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Bis mich der Zug des Lebens überfährt ...

Die x Kyo
von

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Exitus

Okay, das ist also, was passiert, wenn man nicht für eine Reliklausur lernen will und mitten in der Nacht von 'Exitus' von E Nomine inspiriert wird ... Als ich das geschrieben hab, hatte ich noch keine Ahnung, um wen es eigentlich geht, ich hab einfach mal drauf losgeschrieben ...

Anyways, mittlerweile hab ich auch schon das erste Kapitel fertig, dass ich gleich mit hochlad ... ich hoffe, es gefällt euch ...

Nun denn, es bleibt mir nur noch euch fröhliches Lesen zu wünschen ...
 

Bis mich der Zug des Lebens überfährt (KyoxDie)
 

Prolog: Exitus
 

Bald.

Bald würde alles vorbei sein.

All die Trauer.

All das Leid.

All der Schmerz.

Bald würde er endlich erlöst sein.
 

Heute, in dieser sternenlosen, stürmischen Septembernacht, haben ihn seine Füße ohne sein eigenes Zutun zu diesem vertrauten Ort getragen.

Hierher, zu der Brücke, die er seit seiner frühesten Kindheit kennt und auf deren rostigem Geländer er nun steht.

Seine sonst so feinen und warmen Gesichtszüge sind jeglichen Ausdruckes beraubt.

Seine Augen, die nichts mehr sehen, seit sie Ihn nicht mehr erblicken können, starren leer vor sich hin.

Er ist blind geworden für diese Welt, in der es keine Farben, keine Wärme mehr gibt, seit Er sie verlasen hat.

Er bemerkt nicht die heißen Tränen, die sich stumm ihren Weg über seine blassen Wangen bahnen und dann mit dem dunkeln Wasser in den Schatten unter ihm verschmelzen.

Er bemerkt nicht die unerbittliche Kälte, die über seine nackten Füße auf dem Brückengeländer bis in die tiefsten Tiefen seines Körpers vordringt.

Er bemerkt nicht, wie sich seine Hand schmerzhaft um eine der Stützstreben klammert und wie das Metall dabei so tief in sein Fleisch schneidet, dass warmes Blut unter seinen Fingern hervorquillt.

Er steht einfach nur unbeweglich da und lässt den Wind mit erbarmungsloser Kraft an seinem dünnen Pyjama zerren.
 

Diese Welt ist so leer.

Es ist nichts mehr übrig, für das es sich lohnt den nächsten Atemzug zu tun.

Er war sein Ein und Alles.

Er war seine Sonne.

Und jetzt da sie Ihn ihm entrissen haben, versinkt sein Dasein in undurchdringbarer Dunkelheit, angefüllt mit lautlosen Schreien des Grauens.
 

Er will und kann nicht mehr.

Nicht ohne Ihn.

Nicht ohne Sein wärmendes Lächeln; nicht ohne Seine sanfte Stimme, die tröstende Worte flüsterte, wann immer er sich einsam fühlte; nicht ohne Seine schützenden Arme, die ihn in den Schlaf wiegten.

Ohne Seine Berührung.

Ohne Seinen Kuss.

Ohne Seine Liebe.
 

Nun ist es an der Zeit, all den Schmerz und Kummer, die ihn verzehren, hinter sich zu lassen und endlich wieder mit Ihm vereint zu werden.

Er schließt die Augen.

Langsam löst sich der krampfhafte Griff seiner Hand um die Metallstrebe und er verlagert sein Gewicht nach vorne der Unendlichkeit entgegen.

Er steht nur noch mit den Fußballen auf der Brüstung, die seine letzte Verbindung ist zu dieser vergänglichen Welt, in der nichts außer Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung die Zeit überdauern.

Er breitet die Arme aus.
 

- Ich schenke dir mein Leben ... kannst du mir die Ewigkeit geben ... ? -
 

To be continued ...

(Auch, wenn es nicht so scheint ...)

Hajimemashite

Kapitel 1: Hajimemashite
 

~ ein Jahr zuvor ~
 

Sie hatten gesagt, es würde alles anders werden.

Und es war auch anders geworden, jedoch nicht so wie sich das die Beamten vom Jugendamt vorgestellt hatten, als sie ihn an diese neue Schule schickten.

Es war alles noch viel schlimmer geworden.
 

So wie schon den Rest seines Lebens, seit sein Vater gestorben war, wurde er von einem Verwandten zum nächsten weitergereicht, wie ein lästiges Erbstück mit dem sich keiner zu lang beschäftigen wollte.

Rechtzeitig zu Beginn seines letzen Schuljahres vor drei Wochen hatte man einen Familienangehörigen in Osaka ausfindig gemacht.

Es interessierte ihn nicht, um viele Ecken er mit diesen Leuten verwandt war.

Bis jetzt hatte ihn jede Familie mit der gleichen Verachtung behandelt.

Sie hatten ihn beschimpft, geschlagen, mißbraucht, seinen Willen gebrochen.

Ihn interessierte nichts mehr.

Er wollte nur in seinem Zimmer in Ruhe gelassen werden und sich in seine eigene, kleine Welt zurückziehen können.

Im Moment aber war dem aber überhaupt nicht so.
 

"Nimura Tooru!"

Die laute Stimme seines Geschichtslehrers riß ihn aus seinen Gedanken.

Kyo hob seinen Blick, der bis eben noch auf einen Baum im Schulhof gerichtet gewesen war und sah in das vor Wut leicht gerötete Gesicht seines Lehrers.

"Es wäre für Sie von unglaublichen Vorteil, wenn Sie dem Unterricht Ihre volle Aufmerksamkeit schenken würden. Wenn Sie sich aber mehr für die Botanik unseres Schulhofes interessieren, der Biologiekurs von Tsuzuki-san befindet sich drei Türen weiter."

Augenblicklich füllte sich das Klassenzimmer mit dem schadenfrohen Gekicher seiner Mitschüler.

"Hai, sensei", murmelte der blonde Junge leicht beschämt und sank tiefer in seinen Stuhl.

Der Lehrer war nicht unbedingt sehr überzeugt von Kyos Reaktion, aber schließlich wandte er sich wieder der Klasse zu und ließ im Laufe der Unterrichtsstunde den ersten Weltkrieg ausbrechen.
 

Sein Lehrer hatte ja schon irgendwie Recht; eigentlich sollte sich Kyo vollkommen auf seinen bevorstehenden Abschluß konzertieren, denn dadurch, dass er in den letzen zwei Jahren mindesten viermal die Schule gewechselt hatte, hatte er eine Menge Stoff verpasst und viel nachzuholen.

Doch Kyo war es gleich, ob er nun besonders gute Noten hatte oder nicht.

Er wollte das Ganze hier nur irgendwie hinter sich bringen und dann dieser Hölle auf Erden entfliehen.

An dieser Schule war es so unerträglich wie nie zuvor.

Früher hatte man ihn einfach nicht beachtet und ihn als den Freak, der nie mit jemanden sprach und der in den Pausen merkwürdige Gedichte schrieb, hingenommen.

Kyo war dankbar für dieses Verhalten; Hauptsache niemand wollte etwas von ihm; es genügte schon, dass man ihn zu Hause schikanierte.

Hier aber standen ihm seine Mitschüler nicht so gleichgültig gegenüber.

Im Gegenteil, sie schienen großen Gefallen daran zu finden ihn ständig wegen jeder Kleinigkeit aufzuziehen.

Egal, wo er hinging, immer spürte er, wie ihm ihre durchdringenden Blicke folgten und wie sie hinter seinem Rücken anfingen über ihn zu tuscheln.

Sie ließen keine Gelegenheit aus, ihn auflaufen zu lassen und ihn bloßzustellen.

Kyo war eben nicht der Typ, der sich freudestrahlend dem nächstbesten Menschen, der zufällig neben ihm stand, um den Hals werfen würde.

Dafür hatte er mit seinen siebzehn Jahren schon zuviel durchmachen müssen.

Jahre des Herumgeschubstwerdens hatten ihn nun mal gelehrt, dass es besser war eine Mauer um sich zu bauen und niemanden an sich ranzulassen.

Doch irgendwie konnten oder auch wollten das seine Mitschüler nicht akzeptieren und drangsalierten ihn unerbittlich weiter.
 

Endlich erklang der erlösende Schulgong und die Klasse begann unter aufgeregtem Gemurmel das Zimmer zu verlassen.

Kyo blieb mit Absicht etwas zurück und machte sich dann als letzter mit zu Boden gewandtem Blick auf den Weg zu seinem Spint.

Geschichte war für heute die letzte Stunde gewesen und Kyo wollte sich gerade in Richtung Ausgang bewegen, als er mit solcher Wucht gegen etwas, oder besser gesagt jemanden, stieß, dass er sein Gleichgewicht verlor und mit rudernden Armen rückwärts zu Boden fiel wo er benommen liegen blieb.

Kyo schüttelte den Kopf, damit die hüpfenden schwarzen Punkte vor seinen Augen verschwinden würden und stützte sich auf seine Ellenbogen, um zu erkennen gegen wen gelaufen war.

Im selben Moment wünschte er sich er hätte es nicht getan.
 

Vor ihm stand Takai Hatsuru, der reichste und wohl eingebildetste Junge der gesamten Schule.

Alle machten um ihn so einen großen Bogen wie nur irgend möglich und konnten sich glücklich schätzen, wenn sie niemals näheren Kontakt mit ihm haben würden.

Jeder wußte, dass Hatsurus Vater in so ziemlich jedem Geldgeschäft, dass irgendwo in der Stadt getätigt wurde, verwickelt war und dass dabei nicht immer alles mit rechten Dingen zu ging.

Dennoch wagte es niemand weder Takai senior noch Hatsuru zu widersprechen.
 

"Da sieh mal einer an, was wir da haben! Lang nicht mehr gesehen, ne? Jungs, helft ihm doch mal auf die Beine ..."

Bei diesen Worten lösten sich aus der Gruppe Privilegierter hinter Hatsuru, deren Gegenwart aus unerfindlichen Gründen von ihm geduldet wurde, zwei Jungen und traten neben Kyo, packten jeweils einen seiner Oberarme und zogen ihn brutal in die Höhe.

Kyo machte keine Anstalten sich zu wehren; er hatte längst aufgegeben.

Jede Art von Widerstand würde die ganze Sache nur noch verschlimmern.

- Ich bin ja selbst schuld, war schließlich so dumm und bin in ihn reingelaufen ... -
 

Hatsuru trat auf ihn zu und schob dabei mit einer lässigen Bewegung seine Sonnenbrille nach oben in seine blau-schwarzen Haare, die zu einem langen Pferdeschwanz zurückgebunden waren.

Seine dunklen, fast schwarzen Augen funkelten Kyo bösartig an.

Dieser hielt dem Blick nicht lange stand und sah zu Boden.

"Also, Kyo, ich weiß, du bist neu hier und deshalb werd- ... hey, sieh mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!"

Ein lauter Knall schallte durch den leeren Korridor und Kyos Kopf wurde von der Kraft der Ohrfeige zur Seite gerissen.

Sofort brannte seine Wange wie Feuer und der rote Abdruck von fünf Fingern war deutlich auf seiner blassen Haut zu erkennen.

Kyo hatte keine Zeit sich von dem Schlag zu erholen, schon schloss sich Hatsurus Hand wie ein Schraubstock um sein Kinn und zwang ihn dazu nach oben in das Gesicht des Größeren zu blicken.

"So ist es gut ... wie gesagt, ich werde dir das nur einmal erklären: Ich habe hier das Sagen und niemand, ich betone NIEMAND wagt es sich mir in den Weg zu stellen. Hast du das verstanden?"

Selbst, wenn Kyo auf die Idee kommen wäre überhaupt etwas zu antworten, wäre er nicht in der Lage dazu gewesen. Er war viel zu sehr darauf konzentriert seinen Körper mit Sauerstoff zu versorgen, denn der stählerne Griff um seinen Hals schnitt ihm langsam aber sicher die Luft ab.

Hatsuru hingegen schien das nicht sonderlich zu interessieren; statt dessen holte er mit seiner freien Hand aus und rammte sie Kyo in die Magengegend.

Alle Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst, sein Oberkörper klappte nach vorne, seine Knie gaben nach und er wurde nur noch von Hatsurus beiden Komplizen aufrecht gehalten.

Für ein paar Sekunden wurde um ihn alles dunkel und dann wieder hell.

Gleichzeitig begann Übelkeit in ihm aufzusteigen; er biss sich schmerzhaft auf die Unterlippe, um sich nicht zu übergeben.

Schwer atmend kämpfte Kyo krampfhaft darum nicht ohnmächtig zu werden.

"Ob du das verstanden hast?"

Hatsurus Stimme hatte ein Spur an Schärfe gewonnen und er holte drohend zu einem zweiten Schlag aus.

Kyo gab einen grunzenden Laut von sich, den man mit viel guten Willen als Zustimmung deuten konnte und nickte heftig mit dem Kopf, was wiederum eine weitere Schmerzenswelle durch seinen Körper sandte.

Die Körperhaltung des Größeren entspannte sich deutlich und ein zufriedenes Siegeslächeln machte sich auf seinem Gesicht breit.

"Guter Junge ... kommt, Jungs, wir haben schon genug Zeit mit diesem kleinen Idioten verschwendet ..."

Mit diesen Worten wandte sich Hatsuru zum Gehen und die kleine Gruppe seiner Anhänger folgte ihm.

Auch einer der beiden Jungen, die Kyo immer noch aufrecht hielten, ließ ihn los, wohingegen der andere zusätzlich noch Kyos Hinterkopf umfasste und ihn mit seiner ganzen Kraft gegen einen der metallenen Spints stieß.

Kyos Nase prallte heftig auf eines der Schlösser, mit denen die Spints gesichert waren und er schrie vor Schmerz laut auf.

Nun versagten seine Beine vollständig ihren Dienst und wie er betäubt zu Boden sank, hörte er das sich entfernende, gehässige Lachen der beiden Jungen.
 

Er konnte nicht lange bewusstlos gewesen sein, denn als er wieder zu sich kam, lief ihm immer noch warmes Blut aus der Nase.

Ihm war unvorstellbar schlecht und ein dumpfer Schmerz pochte in seinem Kopf.

Mit unsicheren Bewegungen stand Kyo langsam auf und ging schwankend in Richtung Toilette, um mit kaltem Wasser die Blutung zu stillen.
 

***
 

"Hast du diesmal wenigstens genug Geld?"

Die drehte sich um und sah direkt in ein Gesicht, das ihn mit zwei großen, flehenden Augen ansah.

Er erschrak ein wenig darüber, wie nah ihm der Junge gegenüber stand.

"Die, du weißt doch, dass ich knapp bei Kasse bin ..."

Genervt rollte der Rothaarige mit den Augen, schob sein schmächtiges Gegenüber beiseite und versuchte somit etwas Abstand von ihm zu gewinnen.

- Langsam reicht es mir, jedes Mal dasselbe ... -

"Tut mir leid, Hara, aber wenn du nicht zahlen ka-"

"Biiitteee, Daiiisukeee ... du weißt, wie sehr ich den Stoff brauche!"

Toshiyas weinerliche Stimme hallte laut in der leeren Toilette wider und Die hielt dem blauhaarigen Jungen erschrocken den Mund zu.

"Sch!!! Willst du, dass die ganze Schule davon erfährt?!?"

"Schuldigung..."

"Schon gut."

Die nahm seine Hand wieder runter, lehnte sich gegen eines der Waschbecken und zündete sich eine Zigarette an.

Das strikte Rauchverbot auf dem gesamten Schulgelände kümmerte ihm im Moment herzlich wenig.

- Ich hasse diesen Job. Warum mache ich das überhaupt? ... Ach ja, weil mein toller Vater nicht mit Geld umgehen kann ... -
 

Einige Zeit lang herrschte bedrückende Stille zwischen den beiden Jungen.

Toshiya fummelte nervös am Saum seines halb transparenten T-Shirts und trat dabei ungeduldig von einem Fuß auf den anderen, während Die, die Ruhe in Person, seine Zigarette zu Ende rauchte.

Dann schien Toshiya auf einmal eine Idee gekommen zu sein und ein verdächtiges Lächeln schlich sich in sein Gesicht.

"Ano ... und was, wenn ich dir den Stoff auf andere Weise bezahle?"

Dies Augen weiteten sich vor Überraschung und Schock, als er plötzlich Toshiyas Hand zwischen seinen Beinen spürte.

Der blauhaarige Junge beugte sich nach vorne und Die fühlte, wie Toshiyas weiche Lippen leicht über sein Ohr strichen.

"Na, wie würde dir das gefallen?"

Der heiße Atem an seinem Nacken ließ Die erschaudern.

Toshiya begann über den Stoff von Dies Hose zu reiben und der Rothaarige musste sich zusammenreißen, um ein leises Stöhnen zu unterdrücken.

Die stoppte die Bewegung von Toshiyas Hand mit seiner eigenen und schob sie weg, bevor sich da unten etwas zu regen begann.

"Nein."

Die versuchte so überzeugend wie möglich zu klingen, obwohl er zugeben musste, dass Toshiyas Angebot äußerst verlockend war.

Es war Monate her, dass er das letzte Mal mit jemanden geschlafen hatte und das auch nur, weil Shinya zu betrunken war, um sich großartig zu wehren.

- Aber ich will nicht, dass er sich selbst so sehr erniedrigt. -

Dem soeben Zurückgewiesenem standen deutlich sein verletzter Stolz und seine Verzweiflung ins Gesicht geschrieben.

"Hör zu, Hara. Es ist nicht so, dass ich dich nicht wollen würde ... aber ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn du mit mir schläfst, nur um an das Heroin zu kommen."

"Ist schon gut ... ich werd mir den Stoff woanders besorgen ..."

Mit einem resignierenden Seufzer und hängenden Schultern ging Toshiya in Richtung Tür.

"Warte."

Die packte den anderen am Handgelenk und Toshiya sah ihn überrascht an.

In seinem Blick lag nun ein leichter Schimmer von Hoffnung.

"Ich weiß, ich werde das bereuen, aber ..."

Der Rothaarige fummelte an der Innentasche seiner Lederjacke und zog einen kleinen Beutel mit weißem Pulver darin hervor und drückte es dem nun komplett verwirrten Toshiya in die Hand.

" ... ich gebe dir was von meinem Privatvorrat."

Für ein paar Sekunden starrte der Blauhaarige die Droge einfach nur ungläubig an, dann grinste er von einem Ohr zum anderen und fiel Die stürmisch um den Hals.

"Doumo arigatou!!!"

"Jaja, schon gut ..."

Und wieder schob Die Toshiya von sich weg; dieser strahlte ihn an, wie ein kleines Kind, für das Weihnachten und sein Geburtstag auf einen Tag gefallen waren.

Die hatte das nur getan, weil er genau wußte, dass das meiste Heroin, das man an jeder beliebigen Straßenecke in der Stadt bekommen konnte, mit allem möglichen Zeug gestreckt wurde.

Und in den meisten Fällen töteten diese 'Zutaten' schneller und effektiver als die Droge selbst.

"Das ist aber nur eine besondere Ausnahme, verstanden?"

"Ja, natürlich, das nächste Mal kann ich wieder zahlen, versprochen!"

Mit diesen Worte drückte Toshiya einen kleinen Kuss der Dankbarkeit auf Dies Wange und stürmte grinsend wie ein Honigkuchenpferd aus der Toilette.
 

Nachdem Die vor einem der Spiegel ein paar Strähnen seines dunkelroten Haares, die während Toshiyas Gefühlsausbruch in Mitleidenschaft gezogen wurden, wieder in Form gezupft hatte, verließ er die Toilette.

Zumindest war das sein Plan.

In Wirklichkeit aber stieß er beim Öffnen der Tür mit einem kleinem blondem Etwas zusammen.

Bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass es sich um Kyo handelte, der sich mit blut- und tränenverschmierten Gesicht an ihm vorbei in den Toilettenraum drängte.

Der Rotschopf zuckte bei diesem Anblick zusammen als wäre er es gewesen, den man verprügelt hat.

- Mein Gott, was haben sie dir jetzt schon wieder angetan ... ? -

Besorgt sah Die zu, wie sich der Kleinere über ein Waschbecken beugte und anfing sich das Blut vom Gesicht zu waschen.

Dabei klammerte sich seine freie Hand so fest um den Beckenrand, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

"Daijoubu?"

Innerlich gab sich Die ein Ohrfeige.

- Was für eine dumme Frage, Daisuke. Was soll denn da noch in Ordnung sein? -
 

Kyo schien den anderen überhaupt nicht zu bemerken.

Er betrachtete sich ein letztes Mal mit leerem Blick im Spiegel, arbeitete sich mit langsamen Schritten zu den Papierhandtüchern vor und trocknete sich ab.

Dann wandte Kyo sich in Richtung Tür, allerdings musste er dafür seinen sicheren Halt aufgeben und seinen Füßen sein gesamtes Körpergewicht anvertrauen.

Und dieses Vorhaben scheiterte kläglich.

Bereits nach zwei Schritten fühlten sich seine Beine an wie Pudding und als er zum dritten ansetzte, wurde es ihm schwarz vor Augen.
 

Gerade noch rechtzeitig bemerkte Die das bedrohliche Schwanken des Blonden und Kyo landete sanft in den Armen des Rothaarigen, anstatt plötzliche Bekanntschaft mit den kalten Fliesen zu machen.

Ein wenig unschlüssig ließ Die seinen Blick auf dem bewußtlosen Körper in seinen Armen ruhen.

- Schön, und was mache ich jetzt mit ihm? ... Am besten ich bring ihn zu Kaoru ... er wird sich schon um ihn kümmern ... -
 

***
 

Er war gerade dabei, die letzten Mullbinden einzusortieren, als die Tür aufgestoßen wurde und Die mit einem blonden, offensichtlich bewußtlosen Jungen im Arm in die kleine Krankenstation stolperte.

"Kao-kun, tasukete ..."

Mit einer herrischen Handbewegung brachte der Angesprochene den Jüngeren zum Schweigen.

"Ich hab dir schon oft genug gesagt, dass du sie nicht ständig hierher bringen sollst. Das hier ist keine Entzugsklinik!"

Unbeeindruckt von diesen Worten marschierte der Rotschopf an Kaoru vorbei und legte Kyo vorsichtig auf die nächste Krankenliege.

"Dieses Mal ist es was anderes. Er wurde anscheinend von irgend jemanden ziemlich verprügelt und dann ist er auf der Toilette vor meinen Augen umgekippt. Ich konnte ihn da doch nicht einfach so liegen lassen!"

Immer noch ein wenig mißtrauisch trat Kaoru näher an den Bewusstlosen heran und musterte ihn skeptisch.

"Und du bist sicher, dass er keine Drogen nimmt?"

"Woher soll ich denn das wissen?!? Bei mir war er jedenfalls noch nicht ... Mach lieber was, damit er wieder aufwacht."

Allmählich wurde Die wütend.

Was stellte denn Kaoru für dumme Fragen anstatt Kyo zu helfen?

- Verdammt, und wieso rege ich mich deswegen überhaupt so auf? Es ist ja nicht so, dass mir viel an Kyo liegen würde ... oder? -

Auch der Ältere bemerkte Dies Anspannung und begann den kleinen Körper vor ihm mit routinierten Bewegungen abzutasten.

"Schon gut, schon gut. Seit wann bist du denn so besorgt um jemanden, den du noch nicht mal richtig kennst?"

Verlegen biss sich Die auf die Unterlippe, nuschelte irgend etwas Unverständliches und wandte sich von der Liege ab.
 

Ein paar Minuten herrschte Stille, bis Kaoru einen überraschten Laut ausstieß, der Dies Aufmerksamkeit wieder auf die beiden anderen Personen im Zimmer lenkte.

"Doushita?"

"Also, gebrochen ist nichts, aber er scheint ein ziemliches Problem mit sich selbst zu haben ..."

Neugierig trat der Rothaarige näher und sah über Kaorus Schulter auf die entblößten Unterarme Kyos.

