetzter Rüstung…

Valiant und Lassario tauschten sich warnende Blicke aus, hielten sich die Streiter des Guten noch versteckt, war das Überraschungsmoment doch auf ihrer Seite. Valiant nickte entschieden und es war für Lassario das Zeichen, dass die Männer unter seinem Kommando vorrücken sollten. Einen schmirgelnden Hall, klingend wie Hunderte Triangeln, erzeugten die Waffen, die aus breiten Schwertscheiden gezogen wurden und ihr Klang ließ die Meute des Bösen mit noch mehr Furie und Einsatz über die todgeweihte Erde hetzten. Sie erschienen brüllend, erschienen mit dem Durst nach hylianischem Blut.

Die ersten Schreie gingen durch die Nacht hier im verwunschenen Westen, als die Kämpfe gegen dämonische Bestien Blut und Seelen forderten. Erste Schwerter prallten mit donnernder Wucht aneinander. Eine Mauer im Innenhof zerbrach unter einem ohrenbetäubenden Jauchzen, nicht weit entfernt von der Scharr Krieger, die sich um Valiant tummelte, und dahinter warteten weitere mordhungrige Moblins, Skelettritter und von bösem Willen verfluchtes Getier. Ein riesiger Bär, beschmiert mit violettem Blut brüllte und tobte, angestachelt durch schwere Eisenketten, die um seine Gelenke gebunden waren. Ein Moblin reitend auf einem nackthäutigen Wildschwein, übersät mit eiternden Wunden, drängte den riesigen Bär vorwärts…

Betäubt richteten die Streiter, unter denen auch Lassario war, ihre Augen auf die zahlreichen Angreifer, die hier im Innenhof des gebrandmarkten Schneesternanwesens auf sie warteten. Jene erfüllten die stechendkalte Luft mit dunklem Hylianisch. Aber sie kannten die Kampfgewandtheit und den todesmutigen Willen der hylianischen Ritter nicht. Mit tosenden Stimmen setzten die Krieger Hyrules dem dunklen Hylianisch ihre Schlachtrufe entgegen. Es war der Gesang des Mutes, der Gesang des Guten.

„Für Hyrule!“, rief Lassario im Eifer des Gefechts und sauste mit Schild und Schwert bestückt direkt in die Horden des Feindes. „Für Hyrule!“, riefen die stolzen Ritter zustimmend, hetzten mit ihren dicken, blauschillernden Rüstungen über die gefrorene, blutdurchtränkte Erde und ließen Waffen für sich sprechen. Sie kämpften mit aller Kraft, ließen Schwerter singen und tanzen. Zwei junge Soldaten rammten ihre Speere in die wilde, bärige Bestie, schützten sich mit Schildern, die jedoch nicht lange standhalten konnten. Blutend und brüllend stieß die riesige, mit Fell wie Stahl geschützte Kreatur die beiden Soldaten zur Seite. Leuchtende Krallen senkten sich in sterbliche Körper, bis einer der Soldaten buchstäblich auseinander gerissen wurde. Schreie folterten die Szenerie und schürten das erbarmungslose Kämpferfeuer. Eingeschüchtert sammelten sich die Kämpfer, erhielten Unterstützung von außerhalb, als die Ritter Boldar und Gmeindall mit ihren Bögen einen Pfeilregen entfachten. Dutzende Ferngeschosse knallten durch das Burgtor, zerfetzten schmierige Gliedmaßen entstellter Moblins.

„Für Hyrule!“, riefen die Streiter des Guten erneut, metzelten Moblins nieder, spießten dämonische Reittiere auf, aber es war einfach nicht genug. Die Kreaturen der Nacht erstarkten mit jedem weiteren Schlag und mit jedem Kopf, den die Kämpfer des Guten rollen ließen. Es war wie, als herrschte eine düstere Macht über dem sündenvollen Westen und als veränderten die Dämonen die Gesetze…

Auch Lassario kämpfte hier, wo jeder kämpfte und weinte innerlich, weil die Welt Hyrule, wie er sie sich nach seiner langen Abwesenheit erträumt und gewünscht hatte, in seinem Herzen mit jedem reißenden Schlag und mit jedem Kopf, den er abtrennte, zerfiel. Er zerschmetterte seinen Angreifer mit Stolz und einem Gebet an die Götter auf seinen spröden Lippen. Gemeinsam mit den anderen Streitern des Guten brachten sie den aufrührerischen Bär zu Fall, durchbohrten sein hartes Fell mehrfach und drängten auch die anderen Dämonen zurück. Ein erstes erleichtertes Aufatmen erklang aus den Reihen und erneut gab Valiant Kommando. Die Gruppe teilte sich weiter auf, wenige bezogen Stellung im Innenhof, während die restlichen Soldaten und Ritter weiter in das Gemäuer eindrangen. Die Keller und Türme wurden ausgekundschaftet, nach Beweisen wurde gesucht…

Vereint sprachen die Streiter im Innenhof ein tröstendes Gebet für die wenigen Gefallenen und halfen deren leblose Augen zu schließen. Zehn gute Männer mussten ihr Leben lassen, hier an diesem verteufelten Ort, wo einst Lichter des Lebens leuchteten. Zehn fielen und jeder war einer zu viel…
 

Erschöpft und tiefdurchatmend stützte sich Lassario auf sein vor Blut und Dreck triefendes Schwert, hatte sich während dem Gefecht eine leichte Fleischwunde am rechten Bein zugezogen und drückte seine Handfläche auf die Blutung. „Verdammte Brut des Bösen…“, knurrte er und seine sonst so gutmütigen, dunkelbraunen Augen leuchteten mit einer Abscheu, als er die am Boden liegenden, sterbenden Moblins angeekelt betrachtete.

Ein giftgrüner, mit altem Rindsleder geschützter Moblin, der am Bauch durchtrennt war, zog sich zischend mit seinen Händen vorwärts und spuckte Blut und Schleim in Lassarios Richtung. Er hatte noch einen zackigen Dolch in der Hand, wusste wohl, dass er ohnehin sterben würde, aber schien in seinem Wahnsinn noch das Bedürfnis zu spüren einen Hylianer zu richten. Angeekelt blickte der Laundry nieder. „Tötet, was von diesem widerlichen Dreckszeug noch übrig ist!“, befahl er den restlichen Männern und trat voller Verachtung zu dem Moblininsekt, das ihn mit blutunterlaufenen, grauen Augen anstarrte. Es lachte: „Ihr… ihr seid alle genauso tot wie wir!“ Es zischte und übergab sich mit violettem Blut. Warnend ließ Lassario seine alte Klinge neben der Kreatur in die Erde sausen. „Sprich‘, Dämon! Was habt ihr hier getan!“

Erneut lachte das Moblininsekt, bis Lassario niederkniete und ihm seine letzte Möglichkeit nahm sich zu wehren. Ohne Mitleid ließ der Ritter die in der weichen Erde steckende Klinge zur Seite sinken, trennte beinahe zärtlich die Hand des Unholds ab, in welcher er den Dolch hielt. Es zischte und zappelte, kreischte markerschütternd. „Dummer Hylianer! Verflucht und tot sollt ihr sein, alle zusammen!“ Er schwieg, als er die silbern schimmernde Klinge des Laundry an seiner Kehle spürte. „Und was nun?“, sprach Lassario. „Wie sieht es mit deinem Respekt vor dem kalten Stahl aus?“ Er lachte als Antwort, lachte so laut, dass sich einige Soldaten umdrehten. Darunter auch der junge Kämpfer Widon, der sich kalten Schweiß von der Stirn wischte.

„Ich schenke dir einen schnellen Tod, wenn du mir Antworten gibst!“, knurrte Lassario kraftvoll. Aber erneut kam nur ein Lachen aus der Kehle des Widerlings. „Weißt du was, Hylianer, ich verzichte auf den schnellen Tod!“ Er ließ seine violette Zunge aus dem vernarbten Mund wandern und spuckte in Lassarios Richtung. „Aber ich verrate dir und eurem schwachen Gesindel dennoch etwas…“ Lassario rückte näher, betrachtete sich das sterbende Elend des Monsters, als die wenigen Soldaten näher traten. „Ihr seid alle dem Tod geweiht… der neue Herr über die Welt der Dunklen hat hier einen weiteren Schlüssel gefunden… und einer seiner Diener ist nah… Wie ein Schatten wird er über euch herfallen und nichts bleibt übrig als Fleisch und Blut… denn das blutende Hyrule ist nah…“ Er zischte ein weiteres Mal, ein weißlich-blutiges Knäuel aus Schleim und Blut brach aus seinem mit Reißzähnen bestückten Maul und beendete das restliche mordlüsterne Leben.

Alarmiert erhob sich Sir Laundry erneut, blickte sorgfältig um sich und fragte sich, ob diese Dämonenbrut ihn nur ängstigen wollte, log, oder aber sich tatsächlich ein weiterer Feind nähern würde?

„Widon!“, schallte seine kraftvolle Stimme über die Leichen der Moblins und den Opfern auf der Seite der Hylianer.

„Ja, Sir Laundry, was kann ich tun?“

„Lauf‘ zurück zu Sir Levias und seinen Männern und warne sie mit den Worten, die der Moblin sprach!“ Der junge Soldat nickte mehrfach und rannte so schnell ihn seine Beine tragen konnten hinaus aus dem Tor. Mit einem unguten Gefühl in der lebenserfahrenen Brust blickte Lassario dem jungen Soldaten hinterher, während der Himmel erneut eisige Regenschauer niederhämmerte. Das verdorbene Blut der sterbenden Moblins und das einst so reine der Gefallenen vermischte sich im Regen, der versuchte das Unheil in dieser Nacht zu läutern. Die gepanzerter Kleidung der Soldaten und Ritter triefte vor kalter Nässe und ließ die Kämpfer sich noch langsamer bewegen als ohnehin, hier in der Winternacht. Der stürmische Regen verdunkelte das bisschen Sicht der Streitkräfte noch weiter… lediglich das Gehör war ungetrübt und irgendwo in der Ferne gingen die Schlachtrufe, die morbiden Stimmen der Sterbenden und die ungesagten Worte der Toten dahin, schwanden in legendäre Zweifel, bohrten sich in die Träume der Auserwählten…

Plötzliche, erbarmungslose Schreie fesselten die wenigen Gemüter, denn über den weiten Hügeln, wo der eisige Regen sich verflüchtigte und die Welt stillstand, dort begann eine wahnsinnige Symphonie aus Schreien. Hylianer riefen und flehten erbarmungslos dort auf der einsamen Steppe, kreischten, als riss eine fremde Macht ihnen die leidvollen Herzen aus der Brust… was folgte, war eine grausame Stille, die nicht einmal durch das garstige Pfeifen des Windes unterbrochen wurde. Die Welt ruhte still, hier, wo Dämonen Gesetze veränderten und sich warmes Blut mit starrem Eis vermischte.
 

„Macht euch bereit!“, rief Lassario, spürte, dass dort draußen etwas wartete, das vielleicht noch gefährlicher war als der Tod, der sich in diese Feste gebrannt hatte. Beinahe gleichzeitig hoben die wenigen Soldaten ihre blaufunkelnden Schilder, wo sich violettes Blut eingegraben hatte. Lassario gab einen weiteren Befehl, atmete die eisige Luft in seine verbrauchten Lungen, spürte gefrorenes Haar an seinem Dreitagebart knistern und lauschte dem Treiben des Bösen… einem dumpfen Grollen in der Ferne… einem Rascheln von Stahl besetzten Stiefeln, die sich tief in vereistes Steppengras fraßen… Jemand war dort draußen auf der Steppe, bewegte sich wie ein flinkes Raubtier und säbelte sich durch die Streitmacht der Hylianer wie ein Messer durch Butter…

„Haltet Stellung!“, rief Lassario, spürte eine gigantische Gewalt in Richtung der blutgeweihten Festung der bereits vergessenen Schneestern-Familie toben, auch wenn in der Nacht, die nur spärlich von einem traurigen Mond beleuchtet wurde, kein Hylianerauge einen weiteren Feind ausmachen konnte. Ein Schatten lauerte dort draußen, befriedigte sich an der Angst der Hylianer, die noch bluten konnten, lechzte und lachte tückisch…

Niemand konnte ihn sehen, den wohlvertrauten und schwertgewandten Feind, der sich wie ein flüchtiger Schatten durch das zersplitterte Burgtor bewegte, sich anpirschte und so gewandt und geschmeidig seine jungen Beine über die sterbenden Reste von Moblins und Hylianer bewegte. Niemand konnte ihn erspüren, wo er einer der besten Krieger des Landes war, sich gewandt und zielsicher näherte, wie ein Gewächs aus Schatten, Blut und Fleisch sich in den dunklen Winkeln der Feste versteckte und zum Töten bereit war. Er donnerte wie eine grünlich funkelnde, gewaltvolle Welle hernieder, näherte sich im Wimpernschlag mit Augen, die wie Stahl durch die Stille schnitten, mit einem Schwert aus bestem hylianischem Metall und einem Willen, der nicht zu Töten war. Kein Laut erklang aus seinem Mund, als er die Soldaten überraschte, wo der Mond erneut von regenträchtigen Wolken ummantelt wurde. Begleitet von einem übernatürlichen Feuer der Brutalität ertränkte er die Klinge im Blut seiner Opfer, ritzte Kehlen von verstummenden Soldaten auf, schnitt in einer rasenden Geschwindigkeit durch die Menge, war kaum fühlbar und loderte mit jedem vernichtenden Schwertschlag in einem immer stärker leuchtenden, smaragdgrünen Schatten auf. Er glitt stumm durch die Lüfte, sprang auf blutgetränkte Schilder, zerfetzte Klingen in den Händen der Soldaten und ließ die Menge eine Brutalität spüren, die keine Seele aushielt… und dort in der Schneestern-Feste weinte das Gute. Gesetze Hyrules und das natürliche Gleichgewicht, das alle Geschöpfe für von den Göttern geschenkt hielten, zerbrachen und rannen dahin… Hyrules Entstellung begann und es begann mit den unsterblichen Seelen, die an Legenden gebunden waren und die Hyrule zusammenhielten.

Lassario gefror das Blut in den Adern, versuchte er die Person als das zu erkennen, das sie doch war, versuchte in dieser sterbenden Nacht die Welt zu begreifen, die sich entstellt hatte. Da war das schattenhafte Abbild eines Wesens, zu dem die Menschen aufsahen. Dort tobend wie ein Gott des Krieges und des Blutes zerfetzte ein Held seine Kameraden, zerstückelte das Leben mit Genuss in kranken, wahnsinnigen Augen, und ein schattenhafter, grünlich funkelnder Rauch umgab ihn. Wie gelähmt sank Sir Laundry nieder, als die wenigen Soldaten sterbend am Boden lagen und alles so verdammt schnell ging, dass er es nicht hätte aufhalten können. Es war wie als hatte dieser Kämpfer die Zeit manipuliert und sich einen Vorteil über alles Leben verschafft… Er hatte die Zeit manipuliert um zu töten… In einem Gewächs aus grünlichem Rauch sauste der Angreifer näher, durchbohrte Lassario mit eisigen Blicken aus furchtlosen, wunderschönen Augen. Und alles, was der so lebenserfahrene, angstvolle Ritter Hyrules noch tun konnte, war sein wuchtiges Schild in die Höhe zu heben, dem Angriff zu trotzen mit allem, was er noch hatte. Ein Splittern, gefolgt von einem heftigen Aufschrei dröhnte durch die Nacht, als erneut der Regen niederging. Mit einem trommelnden Knistern fiel der eisige, reinigende Regen… brannte sich in die blutige Erde… und spülte Seuche und Leben hinfort…
 

Und mit einem leisen Trommeln, das sich mit seinen Träumen verband, sich einnistete wie ein Keim, der lange brauchen sollte um zu wachsen, geduldig und todbringend, schreckte Link aus dem Schlaf…

Er richtete sich so heftig auf, dass er mit dem Hinterkopf an ein stabiles Eisenregal stieß, fühlte seine Augen tränen und kleben, als hätte er sie vor Angst gewaltvoll zusammengekniffen. Er schwitzte, atmete heftig und brauchte viele Augenblicke um sich zu orientieren. Er war hier… in der Hütte am Glücksteich. Sicher und unschuldig. Er war hier… behütet und allein. Benommen richtete er sich auf, spürte Schwindel und Übelkeit und eine eigenartige Gänsehaut, die seinen Rücken hinab wanderte. Etwas Düsteres hatte sich in seine Träume gebohrt, etwas sehr Grausames hatte er gesehen und doch war mit dem Aufwachen jedes Bild in ihm verschwunden. Alles, was er spürte, war der entsetzliche Nachklang von reißenden Schwertern und zerberstenden Schilden. Und alles, was er roch, war der Geschmack des Todes…

Tief durchatmend erinnerte er sich daran, dass er in dem Buch von Lord Aschwheel herumgeblättert und einige Abschnitte zu alten Dämonenvölkern durchgelesen hatte, bis er wohl eingenickt war. Er spürte eine eigensinnige Kälte in der kleinen Hütte zunehmen, sah, dass das Feuer im Kamin vollständig heruntergebrannt war, als er sich fragte, was ihn wohl aus dem Schlummer gerissen haben mochte. Noch immer benommen und laut gähnend werkelte er am Kaminloch herum, schichtete etwas Holz und sorgte für ein weiteres, wärmendes Feuer, das glühendrote Lichtgebilde in die von Dunkelheit erfüllte Hütte brachte…

Wie spät es wohl war?

Gerade in dem Augenblick ließ ein leichtes Poltern, ein beinahe melodisches Klopfen im Rhythmus mit den Trommeln aus seinem Schatten der Nacht, ihn verunsichert auf die Beine hüpfen. Erneut ein sanftes Klopfen an der kleinen Tür in sein selbstgewähltes Heim ließ ihn begreifen, dass da jemand war, der den Wunsch hatte zu ihm zu gelangen. Im ersten Augenblick war er sich nicht sicher die Tür zu öffnen, wusste doch kaum jemand, dass er hier war. Aber schließlich bewegten sich seine dünnen Beine wie von selbst in Richtung der Eingangstür, geboren aus einer Sicherheit in seinem Herzen, reagierte sein Körper völlig kontrolliert. Link spürte, dass dort jemand war, den er nicht wegschicken konnte. Jemand, auf den er gewartet hatte… jemand, den er brauchte…

Er legte seine kühle, linke Hand auf den Türknopf und öffnete die Tür mit einem Ruck. Und es war dann, dass ihn ein paar warmherzige, bernsteinfarbene Augen so einfühlsam und traurig anblickten, das er für einige Augenblicke vergaß, wer er war… und vergaß, wer sie war…

„Ari…Ariana…“, murmelte er und fühlte sich, als wäre sie bloß eine geisterhafte Erscheinung, ein kleiner in die Wirklichkeit gesunkener Wunsch, der sich in seiner Seele versteckt hatte. Er hatte nicht damit gerechnet Besuch in dieser herben, verschneiten Winterzeit zu erhalten. Und er hatte nicht damit gerechnet, dass eine so liebevolle Seele vor seiner Tür erscheinen würde. Das sanfte Lächeln in ihrem ebenmäßigen Gesicht legte sich schmeichelnd und beruhigend nieder. Ihre aufmerksamen, aber traurigen Augen verschafften sich auf eine so anmutige, wärmende Weise Zutritt zu seinem Herzen, das es ihn entspannte, ihn löste, so, als träumte er noch. Und wenn dies ein Traum war, so entschied Link, dann hieß er ihn äußerst willkommen…

Arianas dunkle Nacht

„Darf ich… bitte reinkommen?“ Ihre Worte kamen zögerlich, mit einem geheimnisvollen Hauch eines tiefen Wunsches über ihre rubinroten Lippen. Und wie ihre Lippen von einem kühlen Schleier des Winters benetzt waren, so lag ein rosa Farbfleck der Minusgrade über ihren schmalen Wangen, ließ ihr makelloses Gesicht wie die Schönheit persönlich funkeln.

Sie war dennoch blass, nicht nur, weil es draußen kalt war, und nicht nur, weil ihre pechschwarzen Haare einen intensiven Kontrast zu ihrer puren Haut boten. Traurigkeit ruhte wie ein steinernes Relikt in dem mysteriösen Bernstein ihrer Augen. Sie war blass, weil eine Verwundbarkeit in ihr ans Licht kam. Der vergessene Heroe sah unerwünschte Tränen in ihren Augen schimmern, sah vielleicht sogar mehr als sie ahnte, aber er spürte auch das tiefe Bedürfnis nach Gesellschaft in ihren Gesichtszügen. Die Schönheit in ihren Augen und die Wärme, die das mysteriöse bernsteinfarben ausdrückte, hypnotisierte ihn im Wimpernschlag, überzeugte ihn zunächst ohne einen sorgenvollen Gedanken des Misstrauens, was eine Hylianerin wie Ariana um diese späte Stunde in der Nähe der geschlossenen Ritterschule zu suchen hatte und woher sie überhaupt wusste, dass er sich hier aufhielt…

Das erste Mal seit Link sie kennengelernt hatte, wirkte sie schüchtern und unsicher auf ihn, ließ ihn zweifeln, ob er sie tatsächlich kannte. Obwohl er sich irgendwie zu ihr hingezogen fühlte, war sie doch noch immer eine Fremde für ihn… sie war nach wie vor die rätselhafteste Gestalt, die sich um ihn gekümmert hatte, die sich selbst nicht erklären konnte, warum sie ihm half.

Sie verschränkte ihre in weinroten Leinenstoff eingebundene Arme, blickte kopfhängerisch zu Boden, bis sie ihre Augen schloss und ihren schmalen Mund zu einem unechten Grinsen verzog. Sie versuchte mit allen Mitteln ihre momentane Stimmung zu verbergen. „Willst du mich hier draußen erfrieren lassen?“, sprach sie mit einem geschauspielerten Humor in ihrer Stimme. Sie hatte ihn so sehr mit ihrer Anwesenheit überrumpelt, dass der junge Held der Zeit lediglich seine Lippen öffnete und doch nicht wusste, was er sagen sollte. Er schüttelte den Kopf und fühlte sich noch überrumpelter, als Ariana über die Schwelle hüpfte und sich bepackt mit einem großen Rucksack, den sie unter ihrem nebelgrauen Mantel versteckte, an dem blonden Burschen vorbeimogelte. Er hatte nicht einmal bis drei zählen können, dass die Schülerin von Madame Morganiell ihren Mantel ablegte, den dicken Lederrucksack auf einem Stuhl niederkrachen ließ und sie sich in der glühenden Wonne des Kamins aufwärmte.

Mit verschreckten Gesichtszügen warf der Ritterschüler einen Blick nach draußen, unterband das plötzlich aufkommende Gefühl sich und seinen Gast in Sicherheit wissen zu müssen und schloss schließlich die knarrende Tür. Etwas durcheinander wand er sich um seine Achse, sah seine neugewonnene Freundin Ariana Blacksmith mit ihrer weinroten Tunika und weißen Hose vor dem Kamin stehen und fand ihre Anwesenheit zwar nicht störend, aber irgendwie… schräg und beinahe bedrohlich…

„Was machst du hier?“, murmelte er und blickte begutachtend zu dem riesigen Rucksack, den sie mitgebracht hatte.

„Da ich weiß, wie wenig du zurzeit alleine zurechtkommst, wusste ich, dass ich dich besuchen kommen musste. Man kann dich ja nicht alleine lassen“, erklärte sie stur und öffnete die aus einfachem Metall hergestellte Spange, die das lange schwarze Haar bisher zusammengehalten hatte. Wie Seide gewebt aus einer sternenklaren Nacht fielen die weichen Locken ihren Rücken hinab.

„Aber…“, stotterte der junge Heroe und kratzte sich an der rechten Schläfe.

„Und Will hat mir letztens gesagt, dass du hier übernachten wirst“, setzte sie hinzu, ohne seine etwaigen Einwände zuzulassen.

„Das ist wohl eine Erklärung, allerdings…“, meinte er verwirrt, aber hatte nicht die Gelegenheit seine weiteren Gedanken auszudrücken. Erneut unterbrach sie ihn: „Und jemand muss ja auf dich aufpassen für den restlichen Winter. Was ist, wenn du einen erneuten Zusammenbruch erleidest“, und wand sich in seine Richtung. Und als sie ihn diesmal anlächelte, war auch der letzte Rest ihrer scheinbaren Traurigkeit verschwunden. Ihr einfühlsames Lächeln erhellte sein Gemüt auf eine hypnotisierende Weise, sodass er erst Sekunden später den Inhalt ihrer Worte verstanden hatte. Er zwinkerte schockiert. „Äh… Moment! Was heißt hier… restlicher Winter?“

„Ja, ich glaube, du hast nicht an ausreichend Proviant gedacht, richtig?“

„Äh, wie jetzt?“, meinte er hilflos und fühlte sich noch überforderter. Aufgeregt trat er näher und fixierte ihre Augen mit Ernst, Scham und Sorge. Sie konnte nicht länger hier bleiben! Er brauchte Zeit für sich, deswegen war er nicht in Gesellschaft der Laundrys. Und niemand konnte sagen, wann der Chadarkna erneut zuschlug. Das letzte, was Link gebrauchen konnte, war die Sorge, dass Ariana etwas zustieß. Es war wie, als erwachte er gerade aus einem schönen Traum und stolperte in die gefahrvolle Realität. Ariana wäre in Gefahr, wenn sie so lange bei ihm blieb…

Sie wirbelte aufgeregt zu ihrem nussbraunen, weichen Rucksack und begann diesen aufzuknöpfen. „Hier… ich dachte, dass du vielleicht Schokolade magst und…“ Sie überspielte jegliches peinliche, unvernünftige und anstößige Gefühl in sich mit einem überspitzten Lachen. Hastig, so als war sie nicht Herr ihrer Sinne, durchwühlte sie ihre Tasche, holte Dinge hervor, die Link die Augen ausfallen ließen. Da waren zwei riesige Flaschen mit Suppe, zwei Flaschen Herzbeerenwein, eine ausgeblutete Henne, zwei zum Braten vorbereitete Steppenkaninchen, ein riesiger Ordoner Käse, zwei Brote, zwei geräucherte Schinken, würziger Speck und ein Sack altes, aber gesundes Hylanor, und zu guter Letzt drei Tafeln von jener Schokolade, die Link beim Verlassen des Waldes als erstes genießen konnte. Es war eine sehr cremige Sorte, die leicht schmelzen konnte, hergestellt aus den Früchten einer Kakaosorte, die nur in den Ländern der Gerudos wuchs. Spezielle Zutaten aus der Wüstenregion wurden in die Masse gemischt und verliehen der Schokolade einen nussigen Geschmack.

„Ariana… warte bitte…“, begann er perplex. Er hob die Hände und fuhr sich durch seine langen blonden Strähnen. Er trat von einem Fuß auf den anderen, wollte nicht ausfallend ihr gegenüber werden, obwohl er eine alte Wut spürte, die dabei war auszubrechen. Er konnte es nicht leiden, wenn andere über ihn bestimmen wollten. Er konnte es einfach nicht leiden, wenn sich jemand in sein Leben auf diese Weise einmischte.

„Du magst Schokolade, nicht wahr? Ich habe auch daran gedacht, dass du sicherlich nicht viele Dinge hier haben kannst und habe die Vorratskammer geplündert.“

„Ariana!“, sprach Link schließlich lauter und hoffte, er gewann damit endlich ihre Aufmerksamkeit. Sie schluckte und ließ just in dem Augenblick die Schokoladentafel aus ihren Händen fallen. Es klapperte und die cremige Süßigkeit zerbrach am Boden in zwei Hälften.

Er holte tief Luft und schloss die meerblauen Augen. „Das geht so nicht. Wie kommst du darauf hier zu erscheinen?“

Sie schwieg plötzlich, schien sich zu verkrampfen. Ihre zarten Schultern duckten sich.

„Du kannst nicht einfach hier bleiben! Wie, bei den Göttern, stellst du dir das denn vor?“ Er klang entsetzt, beinahe so, als wollte er sie abweisen.

Sie hob die Schokolade zittrig von Boden, erst dann verharrte sie endgültig in ihrer Haltung und ihr aufgesetztes, fröhliches Gemüt sank in die Leere, die sie hierhergeführt hatte. Vielleicht war hier bei Link der einzige Ort, an dem sie sich bestätigt fühlte und sich ihrer Selbst erinnern konnte. „Ich… ich weiß nicht…“, murmelte sie, biss sich auf die Lippe und hatte nicht damit gerechnet, dass der junge Held ihre Anwesenheit in Frage stellte. Obwohl… eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass er sie wegschickte.

„Du kommst hierher, einfach so, und… und verhältst dich, als wäre es völlig selbstverständlich, als hätte ich darauf gewartet hier Besuch zu bekommen…“, murrte er.

„Ist dem nicht so?“

„Äh… wie bitte?“ Erneut brachte sie ihn mit ihrer unvoreingenommenen, spontanen Art aus dem Konzept. Aber sie hatte verdammt Recht… er hatte sich nach Gesellschaft verzehrt…

„Habe ich den Nagel auf den Kopf getroffen?“, sprach sie spitzbübisch und grinste. Sie verschränkte ein weiteres Mal ihre Arme. „Du sehnst dich nach Gesellschaft, das sehe ich dir an der Nasenspitze an.“

„Aber ich habe nicht gesagt, dass ich es okay finde, dass du dich hier rein schleichst, mich überrumpelst und einfach hierbleiben willst.“

„Es wird nicht zu deinem Nachteil sein, bitte, Link…“ Sie rückte näher, griff nach seinen warmen Händen und hielt diese fest in ihren kühlen. Sie zitterten leicht.

„So einfach ist das nicht!“, raunte er und wand sich ab. Etwas forsch riss er sich los und stemmte sich auf den hölzernen Tisch.

„Aber warum denn nicht?“

Ratlos blickte der blonde Ritterschüler an die Wand, verzog sein Gesicht nachdenklich. „Ich habe kein Bett für dich.“ Es war so einfach aus seiner Haltung abzulesen, dass er nach Ausreden suchte.

„Dann schlafe ich vor dem Kamin!“, argumentierte sie.

„Aber das Essen reicht garantiert nicht für uns beide“, widersprach er.

„Deswegen habe ich ja so viele Dinge mitgebracht“, presste sie trotzig über ihre Lippen.

Er seufzte lediglich und hatte das Gefühl nicht nur veralbert, sondern wie ein Kind behandelt zu werden. Glaubte sie allen Ernstes, er würde fortwährend so mit sich spielen lassen? Auch wenn Ariana sich um ihn bemüht hatte, auch wenn sie wohl eine herzensgute Seele war, sie besaß nicht das Recht sich in seine Angelegenheiten einzumischen.

„Egal, was ich sage, oder tue, du hast immer wieder ein Argument um meine Zweifel auszuhebeln, was?“, sprach er verärgert.

„Link, bitte…“, sprach sie inständig und hob ihre Hände an die Brust. Sie blickte ihn voller Demut an. „Kann ich nicht einfach hierbleiben… auf dich aufpassen und… dir danken…“

„Wofür“, murrte er, als knurrte da eine Bestie in ihm. Verärgert ließ er sich vor dem Kamin niedersinken und stemmte die Hände an sein Kinn.

„Das…“, begann sie flüsternd, drückte die Hände vor das Gesicht und rieb sich ihre Augen. Erst jetzt fiel dem Heroen auf, wie erschöpft sie wirkte. Es musste schwer gewesen sein den Weg von ihrem Heimatort durch diese dichte Winterlandschaft inmitten der Nacht zurückzulegen und das mit einem schweren Gepäckstück auf ihren zarten Knochen. „Ich wollte danke sagen, dass es jemanden wie dich gibt…“, endete sie. Ihre Stimme zitterte leicht, machte auf ihre Müdigkeit aufmerksam und auf die Verwundbarkeit, die sie im Augenblick besaß. Ja, Ariana war, obwohl sie immer ein strahlender Wirbelwind war, gerade irgendwie sehr verletzlich…

Link seufzte ein weiteres Mal und ließ einen sprudelnden Klang energetisierender Luft aus seinen Lungen strömen. Obwohl er unheimlich sauer war, dass sie ihn hier störte, so konnte er sie dennoch nicht in diese eisige Nacht hinausschicken. Und ihre Worte mit der angenehmen Andeutung von Dankbarkeit, dieser sinnlichen Wonne, die wie fließender Genuss über ihre zarten Lippen glitt, bohrten sich ebenfalls einschmeichelnd in sein kühlgewordenes Herz. Sie wollte ihm danken, dass er existierte… Sie dankte ihm für etwas, was er vor einem halben Jahr gerne weggeworfen hätte… sein Leben und sein Schicksal…
 

Sie biss sich auf die Unterlippe, rieb sich ihre Arme und ein Beobachter konnte deutlich erkennen, dass erst jetzt allmählich warmes Leben in ihren Körper zurückkehrte. Sie musste um die halbe Welt gelaufen sein, um hierher zu gelangen… Als ein Versuch der Annäherung tapste sie in Richtung des Kamins. Ihre schwarzen, langen Stiefel klapperten, hinterließen kleine Pfützen auf dem Holzboden der Hütte. Gemächlich rückte sie ihre weinrote Tunika zurecht und ließ sich neben dem Heroen vor dem Kamin nieder. Sie umarmte sich selbst, genoss die glimmende Hitze des Feuers und blickte nachdenklich in seine Richtung. Wie wunderschön Arianas Antlitz war… so vertraut und warm, als glühte das sonnenfarbene Bernstein in ihren Augen, als schmolz jeder, der versuchte in diese Farbe einzutauchen. Sie lächelte Link entgegen, als ein vorsichtiger Versuch sein aufgeregtes Gemüt zu schlichten. Es war ohnehin zu spät, das wussten sie beide. Es war zu spät, dass Link das geheimnisvolle Mädchen einfach vor die Tür setzen konnte. Und der Bursche kämpfte innerlich mit zwei Wölfen, die sich gegenseitig bekriegten… da war diese sanftmütige Seite, die ihre Anwesenheit forderte… aber auch die sture Bestie, die sie zum Gehen zwingen wollte… Er wühlte unruhig durch sein dichtes, blondes Haar und fragte Farore in Gedanken, was er tun sollte…

Dabei war es eigentlich so klar. Er konnte nicht riskieren, dass Ariana in seine Nachforschungen, die er geplant hatte, mit hineingezogen wurde. Es war völlig klar, welcher Wolf den Kampf in seinem Inneren gewinnen würde. Er sprach zaghaft, aber dennoch fest: „Ich möchte, dass du bei Anbruch des Tages gehst… du kannst nicht den restlichen Winter hierbleiben…“

„Aber warum…“, murmelte sie und rückte näher. Sie wollte ihn zwingen sie anzublicken.

„Du hast keine Ahnung davon, in welche Gefahr du dich in meiner Gegenwart bringst!“, murrte er und schloss dabei die tiefblauen Augen.

„Dann bezwinge ich diese Gefahr mit dir gemeinsam!“, sprach sie voller Entrüstung. „Ich kann dich nicht den ganzen Winter über alleine lassen, wenn du mit einem Fluch beladen bist!“ Sie wand sich ab, wissend, dass nun die Katze aus dem Sack war. Sie hatte sich endgültig verraten. Es gab vielleicht noch mehr Gründe, warum sie mitten in der Nacht von ihrem Zuhause geflohen war. Aber der wohl wichtigste war der Wunsch dem eigenbrötlerischen Helden Beistand zu bieten.

„Das ist der Grund, warum du mich aufgesucht hast, nicht wahr…“ Link schüttelte missbilligend den Kopf. „Du willst mich… beschützen.“ Der Satz fühlte sich wie die Absurdität persönlich auf seiner Zunge an. Ein schwertgewandtes Mädchen wollte den Helden der Zeit beschützen, weil er zu schwach war sich um sich selbst zu kümmern! Genervt trat Link auf die dürren Beine, bemüht fiese Worte, die ihm auf der Seele brannten, stecken zu lassen. Er wollte nicht von einem Mädchen beschützt werden! Diese Schmach würde er sich niemals gefallen lassen, da entschied er sich lieber für den Tod.

„Bitte, Link…“, murmelte sie leise. „Du musst das alles nicht alleine meistern…“ Auch sie erhob sich und legte beide Hände auf seine angespannten Schultern. Sie hatte das Gefühl, er war kurz davor ihr magische Stromschläge zu schicken, so deutlich spürte sie, dass er gerade nicht berührt werden wollte. Er wand sich verärgert in ihre Richtung und ließ das eisige Blau seiner Augen wie weißen Stahl durch die Luft schneiden. Darin war er gut… er wusste, wie er sich mit seinem Blick Respekt verschaffen konnte. „Wie, bei Farore, kommst du dazu mir diese Gefühlsduselei an den Kopf zu knallen!“, zischte er. „Warum reden wir überhaupt über so etwas! Was willst du eigentlich von mir!“

„Ich habe… Angst um dich…“, flüsterte sie, war beinahe den Tränen nahe und schien sich vor Links Augen immer mehr zu verwandeln. Das war nicht mehr Ariana Blacksmith, das widerspenstige Mädchen, das es genoss sich zu behaupten. Da war ein sanftes, reines Wesen in ihr, das er völlig unterschätzt hatte. Sie war sehr viel mehr…

„Ich habe Angst um dich…“, klang es in Links Gedanken nach und ein kleiner Splitter davon reichte um sein Herz zu betäuben.

Er atmete tief durch, konnte das schmerzhafte Gefühl, das ihre Worte mitbrachten, erneut nicht bändigen und sah nur den Weg der Flucht. „Es ist spät… wir werden das morgen früh klarstellen…“ Sein rauer Ton erklärte diese Diskussion zu einem endgültigen Ende. Link würde nicht mehr konferieren, er hatte ihre Anwesenheit hier letztlich nicht gutheißen können und sein Standpunkt würde vorerst bleiben…

„Ich möchte, dass du in dem Bett schläfst“, meinte er zynisch. Noch immer war Ungeduld, Wut und Enttäuschung in ihm fühlbar. Vielleicht aber war er einmal mehr enttäuscht von sich selbst… Er hatte ihre Anwesenheit hier gutheißen wollen, er hatte sich auf eine wundersame Weise gefreut, dass sie hier war… bis jegliches Glücksgefühl in ihm an der bitteren Realität zerbrochen war. Wenn er sie aus seinen Angelegenheiten nicht heraushielt, wenn er sie nicht abwies, war sie in Gefahr. Und das konnte der Held in Link nicht erlauben, noch jemals riskieren…

„Du bist trotz deiner Unnahbarkeit… deiner scheinbaren Kälte… mitfühlend und rücksichtsvoll. Wenn du etwas von deiner Wärme zeigen würdest, ich würde jene ohne zu zögern erwidern… mein dussliger Held…“, säuselte ihre Stimme träge, beinahe wie ein leiser Zauberspruch. Und ohne einen weiteren Blick tapste sie die Treppenstufen hinauf, verschwand in den Schatten, dort, wo das schummrige Licht des Feuers nicht mehr hinfand…

Link konnte sie noch immer dort oben spüren, konnte flüchtige Geräusche ihrer Anwesenheit wahrnehmen und traute sich doch nicht sich der Gefahr eines Gefühls von Nähe hinzugeben. Er konnte nicht… Er konnte einfach nicht…
 

Für den vergessenen Helden, der auf einem alten, leicht nach Schweiß stinkendem Tierfell vor dem glühenden Kamin hockte, alle möglichen Schlafpositionen ausprobiert hatte und doch wieder in einen ruhelosen Halbschlaf sank, ging die Nacht träge und schleppend vorüber. Er zog eine kratzige Decke über seinen blonden Kopf und quengelte angesichts seiner beleidigten Muskeln, die sich nach seinem Bett in der Ritterschule sehnten. Er wusste nicht, wie spät es war, unterließ einen Blick auf die runde, vergilbte Uhr, die auf einem klapprigen Holzregal stand, und entschied sich die Augen noch einmal zu schließen…

Irgendwann in der Nacht, das erinnerte er, ging ein unstillbares, gieriges Flüstern durch die Hütte, fing verwunschene Tränen auf, die von unbekannten Mächten herausgefordert wurden, fing Worte auf, die nicht für verräterische Ohren bestimmt waren… Es war wie, als hatten ihn urväterliche Stimmen gerufen und belehrt, gewarnt, dass etwas nicht in Ordnung war. Der anbrechende Tag streckte vergiftete Wurzeln in Links Richtung aus, vergiftete Wurzeln eines Spross‘, der vor mehreren Stunden gesät worden war. Irgendetwas, lauernd in der nebligen Ferne, ließ den Ritterschüler nicht zur Ruhe kommen. Er hatte dieses Etwas in der Nacht gespürt, wie es hauste, sich gefragt, ob es das hübsche Mädchen war, das im Obergeschoss der Hütte schlief, ob ihre weiche Stimme Worte des Elends geflüstert hatte, geschluchzt hatte. Aber der Gedanke war so schnell er aufgekommen war, wieder erloschen… Ariana war ein strahlender Wirbelwind und vital und gesund, sie hatte nie nur einen Hauch von Krankheit gezeigt. Er war sogar nach oben geschlichen, hatte mit einer Kerze in der Hand nach seinem Gast geschaut und sich gefragt, ob es ihr gut ging. Aber sie schlief tief und fest, rührte sich nicht, war unheimlich bezaubernd, während sie schlief, sodass er aus Nervosität wieder hinab getrottet war.

Das unbestimmte Gefühl einer nahenden Gefahr aber, die er schon bemerkte, als Ariana an seine Tür geklopft hatte, verschwand nicht, es wuchs, wuchs fordernd und fruchtete an etwas, das er nicht zuordnen konnte. Er seufzte und zog endlich die Decke von seinem Schädel, sah unheimlich verschlafen und zerknittert aus. Seine blonden Strähnen standen in alle Himmelsrichtungen. Schlafsand hing in seinen Augenecken, sein trockener Mund war nur halb geschlossen, bis er erneut gähnte. Er quälte sich auf die schlaksigen Beine, streckte sich und rieb sich die müden Augen mehrfach. Er brach einen Happen der Wüstenschokolade ab, die seine neue Freundin mitgebracht hatte, konnte nicht widerstehen, genoss die cremige Süße auf seiner Zunge und erinnerte sich mit einem sehnsüchtigen Blick in das morgendliche Schneegestöber an die Welt dort draußen, an die unvergleichlichen Abenteuer, die nach ihm riefen und die brennenden Herausforderungen, an denen er wachsen konnte. Sie riefen ihn, säuselten in den Winden. Waren vielleicht dies die Stimmen, die ihm diese unruhige Nacht beschert hatten? Stimmen seines eigenen Schicksals?

Die Sonne zeigte sich kaum in den tiefsten Winterwochen, drang mit keinem wärmenden Strahl zu Boden und wurde von weißen und grauen Wolkenhorden belagert. Schneekristalle rieselten nieder, bedeckten die wenigen, runden Fenster der einsamen Hütte am Glücksteich und sperrten die Dunkelheit in das Innere. Es schien beinahe so, als fürchtete sich reinigendes Licht vor dem, was es in diesen wenigen wohnlichen Ecken finden könnte…
 

Ein vorsichtiges Knarren, unbestimmt und unregelmäßig, erinnerte ihn daran, dass er in der Glückshütte nicht alleine war und riss ihn aus den Sorgen, die mit dieser Nacht gekommen waren. Mit zerzaustem Haar, leerem Blick und ihrer unordentlich übergestreiften, weinroten Leinentunika, welche er für Zeichen von morgendlicher Müdigkeit hielt, trat Ariana die letzten Stufen hinab. Sie schien zu schwanken und auch dies hielt er für die Schwere, die Hylianer aus ihren Träumen mitbrachten. Er begann sich erst zu wundern, als er bemerkte, dass sie weder ihre weiße Hose unter der Tunika, noch die schwarzen Lederstiefel trug und die verschlafene Lady ihn völlig ignorierte, stoßweise einen Fuß vor den anderen setzte, zitterte und er im wenigen Licht ihre Haut vor Schweiß glänzen sah. Das dreiste, kluge Mädchen mit dem pechschwarzen Haar starrte gebannt zu der Haustür, torkelte immer weiter vorwärts und hielt sich mit beiden Händen ihren Bauch.

„Ariana?“, begann Link und fühlte einen inneren Stich, als er realisierte, dass etwas nicht stimmte. Als platzten winzige Fasern darin reagierte sein Herz auf ihren Zustand. „Was ist los?“ Sie hob eine Hand in seine Richtung, deutete an, dass er sich heraushalten sollte und tapste stur vorwärts. Sie riss die Tür in die eisige Welt außerhalb auf, schlürfte nur mit ihren Strümpfen bekleidet hinaus und stapfte durch den weißen, funkelnden Schnee. Eine Welle der Kälte zog in die Hütte ein, schreckte den jungen Helden immer weiter auf, bis er alles stehen und liegen ließ und ihr hetzend hinterher rannte.

War es doch Ariana, die diese Nacht geschluchzt hatte? War es ihre Stimme, die er in seinem Unterbewusstsein, im düsteren Halbschlaf, gehört hatte? Seine Sinne hatten nicht gelogen… in dem Moment, wo sie erschienen war, hatte sie eine Gefahr mitgebracht, hatte sich von fremden Mächten in etwas hüllen lassen, was sie schändete…
 

Nur wenige Meter vor dem zugefrorenen See, sank das seltsame Mädchen in den Schnee, spürte das weiße, eisige Kleid des Winters unter ihren bloßen Knien nicht, spürte die schmelzenden Schneekristalle nicht, die bei Kontakt mit ihrem rabenschwarzen Haar schmolzen. Alles, was sie spürte, waren Zwänge und Krämpfe in ihrer Körpermitte. Sie röchelte, als hatte sie alle Krankheit der Umgebung in sich aufgesaugt. Sie stöhnte, verkrampfte sich immer mehr, bis ihr Tränen vor Schmerzen über die Wangen strömten. Sie kreischte mit einem Mal lautstark auf, rieb sich mit beiden Händen den Bauch und sank vornüber. Das hüftlange, schwarze Haar bedeckte ihr Gesicht, vermischte sich mit ihrem Schweiß und den brennenden Tränen. „Bei Nayru…“, wimmerte sie bettelnd. Link hatte noch nie jemanden so herzzerreißend winseln gehört… selbst während des Zeitkrieges nicht. „Bitte…“, winselte sie und wippte mit ihrem Körper hin und her. Alles an ihr schrie förmlich nach einem Ende ihre Qualen…

Entgegen ihrem Wunsch, dass er sich heraushielt, ließ auch er sich auf die Knie sinken, packte sie vorsichtig an den kleinen Schultern und strich ihr langes Haar nach hinten. Sie hatte nicht einmal die Kraft auf ihn zu reagieren, war eingenommen von dem Schmerz in ihrem Bauch, kämpfte mit einem beißenden Druck, der sich anfühlte, als wollte er ihre Körpermitte auseinanderreißen. Es brannte wie Säure in ihrem Inneren… Sie keuchte, rang nach Luft, kämpfte, zuckte und zitterte, sodass es selbst dem jungen Heroen schwerfiel sie festzuhalten. In dem Moment stemmte sie sich auf ihre zitternden Arme und begann sich mit qualvollen Lauten, die in der Ferne wie Schreie sterbender Tiere untergingen, zu übergeben…

Nur Sekunden später war sie nass geschwitzt von ihren Anfällen, lag zitternd in den Armen eines schockierten Link und war am Rande der Bewusstlosigkeit. Sie blinzelte entschuldigend. „So viel dazu… dass ich mich um dich kümmern wollte… verzeih‘ mir, mein Held…“, murmelte sie stockend. Da waren kristallene Tränen in ihren Augen, die sich an ihren Wangen hinab perlten, als erstarrten sie auf magische Weise, erstarrten trotz der Hitze ihrer fiebrigen Haut. Das einst so feurige, leidenschaftliche bernsteinfarben in ihren Augen verblasste, ganz zögerlich, geheimnisverbergend, als wollte ihr wahres Wesen an die Oberfläche. Das Feuer in ihr flackerte still, das Feuer in ihr war am Erlöschen…

Für einen Sekundenbruchteil entdeckte der junge Heroe ihre gesamte Natur in einem Blick, der die Zeit einfrieren könnte, so ewig schien er zu währen. Für einen bedeutungsvollen Sekundenbruchteil wusste er, warum sie in seinem Leben war und warum er sie beschützen musste, genauso wie sie ihn… Er konnte das Gefühl nicht verstehen, er konnte nichts davon in Worte fassen, aber jenes Gefühl erhob sich über alle Zweifel. Es war der eine Blick in die Seele eines anderen Wesens, der alles veränderte… Vorsichtig, aber mit sturem Willen, etwas, was er lange nicht gewagt hätte, berührte er ihre rechte Wange mit einer Hand, streichelte die magischen Tränen hinfort und versiegelte die Verbindung, die er so tief spürte, mit jener zärtlichen Geste. Nicht ein Wort verließ seine Lippen. Es kam ihm keines in den Sinn, mit dem er dieses Geschehnis erklären konnte und keines half ihr oder ihm…

Mit einem stärkenden Atemzug, wissend, er wollte sie in Sicherheit wissen, ihr helfen, das zu überstehen, was immer hinter dieser Krankheit steckte, und mit einer Kraft, die er sehr lange nicht nutzen konnte, hob er sie in die Höhe, war überrascht darüber, dass er sie zurück in das Haus tragen konnte und das mit seinem kränklichen Körper.

Sanft und bedacht ließ er Ariana auf dem dicken, flauschigen Tierfell vor dem Kamin nieder, eilte zurück und schloss die Tür und wickelte sie sofort mit mehreren Decken ein. Sie war nicht bewusstlos, aber so erschöpft, dass sie sich kaum gegen den Gott des Schlafes wehren konnte… Link spürte dies… sah es in ihrem blassen Gesicht… wusste, wie schwer es war sich in einem Moment der körperlichen Kraftlosigkeit gegen den Schlaf zu wehren… es war wie eine Folter.

„Bleib‘ wach… Ariana…“, sprach er leise und fragte sich, wie er es schaffte so sortiert und ruhig zu bleiben. Das einzige Mal, dass er trotz der Bedrohlichkeit einer gefahrvollen Situation so bedacht handelte, war, als Shiek sich in der alternativen Zeit eine schwere Verletzung zugezogen hatte… Link hatte alles daran gesetzt seinem Freund, der sich als Zelda entpuppte, zu helfen.

Strukturiert erledigte er weitere Handgriffe, schichtete Feuerholz für Wärme, die sein Gast unbedingt benötigen würde. „Bitte, reiß‘ dich jetzt zusammen!“, sprach er fordernder und erhielt einen verzweifelten Blick aus blutunterlaufenen Augen. Sie musterte ihn mit einer Hilflosigkeit, die ihm verdeutlichte, dass es noch nicht vorbei war. Sie hatte sich übergeben, aber der Grund dafür, war kein harmloser…

Sie nickte. „Ich… ich versuche wach zu bleiben…“

„Rede mit mir, okay?“, sprach Link bestimmend, während er Feuer entfachte. Unsinnige Gedanken schossen durch seinen logikbegabten Kopf… Theorien, wie er sich ihren kränklichen Zustand erklären konnte. Warum, bei Nayru, hatte Ariana Anzeichen einer Krankheit, die seinem Fluch sehr ähnelte. Er hatte in seinen Attacken Schweißausbrüche, Schmerzen und fiese Krämpfe. Er war derjenige, der kränkelte. Er war derjenige, der Fehler gemacht hatte, der Hylianer, die sich um ihn sorgten wie Dreck behandelt hatte, der leiden sollte, nicht sie!

Mit einer einschleichenden Unruhe in sich überlegte er, was er jetzt am sinnvollsten tun könnte und schnippte mit den Fingern. Er nahm eine Tontasse, hastete zu einem riesigen Fass, wo er sauberes Trinkwasser aufbewahrte, füllte diese und reichte ihr das erfrischende Getränk. „Kannst du mir sagen, was mit dir los ist?“, sprach er leise.

Sie schüttelte benommen den Kopf und versuchte sich etwas mehr aufzurichten. „Ich… weiß es nicht…“

„Hast du vielleicht eine Idee, was passiert sein könnte? Vielleicht hast du etwas Falsches gegessen?“

„Nichts… was ich nicht auch sonst esse“, bemerkte sie schwach und nahm einige Schlucke des Wassers. Sie hatte das Gefühl, dass selbst das Wasser in ihrer Kehle und in ihrem Magen brannte. Es schmeckte bitter und abscheulich. Angeekelt stellte sie die Tontasse klappernd zu Boden. Derweil hängte der besorgte Ritterschüler einen Kessel mit Wasser an der Befestigung im Kamin auf. Ariana würde warmes Wasser gebrauchen können.

„Und kann es sein, dass du dich bei jemandem angesteckt hast?“

Abermals widersprach die hübsche Schmiedtochter. „Nein… ich kann mich nicht… erinnern.“ Ihre Augen flatterten zu, aber sie lächelte schwach: „Ich muss aber leider zugeben… dass mir diese Krankheit gerade nicht ungelegen kommt… so kannst du mich wenigstens nicht fortschicken.“ Selbst in ihrer schlimmsten Stunde schien sie der Situation noch etwas Positives abgewinnen zu können. Sie hüstelte und ekelte sich an dem Geschmack von Erbrochenem in ihrem Mund, bis sie einen tiefen Seufzer ausstieß.

„Ariana…“, hauchte Link schwermütig über seine Lippen und spürte eine warme Wonne, die sein Herz umschloss. Das hübsche, taffe Mädchen war schlichtweg bewundernswert. Anstatt zu jammern oder auf irgendeine schwächliche Weise ihren momentanen üblen Zustand zu zeigen, schaffte sie es sogar noch ihn aufzuheitern, Worte zu finden, die die Situation entschärften. Sie war einfach nur stark. „Meinst du, es ist damit ausgestanden?“, fragte er leise.

Sie zuckte mit den Schultern und blickte ihn aus müden Augen an. „Ich weiß nicht, aber kannst du dich nicht einfach… ein wenig zu mir setzen?“

Er nickte beflissen. „Da fällt mir ein, wenn es nicht besser wird, da können wir mein Heilmittel ausprobieren.“ Doch da verfinsterte sich ihre Miene und ihre Augen wurden zänkisch. Ihr käseweißes Gesicht verstärkte ihren Missmut auf diese Worte. „Oh nein, Link, das Heilmittel ist schlichtweg für dich bestimmt. Und wenn du dich auf den Kopf stellst, werde ich es nicht nehmen!“ Trotz ihrer Schwäche zickte sie, sammelte ihre letzten Kraftreserven für diese kleine Standpauke. „Ist das klar!“, sprach sie laut und sackte dann mit einem weiteren Schweißausbruch zusammen. Das Wasser stand auf ihrer Stirn und einzelne dunkle Haarsträhnen klebten in ihrem Gesicht.

Link hob schlichtend die Hände. „Es ist okay. Ist ja schon gut, alles gut.“

„Und jetzt nimm‘ bitte Platz…“, murmelte sie benommen und noch ehe er sich völlig niedergelassen und eine angenehme Position gefunden hatte, lehnte sie sich bereits seufzend an seine Seite. Er riss die Augen auf, nicht sicher, wie er diesmal mit Arianas Drang nach Nähe umgehen sollte. Anschmiegsam kuschelte sie sich an seine rechte Seite, drückte den schweren Kopf an seine Schulter und war begabt darin den Heroen ins Verlegenheitsrot zu bringen.

„Ich bin froh… dass ich nicht zuhause bin…“, sprach sie und begann erneut zu husten. Die Säure aus ihrem Magen hatte ihre Kehle wie zugeschnürt.

„Warum?“

„Ich habe… ein sehr dummes Streitgespräch mit meinem Vater gehabt…“, erklärte sie. Sie blickte entschuldigend in seine meerblauen Augen. „Es ist wohl etwas egoistisch… weil ich das als Vorwand sehe bei dir zu sein…“ Sie blinzelte unter ihren tränenden Augen, wanderte mit ihrer zitternden linken Hand in sein Gesicht und streichelte seine warme Haut. Dieses unschuldige Heldengesicht würde sie auf ewig erinnern wollen…

Etwas wirsch umfasste Link mit einer Hand diejenige von seinem Gast und schob jene weg. „Ariana… bitte konzentriere dich. Irgendetwas muss doch passiert sein, dass es dir jetzt so mies geht“, meinte Link und versuchte vernunftgesteuert zu handeln. Es musste eine Lösung her, es musste eine Möglichkeit her, ihre seltsame Übelkeit zu erklären. Er hoffte inständig, dass es nichts mit seinem Fluch zu tun hatte.

„Ich will jetzt nicht darüber reden… erzähl‘ mir etwas Schönes, etwas Romantisches, etwas, was sich einfach nur gut anfühlt…“, murmelte sie und versuchte sich zwingend wach zu halten.

Link stutzte: „Und was, beim Deku, soll das sein?“

„Ich weiß nicht… eine kleine Geschichte vielleicht?“, flüsterte sie und seufzte tief. Etwas ratlos beobachtete der einstige Heroe das prasselnde Feuer, hörte es glimmen und zischen, suchte in dem galanten Rhythmus nach einer Idee. Aber er war nicht gerade der große Erzähler… überhaupt war er während seiner Reisen immer sehr schweigsam gewesen. Wozu sollte er reden, wenn Worte ihm nicht schenken konnten, was er ersehnte…

Die sich einschleichende Stille brechend entschied sich das erschöpfte Mädchen, obwohl sie noch immer etwas in ihrer Körpermitte schlitzen spürte, es selbst in die Hand zu nehmen sich mit einer wohltuenden Geschichte abzulenken. Sie kannte die Wirkung von Geschichten, diese unglaubliche Macht von Erzählungen, die ein ganzes Land verändern konnten… Geschichten konnten Hylianer so tief berühren wie nur wenige Dinge auf der Welt. „Wenn nicht, dann erzähle ich halt eine wunderbare Geschichte…“, murmelte sie schwach und suchte mit ihren nur leicht geöffneten Augen einen Blick des heldenhaften Burschen. Sie wollte über so viele Dinge mit ihm reden… auch deswegen war sie hier. Diese grausige Krankheit machte ihr gerade einen ärgerlichen Strich durch die Rechnung.

„Weißt du, Link…“, begann sie zitternd. „Es gibt nicht nur Götter hier in Hyrule… es gibt auch andere Welten…“

Er nickte und legte etwas zögerlich den Arm um ihre Schultern. Er sah dies nicht als annähernde Geste, aber als eine notwendige Stütze, dass sie nicht zusammensackte. Ob es so gut war, dass sie sich hier einfach unterhielten, wo er vielleicht Hilfe holen sollte?

Sie lächelte, und trotz der Blässe ihrer Haut und dem fiebrigen Schweißperlen, war ihr Lächeln so magisch wie das einer Fee. „Und dort… irgendwo in diesen Welten… da lebte eine Magierin, die durch die Spiegel reisen konnte, eine wunderbare Person, die keine Sterbliche war. Sie war edel, sehr begabt in der reinsten Form der Magie… und es ist die Geschichte von ihr und einem Helden…“ Auch Ariana blickte verzaubert in die lodernden Flammen… der glühende Schein jener schien sich mit dem Bernstein ihrer Augen zu verbinden, sehnsuchtsvoll, so wie ihre zarten Worte. „Sie verloren sich in einer riesigen Schlacht… der Heroe opferte einen Teil seiner Seele… damit das Land, das sie gemeinsam beschützen wollten, auf ewig erhalten bleiben konnte… Er verschwand und ging unter in nebligen Sphären… niemand wusste, wo es seine Seele verschlang… niemand wusste es… auch nicht seine geliebte Magierin…“

Link schluckte angesichts der Grausamkeit, die Ariana über ihre zarten Lippen gleiten ließ. Wollte sie ihm nicht eigentlich eine hoffnungsvolle Geschichte erzählen?

„Man sagt, auch heute kann man ihre Gestalt ab und an in den Spiegeln sehen… sie sucht auf ewig nach ihrem Heroen, den sie verlor. Einst versprach er ihr an sie gebunden zu sein für alle Zeit, für immer war sein Blut mit ihrem verbunden, sie liebten sich aufrichtig und doch nur ein einziges Mal, aber mit solcher Hingabe, das man erzählt ihre Seelen seien miteinander verschmolzen“, erzählte sie und seufzte. Ihre Augen schlossen sich vor Erschöpfung.

„Das ist… wunderschön…“, murmelte Link, spürte eine wonnevolle Wärme in seinem Herzen entstehen. Eine Wärme, von der er dachte, dass sie schon lange erloschen war.

„Es ist eine Geschichte des Spiegelvolkes…“, sprach sie und versuchte abermals trotz ihrer Krämpfe und der Hitze des Fiebers, das sie einzunehmen verlangte, zu grinsen.

„Glaubst du, es gibt dieses Volk tatsächlich?“, meinte Link erstaunt und blickte sie verwundert an.

„Ich glaube, dass etwas entsteht, wenn jemand daran glaubt… Ich weiß, dass es eine Welt gibt, die nur aus unseren Gedanken erschaffen ist… Wir können erschaffen, Leben bringen, genauso wie die Götter…“ Sie hüstelte ein wenig.

„Du traust den Hylianern eine unglaubliche Macht zu… das klingt, als hättest du sehr viel Vertrauen in die Elfen… und Vertrauen in diese Welt…“

„Ich muss…“ Ja, sie musste den Hylianern vertrauen… bis zum Ende. „Und es ist… etwas, das ich mir selbst auferlegt habe…“, sprach sie mehrdeutig und kuschelte sich inniger an Links Schulter. „Es ist ein bohrendes, vielleicht manchmal schmerzhaftes Thema… über Gefühle und Vertrauen zu reden…“

„Es ist schwerer als ein Kampf“, erwiderte Link und fragte sich allmählich, was er hier tat. Er hatte sich von Ariana vollkommen verzaubern lassen, redete mit ihr über Dinge, über die er weder mit seiner guten Freundin Saria, noch mit Zelda jemals gesprochen hatte. Gescheut und geschämt hatte er sich solche Worte wie jene überhaupt zuzulassen und nun… in Arianas Nähe flossen die Worte wie von selbst aus seinem Mund. Und anstatt sich Sorgen zu machen, dass sie in Gefahr war, wenn der Chadarkna seine Dämonen auf ihn hetzte, anstatt sich Sorgen zu machen, ob sie diese Krankheit überstand, ließ er sich hinreißen mit ihr vor dem Kamin zu sitzen, sich gehen zu lassen, sich fallen zu lassen…

„Es ist nicht so einfach… das Thema Gefühle… Aber wir haben sie, weil wir auch etwas Wunderbares spüren können… Glück…“ Sie atmete tief und zitterte ein weiteres Mal. „Hast du in deinem Leben noch nie etwas gefühlt, was sich einfach nur wundervoll angefühlt hat…“, hauchte sie zitternd über ihre nur mehr blassen Lippen.

„Sag‘ mir… Held der Zeit…“ Ihre Worte berührten ihn so tief und gerade dort, wo es wirklich weh tat. „Hast du es jemals gespürt… dieses innige, unglaubliche und überwältigende Gefühl, wenn du dem, was du begehrst nah bist… wenn du mit jeder Faser deines Herzens wusstest, dass es richtig ist… dass es der einzige Weg für dein Schicksal ist…“ Ihre Augen leuchteten trotz ihrer Kraftlosigkeit wie Magnete… fordernd verlangten sie nach einer aufrichtigen Antwort. „Sag‘ es mir…“, flüsterte Ariana hoffend.

„Ich habe mich danach gesehnt…“, murmelte er verzagt und schloss sinnierend die Augen. „Sehr oft sogar…“, setzte er hinzu, bis sich seine sturmblauen Augen ein weiteres Mal öffneten. Und irgendwo dort in dem riesigen und gefahrvollen Meer seine Seele ruhte der verborgene Ort tiefer Sehnsüchte, die er doch nicht greifen konnte. „… aber ich habe nie gefunden, was es ist.“

Arianas linke Hand wanderte vorsichtig zu seiner rechten Brusthälfte, dort wo sie den tosenden Herzmuskel des Heroen donnern hörte. „Es ist gar nicht so weit weg…“, flüsterte sie und zitterte heftiger. Die jugendliche Schönheit fühlte sich plötzlich noch erschlagener als vorher… so schwer… so unheimlich schwer. „Du kannst es finden, Link… spüren, wie erfüllend es ist…“, sprach sie leise und lächelte ihm unter ihren tränendem Blick entgegen. „Du kannst es finden… ich weiß es…“

Auch er wagte ein ruhevolles Lächeln… fühlte sich wärmer mit jeder Sekunde, die verstrich. „Woher weißt du das…“, meinte er, ergriffen von der Wonne ihrer Worte und dieser nie enden wollenden Hoffnung. Sie reckte sich ihm entgegen, näherte sich mit ihren weichen Lippen seinem linken, spitzen Ohr und flüsterte, genauso magisch wie vorher: „Eine Göttin… hat es mir gesagt. Und sie machte mir das schönste Geschenk überhaupt hier in Hyrule… Ein Geschenk, so kostbar, dass es mit nichts zu bezahlen ist…“ Sie lächelte und vielleicht träumte sie bereits, versank in einem Fieberschub ihrer Krankheit. Ihr Atem ging hitzig und kränklich… Sie zitterte noch stärker und schloss ihre bernsteinfarbenen Augen. Vielleicht waren ihre Worte immer mehr ein Produkt des Fiebers oder eine unwahre Geschichte ihrer Träume. Aber sie klangen so sehnsuchtsvoll schön und bezaubernd, dass auch Link sich von ihnen berühren ließ. „Sie schenkte mir… dies alles hier… ein Leben… eine Liebe und einen Sinn…“, seufzte sie mühsam. Und als ihre Worte ausklangen, konnte der Ritterschüler sie gerade so auffangen, bevor sie in sich zusammensackte. Die Krankheit hatte sie übermannt, hatte sie in einen langen und herben Ruheschlaf geschickt…
 

Nicht sicher, was er am sinnvollsten tun könnte und was in dieser Situation für seinen bewusstlosen Gast am sichersten war, versuchte Link die Zeit irgendwie tot zu schlagen. Er lief von einer Zimmerecke in die andere, grübelte und fand doch keine Antwort auf die Fragen in seinem Kopf. Seit über vier Stunden befand sich Ariana in einem schlafähnlichen Zustand, seit vier Stunden wartete er voller Zweifel. Link hatte sie schlafen lassen, mit dem geduldigen Gedanken, dass sich ihr Zustand nach und nach bessern würde und dass sie einfach nur etwas Zeit brauchte um zu gesunden, nachdem sie ihre gesamte Kraft verloren hatte. Er hatte vorhin seine Bücher gewälzt, ab und an nach ihr geschaut, konnte sich aber kaum auf die Bücher vor seiner Nase konzentrieren und fragte sich inzwischen, ob er nicht Hilfe holen musste.

Link runzelte die Stirn, rieb sich das leicht kratzige Kinn und blickte besorgt zu der kränkelnden Ariana Blacksmith, die hilflos auf dem dicken Schafsfell vor dem Kamin lag, zusammengekauert und zitternd, bedeckt mit mehreren Decken und leise vor sich hin stöhnte. Die Minuten zogen mit einem ansteckenden Gefühl der Unruhe vorbei, verunsicherten den heldenhaften Burschen immer mehr. Wie konnte Ariana so kränkeln? Was war passiert und was genau steckte dahinter?

Er fasste sich ein Herz, entschied sie nicht länger schlafen zu lassen, schnappte sich das pechschwarze Heilmittel und kniete zu der zitternden Schönheit nieder. Er begann sie vorsichtig an den Schultern zu rütteln, strich einzelne schweißnasse Haarsträhnen aus ihrem Gesicht, begann sie schließlich stärker zu schütteln, in der Hoffnung, dass sie endlich reagierte. Sie seufzte und sprach stockende Worte, weinerlich und hilfesuchend, Worte eines verwaschenen Hylianisch, das Link nicht verstehen konnte. Ganz sanft tätschelte er ihre glühenden Wangen und sprach deutlich: „Ariana, du musst deine Augen öffnen, hörst du mich?!“

Sie blinzelte schwach und weitere Tränen flossen über ihre Wangen, während das Feuer neben ihnen beiden aufwallende Knacklaute von sich gab. „Link… oh Link… es tut mir unendlich leid… ich habe so viel falsch gemacht…“, zauderte sie kummervoll.

Link atmete tief ein, erzeugte weitere kräftige Worte: „Ariana, sieh‘ mich an!“ Er hielt ihr schweißgebadetes Gesicht fest in seinen Händen, ließ seine tiefblauen Augen fordernd in ihre blicken. „Du musst das Heilmittel nehmen, hörst du!“

„Mein Held… ich…“, murmelte sie und brach in ihren Worten ab. Erneut sackte ihr Kopf lasch nach unten. Es war wie, als war der Gott des Schlafes nicht gnädig zu ihr, als zwang sie jemand in das Reich der Träume. Sie wirkte betäubt, als war es ihr verboten sich zu wehren, zu reagieren.

„Ariana!“, diesmal brüllte Link ihren Namen mit so viel Aufforderungscharakter durch den winzigen Raum, dass ihre Augen vor Schreck aufflatterten. Sie waren blutunterlaufen, ließen Schwäche und Schmerz erkennen. Tränen flossen erneut aus ihren Augen, brennende, salzige Tränen. „Link… bitte hilf‘ mir…“ Alles an Ariana entsetzte ihn in dem Augenblick, sie hatte sich zuvor niemals von irgendetwas unterkriegen lassen, sie hatte ihn niemals auf diese Weise angefleht. Wer hatte ihr diesen Zustand angetan? Wer war dafür verantwortlich?

„Ich bin hier, aber du musst die Tränen der Nayru jetzt schlucken und dafür musst du wach bleiben!“, sprach er befehlend.

„Ich kann nichts schlucken… es tut so weh…“, hauchte sie über ihre trockenen Lippen.

„Was tut dir weh?“

„Mein Bauch… mein Hals… es brennt überall…“ Ihre schmalen, kühlen Hände krallten sich an seiner schwarzen Tunika fest. „Es schmerzt… überall… wie Feuer…“, flüsterte sie. „Es ist… ich weiß, dass ich dir weh getan habe…“

Ihr Gesagtes kaum verstehend, schüttelte Link den Kopf, und nahm das perlenartige Heilmittel in der kleinen Phiole in seine unruhigen Hände. Vorsichtig öffnete er das gläserne Gefäß, und setzte das teure Heilmittel trotz Arianas Sträubens an ihre bleichen Lippen. „Du musst es jetzt schlucken!“, sprach er befehlend. Ihre großen, bernsteinfarbenen Auen ließen Widerwillen erkennen, einen Widerwillen, der sich vielleicht nicht gegen das Heilmittel richtete. In ihren Augen sprudelten Schuldgefühle, die Link weiterhin ignorierte. Er wollte nicht wissen, wovon sie redete, wollte nicht wissen, was ihr leid tat. Im Augenblick zählte nur, dass sie zu Kräften kam. Ganz sachte hob er die kristallene Phiole an, sodass ein großer Tropfen der perlenartigen, schwarzgefärbten Substanz in ihren Mund schlüpfen konnte.

Während draußen erneut der Sturm tobte und Link an Arianas Seite verweilte, tickten die Sekunden zermürbend vorüber, erzeugten Verwirrung und Ungeduld. Mit einem Anflug eines Würgereizes schluckte Ariana das teure Heilmittel hinunter, krächzte mit ihrer sonst so schönen, klaren Stimme, aber blieb in der gleichen Verfassung wie vorher. Link blinzelte, blinzelte mehrfach, hielt die kleine, gläserne Phiole in den Händen und versuchte einen unangenehmen Gedanken wegzuschieben. Irgendwo in seinem Kopf begann es zu flüstern, manipulativ und drohend: ,Es wirkt nicht… es kann nicht wirken… weil sie keine Krankheit hat…‘

Arianas schlapper Körper lag erneut hilflos auf dem weichen Schafspelz, ihr Brustkorb hob sich unregelmäßig, krachend, als besaß ihr Herz nicht die Kraft die notwendige Energie durch ihren Körpermotor zu drängen. Ihr Zustand änderte sich nicht… und je länger die Sekunden dauerten… je langsamer der Puls der Zeit durch die verborgene Holzhütte tobte, umso sicherer wurde Links Erkenntnis. Es wirkte nicht… Das Heilmittel versagte den Dienst gerade dann, wo er es brauchte. War das, was Ariana nun so quälte, vielleicht gar keine Krankheit?

In einem Anflug der Rage sprang Link auf die dünnen Beine, schaute verzweifelt auf das kleine Gefäß mit den leuchtenden, schwarzen Perlen in seiner Hand. „Wozu ist dieses teure Heilmittel überhaupt noch gut, wenn es mich nicht heilen kann und auch Ariana nicht hilft!“, donnerte seine Stimme durch den Raum. In einem Anflug der Wut nahm er es in die Linke, holte kräftig aus und wollte es am liebsten gegen die Wand knallen.

Er bremste sich mit einem tiefen Atemzug, bremste sich in letzter Sekunde und hörte gerade in dem Augenblick Ariana seinen Namen flüstern. Sie murmelte seinen Namen im Schlaf, murmelte Worte der Vergebung, bettelte nahezu, sprach durcheinander und schien sich vor ihm völlig zu verwandeln.

Seufzend ließ sich der junge Heroe erneut auf die Knie sinken, ballte beide Hände zu Fäusten und blickte in das bleiche Gesicht eines jungen Mädchens, das sein Leben durcheinander brachte und ihn immer wieder erstaunte.

„Link… ich wollte so gern… bei dir sein…“, krächzte sie. Erneut flossen Tränen über ihre Wangen, tropften wie milder Regen, der sich durch den Sonnenschein kämpfte. Sie musste wahnsinnige Schmerzen haben, Schmerzen, die kaum jemand aushalten konnte. Er streichelte ihre Wangen vorsichtig und zögerlich, spürte eine innerliche Woge des Schmerzes, als er sie berührte, spürte diesen intensiven Wunsch sie zu begleiten und ihr den Schmerz abzunehmen, etwas, was er sehr lange nicht gespürt hatte… Mitgefühl…

Und während seine Finger verspielt über ihre rechte Wange streichelten, er erstaunt war darüber, wie sanft und weich sich ihre Haut anfühlte, tropfte ein weitere Träne aus ihrem rechten Auge, war so groß und glitzernd wie als entstand er aus einer magischen Gegebenheit. Die Träne bahnte sich ihren Weg ganz langsam und zögerlich in Richtung seines Zeigefingers, leuchtete unerschöpflich, schien die glühendgelbe Glut des Feuers aufzusaugen, bis sie zu erstarren schien. Und je stärker die Träne leuchtete, umso fester schien sie zu werden, nahm eine starre Struktur und Form an, erstaunte an einer Magie, die Leben bringen konnte. Der linke Zeigefinger des Ritterschülers berührte die Träne mit Verwunderung, spürte das feste Material, das sich anfühlte wie Stein… wie ein Kristall. Er fing den seltsamen, winzigen Kristall auf, hielt ihn sachte gegen das Licht des Feuers und war erstaunt über dieses Wunderwerk… Ein Kristall, der in Regenbogenfarben schimmerte, war aus ihren Tränen geboren worden.

Intensiv betrachtete er das schlafende Wesen vor ihm, dieses wohlvertraute Gesicht, diese kleine Stirn und perfekte Nase, die großen Lippen, selbst den Leberfleck an ihrer rechten Wange. Immer mehr realisierte er, dass Ariana kein gewöhnliches Mädchen war. Sie war nicht an der Mädchenschule um irgendwelche Manieren zu lernen. Da steckte etwas viel Wichtigeres dahinter, etwas, was vielleicht auch ihn betraf… sie war magisch… ihr ganzes Wesen bestand aus Magie!
 

Mit einem fluchenden Schrei packte er die junge Schönheit ein weiteres Mal an den Schultern, sprach eindringlich ihren Namen. Er musste handeln. Immer mehr ahnte er, dass er sie nicht hierlassen konnte, dass er sie von hier weg und zu einem Heiler bringen musste.

„Bitte… ich muss jetzt einschlafen…“, hauchte sie über ihre Lippen. Ihr Atem kam heiß und stockend hervor. „Es ist… zu spät…“

„Was ist zu spät?“, rief Link panisch.

Sie öffnete ein letztes Mal die bernsteinfarbenen, wunderschönen Augen, sendete ihm Blicke, die er in den Augen eines Hylianers noch nie gesehen hatte. Es war wie, als war ein Teil ihrer Seele bereits weit weg. „Ich hab‘ dich lieb, mein Held… verzeih‘ mir… für alles“, flüsterte sie und ihre Augenlider wurden schwer. Sie sackte in sich zusammen. Ihr Puls schwächelte. Ihre Haut erkaltete… und das kostbare Leben in ihrem reinen Herzen, so ahnte der tapfere Ritterschüler, hing am seidenen Faden…
 

Links Herz setzte einen Schlag aus, als ein Teil in ihm für wenige Sekundenbruchteile alles verstand, alles, was Arianas Sorge um ihn betraf und alles, was er nicht an sich heranlassen wollte. Hier war sie, eine Seele, die nicht aufgab in ihm das zu finden, was seit über einem halben Jahr erloschen war, ihn an alle Ideale zu erinnern, die er für sich begraben hatte… und alles, was er tat, war, auf ein Heilmittel zu schimpfen, das nicht wirkte?

Der Heroe entließ einen panischen Schrei aus seinen Lungen strömen, schlug mit beiden Fäusten auf die abgenutzten Holzbalken des Bodens, donnerte seine Fäuste nieder in einer Verzweiflung, die sein verletztes Herz nicht ertragen konnte. Er schämte sich für seine Unfähigkeit, für die klagenden Worte der letzten Wochen, brüllte allen Ärger und Frust aus seinen Lungen, gewaltvoll, fluchend und betend… Ariana durfte nicht das Opfer seiner Unfähigkeit werden! Sie hatte in dieser stürmischen Winternacht den Weg hierher gefunden, sie hatte ihn lediglich unterstützen wollen! Und von Anfang an hatte er nur daran gedacht, sie wegzuschicken, weil sie in Gefahr schwebte. Ja, sie war in Gefahr, aber nur, weil sie ihm helfen wollte!

Er musste etwas unternehmen, musste sie von hier wegbringen oder einen Heiler holen! Aber wen sollte Link an diesem stürmischen Wintertag erreichen? Er konnte nicht alleine losziehen und Ariana ihrem Schicksal überlassen… er konnte sie in ihrem bewusstlosen Zustand jedoch auch nicht mitnehmen, dafür war er seit der unbekannte Fluch seinen Körper zerfraß, schlichtweg zu schwach!

Erneut brüllte Link den Selbsthass der letzten Wochen aus seiner Kehle, holte die Worte tief aus seiner Seele, und schlug die knochigen Hände auf das verdreckte Holz, bis sie schmerzten. Er sackte in sich zusammen, biss sich auf die spröden Lippen und atmete keuchend. Er schluchzte und ein weiterer Blick ging zu der verwundbaren Schönheit, die wie eine Prinzessin vergessener Tage in einen grausamen Schlaf gerissen wurde. Selbst seine Stille zerfetzenden Schreie hatten sie nicht aus ihrer Ohnmacht gerissen…

Link sank immer mehr in sich zusammen, hockte grübelnd neben seinem schwachen Gast, hockte wie hypnotisiert in der Hütte am vielversprechenden, fluchlösenden Glücksteich in der Stille jenes schneetreibenden Tages. Außerhalb knisterten die Schneekristalle, sanken mitleidig nieder, rieselten hinab, nur um zu zerfallen und sich mit ihren Geschwistern zu verschmelzen. Außerhalb nahm die Welt das Kleid des Winters bedächtig an, sank genauso wie Ariana in einen tiefen Schlaf, überdauernd und nur ein heller Strahl der untergehenden Sonne brachte ein Licht durch jene hindurch. Ein Licht…

Während der junge Held seinen Blick noch immer stetig auf Ariana gerichtet hielt und eine tiefe Erinnerung an alte Ideale in seinem Herzen pochte, betete er für ein Licht… Er betete für ein Licht, das ihm den Weg wies, ein Licht, das ihm die Zuversicht schenkte, jetzt in dieser schlimmen Stunde das Richtige zu tun…
 

Manchmal, so begannen Geschichten der Alten, und die Erinnerung an eine tiefe Aufrichtigkeit, die in den Herzen der Hylianer pochte wiederfindend, verloren sich Links Gedanken, so wie Ariana vorhin in einer melodiösen Geschichte…. Ja, manchmal… Seine meerblauen Augen erzeugten Blicke tiefer Gewissheit, dass er diesen Tag verändern konnte, mit der Erinnerung an das, was alte Geschöpfe in Hyrule schon immer wussten. Manchmal gab es Fügungen, die nur entstehen konnten aus tiefen, so unglaublich tiefen Gefühlen und Wünschen, die in Herzen atmeten. Manchmal bedurfte es keiner Magie um etwas Sonderbares und Zauberhaftes entstehen zu lassen. Manchmal lockte ein tiefer Wunsch im Herzen Fügungen des Schicksals an und dann… ja, dann manchmal… konnten Kämpfe auch ohne Schwert gewonnen werden.

Wenn ein tiefes, uraltes Gefühl in den Herzen der Hylianer erwachte, sich in das Licht des Lebens reckte wie eine verhungernde Pflanze, brauchte es kein Triforce, es brauchte nur das Gute. Einige Male zuvor hatte Link diese Fügungen in seinem Leben wahrgenommen, darauf vertraut, dass es Mächte jenseits dem Wissen der Götter gab, ein übergeordnetes Bewusstsein, das so viel mehr war als ein Gott wissen konnte. Es waren Momente, als er bluttriefend noch immer erfüllt war von legendärem Mut und besessen kämpfte. Momente, in denen er diese gigantische Fügung des Schicksals wahrgenommen hatte. Einst in der alternativen Realität…

Und sollte nun, wo er ein bisschen Glück und Mut brauchte, dieses verborgene Wissen nicht mehr sein? Seine warmen Hände wanderten zu Arianas rechter Hand, kühl war sie und schlaff, das Leben sickerte aus ihrem Körper… so leise und schutzlos… Er schloss seine Augen sinnierend, hielt ihre weiße Hand fest in seinen, betete, erinnerte die Hoffnung, die ihn einst geleitet hatte… Sie war pulsierend, gleißend weiß, wie das uralte Fragment des Triforce in seiner Hand. Sie war atemberaubend schön, ein Licht, unvergänglich und reinigend. Pochend und strahlend schön, wie das Fragment in seiner Hand.

Und als er seine Augen öffnete, sich erinnerte an ein unsterbliches Gefühl, war es, als erschuf sich mit seinem Wunsch auch hier an diesem verlassenen Ort in der Hütte am Glücksteich ein sanftes Licht, erschuf sich aus der Erinnerung, pochte und erstarkte. Das Fragment des Mutes begann zu glühen, zu leuchten so wie in nur mehr seltenen Momenten… und das gleißende Licht der legendären Macht wanderte, schickte schwingende Böen durch den dunklen Raum, flatterte umher wie ein junger Schmetterling, der einen ersten Flug wagte. Links Blick füllte sich mit Erstaunen, dort in dem schönen Blau seiner Augen erwachte Verwunderung und Hoffnung. Und das tanzende Licht, das von seinem Fragment erzeugt wurde, erhob sich, wanderte in den Lüften bis es zu dem Schreibtisch flatterte und dort stillstand, ruhte und sich wie ein Insekt auf einen Stapel Pergament setzte. Link erhob sich hastend, und sein Blick verweilte verwundert dort, wo sich das Licht seines Fragmentes sammelte… träge… pochend wie ein Herz.

Er trat hinüber zu dem Holztisch, ließ den Schimmer des tanzenden Lichts in sein Gesicht fallen und schob die vielen Pergamentblätter, die er für seine Nachforschungen brauchte, auseinander. Auf einem vergilbten Stück Papier sammelte sich das weiße Licht, funkelte immer stärker und leuchtete für Link und den Wunsch, den er tief in seinem Herzen trug. Ein leichtes Lächeln zauberte sich in seine feinen Gesichtszüge, als er den Brief in seine Hände nahm, dort, wo auf der Rückseite rätselhafter Worte, verschlungene Pfade mit goldener Tinte sichtbar wurden. Über der gesamten Rückseite erschuf sich geboren aus einem kostbaren Bedürfnis eine genaue Karte der näheren Umgebung hier in Lanayru, zeigte einen Weg von dem zugeschneiten Glücksteich zu Undoras Heim. Wortfetzen der skurrilen, alten Hexe drangen erneut in Links Geist. ,Bald ist es soweit, dass du zu mir kommen wirst… dann in der Winternacht, wo ein Gegenstück deines Herzens gequält wird…‘

,Das war es also‘, dachte der vergessene Heroe. Auf dieses Zeichen hatte er gewartet und auf diese Gegebenheit hatte Undora, die Hexe, gewartet. Noch einmal warf er einen Blick von der magischen Karte zu seinem bewusstlosen Gast. Und als er den Brief in seine Hände nahm, die Magie pochen spürte, das samtige Material in seinen Händen, den Schimmer des Lichts auf seiner Haut, entwarf sein Kopf einen neuen Plan. Er würde den Weg zu Undora finden und er wusste nun, was er zu tun hatte.
 

Wenig später werkelte Link aufgeregt in der Hütte umher. Ungeduldig schraubte er die Tischbeine von der großen Holzplatte, hämmerte mit tosenden Schlägen eine alte, aber sehr robuste Lederpeitsche, die er einst in einem Tempel gefunden hatte, an die Holzplatte, sodass er den eigenwillig konstruierten Schlitten über den Schnee ziehen konnte. Hastig füllte er den Rucksack von Ariana mit Proviant, zog sich einen dicken Umhang über, der sein Haupt bedeckte, sodass nur wenige goldblonde Haarsträhnen sichtbar waren und machte sich bereit für die Reise durch die Winternacht. Er wusste nicht, wie lange der Weg zu Undoras Heim sein würde, und er scheute die Anstrengung nicht. Er wollte Ariana Blacksmith nur in Sicherheit wissen. Besorgt trat er an sie heran, versuchte noch einmal ihr Bewusstsein zu wecken, sprach bestimmende Worte zu ihr, aber noch immer blieben ihre bernsteinfarbenen Augen verschlossen. Sie reagierte nicht, sie konnte nicht… Mitsamt der Decken und dem Schaffell legte er die schwarzhaarige Schönheit auf das Holzbrett, band die Lederpeitsche um seine Hüfte und zog den selbst entworfenen Schlitten vorwärts. Er öffnete die Tür hinaus in das federweiße Kleid des Winters, trat durch den knirschenden Schnee, biss die Zähne angesichts der Kraftanstrengung zusammen und marschierte hinaus in den dichten Wald, dort wo die glühende, orangenfarbene Sonne allmählich schwand… und der Himmel einen grollenden Sturm prophezeite.

Link schwor sich diesen Weg zu bestreiten… Ariana zu beschützen mit jedem Funken Kraft, der ihm geblieben war. Das erste Mal seit über einem halben Jahr begann er aus tiefster Seele zu kämpfen, aus tiefster Seele atmeten seine wahren Ideale, zeigten sich mit Stolz und Hingabe. Er würde sich durch die Winternacht kämpfen, jetzt erst recht, kämpfen bis der beginnende Sturm endete…

Gift, Rauch und Asche…

Der hylianische Wind heulte gehässig durch die eisige Winternacht, schien den einsamen Wanderer Link, der seit vielen Minuten die zuckerwatteweiße Einöde gefrorener Wälder passierte, auszulachen. Stoßweise trampelte er vorwärts, spürte die erfrierende Nässe des Schnees unter seinen Füßen und zog Ariana auf seinem selbstentworfenen Schlitten immer weiter vorwärts. Er spürte öligen Schweiß unter seinem Mantel, und ekelte sich gleichzeitig vor der Nässe geschmolzener Schneeflocken, welche seinen Leinenmantel durchdrang. Die wärmende Abendsonne hatte den Horizont völlig verlassen und eine unheilvolle Schwärze nistete sich in den stillen, einsamen Wäldern ein, hier wo Schneegestöber die Gestalt von summenden Geistern anzunehmen schien. Schleierhafte Geräusche werkelten sich durch die Stille, klirrende Laute des Eises und raschelnder Zweige, summend und verlockend. Erschrocken wirbelte der verhüllte junge Mann herum, lauschte dem Knirschen von Schnee und dem Klagegesang, den frierende Bäume und wilde Tiere hinterließen…

Link hatte vergessen wie düster und gruselig sich eine herbe Winternacht zeigen konnte. Dort in der ewigen Düsternis des silberweißen Gewandes von Schnee und Eis hausten niederträchtige Eiswesen, warteten auf verirrte Hylianer, warteten voller Gier und mit Hexerei. Eiswesen und Kreaturen, die sich in der Hitze der Sonne verbrannten, warteten dann in den Winternächten, so erzählten alte Geschichten des hylianischen Volkes. Beunruhigt, weil er spüren konnte, dass er mit Ariana nicht alleine war, beunruhigt, weil dort in der zunehmenden Dunkelheit der Wälder etwas Unbekanntes lauerte, versuchte Link sich schneller zu bewegen. Er atmete keuchend, spürte die Minusgrade in seiner Lunge schlitzen, aber wusste auch, dass er sich beeilen musste, egal wohin ihn der Weg auch führen mochte.