Dies Augen weiteten sich, als er die unzähligen Narben sah.

Manche davon waren schon alt und verblaßt, aber erschreckend viele waren erst frisch zugewachsen und verkrustet.

"Er ritzt?!?"

Die blinzelte ungläubig.

Man konnte sich zwar an fünf Fingern abzählen, dass Kyo nicht gerade eine Frohnatur war, dennoch war er im ersten Moment geschockt.

Dass es so schlimm ist, hätte er nicht gedacht.

"Hai, und das schon seit einer ziemlichen Weile. Manche der Narben sind bestimmt schon ein, zwei Jahre alt."

"Kein Wunder, so wie man ihn ständig behandelt ..."

Die Stimme des Rothaarigen war jetzt nur noch ein Flüstern und er strich Kyo zärtlich ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht.

Kaoru betrachtete den Jüngeren erstaunt.

In Dies Blick lagen nicht nur Sorge und Mitleid, sondern auch allzu deutliche Zuneigung.

- Nani? Die empfindet etwas für diesen kleinen Freak? Und das, obwohl die beiden noch nicht einmal ein einziges Wort mit einander gewechselt haben? -

In diesem Moment fiel Kaorus Blick zufällig auf seine Armbanduhr.

"Aaah, Scheiße!!!"

Die, der bis jetzt gedankenversunken Kyo betrachtet hatte, zuckte zusammen und sah Kaoru verwirrt an.

"Was ist denn jetzt kaputt?"

Der andere antwortete jedoch nicht sofort, sondern schnappte sich seine Tasche und Jacke und eilte in Richtung Tür.

"Ich hab noch ne wichtige Verabredung und bin wegen dir jetzt schon eine Viertelstunde zu spät. Hier, fang."

Im Laufen warf der Pinkhaarige Die ein Schlüsselbund zu.

"Du kannst solange hier bleiben bis er aufwacht und dann sperr ab, ja?"

Der völlig verdutzte Die brachte nur ein kaum merkliches Nicken zu Stande.

"Jaa mata ashita, ne ..."

Die starrte dem Älteren noch kurz nach, dann zog er sich einen Stuhl an Kyos Liege und wartete darauf, dass dieser aufwachen würde.
 

***
 

Nach und nach lichtete sich die Dunkelheit, in der Kyo versunken war.

Ein leises Stöhnen entwich seinen Lippen und er versuchte sich aufzusetzen, doch etwas Schweres auf seiner Brust hinderte ihn daran.

Verwirrte öffnete Kyo die Augen und blinzelte ein paar Mal, um in dem dämmrigen Licht auch nur Schemen ausmachen zu können.

Ihm kam das Zimmer, in dem er sich befand, bekannt vor; er sah sich genauer um und erkannte, dass es sich um die Krankenstation handelte.

Vollkommen unbekannt war ihm hingegen der Wust aus roten Haaren, der auf seiner Brust ruhte.

Das Gesicht der dazugehörigen, schlafenden Person war von ihm abgewandt.

Langsam wurde Kyo diese Position unbequem und er stupste die Schulter des Fremden an.

Keine Reaktion.

Kyo runzelte die Stirn und schüttelte die Schulter des Rothaarigen mit etwas mehr Nachdruck.

"Hey, aufwachen und von mir runter gehen ..."

Der Andere gab nur einen brummenden Laut von sich, drehte seinen Kopf um, so dass er nun in die Richtung von Kyo blickte und öffnete mit offensichtlichem Widerwillen ein Auge.

Für ein paar Sekunden starrten sich die beiden Jungen nur verständnislos an, dann sprang Die urplötzlich auf und umarmte einen völlig überrumpelten Kyo.

"Kyo! Endlich, du bist aufgewacht! Wie fühlst du dich?"

Jetzt war Kyo komplett vor den Kopf geschlagen.

- Was will der denn von mir? Und, überhaupt, was soll das alles hier? -

Die umklammerte den Kleineren immer noch so fest, als würde er sich jeden Moment in Luft auflösen.

"Ähm ... du kannst mich jetzt ruhig wieder loslassen ..."

"Hm? Ach so, ja ... gomen ..."

Der Rotschopf löste seinen Griff, setzte sich wieder auf seinen Stuhl und beobachtete Kyo mit einem breiten Grinsen, während sich der Blonde aufsetzte und versuchte seine Gedanken zu ordnen.

Der Kleinere warf Die einen schiefen Seitenblick zu.

- Irgendwie kommt mir dieses Grinsen bekannt vor ... -

"Wer bist du eigentlich?"

Kyo hatte sich jetzt, zumindest teilweise, wieder in der Gewalt und verbarg jegliche Emotion hinter einer Maske aus Desinteresse, wie immer, wenn er mit einem Fremden alleine war.

Normalerweise wäre Kyo in einer solchen Situation einfach wortlos gegangen, aber irgend etwas an diesem Grinsen irritierte ihn und er fühlte sich als hätte er etwas sagen MÜSSEN.

Und sei es nur, damit der Rotschopf aufhörte ihn so anzusehen.

"Eto ... ich bin Die ... ähm ... ich glaub, wir sind im gleichen Mathekurs ..."

Die blickte zu Boden und fuhr sich mit einer verlegenen Geste über den Nacken.

- Verdammt, wieso bin ich auf einmal so schüchtern? -

Kyo gab einen brummenden Laut von sich, den man unter Umständen als ein 'Nett dich kennenzulernen' interpretieren hätte können.
 

Für ein paar Minuten herrschte eine seltsame Stille zwischen den beiden Jungen, bis Kyo es nicht mehr aushielt und der Blonde Anstalten machte die Krankenstation zu verlassen.

Doch sein Körper war noch nicht ganz so aufbruchslustig, denn kaum, dass er von der Liege aufgestanden war und einen Schritt gemacht hatte, fing der ganze Raum an sich um ihn zu drehen.

Bevor es ihm richtig bewußt war, fand Kyo sich in den Armen von Die wieder.

- Er fühlt sich so warm an ... ganz anders als die Kälte, die ich sonst immer spüre ... -

- Näher als wie jetzt werde ich ihm wohl nie kommen ... er lässt ja niemanden an sich ran ... -

Einen Moment lang verharrten die Beiden in dieser Haltung und sowohl Die als auch Kyo spürten plötzliche Hitze in sich aufsteigen und zwei Wangenpaare nahmen einen leichten Rotschimmer an.

Die fand als erster seine Sprache wieder.

"Ist alles ..."

Noch bevor er vollständig seiner Besorgnis Ausdruck verleihen konnte, hatte sich Kyo bereits umständlich aufgerichtet und war zur Tür rausgestürmt.

Der Rothaarige seufzte.

- Was hatte ich auch anderes erwartet ... -
 

To be continued ...
 

Okay, ich hoffe euch gefällt die Story soweit ... bin auch schon mittendrin das zweite Kapitel zu schreiben, aber ich soll ja nebenbei auch noch ne Facharbeit abliefern, also dauert das ganze ein bisschen ...

Beschwert euch einfach wenn ihr es nicht mehr aushaltet ^^ *wahnsinnig optimistisch is*

Aishitekudasai

Test ... 3 ... 2 ... 1 ... Test ... *räusper*

Achtung! *quietschendes Rückkopplungssignal erzeug* Eine wichtige Durchsage an alle, die mir einen Kommentar geschrieben haben:

DOUMO ARIGATOU GOZAIMASU!!!!*sich verbeug und verlegen rot anlauf*
 

Ano ... ich hoffe, ich hab euch nicht zu lange warten lassen.^^°°°°°

Aber es ist einfach nicht gut, wenn man Multi-Tasking betreibt und gleichzeitig ein Deutschreferat, einen Französischaufsatz und die FF macht....irgendwann hab ich ein Stück von diesem Kapitel auf Französisch geschrieben und die Inhaltsangabe von Königliche Hoheit von Thomas Mann war etwas sehr ... ähm ... gefühlsbeladen ...

Nichtsdestowenigertrotz (also irgendwas stimmt da jetzt nicht ... egal ...) wünsch ich euch hiermit viel Spaß beim Lesen!

Enjoy!
 

Kapitel 2: Aishitekudasai
 

~ einen Monat später ~
 

Die seufzte, holte sich einen Satz Schnitzwerkzeuge aus einem der Schränke und ging in gemächlichen Tempo zurück zu seinem Platz.

Er hasste den Werkunterricht und machte sich daher auch nur mit mäßiger Begeisterung daran das vorgegebene Muster in die Holzplatte zu schnitzen.

Und während er so vor sich hinschnitzte, ertappte sich der Rotschopf dabei, wie sich seine Gedanken immer wieder um die gleiche Person drehten:

Kyo.
 

Seit dem ersten Schultag war Kyo dem Rothaarigen aufgefallen und er fühlte sich auf unerklärliche Weise zu ihm hingezogen.

Tief in seinem Inneren spürte Die dessen Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die ihn wie dunkler, kalter Nebel einhüllten und ihn vom Rest der Welt abschotteten.

Und Die war fest entschlossen diesen Nebel zu durchdringen.

Ihm war durchaus bewußt, dass das nicht unbedingt ein Spaziergang werden und es ihm viel Geduld und Verständnis abverlangen würde, dennoch, auch wenn er es sich noch nicht ganz eingestehen wollte, empfand er für Kyo etwas, das über Mitleid und Sympathie hinaus ging.

Deshalb ließ sich Die auch nicht davon abbringen ihn jedes Mal, wenn sie sich mehr oder weniger zufällig im Schulhaus begegneten, zu grüßen.

Anfangs hatte er dafür von Kyo nur einen irritierten Blick geerntet, doch mittlerweile hatte sich der Jüngere zu einem knappen, grüßenden Nicken durchgerungen.

- Wenn er mich dabei zumindest ein einziges Mal anlächeln würde ... -
 

In den letzten Tagen und Wochen hatte Die die Nähe des Kleineren öfter denn je gesucht.

Zwischen den einzelnen Schulstunden hatte er immer ein Auge auf Kyo und stellte sicher, dass dieser ohne Zwischenfälle das nächste Klassenzimmer erreichte.

Jedes Mal, wenn jemand dem kleinen Blonden auch nur so viel wie einen abfälligen Blick zuwarf, würde Die denjenigen mit schlagkräftigen Argumenten davon überzeugen so etwas in Zukunft zu unterlassen.

Natürlich konnte er nicht in jeder Unterrichtsstunde dabei sein, aber er hoffte, dass die Anwesenheit eines Lehrer ausreichte, damit die anderen Kyo in Ruhe ließen.
 

Seufzend hielt Die in seiner Schnitzarbeit inne und betrachtete die Holzplatte mit einem solch träumerischen Blick, als befände sich dort nicht das Bild einer leicht verzerrten Sakurablüte, sondern das Porträt seiner heimlichen Liebe.

- Wenigstens dieses Arschloch Takai könnte aufhören ständig auf Kyo herumzuhacken ... ich würde ihm dafür jedes Mal am liebsten eine reinhaun ... aber, nein ... ich muss auch noch *freundlich* zu ihm sein, weil mein bescheuerter Vater Spielschulden bei Takai senior gemacht hat ... -

Mit jeder Sekunde spürte der Rotschopf mehr Wut in sich aufsteigen; Wut auf seinen Vater, der unfähig war mit Geld umzugehen; Wut auf die Takai-Familie, die diese Situation so schamlos ausnutze und Wut auf sich selbst, weil dagegen machtlos war.
 

Die hatte wieder angefangen das Muster in das Holz zu schnitzen, doch seine Bewegungen waren jetzt hektischer und kraftvoller und er ließ seinen ganzen angestauten Ärger an der unschuldigen Holzplatte aus.

Er steigerte sich immer mehr in seinen Zorn, bis er mit der rechten Hand zu viel Schwung holte, an der Platte abglitt und sich mit dem Schnitzmesser quer über die Innenfläche seiner linken Hand schnitt, die das Holz an seinem Platz hielt.

"Verdammte Scheiße!!!"

Die anderen Schüler im Raum blickten überrascht auf, stellten fest, dass, zumindest aus ihrer Sicht, nichts weltbewegendes passiert war und wandten sich wieder ihrer Arbeit zu.

Der Rothaarige hingegen warf gefrustet das Messer neben die Holzplatte und starrte auf seine Handfläche, die sich langsam mit Blut füllte.

Der Schnitt war wahrscheinlich nicht sehr tief, dafür brannte er wie Feuer und Die griff mit zitternden Fingern nach einem Lappen, um ihm fest um die Wunde zu wickeln.

Als mehr und mehr Blut hervorquoll, wollte er seinen Lehrer von seiner Verletzung in Kenntnis setzten, doch dieser schlief, wie schon seit zehn Minuten nach Unterrichtsbeginn, friedlich mit dem Kopf auf seine Arme gestützt hinter seinem Pult.

Schulterzuckend machte sich Die auf den Weg zur Krankenstation.
 

***
 

"Das wird jetzt ein bisschen wehtun."

Die verzog schmerzhaft das Gesicht als Kaoru anfing die Wunde vorsichtig zu säubern.

"Und? Willst du mir nicht erzählen, wieso du dich so schrecklich aufgeregt hast?"

Kaoru warf dem Rothaarigen einen auffordernden Blick zu und begann einen Verband um die verletzte Hand zu wickeln.

"Ach, es war nur wieder wegen Takai und dem Geld ..."

"Machst du nicht genug Umsatz? Du weißt, ich würde dir jederzeit ..."

"Nein, nein, ich lieg noch gut in der Zeit, aber ..."

Dies Stimme verlor sich und er mied Kaorus forschenden Blick.

Ein wissendes Lächeln schlich sich auf das Gesicht des Pinkhaarigen.

"Es ist wegen dem kleinen Freak, stimmt's?"

"Nenn ihn nicht so!"

Kaorus Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen.

- Wusst ich's doch! -

Die und er kannten lange genug und Kaoru wußte, dass Die nur dann andere Menschen in Schutz nahm, wenn er für sie tiefe Gefühle hegte.

Und Dies Verhalten gegenüber Kyo in den letzten Wochen spiegelte für den Pinkhaarigen nur ein Gefühl deutlich wider:

Zuneigung.

"Schon gut ... aber, weißt du, Die, du solltest dir endlich selbst eingestehen, dass du für Kyo mehr empfindest als nur bloße Freundschaft. Gib schon zu, dass du in ihn verliebt bis."

"Nein! Ich bin nicht ... ich meine ... ach, was weiß ich!"

Frustriert sprang der Rothaarige auf und lief aufgebracht im Zimmer ein paar Mal auf und ab, während ihn Kaoru geduldig beobachtete und darauf wartete, dass sich der andere wieder beruhigt hatte.

- Verdammt, Kao hat doch Recht ... ich BIN in Kyo verliebt ... wieso krieg ich es dann nicht über die Lippen? -

Die hielt inne, fuhr sich seufzend mit seiner gesunden Hand durch die Haare und ließ sich wieder auf den Stuhl fallen.

"Vielleicht solltest du mit Kyo einfach mal reden."

"Und wie soll ich das machen? Soll ich zu ihm hingehen und sagen: 'Hi, Kyo, schönes Wetter heute, nicht wahr? Oh, und übrigens: ich liebe dich'?"

Der Ältere rollte genervt mit den Augen.

Er hatte versucht verständnisvoll zu sein, doch Dies trotziges Verhalten regte ihn auf.

"Nein, natürlich nicht, aber es wäre besser für dich. Man kann nicht übersehen, wie sehr dich das ganze mitnimmt."

Die starrte den anderen für ein paar Sekunden mit ausdruckslosem Gesicht an, dann schüttelte er den Kopf und stand auf.

"Jetzt ist erstmal was anderes besser für mich ..."

murmelte er mehr zu sich selbst als zu dem Pinkhaarigen und verließ die Krankenstation.

Zurück blieb ein ratloser Kaoru.

- Ich hab's zumindest versucht ... selbst Schuld, wenn er nicht auf mich hört ... -
 

***
 

Er stöhnte leise auf, als er sich nach seiner Schultasche bückte und dabei sein Hemd schmerzhaft über die tiefen Striemen an seinem Rücken rieb.

Gestern hatte sein Vormund wieder einmal die Beherrschung verloren und dass nur, weil Kyo zehn Minuten später nach Hause gekommen war.

Den älteren Mann hatte es in seinem angetrunkenen Zustand nicht gekümmert, wie oft Kyo beteuerte, dass es nicht seine Schuld gewesen war und dass die U-Bahn Verspätung gehabt hatte; er schlug einfach weiter erbarmungslos mit seinem Gürtel auf den Kleineren ein, bis dieser sich schließlich losreißen und sich in sein Zimmer einschließen konnte, wo er sich in den Schlaf weinte, während die blutenden Wunden an seinem Rücken die weißen Bettlacken wie stumme Tränen der Traurigkeit rot färbten.
 

Und am nächsten Tag kamen die Schmerzen.

Schmerzen, die sein seelisches Martyrium weniger grausam erscheinen ließen, aber auch sie wurden mit jeder Minute und mit jedem Atemzug immer unerträglicher.

Es war, als wäre Kyo durch die roten Male, die sich tief in sein empfindliches Fleisch geschnitten hatten, das Zeichen seiner eigenen Wertlosigkeit auferlegt worden.

Er hielt es nicht mehr aus; er fühlte sich schmutzig ... benutzt ... mißbraucht.

Kyo brauchte etwas, das ihn von diesem Gefühl ablenken würde; etwas, dass ihn beruhigen würde.
 

Nach kurzer Suche fand er in der hintersten Ecke seiner Tasche, gut abgeschirmt von den mißtrauischen Blicken der Außenwelt, das Mittel zu seiner Erlösung.

Kyo setzte sich auf die Toilette, in der er sich eingeschlossen hatte und drehte gedankenversunken die Rasierklinge in seinen Händen.

Schmerz durch anderen Schmerz zu ersetzen, mag für jeden, der sich noch nie zuvor in einer solch extremen Situation befand, völlig absurd erscheinen.

Dennoch machte es für Kyo einen Unterschied, ob ihm nun die Verletzung von einem Dritten zugefügt wurde oder ob er sich selbst verletze, denn dadurch erlangte er, wenn auch nur für kurze Zeit, einen kleinen Teil seiner Selbstbestimmung wieder.
 

Kyo krempelte sich den Ärmel seines Hemdes hoch, atmete einmal tief durch und schnitt mit einer schnellen Bewegung quer über die sensible Innenseite seines Unterarms.

Sofort spürte Kyo, wie sich der vertraute, brennende Schmerz in seinem Arm ausbreitete und er beobachtete fasziniert, wie aus dem kleinen Schnitt ein dünnes Rinnsal aus dunkelroten, warmen Blut hervorquoll.

Wieder und wieder führte er die scharfe Klinge über seinen Arm, bis sich immer mehr und mehr Blut ansammelte und schließlich auf die schmutzigen Fließen unter ihm tropfte.

Gleichsam wie sein Blut verließ ihn auch das Gefühl der Trivialität seiner eigenen Existenz; in diesem Moment war *er* es, der die Kontrolle übernahm.
 

Mit der Zeit breitete sich Taubheit über seinen Arm aus, legte sich über Kyos Bewußtsein wie eine dicke Decke und ließ nichts zurück außer berauschende Betäubung, an die sich der blonde Junge mit aller Kraft klammerte, um nicht wieder in den leeren Abgrund aus Angst und Grauen zu fallen.

- Warum kann nicht endlich alles vorbei sein? Warum kann ich mich nicht von meinen Dämonen befreien? ... weil ich nicht genug Kraft habe ... alleine bin ich nicht stark genug ... -

Kyo schüttelte heftig mit dem Kopf, um diese Gedanken, die sowieso immer auf die selbe unabänderliche Erkenntnis der Ausweglosigkeit hinauslaufen würden, aus seinem Denken zu vertreiben.

Schließlich wischte er seinen Arm und die Rasierklinge mit einem Stück Klopapier ab, spülte es runter und verließ die Kabine.
 

Kaum hatte Kyo den Vorraum betreten und seine Schuluniform wieder zurecht gezogen, ertönte aus einer anderen der kleinen Kabinen ein lustvolles Stöhnen, dass ihn auf halben Weg zur Tür erschrocken stehen bleiben ließ und Kyo sah die Front aus weißen Klotüren mit großen Augen an, als befänden sich dahinter die Antworten auf alle Fragen des Universums.

Eigentlich hatte er die ganze Zeit angenommen, er wäre alleine gewesen und dem nicht gerade dezenten zweiten Stöhnen, dass nun dem ersten folgte, nach zu urteilen, dachte dies auch der andere Benutzer der Toilette von sich.

In diesem Moment öffnete sich die Tür der Kabine und ein hochgewachsener, rothaariger Junge lehnte sich leicht schwankend gegen den Türrahmen.

Seine Pupillen waren unnatürlich geweitet und in seinen Augen lag ein merkwürdiger, der Welt entrückter Ausdruck.

Auch er hatte sich einen Ärmel hochgekrempelt und auf seinem Arm befand sich ebenfalls eine leicht blutende Wunde, doch handelte es sich dabei nicht um einen Schnitt, sondern um einen kleinen, runden Einstich.

Kyo stand wie angewurzelt da; unfähig seinen Blick von dem größeren Jungen vor ihm abzuwenden.

Kyos Augen weiteten sich, als er schließlich verstand.

- Drogen ... Die ... oh mein Gott ... -

Im selben Augenblick erklang der Schulgong und löste Kyo aus seiner Erstarrung.

Abrupt drehte er sich auf dem Absatz um und eilte nach draußen in das nächste Klassenzimmer.

Die hingegen folgte nicht ganz so bereitwillig dem Ruf nach einer weiteren langweilen Unterrichtsstunde und blieb noch eine Weile regungslos in dem Toilettenraum stehen, ganz und gar verloren in seinem persönlichen Paradies, in dem er und ein gewisser, kleiner Freak Dinge miteinander taten, die besser niemals die hohen Mauern seiner Gedankenwelt verlassen sollten.
 

***
 

~ ein paar Tage später ~
 

Die streckte sich auf seinem Stuhl und beobachtete teilnahmslos wie sich die restliche Schülerschaft von ihren Plätzen erhob und sich in dem großen Saal, der für Vorführungen, Vorträge und andere Schulveranstaltungen genutzt wurde, verteilte.

Die Mehrzahl der Schüler strebte mit erleichterten Gesichtern dem gerade eröffnetem Buffet zu.

Anläßlich des 200jährigen Bestehens der Schule fand heute kein Unterricht statt, dennoch bestand für alle Schüler Anwesenheitspflicht bis der reguläre Unterricht normalerweise enden würde und die dazwischen liegende Zeit wurde mit einem 'kleinen' Querschnitt durch die bisherige Schulgeschichte gefüllt, allerdings wurde dieser von Rednern vorgetragen, die sich besser darauf verstanden mit staubtrockenen Fakten um sich zu werfen als ein Publikum zu begeistern.

Aus diesem Grund waren auch die meisten Schüler äußerst dankbar, dass die langweiligsten Vorträge, die sie in ihren jungen Leben ertragen mussten, endlich vorbei waren und sie sich gehaltvolleren Dingen zuwenden konnten.
 

Die hingegen blieb vorerst noch etwas unschlüssig auf seinem Platz sitzen und ließ seinen Blick im Halbkreis durch den Saal schweifen.

In der einen Ecke stand ein genervter Toshiya, der eine Standpauke von einem sehr aufgebrachten Direktor Yoshiki über sich ergehen lassen musste.

Die konnte zwar nicht genau verstehen, worum es ging, aber er nahm an, dass wieder mal Toshiyas viel zu kurzer Rock seiner Schuluniform, die eigentlich nur für Mädchen bestimmt war, Grund zum Anstoß war.

In der anderen Ecke wehrte sich Shinya mehr oder weniger erfolgreich gegen den Ansturm mehrerer Verehrer, die sich trotz des offensichtlichen Desinteresses ihres Objekts der Begierde nicht so leicht abwimmeln ließen.

Und am Buffet lud sich gerade Kaoru eine überdurchschnittlich große Portion Osashimi auf seinen Teller.

Die fragte sich jedes Mal, wie ein Mensch nur so viel in so kurzer Zeit essen konnte, ohne, dass man es bei seinem Anblick auch nur im geringsten vermuten würde.

Schließlich blieb der Blick des Rothaarigen an Kyo hängen und sofort schlich sich ein leichtes Lächeln auf sein Gesicht.

Der Kleinere hatte sich in eine stille Nische zurückgezogen und saß zusammengekauert auf einer der Bänke, die den Saal ringsum umgaben.

Er hatte sich einen Stift hinter sein Ohr geklemmt und auf seinen Knien hielt er einen Stapel Papier, den er mit einem solch angestrengten Blick betrachtete, als stünde darauf die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.

Neben ihm stand ein großer Pappbecher, an dem er ab und zu kurz nippte, jedoch ohne auch nur für eine Sekunde die Augen von seinen Aufzeichnung abzuwenden.

- Kawaii ... -

Das war der einzige Gedanke, zu dem Die fähig war, als er beobachtete wie Kyo sich über die Lippen leckte und dann anfing eine Reihe von Kanji auf das Papier zu kritzeln.

Mit jeder Sekunde, die der Rotschopf den anderen ansah, breitete sich ein wohlige Wärme in ihm aus und diese verstärkte sich, als er unweigerlich daran denken musste, was diese Zunge, die er für den Bruchteil einer Sekunde erspäht hatte, wohl alles mit ihm anstellen konnte.

Als ihm plötzlich bewußt wurde, dass diese Hitze anfing sich in den unteren Regionen seines Körpers zu konzentrieren, sprang Die so abrupt von seinem Platz auf, dass sein Stuhl nach hinten umkippte und er beinahe mit einem völlig verschreckten Karou zusammenstieß, der ihn mit vollen Backen und besorgtem Blick musterte.

"Doushita?"

"N-nichts ... ich brauch nur frische Luft ..."
 

Kaum hatte Die den Korridor, der sich vor dem Saal erstreckte, betreten, spürte er, wie ihn von hinten zwei starke Hände packten und er nicht gerade sanft gegen eine der Wände gedrückt wurde.

"Was zur Hölle ... ?"
 

***
 

Kyo sah irritiert auf, als ein Schatten, der plötzlich über ihn fiel, ihm das Licht verdeckte.

Drei nicht gerade vertrauenerweckende Jungen hatten sich vor ihm aufgebaut und zwei ihrer Gesichter riefen Kyo schmerzhafte Erinnerungen ins Gedächtnis.

Es waren die beiden, die ihn vor ein paar Wochen so mitleidslos verprügelt hatten.

Kyos ohnehin schon zierliche Form schien noch mehr in der Nische zusammenzusinken und er drückte seinen Stapel Papier schützend gegen seine Brust.

Er schluckte schwer und sah mit angsterfüllten Augen dem, was nun unweigerlich folgen würde, entgegen.

"Na, Kleiner, was schreibst du denn da so angestrengt?"

Noch bevor Kyo etwas anderes tun konnte als verblüfft zu blinzeln, hatte ihm der größte der Jungen seine Blätter aus den Händen gerissen und überflog diese mit gespieltem Interesse.

"Bitte ... nicht ..."

In diesem Augenblick war der Drang seine tiefsten, innersten Gefühle vor Außenstehenden zu schützen größer als seine Angst vor körperlichen Schmerzen und in einem Anflug von Größenwahnsinn schnellte Kyo nach vorne und versuchte seine Aufzeichnungen zurückzuerobern, doch bevor seine Fingerspitzen das Papier auch nur streifen konnten, wurde er von dem zweiten Jungen zurück auf die Bank und gegen die Wand gedrückt.

"Oi, Jungs! Das müsst ihr euch anhören:

Todokanai kimi made wa todokanai,

Kimi no koe wo mitsuke dasezu,

Kokoro ni wa koe wa naku,

Kokoro ni mo uta wo nakushi,

Shizuka ni kimi wo matsu ...

[Ich versuche dich zu erreichen, doch du kannst nicht erreicht werden,

Ich kann deine Stimme nicht finden,

Keine Stimme in meinem Herzen,

Und auch kein Lied in meinem Herzen,

Geduldig warte ich auf dich ...]"
 

Kyo stöhnte leise auf und sein Gesicht war eine verzerrte Maske aus Schmerz und Leid während der Größte der Drei sein Gedicht mit höhnischem und verachtungsvollem Tonfall vorlas.

Was diese Jungen da gerade mit Kyo taten, war schlimmer als all die Schläge, die er in seinem Leben erleiden musste; sie traten seine geheimsten Empfindung mit Füßen und zogen sie durch den Schmutz.
 

Unbemerkt von dem kleinen Blonden, hatte der Dritte im Bunde in der Zwischenzeit eine kleine, braune Flasche aus der Innentasche seiner Jacke hervorgeholt und tropfte nun etwas von der klaren, geruchlosen Flüssigkeit in Kyos Orangensaft, der immer noch auf der Bank neben ihm stand.

"Ich wußte gar nicht, dass Klein-Kyo zu solch *großen* Gefühlen fähig ist ..."

Der Junge, der Kyo mittlerweile langsam, aber sicher die Luft zum Atmen abschnürte, schenkte ihm ein spöttisches Grinsen.

Der Größte der Gruppe überflog noch einmal die wenigen Zeilen verwischter Kanji und schüttelte verständnislos den Kopf.

"Was für ein romantischer Mist ... Kommt, lasst uns gehen ..."

Mit diesen Worten warf er die Blätter achtlos über seine Schulter zu Boden und wandte sich zum Gehen; seine beiden Anhänger folgten ihm, nachdem sie sich kurz einen bedeutungsvollen Blick zugeworfen hatten, der eindeutig nichts Gutes bedeuten konnte.
 

Kaum hatten sich die drei Jungen ein paar Schritte entfernt, erschütterte ein heftiger Hustenanfall Kyos kleinen Körper und er sank langsam vor der Bank auf die Knie.

Seine Kehle war wie ausgedörrt und jeder gierige Atemzug brannte in seinen Lungen wie flüssiges Feuer.

Wie ein verirrter Wanderer in der Wüste stürzte sich Kyo auf seinen fast vergessenen Pappbecher und trank den wohltuenden Orangensaft in einem Zug aus.

Nach ein paar Minuten hatte sich seine Atmung wieder normalisiert und nur noch ein leichtes Schwindelgefühl war zurückgeblieben.

Mit fahrigen Bewegungen machte sich der Blonde daran seine verstreuten Aufzeichnungen einzusammeln, jedoch nach kurzer Zeit war er nicht mehr in der Lage die einzelnen Blätter vor ihm auseinander zu halten; alles verschwamm zu einem Meer aus Weiß und Schwarz.

Eine Welle aus Übelkeit und Schwindel brach über Kyo zusammen und drohte einen Moment lang alles Licht, dass ihn umgab, mit sich zu reißen und ihn in einen Abgrund aus Schwärze zu ertränken.

Irgendwie schaffte er es noch den Stapel loser Blätter in die Innentasche seiner Uniformjacke zu stopfen, dann blinzelte er ein paar Mal, um seine tränenverschleierte Sicht zu klären; Kyo konnte nun schemenhaft den Ausgang erkennen und er stand schwankend auf.

- Ich brauche Luft ... ich muss hier raus ... -
 

***
 

"Takai?!?"

entfuhr es dem Rotschopf überrascht, als er sich gewahr wurde, wer ihn da mit dem Gewicht seines Körpers gegen die Wand drückte.

"Na, freust du dich mich zu sehen, Die-chan?"

Hatsurus Gesicht befand sich keine zehn Zentimeter von Dies eigenem entfernt und in seinen Augen glitzerte eine gefährliche Mischung aus Begehren, Belustigung und Bedrohung.

"Ich hab jetzt wirklich keinen Nerv mich mit dir zu beschäftigen ..."

Die gelang es den Anderen ein Stück von sich wegzudrücken, so dass er beinahe aus dessen unfreiwilliger Umarmung hätte entfliehen können, doch der Rothaarige wurde erbarmungslos an seinem Platz gehalten.

Hatsuru hielt nun Dies Arme über dessen Kopf an die Wand gedrückt und damit war seine Bewegungsfreiheit fast gleich Null.

"Wo willst du denn so schnell hin, anata? ICH entscheide hier, wann du gehen kannst. Hast du schon vergessen ....? Du gehörst mir ..."

Während der mit einem drohendem Unterton geflüsterten Worte, neigte der Schwarzhaarige seinen Kopf leicht zur Seite und leckte langsam am Rand von Dies Ohr entlang.

Dieser verzog angeekelt das Gesicht und bemühte sich etwas Abstand zwischen ihre beiden Körper zu bringen, was jedoch kläglich scheiterte.

"Noch nicht, Takai, noch ist die Frist nicht abgelaufen."

"Mmmm, mag sein, aber ich weiß nicht, ob ich mich noch solange zurückhalten kann ..."

Dies Augen weiteten sich geschockt, als er spürte, wie Hatsuru seine Beine mit seinem Knie auseinander zwang und anfing seinen Oberschenkel an Dies Männlichkeit zu reiben.

Der Rotschopf biss sich gequält auf die Unterlippe, um ein Stöhnen zu unterdrücken; er hasste es, wenn sich sein Körper so leicht jeglicher Art von Stimulierung hingab und er, so sehr er auch diese Berührungen verabscheute, nichts dagegen tun konnte.

"Weißt du, Die-chan, ich kann es nicht ausstehen, wenn ich auf etwas warten muss ... besonders, wenn ich mich durch Konkurrenz bedroht fühle ..."

"Welche Konkurrenz ... ?"

Auf Hatsurus Züge legte sich ein triumphierendes Lächeln.

"Ach, komm schon. Hältst du mich wirklich für so dumm? Glaubst du, ich habe nicht bemerkt, was du und dieser kleine Freak jeden Tag in der Schule abzieht? Selbst ein Blinder würde erkennen, dass ihr einen Faible für einander habt ... aber ich denke, bald wird sich auch dieses Problem erledigt haben ..."

Jeder einzelne Muskel in Dies Körper verkrampfte sich, als er verstand, womit Hatsuru ihm gerade gedroht hatte.

Vergessen war das pochende Verlangen zwischen seinen Beinen; vergessen war die verletzliche Position, in der er sich befand; sein Denken wurde nur noch von einem Gedanken beherrscht:

Seine Sorge um Kyo.

"Was soll das heißen? Wenn du ihm auch nur ein Haar-"

Ein schlanker, kalter Finger wurde gegen seine Lippen gepresst und der Rothaarige verstummte augenblicklich.

"Sch, anata ... du bist nicht gerade in der günstigsten Position, um Forderungen zu stellen, nicht wahr?"

Hatsurus Hand wanderte langsam von Dies Lippen über seine Brust bis hinunter zu seiner Hüfte und der Schwarzhaarige zog sein Gegenüber noch näher zu sich heran.

Ihre Lippen trennten nur noch wenige Millimeter voneinander und Hatsuru starrte noch für den Bruchteil einer Sekunde in die dunklen Tiefen von Dies Augen, bevor er die letzte Lücke zwischen den beiden schloß und seine Lippen auf den Mund des Rothaarigen presste.

Die versteifte sich noch mehr und er versuchte sich jetzt verzweifelt aus Hatsurus eisernem Griff zu befreien.
 

Bevor Hatsuru den Kuss vertiefen konnte, wurde mit lauten Gepolter die Tür zum Saal aufgestoßen und ein schwer atmender Kyo taumelte in den Korridor.

Von dieser unverhofften Störung völlig aus der Fassung gebracht, zuckte Hatsuru zurück und gab somit Die die Gelegenheit ihn vollends von sich weg zu stoßen.

"Die ..."

Ein heiseres Flüstern war alles, was Kyo noch über die Lippen brachte, bevor er schließlich seinen Kampf gegen die Dunkelheit verlor und mit einem leisen Seufzer zusammenbrach.
 

Mit wenigen Schritten war Die bei der regungslosen Form am Boden und nahm Kyo schützend in seine Arme.

Dabei entging ihm nicht Hatsurus schadenfrohes Grinsen.

"Takai!!! Was hast du mit ihm gemacht?!?"

"Ich? Ich habe gar nichts gemacht ... Nimm es einfach als ein Zeichen dafür, dass ich meine Augen und Ohren überall habe ... Du kannst dich nicht vor mir vestecken, Daisuke ... du bist mein, gewöhn dich lieber an den Gedanken."

Der Rotschopf knirschte mit den Zähnen und sein Gesicht brannte vor unterdrückter Wut.

Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte Hatsuru seine überhebliche, arrogante Art herausgeprügelt.

Dann fiel sein Blick auf den bewußtlosen Körper in seinen Armen.

Kyos Lippen waren leicht geöffnet, sein Atem ging immer noch schwer und auf seiner Stirn stand kalter Schweiß.

Ein eisiger Schraubstock schloß sich bei diesem Anblick um Dies Herz und er verspürte den fast schon überwältigenden Drang den Kleineren fest an sich zu drücken.

"Ich schwöre bei Gott, Takai, wenn es Kyo morgen nicht besser geht, werde ich dich eigenhändig zur Verantwortung ziehen."

Und ohne ihn noch eines weiteren Blickes zu würdigen, trug Die den kleinen Blonden mit ausdruckslosem Gesicht an Hatsuru vorbei nach draußen zu seinem parkendem Auto.
 

***
 

Dunkelheit.

Erdrückende, tiefe Dunkelheit umgibt ihn.

Er kann nichts sehen; es ist als wäre er erblindet.

Tastend streckt er seine Hände nach links und rechts aus.

Noch ehe seine Arme ganz ausgestreckt sind, spürt er kalten, feuchten Stein unter seinen Fingerspitzen.

Er ist schon wieder an diesem grausamen Ort, wo Schatten lebendig sind und darauf warten ihn zu verschlingen.

Zögerlich macht er einen Schritt nach vorne weiter in die unendliche Finsternis hinein.

Und die Schwärze folgt ihm.

Panik beginnt in ihm aufzusteigen und macht jeden rationalen Gedanken unmöglich.

Das dumpfe Gefühl des Beobachtet-Werdens ergreift langsam Besitz von ihm.

Er wagt sich noch einen Schritt vor und jetzt ist er sich sicher:

Weit hinter ihm, verschmolzen mit den Schatten, bewegt sich irgend etwas, hungrig und lauernd wie ein Raubtier.

Eiskalte, leblose Finger greifen gierig nach ihm; wie lange, dünne Spinnenbeine streichen sie über seinen Nacken und rauben seinem Körper jegliche Wärme.

Zurück bleibt ein Gefühl betäubender Leere und das ist genug, um ihn aus seiner Erstarrung zu bereifen.
 

Er rennt los.

Er rennt, ohne zu wissen, wohin; ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, was ihn in der schwarzen Ferne erwartet.

Er weiß nur eines:

Dieser Dämon hinter ihm kam unaufhaltsam näher und sich in der Dunkelheit zu verlieren wäre eine größere Gnade als in die Fänge dieses Wesens aus purem Bösen zu fallen.

Seine Schritte hallen laut in der schwarzen Unendlichkeit wider; Sand knirscht unter seinen Sohlen und dennoch sind seine Bewegungen seltsam träge und schwerfällig; so, als müsste er durch tiefes Wasser waten.

Sein Herz pocht heftig gegen seine Rippen und sein Atem geht in kurzen, unregelmäßigen Stößen.

Er ist schon fast am Ende seiner Kräfte, doch die Angst vor dem, was ihn verfolgt, lässt ihn durchhalten.
 

"Kyo ..."

Sein Name?

Hat da jemand gerade seinen Namen gerufen?

- Diese Stimme ... -

Sie ist nur ein bloßes Flüstern und verliert sich in dieser unendlichen Weite, durch die er irrt.

Er ist der festen Überzeugung er habe es sich nur eingebildet.

Für den Bruchteil einer Sekunde verlangsamt sich sein Lauf und diesen Moment der Schwäche nutzt das Schattenwesen, um wieder seine Finger aus Schwärze und Kälte nach ihm auszustrecken.

Er zuckt unter der Berührung zusammen und zwingt sich seinen Schritt wieder zu beschleunigen, auch, wenn er den Eindruck hat nicht einen Zentimeter vorwärts zu kommen.
 

"Kyo!"

Der Ruf wird lauter, eindringlicher und mit ihm durchdringt ein sanfter, goldener Schimmer die Düsternis.

Nach und nach wird der Schein strahlender; er breitet sich aus und formt ein hohes, schmales Rechteck.

Eine Tür.

Seine einzige Möglichkeit seinem Dämon zu entfliehen.
 

"Kyo!!!"

- Diese Stimme ... woher kenne ich sie nur ...? -

Plötzlich erscheint vor seinem geistigen Auge ein verschwommenes Gesicht und nun weiß er es.

- Die! -

Seine Lippen formen ein lautlosen Schrei der Verzweiflung.

Er muss es schaffen; er muss diese rettende Tür erreichen.

Sein Blick ist starr auf das pulsierende Licht gerichtet, das sich wie flüssiges Gold in die Dunkelheit ergießt.

Er rennt und rennt; immer weiter und weiter bis seine Beine schmerzen und seine Lungen brennen.

Schleichend langsam kommt er der Tür näher und näher.

Doch er kämpft sich unaufhaltsam vorwärts, denn er weiß, dass Die auf der anderen Seite auf ihn warten und ihn beschützen würde.
 

Er streckt seine Hand aus.

Die Tür ist zum Greifen nahe.

Das helle Leuchten blendet seine Augen und lässt sie tränen.

Nur noch ein kleines Stück.

Ein letzter Schritt und er fällt in ein Meer aus strahlendem Licht, dass seinen Körper warm einhüllt.
 

"Kyo, wach auf!!!"

Den kleinen, in kalten Schweiß gebadeten Körper vor Die auf seinem Bett durchfuhr ein Zucken und ein Paar brauner Augen wurde ruckartig aufgerissen.

Kyos Brust hob und senkte sich in rascher Abfolge; sein Blick irrte unstet hin und her bis er an einem nackten, muskulösen Oberkörper hängen blieb.

Sein Blick wanderte weiter nach oben und Kyo erkannte Dies besorgtes, von feuerroten, nassen Haarsträhnen eingerahmtes Gesicht.

"Wie ... was ...?"

Die Stimme des Kleineren war nur ein atemloses Flüstern und er kämpfte krampfhaft darum seine Fassung wiederzugewinnen.

"Ich war unter der Dusche, als du angefangen hast zu schreien ... ist alles wieder in Ordnung?"

"Hai ... es war nur ein Traum ..."
 

Für eine Weile herrschte betretenes Schweigen zwischen den beiden Jungen.

Kyo bemühte sich immer noch seine wild durcheinander wirbelnden Gedanken zu ordnen.

Er kam überhaupt nicht auf die Idee sich zu fragen, was genau er eigentlich in Dies Bett machte und wie er hierher gekommen war; ihn beschäftigte nur eine Frage:

Was war da gerade passiert?

Eines war sicher:

Kyo hatte, wie schon unzählige Nächte zuvor, diesen grausamen Alptraum gehabt, doch dieses Mal war er nicht von seinen eigenen Angst erfüllten Schreien geweckt worden, sondern er wurde von jemanden vor seinen Dämonen gerettet.

- Die ... -

Er hatte ihn beschützt; er hatte Kyo die Kraft gegeben die Tür zu erreichen.

Ein völlig neuartiges Gefühl breitete sich in ihm aus: das Gefühl umsorgt zu werden.

- Die ... ich wünschte, du würdest immer bei mir sein ... -
 

Der Rotschopf betrachtete den Kleineren vor sich mit liebevollem Blick.

- Gott, ich liebe ihn so sehr ... -

Sein Herz drohte fast zu zerspringen vor Glück; er könnte hier noch Ewigkeiten sitzen; ihn einfach nur ansehen und in den tiefen Seen seiner bernsteinfarbenen Augen versinken.

Die Wärme, die von Kyos Körper ausging, war so nah ... so verlockend ...

Die Zeit schien sich ins Unendliche zu dehnen während sich Die langsam nach vorne beugte, der Ursache für dieses unglaublich überwältigendes Gefühl entgegen.
 

Kyos Augen weiteten sich vor Schock und Überraschung als sanfte, weiche Lippen auf die seinigen gedrückt wurden.

Es war nicht mehr als ein unschuldiger Kuss; ein Ausdruck ihrer gegenseitigen Zuneigung; eine körperliche Verbindung zwischen zwei Herzen, die sich nach einander sehnten.

Die umfasste zärtlich Kyos Gesicht mit beiden Händen und legte all seine Liebe, all sein Verlangen in diesen einen Kuss.

Unter der Berührung der Rothaarigen wich alle Anspannung und Verwirrung aus Kyos Körper; er schloß genießerisch die Augen.
 

Und mit unvorstellbarer Wucht überkam ihn die Erinnerung des gestrigen Abends.

Vor seinem geistigen Auge erschien die Szene, deren unfreiwilliger Zeuge er geworden war:

Die, von Takai an eine Wand gedrückt; ihre Körper in einer leidenschaftlichen Umarmung miteinander verschlungen.

Er versuchte dieses Bild aus seinen Gedanken zu vertreiben, doch er schaffte es einfach nicht.
 

Kyo gab einen widerwilligen Laut von sich und drückte Die von sich weg.

Mit irritiertem Blick sah der Rotschopf sein Gegenüber fragend an.

Kyo war leicht außer Atem; seine Wangen überzog ein leichter Rotschimmer, aber in seinen Augen lag nicht der geringste Ausdruck.

Er war in sein altes Verhaltensmuster zurückgefallen und die Mauer aus Unnahbarkeit schloß sich wieder um sein verletzliches Innerstes und schottete es von der vermeintlichen Bedrohung ab.

"Es ... es ist besser, wenn ich jetzt gehe ..."

Ehe der Rotschopf mehr tun konnte als entsetzt nach Luft zu schnappen, hatte sich Kyo aus der verhedderten Bettdecke befreit und war aus dem Zimmer gelaufen.

Einen Augenblick lang blieb Die wie versteinert sitzen, starrte auf die Stelle, wo vor einer Sekunde noch die Liebe seines Lebens gelegen hatte, dann sprang er auf und lief dem Kleineren hinterher, der mittlerweile im Flur angelangt war.

"Chiotto matte, Kyo ... bitte ... ich ... ich liebe dich ..."

Bei diesen Worten, die instinktiv und ohne Dies Zutun über dessen Lippen gekommen waren, hielt Kyo mitten im Schritt inne und drehte sich langsam um.

- Wieso tust du das, Die? Wie kannst du Takai auf diese Weise küssen und mir dann sagen, dass du mich liebst?-

Kyos stummer, anklagender Blick bohrte sich tief in Dies Seele wie ein glühende Nadel.

Er hielt dieses erdrückende Schweigen nicht länger aus.

"Bitte, Kyo, sag etwas ... irgend etwas ..."

Der Angesprochene öffnete seinen Mund, aber er brachte keinen Laut über die Lippen.

Es ging einfach nicht.

Und was hätte er auch sagen sollen?

All diese Gefühle, die durch seine Gedanken schwirrten ... er konnte damit nicht umgehen.

Und dennoch sehnte sich Kyo nach der Berührung des Anderen; er konnte noch immer Dies Lippen spüren.

Es hatte sich so gut angefühlt ... so richtig ... allmählich begann seine Schutzmauer zu bröckeln ...

- Nein! Ich darf das nicht zulassen! -

Zu oft war er in seinem Leben von den wenigen Menschen, zu denen er Vertrauen gefasst hatte, bitter enttäuscht und verraten worden.

Zu groß war seine Angst davor wieder verletzt zu werden.

Kyo war gefangen in einem Netz aus Furcht und Misstrauen und das Bild von Die und Takai in seinem Kopf schnürte die unsichtbaren Stricke nur noch enger um sein Herz.