Seine linke Hand ruhte auf dem Griff seines Schwertes, das er an einem zerschlissenen Gürtel trug. In seiner Rechten hielt er ein kleines, schwindendes Licht, den winzigen ersterbenden Stern in Gestalt von Undoras Karte, die ihm den Weg wies. Der goldene Schein des verzauberten Pergaments war alles, was er noch besaß. Alles, um sich aus dieser Einöde zu bringen und Ariana in Sicherheit zu wissen.
 

Der dunkelgraue Umhang der Nacht und das Nebels verdeckte Links Sicht immer mehr und nur schwerlich setzte er einen Fuß vor den anderen, lauschte dem Knistern der Eiskreaturen, die sich an seine Fersen heften wollten, spürte den erfrierenden Atem des Winters heißend durch gefrorene Zweige huschen. Die finstere Einöde, in die er gezogen wurde, labte sich an einem wohlvertrauten Verrat, labte sich an jungem Fleisch, welches sie durch Kälte zu brechen nötigte. Weitere unbestimmte Geräusche, die mit ruhelosem Begehr die Stille unterwanderten, zeichneten verschlingende Pfade der Bedrängnis in Links Richtung, bis er seinen stoßweisen Trampelmarsch unterbrach, die funkelnde Karte von Undora in seiner zerschlissenen Gürteltasche verschwinden ließ und das Schwert zog. Mehr denn je spürte er Kreaturen im Unterholz, die bemüht leise durch knirschenden Schnee zu wanden sich die schlechte Sicht durch Nebelschwaden und herabfallende Eiskristalle zu Nutze machten. Link wirbelte herum, schärfte seine Sinne so gut er konnte und bereitete sich vor Eisritter, die er einst vor langer Zeit bekämpft hatte, anzutreffen. Er kannte jene Kreaturen, die sich an Kälte und Wasser nährten, die nur lebten jede Wärme hylianischen Fleisches zu vernichten. Jeder Hauch Wärme war für sie eine Bedrohung. Rasch bewegten sich jene Eisritter, schwangen Schwerter wie ihre knöchernen Vettern, die Skelettritter. Ihre langen Körper bestanden aus einer Symbiose aus Eis und Nebel, bedrohlich und nur mit Wärme zu vernichten…
 

Ein silbriges Flackern umschmeichelte frierendes Laub, flatterte wie durchsichtige, scheinende Umhänge über den schneebedeckten Boden, raschelte und blieb doch fern des einsamen Streiters, der eine Freundin zu Undora, der Hexe, bringen wollte. Bedrohlich in der Dunkelheit marschierten sie auf, die Wesen des Bösen, die kleine Kinder in ihren Träumen fürchteten. Mit dem Schwert in der Hand wartete Link, sah hetzende Schwaden seines eigenen Atems zu Frost erstarren, wartete auf einen günstigen Moment weiter zu eilen. Er spürte sie in der Ferne, Eisritter oder andere Wesen, die näher eilten und vielleicht nach ihm oder seinem Gast suchten. Er spürte ihre Entschlossenheit durch die Finsternis donnern und doch waren die Geräusche in der Ferne verblassend. Sehen konnte Link in der zunehmenden Schwärze nichts als das goldene Schillern von der Karte, das aus der Gürteltasche drang und die ihn zu einem verborgenen Bestimmungsort bringen sollte.

Zögerlich umfasste er erneut die Lederpeitsche und zog den Schlitten mit der kränkelnden Ariana weiter. Er strich sich über das spröde Gesicht, strich sich über die feuchte Nase und stolperte mit Angst im Nacken weiter. Er wusste, dass da draußen sich geschickt verflüchtigend rätselhafte Wesen warteten, er wusste, dass er mit Ariana nicht alleine war, aber was blieb ihm noch als sich weiterhin zu bewegen. Seine möglichen Verfolger wussten wohl, dass er hier war, und vielleicht ahnten sie, dass er nicht kämpfen konnte…

,Verfluchtes Pack’, murrte Link in Gedanken, ahnte, dass jene Wesen der Finsternis Genuss daran fanden ihm in dieser Dunkelheit aufzulauern, ihn nervös zu machen und vielleicht Katz und Maus mit ihm spielen wollten und vielleicht konnten jene Kreaturen, ganz gleich ob es Eisritter waren oder nicht, in der Finsternis mehr sehen als Link. Vielleicht sahen sie bereits seine Fußspuren im verräterischen Schnee…
 

Sein Weg führte ihn weiterhin nach Westen, wo eine Kette seltsam geformter Sandberge ihn empfing. Es war ein Ödland, bewachsen mit dichten Gräsern in den Sommermonaten, aber wenigen Sträuchern und Bäumen. Manche nannten jene Berge, die mit skurrilen Formen in die Höhe schossen, das Labyrinth des nördlichen Westens. Es war geheimnisverbergend und geprägt von erstaunlichen Formationen, wo starker Regen sich formend in das Gestein grub. Eine Schicht glitzerndes Eis bedeckte die eigenwilligen Gebilde aus Sand, die mit Dutzenden beobachtenden Augen Links Weg auskundschafteten. Niemand verirrte sich gerne in dieses unerforschte Gebirge, wo nichts zu finden war außer Sand… und es hieß, einmal vom Zauber des Sandgebirges verschlungen entkam man nicht mehr.

Link zog den Schlitten mit Arianas bewusstlosem Körper weiterhin vorwärts, durchquerte tunnelartige Wege, kleine Schluchten, die peitschender Regen in den Boden geschlagen hatte und erlebte hier im nördlichen Westen an der Grenze zu Eldin, wo der Schneesturm sich allmählich verflüchtigte, eine sonderbare Form der Melancholie sein Herz heimsuchen. Er war bisher nur einmal hier gewesen, aber schon damals spürte er etwas Transzendentes in den Formationen aus gehärtetem Sandstein, aus den von Regenhand geformten riesigen mattgelben Skulpturen, Gebäuden und Labyrinthen, die zusätzlich hier im Winter von silbrig blauen Schneekristallen bedeckt waren. Es schien, als hauste Leben in den Gebilden, altes Leben, das sich Träume für die Welt einbehielt. Geschichten der Hylianer erzählten, dass die Götter ein ganzes Volk in den Sandstein gesperrt hätten als ein schauriges Denkmal für jene, die die ältesten Daseinsformen der Welt anzweifelten.

Links Atem ging schwer und eine siegende Erschöpfung kam über ihn, als er einmal mehr einen Blick auf die golden schimmernde Karte zu Undoras Heim warf und wusste, dass er den richtigen Kurs gewählt hatte. Er trank von einer Flasche eisgekühltes Wasser, genoss die kühle Frische seine Kehle hinab wandern und rieb sich vor Müdigkeit die von Reif bedeckten Augenbrauen. Er wusste nicht mehr, wie lange er bereits durch die schneebedeckte Welt wanderte, aber es kam ihm vor als wären es mehrere Stunden…
 

Im Schutz einer hohen Schneemauer, die aussah, als wäre eine kristallene Welle weißes Meer in einer Sekunde überschäumender Stärke erstarrt, stützte sich Link auf seine schweren Knie, machte kurz Rast und warf einen Blick auf die erschöpfte Schönheit, für die er diese Strapazen auf sich nahm. Ariana ließ sich kaum aus ihrem tiefen Schlaf reißen, reagierte nicht auf Links Ansprache, reagierte nicht darauf, als er ihre pechschwarzen Strähnen aus ihrem blassen Gesicht strich. Zu wissen, dass sie ein reines Wesen besaß, berührte sein Herz. Zu wissen, dass sie unerklärliche Qualen erlebte, ließ den Heroen ein pulsierendes und erstarkendes Ziepen in seiner Brust spüren. Ein kleiner Stich, der ihn daran erinnerte, dass irgendetwas an Ariana mit ihm verbunden war…

Er aß etwas von dem gebackenen Hylanor, wurde hektischer mit jeder Sekunde, die vorüber zog und das erste Mal seit er diese Reise angetreten hatte, schossen Zweifel in sein Gemüt. War er sich im Klaren, was er hier tat? Er selbst, der mit einem unerklärlichen Fluch beladen war, der jederzeit ausbrechen konnte, suchte den Weg durch eine kahle, leblose Winterlandschaft, mitten in der Nacht, in der Hoffnung das Haus einer helfenden Hand zu finden. Und wäre dieses Vorhaben nicht schon töricht genug, so nahm er an, dass eine chaotische Hexe wie Undora ein Mädchen heilen konnte, von dem er nicht einmal wusste, wer sie wirklich war. Trotzallem kannte Link Ariana nur durch ein paar Aufeinandertreffen…
 

Und während die Zweifel durch sein Gemüt huschten, sein Blick sich auf der wunderschönen Ariana verlor, blitzte in der Ferne die Kampfbereitschaft von bernsteinfarbenem Stahl. Wie lodernde Äste weitentfernter Bäume tanzten peitschende Klingen. Stolze Speere mit flammenden Fahnen reckten sich in die Höhe, durchdrangen mit Farben des Dämmerlichts die verbliebenen Nebelschwaden und die Finsternis. Links Intuition hatte nicht gelogen, denn in der Ferne, verborgen unter beinahe unsichtbaren Gewändern, marschierten sie auf, kampfgewandte Krieger, die die Pfade einer anderen Welt nutzen konnten. Hochgewachsene Krieger, die sich geschickt im gespenstischen Nebel und dem verbliebenen Schneesturm kleideten. Eine ganze Scharr war es, die den Pfad des einsamen Streiters beobachtet hatte. Und an der Spitze der stolzen Ritter ragte ein stämmiger Mann empor, erhob sich wie ein Fürst, der er vielleicht sogar war. Seine Rüstung, pechschwarz, und doch bestickt mit bernsteinfarbenen Farbbändern funkelte mit vergessener Magie. Er trug einen Helm, der die Form eines Rabenkopfes besaß, ein mit Zacken versehener und mit schwarzen Federn bestickter Helm, der Gegner sich fürchten ließ.

„Mein General“, sprach einer derer, die sich geschickt der nahen Umgebung anpassten. Auch er trug eine Rüstung, die so wie die Finsternis funkelte. „Er verliert sich mit ihr…“

Der große Ritter an der Spitze, der, der einen schier riesigen Speer in seiner Hand hielt verhielt sich ruhig. Weder Gestik noch Mimik waren unter seinem Helm erkennbar. Er wirkte unmenschlich wie eine Statue. Kein Wort erklang von seinen erkalteten Lippen.

„Er nennt sie Ariana…“, sprach der wohl untergebene Ritter mit einem fremdländischen Akzent, fließend, ruhig und mit vielen zischenden Lauten untermauert. „Das konnten meine Ohren vernehmen. Ariana, ein Name des zielführenden Weges… nicht unbedeutend wir mir scheint.“

Erneut schwieg der Anführer, beobachtete scharfsinnig mit Augen, die wie grelles Feuer loderten, den Helden in der Ferne, der sich um das kränkelnde Mädchen in seiner Obhut bemühte.

„Ist sie die Unsere?“ Der scheinbar Untergebene blieb hartnäckig, wollte Worte aus dem Munde des Generals locken. Jener ließ den Speer in seiner Hand tiefer in das splitternde Eis wandern und während der magische Stahl in das Eis sank, schien der Untergrund zu schmelzen. Doch nicht einer der Recken wunderte sich. Jeder spürte die Magie des bernsteinfarbenen Metalls die Erde entzweien, aber keiner fürchtete sich.

„Nicht einmal der Rabe kann uns dies beantworten“, erklang es mürrisch mit der rauen Stimme eines Wesens, das zu viele Erdenjahre verlebt hatte. „Was würde auch ihr Name uns sagen…“ Und der General nahm den Rabenkopfhelm ab und das stattliche, aber gealterte Abbild eines starken Mannes kam zum Vorschein. Schneeweißes, aber festes Haar spielte wild um sein Gesicht und fiel in sturen Strähnen auf die Schultern. Ein Feuer wie der letzte Schein der Sonne am Horizont an einem bleiernen Tag brannte in seinen Augen, tief hinein bis in seine alte Seele. Der General musste an die Hundert Winter gelebt haben, und war doch agil und sportlich bis in die kleinsten Knochen.

„Er wird sich und das Mädchen in die Verdammnis des Eises sperren… in ein grausames erstarrtes Element“, bemerkte der neben ihm stehende Ritter, der seinen Helm in der eisigen Kälte kaum abnehmen wollte.

Der General klang amüsiert. „Nein“, sprach er mit Sarkasmus in der Stimme. „Nicht dieser Bursche, alles, nur nicht dieser Bursche.“

„Es klingt, als macht Euch sein Wahnwitz kaum Sorgen. Er ist schwach und begeht mit dieser Schwäche den fehlerhaften Irrsinn durch den Schneesturm zu marschieren als wäre er auf der Flucht vor sich selbst. Wisst Ihr etwas über jenen Jungen?“

Der General verzog seine schmalen Lippen, die eine breite Narbe in Richtung Nase zierte, zu einem fast unbemerkbaren Grinsen. „Nun, es scheint als steckt in manchen der schwachen Hylianer doch etwas Mut.“ Der jüngere Ritter unterstützte jene Aussage kaum und schüttelte nur den Kopf. Es war das erste Mal, das er Schweigen der Sprache vorzog.

„Wir werden das Schicksal in die Hände eines Jungen legen… so wie es die Magie einst tat. Lassen wir diesen Hylianer ziehen.“ Und mit jener Aussage bedeckte der Krieger sein Haupt erneut mit dem stolzen Rabenkopfschädel.

„Aber mein General!“, widersprach der Ritter entsetzt. „Wollt Ihr diese Chance vertun? Es könnte unsere einzige sein.“ Eine Pause beflügelte das Schweigen der alten Stimmbänder des Generals und alles, was er tat, war ein Handzeichen an seine Männer zu geben. Ein Signal, dass sie sich zurückzogen. Er kannte das Leben und die Leben danach gut genug um zu wissen, dass es für alles nicht nur eine Chance gab…
 

Gerade da erhob sich Link irritiert, blickte in die Ferne und horchte dort in den Nebeln, lauschte verwegenen Geräuschen hinterher, Geräusche von stahlbesetzten Stiefeln, die sich immer weiter verflüchtigten, so wie der Schneesturm im Bündnis mit verschleierndem Nebel mehr und mehr verschwand und das erste Mal in dieser schneetreibenden Nacht das Licht der Sterne den Weg zur Erde fand. Erneut band der tapfere Jüngling die Peitsche um seine Körpermitte und ballte die Hände zu Fäusten. Trotzig marschierte er weiter, spürte die alte Energie seines Willens in den Venen und schwang in seinem eigenen Rhythmus vorwärts. Über rutschige Eisschollen, durch meterhohen Schnee, über Hürden aus sandigem Gestein zog er dahin, bis er in der blassblau erscheinenden Ferne ein sanftes Glühen, wie das letzte Glimmen eines sterbenden Feuers, erblicken konnte. Seine Augen tränten vor Erschöpfung und seine Knie knirschten mit jedem Schritt, wollten ihm den Dienst versagen. Aber das Glühen am Horizont, so tröstlich und hoffnungsvoll, erinnerte ihn an die Macht eines legendären Augenblicks, an den törichten Mut, den er so oft aufgebracht hatte. Und je näher er dem beinahe unwirklichen Leuchten in der Ferne kam, umso deutlicher konnte er erkennen, dass dort ein merkwürdiges Steinhäuschen, geschlagen in das massive Sandgebirge, errichtet worden war, dass dort vielleicht sogar sein Bestimmungsort sich zeigte.

Seine Schritte wurden schneller und die eisige Nachtluft brannte ihm erneut stärker in der Kehle. Aufgeregt trat er weiter, sah sich selbst umgeben von zarten, silbernen Hügeln einer strauchlosen und baumlosen Ebene und nur Sandformationen ragten neben ihm wie Wachposten auf. Er trottete durch ein eigentümliches Labyrinth von heldenhaften Statuen, die Götterhände mit Naturgewalten geformt haben mussten. Über fünf Meter hohe Soldaten und Ritter kreuzten über dem tapferen Jüngling die Schwerter, bewachten das Labyrinth des nördlichen Westens würdevoll. Es schien als würde eine unachtsame Bewegung neugieriger Besucher die riesigen Wachen aus ihren Jahrhunderten andauernden Schlummer reißen können… als schliefen sie bewachend, aber aufmerksam, bis in die Ewigkeit.

Link durchquerte mit Verwunderung in den Augen einen eisigen, glitzernden Torbogen, trat vorwärts über eine reifbedeckte Brücke, ebenfalls erschaffen aus festem Sandgestein, und behielt dennoch sein Ziel im Auge. Das ferne Leuchten eines nahen Anwesens erreichte ihn fordernder und stärker. Und wie tanzende Geister entdeckte er zwei Gestalten in dem blassblauen Schleier des Eises näher kommen. Er rieb sich die Augen und versuchte in der verschwommenen Sicht der nässenden Kälte und der Finsternis auszumachen, ob jene beiden Gestalten, eine davon wesentlich kleiner als die andere, zu einer Gefahr gehörten. Er ließ Vorsicht walten, zog sein Schwert unter dem flatternden Leinenmantel hervor und bereitete sich auf die Ankunft fremder Wesen vor.

Vergessene Lichter funkelten am Abendhimmel, als Links tiefblaue Augen von Verwunderung und Hoffnung erfüllt waren, als seine schönen Heldenaugen sich schlossen nur um sich mit Freude wieder zu öffnen. Denn er kannte jene beiden Gestalten, die sich ihm annäherten, erkannte an dem Körperbau und der gutmütigen Aura die Hexe Undora, die mit einem laubgrünen Greisenstab in seine Richtung humpelte und deren warzenübersäten Gesicht keinerlei Überraschung, sondern nur Hilfsbereitschaft ausstrahlten. Und neben ihr wanderte eine stolze, aber auch gefährliche Kreatur, die scheinbar bis in den fernen Westen auf Beutezug gegangen war. Eine schwarzweiß-gefleckte Bestie auf vier Beinen, mit zotteligem Fell und Augen so gelb wie gemaltes Licht hetzte näher, stellte sich auf die Hinterläufe und warf den jungen Heroen beinahe zu Boden. Es war Wulf, der liebenswerte Wolfshund der Familie Laundry.

Mit einem feuchten Hecheln leckte er dem auflachenden Heroen über das kühle Gesicht, leckte einen Hauch Reif hinfort. Link grinste, spürte wie nun, da ein Gefühl der Sicherheit ihn überschwemmte, er sich unendlich erschöpft fühlte. Er sank auf die Knie, streichelte Wulf über das kalte, nasse Fell und blickte dankbar zu der wunderlichen Hexe, die mit einem unverschämten Lächeln vor ihm stand. Sie reichte ihm die Hand und sprach erheitert: „Sieh‘ einer an. Dieser Hund hat mich die ganze Zeit nicht in Ruhe gelassen, bis ich mit ihm vor die Tür gegangen bin und was, beim gebratenen Storch, finde ich hier: Einen dussligen Burschen, der die rechte Zeit genutzt hat um mich zu erreichen. Einfach unglaublich.“ Und genauso unglaublich war es, dass sie Link mit einem festen Griff um sein Handgelenk auf die Beine zog, mit einer Stärke, die man Undoras gebrechlichen und buckligen Körper kaum zutraute. „Schau‘ nicht so belämmert, begabter Jüngling. Du bist hier bei mir genau richtig.“

Link streifte sich einige Schneekristalle von der Hose und versuchte sich zu erklären. „Undora, bei den Göttinnen, ich bin froh, dass ich Euch finden konnte, bitte, ich brauche Eure Hilfe!“

Undora warf einige Blicke auf die Gestalt, die noch immer bewusstlos auf der zum Schlitten umfunktionierten Tischplatte lag. Ariana ruhte still, wie eine der von Götterhand gemeißelten Statuen im Sandgebirge. Edel und wunderschön. Undoras falte Hand legte sich zögerlich auf Arianas schweißnasse Stirn und zuckte im selben Moment zurück, als erschrak die seltsame Hexe an einem entsetzlichen und wundersamen Gefühl, das Ariana vermittelte.

„Ich verstehe“, sprach die Hexe leise. „Komm‘ mit mir, wir müssen sie sofort ins Warme bringen.“

Link nickte dankbar, band die Peitsche erneut um seine Hüfte, als aber der bedrohlich wirkende Wolfshund seine Zähne fletschte und ein gellendes Heulen ausstieß. Da war eine kommunizierende Kraft in diesem merkwürdigen Tier, die Link sofort verstehen konnte. „Du willst mir helfen, richtig…“, meinte der blonde Bursche leise und klopfte dem kräftigen Tier über den Rücken. „Will hatte schon Angst, dass du gar nicht mehr zurückkommst…“, setzte der Ritterschüler hinzu. „Aber es ist doch etwas sonderbar, wie du den Weg zu Undora finden konntest.“ Und damit band Link dem heulenden Vierbeiner die Peitsche um, der sogleich in einem hastenden Tempo über den Schnee donnerte und Undora und Link hinter sich ließ. Schnurstracks führte er Ariana zu Undoras alter Steinhütte, eine in das Sandgebirge gemeißelte Unterkunft, die mit vielen Fenstern wie Augen dem Fels Leben einhauchte. Auch Link nahm die Beine unter die Arme, erreichte mit Undora das seltsame Anwesen in Sand, Schnee und Eis und wusste, dass es eine Fügung seiner Schutzgöttin Farore sein musste, die ihm half in jener Sekunde das Richtige zu tun. Er hatte vielleicht nicht als der vergessene Held Hyrules, sondern als hilfsbereiter Ritterschüler seine Pflicht getan…
 

Der Innenraum von Undoras seltsam anmutendem in eine hohe schiefrige Felswand gehauenem Anwesen, das mit Eiskristallen wie Puderzucker tapeziert war, schien noch geheimnisvoller und bewundernswerter als von außen ersichtlich. Die wenigen runden und ovalen Glasscheiben, die mit einer anmutigen Präzisionsarbeit in das Felsengestein eingearbeitet waren, ermöglichten feinen Lichtstrahlen auf eine verspielte Weise nach innen zu dringen, mit der sonderbar warmen Wirkung der grauen und sandgelben Farben des Gesteins zu spielen. Und obgleich Undoras Behausung sehr hoch war und mehrere verwinkelte, steinerne Treppen von lediglich einem Raum in die Höhe führten, so war der Innenraum an sich nicht besonders breit oder lang. Auf mehreren Stockwerken hatte Undora hier am Rande der Zivilisation ein kleines magisches Reich erschaffen, wo seltsame Pflanzen Blumentöpfe sprengten und Insekten und kleine Tiere wie Vögel, Mäuse, Eichhörnchen, ja sogar verlorene Feen hausten. Und überall in diesem Hexenhaus roch es süßlich nach zerschmolzenem Zucker, und Unmengen von Gerümpel wie zerflederte Bücher, Glasflaschen, Kleidungsstücke, und kleinere Möbelstücke lagen herum.

Eiligst legten Link und Undora den bewusstlosen Körper von Ariana Blacksmith auf das steinerne Bett, das mit Dutzenden weichen Tierfellen besteckt einladend wirkte. Nervös hockte Link auf den Knien neben der Hexe, die hektisch die Stirn und beide Handgelenke der schwarzhaarigen Schönheit abtastete. „Beim Kuckuck, das gefällt mir ganz und gar nicht!“, raunte die Hexe aufgeregt, stolperte mit ihrem runden und schweren Körperbau über jede Menge Unrat, hastete an das Bett heran und hüpfte vom Kamin, wo Wulf es sich bequem machte, zu einer Wendeltreppe in eines der höheren Stockwerke. Link hörte sie energisch schimpfen, lauschte der Unruhe, die die Hexe mit ihrer eigenen Magie erzeugte. Und diese Unruhe half weder ihm noch seiner Freundin.

Zögerlich nahm Link die rechte Hand der ohnmächtigen Schmiedtochter in seine beiden Hände, spürte die Leblosigkeit und Schwäche in ihrem Körper und blickte in das bleiche Gesicht, wo kaum mehr Leben atmete. Er sprach ihren Namen eindringlich und streichelte das kaltnasse Haar aus ihrem Gesicht, als Undora mit einem riesigen Mörser gefüllt mit einer schwarzen, ascheartigen Substanz an seine Seite hastete, ihn zur Seite stieß und anpflaumte: „Wir haben keine Zeit, du musst mir sofort unter die Arme greifen!“ Selbst Undoras Aussehen bestürzte ihn. Die gewöhnlich verdreckte, mit schwarzen Federn ausstaffierte Hexe hatte augenblicklich Gesichtszüge wie ein junger Elf und grünes, glimmendes Haar verdrängte mit einem plötzlichen Zauberschub das graue, dürre, das mit Vogelmist bekleckert war. „Hol‘ mir den Korb neben dem Ofen, sofort!“, pfefferte sie umher, zürnte, bis Link vor Bestürzung davon hastete. Erst jetzt schien der junge Bursche in vollem Ausmaß zu begreifen, wie ernst die Lage war. Wenn selbst die immer gut gelaunte, gelassene Undora so wetterte, dann musste sich Ariana in einem schlimmeren Zustand befinden als Link befürchtete…

Während die alte Hexe mit Mörser und Stößel die aschefarbene Substanz an Arianas Seite zerstampfte und eine dicke, laubgrüne Flüssigkeit unter das Pulver hob, betrachtete sich Link einen langen geflochtenen Strohkorb, auf dem ein maßgeschneiderter Deckel saß. Als Link das Gefäß in die Höhe hob, wackelte es und ein abartiges Zischen drang daraus hervor, wie die warnenden Geräusche einer Schlange.

„Jetzt glotz‘ nicht so belämmert, Held, du wirst schon sehen, was in dem Korb ist“, pfefferte Undora wie ein Sturmgewitter durch den Raum. „Bring‘ ihn mir endlich her!“ Schleunigst brachte der nervöse Bursche den Korb an Undoras Seite und verlor sich mit einer auffressenden Unruhe, die ihn heimsuchte. Irgendetwas an Ariana und ihrem bedrohlichen Zustand ließ ihn beinahe seine eigene Schwäche vergessen. Er tropfte und realisierte erst in dem Augenblick, wie durchgeweicht seine Kleidung von dem Schneegestöber war. Hilflos beobachtete er Undoras merkwürdige Handlungen. Die alte Hexe strich ihre langen Trommelärmel zurück, ihre plötzlich nicht mehr faltigen Hände mit langen Fingernägeln wie Klauen bereiteten sich vor zu arbeiten. Bestürzt sah der junge Held zu, wie Undora begann Arianas weinrote Tunika aufzuknöpfen, und nicht nur dies. Rasch zerschnitt die Hexe das weiße Hemd, das Ariana unter ihrer Leinentunika trug, sodass ihre wohlgeformte Brust sichtbar wurde. Links Gesicht wurde augenblicklich so rot wie Feuer, hatte er abgesehen von den Erfahrungen in einem Traum noch nie die Brust eines Mädchens gesehen…

Er stammelte: „Was tut Ihr hier?“ Und ein Teil in ihm konnte und wollte nicht wegblicken, so sehr er sich auch um seine Manieren bemühte. Arianas Körper war wunderschön… ihre Haut so weiß, glatt und rein wie Porzellan.

Erneut giftete Undora mit einer rasenden Stimme durch die Behausung: „Das braucht dich nicht zu interessieren! Hilf‘ mir lieber sie zu entkleiden, wir müssen sie mit der Asche des Bernsteinrabens einreiben, sonst stirbt sie uns weg! Und wenn sie stirbt, Bursche, dann ist für dich alles aus! Alles, was für dich noch Glück bedeutet, ist an sie gebunden.“

Sprachlos musterte Link Undoras farbwechselndes, hypnotisierendes Augenpaar, sah eine unheimliche Gewissheit darin.

„Hast du mich verstanden, Link!“, schimpfte Undora noch lauter. Energisch packte sie den Ritterschüler an seinem Kinn und zog sein Gesichtsfeld in ihren Aufmerksamkeitsfokus. „Ich glaube nicht, dass sie es gutheißen würde, wenn sie wüsste, wie du sie anstarrst!“

„Entschuldigung…“, stotterte er und bedeckte sein fiebrig rotes Gesicht mit beiden Händen.

„Du wirst schon noch Gelegenheit haben sie so anzustarren, aber erst, wenn sie wieder gesund ist!“ Und damit zerrte Undora den restlichen weißen und weinroten Stoff von dem anmutigen Oberkörper der bewusstlosen Schönheit. Arianas ruhende Form wirkte so zerbrechlich wie weiße und schwarze Blütenblätter. Ihre brennenden Schweißperlen liefen über ihre Kinnpartie bis hinab zu ihrer Brust wie zarte Regentropfen. Undeutliche Worte vor sich hin brummelnd drückte Undora den riesigen Mörser in Links Hände und tauchte ihre eigenen, faltigen in die cremige, dickliche Substanz und ließ jene wie flüssiges Metall Arianas Körper umspielen. Sorgsam bedeckte Undora den gesamten entblößten Oberkörper des Mädchens, das selbst durch die Handlung nicht aus ihrer Ohnmacht fand.

„Warum… ich meine… was hat es mit dieser Substanz auf sich?“, murmelte Link leise und beobachtete wie Undora in einer geschmeidigen und zärtlichen Weise die Asche des Bernsteinrabens auf Arianas Haut verteilte und einmassierte. Undora musste nichts weiter erklären, musste nicht einmal ihre Lippen bewegen, als Link den Prozess allmählich verstand. Die kostbare, schimmernde Asche begann Arianas weiße Haut zu umspielen als wäre jene flüssig wie geschmolzenes Metall. Träge bewegte sich die Aschecreme über den bewusstlosen Körper, wanderte über Arianas Hals, zu ihrer Brust bis hin zu ihrem Bauch mit einer übernatürlichen, und doch sinnlichen Lebendigkeit. Und als die magische Flüssigkeit, erschaffen aus der Asche des Bernsteinrabens, den glatten Bauch der jungen Schönheit erreichte, wich jene augenblicklich davor zurück, bildete Wellen wie tiefes Wasser, in das man einen Stein warf. In etwa dort, wo Arianas Magen saß, wich die Substanz zurück, zischte, als berührte sie Feuer.

„Da haben wir ja den Übeltäter“, raunte Undora, stellte den riesigen Mörser unsanft zur Seite, sodass dieser energisch klirrte und drückte den raschelnden Strohkorb, aus dem ein unruhiges Zischen drang, in Links von Schwielen überdeckten Hände. „Halt‘ ihn gut fest.“ Er nickte bloß, als die Hexe den kratzigen Deckel vorsichtig herunter schraubte. Und in dem Augenblick, wo sich der Deckel hob, zischte es deutlicher, fauchte wie eine wilde Katze. „Egal, was geschieht, bleib‘ ruhig!“, belehrte sie, und auch diesmal konnte Link mit erstauntem Blick lediglich nicken. Und gerade in dem Moment, erhob sich säulenartig ein glimmender, weißlicher Rauch aus dem Behälter, brannte in den Augen, schlängelte sich fest um Undoras Handgelenk bis hinab zu ihrem Ellenbogen wie ein Kriechtier, pulsierte, knisterte. Und mit ihrer Hand packte sie den augenlosen Kopf der magischen Kreatur, quetschte diesen beinahe. Mit ihrer anderen Hand packte sie Ariana an ihrem zarten Kinn und öffnete so ihren trockenen Mund, aus dem ein quälendes Keuchen drang.

„Ihr wollt doch nicht etwa…?“, stotterte Link und erhielt noch im selben Augenblick einen warnenden Blick aus Undoras Seelenspiegeln, tief in ihnen glomm ein rubinroter Funke der Warnung. Und nur Sekundenbruchteile später schlüpfte der knisternde Rauch in Arianas Mund, arbeitete sich durch ihre Kehle hinab zu ihrem Magen. Mit geweiteten Augen beobachtete Link den Prozess und spürte sein Herz stolpern. Immer weiter schlüpfte das magische Wesen in Arianas Leib, als ihr Körper begann zu vibrieren und schließlich unkontrollierbar zu zucken. Mit einem Schlag riss die junge Schönheit ihre blutunterlaufenen Augen auf, umfasste Undoras Arme bettelnd und begann sich hektisch zu bewegen. Sie kämpfte gegen den Prozess, kämpfte gegen eine bestialische und schmerzvolle Heilung. Tränen rannen ihre Wangen hinab, als die quarzweiße Schlange in ihrem Inneren werkelte. Sie wurde immer panischer, wurde von Undora gewaltvoll niedergedrückt und sah bettelnd in Links sturmblaue Augen.

„Hört auf damit, Undora, Ihr tut ihr weh!“, sprach Link bestimmend und umfasste ebenfalls Undoras Arme energisch. „Seht ihr nicht!“

„Willst du, dass sie gesund wird oder willst du sie gleich hinter meinem Haus begraben?“, fauchte die Hexe und stieß den ohnehin schwächlichen Helden mit einer heftigen Bewegung zur Seite. Fassungslos hockte der Ritterschüler auf dem eiskalten Steinboden und beobachtete wie Undoras Teufelsinstrument in Arianas Bauch auf Wanderschaft ging. Das hübsche Mädchen mit den bernsteinfarbenen Augen keuchte, schrie gegen den zermürbenden Prozess und bewegte sich fortwährend, saugte mit knackenden Tönen Luft durch die Nase und sackte schließlich zusammen, als gab sie den Kampf gegen Undoras fragwürdiger Heilkunst auf.

„Nein! Hört endlich auf damit!“, brüllte Link ein weiteres Mal. Gerade da sprang Wulf mit einem Satz auf das steinerne Bett, heulte eine erschreckende Arie durch das mehrstöckige Anwesen und starrte den verzweifelten Helden bedrohlich nieder. Irritiert wich Link zurück, wollte sowohl Undora, als auch dem mysteriösen Wolfshund der Laundrys vertrauen, aber es fiel ihm verdammt schwer. Arianas leidvolles Stöhnen, ihre bettelnden Bewegungen, schlitzten in seiner Brust…

„Gleich ist es geschehen… “, rief Undora, ihre Stimme hallte von Entzückung zu Wahnsinn, von Freude zu Erstaunen. Und mit einem rupfendem Knacken zerrte sie die Bestie aus weißem Rauch, die sich quälend und zischend erneut um das Handgelenk der Hexe schlängelte, aus Arianas Leib, und mit der weißlich schillernden Kreatur riss sie einen blutigen, rubinrot schillernden Stein aus ihrer Körpermitte und hielt jenen gefangen in dem Maul der Rauchquarzschlange.

„Was ist das?“, und auch Link begutachtete das glimmende Objekt, das fest von den vibrierenden Zähnen der quarzweißen Schlange umschlossen wurde.

„Beim gebratenen Storch!“, zürnte Undora, wirbelte mit der Schlange und im Maul dieser den pulsierenden Stein festumklammernd zu dem Kamin, während ihre Seelenspiegel beinahe zärtlich die Farbe wechselten und giftgrün glühten. „So etwas habe ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Ein wirklich bestialisches Artefakt!“

Vorsichtig ließ sich der junge Heroe an Arianas Seite nieder, streichelte mit den Handballen über ihre Stirn, spürte kühle und allmähliche Gesundung in den Körper des Mädchens zurückkehren. Arianas schweißnasses Gesicht nahm einen schwachrosa Teint an, ihre Atmung glich dem sanften Plätschern des Lebens. Sie heilte… Link spürte, dass sie heilte. „Den Göttinnen sei Dank…“, murmelte der junge Held schwach, lächelte wunscherfüllt… lächelte ohne zu wissen, dass er lächelte.

Ein raunendes Zischen schreckte den jungen Heroen aus seinen Gedanken. Er blinzelte und sah Undora die Rauchquarzschlange zurück in den Korb stecken, als ein unnatürliches schwarzloderndes Feuer im Kamin in die Höhe schoss, mit einem Ruf durch das Gebäude röhrte als kämpften zehn Bären in den Flammen und mit dem gigantischem Dröhnen knallte eine gleißende Energie durch den Raum, ließ die Gegenstände wackeln und endete mit einem schrillen Pfeifen.

Sorgsam deckte Link Ariana mit einem der Tierfelle zu und trat hinüber zu Undora, die mit einem langen Stock in den glühenden Kohlen herumstocherte. Sie suchte nach dem Objekt, das Ariana leiden ließ und fand den bösartigen Stein schließlich. Es rauchte und stank bestialisch nach verwesendem Fleisch, knisterte und blubberte. „Es ist ein Giftkern, Link“, erklärte die alte Hexe und gerade in dem Augenblick verschwand ihr junges Äußeres. Störrische Falten durchzogen ihr Gesicht, gekräuseltes, graues Haar bedeckte ihr Haupt und der Geruch von Vogelmist haftete an ihr.

„Ein Giftkern?“, sprach Link irritiert.

„Dein Gespür sie zu mir zu bringen hat nicht gelogen“, sprach die Hexe. „Du hättest ihr nicht helfen können… sie wurde vergiftet. Hättest du sie nicht hierher gebracht, hätte sie die Nacht nicht überlebt.“

Fassungslos sprach Link stockend. „Wer sollte Ariana vergiften wollen und warum?“

„Pst, pst! Sieh‘ hin!“, sprach Undora energisch und deutete auf den zerschmelzenden Giftstein. „Du musst es erfahren!“ Tatsächlich floss in dem Augenblick aus dem verkohlten, schimmernden Stein, der vorher von Arianas Blut bedeckt war, eine rubinrote Flüssigkeit, die sich im Feuer räkelte, die sich bewegte wie ein sterbendes ungeborenes Leben.

„Das ist ja widerwertig…“, murmelte Link angeekelt, sah wie das letzte Glühen der Kohlen die fleischliche Substanz einnahm, und sah mit Erleichterung wie sie sich auflöste.

„Ich sagte doch, es ist ein bestialisches Artefakt, ein magisches Kunstwerk, hergestellt von einer schier mächtigen Kraft“, erklärte die Hexe und stützte sich auf ihren grünen Greisenstock. „Das Mädchen muss dieses Ding schon zwei oder drei Tage in ihrem Körper haben. Normalerweise ist jeder, der so einen Kern verspeist binnen weniger Stunden tot… ein Wunder, dass sie das überlebt hat. Sie muss unheimlich stark sein…“ Undora schüttelt aussagekräftig den warzenübersäten Kopf.

Ja, dachte ein wissender Teil in Links alter Seele… Ariana war stark und sie musste es sein, denn dies war die einzige Rettung für viele. „Es hatte also nichts mit meinem Fluch zu tun?“, sprach der Ritterschüler leise und sah noch einmal nach der schlafenden Schönheit mit dem rabenschwarzen Haar.

„Nein, ganz und gar nicht… andererseits, wer weiß schon?“, entgegnete Undora und legte eine ihrer faltigen, dürren Hände auf Arianas Brustkorb. „Sie ist nun außer Gefahr, ihr Leben soll blühen.“

Der junge Held gähnte und streckte sich schließlich. Nun, da Ariana über dem Berg war, spürte er eine marternde Erschöpfung über seinen Körper hereinbrechen.

„Und auch du solltest etwas ruhen, vergessener Held der Zeit“, meinte Undora. Sie deutete auf einen warmen Schlafplatz neben dem Kamin, einige Tierfelle waren dort übereinander geschichtet. Schnaufend ließ er sich dort nieder, fühlte sich wie betäubt und verstand erst jetzt allmählich, was die letzten Stunden geschehen war. Er hatte aus einem Gefühl heraus Ariana zu ihrer einzig möglichen Rettung gebracht… und stand nun vor neuen Rätseln. Ariana, die taffe Schmiedtochter, die ihm so ans Herz gewachsen war, wurde vergiftet… und nicht nur von einem gewöhnlichen Gift wie es die üblichen Gift- und Heiltränkebrauer herstellten, nein, eine fremdartige, überaus mächtige Energie steckte dahinter einen solchen Giftstein zu erschaffen. Und welcher Gedanke lag da näher als der, dass irgendjemand wusste, wie wichtig Ariana mittlerweile für ihn war. Vielleicht ging es nicht um Ariana per se, vielleicht wurde sie nur vergiftet, um dem Helden der Zeit zu schaden…

Link hockte sich trübsinnig zusammen und beobachtete das bisschen Dunst der verbliebenen, glühenden Kohlen emporsteigen. Es war angenehm warm und sicher hier, aber wie wohl würden die nächsten Monate für ihn verlaufen. Er hatte durch die neuen Bekanntschaften und sein neues Leben als Ritterschüler beinahe vergessen, dass er der Held der Zeit war und vergessen, dass andere durch seine Anwesenheit zu Schaden kommen könnten. Wie nur sollte dem jungen Heroen die Reichweite der Ereignisse, die sein Schicksal formten, noch klar werden?

„Ich sehe, du zweifelst“, sprach Undora und auch sie sank vor dem Kamin nieder, verlor sich mit Blicken aus ihren weisen, alten Augen in dem letzten Atemzug, den das Feuer nahm, während im Hintergrund die wenigen Tiere in ihrem Heim summten.

„Ich bringe Ariana in Gefahr, Undora…“, seufzte Link. „Sie sollte nicht so lange in meiner Nähe sein.“

Aber entgegen einem strengen Blick, den Link erwartet hatte, sendete Undora ihm ein erhabenes Lächeln der Zuversicht. „Deine Nähe ist ihre Heilung und ihr Sinn. Bedenke, dass du sie wohl dann am besten beschützen kannst, wenn sie bei dir ist.“

Link stutzte. „Ihr irrt Euch…“

„Ganz und gar nicht“, sprach die Hexe mit ihrer kratzigen Stimme. „Wenn sie nicht bei dir gewesen wäre, wo du deine Pflicht tust und das richtige ersinnst für die Rettung anderer, hätte sie keinen weiteren Tag auf dieser Welt genießen können.“

Das so verbitterte Gefühl in Links Augen schwand mit einer wärmenden Wonne, die aus Undoras Worten geboren wurde. Er kannte diese Wärme, rein, heilsam. Ein sonniges Gefühl berührte ihn… etwas, das er in seinen schlimmsten Stunden so sehnsuchtsvoll erinnerte, sich daran labte wie ein hungerndes Tier an einem kristallklaren Bach… Träume hatten ihn zu einem Wesen wie Ariana geführt… einst, so unvergänglich und transzendent, pochte Erinnerung in ihm. Ja, alles an Ariana erinnerte ihn an jemanden, an eine Aura, die er so oft in seinen Träumen gespürt hatte. Wie oft erklang es in seinen Träumen als sprach jemand mit ihm… wie oft zeigte sich alles, was er brauchte in seinen Träumen in Gestalt von Symbolen und bedeutungsschwangeren Bildern, die er kaum verstehen wollte. Und irgendetwas flüsterte in ihm… flüsterte: ,Realisiere, was sie für dich ist. Du brauchst sie… wie deinen Lebenssaft.‘
 

„Woher wusstet Ihr dass ich zur rechten Zeit in der Lage sein würde die Karte zu aktivieren? Woher wusstet Ihr, dass Ariana zu mir kommen würde“, sprach Link leise, sein Blick glitt erneut hinüber zu der ruhenden Schmiedtochter.