"Es tut mir leid, aber ... aber ich kann einfach nicht ..."

Kyos Stimme war brüchig und tränenerstickt; er musste seine gesamte Willenskraft aufwenden, um nach der Klinke zu greifen und die Haustüre zu öffnen.

Ein letzter qualvoller Blick und der Blonde hatte die Wohnung verlassen.
 

Das Klicken der sich schließenden Tür schien viel zu laut in der plötzlichen Stille widerzuhallen.

Die stand einfach nur regungslos im Flur und starrte mit leeren Augen vor sich hin.

Jegliche Empfindung war ihm entrissen worden, lediglich ein Gefühl der Kälte blieb in seinem hohlen Herzen zurück.

Mit einem Mal überkam ihn unermessliche Müdigkeit und Schwäche.

Seine Beine gaben unter ihm nach und er fiel schwer auf die Knie.

Etwas warmes, nasses tropfte auf seine Handfläche; unbewußt registrierte er, dass es seine eigenen Tränen waren.

- Naze, Kyo? Was habe ich getan, damit du mich so von dir wegstößt? -
 

To be continued ...

Isshoni

Kapitel 3: Isshoni
 

~ ein paar Wochen später ~
 

Strahlende, in Millionen verschiedener Farben glitzernde Helligkeit blendete seine empfindlichen Augen.

Kyo schob seine Skibrille zurecht und ließ seinen Blick über die Landschaft schweifen.

Vor ihm erstreckte sich eine Welt erstarrt in Eis und Schnee; ein Wirrwarr aus Bäumen und Büschen umgab ihn, nur durchschnitten von einer scheinbar zufälligen Anordnung von abschüssigen Pisten und keine davon sah besonders vertrauenerweckend aus.

Allmählich setzte die Dämmerung ein und Kyo beschlich ein mulmiges Gefühl.

Eigentlich hätten Die und er um diese Zeit schon längst wieder in der Jugendherberge sein sollen, doch seit einer geraumen Weile hatten sie den Anschluß zu ihrer Gruppe verloren.

Irgendwann während ihrer Abfahrt war Kyos Schuh aus der Skibindung gesprungen; Die war als einzigem die Hilflosigkeit des Kleineren aufgefallen und erst nachdem vier Hände an der widerspenstigen Ausrüstung herum gefummelt hatten, rastete die Bindung wieder ein.

Keiner der Anderen hatte die Abwesenheit der zwei Schüler bemerkt, sondern hatten unterdessen ihren Weg ungestört fortgesetzt und waren hinter der nächsten Biegung verschwunden.

Als Die und Kyo dort ankamen, fanden sie lediglich drei sich verzweigende, verlassene Pisten, aber ihre Klasse war wie vom Erdboden verschluckt.
 

Mit einem erschöpften Seufzer ließ sich Kyo in den Schnee fallen und betrachtete Die, der einige Schritte vor ihm stand.

Der Rotschopf studierte angestrengt die Karte, die die Lehrer in weiser Voraussicht an alle Schüler verteilt hatten.

Seine Augenbrauen waren zusammengezogen und immer wieder hob er seinen Blick, um die vor ihm befindliche Lage der Pisten mit der Abbildung auf dem Papier in seinen Händen zu vergleichen.

- Die ... so nah und doch so fern ... -

In den letzten Wochen hatte es Kyo irgendwie geschafft jegliche emotionale Regung für den Rothaarigen aus seinem Denken zu vertreiben.

All die Gefühle, von denen er niemals gedacht hätte, dass er sie zu empfinden im Stande sei, wurden in die entlegenste Ecke seines Herzens verbannt; nicht vergessen und auch nicht abgestritten, lediglich eingeschlossen und im Unterbewußtsein aufbewahrt.

Zugegeben, Kyo verhielt sich gegenüber Die etwas offener und weniger abweisend als gegenüber dem Rest der Welt, aber er ignorierte die Tatsache, dass der Rotschopf dieses einseitige Liebesgeständnis laut ausgesprochen hatte.

Er durfte es einfach nicht zulassen; er wollte nicht noch mehr verletzt werden.

Allerdings war das Schicksal anderer Meinung und schien sich gegen Kyo verschworen zu haben.

Nicht nur, dass Die ihm in der Schule folgte wie sein persönlicher zweiter Schatten, nein, jetzt waren sie auch noch in der Jugendherberge gemeinsam in ein Zimmer gesteckt worden.

Seit 48 Stunden schon lebte Kyo mit dem Größeren auf engstem Raum zusammen und die zusätzliche Nähe verkomplizierte nur das Gefühlschaos beider Jungen.
 

"Oi, Kyo! Ich glaub, ich hab ne Abkürzung gefunden!"

Dies aufgeregte Stimme brachte ihn wieder in die harsche Realität zurück und Kyo richtete sich umständlich auf; dabei scheuerte der Stoff seines Schneeanzuges schmerzhaft über die frischen Schnittwunden an seinen Armen; die anklagenden Beweise dafür, dass er innerlich Höllenqualen litt.

Was Kyo tagsüber mehr oder weniger erfolgreich wegschließen und verdrängen konnte, brach in der dunklen Einsamkeit seines Zimmers mit ungehemmter Heftigkeit über ihn herein.

Gestern Nacht war er stundenlang wach gelegen und statt seiner Dämonen, geformt aus seinen Ängsten, verfolgte ihn nun Dies Abbild, geformt aus seinem unterdrückten Verlangen.

Er hatte gebetet, dass das Gesicht des Rothaarigen endlich aus seinen Träumen verschwinden würde, aber es blieb das einzige, was er sah, wenn er seine Augen schloß.

Schließlich hatte es Kyo nicht mehr ausgehalten und er hatte sich wieder im Badezimmer eingesperrt, mit einer Rasierklinge als einzige Gesellschaft.
 

"Bist du dir sicher, dass du da runter willst? Ich meine, das sieht ziemlich gefährlich aus ..."

Die beiden Jungen standen am oberen Rand eines steilen Abhangs und blickten auf eine schneebedeckte Schneise, die sich, übersät mit umgestürzten Bäumen und aus dem weißen Ozean hervorragenden Felsbrocken, ihren Weg in die Tiefe schlängelte.

Statt dem Anderen eine Antwort zu geben, drückte sich Die an dem Vorsprung, auf dem sie standen, ab und bahnte sich mit geschickten und fließenden Bewegungen seinen Weg ein paar Meter nach unten.

Der Rotschopf blickte zurück nach oben und schenkte dem unschlüssig herumstehenden Kyo ein aufmunterndes Lächeln.

"Na, komm schon! Es ist gar nicht so schwer. Ich fang dich auch auf, falls du irgendwie stolperst oder so ..."

Dies Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen und er streckte auffordernd die Arme aus.

- Na dann, Augen zu und durch ... -

Zweifelnd betrachtete der Kleinere ein letztes Mal den immer bedrohlicher wirkenden Weg vor ihm, dann holte er tief Luft und drückte sich ebenfalls von dem schneebedeckten Felsen ab.

Und unter ihm gab der Boden nach.
 

Eine Welle aus Schnee und Eis schlug über ihm zusammen und wie von einer kalten, harten Hand wurde Kyo brutal zu Boden gedrückt und nach vorne gerissen.

Er hatte keine Zeit auch nur überrascht zu sein; sein kleiner Körper schlitterte unkontrolliert und unaufhaltsam die unebene Böschung hinab; seine Hände griffen ins Leere, seine Füße fanden keinen Halt.

Alles verschwamm vor seinen Augen zu einem hellen, weißen Flimmern.

Umspült von Schnee, Eis und Geröll rutschte er noch ein Stück weiter bis er heftig gegen etwas großes, hartes stieß, dass seinem Sturz ein abruptes Ende bereitete.
 

Keuchend blieb Kyo regungslos liegen, lauschte dem Knirschen des Schnees, das immer noch laut in seinem Kopf widerhallte und versuchte seine Orientierung zurückzugewinnen.

Ihm war schwindlig; um ihn drehte sich alles und er konnte nur noch dieses blendende Weiß sehen.

Vorsichtig bewegte der Blonde nacheinander jedes seiner Gliedmaßen und traf in allen Richtungen auf frostigen Widerstand.

Er war eingeschlossen; verschüttet in einem Grab aus Eis.

Panik schloß sich um sein Herz wie eine eisige Faust und er fing an unkoordiniert um sich zu schlagen, damit er es irgendwie schaffte, sich aus den Schneemassen freizukämpfen.
 

Nach einiger Anstrengung durchbrach zuerst ein Arm, dann ein zweiter und schließlich ein blonder Haarschopf gefolgt von einem schmächtigen Oberkörper die Oberfläche dieses weißen Meeres.

Kyo atmete tief und unregelmäßig; die kalte Luft brannte in seinen Lungen; sein Blick irrte unfokussiert umher.

Innerhalb dieser wenigen Minuten hatte sich die Welt um ihn komplett verändert.

Die Piste war verschwunden; alles war von der Lawine, die er unabsichtlich ausgelöst hatte, verschlungen worden.

Und auch von Die gab es keine Spur mehr.

Angsterfüllt drehte sich Kyo einmal im Kreis und bemühte sich nicht noch mehr in Panik auszubrechen.

"Die!"

Sein heiserer Schrei warf ein tönendes Echo in die unnatürliche Stille des Waldes.

Die einzige Reaktion, die er hervorrief, war das einsame Gepolter einiger Steine und Eisbrocken, die vom Hang abbröckelten.

"Die! Wo bist du?"

Trotz der Kälte, die den Blonden von der Hüfte abwärts einschloß, brach er in heißen Schweiß aus.

Konzentriert tasteten seine Augen jeden Zentimeter seiner näheren Umgebung ab.

- Kuso, wo steckt er nur? -
 

- Kalt ... -

Sein gesamtes Wesen bestand nur noch aus Kälte.

Sie beraubte ihm seiner Körperwärme, kroch in jede Faser seines Seins und lähmte sein Denken.

- Was ist da gerade passiert ... ? -

In der einen Sekunde hatte er noch Kyo angelächelt und in der Nächsten sah er nichts als fahles Licht, das in einem merkwürdigen Winkel auf ihn einfiel.

Sein Gesicht war taub und naß von geschmolzenem Schnee; in seinen Fingern und Füßen hatte er kaum noch Gefühl und es kam ihm vor als würde nicht mehr Blut, sondern Eiswasser durch seine Adern fließen.

Ihm war so kalt ...

"Die!"

Eine dumpfe Stimme drang an sein Ohr wie durch eine dicke Schicht Watte aus Eiskristallen.

- Kyo ... wo bist du nur? ... ich kann dich nicht sehen ... -

Die Angst, dass diese Kälte über ihn siegen und ihn in eine bodenlose Schlucht aus Dunkelheit reißen würde, übernahm die Kontrolle über sein Handeln und trotz der Schmerzen, die er in jedem einzelnen Muskel verspürte, gelang es ihm mit einem Arm diese Wand aus Schnee zu durchstoßen.
 

- Da! -

Einige Meter neben Kyo bewegte sich die Eisdecke und langsam kam eine zitternde, mit einem roten Handschuh bekleidete Hand zum Vorschein.

Schneller als er es sich jemals zugetraut hätte, kämpfte sich Kyo durch die Schneemassen und nährte sich stetig dem schwachen Lebenszeichen des einzigen Menschen auf dieser Welt, für den er jemals etwas empfunden hatte.

"DIE!"

Ein stöhnender Laut war dieses Mal die Antwort.

"Kyo ..."

Ein Ruf so schwach und leise, doch unverkennbar Dies Stimme.

"Die! Halte durch ... ich bin gleich da!!"

Der Kleinere mobilisierte seine letzten Kräfte; ihm tat alles so weh; sein Herzschlag hatte eine bedrohliche Frequenz erreicht und sein Atem bildete in rascher Abfolge kleine, weiße Wölkchen, die sich ebenso rasch wieder in der Luft verflüchtigten.

Mit hektischen, fahrigen Bewegungen begann Kyo den Schnee von der Stelle, unter der er den Rothaarigen vermutete, wegzuschaufeln.
 

Nach und nach wurde immer mehr von dem Verschütteten freigelegt bis Kyo endlich seinen Oberkörper, so gut es ging, ausgegraben hatte.

Ein sorgenvoller Blick in Dies Gesicht und das Herz des Kleineren setzte für ein, zwei Schläge aus und er sog geschockt kalte Luft ein.

Die Lippen seines Gegenübers hatten sich gefährlich dunkelblau verfärbt; auf seinen bleichen Wangen glitzernden Tropfen von geschmolzenem Schnee.

- Oh mein Gott ... bitte nicht ... -

Furcht und Panik gewannen nun doch die Oberhand über Kyos Handeln.

Der Kleinere schüttelte den Rothaarigen hektisch an den schmalen Schultern und schrie ein paar Mal so laut seinen Namen, dass seine Kehle bald wie Feuer brannte.

"Bitte, Die ... du musst aufwachen ... du bist das einzige, was ich habe ..."

Heiße Tränen rannen ungehindert Kyos kalte Wangen hinab und hinterließen dunkle Striemen auf der weißen Haut.

Ein hilfloses Schluchzen ließ den kleinen Körper erbeben.

"Kyo ... bist du das?"

Ruckartig schnellte der Kopf des Blonden nach oben und er sah in zwei schokoladenbraune Augen, die ihn verwirrt anblickten.

"Die! Gott sei Dank!"

Stürmisch drückte er einen durchnäßten und erschöpften Die an sich.

Von einer Sekunde zur Nächsten hatten sich Kyos Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit in überschwengliche Freude gewandelt.

Die existierende Welt um ihn verlor ihre Bedeutung; Kyo lauschte nur noch Dies ruhigen Herzschlag und genoß das kitzelnde Gefühl, das sein heißer Atem auf seiner überempfindlichen Haut verursachte.
 

Erst jetzt fiel dem Kleineren auf, wie sehr der Rotschopf eigentlich unter seiner Umarmung zitterte und fuhr erschrocken zurück.

"Wir müssen schnellstens hier weg und uns aufwärmen ... kannst du aufstehen?"

Der Angesprochene stützte sich mit beiden Armen auf dem Schnee, der ihn links und rechts umgab, ab und versuchte sich in die Höhe zu stemmen, aber gleich darauf fiel er mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder zurück.

"Mein rechter Fuß ... ich glaube, er ist gebrochen oder so was ... jedenfalls tut er mehr weh als der Rest ..."

Die warf Kyo einen entschuldigenden, hilflosen Blick zu.

Der Kleinere sah den Anderen noch einen kurzen Moment unentschlossen an, dann richtete er sich mühevoll auf und postierte sich hinter Die; dieser verfolgte jede seiner Bewegungen mißtrauisch.

"Was hast du denn vor?"

"Ganz einfach: Ich zieh dich da raus und schaff dich von diesem verdammten Berg runter."

"Kyo, vergiss es ... ich bin viel zu schwer für dich ..."

Unbeeindruckt von Dies Protesten, griff der Blonde ihm unter die Arme, lehnte sich mit seinem gesamten Gewicht nach hinten und bald hatte er den Größeren aus seinem eisigen Gefängnis befreit.

Schwer atmend blieb Kyo kurz, halb unter Die, halb im Schnee vergraben, liegen.

"Siehst du, dass geht schon ... irgendwie ... auf keinen Fall werde ich dich hier erfrierend zurücklassen."

Seine Stimme war fest; sein Blick entschlossen.

Seufzend ergab sich Die in die Sturheit des Kleineren und bemühte sich, so gut es ging, dabei zu helfen sich selbst und Kyo in eine stehende Position zu bringen.

Als die beiden auf dem nachgiebigen Boden endlich Halt gefunden hatten, zog Kyo den Arm des Rothaarigen über seine Schulter und stütze ihn ab.

Schlitternd und humpelnd machten sich die zwei Jungen an den ebenso gefährlichen wie kräftezehrenden Abstieg der Wärme ihrer Jugendherberge entgegen.
 

***
 

Langsam versank ihre Umgebung in Dunkelheit und verlor ihre Farben.

Zwei Stunden lang hatten sich die beiden Jungen durch knietiefen Schnee gekämpft und rechtzeitig bevor die Sonne endgültig hinter dem Horizont verschwand, hatten sie mit einem Stoßgebet der Dankbarkeit die geräumte Hauptstraße erreicht.

Auf dem festen Asphalt kamen sie zwar wesentlich schneller und leichter vorwärts, dennoch schienen die starren Skischuhe an ihren Füßen Tonnen zu wiegen.

Sich gegenseitig stützend, nährten sie sich ihrem Ziel unaufhaltsam, auch wenn sie sich fühlten als würden sich ihre Beine beim nächsten Schritt einfach weigern ihr Gewicht weiterhin zu tragen.
 

"Hey, Die! Sieh mal da vorne."

Mit müdem Blick folgte der Angesprochene Kyos Kopfbewegung und sah in der Ferne zwei schimmernde Lichtkreise, die mit raschem Tempo auf sie zukamen.

"Wir sollten den Wagen anhalten und fragen, ob sie uns zurück ins Dorf bringen können."

Als Kyo zustimmend nickte, hielt der Rotschopf in ihrem Marsch inne und gestikulierte mit seiner freien Hand, um auf sich aufmerksam zu machen.

Keine zwei Minuten später hielt ein dunkler Wagen neben ihnen; geblendet von den hellen Scheinwerfern kniffen die beiden Jungen ihre überempfindlichen Augen zusammen.

Die hörte, wie eine Autotür geöffnet wurde, dann das Knirschen von Schuhsohlen auf dem trocknen Asphalt und schließlich fiel ein Schatten auf ihn, der ihn mit seinem Gewicht zu erdrücken drohte.

Nur mit einem hastigen Ausfallschritt nach hinten gelang es dem Rothaarigen sein Gleichgewicht zu wahren.

"Die! GottseiDankgehtesdirgutichhabmirjasolcheSorgengemachtund-"

"Toshiya?!?"

Völlig verdutzt drückte Die die Gestalt, die ihm so stürmisch um den Hals gefallen war, von sich weg und blickte in das vor Wiedersehensfreude leuchtende Gesicht seines blauhaarigen Mitschülers.

"Andou! Nimura! Endlich ... wir suchen Sie schon seit Stunden ... daijoubu desu ka."

Die drehte seinen Kopf und erblickte einen seiner Lehrer, der nun ebenfalls aus dem Auto ausgestiegen war.

"Hai, Tahata-sensei, daijoubudayo."

"Aber, Die, dein Fuß ..."

meldete sich Kyo, der die ganze Zeit über schweigend dabei gestanden hatte, schüchtern zu Wort.

Irgendwie fühlte er sich in der Gegenwart dieses überdrehten Toshiyas fehl am Platz.

"Ihr Fuß?"

Die Lehrkraft zog mißtrauisch und besorgt eine Augenbraue nach oben.

"Ach, das ist nichts weiter ... wahrscheinlich nur verstaucht ..."

"Oh, mein armer Daidai! Komm, ich helf dir ins Auto ..."

Mit diesen Worten schob Toshiya Kyo zur Seite, packte den Rotschopf am Arm und bugsierte ihn auf die Rückbank des Wagens.

- Was ist das nur mit Toshiya? Habe ich ihm nicht oft genug gesagt, dass er mir auf die Nerven geht? -

Die wollte jetzt nur einem nahe sein; er lehnte sich ein Stück aus der geöffneten Tür, drängte sich an dem Blauhaarigen, der gerade einsteigen wollte, vorbei und streckte eine Hand aus.

"Kyo ..."

Der Angesprochene hob erstaunt den Kopf, ein sanfter Rotschimmer überzog seine blassen Wangen, als er sich der Situation bewußt wurde und folgte zögerlich der Aufforderung seiner heimlichen Liebe.

- Also, wenn das jetzt nicht deutlich genug war ... -

Toshiya stand für ein paar Sekunden wie zu einer Salzsäule erstarrt vor dem Wagen und starrte die beiden Jungen mit undeutbaren Gesichtsausdruck an, dann zog er einen Schmollmund und ließ sich auf den Beifahrersitz neben seinen Lehrer fallen, der soeben das Auto angelassen hatte.

Auf der Rückbank legte Die dem blonden Jungen neben ihm einen Arm um die Schultern, zog ihn ein Stück näher zu sich und schenkte ihm ein liebevolles Lächeln.

Erschöpft entkam Kyos Lippen ein leiser Seufzer und er kuschelte sich an den warmen Körper des Rothaarigen.

Und in seinem Herzen brannte die Flamme der Liebe heller und strahlender denn je.
 

***
 

Endlich alleine.

Nachdem sie, das heißt zum größten Teil eigentlich nur Die, ihre Geschichte zigmal ihren neugierigen Mitschülern erzählt und sich aufrichtig bei dem Verleiher ihrer Ausrüstung für den Verlust der Ski entschuldigt hatten, war es ihnen gelungen sich unauffällig auf ihr Zimmer zurückzuziehen.

Im Raum herrschte entspannte Stille, als Kyo nach einer warmen Dusche, die auch das letzte bisschen Kälte aus seinem Körper vertrieben hatte, die Badezimmertür mit einem leisen Klicken hinter sich schloß und sich auf den Rand seines Bettes fallen ließ.

Ihm gegenüber lag Die ausgestreckt auf der weichen Matratze, beide Arme hinter dem Kopf verschränkt, sein rechter Fuß dick bandagiert auf ein Kissen gestützt.

Ein träumerischer Ausdruck lag auf seinen Gesichtszügen während er gedankenversunken an die weiße Decke über ihm starrte.
 

- Komm schon, Kyo, rede endlich mit ihm! -

Der Blonde saß zusammengesunken auf der Bettkante und führte einen Kampf gegen sich selbst; ein paar feuchte Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht und schirmten seinen Blick, der seine innere Zerrissenheit nur allzu deutlich widerspiegelte, ab.

Da oben auf dem Berg, als er um Dies Leben gebangt hatte, war ihm bewußt geworden, wie viel ihm an dem anderen Jungen lag, wie sehr er ihn liebte.

Alles hätte innerhalb weniger Sekunden vorbei sein können; er hätte niemals die Chance gehabt, all die Gefühle, die ihn jeden Tag zu ersticken drohten, loszuwerden.

Er musste es ihm endlich sagen ... jetzt oder nie ...
 

"Die?"

"Hm?"

"Liebst du mich?"

Kyo wagte es nicht seinen Blick zu heben; sein Herz schlug heftig gegen seine Rippen und er kaute nervöse auf seiner Unterlippe.

Er versuchte stark zu sein, sich für jede mögliche Antwort des anderen zu wappnen, doch mit jeder Sekunde, die verstrich, bekam sein Schutzwall um sein Innerstes mehr und mehr Risse.

Die stützte sich auf seine Ellenbogen und musterte den Kleineren mit einer Mischung aus Verwirrung und Überraschung.

Mit allem hatte er gerechnet, aber diese Frage brachte ihn einen Moment lang völlig aus dem Konzept, dennoch kam die Antwort ohne die kleinste Unsicherheit in seiner Stimme.

"Hai, dareyorimo."

"Und wieso hast du ihn dann geküsst?"

Irritiert zog Die seine Augenbrauen zusammen.

"Wen?"

"Takai ... ich habe euch gesehen ..."

Kyos zittrige Stimme verlor sich in der Weite des Zimmers; er war bis zum Zerreißen gespannt.

- Bitte, Die ... sag jetzt nichts falsches ... -

"Nande?!? Takai?!? Ich verabscheue diesen Menschen aus tiefstem Herzen. Er hat sich mir einfach aufgedrängt ... da war niemals etwas zwischen uns ..."

Der Rotschopf versuchte so viel Glaubwürdigkeit und Überzeugung in seine Worte zu legen wie nur irgend möglich.

- Ist es nur deswegen gewesen? Wegen diesem Arschloch? -

"Kyo ... ?"