„Ich wusste es nicht, Link. Das, was geschehen ist, ist geschehen, musste so geschehen und nicht anders. Das, was geschah, wusste niemand vorher“, meinte Undora und auch sie erhaschte einen Blick zu der schlafenden Schönheit. Die alte Hexe grinste dann, klatschte in die Hände und bedankte sich bei ihrem Schutzgott, dem Heiligen Storch, für die Kraft der Magie, die sie diese Nacht nutzen durfte. „Du musst dich die nächsten Tage um sie kümmern. Wehe, du schickst sie fort, dann schicke ich dir die graue Hexe vorbei!“

„Keine Sorge!“ Link kniff schuldbewusst die Augen zusammen und wedelte mit den Händen. „Das würde ich niemals…“ So schlimm fand er Arianas Anwesenheit auch wieder nicht, zumindest nicht so schlimm, dass er den Besuch der grauen Hexe, dieser ohrfeigenverteilenden Gewitterziege, ertragen wollte.

„Apropos graue Hexe… was wisst Ihr über sie?“

Undora schnaufte und stützte sich mit zusammengepressten Lippen auf ihren giftgrünen Gehstock. „Es gab einst fünf von ihnen… fünf legendäre Hexen… eine rote, eine blaue, eine grüne, eine graue und eine schwarze“, begann sie und erwartete, dass Link ihren Worten aufmerksam lauschte.

„Du kanntest zwei Schülerinnen der roten Hexe… Kotake und Koume…“, fuhr sie fort.

Link erstaunte und wollte gerade das Wort erheben, als Undora einen Zeigefinger auf ihre Lippen legte und um sein Schweigen bat. „Hör‘ mir gut zu!“, sagte sie. „Die rote Hexe begann Verrat… verflucht soll ihr Name sein, den ich nicht ausspreche.“

„Undora, warum habt Ihr mir davon nicht eher etwas berichtet?“

„Guter Jüngling… es gibt leider so viele Dinge, die du nicht weißt.“

„Das ist wohl wahr“, meinte er trocken und blickte erbost in Richtung der glühenden Kohlen. „Diese graue Hexe…“

„… ist eine meines Zirkels“, setzte Undora fort. „Und sie ist eine der großartigsten Hexen dieses Zeitalters gewesen. Sie verschwand vor einigen Jahren, verlor sie doch ihre Familie in dem Krieg. Es war für mich ein Herzenslächeln sie lebend anzutreffen. Das hätte mir nicht einmal der große Storch verraten können.“ Und Undora lachte wie ein kleines Kind.

„Und Ihr seid die grüne Hexe, was?“, meinte Link und ballte beide Fäuste.

„So ist es, meine Affinität ist die Heilung, das Leben und alles, was blüht.“

Link grinste gehässig, fühlte einen alten Ärger hochkochen, realisierend, dass er auch jetzt wieder derjenige war, der die Dinge lieber zu spät erfuhr, der nicht eingebunden wurde, der veralbert wurde. Er biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. „Und die Affinität der grauen Hexe ist Ohrfeigen austeilen, was?“, murrte er. Aber selbst durch seine Provokation war Undora nicht aus der Ruhe zu bringen, ihr leuchtendes, lebendiges Gemüt schien sich von nichts erschüttern zu lassen.

„Nein, begabter Jüngling“, sprach sie sanft. „Die Neigungen der grauen Hexe umfassen Licht und Zeit…“ Und erneut lächelte die alte Dame und ihr Lächeln ließ die Pflanzen in ihrem eigentümlichen Haus rascheln und Blühten sprießen. „Und jetzt, finde deinen Schlaf, ich muss jemanden konsultieren… vor Morgengrauen werde ich wieder hier sein.“ Und damit hüpfte Undora zu ihrer Eingangstür, und war hastig aus dem Gebäude verschwunden. Sie musste Links Groll gespürt haben, ließ sich davon jedoch nicht anstecken. Und sie sah nicht das trübsinnige Kopfschütteln des Jungen, der dem beschützenden Wolfshund Wulf über den Kopf streichelte. Und sie sah auch nicht den verwirrenden Kummer in seinen gläsernen, und doch so schönen sturmblauen Augen…

„Dein Fluch ist die Amnesie.“

Als Ariana sich aus krankhaften Schatten erhob, ihre schweren Augenlider unregelmäßig zuckten, wusste sie, dass sie von bilderleeren Dingen geträumt hatte… Bilderleer nannte sie ihre Träume, die sie seit Wochen begleiteten. Ohne Verstand. Ohne Gefühl und ohne Gestalt. Und als sie ihre bernsteinfarbenen Augen öffnete, eine eigensinnige Kälte in sich spürte und ein süßlicher Geruch ihre spitze Nase umschmeichelte, wusste ein Teil in ihr, dass sie hier an diesem Ort nicht ohne Grund war. Ein uriges Hexenhäuschen gab sich vor ihren Sinnen preis, und ihre Neugier erkundete verlockend die fremdartige und doch gemütliche Umgebung. Wände aus frostigem Gestein. Karamell, das die Luft färbte. Und tickende, piepsige Geräusche kleineren Getiers summten in ihrem Ohren.

Sie nahm die Nacktheit ihres Körpers wahr und doch beunruhigte sie diese nicht, denn alles, was sie spürte, war diese ehrliche Neugier und ein Gefühl, als hätte sie jemand aus einem Alptraum gerettet. Sie fühlte sich befreit, auf eine widersinnige Weise erlöst. Ihr gesamter nackter Körper vibrierte vor Wohlgefallen und erweckender Aufregung, sodass sie sich selbst umarmte und immer inniger berührte. Sie streichelte über ihre kühle, leicht zitternde Haut ihrer Arme und hatte den Eindruck noch nie etwas Wundersameres gespürt zu haben. Diese unbezweifelbare und scheinbar gottgegebene, wohl aber kreative Symbiose aus Energie und Materie beeindruckte sie immer mehr… und diese irrsinnige Fähigkeit der Seele den Körper zu spüren…
 

Sie blinzelte mehrfach und spürte erst jetzt die Anwesenheit eines stolzen Getiers, welches an dem Bettende wachte und in einer entspannten katzenartigen Haltung die ruhende Schönheit mit gelben Augen, die wie gleißendes Licht funkelten, musterte. Es war Wulf, der Wolfshund von William Laundry, der sie anstarrte, als wüsste er alles über sie. Er verhielt sich völlig ruhig, wärmte ihre Füße und ließ sich selbst durch Arianas Bewegungen nicht aufschrecken, bis er seine katzengelben Augen wieder schloss und die Schmiedtochter wusste, dass er sich nicht weiter rühren würde.

Sie erhob sich träge, schlang eine leicht kratzige Wolldecke um ihren nackten Körper und wurde von einer stummen kleinen Fee begrüßt, die klirrend um ihre spitze Nase tanzte. Ihr zuckersüßes Antlitz, bestehend aus bronzefarbener Haut, dunklen Locken bis in ihre Fußsohlen und ein Kleidchen wie flüssiges Karamell, trug zu einem Lächeln bei, das Ariana auf ihren erschöpften Gesichtszügen spürte. Die rebellische Schmiedtochter hatte schon immer eine Neigung zu dem Feenvolk, wenngleich sie leider noch nie die Geburt von Feen beobachten konnte. Das kleine Geschöpf deutete auf ihren kurzen Halsbereich und Ariana verstand ohne Weiteres. Die kleine Fee war stumm, konnte kaum wie anderer ihrer Artgenossen liebliche Klänge erschaffen. Vorsichtig berührte die junge Schmiedtochter den winzigen Hals der Fee mit der Fingerspitze ihres rechten Zeigefingers und lächelte erhaben.

„Das ist traurig… eine Fee sollte singen können…“, sprach sie mild, worauf das magische Geschöpf eine kleine Träne über die Wange perlen ließ. Und die kleine, liebliche Fee deutete mit einem herzlichen Grinsen zu einem Platz neben dem Kaminloch, wo alte Glut schmorrte. Verwundert entdeckte die schwarzhaarige Schönheit den vergessenen Helden Hyrules zusammengekauert neben dem Ofen ruhen und erst da kamen ihre Erinnerungen wieder. Sie erinnerte sich, dass sie aus absurden Gründen nach ihm gesucht hatte, dass ihr gesamtes Wesen bei dem Gedanken an ihn erfüllt war von Sicherheit. Und sie wusste wieder, dass sie in einer gesundheitlichen Bedrängnis war…
 

Ariana lächelte der Fee einmal mehr entgegen und nickte lieblich, worauf die Fee in die Höhe tanzte und sich in einem Nest versteckte. Ihre Aufmerksamkeit widmete sich erneut dem jungen, ruhenden Helden der Zeit, der so unschuldig auf mehreren Fellen kauerte. Barfuß trat Ariana zu ihm hinüber, spürte den kalten Steinboden unter ihren weichen Fußsohlen und schlang die Decke etwas enger um ihre schlanke, leicht zitternde Gestalt. Als sie sich bewegte, fielen ihre in Schweiß getränkten pechschwarzen Strähnen hinab und streichelten ihren nackten Rücken. Sie wusste um ihre Attraktivität, wenngleich sie sich nicht sehr fiel daraus machte. Es gab mehr als eine Situation, in welcher sich das männliche Geschlecht ihrer bedrängt hatte, aber selbst dann hatte sie mit Bravur ihrem Raufboldcharme nachgegeben. Sie kniete vorsichtig nieder, war verzaubert von dem stillen Licht des Guten, das den einsamen Ritterschüler Link umgab. Sie wusste irgendwo in einem warnenden Splitter ihrer Persönlichkeit, warum sie den Helden suchte und warum er ihr… egal, was auch immer kommen mochte, am Herzen liegen würde.

Sein Gesicht war blass, eine der frischen Narben des Kampfes am Destiniatempel war im schwachen Licht der Glut gut sichtbar. Ganz zaghaft berührte sie jene Stelle an seiner Wange. Sein goldenes Haar war ein wenig zu lang mittlerweile… nur mühsam hielt der unsaubere Zopf, den er sich gebunden hatte, die langen Strähnen zusammen. ,Sie würde ihm die Haare in den nächsten Tagen schneiden‘, entschied sie mit einem Grinsen.
 

„Der Storch hat nicht zu viel versprochen wie mir scheint“, raunte es mit mürrischer Stimme direkt hinter Arianas Rücken. Sie erschrak und musterte mit großen bernsteinfarbenen Augen eine dickliche Dame über die Schwelle der Eingangstür huschen. Sie war mit Schnee bedeckt, ein ranziger, grauer Mantel über ihrer runden Figur war an einigen Stellen gefroren. Aber in den Gesichtszügen der Hexe waren ihre Wangen rotgekühlt, leuchteten wie Tomaten. Sie schlug die quietschende Tür unsanft zu, sodass der neben dem Kamin schlafende Link einen kurzen Seufzer von sich gab, sich umdrehte und weiter schlief. Auch der mausgraue Wolfshund ließ sich nicht von Undoras Anwesenheit beeindrucken, erhob sich kurz und kuschelte sich erneut in das Bärenfell auf dem Steinbett.

„Du bist bei bester Gesundheit, Mädchen?“ Die Frage klang eher nach einer belanglosen Feststellung. Ariana nickte fahl, warf noch einen Blick zu dem schlafenden Link und trat vorsichtig in Undoras Richtung. Sie musterten sich beide mit verstecktem Ehrgeiz und tiefem Wissen, musterten sich interessiert, wo sie beide Magie in dem anderen spüren konnten. „Da ist eine Magie, die kämpft und beschützt, heiligt und schändet, liebt und hasst. Eine Magie wie eine kristallene Oberfläche… wie spiegelndes Eis… und doch so rot wie ein sich erhebender glutroter Sonnenaufgang“, murmelte Undora und stapfte mit ihrem gewichtigen Äußeren näher. Sie schnupperte an Arianas pechschwarzem Haar, schnupperte mit einer feinen Nase, wo sie doch nach Vogelmist und verfaulten Kräutern stank. „In dir wohnt die Magie wie ein Fass, das beinahe überquillt. Du weißt dies, Mädchen, nicht wahr?“

Arianas Augen verengten sich zu Schlitzen und ihr Lächeln wurde schelmisch. „Das könnte man wohl vor einer der legendären Hexen nicht verstecken“, sprach sie spitz. Ihre sonst so klare Stimme klang krächzend, als habe sie seit Wochen ihre Kehle nicht mehr befeuchtet.

„Wahrlich nicht.“ Undora lachte leise und deutete auf einen Krug, der mit frischem Wasser gefüllt war und setzte hinzu: „Du kannst dir sicherlich selbst einschenken.“ Ariana rümpfte die Nase und murrte unverständliche, aber streitsüchtige Worte vor sich hin. „Das habe ich durchaus wahrgenommen, junges Fräulein. Wenn du glaubst, dass du hier bedient wirst, kannst du gerne in deinem nackten Zustand dieses Heim verlassen.“

Die junge Schönheit verdrehte die Augen, atmete tief ein, nahm sich eine Tontasse, füllte diese mit ihren zitternden, weißen Händen und trank das kristallklare Gut so schnell, dass sie sich beinahe verschluckte. ,Als ob sie es nötig hatte sich von einer uralten Hexe bedienen zu lassen‘, dachte sie. Sie war kein eitles Prinzeschen, das andere herum kommandieren mussten. Mit einer weiteren gefüllten Tasse wand sich das sechzehnjährige Mädchen in Undoras Richtung, die gerade ihren Mantel ablegte und sich streckte. Es war wie, als schüttelte sich ein mit grauen Federn ausstaffierter, unechter Vogel, denn die mit Federn benähte Schürze an Undoras fettem Leib erzeugte ein beinahe tierisches Antlitz. Und überall an jener Schürze hing Dreck und Vogelmist.

„Mich wundert womöglich kaum, dass du nicht sofort fragst, was hier geschehen ist“, sprach Undora sachlicher.

„Mich wundert ebenfalls nicht, dass du über mich Bescheid weißt, Undora“, erwiderte Ariana stur.

„Oh, ich weiß bei Weitem nicht alles und vielleicht noch weniger als ich hoffe“, entgegnete sie. „Ich spüre nur eine starke Magie, die sich hinter deinem Erscheinungsbild verbirgt, was nicht heißt, dass mir diese Magie klar ist.“

Seufzend nahm die jugendliche Schönheit wieder Platz und trank gierig von der Tasse. In ihrem Mund lag ein schwefliger Geschmack, es fühlte sich beinahe an, als war ihre Kehle wund und aufgerieben.

„Und ich frage mich, ob dir selbst deine Magie überhaupt klar ist.“
 

Arianas bernsteinfarbene Augen funkelten mit tiefen Geheimnissen, die sie keiner Menschenseele preisgeben würde. Auf eine beinahe erschreckende Weise sprachen ihre Augen von Macht und Reichtum, mehr als Undora es erahnen konnte.

„Du hast diese Momente, wo du ganz genau weißt, wer du bist, habe ich Recht?“

Arianas Blick wurde bärbeißig. Mittlerweile fühlte sie sich hier bei dieser legendären Hexe wie auf einer Anklagebank. Ja, sie wusste durchaus, dass sie Momente hatte, in denen ihr das Leben, welches sie in Hyrule führte, mehr als seltsam vorkam. Das Zuhause, das sie bei ihrem Vater Lynel Blacksmith fand. Ihre Identität als Schülerin einer Benimmakademie. Und ihr zänkisches Gemüt und schließlich eine eigenartige Anziehungskraft, die sie ausgehend von Link spürte, einem Jungen, mit dem sie kaum etwas verband und den sie nicht kennen konnte.

„Der Junge hat seinen Hals riskiert um dich hierher zu bringen, du warst in einem sehr miserablen, brenzligen Zustand“, erklärte Undora und streckte sich einmal mehr, sodass ihre uralten Gelenke knackten. „Aber was erzähle ich, du weißt ohnehin, dass du vergiftet wurdest.“

Sie nickte bestimmend, senkte ihr Haupt und legte eine Hand auf ihr Herz, eine edle Geste, die ihr wahres Ich kaum mehr anmutiger erscheinen lassen konnte.

„Obwohl ich durchaus überrascht bin, wie ein Artefakt wie jenes der Roten Hexe in deinem Körper landen konnte. Wirst du mir dies erklären, Mädchen?“

Ariana schüttelte schweigsam den Kopf. Irgendetwas in ihr wollte sich mit diesen Dingen nicht beschäftigen. Gefahren waren überall in Hyrule zu finden und der Keim des Bösen wucherte in jeder Epoche des Lebens. Wozu sollte sie sich damit beschäftigen, wo es nicht ihre Aufgabe war irgendetwas davon zu lösen? Oder war es dies doch? Sie rieb sich über ihre Stirn, spürte den Anflug von Kopfschmerzen bei dem Gedanken, dass etwas in ihr ein abscheuliches Pflichtgefühl verlangte.

„Die Rote Hexe vergiftet nicht ohne Grund ihre Ziele, du musst dir im Klaren sein, dass es nicht bei diesem einen Versuch dir zu schaden bleiben wird.“

Ariana nickte einmal mehr. „Und es wird auch nicht dabei bleiben, dass versucht wird all dem Guten zu schaden. Alles, was in den nächsten Wochen geschieht…“ Und sie krallte sich inniger in die Decke. „… ist eine verfaulende Wurzel, die sich in die Geschichte Hyrules gräbt in der bittersüßen, zerstörerischen Ignoranz das gesamte Gleichgewicht unserer Völker umzukehren.“ Und das schwarzhaarige, anmutige Mädchen kniete nieder, streichelte einmal mehr dem schlafenden Link über das Gesicht. „Und man wird versuchen ihm zu schaden… ihn soweit zu erniedrigen, bis er sich nicht mehr aufrichten kann. Links Seele ist an das Fortbestehen der gesamten Weltenordnung geknüpft und es gibt nur eine Kraft, die versucht ist, dieses Gesetz zu brechen. Es ist das Urböse, Undora.“

„Beim gebratenen Storch“, und die alte, stinkende Hexe hockte sich auf einen mit Leinen bespannten Sessel. „Du langweilst mich, junges Fräulein.“
 

Entsetzt erhob sich Ariana und funkelte der Grünen Hexe mit bleichem Gesicht entgegen. „Das ist kein Scherz, Undora.“

„Natürlich nicht, aber wenn dir Link und Hyrule so wichtig sind, dann verstecke dich nicht länger hinter einem falschem Gesicht“, raunte sie in einer mehr als giftigen Stimme. „Ich habe meine Pflicht getan und dem Burschen geholfen dich zu heilen. Herausfinden, was mit dir geschehen ist und Kenntnisse darüber gewinnen, wer hinter diesem Übel steckt und wie man denjenigen aufhalten kann, entzieht sich meinen Fähigkeiten, das weißt du besser als ich.“

„Du bist die Grüne Hexe, auch du hast Pflichten!“ Arianas hübsches Gesicht verzog sich mit einem hässlichen Gram.

„Aber dein widersinniges Hin und Her nervt mich und es kommt selten vor, dass ich von etwas genervt bin. Entscheide dich endlich, ob du nachforschen und dich konfrontieren willst oder ob du lieber nichts tust!“

Ariana seufzte, aber war gleichzeitig dankbar über Undoras Standpauke, die absolut notwendig war. Es kam nicht oft vor, dass sich jemand mit Ariana auf kommunikativer Ebene messen konnte…

„Was wirst du also tun, Mädchen?“ Undora funkelte mit ihren übersinnlichen, farbwechselnden Augen in die bernsteinfarbenen der Schmiedtochter.

„Ich werde tun, was ich kann…“, antwortete sie. „Restlos alles…“ Und sie sprach von uralten Idealen, von einem unzerstörbaren Ehrgeiz, alles zu tun, was diese Welt ihr abverlangte.

„Das bedeutet, du wirst dem Helden helfen seinen Weg wieder zu finden?“

Ariana nickte.

„Und du wirst beginnen in dich zu lauschen?“

Ein weiteres Mal nickte das schöne Mädchen. „Ja, ich werde beginnen… dem Schicksal nicht länger zu entfliehen.“ Dies war vielleicht das richtige Wort für den Zustand, in dem sie sich seit einer halben Ewigkeit befand. Seit einiger Zeit lief sie vor allem davon, was mit ihren Pflichten zu tun hatte, lief vor Verantwortung weg, sträubte sich sogar vor den Gefühlen, die in ihr wallten. Sie war vor ihrem eigenen Schicksal davon gelaufen, schämte sich für Fehler, die sehr weit zurücklagen, schämte sich bei einem Blick in den Spiegel ihrer schauspielerischen Gestalt.

„Mir scheint, du bist sehr lange vor etwas in dir davon gelaufen, kann das sein?“

„Ja… mehr als es mir klar war. Das Wort ,Schicksal‘ verlangt mir einiges ab… manchmal habe ich angefangen dieses Wort zu verteufeln.“ Das Mädchen blinzelte und versuchte aufkommende Bilder vergangener Fehler zu unterdrücken.

„Schicksal ist ein großes Wort! Aber beim Storch, es ist gut“, rief die Hexe und klatschte in die Hände. „Dann kannst du, sobald der Bursche aufwacht, mit ihm verschwinden.“ Es war deutlich spürbar, dass Undora keine längeren Gastbesuche akzeptierte. Ihre Aufgabe war mit der Heilung der Schmiedtochter beinahe erfüllt.

Das halbnackte Mädchen sank vor dem Kamin nieder, spürte mit den hitzigen Flammen des Feuers ihren Körper erfüllen. Eine hitzige, aber wohltuende Energie breitete sich in ihrem Körper aus, brannte heilsam in jeder Ader, ließ ihren Lebenssaft vibrieren. Und das glimmende Leuchtwerk spiegelte sich auf Arianas Seelenspiegeln, als wollte es Türen in eine ferne Welt öffnen. „Sag‘ mir, sind alle legendären Hexen so eigensinnig wie du, Undora?“ Und die junge Schmiedtochter grinste.

„Du musst dies doch am besten wissen, oder irre ich mich?“, entgegnete die Alte. Ariana lachte verdächtig, aber beließ es darauf zu antworten.
 

Gerade in dem Augenblick richtete sich Link schlaftrunken auf, streckte sich und noch ehe er die Augen wahrhaft geöffnet hatte, gähnte er laut und deutlich. Erst dann rieb er sich die Augen und blickte mit einer langsamen, schweren Mimik in seinen ansehnlichen Gesichtszügen in Undoras Richtung und schließlich voller Verwunderung zu Ariana. Man konnte ihm ansehen, wie seine Erinnerungen mit einem Schlag zurückkehrten und ein leichtes Entsetzen in seine Gesichtszüge trat. Er erhob sich hastig und trat etwas scheu, die Hände in die Hosentaschen steckend vor das Mädchen, das er unter Aufbietung seiner Kräfte hierher geführt hatte und das ihm eine neue Freundin geworden war. Er vermied einen Blick in ihr käseweißes Gesicht, vermied die Auseinandersetzung mit den Gefühlen der Angst, die in seinem Herzen nisteten. Er war dankbar, dass sie erwacht war und letztlich so gesund sein musste, dass sie stehen konnte und mit Undora diskutiert hatte.

„Guten Morgen, Link“, sprach sie sanft und lächelte. Und auch ihre Stimme erschien ihm völlig gesund, so weich und frisch. Er nickte unsicher.

„Naja, so früh am Morgen ist es nicht mehr“, mischte sich Undora ein und marschierte mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen in eines der höheren Stockwerke. Es schien beinahe so, dass die Wendeltreppe nach oben mit Undoras schwerem Gewicht zu wackeln begann.

„Ich…“, begann die Schmiedtochter und strich sich einige zerzauste, schwarze Haare aus dem Gesicht. „Ich… möchte mich bei dir bedanken, dass du dich um mich gekümmert hast.“

Er grinste rotwerdend und kratzte sich am Kopf. „Keine Ursache… ich meine, du hast dich auch schon um mich gekümmert, als es mir schlecht ging.“

„Trotzdem danke…“, murmelte sie leise.

„Dir geht es soweit… äh…gut?“

Sie nickte schwach.

Erst dann, nach diesem holprigen Anfang einer Konversation, begann sich Link wieder zu entspannen. Arianas Auftreten und darüber hinaus noch Undoras neugierige Anwesenheit machten ihn nervös darin, dass zu sagen, was er tatsächlich sagen wollte. Er verstand trotz allem noch nicht so recht, was überhaupt geschehen war und erinnerte sich an das Teufelsgift, das Undora aus Arianas Körper geholt hatte. Etwas zaghaft blickte er in die feinen und schönen Gesichtszüge des sechzehnjährigen Mädchens, sah erneut eine Vertrautheit darin, die ihm das Herz wärmte und die ihn in dem Moment beinahe erschreckte. Arianas gesamtes Wesen, ihre Aura und ihr eigensinniges Temperament ließen ihn für einen Sekundenbruchteil erkennen, wer sehr ihre beiden Schicksalsfäden verknotet waren.

„Es tut mir leid, dass ich dir Sorgen bereit habe“, sprach sie aufrichtig, ihre bernsteinfarbenen Augen schillerten mit einer wohltuenden Wärme.

„Es ist schon in Ordnung“, erwiderte er, obwohl Unmengen von Fragen über das merkwürdige Gift in Arianas Leib in seinem Kopf wüteten. Sein Blick sank hinab, eher unabsichtlich verloren sich seine Augen auf der nackten Haut ihres Dekolletés, wo die Decke sie nicht schützte.

Und die eher ruhige, wohlwollende Mimik in ihrem hübschen Gesicht schwand mit dem Anflug einer Warnung. Sie sprach angriffslustig: „Ich hoffe, du hast nichts gesehen, was du nicht solltest.“ Sie wackelte mit der Nase und schien beleidigt zu sein.

Link verschränkte trotzig die Arme, aber sein Gesicht verriet Scham. „Ich bin nicht derjenige gewesen, der dich ausgezogen hat.“

„Das hättest du aber gerne, wie?“ Das hübsche Mädchen klapperte mit den Zähnen vor Aufregung.

„Wenn du damit alte Kamellen aufwärmen willst und auf die Sache am Glücksteich anspielst…“

„Ja, was dann?“, muckte sie auf. Ihr ganzes Feuer kam zum Vorschein, was dem Helden verdeutlichte, dass es ihr wahrhaft gut ging und das Gift keine weiteren Konsequenzen hatte. „Was kann ich dafür, dass du deine Augen nicht dort lassen kannst, wo sie hingehören!“

„Das ist ja ungeheuerlich!“, platzte es aus Links Kehle. „Du bist doch diejenige, die sich ständig ungefragt in meine Angelegenheiten einmischt!“ Und mit einem Mal war da eine Kluft zwischen ihm und Ariana, die er nicht hatte kommen sehen. Sie waren sich über den Weg gelaufen, hatten einige seltsame Aufeinandertreffen gehabt und waren sich sogar auf einer sehr innigen, freundschaftlichen Ebene näher gekommen, sodass er sie mittlerweile als sehr wertvolle Freundin ansah. Sie hatte ihn gepflegt, als sein Fluch ihn zermürbte und er hatte sie vor den Gefahren eines Giftes gerettet. Aber warum sie sich gegenüber nun so streitsüchtig verhielten, verstand Link keineswegs. „Du bist einfach bei mir aufgetaucht und das in einem Zustand, der dich hätte umbringen können. Du wurdest vergiftet, ist dir das klar?“

Ariana rümpfte die Nase und hielt kurz inne. Es war ersichtlich, dass sie versuchte nachzudenken. „Es tut mir leid…“, sagte sie ein weiteres Mal. „Du brauchst nicht so sauer werden, ich habe es verstanden.“ Sie blickte entschuldigend drein. „Ich habe irgendwie die Nerven verloren…“

Link zwinkerte und kratzte sich erneut am Kopf. Was, beim Deku, passierte hier eigentlich gerade? Ariana war entweder noch immer durch den Wind, oder sie wusste tatsächlich nicht, was sie wollte. Hatte sie gerade versucht ihn zu provozieren?

„Undora musste dir die Kleider vom Leib nehmen, um herauszufinden, was mit dir nicht stimmt“, erklärte der junge Heroe. Er begann nervös mit seinen Händen zu spielen, schämte sich dafür, dass er Arianas nackte Form gesehen hatte, aber er konnte es auch nicht mehr ändern.

„Ich weiß…“, murmelte Ariana schließlich und drehte dem Heroen den Rücken zu. „Sie hat mir alles berichtet. Ich möchte das, was hier geschehen ist, nicht weiter thematisieren. Bitte, lass‘ uns klären, was zu klären ist und dann zurück zur Glückshütte gehen.“
 

Auch Link nickte, obwohl ihm wahrlich alle Haare zu Berge standen. „In Ordnung“, meinte er widerwillig und hörte Undora in dem Augenblick die Treppe hinab trotten. Sie hatte einige Kleider auf ihrem rechten Arm hängen und drückte diese Ariana in die Hände. „Es wird allmählich Zeit, dass ihr beide wieder aufbrecht, jetzt wo der Tag begonnen hat“, sprach Undora. Die alte Hexe schien ungeduldig, obwohl sie sich zumeist sehr gelassen verhielt. Sie füllte zwei Taschen mit einem wärmenden Teegetränk auf und verstaute diese in einem Korb. Zusätzlich dazu legte sie einen Laib Brot und ein Stück geräucherten Schinken. Sie huschte durch ihr Zuhause, schien überhaupt zu brodeln und überzuquellen vor Unruhe. Seitdem sie vorhin wiedergekommen war, schien sich an Undora eine Seite zu zeigen, die sie lange unterdrückt hatte. Vielleicht hatten Arianas Worte von dem Pflichtgefühl der legendären Hexen doch mehr bewirkt als es den ersten Anschein nahm.

„Ich sag‘ dir, sie will uns einfach nur loswerden“, flüsterte Ariana.

„Auch das habe ich gehört, junges Fräulein!“, zankte die Hexe und sendete einen messerscharfen Blick aus plötzlich rubinroten Augen in Arianas Richtung. „Es ist erheiternd wie viel Dankbarkeit du den Menschen gegenüber zeigen kannst, die dir zur Seite stehen und dich retten“, schmetterte sie in die Richtung der Schmiedtochter, worauf jene in Schuldgefühlen verstummte.

,Nicht gut Kirschen essen mit jenen Hexen‘, dachte Link, aber wunderte sich keineswegs. Bisher hatte er nicht wirklich gute Erfahrungen mit dieser Sippe gemacht. Gerade da fiel ihm der Brief mit Undoras Karte wieder ein. Er nahm den Brief an sich und überflog jene Worte erneut.

„An meinen dummen Jungen,

auf der Rückseite dieses Briefs steht eine Karte, die dich zu der Hütte von Undora führen wird. Ist die Zeit gekommen, wirst du wissen, dass du zu ihr gehen musst. Sie wird dir helfen können, deine Krankheit, deinen Fluch, egal, was es ist, das auf dir lastet, verstehen zu lernen. Aber überstürze nichts. Willst du sie zu der falschen Zeit finden, wirst du sie nicht finden. Hab’ Geduld, mein dummer Junge und übe dich darin durchzuhalten. F.L.“

Hatte die Absenderin nicht betont, dass Undora ihm helfen könnte seinen Fluch zu bewältigen oder jenen zu verstehen? Er blickte auf, sah die rundliche, alte Frau in ihrem selbstgenähten Federanzug grimmiger und grimmiger werden und wie eine graue Schneeballkugel durch das Haus tanzen. Ob es eine so gute Idee war Undora deswegen noch länger zu belästigen?
 

Derweil zog sich Ariana hinter Links Rücken die frische Kleidung an, eine eisblaue Tunika mit langen Ärmeln und ein schwarzes Leinenhemd, das an manchen Ecken unter der Tunika herausragte. Sie band sich das lange, gewellte Haar zu einem schnellen Zopf und zog sich einen Mantel über wie auch ein Paar Stiefel über die Füße. Und mit einem flinken Satz hüpfte auch Wulf auf seine Beine, schüttelte sein zotteliges Fell, sodass seine Läuse den gesamten Innenraum bevölkerten. Heulend huschte er an Links Seite, rieb seine feuchte Nase an dessen rechtem Hosenbein und blickte mit wachen gelben Augen in die Höhe, bis er mehrfach um Links Gestalt im Kreis hüpfte. Der junge Heroe kniete nieder und kraulte dem treuen Getier den Kopf. „Du willst Ariana und mich begleiten, was?“ Er wippte den Kopf, als wollte er nicken. Link lachte, er lachte so ausgelassen wie als hatte er noch nie im Leben gelacht.

Mit Verwunderung beobachtete die Schmiedtochter Links Geste, blickte ihm auf eine entzückte Weise entgegen, die ihn irritierte, sodass er das Lachen stoppte. Er fühlte sich beinahe ertappt. Ja, er hatte sein Lachen für eine lange Zeit vergessen, aber es hatte sich gerade so ungemein richtig angefühlt…

„Weißt du“, sprach Ariana leise und lächelte. „Du könntest ruhig öfter lachen… Es tut niemandem weh, ganz im Gegenteil.“ Link erhob sich träge, blickte mit seinen sturmblauen Augen nieder und schwieg. Es war ihm anzusehen, dass er seine wahre Natur spürte, dass er den einstigen Helden der Zeit in sich spürte, der noch immer verbissen kämpfte.

„Vergiss dein wahres Ich nicht…“, sprach das Mädchen leise und faltete aus einer leichten Unruhe heraus die Hände.

Er wendete ihr den Rücken zu und murmelte gezwungen: „Ich habe es längst vergessen…“

„Link…“, seufzte sie; sie wollte etwas darauf sagen, ihm mitteilen, wie sehr sie mitfühlte und ihn verstand, aber ihr blieben alle Worte in der Kehle.
 

Und es war auch dann, dass Undora näher trat und der jungen Schmiedtochter den Korb mit dem Proviant in die Hände drückte. „Dies ist für eure sichere Rückkehr, bitte geh‘ schon einmal vor, Schätzchen.“ Ariana rümpfte verärgert die Nase, und stapfte widerwillig vor die Haustür.

Sich am Kopf kratzend sah Link, wie Ariana kochend vor Wut aus dem Haus hetzte und die Tür borstig hinter sich zuknallte.

„Die jungen Damen von heute haben schlichtweg keine Manieren“, meinte Undora und ließ erneut einen Bruchteil ihrer weniger einschmeichelnden Persönlichkeit an die Oberfläche. Sie entleerte die Gase ihres Darminhaltes als besaß sie keinerlei Manieren und Schamgefühl. Link verkniff sich eine Bemerkung zu dem mehr als verächtlichen Geruch, der von Undoras Gestalt ausging und blickte der Hexe fragend in das warzenübersäte Antlitz.

Undora schielte mit ihren plötzlich grünen Augen zu der eigenwilligen Karte, die der junge Bursche in seiner linken Hand umkrallte.

„Dieses Schreiben und diese Karte stammen also von der grauen Hexe.“

„F.L., mmh?“, erwiderte Undora. „Ja, das sind die scheinbaren Initialen der grauen Hexe… und es ist ihr eigen, dass sie kaum jemandem ihren wahren Namen verrät. Selbst der Zirkel der Hexen kennt ihren wirklichen Namen nicht. Sie hatte sehr viel zu verbergen, ihre Person war mir immer ein riesiges, wenngleich wohlwollendes Mysterium.“

„Sie wollte, dass ich mit Euch über meinen Fluch spreche.“

„Und willst du das denn auch?“ Die alte Hexe lachte und während sie lachte drückte sie ihre großen warzenübersäten Hände in die Hüften und streckte ihren dicken Bauch heraus.

Link knüllte das Stück Pergament zusammen. Sein ernster Blick verlor sich auf seinen abgemagerten Händen. „Es mag töricht von mir erscheinen, dass ich mich den Worten dieser eigenwilligen Hexe verpflichtet fühle“, erklärte er. „Aber als mir diese graue Hexe begegnete… und so seltsam die Aufeinandertreffen mit ihr waren, so habe ich dennoch das Gefühl, dass sie mir lediglich helfen will.“

„Auch wenn dir ihre Motive nicht klar sind?“, sprach Undora und kniff ihr rechtes Auge zusammen.

„Mehr als schleierhaft würde ich meinen…“, sprach Link und blickte auf. Das Leuchten in seinen tiefblauen Augen war sehr fern, in den letzten Monaten oftmals verwaschen und doch keimte dort tief drin ein Hoffnungsschimmer. „Immerhin nennt sie mich einen ,dummen Jungen‘.“

„Könnte sie wohl damit recht haben?“, scherzte Undora und stützte sich auf ihren Gehstock, aber sie lächelte.

Link runzelte die Stirn und seufzte unzufrieden. „Ich glaube nicht, dass Ihr etwas über die Motive der grauen Hexe wisst, habe ich Recht?“

„Nun ja, ich weiß zwei Dinge, Held der Zeit“, erklärte sie. Beinahe bedrohlich gewissenhaft funkelten ihre Augen nun. „Die graue Hexe ist dem Guten verpflichtet und es ist ihre Aufgabe das Gute zu beschützen, dich eingeschlossen. Der andere Grund dir zu helfen liegt wohl darin, dass du die Macht der Zeit einst genutzt hast und vielleicht wieder nutzen wirst. Es ist nicht umsonst, dass die graue Hexe die Elemente Licht und Zeit verkörpert. Sie hilft dir also, weil auch sie mit der Zeit spielen kann.“

Link kratzte sich an seinem spärlichen Bartwuchs, bis einige Grübelfalten aus seinem Gesicht verschwanden. „Das klingt logisch.“

„Du darfst wohl gespannt darauf sein, wann die Zeit bestimmt ihr erneut zu begegnen“, lachte Undora mit schiefer Stimme, beinahe so, als verbarg sie dennoch ein geheimes Wissen vor dem Burschen. „Und es scheint, als ob die Zeit dir auch helfen kann deinen Fluch besser zu verstehen.“

In das Gesicht des jungen Ritterschülers fiel der Schatten von Sorge und Trübsinn. „Ihr sprecht noch mehr in Rätseln als die graue Hexe“, seufzte er.

Undora klatschte in die Hände, wohl als gutgemeinte Geste den Burschen aus seinem plötzlichen Trübsinn zu holen. „Ich kann dich nicht von deinem Fluch heilen, aber vielleicht kann dies niemand sonst außer dir selbst“, sprach sie. „Vielleicht musst du die vielen Ratschläge, die dir andere zukommen lassen, selbst jene der grauen Hexe anders interpretieren, als ewiglich nach einer Heilung oder Lösung zu suchen. Die Lösung liegt vielleicht nur in dir selbst und in Zeit.“

Link sah bedrückt zu Boden, nahm Undoras Worte auf, als hätte er sie bereits schon einmal gehört. Vielleicht war genau das die Antwort, die er brauchte. Die Heilung seiner momentanen Gebrechlichkeit lag doch nur in ihm selbst. Er selbst konnte kämpfen, auf die Beine kommen und sich beweisen, dass er auch das neue Böse in Hyrule mit der Macht des Mutes bezwingen konnte. Aber der Mut lag nun mal nur in der Hand desjenigen, der von jenem überzeugt war. Und der Kranke würde nicht gesunden, wenn er sich ohne Willen von scheinbar Heilenden Händen helfen ließ. Der Kranke konnte nur gesunden, wenn er mithalf. Und der Verfluchte konnte manchmal seinen Fluch nur selber brechen. Das war Farores Gesetz! Und mit einem neuen, stärkenden Gefühl hob Link seinen Blick in die Höhe.

Und auch die uralte Frau richtete ihren Blick hinauf in die oberen Stockwerke. „Blicke in mein Haus, Jüngling. Siehst du das Leben?“

Beinahe verspielt beobachteten Links Seelenspiegel die vielen Wesen in den höheren Stockwerken tanzen. Dutzende Feen flatterten wie Schmetterlinge in der Luft, genossen Ausgelassenheit und Frohsinn. Kleine Vögel zirpten wie die feinsten Instrumente und sangen Lieder einer vergessenen Freude. Undora hob ihren rechten Arm nach oben als wollte sie in diese Freude fassen, die in ihrem Zuhause lebte. „Jeder Sinn liegt doch nur in dem Leben. Jede Energie liegt doch nur in dem Leben. Und daher ist alles, was sein kann, doch nur Leben“, sprach sie mildtätig. „Und alles, wofür wir kämpfen in Hyrule, ist das Leben. Alles, was grünt und blüht. Alles, was liebt. Und jeder Fluch ist auch an Leben geknüpft…“, endete sie.
 

Link verschränkte die Arme und wurde Undoras Gerede allmählich müde. „Bitte, Undora, kommt endlich zum Punkt.“

„Du hast noch weniger Geduld als deine aufsässige Begleiterin“, murrte sie und spuckte, während sie sprach. Sie wackelte mit der Nase, sodass die riesige Warze auf jener ebenfalls wackelte. Sie wippte mit einer Hand und räusperte sich. „Ihr beide passt ja wahrlich prima zusammen“, grummelte sie, so dass es Link kaum verstehen konnte. „Also gut, ich muss dir wohl noch etwas mit auf den Weg geben.“ Undora lief auf und ab, faltete ihre Hände am Rücken und lief fortwährend vor Links Nase hin und her. Die Sekunden zogen sich in die Länge, erzeugten Ungeduld in dem Gemüt des jungen Burschen, der sich kaum traute Undora noch weiter herauszufordern. Stattdessen kniete er nieder und kraulte die zottelige Mähne des riesigen Wolfshundes. Als wollte das stolze Getier zu ihm sprechen wippte jenes mit dem Kopf, seine stechenden gelben Augen erschütterten, ließen Bedrohlichkeit und doch Güte sprechen.

„Ah, ich weiß“, stieß Undora plötzlich aus und klopfte mit einer Hand auf den schlanken, schönen Kopf des kräftigen Tieres. „Es ist wie als quält man ein Wesen, das Farore mit ihrer Güte und ihrem Mut erschuf. Quält man jenes, kämpft es unerbittlich.“

„Worauf wollt Ihr hinaus?“, meinte Link und seufzte. Wie viele schräge Einfälle aus Undoras vernarbtem Mund sollte er noch durch seine Gehirnwindungen wandern lassen?

„Es muss etwas mit dem Kampf um das Überleben zu tun haben!“

Link erhob sich träge und blickte seitwärts. „Ihr glaubt, mein Fluch ist Resultat eines Kampfes?“ Er verschränkte die Arme erneut. „Undora, darüber habe ich selbst bereits nachgedacht, und ich habe dazu ohnehin eine Information des Chadarkna. Dieser Dämon ist für meinen Fluch verantwortlich, vermute ich…“

„Ja, aber du hast noch nicht weiter gedacht, junger Bursche!“ Freudestrahlend klatschte sie in die Hände und hüpfte in die Höhe, sodass ihre Gelenke krachten.

„Wie meint Ihr?“

Sie hob ihren rechten Zeigefinger und lachte. „Bist du jemals nach einem brutalen, ergreifenden Erlebnis, nach einer Schlacht, in eine Form von Amnesie gerutscht?“

Link wusste nicht, worauf sie hinauswollte, aber er ließ sich gerne belehren. „Nein…“, sprach er trocken.

„Bist du jemals nach einem heftigen Schlag… mit einer Gehirnerschütterung… in eine Amnesie gerutscht?“

„Nein“, sprach er erneut.

„Meinst du denn, es ist so einfach für dich in einen solchen Zustand zu geraten?“

„Nein“, und Link runzelte die Stirn. Es war ihm anzusehen, dass sich eine neue Idee in seinem Kopf manifestierte. „Das Triforcefragment sollte mich davor bewahren.“

„Dann, beim Storch, was ist diese Amnesie überhaupt?“, meinte Undora und grinste über ihr gesamtes faltiges Gesicht.

Der vergessene Held biss sich auf die Lippen und erneut wurden seine tiefblauen Augen schwer, doch noch immer so voller Ausdruck flüsterte in ihm die ewige Tapferkeit. Konnte es wirklich so einfach sein? Mit leicht geöffnetem Mund sah der Heroe bestimmend in Undoras sich wechselnde Augen. „Wollt ihr damit sagen, dass meine Amnesie mehr als ein Schutz ist vor unangenehmen Erinnerungen oder entstanden ist durch etwas, was ich nicht weiß?“

„Vielleicht!“ Und Undora grinste wilder. „Ergründe es!“

Link klopfte sich auf seine Stirn. „Warum habe ich nicht früher daran gedacht? Das würde bedeuten, die Amnesie ist ein Teil des Fluches und nicht nur eine Folge oder ein Nebenprodukt?“

Undora wackelte verdächtig mit ihrer runden, dicken Nase und nickte. „Und wenn du dich erinnern könntest, vielleicht hast du dann einen neuen Weg vor dir den Fluch zu brechen.“

„Es könnte sogar sein, dass die Amnesie mich abhält den Fluch zu bewältigen, was?“

„Durchaus“, sprach die Hexe.

Link seufzte. „Aber eine der Großen Feen Hyrules meinte, der Fluch wäre nicht zu brechen.“ Undora sendete ihm einen Hoffnungsschimmer und doch fühlte der Ritterschüler, wie ihm jener durch die Finger glitt.

„Vielleicht ist er das nicht. Aber wer wäre der Held der Zeit es nicht zumindest einmal zu versuchen?“

„Ihr habt Recht“, entgegnete Link, blickte sorgenvoll drein, aber nahm sich Undoras Worte zu Herzen.

„Dein Fluch ist die Amnesie…“, fasste die Hexe zusammen. „Du musst diese ergründen und hast ein Handwerkszeug dazu!“

„Ihr meint die Meditation der Farore…“, und auch an Undoras eigensinnige Lehrstunde erinnerte sich Link mit gemischten Gefühlen.

Undora kniff den jungen Heroen in die Nase, sodass er kurz quiekte. „Gib es zu, du hast es nicht geübt!“

Link schlug Undoras Hand genervt weg. „Nein, ich habe es nicht ausreichend versucht…“, meinte er schnippisch.

Die eigensinnige Hexe drehte ihm den Rücken entgegen und führte ihre Hände zusammen. „Dann weißt du ja, was du in nächster Zeit zu tun hast. Du wirst die Meditation deiner Schutzgöttin meistern und so deine Amnesie ergründen.“

Link atmete tief durch, aber nahm sich Undoras Worte zu Herzen. Er bedankte sich bei der grimmigen, aber herzlichen alten Kräuterdame, nickte jener mit einem neuen Gefühl der Sicherheit entgegen und verabschiedete sich. Außerhalb der Hütte wartete Ariana mit einem noch immer so geheimnisvollen, stillen Lächeln auf ihn. Sie ließ ihn die Ruhe und Gelassenheit zuteilwerden, die sie in sich selbst spürte und da wusste Link auch mit einem guten Gefühl, mehr als jemals vorher, dass er diesen Winter nicht mehr alleine sein würde…

Lang, lang ist es her... seit über drei Jahren endlich ein neues Kapitel. Ich hoffe, ich finde irgendwann wieder mehr Zeit um die Fanfics noch zu beenden, allerdings lassen meine beiden Kids mir kaum die Zeit dafür. Wünsche allen, die vielleicht noch lesen, ein tolles neues Jahr. lg Line
 

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Kapitel 48
 

Auf dem Rückweg in das Herz der Provinz Lanayru funkelte die weiße winterliche Landschaft im Licht der Mittagssonne, funkelte wie ein Teppich von silbernen Kristallen. An den Zweigen der hochgewachsenen Bäume tropfte geschmolzenes Eis hinab, berührte erweckend Links goldenes Haar, das ihm strubbelig auf seine schmalen Schultern fiel. Er und Ariana waren seit knapp einer Stunde unterwegs zurück zu der Glückshütte, hatten sich kaum unterhalten und trotteten in beschützender Begleitung von Wulf, etwas träumerisch, vorwärts. Die kühle Winterluft war erquicklich in den Lungen und die Wärme der Sonne angenehm auf der Haut. Nachdenklich trat Link weiter, während seine weibliche Begleitung etwas ausgelassener über die leicht angefrorene Schneedecke hüpfte. Sie beobachtete ihn, wie er mit seiner eher schlaksigen Art und Weise vorwärts tapste, ab und an seufzte, so als war er mit sich und der Welt unzufrieden. Sie beobachtete ihn in seiner Haltung, studierte seine Bewegungen und die unsichere Angewohnheit seine Hände ab und an in die Hosentaschen zustecken.

„Du kennst den Weg zurück zur Ritterschule?“, murmelte sie und trat neben ihn, während sie versuchte ihre fröhliche Stimmung zu zeigen. Sie lächelte über ihr leicht rotgekühltes Gesicht und spielte mit einer schwarzen Strähne ihres vollen Haares.

„Ich kann mir Wege sehr gut merken…“, sprach er ruhig, mit einem Unterton, der nach verbissener Konzentration klang. „Wenn ich einen Weg einmal entlang gegangen bin, dann weiß ich diesen normalerweise für immer.“

„Das klingt ja angeberisch“, lachte sie.

Er verschränkte die Arme und schüttelte mit geschlossenen Augen den Kopf. „Ganz und gar nicht, ich habe nun mal eine sehr gute Orientierung.“

„Ich vermute, du hast noch weitaus mehr Talente, was?“, sprach sie erheiternd und hüpfte ausgelassen durch den Schnee. Sie genoss das gute, gesunde Gefühl in ihrem Körper.

„Wohl eher nicht…“, hauchte er träge über die Lippen, mehr zu sich als zu dem schönen Mädchen, das ihm Gesellschaft leistete. Es war beinahe hypnotisierend sie dabei zu beobachten, wie sie schwungvoll umher tanzte und lachte. Und während sich die Stiefel, die sie von Undora bekommen hatte, durch den pulvrigen Schnee bewegten und das weiße Kleid des Winters aufgewirbelt wurde und Ariana ihre Arme ausstreckte, war alles an ihr Lebensfreude, Freiheit und Genuss. Alles an ihr erzählte von diesem unvergleichlichen Drang nach Leben und Spüren. Ihr eleganter Körper tanzte so freiheitsliebend mit den sonnigen Lichtstrahlen, die über Hyrule fielen, dass es dem vergessenen Helden eine leichte Gänsehaut über den Rücken schickte. Ariana lebte mit einem so bittersüßen Ausdruck von Lebensmut und Neugierde, die er vielleicht noch nie in sich wahrgenommen hatte. Sie war so in Balance mit ihren Gefühlen und ihrem körperlichen Wohlgefallen, das sie wirkte, als konnte sie die Realität mit dieser Geschicklichkeit verändern. Und die Gesetze der Welt würden ihr vielleicht beipflichten. Jedes Wesen bestand aus einer urschöpflichen, reinen Energie, mit der man das, was man als Realität wahrnahm, womöglich verändern konnte. Sie tanzte lachend und summte eine ferne Melodie, als folgten ihre Stimmbänder dem feinen Reigen verborgener Feen. Es war unheimlich beeindruckend sie zu beobachten und den Hauch von Freude wahrzunehmen, den sie ausstrahlte. Den Atem des Lebens wahrzunehmen… ihre unersättliche Schönheit…

Ferne Worte drangen in Links Geist, die sich für ihn nun immer klarer und beständiger anfühlten. Worte, die sich immer tiefer in seiner Seele einbrannten. ,Realisiere, was sie für dich ist. Du brauchst sie… wie deinen Lebenssaft‘, flüsterte es. Ja, er realisierte… mehr als er es jemals beabsichtig hatte. Etwas an Ariana gab ihm Kraft, gab ihm Zuversicht und Trost, und heilte eine Wunde, die er immer versucht hatte selbst zu schließen… Und es war verwunderlich, dass er das erste Mal jemanden an diese Wunde heran ließ, zumal es Zelda oft versucht hatte…

Wie oft hatte sie nachgebohrt, was er brauchte… Dann, als sie beide im Schlossgarten saßen. Wie oft hatte sie mit ihren wunderschönen, sanften Augen in seine geblickt, auf der Suche nach dem versiegelten Leid, um es zu heilen… Und wie oft hatte sie versucht ihn zu berühren, eine Geste des Mitgefühls, die er nicht annehmen konnte.
 

„Hey, du Glückspilz“, sprach die hübsche Schmiedtochter und riss ihn aus seinen Gedanken. Sie lächelte eindringlich und sah ihm beinahe bohrend in die sturmblauen Augen. Ihre bernsteinfarbenen Augen zwinkerten ihm mit ehrlicher Dankbarkeit entgegen, sendeten eine Form von Wärme, die ihn all die Fragen über Arianas seltsame Persönlichkeit und selbst die Fragen über das Gift in ihrem Körper für einen Augenblick vergessen ließen. Sie wirbelte einmal mehr umher und legte eine Hand auf seine rechte Schulter. „Übermorgen ist das Fest der Nayru, Link.“

Er schlug sich mit der blanken Faust an die Stirn. „Ah, in zwei Tagen schon?“ Er hatte mit Arianas schlechtem Zustand beinahe darauf vergessen, dass sich jener Tag näherte.

Sie nickte erwartungsfroh und da wusste Link auch, dass sie eine Bitte hatte. „Lass‘ uns doch zusammen nach Lyriellen gehen, vielleicht morgen, ich weiß, dass das kleine Städtchen in dieser Zeit bunt geschmückt ist.“

Als er darauf nicht sofort antwortete, sprach sie: „Was meinst du?“ Sie lächelte beinahe unschuldig.

Er kratzte sich irritiert am Haaransatz und wunderte sich immer mehr darüber, wie vertraut sie miteinander umgingen. „Ja, warum nicht…“, die Worte sprudelten aus seinem Mund ohne dass er es wollte, aber er fragte sich insgeheim, ob es so eine gute Idee war in ihrer Gesellschaft an einem Fest teilzunehmen. Er atmete tief durch und packte das Mädchen vorsichtig am Arm. „Ariana, warte bitte…“ Sein Blick sank zu Boden und erneut steckte er seine Hände unsicher in die Hosentaschen.

„Es geht darum, dass ich einige Tage bei dir bleiben wollte…“, meinte sie leise, aber gefasst. „Du hast erneut Bedenken deswegen, nicht wahr?“

„Das ist es nicht zwangsläufig…“, sprach er.

„Das heißt, hast du nun noch immer etwas dagegen, dass ich einige Tage bei dir bleibe oder nicht?“

„Ich verstehe nicht, warum wir überhaupt Freunde sind…“, meinte er verdrießlich, aber bereute die Worte im selben Augenblick.

Ariana zwinkerte. „Du meinst, Freunde sucht man sich immer aus?“

„Das nicht…“

„Ach so, du glaubst, du brauchst keine Gesellschaft?“

„Nein, das war auch nicht, was ich sagen wollte.“

„Dann findest du es komisch mit einem Mädchen befreundet zu sein?“

„Nein, ich hatte viele weibliche Freunde…“, murmelte er und lief etwas rot an.

„Dann würde ich gerne wissen, was an meiner Freundschaft für dich seltsam ist.“

„Irgendwie… argh, ich weiß auch nicht…“ Was brachte es auch erneut mit ihr darüber zu diskutieren, sie hatte ja ohnehin das letzte Wort.

Sie klimperte mit ihren Stiefelabsätzen und stemmte die Hände in die Hüften. „Ich meine, wir verstehen uns recht gut, schätze ich. Ich kann etwas von dir lernen und du sicherlich noch einige Dinge von mir. Und ich habe das Gefühl, dass uns irgendetwas verbindet. Und weißt du was?“ Sie lachte und wirbelte um ihn herum. „Ich muss wohl irgendwie gestehen, dass ich dich mag. Also worüber reden wir hier noch?“, grinste sie, packte den Burschen an der Hand und schleifte ihn hinter sich her. Sie ließ ein anderes Gesprächsthema kaum zu, ignorierte Links Unsicherheit mit einem Lachen, das durch den verschneiten Winterwald schallte. Er kam erst gar nicht mehr dazu weitere Zweifel loszuwerden und war bemüht dem schnellen Schritt der Schmiedtochter mitzuhalten. ,Das konnte nur ein merkwürdiger Winter werden‘, dachte der blonde Bursche, aber grinste mit einem Funken Freude, der tief in seinen Gesichtszügen versteckt war. Vielleicht war Ariana im Moment genau das, was er brauchte… eine Freundin, die ihm Gesellschaft leistete. Eine Freundin, nicht mehr.
 

Es dauerte nicht mehr allzu lang, bis sich der Pfad und die Landschaft vor der Nase der beiden Hylianer vertrauter und stimmiger anblicken ließ. Wenige Meilen weiter erhob sich bereits das bedeutende Gemäuer der berühmten Ritterschule „Söhne des Schicksals“, lud neugierige Wanderer mit einer blauen Flacke ein, wenngleich sich dort nur wenige Bedienstete aufhielten. Link schätzte anhand des Standes der Sonne die Zeit auf gerade einmal ein Uhr nachmittags, was ihn verwunderte. Der Weg hatte sich vor vielen Stunden für Link mit der Bürde einer kranken Ariana Blacksmith länger angefühlt, als er ursprünglich war. Verglichen mit der Sorglosigkeit, mit der er und Ariana von Undoras Hütte aufgebrochen waren, fühlten sich die letzten Tage noch bitterer an.

Nach noch nicht einmal einer weiteren Stunde erreichten sie die gemütliche kleine Hütte am gefrorenen Glücksteich, entdeckten dort eine kleine versteckte Idylle, die Schutz und Wärme versprach. Link deutete seinem Gast an, dass er einige Scheitel Brennholz von dem kleinen Lager neben der Hütte holen würde. Nickend bestätigte sie und war erleichtert als erstes in die Holzhütte eintreten zu dürfen. Geschwind und bemüht unauffällig zu wirken, hetzte die jugendliche Schönheit mit dem rabenschwarzen Haar in das Haus, und blickte überprüfend in den Innenraum. Sie wirkte unkonzentriert, rieb sich beide Hände und wusste vielleicht nicht genau, wonach sie suchte. Sie wusste nur, dass sie in sich einige Geheimnisse trug, die sie sich selbst kaum eingestehen wollte. Geheimnisse, die sie verabscheute. Geheimnisse, die ihr jetziges Ich zerstören würden…

Vor Nervosität begann sie an ihren Fingernägeln zu knabbern, etwas, das sie das letzte Mal vor vielleicht drei Jahren getan hatte. Link durfte auf keinem Fall entdecken, was sie so zwanghaft versuchte zu verheimlichen. Er durfte die Magie nicht sehen, die Undora wahrgenommen hatte… und er durfte nicht noch einmal das Vertrauen in einen geliebten Menschen verlieren!

Und gerade da entdeckte sie den Grund für das scheußliche Gefühl, das intensiv in ihr gierte und den sie schleunigst beseitigen musste. Auf dem Boden nicht weit entfernt von dem Kamin, dort, wo sie gestern zusammengebrochen war, dort, wo sie ihr Bewusstsein aufgrund des Giftkeimes verloren hatte, dort funkelte etwas Kleines auf dem Boden. Rasend huschte Ariana näher und berührte mit ihren Fingerspitzen fünf kleine Kristalle, die in dem bunten, beinahe reinigenden Farbenspiel von Regenbogen funkelten. Die winzigen Edelsteine waren nahezu perfekt geformt, glühten in vergessener Magie, da sie geschöpft waren in den Momenten menschlichen Versagens, als ihr sterbliches Wesen an einem unbezwingbaren Abgrund stand. Mit zitternden Händen sammelte sie jene Kristalle auf, hielt diese nur zögerlich in den Händen und suchte mit ihren bernsteinfarbenen, nervösen Augen eine Möglichkeit in diesem Haus jene Edelsteine zu verstecken. Aufgeregt begann sie nach einem guten Versteck Ausschau zu halten, sie hörte währenddessen den jungen Helden Link bereits vor die Tür treten und hetzte in letzter Sekunde zu dem Regal, wo sie die Kristalle hinter einigen verstaubten Büchern verschwinden ließ. Sie rückte die Bücher gerade zurecht, als Link mit einem Stapel Brennholz ein wenig schnaufend über die Schwelle trat. Nervös wirbelte die Schülerin der Benimmschule um ihre Achse und zerrte dabei versehentlich eines der Bücher zu Boden.

„Ups, tut mir leid“, sprach sie, hob das Buch hastig vom Boden und verstaute es im Schrank. Sie atmete tief durch. „Ich hatte Interesse zu schauen, was du so an Büchern hast“, log sie und lächelte ihm schließlich verschmitzt entgegen.

Unbeeindruckt trat der junge Bursche in den Raum, drückte die Tür in das Schloss und hatte nur einen einzigen Wunsch, nämlich Wärme in diese eisige Winterhütte zu bringen. Er sah nicht Arianas erleichtertes Seufzen, als er begann Feuer zu entfachen, sah nicht die Aufregung in ihren bernsteinfarbenen Augen, als er einen Kessel mit frischem Wasser über der beginnenden Glut stapelte. Link verhielt sich so schweigsam wie seit ihrem Aufbruch von Undoras Hütte, auch wenn sie deutlich spürte, dass ihn momentan kein trübsinniger Gedanke quälte. Aber eine sehr merkwürdige Stimmung hing in der Luft, ließ sie sich unruhig fühlen… Hatten sie und Link vielleicht doch keine Gemeinsamkeiten oder etwas, was sie verband, auch wenn sie sich so sehr zu ihm hingezogen fühlte? Sie versuchte das Gefühl zu verstehen, dass auf ihrem Herzen lag, diese Form der Sehnsucht, die Besitz über ihr gesamtes Wesen ergriff, wenn sie an ihn dachte und doch konnte sie diese Sehnsucht kaum verstehen, wollte es nicht verstehen…

Es war jedoch dann, dass der Ritterschüler die Stille brach: „Ist dir Wulf nicht ins Haus gefolgt?“, meinte er.

Ariana zwinkerte und hatte vor Aufregung völlig auf den Wolfshund von Will vergessen. Sie schüttelte hektisch den Kopf. „Ich glaube, er ist in den Wäldern auf Beutejagd…“, sprach sie.

Link nickte. „Er wird wohl einfach wieder vor der Tür stehen, wenn wir es nicht erwarten“, sagte er. Obwohl er den Hund von Will mittlerweile immer sonderbarer fand. Wulf hatte niemals annähernd wie ein gewöhnlicher Hund gewirkt. Manchmal erschien es, als konnte er tatsächlich mitdenken, verhielt sich keineswegs nur instinktiv…

„Ja… das scheint wohl so…“, meinte Ariana und blickte zu Boden.

„Und du bist dir sicher, dass es dir gut geht?“ Er nahm Bezug auf Arianas Vergiftung, natürlich tat er das. Er konnte kaum hell sehen und verstehen, was es mit dem Giftkern auf sich hatte. „Ich verstehe noch immer nicht, was mit dir geschehen ist.“

Ariana drehte ihm den Rücken entgegen und spielte an ihren abgeknabberten Fingernägeln. Sie fühlte sich gerade so zerbrechlich wie diese, obwohl sie sich fest vorgenommen hatte die Fröhlichkeit von vorhin zu erhalten. „Was möchtest du wissen, Link?“

Er dachte eher beiläufig an eine geeignete Wortwahl, als er das in Kräuter eingelegte Hylanor, das er von der Vorratskammer der Ritterschule abgekauft hatte, in das allmählich erhitzte Wasser gab. Hylanor, das über mehrere Tage eingelegt war, gab eine gute, leicht mehlige Suppe, die gerade in der Winterzeit wärmte. Er hatte über die langen Aufenthalte in der Wildnis Hyrules gelernt Eintöpfe und Suppen für sich zubereiten, wusste um die Wirkung verschiedener Kräuter im elfischen Körper und wusste Zutaten geschickt einzusetzen. Wenn es etwas gab, wovon er trotz seines herben Schicksals profitiert hatte, dann doch davon, dass er ein selbstständiger, junger Mann geworden war, der vielleicht sich selbst kaum etwas gönnte, der jedoch auch niemals Grund hatte sich für sich zu schämen. Bitter war wohl der Gedanke, dass er an all dem, was er doch konnte und an all seinen Talenten nur noch gezweifelt hatte…

„Nun…“, sprach er leise, würfelte mit einem Messer ein Stück geräucherten Speck, den Ariana mitgebracht hatte und gab diesen ebenfalls in die Suppe. „Du wolltest deine Vergiftung nicht mehr thematisieren, aber ich verstehe es einfach nicht…“

Sie seufzte und versuchte ihre Gedanken zu ordnen, um eine sinnvolle Unterredung zu führen. „Link… ehrlich gesagt…“ Sie trat in langsamen Schritten zu ihm hinüber und blickte vorsichtig in seine stechenden, blauen Augen. Da stand so viel Wissensdurst, aber auch Hilfsbereitschaft, dass es sie beinahe bestürzte. Link sollte sich nicht um ihren Gesundheitszustand Gedanken machen müssen, er sollte an sich selbst denken. An den schrecklichen Fluch, der nicht zu brechen war. An die vielen Menschen, die ihm misstrauten und an die Bedrohung, die in Hyrule wartete. „Es macht mir Angst…“, setzte sie leise hinzu. „Ich wollte diesen Winter genießen, ich wählte deine Gesellschaft, weil du der interessanteste Hylianer bist, der mir jemals begegnet ist… dass ich in dieser furchtbaren Verfassung war“, sie schluckte den Knoten in ihrem Hals herunter, „ist mir unbegreiflich und ich verstehe es nicht. Ich weiß nicht, warum ich vergiftet wurde… ich habe gedacht, ich könnte es einfach vergessen.“ Sie rieb sich ihre Stirn und sah erneut in ihrem Anflug von Hilflosigkeit in die butterweichen Blicke, die Link ihr entgegenwarf. Er war vielleicht, trotz der Gelassenheit, die er manchmal aufsetzte, noch beunruhigter als sie. „Ich wollte einfach nur… einfach nur einige angenehme Stunden haben, eine nette Unterhaltung mit dir finden“, meinte sie zögerlich und lächelte schwach. Und mit dem sanften Lächeln in ihrem ebenmäßigen Gesicht schien eine Schönheit in ihr Zutage zu treten, die Link beinahe lähmte. Er hatte völlig vergessen, wie ungemein lieblich dieser Wildfang war, wie wärmend ihr Lächeln sein konnte und wie gerne er ihre Stimme hörte. So vertraut… so schmerzhaft schön und gefährlich vertraut…

„Die letzten Wochen waren auch für mich nicht leicht…“, meinte sie und hockte sich vor dem wärmenden Kamin zusammen, roch das allmählich duftende Hylanor, das sie an ihre Kindheit erinnerte.

„Für mich waren sie… gelinde gesagt- katastrophal…“, sprach Link ohne es zu wollen. Etwas scheu stand er vor den Überresten des Tisches, spürte zweifelnde Gedanken wallen. Alles an Ariana hatte ihn von Anfang an stutzig gemacht und gerade in dem Augenblick spürte er diese Vertrautheit erneut… eine Vertrautheit, die ihm unter die Haut ging.

„Erinnerst du dich an das, was ich dir gesagt habe, als du mich damals in der Mädchenschule besucht hast?“

Er nickte flach, erinnerte den Tag als Ariana von Moblins angegriffen wurde und er sie besucht hatte. Er hatte ihr Buch repariert und das erste Mal auf eine innige Weise mit ihr geredet.

„Ich wollte einfach nur eine gute Freundin für dich sein…“, sprach sie und lächelte in das sich selbst nährende Feuer im Kamin. „Und das möchte ich noch immer. Vielleicht habe ich dich deshalb besucht… weil auch ich einen Freund brauche.“

Link atmete tief durch, gesellte sich zu ihr und wusste sich nicht anders zu helfen als einfach zu schweigen und kümmerte sich stattdessen um die Suppe. Er kostete die blubbernde Speise vorsichtig und gab eine gerudoianische Mischung aus Pfeffer und anderen Gewürzen hinzu.

„Weißt du, dass es mich überrascht, dass du kochen kannst“, sprach sie lächelnd, worauf er sie zögerlich und leicht beschämt betrachtete. Ihr Gesicht war blass wie Porzellan. Ihr schwarzes Haar und die intensiv bernsteinfarbenen Augen machten ihr Lächeln beinahe edel.

„Es ist nicht so schwer eine Suppe zu machen… Kannst du es nicht?“

Sie schüttelte grinsend den Kopf.

Link stutzte: „Aber du wurdest in dem Haushalt eines Schmieds groß, hast du da niemals kochen lernen müssen?“

Sie blickte ertappt drein und winkte nervös ab. „Nun ja, zum Glück hat mein Vater das Kochen übernommen. Ich bin nicht gerade gut in der Hausarbeit.“

Die Beiläufigkeit und Verlegenheit in ihren Worten ließen auch Link schmunzeln. „Und so jemanden wie dich schickt man in eine Mädchenschule“, bemerkte er erheitert.

„Sag‘ ich doch!“, sprach sie ausgelassen. „Das war die Dümmste Idee des Jahrtausends.“

„Warum hast du es nicht verweigert?“, forschte Link nach.

„Du bist aber neugierig heute“, stellte sie fest und erhielt sofort eine entsprechende, verlegene Mimik Links. Seine Wangenpartie färbte sich leicht rosa und er senkte den Blick. „Aber ich kann es dir eh sagen“, lachte sie. „Ich habe meinem Vater schon sehr viele Dinge abverlangt und hatte mich entschieden ihm diesmal seinen Willen zu lassen.“ Sie lehnte sich zurück. „Und so schlecht ist es auch wieder nicht… ich hätte dich niemals so oft sehen können, wenn ich…“ Und damit brach sie ab. Vielleicht war an ihrem Satz mehr Wahrheit dran als sie sich selbst eingestehen wollte…

„Warum… wolltest du mich überhaupt sehen…“, brachte der vergessene Heroe über die spröden Lippen, flüsterte fast und war gleichzeitig verwundert, dass er überhaupt einen Satz wie diesen sagen konnte. Es war ihm immer schwer gefallen über Gefühle zu reden. „Es ist nicht so, dass du weißt… wer ich wirklich bin…“, murmelte er und ein Hauch der Gefühlskälte und Frostigkeit, die ihn manchmal einnahm, erschuf Distanz.

„Du weißt auch nicht… wer ich wirklich bin…“, sprach sie bedauernd und suchte seine sterbende Hoffnung in meerblauen Augen. Sie hob ihre Hand, berührte sachte seine rechte Wange, spürte die kühle Haut unter ihren weichen Fingern. „Wir haben alle etwas zu verstecken, Link.“

Er erwiderte ihren Blick, versuchte es mit aller Standhaftigkeit, versuchte ihren bohrenden Blick auszuhalten, wenngleich es ihm schwerfiel. Er war immer bemüht gewesen niemandem zu lange in die Augen zu sehen. Und je länger er ihrem Blick begegnete, umso deutlicher konnte er das tiefe, lichte Feuer darin entdecken, eine geheimnisvolle Wärme, die sich so schnell ausbreitete wie Feenstaub.

„Aber weißt du… ich würde sehr gerne herausfinden, wer wir beide wirklich sind“, murmelte sie leise, sprach die Worte so geduldig und aufrichtig, dass Link ihr gewillt war zu vertrauen. Sie legte ihre andere Hand auf ihr Herz, lauschte dem Klang des Lebens, diesem starken unerschütterlichen Rhythmus, der das Sein bestimmte. Dieser tobende, trommelnde Klang, der jedes Wesen antrieb und doch unersättlich war. „Ich möchte dir helfen, mein dussliger Held, bei allem, was kommt und was du brauchst… bei all den Fragen, die auf dich warten.“ Und mit jedem weiteren Wort schien es als kam sie ihm näher, als erreichte sie die Mauer aus Selbstschutz, die er schon vor Ewigkeiten errichtet hatte. „Ich bin hier… nur für dich… ohne Bedingungen und ohne Erwartungen.“

Er berührte ihre Hand zitternd und schob sie vorsichtig von seiner Wange. „Du wirst mich zurücklassen… irgendwann… genauso wie andere es taten…“ Damit erhob er sich. Ohne einen erklärenden Blick nahm er die Schatulle von Nicholas Doomrent, wo sich auch die magische Warnanlage befand, und floh aus dem Haus. Vielleicht war es Arianas Absicht einen geschauspielerten Frohsinn in diese Glückshütte zu bringen, aber sie konnte wohl kaum den Schmerz wegzaubern, der tief ins Links Seele saß. Und wenn sie es wirklich wollte, dann brauchte sie eine ausdauernde Portion Geduld Link zu erreichen…
 

,Irgendwann verschwindet jeder aus deinem Leben…‘, murmelte es unangenehm in Links Gehirnwindungen, als er am gefrorenen Glücksteich stand. Ein herbes Gefühl schlich sich in sein Herz, gefüllt mit Erinnerungen an die Schrecken einer anderen Welt. Seine tiefen, blauen Augen, traurig und schwermütig, sanken in Trance, starrten in die Ferne. Es war wie als ging seine alte Seele auf Reisen, hoffend verlangte diese nach einem Sinn hinter dem Spiel seines Schicksals, verlangte nach einer Antwort auf diesen bohrenden Schmerz, den er in seinem Herzen spürte. Eine alte Sehnsucht, die ihn seit Beginn seines Lebens begleitete und so stark in ihm brannte, dass es wehtat. Der Wind wirbelte sein goldblondes Haar auf, und auch jener wirkte wie der stille Begleiter in der anderen Zeit, erinnerte ihn an die einsamen Nächte in der Wildnis, wo niemand sonst war außer seinem Klagegesang.

Der vergessene Held wusste nicht, warum er sich gerade so verloren fühlte, wartete doch ein guter Freund in der Glückshütte… und er verstand nicht, warum er dieses abscheuliche Gefühl des Verlassenwerdens so stark spürte. Es bohrte, verschaffte sich mit einer eher dumpfen Stimme immer mehr Gehör, und wurde ausgerechnet jetzt, wo er sich monatelang in einer freundschaftlichen Umgebung befunden hatte, wo er Kameraden kennen gelernt hatte, die ihn wertschätzten, so unangenehm laut, dass es ihm die Tränen in die Augen trieb.

Er wünschte sich Ariana glauben zu können, dass sie wirklich für ihn da sein wollte. Er wünschte sich zu glauben, dass sie ohne Bedingungen und ohne Hintergedanken an ihm interessiert war, aber wie sollte er dies glauben können, wo er doch tief in seinem Herzen wusste, dass jeder eines Tages und auch dann, wenn kein Nutzen mehr in einem Helden zu finden war, diesen verlassen würde… Es war einst in der alternativen Realität, dass er glaubte einen Menschen wirklich lieben zu können, aber auch dieser verließ ihn, schickte ihn in eine gruslige Kindheit zurück…

Er konnte sie rufen hören, seine Erinnerung an die Zelda der alternativen Realität. Er hörte ihre Ausreden und Entschuldigungen… lauschte den verwegenen Worten des Abschieds, dem grausamsten Abschied, der sein Herz zerbersten ließ. Es war nicht so, dass er an Zelda irgendeine Art der Anerkennung hatte tragen wollen. Nein, er erwartete keine Belohnung oder Aufwartung. Aber insgeheim hatte er sich etwas gewünscht… Etwas Menschliches… etwas Selbstverständliches… etwas Warmes und Liebevolles…
 

Wie benebelt öffnete Link die Schatulle von Newhead, die einen Schutzzauber beherbergte, der wie eine Art Warnanlage funktionierte. Seine Gedanken waren weit auf Reisen, so fern, und doch versuchte er sich zwanghaft zusammenzureißen, wissend, er hatte keinen Grund in diesen Stunden trübsinnig zu werden. Er verdrängte den Schmerz, verdrängte die Erinnerung und verdrängte die Schatten einer Illusion…

In der verzierten Holzschachtel befanden sich zwei Heilsteine, der merkwürdige Schutzzauber in Form einer Kugel mit Inschrift in altem Hylianisch und einige Zaubertränke. Link sprach die magischen Worte mit erstickter Stimme und vergrub die seltsame Kugel vor dem Haus im morastigen Boden, sodass der Radius des Zaubers gut wirken konnte. Manche hylianische Schutzzauber wirkten verschleiernd, manche sendeten Lichtspiele oder Signale. Link entschied, sich überraschen zu lassen, was der Zauber leisten konnte und hoffte, dass er zumindest Ariana vor weiteren Angriffen und merkwürdigen Gegebenheiten schützen würde…
 

Später am Tage, nachdem Link und Ariana schweigend Suppe gegessen und auch sonst kaum mehr bedeutungsvolle Worte ausgetauscht hatten, so geschah es, dass der junge Bursche in der Hütte vor dem Kamin hockte. Ariana hatte sich trotz seiner Abweisung sehr verständnisvoll gezeigt, hatte ihn angelächelt auf diese warme, vertraute Weise und Geduld und Zeit geschenkt, bis sie sich im oberen Stockwerk ein wenig hingelegt hatte. Ihr Körper war, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollte, geschwächt von dem unerklärlichen Gift und sie brauchte Ruhe und Erholung. Sie schlief, träumte von ihren Wünschen und Hoffnungen, sie schlief, tief und fest…

Links Geist jedoch war hellwach. Entspannt ruhte er in einem bequemen Schneidersitz vor der hitzigen Wärmequelle, hörte das angesengte Holz knacken, lauschte dem Zirpen von zerberstendem Leben im Holz und schloss seine ernsten Augen in dem Moment, wo das brennende Strahlen der Flammen glasige Tränenflüssigkeit verlangte. Seine Atmung ging tief, das Heben und Senken des Brustkorbs in höchster Konzentration, in einem gleichmäßigen Rhythmus, war ihm vertraut… das Beherrschen seiner Sinne war ihm vertraut…

Es war Zeit, dass er sich um etwas in seinem Inneren kümmerte, das vor ihm weggelaufen war wie ein mieser Verräter. Es war Zeit, dass er sich auf diese winzige Begierde in seinem Inneren einließ, auf das scheinbare Verbot Grenzen nur mittels Gedankenkraft zu überwinden. Er musste Erkenntnisse sammeln, erfahren, was es mit den vielen Fragen auf sich hatte. Was wollte der Chadarkna? Was war mit seiner Amnesie? Und was geschah mit der Realität, die sich scheinbar veränderte?

Die Meditation der Farore war für ihn ein eher schleierhafter Begriff für etwas, dass er in der alternativen Zeit ohnehin genutzt hatte… wie oft hatte er begonnen in sich zu lauschen, der alten Kraft zu lauschen, die irgendein Gott in den Hylianerkörpern züchtete und wie oft hatte er überraschende Fähigkeiten aktiviert mit einem so unverbesserlichen und vollkommenen Akt des Verschiebens seiner Wahrnehmung. Weitere Erinnerungen brodelten wie Brunnen der Erkenntnisse, zündeten Bahnen zerstreuter Vernunft.

Erinnerungen an seine Erlebnisse in der terminianen Parallelwelt, über die es haarsträubende Geschichten in Hyrule gab. Die Energie in seinen Venen vibrierte angesichts des Gedankens wie mächtig es sich angefühlt hatte von göttlicher Wahrnehmung zu kosten… Und in Links Gedankenwelt stürzten Hunderte Bilder zusammen wie ein überhohes Kartenhaus, krachten zusammen als ein Zeichen des Überschreitens einer Schwelle in die Welt hinter der fassbaren, hinter der sichtbaren und hörbaren. Er erinnerte sich an seine Fähigkeit mittels Gedankenkraft Bilder aus der Vergangenheit detailgetreu abzulichten und jeden noch so versteckten Hinweis einer verschwommenen Realität zu visualisieren, und er erinnerte sich an das Gesicht eines Kriegergottes, der ihn mit fahlen, anklagenden Augen ohne Gefühl anstarrte…

Und je mehr er in diese Sphäre ging, seinen lebendigen, und doch geschwächten Körper in diesem Hyrule zurückließ und doch mit all seinen Sinnen dem Flüstern der Realität lauschte, umso träger und gleichzeitig leichter wurden seine Bewegungen… er spürte die Anwesenheit der uralten Heiligkeit, die ihn seit jeher begleitete, spürte Farores Atem in der Trance, die ganz zäh und unbedarft seine höchste Konzentration abverlangte…

Und dort in seinem Inneren erzählte tiefes, unvergängliches Wissen über einen Pfad, den er schon einmal entlang wandelte und doch nicht mehr erinnerte. Unberührte Natur, gefestigt und doch so weich und mild, als wäre sie erst vor wenigen Jahren erschaffen worden, erstrahlte vor ihm, pulsierte in einem Lebenssaft der Energie, sodass Blüten tanzten, Blätter leise im summenden Wind wippten, weiches Moos unter seinen nackten Sohlen lachte… Alles, was in Hyrule wartete, fand hier nicht hin. Alles, was ängstigte und sorgte, konnte diesen Ort niemals einnehmen… Farore schenkte ihm einen Zugang zu verlorenen Gefilden, die an zaubernden Erinnerungen lebendig wurden und sie würde ihm niemals zu viel versprechen… Zaghaft trat er weiter, spürte nur noch seine eigene Energie, keinen wirklichen Körper, der ihn mit Schwäche band, keine Grausamkeit, die ihn niederwarf. Er trat vorwärts, betastete mit seinen kräftigen Händen ein Geländer, aus opalartigem Gestein, der in Regenbogen funkelte. Hier war Licht… hier war alles und das reinste, unschuldigste Licht… Er wandelte weiter, es knisterte in seiner Seele vor Aufregung, wissend, er würde hier finden, was er ersehnte und brauchte… Tief versunken und doch leichtfüßig fand der junge Held den Weg zu Farores Gesetz, erreichte erneut eine Brücke, beinahe gläsern und funkelnd in dem hellen Gestein eines Opals, schimmernd und heilig lud sie ihn ein, führte ihn zu einer neuen Bestimmung… Seine Hände griffen fest und wunscherfüllt nach vorne, griffen an das Geländer aus weichem Gestein und doch erreichte er die Brücke kaum. Er sah sie so echt vor sich… das schimmernde Gestein, behaftet mit Moos und bunten Blumen… efeuartige Pflanzen schlängelten sich über die Brücke, und irgendetwas… dort am anderen Ende rief ihn, nannte ihn bei einem Namen, den er vergessen hatte, rief ihn verlockend zu sich… begehrte ihn… suchte nach ihm… Nur nach ihm. Alles, was seine Seele forderte, war diese Begegnung, die Brücke, die ihn so sehnsüchtig einlud und doch erreichte er sie nicht…
 

Plötzlich vernahmen Links spitze, empfindliche Ohren einen lauten Knall, der von irgendwo in den Nebeln herrührte, gefolgt von einem wilden Schrei einer glockenhellen Mädchenstimme. Er zuckte zusammen, atmete rasselnd aus und zwang sich zurück in die Wirklichkeit. Sein Herz hämmerte mit einer Wildheit gegen den Brustkorb, als wollte es ihn warnen… Mühevoll orientierte er sich, fühlte sich wie gelähmt, als wäre er für mehrere Tage in einem Gefängnis aus sich aufeinander zu bewegenden Wänden eingesperrt gewesen und konnte nur stückchenweise seine Sinne wieder spüren… Er nahm einen weiteren tiefen Atemzug, öffnete seine unter Druck stehenden Augen und fragte sich, ob es normal war, dass ihn diese Meditation so viel Kraft kostete. Und im nächsten Augenblick fragte er sich, ob ihn etwas Reales aus der Trance zurückgeholt hatte… Er blinzelte und hörte es im oberen Stockwerk rascheln. Geräusche eines knarrenden Bettes, gefolgt von einer wimmernden Mädchenstimme, die ihn beunruhigte.

Er rief den Namen seines Gastes in die Stille der Glückshütte und weil er nicht sofort eine Antwort erhielt, trat er auf die müden Beine und hetzte in das obere Stockwerk. Konnte es sein, dass etwas nicht stimmte? Und das, obwohl er eine Warnanlage vor dem Haus angebracht hatte?

Das fahle Licht des sterbenden Tages drang lediglich von dem runden Fenster in der Zimmerdecke hinein und warf einen rosigen Schein auf Ariana, die mit einem ungläubigen Blick auf dem Bett hockte. Sie erblickte den jungen Helden mit spürbarer Erleichterung, hatte sich mit ihren Händen in die Bettdecke gekrallt und seufzte. Fragend musterte sie ihn in ihrer unvergänglichen Schönheit, eingenommen von dem schwindenden Licht…

„Stimmt etwas nicht?“, fragte er benommen und streckte sich vorsichtig. „Du hast… geschrien?“

Sie versuchte abzuwinken. Auf ihr blasses Gesicht trat Verlegenheit. „Ich… ich weiß nicht. Ich hatte das Gefühl, etwas beobachtet mich und dann bin ich aufgeschreckt“, erklärte sie.

„Was genau… also, was glaubst du, hat dich beobachtet?“

„Es ist schon okay… vielleicht war es nur Einbildung.“

„Du weißt, dass es in Hyrule nicht viele Dinge gibt, die nur eingebildet sind…“, erwiderte er. „Ich habe ja gesagt, du bist hier bei mir nicht sicher…“, setzte er murrend hinzu. In seinen sturmblauen Augen, die im fahlen Licht mit geballter Aussagekraft leuchteten, erstarkte ein alter Zorn, ein bitteres, selbstverachtende Gefühl, durch das der junge Held oftmals verletzende Dinge sagte.

„Link, bitte, werde nicht wieder ungerecht… und grantig…“, meinte sie trübsinnig. Sie begann mit ihren Händen zu spielen und starrte auf die Bettdecke.

Er knirschte mit den Zähnen und ihm war anzusehen, dass er mit sich rang. Ihm lagen weitere Vorwürfe auf der Zunge, die er versuchte zurückzuhalten. Ein alter Ärger kämpfte in ihm… bittere Vorwürfe brodelten, dass er andere in Gefahr brachte, wenn diese sich in sein Leben einmischten… und dass er es ohnehin nicht dulden wollte, wenn ihm jemand etwas vorschrieb.

„Und was hast du nun gesehen?“, fragte er launisch.

„Jetzt zügle verdammt nochmal deinen Tonfall, Link“, zischte Ariana schließlich.

„Du schreist hier oben herum und jetzt soll ich mich für irgendein Verhalten entschuldigen?“, brummte er. „Warum musst du mir auch ständig Probleme machen!“

„Das war sehr gemein von dir gerade eben…“, sprach sie trocken.

„Ich sage nur die Wahrheit. Es geht mir auf die Nerven, dass ich mir ständig um dich Sorgen machen muss…“

„Keiner erwartet, dass du dich um mich sorgst. Ich habe dich nicht darum gebeten!“

„Dann mach‘ doch, was du willst!“

„Ich verstehe nicht, warum du plötzlich so verärgert bist…“ Sie erhob sich und starrte ihm erbost entgegen, worauf er den Blick senkte und sich auf die Lippen biss. „Dann sag‘ mir halt, wenn du mich loswerden willst…“, murrte sie.

Er trat einen Schritt zurück und hatte nicht mit der plötzlichen Emotionalität in Arianas Augen gerechnet. Ihr soeben Gesagtes und das Gefühl des Verlusts trafen ihn wie ein Pfeil mitten ins Herz. Für einige Sekunden war jegliches Ärgergefühl aus ihm gewichen und alles, was blieb war Verwirrung. Er schluckte und spürte ein altes Schuldgefühl in sich hochkochen… Er kannte diese Situationen gefüllt mit falschen Worten und bohrenden, demütigenden Gefühlen. Er kannte diese Situationen, in denen jede Kommunikation versagte… und er kannte diese Situationen, in welchen er es nicht beherrschte jemandem zu sagen, dass er nur etwas Verständnis verlangte…

„Ich sehe es nicht ein so ungerecht behandelt zu werden“, sprach sie ruhesuchend.

„Entschuldige…“, hauchte er schwach.

Ariana bemerkte sehr wohl die Hilflosigkeit, die den vergessenen Heroen umfing, aber konnte kaum ihren eigenen Ärger unterdrücken. „Bei Nayru, wenn du so kaltschnäuzig wirst, wie soll man dann noch mit dir reden?“

Geknickt stand er vor ihr und ihr Zorn begann sich erneut schlafen zu legen. Selbst wenn Link sie mit Worten strafte, der Ausdruck von Bedauern, der sich zu schnell in sein ansehnliches Gesicht grub, ließ sie sich ebenfalls schuldig fühlen. Leicht benommen sank er auf die Bettkante. „Entschuldige…“, sprach er erneut und begann sich zu schämen.