Von dem Kleineren kam nicht die geringste Reaktion; ein leichtes Zittern durchfuhr seinen Körper, die Hände in seinem Schoß so fest zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß hervortraten.

- Wie konnte ich nur so ein Idiot sein ... -

Besorgt richtete sich Die auf, umfaßte Kyos Kopf, der sich nur eine Armlänge von ihm entfernt befand, mit beiden Händen und zwang ihn nach oben.

Geschockt weiteten sich seine Augen, als er in das tränenüberströmte Gesicht des Blonden blickte.

Mit einem lauten Schluchzen zerbrach Kyos Anspannung.

Alles um ihn herum hörte auf zu existieren, es gab nur noch Dies warme Hände an seinen Wangen, sein Atem, der zart über sein Gesicht strich, seine tiefen, sanften Augen, in denen er sich verlor.

- Oh Gott, ich halte das nicht mehr aus ... -

Kyo beugte sich nach vorne und drückte leicht seine Lippen auf die des Rothaarigen.

Dieser erwiderte den Kuss bereitwillig und strich hauchzart mit seiner Zunge über die Konturen von Kyos Unterlippe.

Der Kleinere öffnete instinktiv seinen Mund und als sich ihre Zugen sanft berührten, zerfiel seine Schutzmauer zu Staub.

Die Ketten um sein Herz wurden aufgesprengt und er ließ sich einfach fallen in dieses warme, elektrisierende Gefühl, das seinen Körper durchflutete; ohne Sicherheitsnetz, ohne doppelten Boden, denn er wußte, tief in seiner Seele, dort wo es keine Angst und Zweifel mehr gab, dass ihm nichts passieren würde.

Kyo wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als, dass jemand die Zeit anhalten würde, damit er für immer in dieser Verbindung bleiben könnte.
 

Die ließ seine Hände an Kyos Körper nach unten wandern, umfasste die schmalen Hüften und hob ihn, ohne den Kuss zu brechen, in seinen Schoß.

Dem Größeren war es egal, warum Kyo sich anfangs so sehr gegen seine Gefühle gewehrt hatte; er wollte ihn einfach nur in seinen Armen halten und nie wieder loslassen.

Er hatte so lange darauf gewartet, hatte sich so sehr danach gesehnt ...
 

Nach einer scheinbaren Ewigkeit lösten sich die beiden Jungen schwer atmend von einander.

"Die ... aishiteru ..."

Endlich ... endlich hatte er es gesagt ... endlich war er von dem Gewicht, das schwer auf seinem Herzen und auf seiner Seele gelastet hatte, erlöst.

"Aishiteru zutto, Kyo."

Bei diesen Worten strömten noch mehr Tränen der Freude und Erleichterung über die Wangen des Kleineren.

Kyo wußte jetzt, dass Die es ernst meinte; er hatte es in seinen Augen gesehen, in seinem Kuss geschmeckt.

Er drückte seinen Kopf gegen Dies Brust; ein Weinkrampf ließ seinen Körper erzittern und er klammerte sich fest an das T-Shirt des Rothaarigen; erschöpft schloß er seine Augen.
 

"Sch, daijoubudesu ..."

Beruhigend strich Die durch Kyos weiche Haare und begann ihn langsam in seinen Armen zu wiegen.

Als die Atmung des Kleineren immer ruhiger und gleichmäßiger wurde, schaffte es der Rothaarigen irgendwie sich gegen das Kopfende des Bettes zu lehnen und Kyo neben sich zu legen, ohne diesen aufzuwecken oder sich selbst noch mehr Schmerzen in seinem lädierten Fuß zu verursachen.

Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, als er den friedlichen Gesichtsausdruck des Blonden sah und hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn.

Dann machte Die das Licht aus und zog die Bettdecke über sich und seinen Geliebten.
 

In dieser Nacht wagten es die Dämonen nicht Kyos Träume zu stören.

Jetzt war er nämlich nicht mehr alleine.

Jetzt gab es jemanden, der für ihn stark sein würde.
 

Und aus den Schatten vor ihrem Zimmer löste sich eine dunkelhaarige, schlanke Gestalt, in deren Augen kurz purer Hass und ungezügelte Eifersucht aufloderte bevor sich eine Maske aus Eis über ihr Gesicht legte und sie in der Nacht verschwand.
 

To be continued ...
 

Buh!

Dies Mal geb ich meinen Senf am Ende dazu, ansonsten hätte ich mich noch verplappert....^^"

Yay! Ich hab sie endlich zusammengebracht!

Und jetzt muss ich erstmal meinen Plot überdenken....naja, man weiß ja nie, wann mich die Inspiration trifft...
 

Und vielen, vielen, vielen Dank für die Kommentare *jedem einzelnen überschwenglich die Hand schüttel*

Kimi ni aitakute

GOMEN NASAI ... *völlig außer Atem mit einem Stapel druckfrischer Blätter angerannt komm* ... dass es so lange gedauert hat, aber irgendwie hatte ich ne kleine Schreibblockade und außerdem musste ich dringend was für meine Facharbeit tun (nicht, dass ich wesentlich weitergekommen wäre, aber das tut jetzt hier nichts zur Sache ...)

Oh, und ich denke es ist jetzt mal an der Zeit meinem lieben, lieben cherrypie Jujin dafür zu danken, dass sie den ganzen Schmarrn, den ich da schreibe, beta liest. *sie ganz fest knuddel und erst wieder loslass, als sie blau anläuft*

Und auf die gleiche Weise sei hiermit jedem gedankt, der mir einen Kommentar geschrieben hat ... nur immer schön so weiter machen ^^

Bevor ihr aber dieses Kapitel lest, seid gewarnt:

Es wird eine Lemon vorkommen; die ist aber relativ schlicht und unspektakulär, weil ich denke, dass sie so am besten in die Story passt. Das hier ist ja schießlich nicht PWP, sondern eine tragische Liebesgeschichte...

Ich denke, dass jeder, der in einem vernüftigen Alter aufgeklärt wurde, jetzt nichts wirklich schockierend neuartiges lesen wird; deshalb habe ich das Ding auch nicht als 'adult' makiert (ich hoffe, dass Animexx mich nicht dafür umbringt*smiling like an innocent angel*); wenn das irgendjemand nicht lesen will, kann er einfach die Szene überspringen ohne, dass sie was wichtiges vom Rest des Kapitels verpassen würde....

Anyways, da habt ihr nun das nächste Kapitel und ich bete wie immer zu dem nicht vorhandenen FanFiction-Gott, dass es euch gefällt.
 

Kapitel 4: Kimi ni aitakute
 

~ einige Wochen nach Weihnachten ~
 

"Ach, irgendwie funktioniert das hier alles nicht."

Frustriert und genervt warf Kyo seinen Stift auf den Tisch vor ihm und lehnte sich, sein Gewicht auf beide Hände stützend, nach hinten.

Der Blonde saß auf dem Boden in mitten einem Chaos aus Mathebüchern, Heften, losen Blättern und einer bunten Ansammlung aller möglichen Schreibutensilien.

Während Kyo die wirre Anordnung gekritzelter Kanji und Zahlen so eindringlich anstarrte, als könnte er sie allein dadurch zwingen die richtige Lösung zu ergeben, erhob sich Die von seinem Platz neben ihm mit einem leichten Kopfschütteln.

"Vielleicht sollten wir mal eine Pause machen ... willst du auch ne heiße Schokolade?"

"Hai, itadakimasu."

"Okay, kommt sofort."

Mit einem breiten Grinsen verschwand Die in der Küche.
 

Seit mittlerweile drei Stunden saß Kyo im Wohnzimmer des Rothaarigen und kämpfte sich durch Vektorräume, kanonische Basen, lineare Abhängigkeiten und Unabhängigkeiten.

Bisher jedoch waren sie keinen Zentimeter voran gekommen, ihm schwirrte schon der ganze Kopf.

Am liebsten hätte er das alles weggeschmissen; gedanklich sah er sich schon seine Mathebücher zu einem ordentlichen Scheiterhaufen aufstapeln und mit Benzin überkippen.

Aber es half alles nichts.

Ob er nun wollte oder nicht, übermorgen stand die Klausur an und wenn er auch nur in die Reichweite seines Abschlusses kommen wollte, musste er sich anstrengen.

Mit einem resignierenden Seufzer griff Kyo wieder nach seinem Taschenrechner und Stift und versuchte jetzt schon zum vierten Mal dieses verdammte Skalarprodukt auszurechnen.
 

Gerade als er kurz davor war zu einem Endergebnis zu kommen, wurde eine Tasse mit einer dampfenden, dunklen Flüssigkeit darin direkt vor ihm auf sein Heft gestellt.

Dankbar für diese Ablenkung, umfasste Kyo das warme Gefäß mit beiden Händen und atmete den süßlichen Geruch des Kakaos ein.

Dann spürte er, wie sich Die hinter ihn setzte, so dass sich der Kleinere zwischen seinen Beinen befand und zwei muskulöse Arme schlangen sich um seine schmale Hüfte.

"Na, schon weiter gekommen?"

Der Rothaarige hatte sich nach vorne gebeugt, um über Kyos Schulter zu blicken und der heiße Atem an seinem Ohr und Nacken sandte einen Schauer über den Körper des Blonden.

"Iie, diese bescheuerte Aufgabe ... kannst du mir das nicht nochmal erklären?"

"Mmmmm, ich würde jetzt viel lieber *dein* Skalarprodukt berechnen ..."

"Hentai ... das ist wirklich wicht-"

All seine Einwände lösten sich in Luft auf, während Die begann hauchzarte Küsse auf Kyos empfindlichen Nacken zu verteilen.

Der Kleinere entspannte sich mehr und mehr in der Umarmung des anderen und ließ sich gegen dessen Brust sinken, doch dann schlich sich sein paar warme Hände unter sein T-Shirt.

Augenblicklich versteifte sich Kyos Körper und er zuckte, leise stöhnend, zusammen, als zarte Fingerspitzen über die noch nicht ganz verheilten Wunden an seinem Rücken strichen.

"Nicht ..."

Vergeblich versuchte Kyo die Hände des Rothaarigen von sich wegzudrücken; er wollte nicht, dass Die davon erfuhr; er würde sich nur darüber aufregen.

Aber der Größere ließ nicht so schnell locker; er zog das Kleidungsstück weiter nach oben.

Immer mehr tiefrote, verkrustete Striemen kamen zum Vorschein und Die sog entsetzt Luft ein.

"Er hat es schon wieder getan, nicht wahr?"

Ein angedeutetes Nicken war die stumme Antwort.

Kyo wagte es nicht den Rotschopf anzusehen; er starrte einfach ausdruckslos auf den Boden.

Es war ein merkwürdiges Gefühl mit entblößtem Rücken vor Die zu sitzen und seinen inspizierenden Blick zu spüren; auch, wenn Kyo wußte, dass er sich nur Sorgen machte.

"Kyo ... bitte, sieh mich an ..."

Die ließ von dem T-Shirt ab, drehte den Kleineren vor sich um und hob mit einer Hand dessen Kinn an.

Tränen schimmerten in Kyos großen, dunklen Augen, aber er weigerte sich ihnen freien Lauf zu lassen; er wollte nicht noch mehr Schwäche vor seinem Geliebten zeigen.

"Es ist schon gut, Die ..."

"Nein, ist es nicht. Das was das letzte Mal, dass ich tatenlos zusehe, wie er dich so zurichtet."

Es tat ihm in der Seele weh, hilflos mit ansehen zu müssen, wie die Person, in deren vertrauensvolle Obhut Kyo gegeben wurde, den Jungen so sehr malträtierte.

"Aber was willst du schon groß gegen ihn ausrichten?"

"Na, wir gehen einfach zur Poli-"

"Nein! Keine Polizei! Das würde alles nur noch schlimmer machen."

Wenn Die Anzeige gegen seinen Vormund erstatten würde, würde dieser sein Ansehen verlieren; die Ehre der gesamten Familie wäre verletzt und am Ende wäre es Kyo, der den Preis dafür zahlen müsste.

"Schon gut, also keine Polizei ..."

Kyos verzweifelter, flehender Gesichtsausdruck war genug, um Die davon zu überzeugen, das Thema lieber fallen zu lassen, damit er den Kleineren nicht noch mehr aufregte.

Statt weiter darauf einzugehen, beugte er sich nach unten und gab Kyo einen leichten Kuss auf die Lippen, um ihn abzulenken.
 

Als er sich von dem Blonden löste, sah er ihm für den Bruchteil einer Sekunden noch mit Zweifel erfülltem Blick in die Augen, dann wandte er sich den verstreuten Blättern zu und räusperte sich übertrieben.

"Ano ... dann sollten wir vielleicht mit der Aufgabe weiter machen ..."

Der Rothaarige fing an geschäftig durch seine Aufzeichnungen zu blättern.

Argwöhnisch zog Kyo eine Augenbraue nach oben.

Sonst gab Die doch auch nicht so schnell auf.

- Verdächtig ... -

"Versprich mir nichts unüberlegtes zu tun."

Der Tonfall des Blonden war etwas härter und kälter als er eigentlich beabsichtigt hatte, aber seine Worte schienen ihre Wirkung nicht zu verfehlen.

Der Angesprochene hielt in seiner angestrengten Suche nach einem anscheinend ungeheuer wichtigen Blatt abrupt inne und sah den Kleineren mit dem unschuldigsten Gesichtsausdruck, zu dem er in der Lage war, an.

"Versprochen."

Beim Anblick des Lächelns, das sich über die Züge des Rothaarigen legte, durchfuhr Kyo ein warmes, beruhigendes Gefühl; alle von Misstrauen erfüllten Gedanken wurden aus seinem Kopf gefegt.

"Gut ... und hier ist übrigens die Aufgabe."

Der Kleinere schob sein Heft mehr in die Mitte und Die begann ihm jeden Rechenschritt ausführlich zu erklären.
 

- Nein, Kyo, ich werde nichts UNüberlegtes tun ... ich habe das alles genau geplant ... ich lasse dich bestimmt nicht zu diesem Monster zurück ... -
 

~ am nächsten Tag ~
 

Der Gong hallte laut in den verlassenen Schulgängen wider.

Keine zwei Sekunden später flogen überall Türen auf; unzählige Schüler strömten aus den Klassenzimmern.

Unter ihnen befand sich auch ein gewisser Rotschopf, der sich mit schnellen Schritten durch die wild durcheinander wuselnden Menschenmassen in Richtung Ausgang kämpfte.

Kaum hatte er das Gebäude verlassen, marschierte Die mit entschlossenem Gesichtsausdruck zur U-Bahnstation.

Für ihn hatte der Unterricht eine Stunde früher geendet und er hatte beschlossen die Zeit zu nutzen, um mit Kyos Vormund ein ernstes Wörtchen über dessen "Erziehungsmethoden" zu wechseln.

Gedanklich ging Die seinen Plan nochmals durch.

Kyo hatte ihm irgendwann einmal erzählt, dass seine Verwandten aus Osaka nur die Vormundschaft übernommen hatten, weil sie ernsthafte finanzielle Probleme hatten und auf sein Vermögen, das ihm seine Mutter hinterlassen hatte, scharf waren.

Damit hatte Die genug gegen den Vormund des Kleineren in der Hand; er würde ihn in die Knie zwingen.

Den Weg zu Kyos Haus in einem ruhigen, fast schon spießig anmutenden Vorort von Osaka, fand der Rotschopf ohne größere Probleme, hatte er ihn doch schon so oft dorthin begleitet, anfangs noch ohne zu wissen, was den Anderen hinter der unscheinbaren, braunen Haustür erwarten würde.
 

Und nun stand Die vor eben dieser Tür; entschlossen zu jedem Mittel zu greifen, das nötig war, damit Kyo nicht noch mehr leiden musste.

Der Rothaarige atmete einmal tief durch, dann klopfte er fest und laut gegen das dunkle Holz.

Er hörte gedämpfte Schritte, die langsam näher kamen; nach kurzer Zeit wurde die Tür ein Stück weit geöffnet und gab den Blick frei auf einen Mann mittleren Alters von schlanker Statur mit kurzen, braunen Haaren; auf seinen feinen Gesichtszügen lag ein leichtes Lächeln, das aber seine Augen nicht erreichte.

Hätte Die es nicht besser gewußt, hätte er vermutet es handle sich um einen liebevollen Familienvater, der keiner Fliege etwas zu leide tun könnte.

"Ano ... ich nehme an Sie sind Kuroyanagi-san, der Vormund von Tooru?"

Der Rotschopf versuchte seiner Stimme einen festen Klang zu verleihen und hoffte, dass sein Gesichtsausdruck dem eines Pokerspielers glich.

"Hai, sou desu. Wie kann ich Ihnen helfen?"

"Mein Name ist Andou Daisuke, Toorus Freund."

Bei Dies letzten Worten blitzte in den Augen seines Gegenübers kurzzeitig eine Spur von Verachtung auf, bevor jegliche Regung aus seinem Gesicht gewischt wurde.

"Aha, und was willst du?"

Auch seine Stimme war jetzt kalt; es schien als hätte er alle Regeln der Höflichkeit in dem Moment vergessen, wo er realisierte, wer da vor ihm stand.

Aber der Rothaarige ließ sich von Kuroyanagis abweisenden Verhalten nicht im geringsten beeindrucken.

"Ich denke, es ist besser, wenn wir mein Anliegen nicht so einfach zwischen Tür und Angel besprechen. Wir wollen doch nicht, dass die ganze Nachbarschaft davon erfährt, ne?"

Man konnte deutlich sehen, wie der ältere Mann gegen die Versuchung ankämpfte Die die Tür einfach vor der Nase zuzuschlagen, doch dann machte er einen Schritt zur Seite und der Jüngere trat ein.
 

Die ließ seinen Blick durch das Wohnzimmer, in dem er nun stand, schweifen.

Alles machte einen sauberen und ordentlichen Eindruck; anscheinend war Kuroyanagi sehr bemüht, die Fassade einer glücklichen Durchschnittsfamilie aufrecht zu erhalten.

"Was soll das alles?"

Der Angesprochene ging nicht weiter auf die Frage des Älteren ein, sondern drehte sich mit einem süffisanten Lächeln einmal langsam im Kreis.

"Ich muss schon sagen, ein hübsches Haus für jemanden, der regelmäßig einen hilflosen Jungen verprügelt ..."

Erst jetzt blickte Die Kuroyanagi direkt in die Augen und aus seinem Lächeln wurde ein triumphierendes Grinsen, als er sah, wie sehr er ihn aus der Fassung gebracht hatte.

"Was? Wovon redest du da? Du hast kein Recht hier einfach aufzutauchen und mich zu beschuldi-"

"Oh, ich mag vielleicht kein Recht haben, aber dafür besitze ich Wissen; Wissen, das für Sie ziemlich gefährlich werden könnte."

Der Braunhaarige versuchte krampfhaft nicht die kleinste Regung zu zeigen, doch Die konnte die Furcht und Unsicherheit, die dieser ausstrahlte, förmlich riechen.

"Ich weiß, dass Sie Tooru nur aus falschem Mitleid aufgenommen haben, um an sein Geld heranzukommen. Ich weiß, dass ihn schlagen und wie den letzten Dreck behandeln. Ich denke nicht, dass es Ihrem Ruf als wertvolles Mitglied unserer Gesellschaft besonders gut tun würde, wenn die Öffentlichkeit davon Wind kriegen würde ..."

"Na und? Dein Wort steht gegen meines. Wer glaubt schon einem daher gelaufenen Jungen wie dir?"

"Wahrscheinlich niemand, da haben Sie recht. Dennoch, ich habe Tooru auf meiner Seite. Er vertraut mir und würde ohne Zögern gegen Sie aussagen."

Nun gut, das entsprach jetzt nicht ganz der Wahrheit; es würde wohl einige Überredungskünste brauchen, um Kyo tatsächlich zu einer Aussage zu bewegen, aber es reichte aus, um Kuroyanagis Widerstand und Selbstsicherheit noch ein Stück weiter zu brechen.

Nur noch ein bisschen und Die würde ihn da haben, wo er ihn wollte: hilflos in eine Ecke gedrängt.

"Bedenken Sie, was das für Sie bedeuten würde: Sie würden Ihr Ansehen verlieren ... Ihren Job ... Ihr Haus ... alles ... wollen Sie das wirklich riskieren?"

Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sich der ältere Mann nicht mehr hundertprozentig in der Gewalt und man sah wie seine starre Maske aus Unnahbarkeit und Überheblichkeit zerbröckelte, doch dann verschränkte er in einer fast schon trotzigen Geste die Arme vor seiner Brust und bedachte Die mit einem Blick, der ihn auf der Stelle hätte tot umfallen lassen.

"Worauf willst du hinaus?"

"Schön, dass Sie endlich einsichtig werden ... ich habe Ihnen einen Deal vorzuschlagen: Sie bleiben zwar offiziell Toorus Vormund, aber er wird bei mir leben und Sie werden ihn in Ruhe lassen. Dafür können Sie ungestört Ihr Spießerleben weiterführen."
 

Für eine Weile herrschte eisige Stille zwischen den beiden Männern.

Kuroyanagi gefiel es ganz und gar nicht, dass er sich von diesem Bengel so erpressen lassen musste.

Was aber, wenn Daisuke seine Drohung wirklich wahr machen würde?

Es würde seinen gesellschaftlichen Tod bedeuten; das konnte sich Kuryanagi in seiner jetzigen Position auf keinen Fall leisten.

Und schon dreimal nicht wegen diesem nichtsnutzigen, ungehorsamen Tooru, der ihm meisten sowieso nur ein Klotz am Bein war.

"Und? Was ist jetzt?"

Die war langsam ungeduldig geworden.

- Komm schon, sieh's endlich ein; ich weiß genau, dass dir Kyo den ganzen Ärger nicht wert ist. -

Mit einem resignierenden Seufzer ergab sich Kuroyanagi schließlich in sein Schicksal.

"Gut, einverstanden."
 

***
 

Er nahm einen tiefen Zug seiner Zigarette, atmete aus und sah gelangweilt zu, wie sich der blaue Dunst in Richtung des dunklen, wolkenverhangenen Himmel verflüchtigte.

Hatsuru stand, lässig an eine Mauer gelehnt, im verlassenen Hof hinter der Schule und wartete darauf, dass Die endlich auftauchen würde.

- Verdammt, wo bleibt er nur? Ich warte hier schon seit ner halben Ewigkeit ... -

Er war gerade dabei seine Taschen nach seiner Zigarettenschachtel zu durchsuchen, da nahm er aus den Augenwinkeln wahr, wie sein sehnsüchtig erwarteter Rotschopf den Schulhof betrat.

Auf Hatsurus Gesichtszüge legte sich ein lüsterndes Lächeln und er näherte sich Die von hinten auf eine solch lauernde Weise wie sich ein Raubtier an seine Beute heranschleichen würde.

Der Rothaarige merkte von seiner unfreiwilligen Rolle als Beutetier nichts; er schwelgte immer noch in seinem Erfolgserlebnis bei Kuroyanagi und konnte es kaum erwarten Kyo von den guten Neuigkeiten zu erzählen.

Deshalb war Die auch auf dem kürzesten Weg wieder zurück in die Schule gekommen, um den Kleineren abzufangen bevor für diesen der Unterricht endete und er nach Hause fahren würde.
 

Die blieb kurz stehen, um sich seinerseits ebenfalls eine Zigarette anzuzünden, aber sein Feuerzeug wollte nicht ganz so bereitwillig dazu beitragen seinen täglichen Nikotinbedarf zu decken.

In der Zwischenzeit hatte Hatsuru mit wenigen Schritten die Distanz zwischen sich und Die geschlossen; mit einem Arm umschlang er einen immer noch nichts böse ahnenden Rotschopf von hinten und mit der Hand des anderen Arms hielt er ihm ein brennendes Feuerzeug vor die Nase.

"Feuer?"

Dies Mund formte einen lautlosen Schrei der Überraschung und die Zigarette fiel aus seinen leicht geöffneten Lippen achtlos zu Boden.