„Jetzt hör‘ auf dich zu entschuldigen…“, sprach Ariana grantig und ließ in Gedanken das Gespräch Revue passieren. Und je mehr sie über die Diskussion, die Link und sie geführt hatten nachdachte, umso unsinniger fand sie jene. Wie oft hatte der junge Heroe gerade ,Entschuldige‘ gesagt?

„Ent…“, und noch bevor er das Wort erneut ausgesprochen hatte, blickte er in Arianas Gesichtszüge, wo neben einem Lächeln wenige Lachfalten standen.

„Wenn du jetzt noch einmal ,Entschuldige‘ sagst, fange ich an zu lachen“, meinte sie und musste angesichts der schief gelaufenen Kommunikation beinahe grinsen.

„Warum findest du das gerade so lustig?“

„Hast du uns beiden gerade zugehört?“

Ihm war anzusehen, dass er begann nachzudenken und seine Gesichtszüge entspannten sich, vielleicht weil ihm die Diskussion peinlich war. Wie ein kleiner Junge, der einen Süßwarenladen bestohlen hatte, blickte er drein und wurde rot im Gesicht je länger Ariana versuchte ihre Lachfalten zu besänftigen. Erneut begann sie die Diskussion in Gedanken zu erinnern und erneut zuckte eine spaßhafte Anspannung in den feinen Muskeln ihres Gesichts. Sie begegnete dem hilflosen Ausdruck Links, bis sie sich nicht mehr zügeln konnte und begann herzlich zu lachen. Sie lachte so heftig, dass ihr der Bauch weh tat und sie die Hände auf diesen drückte. Schließlich hockte sie sich ebenfalls auf die Bettkante und grinste. „Ich muss sagen, wenn alle Streitereien so enden könnten, würde ich wohl öfters streiten.“

„Das war jetzt… einfach nur… peinlich“, und Link bedeckte sein beschämtes Gesicht mit beiden Händen. Warum nur reagierte er aus Fürsorge so über?

„Das war beinahe goldig“, lachte die schwarzhaarige Schönheit. „Ich finde es ausgesprochen süß, wenn du dich so verhältst.“

„Willst du, dass ich noch beschämter werde?“, sprudelte aus ihm heraus, sein Gesicht war nun so rot wie Dins Feuerinferno. Aber Ariana lachte weiterhin und sie lachte so lieblich, dass jeder Ärger in Links Seele verflogen schien. Einige Minuten saßen sie schweigsam nebeneinander, lächelten beide verschmitzt, aber irgendwie dankbar. Und es war dann, dass Ariana begann zu erzählen.

Vor wenigen Minuten noch ruhte sie friedlich in dem Bett, ruhte in ihren Träumen, die sie nicht erinnern konnte, aber sie wusste, dass sie friedvolle, erholsame Träume verinnerlichte. Etwas zog sie aus ihrem Schlummer, das sie kaum benennen konnte. Es war zunächst ein sachtes Gemurmel, dann ein dumpfes Schaben, als kratzte weitentfernt ein Nagetier an morschem Holz. Sie blinzelte, versuchte das leise Geräusche in der Ferne zu ignorieren und zog die Decke etwas mehr über ihren hübschen Kopf. Aber das rufende Geräusch erstarb nicht. Vehementer werdend begann das Kratzen grober und lauter zu werden, bohrte sich in die bilderleeren Träume des ruhenden Mädchens und ließ sie nicht allein, wenn sie es nicht beachtete. Ganz vorsichtig schob sie die graue Decke aus billiger Wolle von ihrem Gesicht, nahm in der Dunkelheit nur spärlich etwas wahr, als plötzlich das kratzende Geräusch erstarb und sich in etwas verwandelte, dass ihr eine leichte Unruhe in den Körper trieb. Zunächst kaum offensichtlich, dann stärker, dann unheimlicher vernahmen ihre spitzen Ohren ein Knurren, das sie an den Wolfshund von William Laundry denken ließ. Ihre Augen suchten den Innenraum ab, hetzend, mit zunehmender Unruhe. Ariana fragte sich, ob sie den Ohren noch trauen konnte, konnte sie keinen Ursprung des Knurrens entdecken. Sie wand sich mit einer leisen Angst, die sich durch ihren Körper bahnte, spürte die raue Decke von ihrem zierlichen Körper rutschen, als sie sich aufrichtete und ging erneut mit den Augen auf Wanderschaft, konnte sie nach wie vor nichts entdecken… Sie hielt sich kurz die Hände an ihre Ohren, überprüfte, ob die Geräusche nicht nur in ihrem Kopf erklangen. Aber das Knurren blieb auch dann, als ihre Ohren nicht mehr bedeckt waren. Sie fragte sich, ob vielleicht Wulf von draußen knurrte, aber das Geräusch war zu nah… zu anders… und als sie sich inniger in die Decke krallte und gerade nach Link rufen wollte, wissen wollte, ob er auch etwas Seltsames hörte, erstarb das Geräusch mit einem Schlag, ließ Ariana in einer kurzandauernden Ahnungslosigkeit zurück. Erneut ließ sie ihre Augen von einer Zimmerecke in die andere schwenken, atmete tief durch in der verfrühten Hoffnung, dass jenes Knurren kaum etwas bedeuten mochte, als plötzlich aus der Zimmermitte, in einem rasenden Tempo und nicht zu einem realen Ursprung zurück verfolgbar, eine riesige golden schimmernde Bestie in Arianas Richtung sprang. Ein riesiges, wolfsähnliches Wesen, das so schnell verpuffte wie es aufgetaucht war und alles, was das Mädchen noch tun konnte, war laut zu schreien, in der Hoffnung doch noch aus einem Traum zu erwachen…
 

„Ich muss mir das eingebildet haben, vielleicht war ich im Halbschlaf“, erklärte Ariana zögerlich.

„Aber wieso solltest du dir einen geisterhaften, goldenen Wolf einbilden?“, sprach Link entrüstet und sprang auf die Beine.

„Vielleicht hab‘ ich von Wulf geträumt und hab‘ irgendetwas vertauscht.“ Die hübsche Schmiedtochter suchte nicht nur für sich selbst nach Erklärungen, sie wollte Link nicht mit seltsamen magischen Erlebnissen belasten.

„Ariana“, seufzte der vergessene Heroe. Ihm gefielen ihre Beschwichtigungen nicht. „Gehen wir einmal davon aus, dass die Erscheinung real war, hast du jemals von einer solchen Kreatur gehört?“

Sie schüttelte den Kopf und Link runzelte immer mehr die Stirn. „Ich frage mich gerade, ob es mit der Meditation der Farore zusammenhängt. Ich habe jene eben zu praktizieren versucht… bis du mich mit deinem Schrei aufgeschreckt hast.“

Sie lächelte unschuldig drein. „Das tut mir leid… ich wollte dich nicht von der Meditation abhalten.“

Link stutzte. „Irgendwie macht mich diese Meditation unsicher.“ Er rieb sich die Augen und trat zu dem leicht angefrorenen Fenster. Er beobachtete die Welt vor der Tür, suchte mit seinem Blick nach Verborgenem und dem sich verflüchtigenden Unheil, das in Hyrule in den Nächten umher wanderte. „Wenn solche seltsamen Dinge geschehen, wenn ich diese Trance versuche, wobei soll mir diese dann helfen? Es ist eher so, dass es mich sehr viel Kraft kostet“, sprach er mehr zu sich als zu Ariana. Er berührte mit einer warmen Hand die eisige Fensterscheibe und sah am Horizont die Sichel des Mondes funkeln.

„Mmh“, hauchte die jugendliche Schönheit über ihre Lippen und trat zu Link heran, auch sie konnte die funkelnde Sichel des Mondes sehen. „Magie hat immer ihre Tücken… und so eine spezielle Trance einer Schutzgöttin ist beinahe so, als zapfst du Farores Energie an. Es ist nun mal kein Schlaf, kein Traum und keine Entspannung“, setzte sie leise hinzu. Die kristalline, eisige Welt außerhalb bewundernd, blickte sie über Links Schulter. „Aber es gibt einen Grund, dass du diese Arbeit auf dich nimmst.“

Wie erstarrt sah der junge Heroe nach draußen in die atmosphärische Stille, wo Tausende Geheimnisse ruhten. „Undora sagte mir, ich muss diese Trance meistern, sonst erhalte ich kaum eine Antwort auf die ungeklärten Ereignisse in den letzten Wochen…“

„Deine Amnesie… der Mord an Hopfdingen… und der Angriff am Destiniatempel“, sprach sie stockend und realisierte erst in dem Augenblick wie nah sie ihrem mittlerweile sehr wertvollen Freund war. Link blickte hinaus in die Welt, ließ sich von ihrer Nähe kaum beirren. Sie war ihm nahe, sodass ihr Atem sein rechtes Ohr kitzelte, weil sie sonst kaum aus dem winzigen Fenster blickten konnte. „Du hast bisher nichts über den Angriff erzählt…“, sprach sie vorsichtig, auch mit der Gefahr, dass er erneut verärgert reagierte. Sie wollte ihn nicht drängen, aber irgendetwas in ihr verlangte nach diesem Wissen, verlangte nach Antworten. Sie konnte spüren, dass ihn dieses Ereignis auf der Seele brannte. Etwas war geschehen am Tempel der Destinia, das er vielleicht niemals erzählen würde…

Link neigte den Kopf seitwärts und in der Dunkelheit, erleuchtet von gleißendem Mondlicht konnte Ariana seine Seelenspiegel mustern. Sie sah keinen Ärger darin. Zögerlich legte sie eine Hand auf seine rechte Schulter. „Erzähl‘ mir von dem Angriff der Dämonen“, sprach sie inständig. Er blieb zunächst schweigsam, ein tiefer Atemzug verriet Sorge und Widerwillen.

„Du kannst mir alles anvertrauen…“

„Ariana… bitte…“, murmelte er, hauchte jene wenigen Worte zwanghaft und hoffend auf Verständnis. Da war dieses stille Leid in dem Klang seiner Stimme, das sie bestürzte. Es reichte ein kleines Wort wie ,Bitte‘ und sie spürte eine Flut an Bildern und Gefühlen in sich aufbrechen. Links Schmerzen, die er am Tempel der Destinia erfahren hatte, diese tiefe Sorge um das Wohl anderer und der Wille andere mit seinen Erlebnissen nicht zu belasten. Seine Einsamkeit… seine Sehnsucht… Sie presste ihre Hände auf ihr Herz nur um jene sofort zu öffnen. Instinktiv wusste sie, dass jetzt der passende Zeitpunkt war für eine lange überfällige Geste… für etwas, das Link verdient hatte. Ohne zu fragen schloss sie den jungen Mann in eine Umarmung, drückte seinen Kopf auf ihre Schulter und spürte die Unsicherheit in ihm. Er zitterte ein wenig, obwohl er immer ruhiger und entspannter wurde.

„Ich hab‘ dich nicht überrumpelt, oder?“, murmelte sie.

Er schüttelte den Kopf in ihrer Umarmung und seufzte. Zu seiner eigenen Überraschung tat die Umarmung gut.

„Was hältst du davon, dass du den Kamin noch einmal anfeuerst und wir über das reden, was wichtig ist… die Wärme des Feuers kann Herzen öffnen“, meinte sie und streichelte seinen Nacken.

Nein, dachte Link, es war Arianas Umarmung, die gerade in dem Moment sein Herz ein wenig geöffnet hatte… mit einer Geste, die er seltsamerweise zulassen konnte. Es wusste, trotz der Dunkelheit dass sie lächelte, auch dann, als sie die Treppe ins Erdgeschoss hinab ging und ihn hinter sich her schleifte. Und das erste Mal seit langer Zeit spürte Link den Wunsch mit jemandem zu reden… auf einer innigen, vertrauten Ebene, so wie er manchmal mit Saria geredet hatte…
 

„Feuer hat tatsächlich etwas Uraltes, Mythisches…“, sprach Ariana, als ein lichtes Feuer im Kamin pulsierte. „Feuermagie… jedoch ist eine eher komplizierte und gefährliche Geschichte“, setzte sie hinzu. Sie macht es sich auf dem alten Bärenfell vor der Wärmequelle gemütlich. Link bediente sich währenddessen von der Suppe, genoss eine weitere Portion in seinem Magen.

„Ich konnte einst… Dins Magie benutzen, einen tosenden Ring aus Feuer, aber dieser würde die gesamte Hütte abfackeln“, sprach Link erheitert. Die Erinnerung daran, als er diesen Effekt das erste Mal eingesetzt hatte, überwältigte ihn mit Frohsinn. Er hatte die Wirkung jener Magie völlig unterschätzt und bei seinen Brüdern, den Goronen, einen Feueralarm ausgelöst.

„Du kannst die Magiegeister beherrschen, Link… Erzähl‘ mir davon.“

„Was genau möchtest du wissen?“, schmatzte er und genoss das leckere Hylanor.

„Was hast du in der Ritterschule so gelernt? Gibt es aus dem Zauberunterricht etwas, das dich begeistern konnte.“

Er sah nachdenklich auf und stellte die Suppenschale vor sich auf den Boden. „Es ist eher so, dass es kaum etwas gibt, das für mich neu wäre…“, erklärte er. „Wir haben im Zauberunterricht einige Grundlagen kennengelernt, aber es ist ein eher unbedeutendes Feld, da die meisten Ritterschüler eben keine Hexer sind.“

„Dabei ist es entschieden von Vorteil Magie im Kampf einzusetzen.“

„Ich habe es eher wenig beachtet…“, murmelte er. „Ich muss gestehen, dass es mir manchmal schwergefallen ist Magie zu kontrollieren.“

„Vielleicht liegt es daran, dass du zu mürrisch bist“, lachte sie. „Der Magie gefällt dies nicht.“

Er warf ihr einen zynischen Blick entgegen und rümpfte die Nase.

„Magie ist etwas sehr Feines, Lebendiges, das einen eigenen Willen entwickeln kann. Manchmal so sehr, dass sie dem Ausübenden alle Energie abverlangt. Und sie zu halten gleicht einem Pfad auf einem dünnen, rissigen Schleier. Magie will verstanden und oftmals begehrt werden…“

„Das klingt so, als wüsstest du eine Menge über Magie“, kombinierte der Ritterschüler.

„Ich habe eben sehr viel Lebenserfahrung“, kicherte sie mit dem Versuch seinen Scharfsinn zu beschwichtigen.

„Das glaube ich ja noch weniger“, murmelte er und schenkte ihr einen weiteren misstrauischen Blick. Aber auch jenem Blick begegnete das geheimnisvolle Mädchen mit Wärme und Zuneigung, die ihre Gesichtszüge erstrahlen ließen. „Ich mag deinen Zynismus, Link.“

Er zwinkerte und ließ Worte über den Mund wandern, zu denen er sich noch nie hatte hinreißen lassen. „Ich mag deinen auch…“

Verwundert hob Ariana ihre Augenbrauen und begutachtete die Verlegenheit in Links Gesichtszügen. Hatte er gerade einen Hauch von Zuneigung in seine Worte gebracht?
 

Er wendete sich ab, begann leicht zu erröten. „Ich hatte schon die Befürchtung, dass Prüfungen stattfinden, aber das Lehrpersonal hat sich entschieden diese endgültig an das Ende des Schuljahres zu setzen, weil so viele Dinge geschehen sind… der Mord an Hopfdingen… der Angriff am Destiniatempel“, sprach Link unsicher, ihm war anzusehen, dass er von seinem Gesprächsthema ablenken wollte und sich damit verrannt hatte. Das Gespräch schien eine unerwartete Wendung zu nehmen.

„Mir ist klar, dass es nicht leicht für dich ist darüber zu reden“, sprach sie und berührte seine linke Schulter. „Ich hoffe aber, du kannst es mir anvertrauen.“

„Das ist nicht das Problem…“, entgegnete er seufzend.

„Du vertraust mir?“

„Ich weiß nicht…“

Aber auch dies hatte sie erwartet. Mehr konnte sie nicht von ihm verlangen. „Was ist es dann, Link?“ Sie wusste aus einem Funken in ihrem Inneren, dass sie nachbohren musste.

Er hüpfte auf die Beine. Während Ariana geduldig auf eine Antwort wartete, marschierte er auf und ab. „Ich will nicht darüber reden…“, knurrte er und verschränkte die Arme.

„Davon wird es aber auch nicht besser“, sprach sie vorsichtig und ließ ihren Blick im Feuer versinken.

„Aber ich kann absolut überhaupt nichts tun… was soll das Reden schon bringen!“, platzte es aus ihm heraus.

„Natürlich wird es vom Reden nicht besser. Deshalb musst du beginnen mit anderen sachgemäß darüber zu diskutieren.“

„Bei Farore, du bist die Sturheit in Person“, seufzte er.

„Und ich werde so lange stur bleiben bis du endlich mit der Sprache rausgerückt bist!“, rief sie. Arianas wache, helle Augen loderten mit diesem fernen Feuer, das es schien als könnte sie absolut alles damit erzwingen. „Link“, sprach sie laut und eindringlich. „Es ist genug jetzt mit diesem Affentheater. Du brauchst Antworten! Ich brauche Antworten. Brich‘ dein Schweigen endlich oder ich sauge dir die Worte auf andere Weise aus dem Mund!“ Und damit erhob sie sich ebenfalls und thronte sich vor ihm auf. Link blinzelte verschwitzt und fragte sich heimlich, ob alle Mädchen ab einem gewissen Punkt auf diese Weise reagierten. Er kannte diesen Tonfall von Naboru… aber vor allem von Zelda…

Verbissen sah sie ihm entgegen und versuchte mit aller Gewalt das Blinzeln zu unterdrücken.

„Ariana, was hast du davon, dass ich dir die Dinge erzähle, ich weiß so gut wie nichts über dich und deine Motive“, sprach Link schließlich und war froh, seinem Misstrauen ihr gegenüber endlich Luft gemacht zu haben. „Glaubst du, ich merke nicht, wie eigenartig unsere Begegnungen verlaufen sind und wie eigenartig unsere Form von Freundschaft ist.“ Link rieb sich über die Augen, als er sich erklärte. „Du hast einige Geheimnisse, Ariana… und das spürt man einfach…“

Sie seufzte. „Nun ja, ich schätze, ich habe nicht mehr Geheimnisse als du…“

„Das war ein guter Konter…“, murmelte er.

„Wir sind uns ähnlicher, als es den Anschein hat…“, sprach sie und schürte noch mehr Misstrauen in Links Gemüt.

„Und doch kennen wir uns kaum…“

„Wir kennen uns soweit, dass es reicht…“

„Reicht… wofür?“

Etwas verlegen schloss Ariana die bernsteinfarbenen Augen. „Wir werden sehen…“ Und damit lächelte sie in das pulsierende Feuer. „Aber im Ernst jetzt, Link… was hältst du davon mehr Magie einzusetzen?“, lenkte sie ab. „Ich könnte dir helfen sie zu führen.“

„Sieh‘ einer an… jetzt hast du dich verraten. Du bist also doch begabt in Magie, richtig?“

„Vielleicht“, lachte sie und fokussierte ihren Blick nach wie vor in das flackernde, heiße Feuer. „Aber das werde ich dir nicht verraten“, und damit grinste sie verschmitzt.

Irritiert und beleidigt erwiderte Link Arianas Blick und wusste, dass sie ihm gewiss nicht mehr dazu sagen würde. Die jugendliche Schönheit streckte sich und lehnte sich zurück, noch immer umschmeichelte ein Grinsen ihr hübsches Gesicht.

„Und wie genau, willst du mir beibringen, Magie besser zu nutzen?“

„Das sage ich dir, wenn du mir über den Angriff der Dämonen berichtest“, sprach sie schlagfertig.

„Das ist… erpresserisch“, und Link verschränkte die Arme.

„Mag sein“, lachte sie und noch immer ließ sie ihre bernsteinfarbenen Augen von dem zarten Feuermeer und den glühenden Kohlen, die es verzerrte, bespiegeln.

Und es war dann, dass Link erneut auf und ab marschierte. Diese vertraute Situation mit Ariana, dem eigensinnigen Mädchen, hier den Winter zu verbringen, ließ ihn sich für wenige Augenblicke, aber so spürbar tief, beinahe wie einen gewöhnlichen Burschen in Hyrule fühlen. Hier waren sie beide im tiefsten Winter, in einer unbekannten Hütte, genossen es auf eine seltsame Weise sich zu unterhalten, genossen so etwas einfaches und doch unsagbar edles wie das wärmende Feuer und ließen Worte über die Lippen gleiten, die gesagt werden mussten, die aber auch so etwas wie Lebensfreude in sich trugen. Mit Ariana hier zu sein, war nicht wirklich vertraut, es war nicht wirklich seltsam und es war nicht wirklich notwendig… aber irgendwie fühlte es sich für den vergessen Heroen richtig an.

Er beobachtete sie mit Neugierde, erstaunte an dem stillen, genügsamen Lächeln in ihrem Gesicht, während sie die Feuergeister schwinden und entstehen sah. Und wohin auch immer diese Stunden mit ihr führen würden, für Link gab es gerade nur noch ein Gefühl der Sicherheit.

„Ariana…“, sprach er Vertrauen suchend, und er sprach ihren Namen leise und langsam, so melodiös wie man einen Namen nur sagen konnte, dass sie seinem Blick voller Erwartung begegnete. „Ein Teil von mir… weiß…“, begann er, und doch fiel es ihm so schwer, seine Stimme atmen zu lassen. „… ein Teil weiß…“, und doch zögerte er. „dass ich dir vertrauen kann… Aber, was den Angriff am Tempel der Destinia angeht…“ Er atmete erneut tief durch und in seine Gesichtszüge trat Schmerz.

„Link…“, murmelte sie und lächelte leise. „Es ist in Ordnung.“ Sie berührte mit beiden Händen sein Gesicht. „Wenn ich etwas gelernt habe besser zu machen, während ich das Leben in Hyrule verstanden habe, dann das, auch dir zu vertrauen. Wenn es dich so schmerzt über den Angriff zu sprechen, dann erzähl‘ es mir, wenn du so weit bist.“

Link blinzelte mehrfach, weil ihm Arianas plötzliches Verständnis in dieser Angelegenheit erschien, als hätte sie plötzlich ihre Gestalt gewechselt. Hatte sie nicht die gesamte Zeit versucht alle möglichen Informationen aus ihm herauszupressen?

„Warum… bist du plötzlich damit zufrieden?“

Sie lächelte einmal mehr. „Weil du mir gesagt hast, dass zumindest ein Teil von dir mir vertraut. Mehr wollte ich gar nicht.“ Sie nickte und wünschte ihm eine Gute Nacht. Mit noch mehr Verwirrung als vorher ließ sie den jungen Link in seinen ungeklärten Fragen zurück und ging in das obere Stockwerk. Und als er seinen Blick noch einmal in das Feuer lenkte, so hatte er für Sekundenbruchteile das Gefühl in dem Schwall aus Rauch und Feuer etwas zu entdecken, dass sich sehnsüchtig und gewaltvoll aus dem Flammengestrüpp erhob. In dem Feuer spannte sich ein Netz der Energie… eine feine Grundader des Lebens, die pulsierte. Link zwinkerte und als er erneut den Fokus in die Flammen richtete, war dieser Eindruck von etwas Uraltem wieder verschwunden. Vielleicht, so dachte er, war es mit der Magie wirklich so, wie Ariana sagte. Magie wollte verstanden werden und erst in jenen Momenten, wo Link im Einklang mit sich sein konnte, erst dann, wäre er in der Lage das Antlitz von etwas so uraltem wie der Magie zu verstehen…

Es war lange her, dass Link ein Fest im Kreis seiner Landsleute, der Hylianer, genossen hatte. Und es war sehr lange her, dass er an einer Feierlichkeit wie dem Fest der Nayru teilnahm. Seine sturmblauen Augen waren entzückt von dem bunt geschmückten Städtchen Lyriellen, was in den meerblauen und kristallenen Farben Nayrus erstrahlte. Überall hingen Girlanden aus blauem Stoff, bestickt mit Perlen und glitzernden Muscheln. An den mit Schnee bedeckten Häusern, die dicht gedrängt aneinander standen, funkelten die Tränen der weisen Göttin in Form riesiger Eiszapfen.

Wie ein verstecktes, wärmenden Nest lag Lyriellen zwischen mehreren schneebedeckten Hängen, wurde geschützt von schwarzem Felsen, der das Kerzen- und Fackellicht spiegelte. Lyriellen war in der Tat eine hübsche, ansehnliche Ortschaft mit einem ansehnlichen Markplatz mit Brunnen, der ebenfalls mit blauen Gewändern geschmückt war. Man erzählte sich sogar, Nayru persönlich, wäre hier oft ein und ausgegangen. Die an die fünfhundert Einwohner hatten unzählige Lichtquellen errichtet. Laternen mit blauen Lichtern leuchteten den Weg, hier am späten Nachmittag, wo eine bekannte Musikgruppe Lieder der Wärme und des Wohlwollens an diesem bedeutenden Tag spielten. Es war Leneys Wandertruppe, geführt von einer jungen Dame mit silbernem Haar. Sie sang von Liebe und Reinheit, von ewigwährender Liebe, welche Nayru bei ihrer Geburt über der Welt ergossen haben soll.
 

Ariana und Link waren vor einer halben Stunde hierher aufgebrochen, lauschten sie den heiteren Klängen der Musikgruppe bereits von weitem, lauschten dem sinnlichen Klang von Leneys klangholzartiger Stimme, spürten die Vibrationen zweier Trommeln, die den Klang von Geige und Flöte abrundeten. Ariana führte den einstigen Heroen direkt durch das Städtchen, was ihm sagte, dass sie sich hier sehr gut auskannte. War sie hier in der Nähe geboren worden? Durch eine Menschenmenge von lachenden, tratschenden Hylianern gelangten sie zu dem Marktplatz, wo wie in alter Tradition Gebilde aus erstarrtem Wasserkristall am Brunnen aufgetürmt wurden. Eine Statue Nayrus, die mehrere Hylianer in ihren Händen hielt, beschützt von Adlern, Falken, Raben und allerlei fliegendem Getier aus Eis. Die Kerzen, die in den Lüften schwebten, zauberten ein Meer der Lichter, gespiegelt von den unzähligen Eisstatuen. Hier lebte ein Märchen, dann um die wohl innigste Zeit des Jahres. Hier zwischen den Felsen und Berghängen lebte ein altes Märchen in Gestalt von Lyriellen und verbreitete Hoffnung und Wärme, ließ Herzen der Hylianer tanzen…

„Es ist… schön hier…“, murmelte Link über seine Lippen. Er hatte diesen Ort noch nicht besucht, hatte sich lange nicht so heimisch gefühlt.

„Das Städtchen ist benannt nach einer der Töchter Nayrus mit Namen Lyriella… Die Einwohner sind sehr ehrgeizig, was das Einhalten der alten Rituale angeht. Eigentlich ist Lyriellen schon sehr bekannt, sogar der höhere Adel kommt gelegentlich hier vorbei“, entgegnete Ariana, die den jungen Helden nur mit gutem Zureden dazu gebracht hatte, hierher zu kommen. Sie erinnerte sich ungern an die Überzeugungsarbeit, die sie heute Morgen leisten musste um Link dazu zubewegen aus dem Haus zu gehen. Er war seit gestern Abend beinahe mürrisch, vielleicht war das Gespräch von gestern doch an einige empfindliche Nerven gelangt.

Am Marktplatz, der von wärmenden, rosa und blauen Lichtern erhellt war, verkauften Handwerker ihre Errungenschaften. Süßer, erweckender Herzbeerenwein mit Honig wurde zu einem guten Preis ausgeschenkt. Sie tapsten neugierig daran vorüber, hörten das Getratsche der vielen Leute, hörten das Lachen Dutzender Kinder, die hier spielten, als Link am Stand des Schuhmachers stehen blieb und sich ein paar neue Stiefel betrachtete. Er musste zugeben, dass seine Schuhe abgenutzt waren und er manchmal den Schneematsch an seinen Füßen spürte. Ein neues Schuhwerk wäre sicherlich gut, aber er rümpfte die Nase angesichts des Preises.

Der kräftige Schuhhandwerker mit den breiten Schultern und einem auffallend gepflegten, langen Spitzbart im Gesicht bemerkte sehr wohl Links Interesse, aber betrachtete ihn sehr kritisch. Es war nicht so, dass Link sich in den letzten Wochen bezüglich seines Auftretens Mühe gegeben hatte. Tatsächlich sah er mit den viel zu langen, blonden Strähnen, seiner alten, abgenutzten Kleidung und wenigen ungepflegten Bartstoppeln nicht gerade einladend und freundlich aus.

„Magst du dir ein paar neue Stiefel gönnen, Link?“, meinte Ariana, die mit ihrem hübschen Äußeren sofort einen besseren Eindruck bei dem Schuhmacher erzeugte. Er zupfte sich an seinem spitzen Bart und blickte das adrette Mädchen interessiert an.

Link seufzte und schüttelte schließlich den Kopf. Er spürte Schamgefühle bei dem Gedanken Ariana erklären zu müssen, dass er sich seinen Lebensunterhalt in letzter Zeit, vor allem bedingt durch seine Schwäche nicht mehr so verdienen konnte, wie er es wollte. Er war immer selbstständig gewesen und hatte sich mit allen möglichen Aufträgen, ob es darum ging, seltene Gegenstände oder Kräuter zu beschaffen, oder Diebe zu fassen, wie auch Dämonennester zu beseitigen, immer sehr gut finanzieren können. Und jetzt war er schlichtweg pleite…

„Schau‘ mal, die hier sehen doch super aus“, sprach Ariana begeistert und bewunderte die ausgefeilte Lederarbeit. Sie hatte den Blick auf ein paar nussbraune Stiefel mit filigranem, aber stabilem Muster geworfen. Gefüttert war jenes Schuhwerk mit schwarzgefärbtem Fell. Aber am meisten gefiel Ariana, dass die Stiefel unheimlich bequem aussahen und Links Schuhgröße hatten.

„Bist du verrückt…“, murmelte Link, so leise wie möglich. „Das sind die teuersten Schuhe, die er anbietet.“

„Na und?“, erwiderte sie energisch und schaute Link an, als habe sie noch nie irgendwelche Geldprobleme gehabt. „Ich finde diese Schuhe super, die sind den überteuerten, verrückten Preis sicherlich wert.“ Ariana sprach die Worte beinahe aufbrausend, so dass einige der umstehenden Leute sich zu dem Stand drehten. „Nicht wahr?“, sprach sie ihren Blick intensiv auf den Schuhverkäufer richtend. „Sie können mir doch sicherlich erklären, warum diese Stiefel fünf Hundert Rubine kosten, oder?“

Der Schuhverkäufer wirkte trotz seines muskulösen Äußeren beinahe etwas erklärungsschwach. „Nun ja“, begann er.

„Ich verstehe schon“, meinte Ariana und erst da verstand Link die Hinterhältigkeit in ihrem Blick. „Das ist schließlich das beste Leder aus Gerudostadt, oder?“

„Ähm, das ist es eigentlich nicht“, antwortete der Schuhverkäufer. Und noch ehe er weiterreden konnte, meinte Ariana: „Oh, dann erklärt sich der Preis wohl durch das aufwendige Muster. In dieses Muster sind hylianische Schutzzauberformeln eingearbeitet, habe ich Recht?“

„Nein, nein… das ist nicht der Fall“, erklärte der Schuhmacher und bemerkte selber immer mehr seine Erklärungsnot.

„Aber das eingearbeitete Fell, das muss doch von der Mähne eines schwarzen Silberschneehirsches stammen, so weich wie das sich anfühlt und wie das glitzert.“

„Ist ja schon gut, ich biete euch die Schuhe für dreihundert Rubine an“, sprach der Verkäufer seufzend und blickte dem blinzelnden und verwunderten Link entgegen. Verdammt, dachte der vergessene Held, Ariana war eine echt talentierte Geschäftsfrau.

„Okay, für dreihundert Rubine nehmen wir sie“, sprach sie zufrieden. Aber sie ignorierte scheinbar Links hilflose Mimik, der auch keine dreihundert Rubine besaß. „Ariana, warte bitte“, meinte er und versuchte sich zu erklären, als sie ihn aber auch hier einfach mundtot stellte. „Wenn du dir diese Schuhe nicht leisten kannst, schenke ich sie dir einfach.“

„Das kann ich nicht annehmen“, sagte er stur, obwohl er zunächst sehr überrascht war, woher Ariana so viel Geld hatte. Verdiente ein Schmied denn so gut?

„Oh doch, das wirst du annehmen. Sagen wir, es ist dafür, dass ich einige Tage bei dir bleiben durfte“, argumentierte sie.

„Ariana, ich sage es kein weiteres Mal: Ich kann das nicht annehmen“, meinte Link, nun eine Spur verdrießlicher, worauf Ariana beide Hände zu Fäusten ballte und die Nase rümpfte.

„Warum nicht?“, sprach sie, auf ihrer Zunge lag bereits Trotz und Sturheit.

„Weil ich dein Geld nicht will“, raunte Link.

„Deswegen schenke ich dir diese Stiefel ja“, erwiderte sie.

„Aber ich will nicht, dass du mir etwas schenkst.“

„Weil du dann das Gefühl hast in meiner Schuld zu stehen?“

Und damit blickte Link zu Boden und schwieg. Es war ja nicht so, dass er sich über Geschenke nicht freuen würde. Das Geschenk von seinem Lehrer Nicholas hatte er auch annehmen können. Warum fiel es ihm so schwer von Ariana ein Geschenk zu genießen?

„Jetzt lass‘ mich dir einmal im Leben etwas schenken!“, schimpfte sie plötzlich. Links schwache Argumente dagegen und sein plötzlich stilles Verhalten machten sie noch wütender als ohnehin schon. Er hatte ihr diesen Winter das Leben gerettet. Wäre er nicht da gewesen, hätte keiner gewusst, wie er ihr Leben hätte retten können und Link ließ sich dafür nicht einmal ein paar läppische Stiefel schenken?

„Hör‘ endlich auf mit deinem übertriebenem Edelmut und sei mal egoistisch!“, setzte Ariana stocksauer hinzu, knallte dem Schuhmacher dreihundert Rubine auf den Tisch, schnappte sich die Stiefel und drückte diese Link in die Hände. „Und jetzt werde ich nicht mehr darüber diskutieren. Basta!“

Link seufzte, ein leiser Ausdruck des Wohlgefallens in seinen Augen. Der Schuhverkäufer grinste zu dem Schauspiel und lachte schließlich, worauf Link etwas rot anlief und seiner Freundin Ariana hinterher stapfte. Als er sie einholte, bemerkte er einen Schatten des Trübsinns auf ihrem ebenmäßigen Gesicht, der ihm irgendwie vertraut erschien. Hatte er ihre Gefühle verletzt, weil er sich so gegen ein Geschenk gewehrt hatte? „Ariana… es tut mir leid…“, sprach er leise.

„Lass‘ uns nicht mehr darüber reden“, meinte sie streng, aber Link spürte deutlich, dass es ihr Kummer machte. Mehr noch, er sah eine herbe Enttäuschung in ihren bernsteinfarbenen Augen. Sie senkte den Kopf, sodass dunkle Strähnen über ihre Augen fielen und jedes weitere Gefühl versteckten.

„Du hast nichts dagegen, wenn dir irgendjemand etwas schenkt, aber wenn ich es tue, ist es immer… immer… falsch“, platzte es aus ihr heraus und noch immer trat Ariana zügig vorwärts. Irritiert wich der vergessene Heroe zurück und konnte ihre Worte in Nichts einordnen, was sie teilten. „Argh“, schimpfte sie. „Vergiss es einfach!“

Link blieb mit einem Stirnrunzeln zurück und konnte sich aus Arianas verzweifelten Worten einfach keinen Reim bilden. Wann und wo hatte er Geschenke von ihr abgelehnt? Oder hatte er irgendetwas Wichtiges völlig ignoriert?
 

„Komm‘ jetzt, Link!“, brummte sie grantig und stapfte in Richtung des Marktes, dort wo eine unterhaltsame Aufführung stattfinden sollte. Gerade zu Ehren Nayrus veranstalteten viele Dörfer in Hyrule die berühmtesten Schaustücke. Manchmal erzählten die Hylianer über der Götter wundersame Taten, manchmal wurden Legenden auf Bühnen wiedergegeben und manchmal sogar erhielten Geschichten aus ewig vergessener Vergangenheit neue Aspekte oder Sagen wurden in ein humorvolles Licht gerückt. Was Ariana und Link jedoch nicht ahnten, war, dass auch die Bewohner Lyriellens sich ein Schauspiel ausgedacht hatten. Und das, was sie präsentieren würden, war etwas, dass sehr viel Bedeutungsgehalt besaß. Es war eine Geschichte, die im Volk immer wieder erzählt wurde. Eine Geschichte, die keine Beweise trug und von einem Großteil der Hylianer kaum akzeptiert wurde… Eine Legende, die in aller Munde war und doch von so wenigen wertgeschätzt. Eine Legende der Helden…

Gerade das einfache Fußvolk konnte sich die Erzählungen um den Zeitkrieg kaum begreiflich machen, kaum verstehen. Hyrule war in vieler Hinsicht zwiegespalten, was die Legende der Helden anging, zumindest in diesem Zeitalter, und man konnte es dem Volk vielleicht auch nicht übel nehmen. Wer wollte schon daran glauben, dass ein Jüngling einen Dämon aus der alten Zeit geschlagen hatte, wo selbst hochrangige, gut ausgebildete Ritter dies nicht konnten. Wer glaubte schon an einen Jugendlichen, der so mutig war, dass er eine Welt mit diesem Mut retten konnte? Und wer glaubte schon an Zeitreisen? Und vielleicht war dies der Grund, warum sich einige Einwohner in Lyriellen dachten, warum sollte man nicht diese Geschichte im Volk nutzen um mit einem Theaterstück den Göttern zu huldigen?
 

Ariana hatte zwei Krüge süßen Herzbeerenwein an einem der Stände geholt und pflanzte sich noch immer beleidigt auf eine der vielen Bänke. Sie würdigte Link keines Blickes und fühlte sich aus irgendeinem Grund beinahe überfordert mit sich selbst. Warum verletzte es sie so immens, ob er nun ein Geschenk von ihr ausschlug oder nicht? Sie wusste ja, warum er es ausgeschlagen hatte… sie wusste ja, dass er sich immer schwer damit tat etwas anzunehmen…

Mittlerweile senkte sich der riesige Feuergott am Himmel in seinen überfälligen Schlaf und die Dämmerung zog herauf. Schatten schlichen sich hier nach Lyriellen, einige Häuserecken beschenkte die Abendstimmung mit scharlachroten Gemälden. Ariana spürte eine zunehmende Frostigkeit, nun, da die Sonne am Himmel versank und ohne Herzbeerenwein war die Kälte kaum auszuhalten…

Sie drückte dem noch immer verunsicherten Link einen warmen Tonkrug in die Hand und versuchte ihren Ärger zu ignorieren. Er blickte etwas hilflos in ihr Gesicht, setzte sich, aber schwieg. Beschämt nahm er einige Schlucke von dem leckeren, wärmenden Getränk, atmete tief angesichts der angenehmen Wärme, die ihn durchflutete. Ja, Herzbeerenwein… Es gab in Hyrule kein berühmteres Getränk, und keines, das ähnliche wohltuende Effekte auf den Elfenkörper hatte…

Plötzlich bemerkte er ein bekanntes Gesicht, nur zwei Reihen weiter vorne. Da saß Mondrik Heagen, der gut genährte Bursche, der vor wenigen Tagen übel zugerichtet wurde. Leicht zitternd saß der Ritterschüler dort, beschützt von seinem Vater und seiner Schwester Olindara, eingehüllt in einen wärmenden Pelz, an seinem dunkelgelockten Haar bildeten sich winzige Eiszapfen. Und in Mondriks Gesicht waren Blutergüsse und Kratzer erkennbar. Noch war dieser Vorfall um seine Verletzungen kaum geklärt worden. Noch immer stand ein unsinniger Verdacht im Raum, weil Mondrik das Wort ,Helden‘ mit seinem eigenen Blut an die Wand geschrieben hatte… der Verdacht, es wäre Link gewesen, der ihn so misshandelt hatte.

Der einst so mutige Ritterschüler war sich nicht sicher, ob er Mondrik wegen dem Geschehenen ansprechen sollte, überhaupt war er sich vieler Dinge nicht mehr so sicher wie früher. Er seufzte und entschied sich zunächst dafür die Heagens nicht zu stören. Auch Ariana bemerkte die bekannten Gesichter zwei Reihen weiter und ahnte um Links Zweifel. Sie schob ihren kindischen Ärger von vorhin zur Seite, griff nach Links rechter Hand und nickte ihm ermutigend entgegen. „Ich weiß… Rede mit Mondrik, okay?“

„Du weißt Bescheid?“, sprach Link, aber war gleichzeitig kaum überrascht. Ariana wusste sichtlich über die meisten Dinge Bescheid. „Woher?“

„Ich kriege nun mal einiges geflüstert“, lachte sie, aber boxte Link an den Arm. „Denk‘ aber daran, dass ich immer noch sauer bin.“ Sie rümpfte die Nase und deutete Link an nach Mondrik zu schauen. Er seufzte, verstand den leichten Humor in ihren Worten und versuchte sich mit einem tiefen Atemzug klar zu machen, was er mit Mondrik bereden musste. Zögerlich durchquerte Link die hölzernen Bankreihen, hatte in der rechten Hand seinen wärmenden Herzbeerenwein und schloss seine linke Hand zur Faust. Mondrik sah ihn just in dem Augenblick, aber wirkte zu Links Beruhigung kaum verunsichert. Ganz im Gegenteil… Mondrik nickte ihm zu und deutete auch seiner Schwester und seinem Vater an, dass er mit Link reden würde. Der kleine, untersetzte und sonst so ängstliche Ritterschüler mit den kastanienbraunen Locken erhob sich und trat zu dem Heroen hinüber.

„Hallo, Link“, sprach er scheu. In der hereinbrechenden Abenddämmerung waren die Wunden in seinem Gesicht, auch seine entstellte Stirn, noch deutlicher sichtbar. „Guten Abend, Mondrik“, murmelte Link, aber vermied es dem Jungen in die Augen zu blicken. Einmal mehr wunderte sich der vergessene Held darüber wie dieser schmächtige, beinahe winzige Bursche in der gleichen Jahrgangstufe wie Link sein konnte. „Es tut mir leid, was mit dir passiert ist…“ Der vergessene Heroe wusste nicht so recht, wie er mit dem Heagensohn in ein Gespräch kommen sollte. Eigentlich wusste er ja überhaupt nichts über ihn, wusste nichts über seine Ziele und Hintergründe, nur, dass er wohl kaum für das Leben eines Ritters gemacht schien und dass er seine Mutter früh verloren hatte. Vielleicht war auch das der Grund, warum Link Anteil an dem Leben Mondriks zeigen wollte. Er wusste wohl umso besser was es hieß in ein Leben hineingepresst zu werden, dass doch eigentlich nicht für ihn gemacht schien. Der Heroe fühlte sich verantwortlich und es stimmte Link traurig, dass er den fiesen Angriff auf Mondriks Leben mit all den daraus resultierenden Verdächtigungen nicht verhindern konnte.

„Es war nicht deine Schuld“, meinte der Junge piepsig. „Es ist wohl so, dass ich mich nicht gut verteidigen kann.“ Er schluchzte etwas, aber bemühte sich vor dem Helden der Zeit standhaft zu wirken. „Ich verstehe auch nicht so recht, warum mir das geschehen ist… warum muss so etwas immer mir passieren?“, setzte er wimmernd hinzu. „Mondrik… glaubst du, du kannst mir berichten, was geschehen ist?“, riss Link ihn aus seiner Furcht. Des Helden Stirn runzelte sich angestrengt, zahllose Hypothesen über dass Ereignis bahnten sich in seinem Kopf.