Als der Rothaarige instinktiv versuchte mit einem schnellen Schritt nach vorne etwas Abstand zwischen sich und den anderen Jungen zu bringen, verstärkte Hatsuru seinen Griff fast schon schmerzhaft um Dies Hüfte und steckte sein Feuerzeug wieder ein.

"Nana, nicht so schnell, anata, hast du etwa unsere Verabredung vergessen?"

"Nein ..."

- Wie könnte ich nur? -

Der Tonfall des Rothaarigen war angespannt und er wagte es nun nicht mehr sich auch nur einen Zentimeter in der Umarmung des Anderen zu bewegen.

"Das ist auch besser für dich ..."

Mit einer beiläufigen Bewegung holte Hatsuru ein kleines, in braunes Packpapier eingeschlagenes Päckchen aus der Tasche seines Jacketts und schob es in die Innentasche von Dies Uniformjacke.

"Hier ist dein Nachschub. Wo ist der Schlüssel für das Schließfach?"

"Rechte Tasche, hinten an meiner Hose ..."

Die schluckte schwer, als er spürte wie Hatsurus schlanke Finger unnötig lange an seinem Hintern verweilten, um den kleinen Messingschlüssel an sich zu nehmen.

Eigentlich hätte sich der Rotschopf schon längst daran gewöhnt haben müssen; die Prozedur lief immer gleich ab: Takai würde ihm unauffällig das Päckchen mit den Drogen zustecken; daran war immer ein Schlüssel für ein ständig wechselndes Schließfach befestigt, wo Die später das eingenommene Geld deponieren würde; im Gegenzug händigte er dem Schwarzhaarigen den Schlüssel zum alten Schließfach aus.

In letzter Zeit jedoch war diese 'unauffällige Übergabe' in intensiven Körperkontakt ausgeartet; *zu* intensiv für Dies Geschmack.
 

So wie auch jetzt, als Hatsuru begann eine Reihe leichter Küsse auf den Nacken des Rothaarigen zu hauchen.

"Mmmm, ich habe dich vermisst ..."

- Wegen diesem kleinen Freak komme ich kaum noch an ihn ran ... ich sollte das ändern ... -

"Takai! Lass das ..."

Die bemühte sich verzweifelt die Finger des Schwarzhaarigen von seiner Hüfte zu lösen, doch der Andere hielt ihn weiter erbarmungslos fest.

"Jetzt hab dich doch nicht so, Die-chan ... du willst es doch auch ..."

Hatsuru schmiegte sich noch näher an den Körper vor ihm und saugte sanft an der empfindlichen Stelle, wo Dies Nacken und Schulter in einander übergingen.

Der Rothaarige verkrampfte sich unter dieser verhaßten Liebkosung noch mehr, aber so sehr er sich auch wand, er konnte sich nicht aus dem schraubstockartigen Griff des Anderen befreien.

Ruckartig wurde Die herumgedreht und rauhe Lippen drückten sich unsanft auf die seinigen.

Hatsuru versuchte mit seiner Zunge in den Mund des Rothaarigen vorzudringen, doch als dieser nicht nachgab und seine Lippen fest geschlossen hielt, begann der Größere einen Pfad kurzer, hauchzarter Küssen auf der anderen Seite von Dies Nacken zu hinterlassen.

"Es ist sowieso nur noch eine Frage der Zeit und dann wirst du mir gehören ..."

Bei diesen Worten blickte der Schwarzhaarige über Dies Schulter hinweg, direkt in ein bernsteinfarbenes Augenpaar, dessen blonder Besitzer sich weniger Meter vor ihm befand.

- Ah, das trifft sich ja gut ... die perfekte Gelegenheit das junge Glück auseinander zu brechen ... -

Hatsuru strich ein letzte Mal mit seiner Zunge über die zarte, sensible Haut des Rothaarigen, dann richtete er sich unvermittelt auf und schob den Anderen entschieden von sich weg; ohne die stützende Umarmung des Schwarzhaarigen stolperte Die zunächst einige Schritte haltlos nach hinten, bevor er sein Gleichgewicht wieder fand.

"Aber anata! Doch nicht, wenn wir Gesellschaft haben!"

Hatsuru wandte seine gesamten Schauspielkünste auf, um seiner Stimme einen möglichst entsetzten Klang zu verleihen und um den deutlichen Sarkasmus möglichst gut zu überspielen.

Die hingegen war nun völlig verwirrt.

Was zog Takai denn da für eine Show ab?

ER war es doch schließlich, der nicht die Finger von IHM lassen konnte ...
 

"Die ... ?"

Eine leise, unsicher klingende Stimme hinter ihm ließ den Rotschopf zusammen zucken; er fuhr abrupt herum und erblickte mit vor Überraschung geweiteten Augen Kyos zierliche Gestalt ein paar Schritte vor ihm.

- Oh mein Gott! Wie lange steht er da schon? -

"Die, bitte sag mir, dass das, was ich da gerade gesehen habe, nicht das bedeutet, was ich denke, dass es bedeutet ..."

Während Dies Gedanken wild durcheinander wirbelten und er noch damit beschäftigt war die prekäre Situation, in der er sich befand, völlig zu begreifen, hoffte Kyo inständig, dass der Rotschopf eine plausible Erklärung parat hatte; er würde es nicht überstehen, sollten sich die Liebesgeständnisse, die ihm der Größere in zahllosen Nächten zugeflüstert hatte, als ein Haufen schamloser Lügen herausstellen.

"Du musst mir glauben, Kyo, das ist anders als es aussieht ... ich ... er ... ich meine: wir ..."

Dies verzweifelt dahin gestammelte Erklärungsversuche wurden jäh von Hasturus lautem, spöttischen Lachen unterbrochen.

"Ich fass es nicht. Sag bloß, du hast ihm nichts von unserer kleinen Vereinbarung erzählt?"

Der Rotschopf gab darauf keine Antwort, sondern starrte nur, leicht beschämt, auf den grauen Boden; er wagte es nicht auch nur einem der beiden Jungen in die Augen zu sehen.

"Na, wenn das so ist, übernehme ich mal diese ehrenvolle Aufgabe. Also, alles fing damit an, dass der Vater unseres lieben Dies hier ziemlich viele Schulden beim Glücksspiel gemacht hat. Hilfe suchend wandte er sich an meine Familie und bat um einen Kredit, den wir ihm natürlich, großzügig wie wir sind, gewährten. Die Sache hatte nur einen Hacken: Andou senior konnte keine ausreichenden Sicherheiten für die Rückzahlung vorweisen; deshalb wurde vereinbart, dass sein Sohn für uns arbeitet. Aber sollte das Geld nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zeit zurückgezahlt worden sein, gehört dieser wunderbare Körper mir ... und wir können es beide kaum erwarten, nicht wahr, anata?"

Während seiner letzten Worte hatte Hatsuru beide Arme besitzergreifend von hinten um Die geschlungen und grinste Kyo mit provozierend funkelnden Augen an.

"Lass den Scheiß, Takai!"

Dieses Mal zögerte Die keine einzige Sekunde und stieß den Schwarzhaarigen augenblicklich von sich weg.

"Oh, seit wann so feurig, Die-chan?"

"Halt endlich deine verdammte Klappe!!!"

Der Rotschopf spürte unbändige Wut in sich aufsteigen; er stand kurz davor Hasturu zu demonstrieren *wie* 'feurig' er werden konnte, aber er versuchte sich zu beherrschen, schließlich gab es jemand bedeutend wichtigeres, um den er sich kümmern musste.

"Kyo, du darfst ihm kein Wort glauben."

Die näherte sich Kyo mit ausgestreckter Hand und wollte ihm beruhigend über die Wange streichen, doch der Kleinere wich so heftig zurück, als hätte er ihm eine Ohrfeige gegeben.

"Fass mich nicht an!"

Kyo konnte nicht fassen, was er da gerade gehört hatte.

Wieso hatte Die ihm nichts davon erzählt?

War er es nicht wert?

Hatte er sich die Mühe gespart, weil er sowieso nur mit ihm spielte und in Wirklichkeit Takai liebte?

- Nein, nein! Das ist alles nicht wahr! -
 

Für ein paar Sekunden schien dieser Moment wie eingefroren; es herrschte angespannte Stille; das einzige, was man hören konnte, war das tiefe Donnergrollen des nahenden Gewitters in der Ferne.

Bis es schließlich Hatsuru war, der das Schweigen durchbrach.

"Tja, so gern ich auch diesem herzzerreißenden Moment noch länger beiwohnen würde, ist es besser, wenn ich jetzt gehe ... ja mata, anata ..."

Hatsuru warf Die noch eine Kusshand zu und dann verließ er mit einem zufriedenen Grinsen den Schulhof.

Für heute hatte er genug Zweifel und Misstrauen in Kyos Herzen gesät; es würde jetzt nicht mehr allzu lange dauern und die Liebe zwischen diesem Freak und seinem Die würde Geschichte sein.

Zumindest nahm er das an ...
 

Die starrte dem Schwarzhaarigen noch kurz haßerfüllt hinterher, dann machte er zögerlich einen Schritt auf Kyo zu, doch dieser wich noch ein Stück weiter zurück bis er an die kalte Mauer stieß, die den Schulhof umgab.

Der Blonde drohte innerlich zu ertrinken; alles, was er in den letzten Monaten mit Die erlebt hatte vermischte sich mit dem, was er heute gesehen hatte; alles verschwamm zu einem Strudel aus Wahrheit und Lüge.

Nur ein Gedanke stach hervor dem tobenden Meer aus Emotionen wie ein Fels in der Brandung:

er liebte Die und jetzt da er diese Liebe endlich gefunden hatte, würde er sich nicht so schnell wieder loslassen.

Er würde sich mit aller Macht an sie klammern; auch, wenn es seinen Untergang bedeuten würde.
 

Und auch Die wollte und konnte nicht so einfach aufgeben; er musste wenigstens versuchen, den Kleineren von der Aufrichtigkeit seiner Gefühle zu überzeugen.

"Es tut mir Leid, Kyo ... ich hätte dir gleich davon erzählen sollen, aber ich wollte dich nicht da mit hineinziehen. Dieser Takai ist mir scheißegal ... ich liebe nur dich und du bist-"

Die Worte sprudelten aus Die nur so hervor; er wollte mit ihnen wieder alles gut machen, aber der Redefluß des Rothaarigen versiegte schlagartig als ein schlanker Finger auf seine Lippen gepresst wurde.

"Sch ... ich weiß ... daijoubu desu ..."

Ein Lächeln hatte sich auf Kyos Züge gelegt und in seinen Augen schimmerte ein warmer Glanz.

Die blinzelte sein Gegenüber verdutzt an.

Hatte er da gerade richtig gehört?

"Soll das etwa heißen ... ?"

"Hai ... ich glaube dir ..."

Mehr konnte Kyo gar nicht mehr sagen, schon wurde er in Dies starke Arme gezogen und an dessen Brust gedrückt.

Der Blonde wußte nicht, wie lange sie in dieser Umarmung verharrten; er lauschte einfach nur dem ruhigen, kräftigen Herzschlag seines Geliebten und atmete tief seinen unverwechselbaren Geruch ein.

Und als der Himmel aufbrach und kalter Regen sie einhüllte, wußte er, dass seine Entscheidung, sich dieser Liebe bedingungslos hinzugeben, richtig gewesen war.
 

***
 

"Tadaima!"

Naß bis auf die Knochen und tropfend standen die beiden Jungen im Flur von Dies Wohnung und entledigten sich ihrer Jacken und Schuhe.

Obwohl die Wohnung der Andous nur fünf Minuten von der Schule entfernt war und sich Kyo und Die so schnell es ging dorthin vor dem strömenden Regen gerettet hatten, waren sie komplett durchnäßt.
 

Die tappte einige Schritte ins Wohnzimmer, sah sich flüchtig um und zuckte dann mit den Schultern.

"Mein Vater macht wohl wieder Überstunden ... das heißt wir sind ganz ungestört ..."

Der Rotschopf bedachte Kyo kurz mit einem anzüglichen Grinsen bis ihm das leichte Zittern des Kleineren, der immer noch im Flur stand, auffiel.

"Waaah! Wir sollten dich schleunigst aufwärmen bevor du dich noch erkältest."

Entschlossen zog er den Blonden am Ärmel in sein Zimmer, setzte ihn dort auf sein Bett und wandte sich seinem Kleiderschrank zu.

"Mal sehen, ob hier was passendes ..."

Der Rest seines Satzes wurde unverständlich als der Rothaarige in einer bunten Ansammlung aus Klamotten aller Form und Farbe verschwand.

Kyo wartete geduldig bis Die nach einiger Zeit aus den Tiefen seines Schrankes wieder auftauchte und ihm ein rotes T-Shirt und eine ehemals schwarze, jetzt aber eher graue Stoffhose in die Hand drückte.

"Hier, das ist das kleinste, was ich habe. Probier's einfach mal an, ne? Ich mach uns in der Zwischenzeit ne heiße Schokolade."

Bevor der Angesprochene mehr tun konnte als einmal völlig perplex zu blinzeln, war der Rotschopf zur Tür hinaus verschwunden.

- Gott, diese gute Laune ist ja fast schon unheimlich ... -

Kopfschüttelnd machte sich Kyo daran seine nasse Schuluniform gegen die trocknen Kleidungsstücke auszutauschen.
 

Zwischenzeitlich hatte sich auch Die im Bad umgezogen und löffelte nun in der Küche das süße Kakaopulver in die heiße Milch.

Er fühlte sich einfach großartig.

Endlich stand seinem Glück mit Kyo nichts mehr im Weg; schon heute vormittag hatte er dem Kleineren seinen prügelnden Verwandten vom Hals geschafft und vorhin hatten sie sich auch noch mehr oder weniger erfolgreich gegen Takai gewehrt.

- Dieser Tag kann nur noch besser werden ... -

Fröhlich vor sich hin pfeifend füllte Die zwei Tassen mit dem heißen Getränk und war gerade im Begriff ins Wohnzimmer zu gehen als er erschrocken einen Schritt zurückprallte.

"Heilige Scheiße, Kyo! Du hast mich zu Tode erschreckt!"

"Gomen ... ano ..."

Der Kleinere, der so urplötzlich vor Die aufgetaucht war, schenkte ihm ein verlegenes Lächeln und blickte dann zweifelnd an sich herunter.

Wie vorherzusehen gewesen war, waren Kyo die Kleider natürlich viel zu groß: die Hose schlug an den Füßen nicht gerade wenige Falten und der Ausschnitt des T-Shirts war so verrutscht, dass eine seiner Schultern entblößt wurde.

"Ano, vielleicht sollten wir das nächste Mal einfach an einen Regenschirm denken ..."
 

***
 

Das Zimmer war in gedämpftes Licht getaucht, das von einer kleinen Lampe auf Dies Nachttisch ausging; über den Fernsehschirm flimmerten gerade die letzten Bilder der DVD, für die sich die beiden Jungen vor zwei Stunden entschieden hatten.

Als der Abspann begann, hob Kyo seinen Kopf von Dies Schulter, streckte sich kurz und löste sich aus der warmen Umarmung des Rothaarigen.

"Ich sollte jetzt besser gehen, sonst wird er nur wieder sauer ..."

Noch ehe sich Kyo ganz vom Bett erheben konnte, wurde er auch schon wieder von Die auf dessen Schoß gezogen und in einen leidenschaftlichen Kuss verwickelt.

"Die ..."

Der Blonde schob den Anderen entschieden ein Stück von sich weg und warf ihm einen fragenden Blick zu, der mit einem wissenden Lächeln erwidert wurde.

"Du musst nicht mehr dorthin zurück ..."

"Nande? Doushite?"

"Ich habe heut vormittag mit Kuroyanagi geredet und er ist einverstanden, dass du hier bleiben kannst."

Einen Moment lang starrte Kyo den Größeren nur völlig verständnislos an, dann wurden seine Augen schmal und er musterte ihn argwöhnisch.

"Womit hast du ihn erpresst?"

"Ich ihn erpresst? Wo denkst du hin? Ich hatte einfach nur die besseren Argumente ...."

"Aber-"

Jegliche Einwände des Kleineren wurden von Die kurzerhand mit einem weiteren Kuss unterbunden, nur, dass Kyo dieses Mal keinen Widerstand leistete und seinen Mund für die Zunge des Rothaarigen öffnete.

Dieser kam der Einladung bereitwillig nach und zog den Blonden noch näher an sich.
 

Leicht außer Atmen brach Die kurz darauf diese Verbindung und küsste sich an Kyos Nacken entlang, bis er zu der empfindlichen Stelle kam, wo dessen Schulter begann und fing an leicht daran zu saugen; gleichzeitig fanden seine Hände den Weg unter das T-Shirt des Kleineren und erkundeten gierig die weiche Haut an seinem Bauch und Rücken.

Kyo stöhnte leise auf als diese sanften Finger über seine harten Brustwarzen strichen und ein warmes, uvergleichliches Gefühl durchfuhr seinen Körper.

Keine zwei Sekunden später hatte Die ihm das T-Shirt über den Kopf gezogen, es in eine Ecke geworfen und ihre Position geändert, so dass er nun unter dem Größeren auf das Bett gedrückt wurde.

Die sah Kyo einen kurzen Moment lang mit einer Mischung aus überschwenglicher Liebe und Begierde an, beugte er sich dann vor und bedeckte, hier und da ein dunkel verfärbtes Mal seiner Zuneigung zurücklassend, jeden Zentimeter des Oberkörpers des Kleineren mit erregenden Küssen.

Mittlerweile ging der Atem des Blonden in kurzen Stößen; sein Herz pochte heftig gegen seine Rippen und in seinem Körper hatte sich eine verzehrende Hitze angesammelt.

Ungeduldig zerrte er an Dies störendem T-Shirt, woraufhin sich dieser aufrichtete, schnellstens das Kleidungsstück los wurde und sich wieder rittlings auf Kyo setzte, wobei er seine unübersehbare Erregung verlangend an ihm rieb.

Den Lippen des Blonden entwich ein lustvolles Stöhnen; er zog den Rotschopf nach unten in einen stürmischen Kuss und genoß das betörende Gefühl der samtigen, schweißnassen Haut unter seinen Fingerspitzen.
 

Schwer atmend lösten sich die beiden Jungen voneinander und Die zog mit seiner Zunge einen feuchten Pfad aus brennendem Verlangen über Kyos Körper bis zum Bund seiner Hose.

Dort angekommen hielt der Rotschopf kurz inne, doch als ihm der Kleinere einen auffordernden Blick zuwarf, zog er ihm mit einer fließenden Bewegung die Hose inklusive Boxershorts aus und ließ die Kleidungsstücke achtlos neben das Bett fallen.

Für einige Sekunden versank Die in dem erregenden Anblick, der sich ihm bot: der Mensch, den er so unendlich liebte, willig und entblößt vor ihm ausgestreckt; die Augen halb geschlossen und lustverhangen; die Lippen leicht geöffnet und geschwollen.

"Bitte ... Die ... nicht aufhören ..."

Kyo hatte sich noch nie zuvor in seinem Leben so sehr nach der Berührung eines Anderen gesehnt; er wollte seinem Geliebten so nahe wie möglich sein, wollte die Hitze spüren, die von ihm ausging, wollte in seinem hypnotisierenden Geruch ertrinken.

Die Worte des Kleineren, die sein Verlangen und seine Ungeduld widerspiegelten, lösten den Rotschopf aus seiner tranceähnlichen Starre und er entledigte sich schnell seiner restlichen Klamotten.

Dann zog er eine Schublade des Nachttischens auf, holte eine kleine, unauffällig aussehende Tube hervor und plazierte sich zwischen Kyos gespreizten Beinen.

Während der Kleinere jede seiner Bewegung erwartungsvoll verfolgte, verteilte Die etwas von dem klaren, kühlen Gel auf seinen Fingern und schob schließlich einen von ihnen langsam in Kyos Öffnung.

Sofort verkrampfte sich der Blonde unter diesem fremden und neuartigen Gefühl und er sog scharf Luft ein.

"Sch ... entspann dich ... dann fühlt es sich besser an ..."

Die strich dem Kleineren beruhigend durch die Haare, führte einen zweiten Finger ein und begann den engen Muskelring mit extremer Vorsicht zu dehnen.

"Die, das fühlt sich immer noch merk-AH!"

Weiter kam Kyo nicht, als eine elektrisierende Welle aus Lust über ihn hinweg schwemmte und sich sein Becken instinktiv nach vorne schob, damit er mehr von diesem unglaublich überwältigenden Gefühl spüren konnte; laut stöhnend warf er seinen Kopf genußvoll in den Nacken und seine Finger gruben sich in das Bettlacken.

Bei dieser heftigen Reaktion des Anderen musste Die grinsen; er hatte den Winkel seiner Finger nur minimal verändert und anscheinend den Punkt getroffen, der Kyo Sterne sehen ließ.

Er stimulierte die Stelle mit kreisenden Bewegungen immer weiter, bis der Kleinere kurz davor war zu kommen und dieser den Eindruck hatte, als würde die Glut, die jede Faser seines Seins erfüllte, ihn von innen heraus verbrennen.
 

Schließlich zog Die seine Finger aus Kyo heraus und strich sich selbst hastig mit einer ausreichenden Menge des Gels ein.

Er beugte sich über den Blonden und als ihm dieser mit einem knappen Nicken seine stumme Einwilligung bedeutete, drang Die tief in ihn ein.

Die Enge und Hitze, die ihn umgaben, trugen die Erregung des Rothaarigen in neue Höhen; er hielt das nicht länger aus und fing an sich langsam in Kyo zu bewegen.

Den Kleineren durchfuhr ein stechender Schmerz, doch als Die mit seinen rhythmischen Stößen wieder und wieder das Zentrum seiner Lust traf, verlor alles an Bedeutung.

Der Rotschopf steigerte sein Tempo, verlagerte sein Gewicht auf seinen rechten Unterarm und mit der linken Hand griff er nach Kyos Erregung, die er synchron zu seinen Bewegungen massierte.

Keuchend umklammerte der Blonde die Schultern seines Geliebten über ihn und er schloß seine Augen; für ihn existierte nichts mehr außer Dies heißer Atem an seinen Ohr, nichts mehr außer dem pochenden Verlangen zwischen seinen Beinen.
 

Immer weiter und weiter steigerten sich die beiden Jungen in ihre Ekstase, verschmolzen miteinander und wurden eins.

Und mit ungeahnter Heftigkeit erreichte ihr gemeinsamer Rausch seinen Höhepunkt.

Die kam tief in Kyo, während vor dessen Augen rote Wolken aus Lust explodierten und er davon gerissen wurde von einer Flut aus unbeschreiblichen Glücksgefühlen, als er sich in die Hand des Rothaarigen ergoß.
 

Einen Moment lang verharrten sie regungslos in dieser Verbindung, noch nicht bereit loszulassen; nur ihr lautes, unregelmäßiges Keuchen durchbrach die Stille des Zimmers.

Nach einer scheinbaren Ewigkeit war es Die, der sich als Erster wieder fing und rollte sich mit einem erschöpften Seufzer neben Kyo, wo er vergeblich versuchte seine Atmung und seinen rasenden Herzschlag unter Kontrolle zu bekommen, wohingegen der Kleinere mit einem seligen Lächeln auf den Lippen einfach weiterhin bewegungslos liegen blieb.

"Kami-sama ... das war ..."

Kyo fehlten die Worte.

Wie sollte er etwas beschreiben, von dem er früher noch nicht mal in seinen kühnsten Träumen angenommen hatte, das er es zu empfinden in der Lage war?

"Ich weiß ..."

Die hauchte Kyo einen Kuss auf die Stirn, setzte sich auf und wollte den Anderen mit sich in die Höhe ziehen, aber dieser sank mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder auf das Laken.

"Itai!"

Erst jetzt bemerkte der Rotschopf den Handteller großen Blutfleck, der sich zwischen den Beinen des Blonden gebildet hatte.

Besorgt nahm er Kyo in den Arm und strich ihm entschuldigend über die Wange.

"Gomen nasai ..."

"Das ist nicht so schlimm. Daijoubu desu."

Der Kleinere schenkte Die ein liebevolles Lächeln und kuschelte sich enger an dessen warmen Körper.

"So langsam wird mir kalt. Was hältst du von ner heißen Dusche?"

"Hai, gute Idee."

Daraufhin hob der Rotschopf seinen Geliebten hoch und trug ihn in Richtung Badezimmer.
 

***
 

~ am nächsten Tag ~
 

Morgens halb zehn in Japan.

20 Schüler des Mathekurses von Yuikawa-sensei ärgerten sich ein letztes Mal vor ihrer Klausur mit diversen Vektoren, Geraden und Ebenen herum.

So auch Kyo, der gerade damit beschäftigt war den Lösungsweg einer Aufgabe von der Tafel abzuschreiben, während sein Lehrer schon zur nächsten übergegangen war.

"Wer könnte denn das nächste Beispiel an der Tafel mal vorrechnen? Ah, Sie vielleicht, Nimura, die zusätzliche Übung würde Ihnen gut tun ..."

Der Blonde, der nun dabei war das, was er da gerade abgeschrieben hatte, nachzuvollziehen und zu verstehen, blickte erst bei Erwähnung seines Namens auf und sah Yuikawa mit großen Augen an.

"Na, nun kommen Sie schon ..."

Ungeduldig streckte ihm der Lehrer ein Stück Kreide entgegen und widerwillig erhob sich Kyo von seinem Platz.

Innerlich inständig und völlig umsonst auf ein Wunder hoffend, das verhindern würde, dass er den tragischen Tod eines gescheiterten Matheschülers starb, ging er nach vorne zur Tafel und versuchte dabei das leichte Humpeln, die Nachwirkung seines gestrigen 'Zeitvertreibs', so gut es ging zu kaschieren.

Jedoch reichte es nicht, um zu verhindern, dass Takai, der von der letzten Reihe aus jede Bewegung des Kleineren aufmerksam verfolgte, die richtigen Schlüsse aus dessen Verhalten zog.

- Kuso! Meine Taktik, die beiden auseinander zu bringen, ist wohl nach hinten losgegangen ... im wahrsten Sinne des Wortes ... -

Und während sich Kyo an der Tafel abmühte sich eine passende geschlossene Vektorkette zurecht zu basteln, tüftelte Takai an einer neuen, hoffentlich effektiveren Strategie, um einen Keil zwischen die beiden frisch Verliebten zu treiben.
 

To be continued ....
 

Und dann hätten wir da noch ein paar Anmerkungen zum Schluss:
 

1. Für alle, die noch nicht in der 13. Klasse sind und dafür dankbar sein sollten:

Ein Skalarprodukt ist eigentlich nichts anderes als die Multiplikation von zwei Vektoren (das sind die Dinger, mit den Pfeilen dran, die man in ein Koordinatensystem zeichnet ...)
 

2. Für alle, die sich mit analytischer Geometrie herumschlagen müssen und wissen, was ein Skalarprodukt ist:

Jaja, schon gut, ich weiß, dass es nicht so wahnsinnig schwer ist so was auszurechnen, aber sonst würde ja der ganze Witz an der Sache verloren gehen ...

Asobarete, ayatsurarete, kowasarete

Soooodala! Jetzt hab ich's endlich geschafft dieses Kapitel fertig zu bringen...mann, hat des lange gedauert! *sich Schweiß von Stirn wischt*

Gott sei Dank sind Zugafahrten ja so unglaublich inspirierend...steckt mich nochmal sechs Stunden in einen Zug und ich schreib die Story zu Ende....
 

Naja, jedenfalls kann man dieses Kapitel sozusagen als den Anfang vom Ende bezeichnen...obwohl...des war ja eigentlich der Prolog...egal....wir nähern uns auf alle Fälle mit großen Schritten dem Downshow...äh...Showdown!

Also, immer schön brav weiterlesen und Kommentare schreiben! *noch schnell Kekse an alle treuen Leser und Kommentar-Schreiber verteil*
 

Oh, und dann würde mich mal interessieren, was ihr denn denkt, wer da am Ende bzw. am Anfand auf der Brücke steht. Ich frag nur so, aus reiner Neugier..natürlich werd ich nix vorzeitig verraten, sollte jemand von euch richtig liegen! *evil grin*

Aber ich denke, des is jetzt sowieso nich mehr allzu schwer...
 

Happy reading!
 

Kapitel 5: Asobarete, ayatsurarete, kowasarete
 

~ zwei Monate später ~
 

- Meine Güte! Wie lange braucht er denn noch? So viel kann man zu diesem bescheuerten Thema doch unmöglich schreiben ... -

Ungeduldig tappte Hatsuru mit seinem Fuß auf den Boden, während er vor einem Klassenzimmer darauf wartete, dass Toshiya mit der Klausur fertig werden würde und stierte die Tür dabei so durchdringend an als könnte er den Blauhaarigen allein dadurch dazu bewegen, endlich aufzuhören zu schreiben.

Hatsuru selbst hatte bereits vor einer Viertelstunde abgegeben; seine Klausur war nicht unbedingt eine literarische Hochleistung, aber das kümmerte ihn herzlich wenig. Eine "kleine" Spende seiner Familie würde schon dafür sorgen, dass er den Abschluß ohne Probleme bestand.
 

Aus den Augenwinkeln nahm der Schwarzhaarige wahr, wie die Klassenzimmertür lautlos geöffnet wurde und er blickte hoffnungsvoll auf.

Doch statt des blauhaarigen, aufreizend gekleideten Schülers, trat ein erschöpft, aber auch erleichtert aussehender Kyo in den verlassenen, stillen Schulgang.

Beim Anblick des kleinen Blonden, dessen Hals ein verdächtiger, dunkelblauer Fleck zierte, verschlechterte sich augenblicklich Hatsurus ohnehin schon düstere Stimmung.

Er verzog angeekelt das Gesicht, als er daran dachte, was dieser Freak mit *seinem* Die gestern nacht getrieben haben muss.

- Widerlich ... -

Seit zwei Monaten waren die Beiden ein Paar und seit ebenso langer Zeit versuchte Hatsuru nun schon sie wieder auseinander zu bringen, aber egal, was er auch sagte oder tat, es änderte nicht das geringste an ihrer Beziehung.

Vor allem Kyo schien auf seltsame Weise immun gegen die Versuche des Schwarzhaarigen Misstrauen in ihm zu wecken. Die Liebe des Kleineren zu Die war anscheinend so tief in seinem Herzen verankert, dass sie durch nichts erschüttert werden konnte.

Hatsuru lachte kurz verächtlich auf.

- Und dabei hätte ich schwören können, dass der Freak der Schwächere ist ... -

Aber mit seiner bisherigen Strategie Kyo dazu zu bringen an seinen Gefühlen zu zweifeln, wäre er keinen Schritt vorwärts gekommen; also hatte er seine Aufmerksamkeit auf den Rotschopf gerichtet.

Hatsuru hatte in den letzten Wochen jeden Schritt, den Die gemacht, jedes Wort, das dieser gesagt hatte, registriert und analysiert.

Mittlerweile konnte er den Rothaarigen lesen wie ein offenes Buch; nicht die kleinste Gefühlsregung blieb vor seinem forschenden Blick verborgen; ihm entging nichts mehr.

Ihm entging nicht wie der Rotschopf betreten wegblickte, wann immer Hatsuru im Unterricht Augenkontakt mit ihm suchte; wie Die gleichsam verzweifelt und vergeblich bemühte sich gegen die Annäherungsversuche des Schwarzhaarigen zur Wehr zu setzten.

Hatsuru roch die Unsicherheit und Angst, die den Rotschopf wie wabernder Nebel umgaben, so deutlich, wie ein Hai einen Tropfen Blut in den unendlichen Weiten des Ozeans roch.

Und er genoß jede Sekunde seines heimtückischen Spiels.

Es erfüllte ihn mit einer Mischung aus Belustigung und Begierde, zuzusehen, wie Die sich in dem Netz aus Argwohn, das Hatsuru um ihn gesponnen hatte, wand und darum kämpfte sich aus den Stricken zu befreien, aber nur bewirkte, dass sich diese noch enger zusammenzogen.

Der Rotschopf war sein eigener Schwachpunkt; Hatsuru würde diese Verwundbarkeit schamlos ausnützen.
 

Doch auch der Schwarzhaarige hatte eine Schwäche, der er, wie schon so oft zuvor, jetzt wieder unterlag: Ungeduld.

Der Plan, Die so lange zu drangsalieren, bis dieser ausweglos in eine Ecke gedrängt war, war vielleicht so gut wie idiotensicher, aber viel zu langwierig.

Hatsuru gierte schon so lange nach dem Körper des Rothaarigen, dass er sich kaum noch zurückhalten konnte.

Es wäre möglicherweise einfacher gewesen sich gewaltsam zu nehmen, was er begehrte, doch er wollte, dass sich Die ihm aus freien Stücken unterwarf; er wollte die Demütigung in seinen Augen sehen, wenn er die entwürdigenden Worte der Niederlage sprach.
 

Und genau deshalb stand er sich hier, jetzt schon seit zwanzig Minuten, die Beine in den Bauch.

Toshiya war wie geschaffen für die Rolle des Intriganten; ein, zwei scheinbar zufällige Bemerkungen über das Dilemma, in dem sich Die befand, würden ausreichen, um ihn endgültig den Abgrund hinunter und damit unweigerlich in Hatsurus Arme zu stürzten.
 

In diesem Moment öffnete sich die Tür des Klassenzimmers ein weiteres Mal.

Erwartungsvoll sah Hatsuru auf und wurde mit Toshiyas Anblick belohnt.

Dieser sah selbst in der einfachen Schuluniform so verlockend aus, dass sich ein anzügliches Grinsen auf dem Gesicht des Schwarzhaarigen breit machte und er seinen Blick kurz über den schlanken Körper seines ehemaligen Spielzeugs wandern ließ.

Der Blauhaarige bemerkte noch nicht einmal die bloße Anwesenheit des Anderen, sondern wandte sich mit glasigen Augen nach links in Richtung der Toiletten.

Entschlossen drückte sich Hatsuru von der Wand, an die er sich gelehnt hatte, ab und folgte Toshiya mit schnellen Schritten.
 

***
 

Mit einem erschöpften Seufzer schob sich Toshiya durch die Tür zum Toilettenraum, ging hinüber zu den Waschbecken und drehte einen der Hähne auf.

- Gott, ich hasse Klausuren ... -

Mit beiden Händen, die er zu einer Schale formte, fing er das Wasser auf und beugte sich nach unten, um sein Gesicht mit dem kalten Naß zu benetzen.

Er fühlte sich völlig ausgelaugt; die Nacht zuvor hatte er wieder einmal den Kampf gegen seine Sucht verloren und die Droge in seinem Blut hatte ihn bis in die frühen Morgenstunden wach gehalten.

In solchen Momenten wie jetzt, wenn er sich vor Übermüdung kaum noch auf den Beinen halten konnte, wurde ihm schmerzhaft bewusst, dass es höchste Zeit war, seine Abhängigkeit endgültig zu überwinden, aber nach unzähligen gescheiterten Versuchen des Entzugs schien es ihm schier unmöglich von diesem Teufelszeug wegzukommen.
 

Seufzend schloß Toshiya die Augen, genoß einen Augenblick lang das erfrischende Gefühl, wie das Wasser an seiner Haut hinunter rann und richtete sich dann auf.

Ein erschrockener Aufschrei entkam seinen Lippen, als er völlig unerwartet ein zweites Gesicht im Spiegel erblickte.

Ruckartig fuhr der Blauhaarige herum und starrte den Anderen entsetzt an.

"Takai! Willst du, dass ich an einem Herzinfarkt sterbe?!?"

"Besser als an einer Überdosis ..."

Ein breites Grinsen begleitete seinen ironischen Tonfall, während sich Hatsuru gelassen eine Zigarette anzündete.

"Und wer ist wohl schuld, dass ich überhaupt abhängig geworden bin?"

Toshiyas Tonfall war angespannt und er hielt sich mühevoll im Zaum, um Takai nicht aus Wut über sein arrogantes Verhalten anzuschreien.

Der Blauhaarige hasste es, wenn sich jemand an ihn heranschlich und ganz besonders, wenn es sich bei diesem Jemand um Hatsuru handelte.
 

Mit einer abgehackten Bewegung riß Toshiya ein Papierhandtuch aus dem Spender und trocknete sich damit das Gesicht ab.

Dabei spürte er, wie Hatsuru jede seiner Bewegungen mit stechenden Augen verfolgte und Unbehagen vermischt mit Wut und Misstrauen stieg in ihm auf.

- Was glotzt dieses Arschloch denn so? Hat er mein Leben nicht schon genug ruiniert? -

Früher hätte es Toshiya noch nicht einmal im Traum gewagt so über den Anderen zu denken, aber mittlerweile hatte sich seine Meinung um 180 Grad gedreht.

Seit Hatsuru neu an diese Schule gekommen war, hatte Toshiya seine Nähe und Freundschaft gesucht; er hatte sich bis über beide Ohren in den charismatischen Schwarzhaarigen verliebt, hatte ihm vertraut ohne ein zweites Mal darüber nachzudenken und war blind gewesen für die Gefahr, in der er sich befunden hatte.

Aber im Laufe der Zeit hatte Hatsuru sein wahres Gesicht gezeigt und hatte die Luftschlösser, die sich Toshiya über ihre gemeinsame Zukunft gebaut hatte, eines nach dem anderen mitleidslos zerstört, bis er den Blauhaarigen schließlich so achtlos wie ein benutztes Taschentuch fallen gelassen hatte.

Seitdem wollte er mit Hatsuru nichts mehr zu tun haben und traute ihm nicht weiter als er ihn werfen konnte.
 

"Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass es unhöflich ist, andere Leute so anzustarren?"

Toshiya gab sich innerlich eine Ohrfeige; er war noch nie gut darin gewesen seine aufgebrachten Gefühle hinter kalter Ausdruckslosigkeit zu verbergen, so wie es gerade Hatsuru tat, der nur schweigend einen weiteren, tiefen Zug seine Zigarette nahm.

"Baka ..."

Der Blauhaarige machte sich daran die Toilette zu verlassen, doch gerade als er seinen Arm nach der Türklinge ausstreckte, legte sich eine kalte Hand über die seinige und drückte leicht zu.

Toshiya erstarrte mitten in der Bewegung, hob seinen Kopf und blickte direkt in ein Paar unergründlich dunkle Augen; zwei weiche, volle Lippen waren nur Millimeter von seinem Mund entfernt.

"Totchi ... du sollst dich doch nicht immer gleich so aufregen ..."

Der Angesprochene schluckte schwer als Hatsurus heißer Atem, der über sein Gesicht strich, einen Schauer über seinen Körper sandte.

- Kuso, wieso fühle ich mich in seiner Gegenwart immer so schwach? Wie kann es sein, dass er nach all der Zeit noch so eine Wirkung auf mich hat? -

Toshiya zwang sich einen zögernden Schritt nach hinten zu machen und versuchte so gelassen wie möglich zu bleiben.

"Was ... willst du ... ?"

Ein boshaftes Funkeln blitzte in Hatsurus Augen auf; es war ja so einfach Toshiya aus der Fassung zu bringen.

"Wie läuft es eigentlich mit dir und Die?"

Ein perplexes Blinzeln war im ersten Moment die einzige Reaktion des Blauhaarigen, dann stieg wieder die selbe Wut in ihm auf, von der er sich wünschte er würde sie endlich unter Kontrolle bekommen.

"Nande? Was ist denn das für eine bescheuerte Frage? Da ist nichts zwischen uns! Schön wär's ..."

"Siehst du, genau deswegen wollte ich dir einen Deal vorschlagen ..."

Ohne es zu wissen, hatte Hatsuru mit diesem einfachen Satz soeben jede Aussicht auf Toshiyas Hilfe verwirkt.

"Vergiß es! Ich will mit dir nichts mehr zu tun haben!"

- Was fällt diesem Bakayaro eigentlich ein? Denkt er allen Ernstes, dass ich ihm nach allem, was passiert ist, noch irgendeinen Gefallen tue? -

Wutentbrannt drehte sich der Blauhaarige zur Tür, doch er kam nicht besonders weit; blitzschnell packte Hatsuru ihn an den Oberarmen und hielt ihn mit einem Griff, der keine Widerrede duldete, fest.

"Komm schon, Totchi ... das wird wie in den alten Zeiten ... wir waren doch so ein tolles Team ..."

"Iie ... nie wieder ... lass mich los!"

Toshiya bemühte sich angestrengt von dem Schwarzhaarigen wegzukommen, lehnte sein gesamtes Körpergewicht gegen ihn und schaffte es schließlich Hatsuru sein Knie in die Magengegend zu rammen, woraufhin dieser mit einem überraschten Keuchen rückwärts gegen die Waschbecken stolperte.

Der Blauhaarige rieb seine schmerzenden Oberarme, starrte Takai noch einen Moment haßerfüllt an und stürmte dann ohne einen weiteren Blick zurück aus der Toilette.
 

Schwer atmend zog sich Hatsuru an einem Waschbecken nach oben; sein Blick wanderte unstet durch den gefliesten Toilettenraum bis er an seiner Reflexion in einem der Spiegel hängen blieb.

Wie konnte es Toshiya wagen sich ihm zu widersetzten?

Wieso musste er ihm einen Strich durch die Rechnung machen?

Hatsurus Hände ballten sich zu Fäusten und bevor er sich bewußt wurde, was er tat, hatte er so heftig gegen den Spiegel geschlagen, dass diesen nun ein breiter Riss und seine Hand eine blutige Schramme zierte.

"Shimatta!!!"
 

***
 

~ einige Tage später ~
 

Die warme Frühlingssonne überflutete den kleinen Schulhof, der sich jetzt, keine zehn Sekunden nachdem der Schulgong den Beginn der Pause verkündet hatte, mit durcheinander wuselnden Schülern füllte; bald schwollen vergnügtes Gelächter und unverständliche Gesprächsfetzen zu einer angenehmen Geräuschkulisse.

Die und Kyo hatten sich auf eine Bank in einer abgelegenen Ecke zurückgezogen, wo Kyo mit hungrigen Augen gerade damit beschäftigt war sein Sandwich aus der Alufolie zu befreien.

Als der Blonde es endlich geschafft hatte, biss er gierig in sein Pausenbrot und fing an genüßlich zu kauen. Beim Anblick seines Gesichtsausdrucks hätte man meinen können, er wäre kurz davor gewesen einen qualvollen Hungertod zu sterben.
 

"Nicht bewegen!"

Erschrocken hörte Kyo augenblicklich zu kauen auf und blickte den Rotschopf, der bis eben noch schweigend neben ihm gesessen hatte, verdutzt an.

"Fasch hascht du denn?"

Doch statt ihm eine Antwort zu geben, beugte sich Die langsam nach vorne und griff mit einer Hand unter das Kinn des Kleineren.

"Du hast da ..."

Der Rothaarige drückte seine Lippen auf Kyos Mundwinkel, strich kurz mit seiner Zunge darüber und löste sich dann wieder von seinem Gegenüber.

"... Mayonnaise."

"Arigatou ..."

Kyo schenkte seinem Geliebten ein liebevolles Lächeln; selbst eine so kleine Geste wie gerade eben verbreitete eine wohlige Wärme in seinem Körper. In Dies Gegenwart fühlte sich der Blonde so geborgen, so geliebt; er wußte jetzt, dass es diese Liebe gewesen war, nach der er sich sein kurzes Leben lang gesehnt hatte; nie wieder würde er dieses Gefühl vermissen wollen.
 

Kyo riß seinen Blick von Die, den er für einen Moment gedankversunken angestarrt hatte, während sich der Rotschopf eine Zigarette angezündet hatte, und lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf sein vernachlässigtes Sandwich.

Einige Minuten lang herrschte angenehme Stille zwischen den beiden Jungen bis Die seinen Glimmstängel auf dem Boden mit seiner Fußspitze austrat, sich von der Bank erhob und mit zusammengekniffenen Augen nach oben in Richtung des Flachdaches der Schule blickte.

Was immer er dort sah, ließ den gutgelaunten Ausdruck aus seinem Gesicht verschwinden und versteinerte es.

"Ano ... ich glaube, ich geh jetzt lieber, dann habe ich's hinter mir ..."

"Ist das heute das letzte Mal?"

"Hai ... wir sehen uns dann später in Mathe, ja?"

Der Angesprochene nickte zustimmend und nahm einen weiteren Bissen seines Brotes, während Die ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange drückte und schließlich im Schulgebäude verschwand.
 

***
 

"Okay, Takai, da hast du die letzte Rate."

Eine leichte Brise, die den lieblichen Duft der Sakurablüten zu den beiden Jungen hinauf auf das Schuldach trug, ließ die losen Geldscheine in Takais Hand flattern und wehte ihm einige Strähnen seines schwarzen Haares ins Gesicht, die seine Züge im Verborgenen hielten; lediglich seine Stimme war ein Spiegel seiner Arroganz und Blasiertheit.

"Glückwunsch, anata ... ich hätte nicht gedacht, dass du es innerhalb der Frist schaffst ..."

"Du hast diese Zeitbeschränkung festgelegt und ich habe sie eingehalten, also habe ich meine Schuldigkeit getan und die ganze Sache ist vorbei ..."

Erstaunlicherweise gelang es Die völlig ruhig und gelassen zu bleiben; vielleicht, weil er dem Ganzen mit einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber stand und er nicht mehr die Kraft hatte, sich von dem Anderen in Rage versetzten zu lassen.

Der Rotschopf musterte Takai noch einen kurzen Moment lang, aber dessen Gesichtsausdruck ließ sich immer noch nicht richtig deuten; dann wandte sich Die ab und beabsichtigte zu Kyo zurückzugehen, doch zwei Hände, die seine Hüften umfassten, hinderten ihn daran.

"Nicht so schnell, anata ..."

"Takai ... bitte ..."

In Dies Stimme schwang eine Spur Resignation mit und er wehrte sich auch nicht dagegen, dass Hatsuru ihn umdrehte und sein Gesicht mit beiden Händen einschloss.

Ein stechender Blick bohrte sich in sein Innerstes und weckte das altvertraute Gefühl des Unbehagens, das er so sehr versuchte zu unterdrücken.

"Hast du wirklich geglaubt, dass ich dich so einfach gehen lasse? ... Das alles mit den Drogen und mit dem Geld war doch nur ein Vorwand, um dich an mich zu binden. Du gehörst immer noch mir."

"Aber ich habe unsere Abmachung eingehalten. Du hast nichts mehr, womit du mich erpressen könntest."

"Ach, wirklich?"

Ein spöttisches Lächeln breitete sich auf Hatsurus Gesicht aus, während er Die mit festem Griff einige Schritte nach vorne zwang und ihn gegen den Maschendrahtzaun, der das Dach umgab, drückte.

"Siehst du das da unten, mein Die-chan? Jetzt sag mir nochmal, dass ich nichts gegen dich in der Hand hätte ..."

Dies Augen weiteten sich vor Entsetzen als er weiter unten im Schulhof ausmachte, wie Kyo, umringt von Takais Gefolgsleuten, hilflos umher geschubst wurde.

Gerade eben versetzte einer der älteren Jungen dem kleinen Blonden einen heftigen Stoß, so dass dieser der Länge nach hinschlug und benommen liegen blieb.

"Kyo!"

Bei dem Anblick wie sein Geliebter zusammengeschlagen wurde, stachen den Rotschopf tausend kleine Nadeln glühend heiß in sein Herz; seine Hände verkrampften sich um das filigrane Metallgeflecht des Zaunes, an den er von Takai gepresst wurde.

"Das ist genau das, was passieren wird, wenn du weiterhin so stur bist ... und glaub nicht, dass es nicht schlimmer werden könnte."

"Worauf willst du hinaus?"