Der kleinere Schüler nickte gefasster, dennoch stand in seinen braunen Augen lähmende Angst. „Es ist besser, wenn du es weißt. Denn, wenn du es weißt, vielleicht kannst du verhindern, dass es erneut passiert. Das wirst du doch, bitte…“

Mondriks ehrlicher Wunsch überforderte den einstigen Helden in dem Moment, wusste er doch, dass er sich vielleicht niemals wieder um die Grausamkeit in Hyrule so kümmern konnte wie er es gerne getan hätte. Dennoch war es seine Pflicht es zumindest zu versuchen.

„Ich habe nur… so viel Angst, dass diese Kreaturen wieder kommen, wenn ich zu viel sage…“

„Welche Kreaturen?“, bohrte Link nach. Ja, er hatte den Verdacht, dass es die Geschundenen der Macht gewesen sein könnten, aber er brauchte Bestätigung von Mondrik. Eine Druckwelle baute sich in seinen sturmblauen Augen auf, ein Zeichen der zunehmenden Bereitschaft mutig an dem Ereignis teilzuhaben. Link würde diesen Angriff aufklären. In seinen Augen erhob sich diese Gewissheit scharf und beinahe düster. „Sag‘ mir, welche Kreaturen“, bohrte er weiter, seine Stimmbänder vibrierten mehr als er es beabsichtigte. „Es waren keine Ritterschüler?“

„Ich weiß nicht…“, wimmerte Mondrik. „Es war zu düster in dem Gang… ich hatte mich gewundert, warum die Fackeln aus waren, als ich entlang lief, aber ich spürte nicht, dass da jemand war.“ Link versuchte das Ganze einzuordnen… Wenn es dunkel war und die Kreaturen auf jemanden gewartet hatten, dann… wieso war ihr Ziel Mondrik Heagen?

„Ich konnte die Wesen auch nicht sehen, das Licht meiner Fackel war einfach zu schwach. Ich sah nur, dass es drei Gestalten waren, allesamt umhüllt von dunklen Umhängen, groß und mit zischenden Stimmen.“ Konnte es sein, dass die Angreifer Mondrik ohne besonderen Grund angegriffen hatten? Oder gerade ihn ausgewählt hatten, weil er schwach war?

„Mondrik… hast du vorher in dem Gang irgendetwas gesehen? Oder vielleicht zuvor in der Ritterschule, etwas, dass dir komisch vorkam?“ Link stutzte und ging einige Ideen in seinen Gedanken durch. Vielleicht wollten sie Mondrik aus dem Weg räumen, weil er etwas beobachtet hatte?

„Nein… ich halte mich… eigentlich eher zurück, ich möchte ja gar nicht auffallen.“ Er schien wahrhaft nachzudenken, aber ihm fiel zu Links Frage nichts ein. Was den Heroen ebenfalls stark beunruhigte, war die Tatsache wie jene Angreifer überhaupt in die Schule gelangen konnten. „Als sie dich angegriffen haben, hast du da irgendetwas gehört? Haben sich diese Angreifer irgendwie unterhalten?“

Doch Mondrik schüttelte nur den Kopf. „Nein, nicht… ich habe sie angefleht mich gehen zu lassen!“, winselte er und rieb sich mit den Händen über seine Arme. Das Trauma saß tief in seinen Knochen, zappelig versuchte er die Erinnerung zu verdrängen. „Sie haben einfach nicht aufgehört… haben mich ausgelacht und immer mehr gelacht… Wieso haben sie einfach gelacht…“ Die Erinnerung ließ den Jungen sich schlimmere Kältegefühle als ohnehin schon entwickeln. Und da realisierte Link, dass es für Mondrik allmählich genug war. Mitleidig sank des Helden tiefsinniger Blick gen Boden. Auf seinen Gesichtszügen brannte eine noch stärkere Ungewissheit als vorher… nichts war geklärt, dachte Link, ganz im Gegenteil, das Gespräch mit Mondrik ließ ihn nur noch unruhiger werden. Denn nichts von diesem Angriff ergab irgendeinen Sinn. Der Held ließ seine Stimmbänder rollend erklingen, ein leicht gereizter Ton entkam seinem Mund. „Sag‘ mir, Mondrik!“, murmelte er gezwungen. „Glaubst du, du wurdest angegriffen, weil du weißt, wer ich bin…“ Links schöne, sturmblaue Augen, hier inmitten des beinahe leidvollen Sonnenuntergangs spiegelten haltlos sein ohnehin mit Zweifeln beladenes Bewusstsein, dieser zunehmende, marternde Druck erschaffen von Schuldgefühlen entstellte ihn. Erneut diese düsteren, unerwünschten Gefühle… peinigende Nutzlosigkeit…

,Du missratener, schwacher Held‘, sprach es in seinen Gedanken, eine Stimme der rohen Gewalt, die doch seine eigene war. ,Du verdammter Taugenichts…‘

Das Gespräch mit Mondrik brachte ihm gerade gar nichts ein… es war absurd, unnötig und bewirkte beinahe das Gegenteil von Links ursprünglichem Ziel.
 

„Es ist genug“, sprach es plötzlich anteilnehmend hinter Links angespanntem Rücken. Er hatte im Verlauf des Gesprächs gar nicht gemerkt, wie starr seine Muskulatur verschuldet seiner trübsinnigen Gedanken und der eisigen Temperaturen wurde. Ariana platzte wie eine Bombe in das Gespräch, so wie es ihre natürliche Art war ihre hübsche Schmiedtochternase in fremde Angelegenheiten zu stecken. Aber sie ahnte nicht, wie gut es in diesem Augenblick war die Konversation zu unterbrechen. Sie berührte den jungen Heroen an seinen steifen Schultern, zuckte mit den Händen aber sogleich zurück. Gerade jetzt wollte der Heroe von niemandem berührt werden. Als Link an ihr vorbei trat, seine Stimme unter Verschluss mit dem Versuch all seine Emotionen abzuschirmen, bemerkte sie diesen stillen Kummer dennoch… und jener besaß eine erschreckende Macht über ihn. Link wich außer Reichweite, als Ariana versuchte Mondrik die Situation zu erklären. „Link braucht unsere Unterstützung, weißt du…“, sprach sie und lächelte aufmunternd.

„Ja“, erklang es matt aus dem rundlichen Gesicht des schmächtigen Mondrik Heagen.

„Er ist nur manchmal ein wenig… zu sehr mit sich selbst beschäftigt.“ Auch dazu nickte der untersetzte Bursche.

„Du brauchst keine Angst mehr zu haben, Mondrik. Die Geschundenen der Macht werden dich kein zweites Mal bedrängen“, sprach sie eindringlich und fixierte Mondriks braune Augen mit einem energischen Blick. Er hatte nicht einmal die Chance ängstlich wegzublicken, ja, er hatte nicht einmal die Chance überhaupt Angst zu empfinden. Etwas in ihm ließ bei Arianas Worten aufhorchen, als klangen ihre Worte wie eine Prophezeiung. „Du weißt, weshalb sie dich gezwungen haben das Wort ,Held‘ mit Blut zu entehren?“ Mondrik wusste, dass dies keine wirkliche Frage war. „Wir werden das Ziel der Dunklen Links Ruf zu ruinieren verhindern, richtig?“ Das Volk wusste es vielleicht nicht, aber Hyrules Heldenlegende war ein unabdingbarer Teil der Realität und das Weltengesetztes. Ohne jene machtvolle Legende entzweite sich Hyrule in erschreckender Weise…

Mit einer bergeversetzenden Selbstverständlichkeit glitt Arianas Annahme zu dem niederträchtigen Vorfall über ihre blutroten Lippen, während sie ihr pechschwarzes Haar zurechtband. Es war so frostig, dass sich kleine Eiszapfen darin entwickelten und die Schülerin durch graue Flecken in den Haaren älter und reifer zu wirken schien als sie es tatsächlich war. Mondriks Mund öffnete sich träge, und doch stockte in seiner Kehle der Wille zu antworten. Stattdessen salutierte er wie ein Soldat, was Ariana ein Lachen entlockte und vielleicht auch bei Mondrik Ruhe in das Gemüt brachte. Irgendetwas in den Worten der dunkelhaarigen Schönheit hatte gerade alles verändert und auch Mondriks eigene Ängste klären können. Er trat mit einem hylianischen Abschiedsgruß zurück zu seiner Familie, schwankend und trippelnd, aber vielleicht hoffnungsvoll, während das Mädchen mit dem funkelnden Bernstein in ihrem gemächlichen, stolzen Blick die Welt voller Chancen vor sich sah. Sie hatte etwas erkannt, erfahrbar und real. Gerade der Angriff auf Mondrik zeugte von diesem niederträchtigen Willen der Dunklen. Ein verruchtes, böswilliges Spiel mit dem Ziel den Heroen über die Realitäten hinweg zu brechen. Die nächsten Entscheidungen würden widerspiegeln, was getan werden musste. Entscheidungen des Bösen und jene des Guten. Ein irrsinniger Wettlauf der Realitäten, das war es. Die Dunklen, wer immer sie waren, hatten sich in ihren Absichten vor Ariana verraten, etwas, womit sie arbeiten konnte. Ihre bernsteinfarbenen Augen wurden stechend und zornig, nun, da auch die Sonne in ihren Farben jenes Bernstein verstärkte. Ariana glühte innerlich, spürte eine Gewalt in sich toben wie ein unlöschbares Feuer, ein Phönix, der aus Asche immer wieder auferstand. Mit einem Schwur der Ältesten auf ihren Lippen. Niemand würde das alte Gesetz um die Helden Hyrules brechen. Kein dahergelaufener Dämon, nicht einmal ein Gott…
 

Als sich Ariana erneut zu Link begab, der trübsinnig, seinen Kopf auf die Hände gestützt, auf der hölzernen Bankreihe saß, tat ihr der Streit, den sie vorhin hatten, sehr leid. Ihn in seinen Blicken versinken zu sehen, frierend in diesem stillen Kummer, entlockte dem oft so heiteren Gemüt der Schmiedtochter ein anteilnehmendes Seufzen. Sie nahm ruhesuchend neben ihm Platz, nahm seine linke Hand in ihre beiden, aber begegnete dem verwirrten Blick des heldenhaften Burschen nicht. Sie entschied sich zu schweigen, denn das war es wohl, was zu oft Links einzige Option war mit den Bürden seines Lebens umzugehen. Schweigend hielt er seine Zweifel aus und vielleicht deswegen schwieg Ariana nun ebenfalls.
 

Es war nicht so, dass der Tag besonders gut angefangen hätte, dachte Ariana, während sie mehr und mehr ihr Gesicht verzog anhand eines obskuren Schauspiels auf der Bühne, das die Menschen doch eigentlich erfreuen sollte. Link, der Morgenmuffel, hatte eigentlich nicht einmal aufstehen wollen, erinnerte sie sich. Und seine trübsinnigen Gesichtszüge, als sie versuchte ihn zu überzeugen auf dieses Fest zu gehen, ließen sie wissen, dass er einen üblen Alptraum aus der Nacht mitgenommen hatte. Natürlich verarbeitete sein Bewusstsein die neue Gefahr für Hyrule bei Nacht… natürlich ließ er auch da niemanden an sich heran.

Dann war das Gespräch mit Mondrik schlichtweg schief gelaufen, aber selbst das hatte man vielleicht an diesem Tag noch verkraften können. Nein, und in Arianas Gesichtszügen tobte ein neuer, gigantischer Zorn. Sie zuckte mit den Lippen, spürte Beleidigungen auf ihrer Zunge, entzündet von ihrer eigenen temperamentvollen Urgewalt. Nein, es war ja nie genug an Demütigungen, die Link auszuhalten hatte. Es war niemals genug Prüfung für den Helden Hyrules…

Und nun saßen sie beide stillschweigend hier, verkrampften sich innerlich, als sie dem Schauspiel auf der Bühne folgten. Wer immer sich das Stück ausgedacht hatte, war wohl nicht so begeistert von der Legende der Helden Hyrules. Denn hier auf der Bühne in diesem kristallenen Winterzauber, den fröstelnden Temperaturen, erzählten Schausteller eine Geschichte über die Helden, die die Hylianer so wohl nicht kannten. Sie spielten Helden, die tollpatschiger und dümmer nicht sein konnten, ließen jene Gefahren durchstehen, die lachhafter und unsinniger gar nicht sein konnten und sie ernteten Gelächter und erfreute Rufe aus dem Publikum, die schriller und gehässiger nicht sein konnten. Je länger das Schauspiel ging, umso widerlicher wurde es für Ariana. Da war ein grünbemützter Mann auf der Bühne, eher fettleibig, klein und erinnerte vielleicht ein wenig an Tingle, wobei man erwähnen musste, dass Tingle eine sehr herzliche, gutmütige Persönlichkeit besaß, was sie von dem Schauspieler nicht sagen konnte. Eine Flasche dickes, hylianisches Gebräu in der einen Hand, ein Kurzschwert in der anderen, hüpfte dieser auf einen weiteren Kerl, der ein rotes Drachenkostüm trug, Der Drache quakte, lachte und flehte: „Oh Held mit dem dicken Gesäß, ich kann mich unter Eurer Last kaum erheben, so sterbe ich dahin.“ Das Publikum brüllte, denn schon immer wollte niemand daran glauben, dass ein einzelner Mann imstande wäre, einen Drachen zu töten. In einer weiteren Szene war da ein grünbemütztes Kind, dass einem als Wildschwein verkleidetem Mann, einen Klaps auf den Hintern gab, worauf das angebliche Schwein zu Boden krachte und mit stupiden Worten verendete. Auch hier amüsierte sich das Publikum, wollte doch niemand daran glauben, dass ein Kind einen mächtigen Dämon wie Ganon, in die Knie gezwungen hatte…

Und je mehr Ariana sah, umso schlimmer wurde ein neuer Schmerz, der sich beinahe teuflisch in ihr Herz bohrte. Das konnte nicht sein… Was geschah hier? Warum nur musste Link diesen Unsinn mit ansehen? Mehr noch… Ariana fühlte sich schuldig, dass sie ihn hierher gebracht hatte, sodass diese Demütigungen wie Pfeilspitzen auf ihn niederprasseln konnten.

Aber Link verhielt sich unfassbar ruhig, wirkte kaum vorhersehbar in den leichten Bewegungen in seinem Gesicht. Seine Haltung verriet kein Gefühl, aber in seinen schönen blauen Augen tobte eine Gewalt, die schlimmer war als jeder Winter und schlimmer als der heftigste Sturm auf See. Und da fühlte sich die stolze, eigenwillige und oftmals trotzige Schmiedtochter angesichts Links reifer Seele völlig überfordert. Warum auch sollten ihn diese Beleidigungen nur irgendetwas anhaben? Warum sollten solche peinliche Entstellungen ihm irgendetwas bedeuten? Er hatte zu viele Leben gelebt, zu viele Schrecken gesehen und zu viele Kämpfe überstanden als sich dieses unreife, idiotische Spektakel zu Herzen zu nehmen.

Das hieß aber nicht, dass Ariana diesem Irrsinn weiterhin mit einem schweigenden Gemüt begegnen würde. Sie war nicht auf den Mund gefallen, sie war sicherlich auch nicht der dümmste Mensch oder die unerfahrenste Seele, oh ja, und sie besaß Temperament. Vielleicht weil es notwendig war die Heldenlegende zu verteidigen, oder vielleicht auch nur aus dem egoistischen Trieb heraus ihren gewaltvollen Trotz und ihren Zorn zeigen zu können, erhob sie sich, und erntete einige verwirrte, überraschte Blicke. Aber damit ließ sie es nicht bewenden, sie würde diesen Spinnern nicht erlauben sich weiterhin über den Helden der Zeit zu mokieren. Stapfend und Unruhe in die Zuschauerreihen bringend, marschierte sie nach vorne und thronte gefasst vor der Bühne.
 

„Habt Ihr, ja, Ihr alle, eigentlich den Verstand verloren?“, rief sie. Ihre so schöne, beherrschte und glockenhelle Stimme wandelte sich in die beinahe markerschütternde, gewaltvolle, aber auch ernste Stimme einer Befehlshaberin. Und wie sie sich erheben und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich lenken konnte. Hier saßen vielleicht zwei Hundert Leute auf den Bänken und alle verstummten angesichts ihres Mutes sich hier hinzustellen, das Schauspiel zu unterbrechen und dabei so unfassbar stolz und überzeugend zu sein.

Entsetzte Blicke fielen auf sie. Nur Link senkte das Haupt, leer in seinen Blicken und ahnend, was sie tun wollte.

„Ihr seid ein Teil des hylianischen Volkes und entehrt Eure eigene Geschichte mit diesem geschmacklosen Unsinn, verspottet Eure Wurzeln und das, was wir als überliefert wissen. Ihr alle!“ Ihre helle Stimme krachte nieder, während sie sich immer mehr erhob, als wuchs sie innerhalb von Sekunden um ein Vielfaches, ihre Augen zu glühen schienen. „Was glaubt Ihr, wem Ihr zu verdanken habt, dass Ihr hier seid, dass Ihr lebt, dass es Euren Kindern gut geht? Schämt Euch! Wäre der Held Hyrules in dieser Jahrtausende alten Geschichte nicht durch Hylias Gnade immer wieder inkarniert, und hätte er nicht immer wieder bewiesen, dass nur er das Heilige Bannschwert führen und den Dämon aus der alten Zeit vernichten kann, Ihr alle wäret Asche in einer Welt der Monster, wo sich der Blutmond jede Nacht erhebt. Was denkt Ihr eigentlich?“ Ihre Stimme donnerte so schrill und entsetzlich umher, dass ein ängstliches Raunen durch die Reihen sauste.

„Wenn die Göttinnen dieses entehrende Schauspiel erblickt haben, so seid gewiss, wären sie enttäuscht in all ihrer Weisheit. Fraß seid ihr, ihr alle, für jene Dämonen, die noch immer über die Steppe preschen und für das niedere Vieh, das in den Schatten haust.“ Und die Gewalt in Arianas Worten ließ vielen den Atem stocken, diese Botschaft voller Wahrheit, befähigte gerade keinen der Anwesenden entgegen zu reden. Ja… etwas an Ariana war erschreckend gespenstisch, beinahe übermächtig. In diesen Minuten der Abenddämmerung zeigte sie einen Funken der Qualität jener Wesen, die Magie verstehen konnten.

Beschämt verließen gerade da einige Anwesende diesen Ort, senkten die Häupter, gingen still dahin. Selbst die Schausteller standen auf ihrer Bühne wie angewurzelt. Und je länger sich die Sekunden zu ziehen schienen, umso mehr entwich dieser entsetzliche Frust aus Arianas Gemüt. Legte sich allmählich schlafen, so wie der Feuergott am Firmament. Sie verstummte, wusste, dass sie sich vielleicht bei dem ein oder anderen mit ihrer aus Wut geborenen Rede, die über das Ziel hinaus geschossen war, in ein schlechtes Licht gerückt hatte. Aber wen interessierte es? Sie war ohnehin nur die Tochter eines unbedeutenden Schmieds.

Mit gefalteten Händen trat sie noch immer vor der Bühne, als sich die Hylianer von diesem Ort entfernten, ignorierte den zunehmenden eisigen Wind, der ihren Umhang durchdrang. Sie sah Mondrik Heagen mit einem belanglosen Nicken sich von diesem Platz entfernen. Ja, das war es, dachte sie… Belanglos. Ihre Rede war empörend, aufhetzend, hatte ihren Sturkopf befriedigt, aber war schlichtweg belanglos… jetzt, da die Sonne am Horizont verschwand und die Hylianer Lyriellen verließen, einzelne Gestalten schlüpften in ihre Häuser und verriegelten die Türen für die bevorstehende Nacht.
 

Link bemühte sich es nicht zu zeigen, saß noch immer den Blick zu Boden geheftet auf der Bankreihe, aber er missbilligte ihre Ansprache, missbilligte die Verteidigung eines Überbleibsels aus einer anderen Zeit und Welt… Nur verstand Ariana noch nicht die Tragweite seiner sichtbaren Enttäuschung ihr gegenüber. Sie hatte etwas getan, was ihm vielleicht mehr zusetzte als das ungeschickte Gefasel dieser schlechten Schausteller. Sie hatte ihn entehrt, in dem sie ihn auf die Ebene eines hilflosen Bengels herabgestuft hatte.

Sie hatte ihn entehrt, weil sie ihn verteidigt hatte…

Link wollte nicht verteidigt oder beschützt werden, gerade das war seine Aufgabe. Nun, da Ariana dies getan hatte, fühlte er sich noch mehr in eine herbe Realität gestolpert, in welcher er seinen heroischen Nutzen für Hyrule nicht mehr erfüllen konnte.
 

Träge stolperte die temperamentvolle Schmiedtochter zu ihm, beschämt, weil sie gehandelt hatte ohne nachzudenken, beschämt, weil sie auch sich gerade entehrt hatte. Sie wollte für Link da sein, nicht zusätzlich seine Zweifel anfeuern. Wie sollte er das Vertrauen in eine andere Seele finden, wenn sie ihm diese mit ihren unüberlegten Handlungen raubte?

Sie wollte sich nicht mit einfachen Worten entschuldigen, sie wollte es wieder gut machen und wusste doch nicht, welche Worte überhaupt noch Sinn machten. Überraschenderweise machte Link den Anfang. „Ariana… es war nicht mein Wunsch, dass du mich verteidigst“, sprach er, besonnener, als sie erwartet hatte und irgendwie… unbeeindruckt. In seinen jungenhaften Gesichtszügen tobte kein Anzeichen von Ärger oder Wut. Seine Gesichtsmuskeln waren entspannt, völlig frei von Aufregung… so mild und andächtig.

„Aber ich ahne, was du vorhast…“, meinte er leise, nun, da sie sich alleine auf dem Festplatz befanden und das Licht der Sonne vom Winter eingefroren schien. Einzig das verglühende Licht der Fackeln erglomm in der zunehmenden Finsternis, erinnerte sie beide daran, sich auf den Weg zu machen.

„Du wolltest mir das Gefühl geben, dass ich doch noch zu etwas nütze bin…“ Es schien, als hatte Link die Worte nicht einfach nur aus einem ruhenden Bedürfnis heraus gesagt, es war, als stemmte sich jeder Funke seiner Heldenpersönlichkeit gegen die zunehmenden Zweifel, kämpfte verbittert… Der vergessene Heroe spülte den Rest seines nur mehr kalten Herzbeerenweins herunter, ließ den Tonkrug zu Boden fallen, sodass er zersprang und stapfte geräuschvoll über den knisternden, gefrorenen Boden.

„Du wirst immer von Nutzen sein, Link… ich wünschte, du würdest nicht länger an dir zweifeln… Wenn du nur wüsstest, wie toll du bist…“, sprach sie zu sich selbst, einsichtsvoll und ihr Herz beladen mit Reue. Er war so viel reifer, als sie es jemals sein würde…

Stumm verließen er und Ariana das beschauliche, weltfremde Wintermärchen hinter dem eisigen Vorhang hoher Gebirgsketten. Stumm folgten sie dem Weg durch die stürmische Winternacht… und stumm erreichten sie die frostigen Wälder nahe der Ritterschule, wo ein Licht im östlichen Turm von den letzten Wachposten berichtete. Es war sowohl für Link als auch Ariana beruhigend, dass dort noch jemand stationiert war, vielleicht einer jener Ritter, die keine Familie besaßen und keine Verpflichtung…
 

Durch hohen Schnee stapfend bewegten sich die beiden Jugendlichen in Richtung der einzigen Wärme spenden Behausung in der Nähe, einer Zuflucht in der peitschenden sturmverkündenden Nacht… Sie hielten fortwährend den Blick gerichtet zu dem stolzen Gemäuer der Ritterschule um den Weg zu der wenige Meilen entfernten Glückshütte zu finden. Die Welt um beide Hylianer herum zeugte in ihrer eisigen Gewandung, düster und doch glitzernd, von der magischen Nacht, welche die immer wiederkehrende Erinnerung von Nayrus Geburt verherrlichte… eine Nacht, weder rein noch dunkel, im perfekten Gleichgewicht schenkte sie vergessene Zauber in ihrer Winterpracht als auch heimliche Gefahren, still und verkennend… und vielleicht war es der Pfad des Schicksals, so wie einst und so wie immer, der ausgerechnet jene beiden Seelen teilhaben ließ an der makabren Erbarmungslosigkeit Hyrules. Denn hier, wo die Wälder still und unter dem Eiszauber beinahe schlafend waren, konnte ein Alptraum kaum mächtiger sein. Hier, wo die Nähe zu Hyrules Helden wie ein übler Streich der Vorsehung wirken musste, erhob sich ein neuer gefahrverkündender Irrtum…

Link und Ariana traten stumm vorwärts, als sich die Schleier der Dimensionen einmal mehr trennten und es doch schon zu spät war für eine Umkehr in die Sicherheit der Ahnungslosigkeit. Der vergessene Heroe spürte die Gefahr in Sekundenbruchteilen und doch konnten seine Augen nur das Ergebnis einer hässlichen Entstellung erblicken. Denn hier in der eisverhüllenden Winternacht, wo Dämonen einmal mehr mit der Angst ihrer hylianischen Feinde spielten, wurden Opfer gesucht, die eine böswillige Botschaft verkünden konnten. Und Link wusste, dass die Botschaft nur ihm galt.

Hier, wo die Welt so einsam war, altehrwürdige, leere Laubbäume unter dem Kleid des Winters wippten, sich nach dem Sonnenlicht sehnten, hingen drei Elfen, baumelnd und leblos, pendelten im Wind, der Nayrus Fest mit süßem Duft erfüllen sollte, und saugten jede Lebenskraft aus ihrer nahen Umgebung. Drei Erhängte an knorrigen Ästen, leblos mit blutenden Stirnen, entstellte Fratzen berichteten von Folter und Vergiftung. Mit stockendem Atem begegnete Link dem schaurigen Bild eines neuen Wahnsinns, gesendet von dem dunklen Bündnis der Geschundenen der Macht.

Und endlich war es Arianas schriller Schrei, der durch die Wälder vibrierte und die morbide Ruhe mit aufkommender Angst verscheuchte. Ihr Schrei entzündete neue Ereignisse weitreichender Veränderungen in Hyrule, dem Land von alten Göttern und verruchten Dämonen…

,Konnte ein Tag hier im sagenhaften Land der Göttinnen eigentlich noch mehr aus dem Ruder laufen als heute?‘, fragte sich Ariana Blacksmith, die hübsche Schwarzhaarige, die mit Zittern in ihren Gliedern und einem unguten Gefühl in ihrem Magen einem schweigsamen und mürrischen Link folgte, der sie schnurstracks von den drei Leichen, die beinbaumelnd und zu Tode verflucht an einem eisdürren Baum hingen, wegführte. Link hatte ihr nur zu verstehen gegeben, dass sie auf der Stelle die Wache in der Ritterschule davon in Kenntnis setzen mussten und hatte sie forsch am Arm gepackt und natürlich war ihr nicht entgangen mit welcher Vorsicht und welchem gespenstisch starren Fokus er die Umgebung unter die Lupe genommen hatte. Aber… und ihr lief der nächste Angstschauer durch die Glieder. Aber was, bei Nayru, passierte hier?

Dieser Winter hatte es in sich. Nicht nur, dass Ariana selbst von dunklen Kreaturen vergiftet worden war oder dass die Rettung in den Händen einer uralten Entität wie Undora, der grünen Hexe, lag. Auch das entehrende Schauspiel über die Helden Hyrules, wo es doch genügend Huldigungen dieser gab, entsetzte sie. Und nun kreuzte ihr Weg zufällig… ja, sollte man wirklich zufällig sagen, den von drei Leichen, die von einer barbarischen Sekte hingerichtet wurden. Das waren ein paar Zufälle zu viel… Für ein paar Sekunden unter dem Vorhang dieser Wirklichkeit beschlich sie das Gefühl, das hier irgendetwas die Ereignisse verdrehte, dass vielleicht alles das, was hier geschah, in anderer Weise bestimmt war zu geschehen.

Ein erschreckender Gedanke, der Ariana den nächsten Kälteschauer den Nacken hinunterjagte.

Ja, der Tag war völlig schief gelaufen… und tatsächlich war es noch immer nicht vorbei! Und dann endlich wand sie sich aus dem strengen Griff des Heroen, der schweigend vor ihr her lief, oder eher mit stapfenden, wütenden Schritten vorwärts marschierte. Ariana spürte Links Zorn und dieser trug zu einer weiteren Unsicherheit bei, die sich in Form von Gänsehaut über ihrem Nacken bemerkbar machte. Und egal, was sie jetzt tat, es änderte nichts, es half ihm nicht. Er brauchte die vorhandene Stille für seine ganze Konzentration und für den Zorn, der durchaus notwendig war. Er brauchte jede Forschheit, die er aufbringen konnte um sich selbst in diesem Alptraum zu begreifen. Einmal mehr funktionierte nichts auf normalem Wege im Leben des einzig wahren Helden… und das machte ihn wütend.
 

Schweigend und mit einem Trübsinn, so dick und belastend wie weißer Nebel, erreichten Link und Ariana die Ritterschule, verschafften sich Zugang über einen der Seitenwege, tapsten über die riesige, unberührte Schneedecke im Innenhof und wirkten von oben betrachtet wie zwei Pechtropfen, die auf ein weißes Tuch gekleckert wurden. Mit einer festsitzenden Nervosität hasteten sie zu der einzigen Lichtquelle in der Burg und vermuteten einen unbedeutenden Wachposten aus den Soldatenreihen zuständig, dem war aber nicht so. Als ein paar lebenserfahrene, beinahe robuste Augen ihn aus einem vertrauten Gesicht musterten, fiel dem heimlichen Helden Hyrules die Kinnlade hinab und ein Teil seiner Kümmernis verflog. Überraschenderweise war es Kommandant Orson, der einmal mehr auf seiner Reise nach Hyrule hier seine Pflichten erledigte. Mehr noch, er war wohl einfach wissbegierig und erpicht hier in der einzigen Ritterschule des Landes zugegen zu sein. Und er war nicht allein…

Als Link und Ariana in den warmen, willkommenen Lichtschein eines Lehrerquartiers traten, verloren beide Jugendliche das fröstelnde Zittern und erholten sich allmählich vom Schrecken der letzten Minuten. Und neben Kommandant Orson, der sich in voller, dunkelblauer Ritterrüstung präsentierte, saß eine ebenfalls lebenserfahrene, kampfbereite Frau mit dunkelgrauem Waffenrock vor dem Kamin und schlürfte ein wärmendes Gebräu aus einer Tontasse. Sie musterte die Jugendlichen mit einem warmen Lächeln, mütterlich, trotz einer kräftigen, durchtrainierten Statur bei dennoch voller Weiblichkeit, die sie nicht durch die Rüstung kaschierte. Eine starke, auffallende Frau, lange Statur, ein schmales Gesicht und gekräuselte, hellbraune Haare nur bis zum Nacken.

Ariana bemerkte die adrette Dame mit tiefgründigen Blicken und erinnerte sich, sie hatte von starken Kämpferinnen gehört, die den Hylianern angehörten, von wenigen schwertbegabten Frauen, da das System der Hylianer doch sehr konservativ war, was Geschlechterrollen anging. Aber sie wusste, dass es einige Frauen gab, die es geschafft hatten in Ritterränge aufzusteigen. Und diese kampferprobte Frau besaß die Unerschütterlichkeit, Stärke und Anmut eines solchen Aufstiegs. Sie erfüllte den Innenraum mit einer Präsenz, die sogar einen stolzen und erfahrenen Kommandant wie Orson in den Schatten stellte. Und noch etwas entging Arianas Blick nicht. Sie trug denselben Ehering wie Orson…

Der Kommandant klopfte dem Ritterschüler begrüßend auf den blonden Schopf, zeigte deutlich seine Freude den Jungen wohlauf zu sehen. „Link, ich hätte nicht erwartet dich zu dieser Stunde hier anzutreffen.“ Der Ritter klang überschwänglich und fürsorglich, und schien kaum willig den vorhandenen Gram der beiden Jugendlichen zu bemerken. Überhaupt wirkte er entspannt und gepflegt, seine Gewandung ohne Flecken, Schulterplatten und Beinschoner seiner Rüstung geputzt und geschmirgelt.

Erst als Ariana dem Ritter einen ernsten Blick zuwarf, drückte es die Stimmung in dem von wohliger Kaminwärme durchfluteten Raum. „Aber… es sieht wohl so aus, als führt dich ein Anliegen hierher, das weniger erfreulich ist.“
 

Auch die reife Dame, die sich mit scharfem Blick und bereitem Schwert erhob und sich neben Orson auftürmte, erkannte die sichtbaren Folgen von erschreckenden Erlebnissen in den Gesichtszügen der hübschen Schmiedtochter. Und während Link mit starrem Blick zu Boden schwieg, mit geballten Fäusten versuchte seinen eigenen Zorn zu unterdrücken, erklärte Ariana die Situation sicher und beständig. Und es waren keine fünf Minuten vergangen, dass beide Rittergestalten alles notwendige erließen, um das scheinbare Attentat zu untersuchen.

Briefe nach Hyrulestadt wurden von schnellen Flugtieren entsandt, Orson und seine Gemahlin Lady Blia untersuchten ohne Umschweife den Ort des Verbrechens und transportieren die drei toten Hylianer sofort in die Ritterschule. Ferner hatten sie gemeinsam mit Link und Ariana die Gegend erkundet, mögliche Gefahren abgesteckt. Wer immer auch diese drei Leichen, die wohl den gesamtem Tag an diesem Baum hängen mussten, dort angebracht hatte, war geschickt darin keine Spuren zu hinterlassen und auf scheinbar unsichtbarem Wege verschwunden. Nur Link ahnte… mit den brutalsten Erinnerungen des Chadarkna-Angriffs in seinem trübsinnigen Verstand, dass diese Kreaturen mit ihrer beängstigenden Übermacht die geheimsten Wege des Weltenpalasts nutzen konnten… Und diese drei Leichen, die schon einige Tage den Tod gefunden haben mussten, waren ein hinterhältiges, grausames Zeichen der Warnung, das allein dem wahren Helden Hyrules galt.

Der Warnung, dass niemand in seiner Gegenwart sicher war… Der Warnung, dass der Chadarkna Genuss in seiner absoluten Überlegenheit fand…
 

Beide Jugendliche und beide Rittergestalten saßen schließlich gemeinsam bei einer Suppe in der Ritterschule, in dem für zwei Personen bereiteten Quartier, jene einzige Lichtquelle in der stürmischen Winternacht. Trübsinnig und sehr nachdenklich knabberte der vergessene Heroe an einer Scheibe trockenem Brot, während Ariana sein Verhalten unter die Lupe nahm. Sie erblickte die Schatten von weitläufigen Geheimnissen in seinen gramerfüllten Gesichtszügen, entdeckte eine verbissene Konzentration in den glatten Zügen von Links Gesicht. Sie kannte den Hintergrund seiner Nachdenklichkeit, als ob seine Gedanken für sie lesbar waren. Er schlussfolgerte… bedachte die Ereignisse der letzten Wochen, band diese in seinen schlauen Gedanken zusammen, formte ein erschreckendes Bild von Gefahr…
 

„Ich schätze, die letzten Wochen hier in der Ritterschule waren nicht so hoffnungsvoll und wegweisend wie es sich Prinzessin Zelda für dich geplant hatte…“, sprach Orson. Ein sonderbarer Ausdruck von Besorgnis ruhte auf seiner gestählten, kantigen Haut in einem sonnengebräunten Gesicht. Wusste er mittlerweile von der Schwäche des Helden, der vor langer Zeit junge Soldatenanwärter des Kommandanten mit seiner kindlichen, aber reifen Schwertkunst belehrt hatte?

Link schwieg auf die Worte der beinahe väterlichen Zuneigung, einem Gefühl von Vertrauen und Respekt. „Andererseits… was ist denn schon ein Plan?“, setzte er murmelnd hinzu und schlürfte von der Suppenschale. Über alle Anwesende zog ein unsicheres Schweigen, eine gefrierende Form von Nachdenklichkeit und Irritation.

Ariana beobachtete die beiden Eheleute entzückt und blickte abwechselnd von Link zu ihnen, untersuchte die Muster in den Beziehungen, weil es sie neugierig machte, woher der erfahrene Kommandant Orson den Heroen kannte. Und natürlich fragte sie sich, wie viel der Kommandant und seine Frau tatsächlich über die brenzligen Geschehnisse in Hyrule wussten. Die schwarzhaarige Schönheit stemmte ihr Kinn auf beide Hände und fixierte Orson mit einem misstrauischen Grinsen. Sie wusste nicht einmal, woher sie sich nun auch noch dass Recht nahm einen so rechtschaffenen Ritter wie diesen mit ihrem untersuchenden Fokus zu beleuchten.

Lady Blia schien ihre Neugier zu bemerken. Die starke, beinahe muskulöse Dame räusperte sich, eine Geste, die trotz einer unterlegten Tollpatschigkeit sehr gewählt wirkte. Ihre hellgrünen Augen verengten sich missbilligend. Es war so einfach abzulesen, dass sie alles tat um die Unfehlbarkeit ihres Mannes zu bewahren. Sie duldete nicht einmal einen misstrauischen Ansatz eines Blickes ihm gegenüber. Aber auch Ariana ließ sich nicht beirren. Sie hatte von Link keinerlei Kunde aus der Nase ziehen können, vielleicht gewann sie notwendiges Wissen von diesen beiden Ritterleuten?
 

„Ich habe von dem Angriff am Destiniatempel gehört, Link…“, begann Orson. Er hatte eine überraschend klare, aber kräftige Stimme, die einen Kontrast zu der Rauheit seines äußeren Erscheinungsbildes verursachte.

Link knirschte mit den Zähnen und schob die Suppenschale einige Zentimeter außer seiner Reichweite.

„Es ist ja auch nicht mein Wunsch dieses zur Sprache zu bringen, aber…“ Orson nahm einen tiefen Atemzug.

„… aber wir müssen zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass diese drei Leichen, die uns im Übrigen bekannt sind, nicht ohne Grund in der Nähe der Ritterschule platziert wurden“, beendete Lady Blia die Aussage ihres Mannes. Welch‘ eine Dominanz, dachte Link. Er hätte nicht erwartet, dass Orson, der immer so redegewandt, sicher im Auftreten und eine respektvolle Erscheinung war, von seiner Frau in den Schatten gestellt werden konnte. Und Lady Blia war unglaublich befehlsgewaltig und einflussnehmend.

„Was meint Ihr damit, sie sind euch bekannt?“, hakte Ariana nach.

„Mädchen… ich bin nicht wirklich erpicht darauf dich in diese Angelegenheit mit einzubeziehen“, erwiderte die Ritterfrau unduldsam und schmälerte den Spalt zwischen ihren hellgrünen Augen, sodass jene wie warnende Raubkatzenblicke aus ihrem Gesicht herausstachen.

Arianas Kopf begann zu glühen. Sie brummte etwas vor sich hin, dass nicht einmal Link verstanden hatte und schmetterte Lady Blia ihren gesamten Trotzkopf entgegen. „Tja“, sprach sie dann erpresserisch. „Ich weiß, dass Link der Held der Zeit ist, wohl oder übel werdet Ihr mich mit einbeziehen.“ Ariana begann mit ihren Stiefeln zu klappern und erhob sich. Sie schickte auch Link einen auffordernden Blick entgegen, der nur den Kopf neigte. „Ferner habe ich diese drei Leichen ebenfalls gesehen und ich könnte mich ja zufällig irgendwo verplappern.“

Link verdrehte die Augen und sendete ein leises Stoßgebet an Farore, sie möge Ariana für ihren unglaublichen, sturen, einfallsreichen Trotzkopf verzeihen. Aber wusste Ariana denn, was sie hier tat?
 

Lustigerweise gestaltete sich die Situation einmal mehr anders als erwartet. Lady Blia grinste verschmitzt und begann schließlich unkontrollierbar zu lachen. Sie hielt sich den Bauch und schlug mit einer breiten Faust auf den Tisch. Entgegen der Härte, die sie mit ihren Blicken erzeugen konnte, umschmeichelte ihr Lachen eine Weichheit und Wonne, die unter die Haut ging.

„Was ist so lustig?“, murrte Ariana schließlich und schien zu schmollen, während Link sich nur beschämt am Kopf kratzte.

„Du bist ja eine äußerst eigenwillige und willensstarke Lady, was?“, sprach Lady Blia spitz.

„Ich bin keine Lady“, brummte die Angesprochene und schmollte noch mehr.

„Wirklich, eine Lady bist du scheinbar nicht.“ Lady Blia zwinkerte, eine auffällige Regung in ihrem kantigen Gesicht, die Link irritierte. „Warum aber ist es dir so wichtig, an diesen Ereignissen teilzuhaben? Wozu willst du dich mit dem Wissen über diesen Angriff umgeben?“ Lady Blia stach mit scharfen Blicken in das glühende Bernstein von Arianas Augen, aber spürte auch, dass sie abprallte und kaum eine Wahrheit aus dem Mädchen herauspressen würde, es sei denn Ariana wollte es so.

Das hübsche, schwarzhaarige Mädchen seufzte und legte dem neben ihr befindlichen Link eine Hand auf die Schulter. „Es gibt nur einen Grund, weil ich meinem besten Freund helfen möchte.“ Sie sprach die Worte mit einer Selbstverständlichkeit, dass es Link bestürzte. Wie kam sie darauf, dass er ihr bester Freund war?

„Was meinst du, mein Gemahl, ist das Grund genug?“ Und Lady Blia zwinkerte. Orson aber schüttelte missbilligend den Kopf. Diese ganze Unterredung führte zu nichts und entwickelte sich in das belanglose Geplapper von Kindern. Himmel, von Kindern, dachte er genervt.

„Blia, du weißt genauso gut wie ich, dass es keine gute Idee ist ein Mädchen wie Ariana in diese Geschehnisse zu verwickeln. Es wäre mir durchaus lieber, Ariana würde außerhalb warten und wir besprechen die Vorkommnisse mit Link, mit Link allein…“

Daraufhin war es jedoch der Heroe, der mit dem Schließen seiner Augen und einem unüberhörbaren Seufzer, dieser Aussage kaum zustimmen konnte. Ariana wusste einfach zu viel, sie wusste bereits mehr als die meisten. Ihre Schläue und Beobachtungsgabe waren so erschreckend und vielfältig, das ihm bange wurde. Wie nur sollte er sie in nächster Zeit aus diesem Chaos heraushalten? Hinzukam, dass sie auf eine mysteriöse Weise eine Rolle spielte, in den Ereignissen, die da kamen und die hürdenreich wären. Und Link spürte dies…

„Es ist bereits zu spät, was?“, sprach Orson und beobachtete Links erschöpfte Blicke kritisch. „Oder… ist es vielleicht sogar noch viel schlimmer?“

Link nickte nur. Natürlich war Ariana bereits in die anstehenden Kämpfe verwickelt worden, der Giftkeim in ihrem Körper belehrte darüber. Orson kratzte sich am Bart und rieb sich nachdenklich über das schwitzende Gesicht. Durch jene Regung war sein Bart verwirbelt und unsauber. Aber in seinen braunen Augen ruhte Milde und Besonnenheit.

„Jetzt redet nicht alle so von mir, als wäre ich nicht anwesend. Das ist ja nicht zum Aushalten“, unterbrach Ariana, stemmte ihre Arme auf den Tisch und wirkte mehr als ungeduldig. „Also nochmal. Woher sind diese drei Leichen bekannt?“

Beide Rittergestalten suchten Antworten in gegenseitigen Blicken, verrieten sich beide durch ungeschicktes Kopfschütteln. Sowohl Link als auch Ariana erahnten, dass Orson und Blia selbst nur Bruchstücke in einer verzweigten, undurchschaubaren Bedrohung wussten. Ihr Blickwinkel war so verschleiert wie der Nebel, der um den Türmen der Ritter- und Mädchenschule hing.
 

„Vor einigen Tagen wurde eine Einheit hylianischer Soldaten und Ritter zu einer Festung geschickt, von der seit längerer Zeit keine Nachrichten mehr gesendet wurden“, erklärte Orson und erhob sich träge. Die Hand auf dem Knauf seines Schwertgriffs ruhend lief er im Raum auf und ab. Er war nervös, dies entging dem Heroen nicht. Aber warum? Es war ewig her, dass Link diesen kampferfahrenen Ritter sich so in Unsicherheiten wiegen sah. Außerdem hatte Orson doch immer bevorzugt ohne Familie zu reisen, warum also begleitete ihn seine Ehefrau?