Dies Gedanken waren schwer von Sorge um Kyo; Hatsurus Stimme drang zu ihm wie aus weiter Ferne und war verzerrt als befände er sich unter Wasser; er hatte Schwierigkeiten die verhängnisvolle Bedeutung dieser Worte in ihrem vollen Ausmaß zu begreifen.

"Verlasse Kyo für mich. Gib ihn auf und ich werde ihn in Ruhe lassen."

"Nande? Nein ... das kannst du mir nicht antun ... ich liebe ihn ..."

"Hmmm ... dann solltest du keine Zeit verschwenden ... du hast einen Tag, um dich zu entscheiden."

Ein leises, hämisches Lachen entwich Takais Lippen. Die war völlig verloren und drohte zu ertrinken in diesem Meer aus Verzweiflung, in das ihn der Schwarzhaarige mit ein paar simplen Worten gestoßen hatte.

Er ließ sein Opfer los, trat einen Schritt zurück und beobachtete, süffisant lächelnd, wie Die langsam auf die Knie sank und ein leichtes Zittern seinen Körper erschütterte.

- Ja ... so ist es gut ... sieh es endlich ein und ergib dich mir ... -
 

Unbewußt nahm Die wahr, wie die Tür zum Treppenhaus hinter ihm in Schloß fiel; er war alleine, aber in seinem Kopf hallten Takais Worte dröhnend laut wider.

- Verlasse Kyo für mich ... gib ihn auf ... -

Tränen stiegen dem Rotschopf in die Augen, bahnten sich ihren Weg über seine Wangen und sprenkelten den grauen Betonboden, auf dem er kauerte; seine Hände klammerten sich noch immer an den Zaun, als wäre das das einzige, was ihm Trost spenden könnte.

Seine Lippen waren zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammengepresst; kein Laut entkam ihnen.

Und in seinen Gedanken tobte ein Sturm.

In weniger als einer Minute hatte Takai die glückliche, kleine Welt, die sich Die gemeinsam mit Kyo geschaffen hatte, dem Boden gleich gemacht; alles stand nun auf dem Spiel.

Wie konnte er in dieser verfahrenen Situation nur eine richtige Entscheidung treffen?

Würde er es übers Herz bringen, Kyo zu verlassen, alle Gefühle für den Kleinen in seinem Herzen abzutöten und sich Takai bedingungslos zu unterwerfen?

Oder würde er stark genug sein, sich gegen seinen Peiniger aufzulehnen, um Kyo zu beschützen?

- Kami-sama ... was soll ich nur tun? -
 

***
 

Klammer Stein an seinem Rücken; kaltes Metall um seine Handgelenke, aufrecht gehalten in einem unnatürlichen Winkel; eingeschlossen in undurchdringlicher Schwärze.

Sein unregelmäßiger Atem hallt laut in der Weite des Raumes.

Knirschende Schritte, die näher kommen, zu seiner Linken stehen bleiben.

"Wer ist da?"

Seine Stimme heiser und rauh.

Keine Antwort, nur erdrückende Stille.

Sein Herzschlag beschleunigt sich, dröhnt laut in seinen Ohren.

Auf einmal erhellt ein Scheinwerfer einen kegelförmigen Ausschnitt der Finsternis, überflutet eine Gestalt, die mit dem Rücken zu ihm unbeweglich da steht.

Das gleißende Licht blendet seine überempfindlichen Augen, lässt sie tränen.

"Wer bist du?"

Mit unendlicher Langsamkeit dreht sich die Person um, hebt den Kopf und gibt den Blick frei auf ein verzerrtes Gesicht, ein Paar rot funkelnde Augen.

"Der, dem du Hörigkeit schuldest ..."

Der Tonfall gellend, gebieterisch; ein eiskalter Schauer durchfährt ihn.

Die alptraumhafte Gestalt maliziös, scheint seine Angst zu genießen.

Sie greift zur Seite, nach einem rostigen Hebel, zieht ihn nach unten; der Blick dabei ständig starr auf ihn gerichtet.

Mit einem schallenden Laut erwacht ein weiterer Scheinwerfer zum Leben; direkt vor ihm steht ein zylinderförmiger Glaskasten; in ihm ein kleiner, blonder Junge, der ihn aus großen, angsterfüllten Augen ansieht.

"Kyo!"

Ein Schrei der Überraschung, des Grauens.

"Was soll das alles?"

Eine fordernde Frage ohne ausreichende Antwort.

Der Angesprochene legt schweigend einen zweiten Schalter um und sein Gesicht verzieht sich zu einer abscheulichen Fratze.

In Kyos gläsernem Gefängnis öffnet sich eine Schleuse; kaltes Wasser ergießt sich in den beengten Raum.

Erkenntnis trifft ihn wie eine stählerne Faust.

"Nein! Nicht!"

Der Wasserpegel steig mit unnatürlicher Schnelligkeit; Kyo ist bereits bis zum Oberkörper darin versunken.

Panik übernimmt das Denken des Blonden; er dreht sich im Kreis auf der vergeblichen Suche nach einem Ausweg; sein gehetzter Blick irrt umher.

Das mächtige Rauschen des Wassers verdrängt die Stille, füllt sie aus, übertönt die furchtsamen, gedämpften Schreie des Gefangenen.

"Stell das verdammte Wasser ab!"

Er bäumt sich auf, zerrt an seinen Ketten, versucht seinem Geliebten zur Hilfe zu kommen, schürft sich dabei die Haut auf.

Umsonst; keine Reaktion von der unheimlichen Person, nicht die kleinste Regung.

Nur dieser leere, stechende Blick, der ihn verspottet.
 

Das Wasser erreicht Kyos Gesicht, umschließt nun vollständig seinen Körper; ein letzter Atemzug und die Zeit beginnt zu rasen.

"Bitte ... hol ihn da raus!"

Sein Tonfall flehend, um Mitleid bittend.

Doch er wird nur von kalten, harten Augen erwidert.

- Entscheide dich! -

Die Worte ertönen in seinem Kopf, verblenden sich mit seiner eigenen Stimme, verursachen einen brennenden Schmerz, lassen ihn verstört aufkeuchen.

- Sein Leben oder seine Liebe! -

"Yamete kudasai!"

Seine Stimme überschlägt sich, bricht unter dem Gewicht seiner Furcht.

Aber es gibt kein Erbarmen.

- Ergib dich mir! Nur so kannst du ihn retten! Sonst ist es zu spät! -

Doch es war bereits zu spät.

Kyos ehemals hektischen Bewegungen waren erlahmt, unkoordiniert, fahrig.

Seine Lippen blau angelaufen; seine Augen aufgerissen und glasig.

"NEIN!!!"
 

Mit einem unterdrückten Aufschrei zuckte Die so heftig wie unter einem Stromschlag zusammen und fuhr in seinem Bett hoch.

Keuchend blieb er regungslos und benommen sitzen; seine Hände hatten sich in die Bettdecke gekrallt und einige Strähnen seines dunkelroten Haares klebten schweißnaß an seiner Stirn.

Allmählich entspannte sich sein verkrampfter Körper, als er im dämmrigen Grau der Nacht realisierte, dass er diesem Alptraum entflohen war und sich wohlbehalten in seinem Zimmer befand.

Ein leiser, schnarchender Laut ließ ihn zur Seite sehen und der Rotschopf erblickte einen friedlich schlafenden Kyo, fest eingewickelt in seine Decke.

Ein verliebtes Lächeln stahl sich auf Dies Lippen, jedoch verschwand es sogleich wieder, als sein Blick auf die gerötete Platzwunde an der Stirn des Kleineren fiel.

Diese Schramme, einige blaue Flecken und Prellungen waren das Ergebnis der heutigen Schlägerei auf dem Schulhof.

Die wünschte sich nichts sehnlicher als die Zeit zurückzudrehen und das alles ungeschehen zu machen.

Im Grunde war ja alles seine Schuld.

Wäre er nicht so fixiert darauf gewesen seinen Stolz zu bewahren, wäre Kyo niemals so verprügelt worden.

So sehr ihn dieser Gedanke auch abschreckte, musste Die sich doch eingestehen, dass Takai Recht hatte.

Der Schwarzhaarige hielt alle Fäden seiner Marionetten in der Hand und sie würden tun, was auch immer er ihnen befahl.

Seufzend fuhr sich der Rotschopf durch die Haare und schloß die Augen.

Egal, wie er es auch drehte und wandte, es lief immer auf dasselbe hinaus:

Kyo würde auf irgendeine Weise verletzt werden.

Aber es gab nur einen Ausweg, der garanierte, dass sein Geliebter auch später noch in Sicherheit sein würde:

Takai endlich das zu geben, wonach er sich schon die ganze Zeit verzehrte.

Die öffnete seine Augen wieder und betrachtete Kyos schlafende Form neben sich; der Blonde hatte sich zu einem kleinen Ball zusammengerollt und drückte sein Kissen fest an sich.

Zärtlich strich ihm der Rothaarige über die Wange.

Ja, er hatte seine Entscheidung getroffen; selbst, wenn ihn Kyo dafür sein Leben lang hassen würde.
 

***
 

~ einen Tag später ~
 

- Bitte, vergib mir für das, was ich gleich tun werde. -
 

"Die? Worüber wolltest du denn nun so dringend mit mir reden?"

Kyo sah den Rothaarigen mit großen, erwartungsvollen Augen an, doch dieser starrte nur abwesend aus dem Fenster hinunter in den Schulhof.

"Die ..."

Vorsichtig trat der Blonde einen Schritt auf den Anderen zu und berührte ihn leicht an der Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, aber der Größere schüttelte Kyos Hand ab, fast schon so, wie man eine lästige Fliege verscheuchen würde und wich ein Stück zurück.

Erst jetzt sah Die den Kleineren direkt an, jedoch, ohne diesen wirklich zu sehen; sein Blick war von Traurigkeit verschleiert; sein Gesicht eine ausdruckslose Maske.

"Kyo, es kann so nicht mehr weitergehen. Es ist aus zwischen uns."

Zwei kurze Sätze, gesprochen mit fester Stimme, und vor Kyo tat sich ein endloser, schwarzer Abgrund auf, von dessen Existenz er bis jetzt nicht das geringste geahnt hatte.

"Nande? Was redest du da für einen Unsinn?"

Die wandte seinen Blick wieder von Kyo ab und starrte auf den Boden: er wagte es nicht den Blonden anzusehen; er wollte die verletzten, verständnislosen Emotionen, die dessen Stimme reflektierte, nicht auch noch in dessen Gesicht lesen.

"Das ist kein Unsinn. Es ist die Wahrheit. Ich empfinde nichts für dich."

Es kostete ihn unwahrscheinliche Mühe seine Lippen dazu zu zwingen diese Worte zu formen, aber es gab kein Zurück mehr; er musste das jetzt durchziehen; es war das Beste für Kyo.

Dieser konnte nur hilflos mitansehen, wie die Welt um ihn herum mehr und mehr Risse bekam bis sie schließlich in kleine Stückchen zerfiel.

Hatte er sich wirklich so sehr in Die getäuscht?

"Nein! Ich weigere mich dir zu glauben. Ich weiß, dass du mich liebst. Ich weiß, dass-"

Kyo wurde jäh unterbrochen als der Rotschopf ihn grob an seinen schmalen Schultern packte und schüttelte, um seine eigenen aufgewühlten Gefühle zu überspielen.

"Du irrst dich! Da ist nichts mehr. Ich habe mir und dir nur etwas vorgemacht. Ich liebe dich nicht mehr."
 

In diesem Augenblick stand die Zeit still; die beiden Jungen verharrten bewegungslos in diesem Moment.

- Wieso tust du mir das an? Wieso musst du mir so weh tun? -

- Warum akzeptierst du es nicht? Hör auf, mich mit diesen flehenden Augen anzusehen! -

Die Hände des Rothaarigen verkrampften sich um Kyos Schultern; für den Blonden schien es als schlossen sich Dies Finger nicht um seine Schultern, sondern um sein Herz, das er mit diesem eiskalten Blick zerdrückte.

Unendlicher Schmerz sammelte sich in seinem Innersten, drang bis in die letzte Faser seines Seins.

Wie konnte Die ihn nur all die Zeit so schamlos belügen?

In Kyo herrschte Chaos; nichts ergab mehr einen Sinn; einzelne Puzzelteile seiner Gedanken wirbelten durcheinander und passten nicht mehr zusammen.

Wut, Angst, Unsicherheit, Hilflosigkeit; all diese Gefühle flackerten innerhalb von Sekunden mit unterschiedlicher Intensität in seinem Denken auf.

Und Die, der Mensch, der ihm sonst immer den einzigen Halt geboten hatte, starrte ihn nur stumm mit diesen harten, leeren Augen an.

Das war mehr als Kyo ertragen konnte.

Das Gewicht der Stille im Klassenzimmer drohte ihn zu ersticken; Panik gewann die Oberhand.

Erfüllt von dem Gedanken dieser Situation, die seinem schlimmsten Alptraum glich, entfliehen zu müssen, befreite sich Kyo aus dem Griff des Rothaarigen und rannte mit Tränen verschleiertem Blick aus dem Klassenzimmer.

Er bemerkte nicht, wie Die ihm noch einige Schritte nachlief, hörte nicht mehr, wie der Größere noch ein letztes Mal seinen Namen schrie.
 

***
 

Sie waren zurück.

Diese Stimmen, die ihn in einsamen Nächten verfolgt hatten; seine Dämonen, die mit dünnen, kalten Fingern nach ihm gegriffen hatten; diese Alptraumgestalten, vor denen nur Die ihn hatte beschützen können.

- Die ... -

Aber Die war nicht mehr hier, er hatte ihn verlassen ...
 

Schwer atmend stand Kyo vor dem einzigen Ort neben Dies Wohnung, der ihm vertraut war in dieser immer noch fremden Stadt und schob mit zitternden Fingern den Hausschlüssel in das Schloß während er versuchte das immer lauter werdende Getöse in seinem Kopf zum Schweigen zu bringen.

Von der Schule aus war er einfach nur gerannt, ohne Sinn und Verstand; er hatte nur weg gewollt, weg von diesem Ort, weg von Ihm und Seinen kalten Augen.

Kyo nahm seine Umwelt nicht mehr wahr; alles blieb jenseits des Schleiers aus Wut und Angst, der sich auf sein Denken gelegt hat.

Er stürmte durch die nun geöffnete Tür in das Haus, ignorierte seinen Vormund, der ihn irritiert fragte, was er denn hier wolle, und lief in das nächstbeste Zimmer, das in seiner Reichweite lag.
 

Es war das Badezimmer.

Mit einem lauten Knall warf Kyo die Tür hinter sich zu, schloß ab und hoffte somit seine Dämonen aussperren zu können, aber vergeblich.

Immer noch schrien ihn die Stimmen an, warfen ihm vor, er selbst sei Schuld daran, dass Die ihn verlassen hatte; er sei es ohnehin nicht wert geliebt zu werden.

"Nein! Nein! Das ist alles nicht wahr. Hört auf!"

Heiße Tränen liefen ihm über die Wangen, brannten auf seiner Haut; hektisch irrte sein unsteter Blick im Raum umher auf der Suche nach einem nicht vorhandenen Ausweg.

Ihn umgab nur das weiße, steril anmutende Badezimmer; es gab nichts, dass ihm Hilfe oder Trost hätte bieten können.

Schließlich blieb sein Blick an seinem Spiegelbild hängen, das nicht das Seinige zu sein schien.

Ihm starrte eine verzerrte Maske entgegen, mit aufgequollenen, blutunterlaufenen Augen und schmalen Lippen, die sich zum Klang seiner heiseren, zitternden Stimme, die sich mit dem harten, ausdruckslosen Tonfall seines rothaarigen Geliebten vermischte, bewegten.

"Sieh dich doch an, du jämmerlicher Wurm! Wer könnte dich schon lieben wollen?"

Kyos Hände verkrampften sich um den Rand des Waschbeckens, vor dem er stand, so fest, dass seine Knöchel weiß hervortraten; um ihn herum fing der Raum an leicht zu schwanken.

Er wollte wegsehen, wollte sich in eine Ecke verkriechen und alles vergessen, aber er war außer Stande seinen Blick abzuwenden.

Wie gelähmt starrte er weiter in den Spiegel.

"Wie konntest du nur so dumm sein und glauben, auch nur irgend jemand könnte so etwas wie dich lieben?"

Kyos kleiner Körper erbebte unter der Flut an Spott und Hohn, die ihm sein in Glas gefangenes Ebenbild entgegenbrachte. Sein Herz schlug laut und hart gegen seine Rippen; kalter Angstschweiß stand auf seiner Stirn.

"Hört auf! Verschwindet endlich!"

Zorn und Hass auf sich selbst schlugen über ihm zusammen; unbewußt löste Kyo seine rechte Hand von dem Waschbeckenrand und ballte sie zu einer Faust; er holte aus und schlug mit aller Kraft gegen den Spiegel, der in unzählige kleine, funkelnde Stücke zerbrach, die auf ihn nieder regneten, gleich einem Bildnis seines gebrochenen Herzens.
 

Sein stoßhafter Atem war laut in der plötzlichen Stille des Raumes. Seine gesamten aufgewühlten Gefühle, sein ganzer Schmerz, seine ganze Verzweiflung hatten sich in diesem einen Schlag entladen.

Zögernd nahm der Blonde seine Hand wieder herunter; einige rote Striemen zierten nun diese.

Und während Kyo seine Verletzung genauer betrachtete, kehrten seine Dämonen zurück.

Ihre markerschütternden Stimmen dröhnten abermals laut in seinem Kopf.

Alles vermischte sich zu einem Strudel aus Lügen und Halbwahrheiten, der drohte Kyo mit sich in eine schwarze Schlucht zu stürzten.

Mit einem heiseren Aufschrei sank er auf die Knie; scharfe Glasfragmente schnitten ihm dabei durch den dünnen Stoff seiner Hose in die empfindliche Haut.

Krampfhaft hielt er sich die Ohren zu; mehr und mehr Tränen tropften von seinen Wangen zu Boden und landeten auf den Bruchstücken des Spiegels, die die Welt mannigfach reflektierten.

"Yamete!"

Seine Stimme überschlug sich, versuchte die Dämonen zu übertönen, doch diese brüllten ihn weiter unerbittlich an.

"Du Schwächling! Warum wehrst du dich denn so? Es ist doch viel leichter einfach aufzugeben ... jetzt, wo Er dich verlassen hat ..."

Diese Worte berührten etwas tief in Kyo, legten einen unsichtbaren Schalter in seinem Innersten um und eine verhängnisvolle Erkenntnis übernahm sein Denken, die ihm einen verlockenden Ausweg aus diesem Alptraum bot.

Wie von selbst schloß sich eine Hand des Blonden um eine der größeren Scherben, dessen geschliffene Kanten sich tief in seine Haut gruben, aber dieser Schmerz war nicht von Bedeutung verglichen mit den Qualen, die er in seiner Seele litt.

Er würde dem Ganzen ein Ende bereiten.

Hier und jetzt.

Er hob das scharfkantige Bruchstück und holte aus.

Nicht der geringste Zweifel trübte sein Handeln.

Wozu weiterleben, wenn Die ihn nicht mehr liebte?

Ohne zu zögern stieß er sich mit einer fließenden Bewegung den Splitter in den Bauch.

Augenblicklich breitete sich warmes Blut auf seiner Haut aus, wurde von seinem T-Shirt aufgesogen und tropfte auf die weißen Fliesen des Badezimmers, vermengte sich mit seinen Tränen.

Ein leichtes Lächeln umspielte Kyos Lippen als er die Scherbe wieder herauszog und fasziniert beobachtete wie sich der See aus Rot um ihn herum ausbreitete.

Die Stimmen wurden leiser, verblaßten zu einem kaum wahrnehmbaren Flüstern und die Dämonen wurden durchsichtig, lösten sich auf und verschmolzen mit der Dunkelheit, die nun aus den Ecken des Raumes kroch und die Sicht des Blonden trübte.

Klirrend fiel das erlösende Spiegelstück aus seiner kraftlosen Hand zu Boden.

Ein leichtes Gefühl füllte seinen Kopf; sein Atem wurde flacher, seine Glieder schwerer.

Sein kleiner Körper sackte in sich zusammen und kippte langsam nach vorne.

- Leb wohl, Die. -

Ein letztes, erleichtertes Seufzen und die Welt versank in endloser Schwärze.
 

To be continued ...

Dakarete, okasarete, korosareta

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]



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Von:  Ruki_Nishimura
2007-04-30T15:37:25+00:00 30.04.2007 17:37
O/////////////O~....
....
Wow.
T_________________T
Kyo soll wieder aufwachen und mit Dai glücklich werden!
Q____________Q Sonst sterb ich! *sterb*
Ich will meah! Noch viel meah!
...*süchtig desu*
Von: abgemeldet
2007-02-27T18:16:07+00:00 27.02.2007 19:16
aaahhhhhhh........
los setz dich hin und schreib weiter..... ^^
aba was stellst du den mit dem armen kyo an??? der is doch eh so zeerbrechlich.... *heul*
und mein armer die *nochmehr heul*
aba wirklich toll geschrieben....
nyan, Kya-chan
Von:  -Pharao-Atemu-
2007-01-18T15:35:40+00:00 18.01.2007 16:35
genial mir gefällt der schreibstil bößer Takai
Von:  -Pharao-Atemu-
2007-01-18T14:49:05+00:00 18.01.2007 15:49
einfach genial ich mag deine ff sehr ^^
Von:  -Pharao-Atemu-
2007-01-16T17:35:43+00:00 16.01.2007 18:35
ich finds toll bis jetzt nya in ein paar stunden wenn ich pech hab erst ein paar tagen werd ich wissen wie´s mir komplett gefällt ^^
Von:  Annaleinchen
2006-09-14T15:53:02+00:00 14.09.2006 17:53
omg...das is das fesselndste, dass ich in letzter zeit gelesen hab..O_O
wow...ich freu mich schon auf das nächste kapitel. XD
Greetings, Anna (^o^)/
Von:  Touma
2006-09-02T07:10:47+00:00 02.09.2006 09:10
*schniff*
was hasu mit daidai gemacht? T__T
er war doch auch so schon total fertig mit
der Welt und nun tust du ihm sowas an TT____TT
ich könnte diesen arsch umbringen *killmode*
bitte mach was *heul*
ich ahne böses T__________T
*heul* ich muss mich beherrschen das ich nicht anfange
zu heulen *schniff* Du hast dies so beschrieben, das
man sich gut in ihn hineinversetzen konnte.

schreib mir bitte eine ENS wenn es weitergeht, hai?
Von:  Aoi_SöCkChEn
2006-08-30T21:59:37+00:00 30.08.2006 23:59
hoiii^^~
deine FF is ehct klasse*-*un du hast nen wahnsinnig tollen shcreibstil^^du kannst situationen und wie sich die einzelnen personen fühlen so toll beshcreiben*__*man kann sich richtig reinversetzen^^subba~!
nyo abba dai kann einem ehct leid tunQ.Qich bin shcon gespannt wies weitergehtX3~
also shcreib denne bald weiter ne^-^
cuuu~^^sene-chan~
Von: abgemeldet
2006-08-27T19:16:33+00:00 27.08.2006 21:16
diese ff...
so unglaublich traurig T___T
der arme kyo T________________________T~~
wie kannst du diesem armen,kleinen kerlchen sowas schreckliches antun? ;;;__;;;~
achja die FF ist genial >__<!!!
einfach toll *-*~~

hätte grad echt fast angefangen zu heul wien' baby T___T~~
Von: abgemeldet
2006-08-25T05:06:54+00:00 25.08.2006 07:06
wow das was bis jetzt sehr gut geworden.
musste mir an einigen stellen ogar das heulen unterdrücken, weil ich das lied Aint afraid to die dazu gehört habe, aber es ist echt super.
^^
wäre echt super wenn du mir sagst wenns endlich weiter geht.
ich freu mich drauf.


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