„Es war ein Trupp, nur um nach dem Rechten zu sehen, allerdings…“ Er biss die Zähne zusammen, sodass das Spannen seines Kiefers hörbar war. Selbst das Leder in seinen Handschuhen knirschte vor Anspannung. „… wurde der gesamte Erkundungstrupp bis auf wenige gute Männer getötet… einige Soldaten, Ritter Laundry und Sir Levias wie auch Valiant von Hyrule kamen mit dem Leben davon.“ Link hüpfte fassungslos vom Stuhl und warf diesen um. Auch Ariana erhob sich und spürte einen beißenden Reiz von Schock in ihrer Kehle arbeiten.

Sie legte ihre Hände auf ihre Lippen. „Wie geht es Ritter Laundry?“ In ihren bernsteinfarbenen Augen brach eine Besorgnis zu Tage, die ihr strahlendes Gesicht mit Schatten überdeckte. Weil nicht sofort eine Antwort kam, knallten die Worte noch einmal, aber energischer über ihre Lippen, der Laut aus ihrer Kehle schwoll mit einer Wucht an, die ihre Stimme völlig veränderte. „Ich sagte, wie geht es Ritter Laundry?“

„Er lebt, sein rechter Arm allerdings ist zerschmettert… und bis jetzt schweigt er zu dem Angriff… Denn der Trupp hatte sich aufgeteilt und nur Lassario musste gesehen haben, was geschah.“

Link schluckte, wusste nicht, was er gerade empfinden sollte. Dankbarkeit, dass der Vater seines Freundes Will am Leben war, oder Entsetzen und Trauer angesichts eines weiteren brutalen Angriffs hier im Land der Göttinnen.

„Und diese drei Leichen…“, sprach Lady Blia, einmal mehr so streng wie vorher auch. Sie streichelte ihren Nasenrücken, als musste sie niesen. „Wir sind uns sicher, dass diese drei zu den Soldaten aus Lassarios Einheit gehörten.“ Die Worte kamen mit mehr Gefühlskälte über ihre Lippen als zu erwarten war.

„Ist das wirklich wahr?“, sprach Link ruhesuchend.

„Sie alle trugen die typische, hylianische Soldatenrüstung und alle hatten in ihrer Gürteltasche dasselbe Schriftstück der Mission die Schneesternfeste zu erkunden“, erklärte Lady Blia ferner. „Natürlich müssen wir erst abwarten, ob Angehörige sie identifizieren können…“ Sowohl Link und Orson senkten die Blicke, andächtig gedachten sie den Gefallenen.
 

Ariana jedoch schien auf die Diskussion nur noch mit Entsetzen und Schock reagieren zu können. Ihre ohnehin porzellanweißen Gesichtszüge verloren das bisschen Röte, welche ihr das Wintergewand aufgemalt hatte. „Aber warum… wieso… warum habe ich das nicht kommen sehen…“ Voller Irritation und Verwirrung trat sie vor dem Kamin, blinzelte und schmetterte eine Woge aus Hilflosigkeit in Links Richtung. „Wie konnte das geschehen?“

„Es ist nicht so, dass irgendjemand den Angriff hätte erahnen können“, sprach Orson, „Mädchen… niemand hätte in dieser Situation etwas ändern können. Nicht einmal Hylia persönlich…“

Ariana rieb sich mit der Rechten ihre Stirn, schüttelte den Kopf und drehte sich in Richtung des Kamins mit der stillen Verwunderung, warum ihr diese Nachricht so nahe ging und so zusetzte. Mit einem Schlag fühlte sie sich verantwortlich und unsagbar klein, erdrückt von einem düsteren Gefühl von Pflicht, das wie heiße Suppe in ihr brodelte.

Etwas in ihr hatte sich von dieser Schreckensnachricht zu ein paar irritierenden Gedanken hinreißen lassen. Natürlich war es nicht ihre Aufgabe sich in die Aufklärung derartiger Belange einzumischen. Sich unpässlich und irgendwie merkwürdig fühlend hockte sie sich vor den Kamin und schloss die Augen um sich zu sortieren.
 

Und auch Link fühlte sich verantwortlich, schlürfte den heißen Tee von seiner Tontasse und versuchte die Wut, die in ihm kochte, beiseite zu schieben. Es war lange her, dass er sich so erfüllt von Zorn erlebt hatte. Aber der Anblick der drei getöteten Soldaten war ihm unter die Haut gegangen und kratzte an seinem Beschützerinstinkt. Er wusste, dass diese drei Leichen nur wegen ihm dort in der Ritterschule hingen, nur weil er der Held der Zeit war, der einstige und so legendäre Dämonentöter, der Träger des Bannschwertes… Und diese Verantwortung tat weh… gerade jetzt mit seinem zermürbenden, Krankheit verursachenden Fluch unglaublich weh.
 

Nachdenklich und noch immer schweigsam erhob sich der vergessene Heroe und senkte den Kopf. Stur trottete er in Richtung Tür, machte deutlich, dass für ihn die Unterredung beendet schien. Er wusste auch nicht, worüber er noch reden sollte.

„Warte, Link, möchten du und deine Begleitung nicht hier übernachten?“, sprach Orson, ein Funken deutlicher Besorgnis in seiner festen Stimme. Da horchte auch Ariana auf. „Es ist sicherer hier. Wenn diese Drohung wirklich dir als Held galt, wäre zumindest die Ritterschule die Unterkunft der Wahl.“

Link jedoch hielt es nicht einmal für nötig sich umzudrehen. Der Gedanke ließ ihn sich nur noch unwohler fühlen. Er wusste, dass Orson ein begnadeter Schwertfechter war, aber weder er noch seine Ehefrau Blia hatten eine Chance gegen den Chadarkna. Er würde keinesfalls riskieren, dass diese beiden guten Seelen ins Kreuzfeuer gerieten.

„Vielen Dank, aber wir schlagen das Angebot aus.“ Ariana übernahm das Wort, bemüht den Heroen damit zu entlasten. Sie wusste ohnehin, was in Links Kopf vor sich ging. Seine ganze verkrampfte Haltung las sich für sie mittlerweile wie ein offenes Buch. Abschiedsworte auf den trockenen Lippen schleppte sich der junge Heroe hinaus ins Freie, in die barmherzige und doch eisige Winternacht, wo die letzten silbernen Schneekristalle die Welt bedeckten, und hatte erst dann wieder das Gefühl frei atmen zu können. Die eisige Winterluft knisterte in seinen Lungen, brannte beinahe und fühlte sich trotzdem heilsam an, wie eine juckende Medizin verscheuchte sie Krankheit und Schwäche… und linderte die Wut. Er hetzte schnellen Schrittes weiter, hörte Ariana aufgeregt, aber schweigsam hinter ihm durch den Schnee stiefeln. Er kniff die Augen zusammen in dem Brodeln unzähliger Schuldgefühle, sog die eisige Winterluft räuberisch seine Kehle hinab nur um sich von dem Gefühl von Schwäche und Versagen zu betäuben. Als sie die Ritterschule hinter sich ließen, brannten Tränen in seinen Augen…
 

Als Link und Ariana bereits den Raum verlassen hatten, beobachtete Lady Blia die beiden Jugendlichen durch den mit hohem Schnee bedeckten Innenhof stapfen. Der Geist des Winters hatte seinen unverwüstlichen Schneeschauer, der tanzend vom Himmel kam, zur Ruhe gebettet und ließ stattdessen die Sterne am Firmament leuchten.

„Und das ist wirklich der Held der Zeit? Dieser trübsinnige, schweigsame Jugendliche?“ Die Ritterin konnte nicht anders als ihren Unmut darüber auszudrücken, und natürlich eine enttäuschte Verwirrung zu betonen. „Der Träger des Bannschwertes, Vernichter des Bösen ist ein von Kummer und Selbstzweifeln zerfressener Jugendlicher? Dürr, ausgemergelt… und irgendwie…“ Kommandant Orson trat an seine Gattin heran, drückte ihre Schultern mit seinen in Lederhandschuhe eingepackten Händen. „Irgendwie?“ Er hob seine Augenbrauen und verzog das Gesicht, als Ariana und Link schon nicht mehr sichtbar waren. „So unglaublich verbittert…“ Sie drehte sich zu ihm, begann sein Gesicht zu streicheln.

Orson seufzte lediglich, beinahe so als wüsste er irgendetwas, das er kaum preisgeben wollte. „Als wäre er nur ein Schatten seiner selbst.“

„Als wäre er keineswegs der Held der Legenden“, widersprach Blia. „Die Geschichten, die du mir erzählt hast über seine Tapferkeit und Gewandtheit mit dem Schwert, kommen mir vor wie ein Lügenmärchen.“

Ein weiteres Mal seufzte der Kommandant. Ein verdächtiges Blinzeln seiner Augen verriet weitere Anzeichen von Besorgnis und väterlicher Fürsorge. „Du bist leider nicht die einzige, die das so sieht, ich fürchte um Links verbliebene Ehre…“

„Weil der Rat der Ritter ihn anzweifelt?“

Orson nickte und verzog seine Gesichtszüge, wo ein sauber geschnittener Bart seinen selbstquälerischen Ausdruck bedeckte. „Nun ja… es ist ja auch nachvollziehbar, dass die Ritter an ihm zweifeln. Du kannst dir nicht vorstellen wie unglaublich entschlossen und mutig allein der Eindruck war, den er selbst in Übungskämpfen hinterlassen hatte. Der junge Bursche, dem man den Helden abkaufte. Es ist, als wäre er ein anderer…“

„Was ist mit dir? Zweifelst du an ihm?“ Lady Blia wand sich verstohlen zu ihm, hängte den Kopf schief.

„Ich gehöre wohl zu den wenigen, die es nicht tun…“ Das erste ehrliche Lächeln zog sich über Orsons lebenserfahrene Gesichtszüge. Orson war niemand, der sich nur auf Oberflächlichkeiten verließ. Und hinter jeder Maskerade versteckte sich ein Gesicht, das nicht ohne Grund eine Verschleierung benötigte.

„Was wirst du tun, Orson, dann in wenigen Tagen, wenn er verhört wird? Dann, wenn er sich dem Rat der Ritter stellen muss?“ Einmal mehr verlor sich der Blick der Ritterin zu den Fußspuren der beiden Jugendlichen. Jene Spuren, die allmählich verblassten. „Jede Ehre eines Ritters steht bei einem solchen Rat unter Prüfung. Selbst die Ehre von Legenden…“

Orson lächelte noch immer. „Aber weißt du, Legenden haben einen Vorteil.“

Er ignorierte Lady Blias verwirrten Gesichtsausdruck und sprach unbeeindruckt: „Legenden werden geliebt.“
 

Wie Silber in Tropfenform hingen die Sterne am Firmament und glühten als Spiegelung des weißen Wintergewandes. Der Teich vor der Glückshütte funkelte wie ein kristallener Spiegel erloschener Sterne in der Nacht vor Nayrus ehrwürdigem Fest. Hockend beobachtete der vergessene Heroe die gefrorene Eisdecke und die wundersame Spiegelung der Sterne im Eis. Er hatte sich geweigert in den Innenraum der Glückshütte zu treten und war hier an einem Punkt, wo sich alle Gedanken in seinem Kopf wie Poltergeister verwirbelten und er sich doch nur nach etwas Stille und Ordnung in seiner Seele sehnte. Unvollständige Gedanken und ziellose Schlüsse zerrissen die Stabilität in seinem Kopf gespeist aus all den irritierenden Geschehnisse der letzten Monate. Das Chaos in seinem Kopf wurde immer schlimmer und er sehnte sich danach zu reden… endlich zu reden… endlich ein wenig Frieden in die düsteren Gefühle seiner Bestimmung zu bringen.

Schwermütig beobachteten seine sturmblauen Augen den Schatten Arianas in der Glückshütte von einem Punkt zum nächsten huschen. Ihre unnachgiebige Präsenz und Fähigkeit in seinem Gefühlsleben zu lesen, überschwappte ihn mit einer Wärme, der er immer wieder versucht war auszuweichen. Diese Wärme, selbst hier draußen fühlbar, brachte eine Verwundbarkeit mit, die ihm unheimlich war. Und doch sehnte er sich seit vorhin, als sie ihn einfach ohne Worte im Gespräch mit Orson unterstützte danach mit ihr zu reden… Er sehnte sich nach Verständnis und leisen Worten von Hoffnung und Wärme, nach Worten, die ihm unter die Haut gingen und das Chaos heilten, das sich seit so langer Zeit angestaut hatte…

Aber war Ariana wirklich bereit die Düsternis aufzufangen, die er auf seine Schultern stemmte? Wusste sie, worauf sie sich einließ, auch wenn sie die Illusion aufrechterhielt zu glauben eine Freundin zu sein?
 

Link berührte langstielige Grashalme, umgarnt von Schneekristallen wie feinstes Spinnenweben, spürte das Gras wippen und sich träge gegen die Wärme seiner Finger stemmen, beobachtete melancholisch wie das Leben seiner Fingerspitzen das Eis schmolz. Wenn er bereit wäre, konnte jemand wie Ariana, dieses stolze und eigenwillige Mädchen, jemals das Eis schmelzen, das ihn regelrecht auffraß?

Plötzlich spürte er die Wärme zweier Hände, die sich auf seine Schultern legten, unnachgiebig und mildtätig, beinahe heilsam, ja… gewaltvoll heilsam… Er erschrak mit einem tiefen Seufzer und wich um seine Achse, blickte in das vertraute Bernstein, blickte dahinter in die ferne, versteckte Seele, wo das Bernstein unter klarem Himmel zerfloss…

Sie war hier… Sie würde immer hier sein…

Er musste nur danach fragen, was er brauchte und sie würde immer hier sein…

„Komm‘ ins Haus, Link…“, sprach sie mit einer Vertrautheit, die er nicht anfechten konnte. „Komm‘ und wärme dich…“, flüsterte sie, ein trauriger Schimmer in ihren Augen schwappte über seine inneren Mauern und ließ ihn sich wehrlos fühlen.
 

Und als die Strahlen der Sonne am östlichsten Horizont die weißen Hänge mit goldenem Samt bedeckten, zog mit den Strahlen des Himmelskörpers die Gnade Nayrus über die Welt, ließ Demut und Liebe in wärmender Form walten. Nayrus Magie streckte ihre Fühler über die weiße Winterlandschaft, erreichte die leergefegte Ritterschule und griff nach den Wäldern weiter nördlich, wo auch die Glückshütte versteckt lag. Der Segen einer der ältesten Göttinnen erreichte die von weißem Winterpuder verzierten Scheiben des kleinen Hauses, wo der Held der Legenden von liebevollen Worten berührt wurde. Wo eine geduldige Seele über ihn wachte und auch sie den Zauber Nayrus in sphärischem, gleißendem Weltentau spüren konnte.

Nayrus Fest in ihrer Geburt aus den Sternen jährte sich… und mit ihr floss die heilige Magie in jedes Haus, auch zu Ariana und Link, die mit traurigen Gesten am Boden vor dem Kamin wärmenden Tee tranken und sich mit zweifelnden Blicken musterten. Verstohlen. Kurz und mit neuer Unsicherheit…
 

„Es tut mir leid, Link…“, sprach sie sanft, wie als webte das Licht der Morgensonne ein Gewand des Mitgefühls in ihre Worte hinein. „Ich hatte mir gewünscht, dass du ein angenehmes Fest der Nayru erleben kannst.“

Er seufzte und musste innerlich einer belächelnden Ironie standhalten. Seit er den Wald der Kokiri verlassen hatte und die Bräuche der Hylianer kennenlernte, war niemals ein Fest für ihn ohne Aufregung und Gefahr vorüber gegangen.

„Aber weißt du, noch hat der Tag der Nayru erst begonnen“, meinte sie dann und klatschte in die Hände. „Es kann ja eigentlich immer noch ein schöner Tag werden.“

Er nickte widerwillig und schlürfte von seinem Tee. Wen wollte sie mit ihrer plötzlichen Fröhlichkeit beeindrucken? Es war nicht so, dass Link wirklich mit einem ruhigen Tag rechnete. Seit dem Angriff des Chadarkna und den Informationen, die er ihm beiläufig unterbreitet hatte, war kein Tag mehr ruhig. Und wenn jetzt sogar nahestehende Personen wie Wills Vater in die Angriffe mit hineingezogen wurden, konnte der einstige Held der Zeit wirklich weiterhin schweigen und in selbstgewählter Einsamkeit die Gefahr ertragen?

Link lehnte sich zurück, ausdrucksvoll, als hätte er tatsächlich etwas Wichtiges zu sagen. Er ballte die Fäuste, eher unbewusst und suchte ihren Blick. „Du bist unverbesserlich…“, sprach er, worauf sie blinzelte.

Dann erhob er sich träge und wand ihr den Rücken zu. „Ich bin mir nicht sicher, ob du wirklich so tapfer bist oder dir einfach nicht bewusst ist, was die Ereignisse der letzten Wochen bedeuten…“ Seine Stimme war schwach, säuselte sanft durch den Innenraum und warf einen Schatten der Unsicherheit auf Links Gestalt zurück. Neben der Müdigkeit grub sich Links andauernde Kraftlosigkeit in seine trübsinnigen Worte und entriss Ariana die aufgesetzte Hoffnung. Ihr Blick ging zu Boden und ihre Hände hefteten sich aneinander, fanden sich unter ihrem Kinn. Er wollte reden, das spürte sie. Er wollte wirklich mit ihr reden? Woher kam dieser plötzliche Sinneswandel? Hatte Nayrus heilige Magie, die mit den Sonnenstrahlen über die Welt fiel tatsächlich einen größeren Effekt als sie bisher angenommen hatte?

„Für mich… bedeuten die letzten Wochen…“, begann er und biss sich schließlich auf die Lippen. „Ich meine… siehst du die Zeichen denn nicht?“

Sie schluckte und verkrampfte sich noch mehr.

„Ich habe mich niemals in die Rolle pressen lassen wollen, die der legendäre Held und Träger des Bannschwertes ausfüllen muss. Ich habe oft genug an meiner Berechtigung gezweifelt… und gehofft, ob nicht eines Tages hier in Hyrule der wahre Held der Legenden auftauchen würde…“ Er atmete so tief ein wie er konnte und stemmte sich mit beiden Händen an das Bücherregal.

„Und jetzt… gerade jetzt…“, setzte er mit schweren Worten hinzu. „Nun weiß ich, dass ich diese Rolle niemandem anderen aufbürden wollte…“ Er rieb sich mit den Händen über das Gesicht, nicht sicher, was er hier tat. Wie nur war dieses Vertrauen zu Ariana so groß geworden, dass er mit ihr über etwas reden wollte, dass er immer für sich behalten hatte? Die Worte sprudelten aus ihm als wären es nicht seine eigenen.

„Weil… wer soll das alles sonst ertragen? Wer soll ertragen zuzusehen, wenn die Zeichen einmal mehr so klar sind…“ Er ließ Ariana keine Möglichkeit dazwischen zu reden und sprach mit mehr Ungeduld weiter. „Und Hylianer wie Orson oder Lady Blia… Wills Vater… wie soll ich es schaffen sie aus diesen Kämpfen herauszuhalten?“

„Link“, sprach sie langsam, wollte ihn unterbrechen, aber er drehte sich zu ihr, ließ sie schockiert drein schauen. Denn sie hatte das Gefühl an Links intensivem Blick zu zerbrechen. Seine Augen glühten in einer unheimlichen Präsenz. Durchdringend. Rau, beinahe gefährlich, sodass ihr schwindlig wurde. Sein Blick war rechtschaffen und aufrichtig, so intensiv trachtete er nach legendären Eigenschaften, so intensiv wie schon lange nicht mehr.

„Du verstehst das nicht, Ariana“, sprach er forscher. Seine Arme weit auseinander gebreitet. „Ich sitze auf glühenden Kohlen, ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht! Ich müsste so viele Dinge tun, ich müsste Prinzessin Zelda alles über die neue Bedrohung mitteilen. Die Ritter müssten davon in Kenntnis gesetzt und Pläne ausgearbeitet werden.“ Er fuhr sich mit beiden Händen durch das viel zu lange Haar.

„Alles Schritt für Schritt.“

Er überhörte ihre Versuche ihn einzubremsen. „Hyrule muss sich auf den Ernstfall vorbereiten, allen voran muss ich endlich diesen Fluch loswerden und stärker werden!“ Ariana spürte seine immense Verzweiflung anwachsen und es entsetzte sie. Link war ihr gegenüber noch nie so ehrlich gewesen. So erschütternd ehrlich…

„Link, bitte beruhige dich…“ Zögerlich trat sie zu ihm und musterte ihn eindringlicher.

„Ich kann nicht mehr ruhig bleiben.“ Er rieb sich über das Gesicht und keuchte vor Verzweiflung. Vielleicht weil auch er irritiert war, weshalb er Ariana dies alles erzählte. „Hyrule steht vor einer Katastrophe und alles was der sogenannte Held der Zeit tut ist zuschauen, wie das Chaos kommt?“ Ariana schluckte angesichts dieser Offenbarung. „Das Chaos…“, brachte sie über die Lippen. Sie legte ihre Hände auf die Lippen. „Du glaubst… du glaubst wirklich, dass…“

Link drückte die Augenlider hinab. Ihm war in seinen Gesichtszügen so deutlich anzusehen, dass er das Gesprächsthema bereute.

„Du glaubst… es steht Krieg bevor…“, brachte sie mit weit aufgerissenen Augen hervor.

„Du glaubst… Hyrule ist wirklich nicht mehr sicher…“ Ein Impuls von Schock und Ohnmacht kroch über Arianas Haut, ließ sie bleich und zerdrückt von Entsetzen aussehen. Sie trat seitlich und begann zu zittern. In ihrer Erinnerung gab es keine traumatischen Vorkommnisse. Sie war nie Zeuge eines Angriffs von Dämonen gewesen oder hatte Kriegsschauplätze betreten, und doch nagte eine namenlose Angst unter ihrem Fleisch und beschwor Bilder, die sie nicht zuordnen konnte. Da war eine Festung in ihren Gedanken, grau, umgeben von einem Fluss galliger Farbe wie Pech, und riesige Steinkolosse von mythischen Tieren Hyrules thronten als Wachposten auf den Dächern und Türmen des Gebäudes. Aber das Erschreckende war nicht die Düsternis der Festung, sondern, dass sie übersät war mit Leichen… Aus dem Leben gestoßene Körper auf den grauen Wegen, auf den Mauern und Brüstungen… der Tod regierte jenen Ort… Dort lebte der Krieg…
 

Als sie sich sammelte, trat Link mit strengem, besorgten Blick vor ihr, aber auch misstrauisch. Er blickte sie so durchdringend an, als hatte er an ihren inneren Bildern Anteil genommen, als wusste er ganz genau, dass sie in ihrer gedanklichen Welt als Zeugin der tiefsten Dunkelheit bestehen musste. Das Blau seiner Augen schimmerte blank und erforschender als sie aushielt, weshalb sie sogleich zurücktrat.

„Lass‘ uns… lass uns einfach Ruhe finden und die Ereignisse besonnen betrachten…“, murmelte sie und strich sich das lange schwarze Haar zur Seite. Sie wusste, dass sie Unsinn brabbelte, aber anders wusste sie gerade nicht mit einem gespenstischen Gefühl von Unsicherheit, Scham und sogar Schuld umzugehen, dass unter ihrer Haut schlitzte. Es fühlte sich unheimlich hässlich an, ein hinterhältiges Nagen eines verschlossenen Teils ihres Verstandes.

„Gerade das ist das Problem… wie soll ich diese ganzen Verwicklungen noch besonnen betrachten?“ Aufgebracht ließ sich Link auf einem Sessel nieder, knirschte mit den Zähnen und wirkte wie ein auf der Lauer liegender Wolf. In dieser Stimmung konnte er gefährlich sein, nicht so unschuldig und tagträumerisch wie die meisten ihn in seinem Gedächtnis trugen. Wenn sich der Held der Zeit der Manifestation seines Schicksals hingab, schwand das kindliche Grinsen schlagartig.

Auch Ariana setzte sich. Der fehlende Tisch in der Mitte machte das unbequeme voreinander hocken noch anstrengender und zwanghafter. „Link…“, murmelte sie, faltete die Hände im Schoß. Etwas unsicher strich sie ihren langen Leinenrock zurecht. „Sag‘ mir… was willst du denn in deiner Situation tun?“ Leise und zögerlich sprach sie begleitet von dem Knistern des Feuers im Kamin.

Mit müden Augen sah er sie an und strich sich mit der linken Hand durch das heublonde Haar. Es war mittlerweile viel zu lang und bedeckte in einzelnen wilden Strähnen seine Schultern.

„Ich muss das tun, was ich schon lange hätte tun sollen… mich an die Ritter wenden“, sprach er und stützte den Kopf auf die Hände.

„Aber…“, begann sie und verzog die Nase als müsste sie niesen. Es war niemals gut einen Satz mit Aber anzufangen. „Link… du weißt besser als ich, dass dies problematisch werden könnte. Denn welcher Ritter soll dir glauben? Du wirst schon Schwierigkeiten haben das Verhör zu überstehen!“, sprach sie schärfer.

Geknickt sank der junge Held noch weiter in sich zusammen, sein wildes Haar fiel nach vorne, begrub seine sturmblauen Augen. „Woher weißt du davon?“

„Hattest du es letztens nicht erwähnt?“ Sie zwinkerte verdattert.

„Ich habe nicht einmal Will davon erzählt!“ Erneut ein Blick aus seinen ernsten Augen, der ihr eine Welle Misstrauen entgegenschlug.

„Du musst es erzählt haben, woher sollte ich das sonst wissen!“ Sie rieb sich ungeschickt über die Arme und versuchte abzulenken.

Links hellbraune Augenbrauen dichteten sich und machten ihr deutlich, dass er ihr das nicht abkaufte, aber er schwieg. Schon wieder eine Sache, die ihm komisch vorkam. Er gab zu, dass er Bammel an dem Gedanken verspürte vor den Rat der Ritter treten zu müssen. Dass er sich vor der Adelsgesellschaft Hyrules verantworten musste, bescherte ihm eine üble Gänsehaut. Eigentlich hatte er sich, was diese -harmlos ausgedrückt- Befragung anging, noch nicht so viele Gedanken machen wollen, zumal es auch einige Ritter gab, bei denen er kein gutes Ansehen genoss. Und eine weitere Sache schmerzte in seinem Herzmuskel… die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass sowohl Zelda als auch der König persönlich bei diesem Rat saßen. Schließlich war der Angriff des Chadarkna äußerst beunruhigend. Warum sonst hatte man einen Trupp Soldaten und Ritter zu der Festung der Schneesternfamilie im Norden geschickt, von woher keine Kunde mehr kam? Doch nur, weil sich die Angriffe häuften… Aber gerade wegen der Wichtigkeit des Verhörs hatte Link peinlichst genau darauf geachtet es niemandem mitzuteilen. Ariana konnte es nicht wissen, es sei denn, sie besaß Informationsquellen, die sie verheimlichte. Und es sei denn, sie verbarg noch weiteres bedeutsames Wissen.
 

„Ariana… was genau weißt du über Dämonen in Hyrule?“ Er erhob sich und legte weitere Scheitel Feuerholz in das glühende Kaminloch. Auch er war nicht so leichtgläubig wie viele dachten und auch er nahm Arianas seltsames Verhalten genaustens unter die Lupe.

Sie hockte sich neben ihn und beobachtete eine starre Haltung in seinem Blick, wo sich Flammenzungen spiegelten. Der glühende Schein der Flammen färbte kupferne Strähnen in sein heublondes Haar. Da war eine Bewegung in seinem Haar, die die Starrheit in ihm aufzulösen schien.

„Über Dämonen, huch…“ Sie wollte ablenken, auch jetzt. An einem schwachen Schimmer in ihrem Gesicht las Link Bemühungen ihre Gedanken zu verschleiern. „Ich weiß nicht…“, murmelte sie dann. „Vielleicht weiß ich weniger als ich hoffe.“

Was für eine raffinierte Antwort, dachte der einstige Heroe. Einmal mehr versuchte Ariana etwas zu kaschieren. Und einmal mehr weckten diese trügerischen Spielchen ein Gefühl von Vertrautheit in ihm. Kopfschüttelnd erhob sich der vergessene Held und stemmte sein Körpergewicht stirngerichtet an eine Seitenwand.

„Jetzt, zu Nayrus Ehrentag, verschwimmen sehr oft die spirituellen Grenzen… was ist, wenn ich dir sagen würde, dass es Dämonen gibt, die in der Lage sind die Realität umzuformen?“ Und damit musterte Link das eigensinnige Mädchen eindringlich, suchte nach Anzeichen von weiteren Geheimnissen und suchte nach der Hoffnung eine vertraute, warmherzige Seele in Arianas Gestalt zu finden.

Alles, was sie tat, war mit einem Trübsinn, der schmerzliche Schatten in ihre bernsteinfarbenen Augen zimmerte, zu Boden zu starren. Aber etwas irritierte ihn. Es lag keine Überraschung in ihren Seelenspiegeln.

„Du meinst die alten Geschichten über die Chadarkna, irre ich mich dahingehend?“

Sie faltete ihre Hände vor der Brust, eine Gestik, die ihn einmal mehr irritierte. Da lag eine Form von pflichtbewusster Anteilnahme in ihrer Handlung, eine Bewegung ihrer zarten, langen Hände mit einnistender Vollkommenheit und tiefem Gefühl. Erneut wühlte die Vertrautheit ihrer Bewegungen in Links scharfem Verstand. Und woher kannte Ariana Geschichten über dieses alte Dämonenvolk? Link hatte nur durch das Buch von Aschwheel ein paar beunruhigende Informationen über diese alte Dämonenrasse erfahren können. So mannigfaltig war das Wissen über die dunkle Seite Hyrules auch nicht im einfachen Volk.

„Nein, du irrst dich nicht…“, murmelte Link, worauf Ariana seufzte und das Gesicht verzog. „Die Chadarkna haben dich angegriffen, ist es nicht so?“, platzte es aus ihr heraus. Eindringlich trat sie vor ihn und presste ihren Kiefer aneinander.

Okay, dachte Link und versuchte einen aufkommenden Zorn herunter zu schlucken. Zorn, weil in ihm das Gefühl von Unaufrichtigkeit wuchs. Weil er ein vertrautes Gefühl von Verrat und unnötiger Geheimniskrämerei spürte. Von Anfang an unterlag er einer kleinen Warnung, tief verborgen hinter seiner Stirn, dass etwas an Ariana mehr als bedenklich war. Dass er nicht ohne Grund dachte, hinter Arianas Fassade verbarg sich seine Prinzessin, die ihm bei allem, was er tat auf die Finger schaute.
 

Ein tiefer, rollender Laut drang aus seiner Kehle, beinahe wie fernes Wolfsgeheule, bis sich Link mit beiden Händen durch das wilde, dunkelblonde Haar strich.

„Es waren die Chadarkna…“, stellte sie schließlich fest. Links Schweigen sagte ihr alles, was sie als eine Bestätigung brauchte. Sie sackte auf die Knie, ein leises Schluchzen wich aus ihrem blutroten Mund, zimmerte eine neue Form von Verzweiflung in den Raum. „Bei Nayru, Link, ist dir denn klar, was das bedeutet? Was das für Hyrule heißt… was das für jedes einzelne Leben in diesem Land verursachen könnte…“ Ariana zitterte schließlich in ohnmächtiger Sorge. Sie zitterte so stark wie ein kleines Mäuschen, das von einer Raubkatze gejagt wurde. Hilflos… verwachsen mit dem Boden, in denen ihre bleiernen Knie hineinsanken. Eine gespenstische Angst breitete sich in dem winzigen Häuschen aus, wucherte, wucherte ins Unermessliche. Ariana hatte unfassbare Angst. Es war das erste Mal, das Link das stolze eigenwillige Mädchen in dieser gewaltvolle Angst erlebte.

„Du weißt tatsächlich etwas über dieses Dämonenvolk?“ Links Skepsis knallte fluchend durch den Innenraum. Einmal mehr fuhr er sich durch sein wildes, ungekämmtes Haar. „Verdammt nochmal, Ariana, was genau verheimlichst du?“ Link wusste, dass es nichts brachte, sie wegen ihres Wissens zu durchlöchern. Es brachte nichts sie darauf anzusprechen, woher sie Geschichten von den Chadarkna kannte. Sie seufzte und blickte schräg nach rechts, natürlich spürte sie wieviel Misstrauen ihr Verhalten in Link auslöste.

„Die Chadarkna… man erzählt sich der Todbringer, der vor ewigen Zeiten Hylia begehrte, soll aus dieser Dämonenrasse hervorgegangen sein…“ Sie rieb sich die Arme als fror sie etwas, aber es war wohl eher die Müdigkeit, die sie forderte und dazu beitrug sich zu verplappern. „Jene grausamen Wesen waren einst begabt die Realität auf eine zerstörerische Weise zu beeinflussen… und jene Fähigkeiten, so sagt man, seien in jener Dämonenrasse unterschiedlich stark ausgeprägt gewesen… Und bis heute weiß man auch nichts darüber, wie diese Macht der Schicksalsveränderung wirklich funktioniert…“

Link stutzte: „Moment… wenn der Todbringer aus diesem Geschlecht von Monstern stammt… dann…“ Ein abartiger Gedanke formte sich in Links Gedankensphären. Denn der Chadarkna selber hatte davon gesprochen, dass ein Held sie beinahe ausgelöscht hätte. Gab es eine direkte Verbindung der Chadarkna mit den Helden Hyrules, eine Verbindung, die aus den Kämpfen gegen den Todbringer hervorging und bei Ganon endete. Das war irgendwie gruselig, dachte der vergessene Heroe. Trug Ganondorf Chadarknablut in sich?

Ariana sah die Kämpfe in Links Gedankenwelt durch seine sturmblauen Augen hervorbrechen und ahnte auch, dass er verstanden hatte. All das, was dem Helden in den letzten Monaten widerfahren war, schien auch nur ein Teil der Rache des ewigen Bösen an dem wahren Helden Hyrules zu sein. Ein wenig beschämt über ihr Unvermögen ihre Fassade zu wahren, beschämt darüber sich schwach und erschöpft zu fühlen, hockte sie sich erneut vor den Kamin.

„So viel zu einem angenehmen Fest der Nayru…“, sprach sie melancholisch und unglaublich bedauernd. Jetzt, da sie beide über nichts anderes als das Böse redeten, war ihr innerlich irgendwie zum Weinen zumute.

Die Hände in den Hosentaschen vergraben lehnte sich der Ritterschüler an die rissige Holzwand und stimmte gedanklich in Arianas Worte ein. Seit er nach Hyrule zurückgekehrt war, verlief sein Leben in den verrücktesten Bahnen und alles, wofür er stand, war zerbrochen. Link wusste, dass der Chadarkna etwas inszeniert hatte um sein Leben zu beeinflussen und selbst seine Persönlichkeit zu spalten. Aber wie unheilvoll doch jeder Funken Wissen war, der im Laufe der Zeit ans Tageslicht drang. Und wie tiefschichtig…

Link ballte die Fäuste, die gut versteckt in seinen Hosentaschen verweilten. Ein kleines Knacken in seinen Schläfen verriet die Anspannung, die in ihm anstieg.
 

„Verzeih‘ mir… Link“, murmelte Ariana schließlich. Ohne ihren Blick von dem Feuer abzuwenden, spürte sie das Unbehagen in der Luft und das Unverständnis ihres Freundes sich in kindliche Wut wandeln. Alles, was sie in den letzten Stunden getan hatte, musste den heroischen Burschen völlig irritiert haben. Sie hatte ihn bevormundet, verwundert, mit Besorgnis überschüttet, hatte ihm geschmeichelt und Misstrauen geschürt durch Wissen über verschwiegene Dämonen. Wie nur sollte Link ihre Haltung nachvollziehen können?

Er schwieg, aber spürte den Drang nach den Erlebnissen der letzten Stunden ein wenig frische Atemluft in seine Lungen zu bringen, den Kopf freizukriegen und zog sich ohne weitere Worte seinen Mantel über. Er seufzte, aber brachte keine weiteren Worte über seine Lippen und trat mit schweren Schritten in Richtung Haustür. Link verschwand still und gebeugt. Als Ariana mit vergrämten Gesichtszügen in seine Richtung blickte, hängte er bereits die Tür ins Schloss.



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Von:  Kamui-Shiro
2022-02-08T08:09:13+00:00 08.02.2022 09:09
Heyho ich mal wieder. Wollte einfach mal nachfragen ob du noch an dieser Geschichte arbeitest. Bin hier wirklich mega gespannt ob und wie es weitergeht. Naja will dich auch nicht nerven, aber ein klein wenig daran erinnern, dass du diese Geschichte weiter leben lässt. Gruß Sebastian
Von:  Kamui-Shiro
2021-01-11T14:54:35+00:00 11.01.2021 15:54
Heyho, bin echt gespannt wie es weitergeht. Und hoffe auf baldigen Nachschub. Die Geschichte wird immer spannender. Sehr gutes Kapitel. Bitte bitte weiter so 😀. Gruß Sebastian
Antwort von:  Faylen7
16.01.2021 00:19
Hi, ich muss erneut Entschuldigung sagen, dass es einfach nicht weiter geht... aber ich habe endlich mein eigenes Buch begonnen, was die wenige Zeit schlingt, die ich habe. Diese Fanfics bedeuten mir sehr viel, denn durch sie habe ich erst schreiben gelernt. Danke für deine Rückmeldung. Sobald ich etwas mehr Gefühl und Geduld für die Fanfic habe, setze ich sie natürlich fort. lG Faylen7
Von:  Kamui-Shiro
2021-01-11T09:55:22+00:00 11.01.2021 10:55
Heyho, bin eigentlich nur ein stiller Leser, wollte aber mal eine Rückmeldung geben. Ich liebe deine Geschichten und tauche gerne in diese Welten ein. Hoffe wirklich sehr das du die Zeit findest die Geschichte weiter zu schreiben. Beste Grüße. Sebastian 😀
Von:  Tonithedragon
2020-10-12T22:18:23+00:00 13.10.2020 00:18
Hey faylen ich wollte nur fragen ob du die fanfiction "nur ein spiel" eigentlich noch weitermachst und ob du sie wieder online stellen könntest weil ich würde sie wirklich gerne weiterlesen da ich nie bis zum ende gekommen bin. :) ich liebe übrigens deinen schreibstil und hoffe sehr das du "nur ein spiel" bald weiterschreibst. LG toni
Antwort von:  Faylen7
06.11.2020 09:42
Hi, vielen Dank für deinen Kommi. jahh... was "Nur ein Spiel" angeht, aber auch, was diese Fanfic hier angeht. Ich bin vor einer Weile in ein anderes Land umgezogen, die Veränderungen, die es da mit sich gebracht haben, machen es mir zeitlich gerade unmöglich überhaupt zu schreiben. Ich würde diese Geschichten so gerne endlich einmal beenden. Ich hoffe, du hast noch etwas Geduld. Ich hatte die Fanfic rausgenommen, weil ich selbst so unzufrieden war, ich werde sie einfach wieder on bringen (aber fertig ist sie trotzdem nicht :-( lg
Von:  Eniko
2020-01-20T20:33:41+00:00 20.01.2020 21:33
Hey!
Ich finde du hast ausreichend genug Geschehnisse hier eingepackt, alles andere wäre zu viel gewesen! Das passt schon so :)
Ich freue mich das es weitergeht :)



Antwort von:  Faylen7
31.01.2020 10:38
Dankeschön, es geht leider zu schleppend voran. Es dauert ein wenig bis ein neues Kapitel kommt. LG
Antwort von:  Eniko
02.04.2020 10:41
Kein Ding!
So wie es dein Leben dir zulässt ;3
Von:  Kjaskar
2019-10-28T15:13:57+00:00 28.10.2019 16:13
Hallo Line,

ich habe mich gestern sehr gefreut, als ich die zwei neuen Kapitel gesehen habe!!! Viel zu spät, aber ich bin nur noch selten auf Animexx und deine HP gibt es ja leider nicht mehr.
Trotz der langen Wartezeit, hat die Story nichts von seinem Zauber verloren und ich konnte mich gleich wieder rein versetzen. 😍 Bin mega glücklich, danke!
Antwort von:  Faylen7
02.11.2019 17:03
Hi, das ist sehr lieb, Dankeschön, ich wollte sehr gerne wissen, ob sich mein Schreibstil sehr verändert hat. Wenn es in Ordnung ist, dann umso schöner 😄 auch wenn es etwas dauert, ich schreibe die Geschichte ganz sicher zu Ende, ab und an mal reinschauen lohnt sich. LG
Von:  Kazuma_Kazuto
2019-07-04T23:44:28+00:00 05.07.2019 01:44
Wann können wir den mit dem nächsten Kapitel rechnen und wird es etwas spezielles für das 50ste?
Antwort von:  Faylen7
09.07.2019 00:20
Hallo, ehrlich gesagt habe ich von dem nächsten Kapitel noch nicht gänzlich viel schreiben können, im Moment fordert mich die andere Fanfic noch ziemlich in der Überarbeitung. Etwas wirklich spezielles hatte ich eigentlich nicht geplant, aber wenn du mich so fragst, motiviert mich das doch etwas Besonderes draus zu machen. ;)) Mal schauen.
Von:  Carifyn
2019-07-03T21:33:09+00:00 03.07.2019 23:33
Huh, so viele Jahre... und jetzt gleich zwei neue Kapitel! Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich das erst jetzt bemerkt habe... aber ich bin auch nicht mehr so häufig auf Animexx unterwegs wie früher mal.

Meinen Respekt dafür, dass du deine Geschichten noch immer weiterführst. (von jemandem, der es nicht schafft, mehrere Kapitel aneinanderzureihen :p) Und meinen Dank dafür, einmal mehr in deine Geschichte eintauchen zu dürfen. Auch wenn es wirklich fies für Link ist. Für ihn sehnt man sich ja wirklich nach Aufklärung... was in der Vergangenheit passiert ist, das er nicht mehr erinnert... wer Ariana wirklich ist... armer Kerl. Ich freue mich sehr auf die Fortsetzung! So viele Vermutungen, so viel Ungewissheit! :3
Antwort von:  Faylen7
09.07.2019 00:18
Danke, hoffe, das Niveau der Fanfic trotz der langen Pause einhalten zu können, ist manchmal nicht so einfach ;-) in drei Jahren passiert einfach Zuviel Persönliches, das sich auch im Schreibstil niederschlägt. Es wird aber auch Zeit, dass es in der Fanfic ein paar entscheidende Wendungen gibt. Ich kann zumindest verraten, dass es nicht mehr lange dauert und Link macht sich auf die Reise durch die Zeit, wie ja schon angedeutet ist. lg
Von:  Seoko
2019-04-19T01:34:30+00:00 19.04.2019 03:34
Ich liebe deine Geschichte sehr. Sie ist so gut geschrieben aber auch verwirrend und nicht wirklich vorhersehbar 😁 manchmal kommt mir link aber super unsymphatisch vor 😅 arme Zelda / Ariana (?)
Bin gespannt wie es weiter get!!!
Antwort von:  Faylen7
19.04.2019 22:30
Vielen Dank, ich hoffe, ich kann es weiterhin einigermaßen gut rüberbringen, dass Link nicht er selbst ist ;-)
Jahh, das Zelda/ Ariana- Thema, nach wie vor kaum zu entschlüsseln. Aber es wäre sicherlich unkreativ, wenn es so einfach wäre, richtig?
Von:  Seoko
2019-03-14T05:56:29+00:00 14.03.2019 06:56
Meine Güte das war lang! Aber so sehr lohnenswert dass ich richtig froh bin zu sehen dass du weiter schreibst!!! :)
Antwort von:  Faylen7
26.03.2019 22:47
Die Motivation weiterzuschreiben habe ich nach wie vor... was weiß ich, vielleicht bin ich bloß zu stur um aufzugeben. *lach* Gerade für KgdS liegen mir einige kommende Kapitel total am Herzen. Ich hoffe, ich finde die Zeit. Danke!
Antwort von:  Seoko
27.03.2019 05:24
Oh ja das hoffe ich auch!!! <3


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