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Das Tor

von

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Das Licht

Lena stand an ihrem Fenster. Gedankenverloren starrte sie in das Dunkel der Nacht. Es dürfte so gegen elf gewesen sein. Kaum ein Mensch war noch auf der Straße. Vor wenigen Minuten hatte es angefangen zu schneien. Es war der erste Schnee in diesem Jahr. Schließlich war ja erst November. Eigentlich mochte sie den Schnee. Die weiße Pracht, die bei klarem Himmel und Vollmond die Felder zum leuchten brachte. Aber dieses Jahr irgendwie nicht. Unbehagen machte sich in ihr breit. Der Wind wehte die Flocken genau an die Fensterscheibe, doch so schnell wie sie dort klebten, waren sie auch schon wieder geschmolzen. Lena ging näher an die Scheibe heran und diese beschlug. Plötzlich lief es ihr eiskalt den Rücken herunter aber so recht konnte sie sicht nicht erklären warum. Sie war zwar nur mit einem Nachthemd bekleidet, weil sie eigentlich vor hatte zu Bett zu gehen, aber in ihrem kleinen Zimmer sorgte der eine kleine Heizkörper noch immer für angenehme Wärme. Sie drehte sich um, weil sie ein wirklich schlechtes Gefühl in der Magengegend hatte, doch da war es bereits zu spät.
 

Ein grelles Licht leuchtete sie an. Lena kniff die Augen zu. Plötzlich spürte sie, dass dieses Licht sie anzog. Sie krallte sich am Heizkörper, der vor dem Fenster stand, fest, doch dieser fremden Macht war sie nicht gewachsen. Schreiend und von panischer Angst erfüllt wurde sie von der Heizung weggerissen. Lena fuchtelte wild mit Armen und Beinen herum doch sie hatte keine Chance. Ein Sog hatte sie erfasst. Mittlerweile konnte sie ihren Blick nicht mehr abwenden, sondern starrte in den Strudel der sie anzog. Das Licht wurde heller. Vielleicht kam ihr das auch nur so vor, weil sie teilweiße darin verschwunden war und dann wurde es schlagartig dunkel.

Was zurück blieb war ein menschenleeres Zimmer und zwei Hausschuhe die gegen die Wand schlugen...

Kapitel 1 - Ankunft

Als Lena endlich zur Besinnung kam, war es wieder hell. Der Strudel leuchtete zum zweiten Mal. Sie wurde unsanft einige Meter durch die Luft geschleudert und rutsche anschließend noch ein Stück auf einem Untergrund der ganz bestimmt nicht ihr Teppich war. Als sie endlich heftig aufgeschlagen war, wurde es wieder dunkel. Einige Sekunden lag sie, von Schmerzen durchzogen, regungslos auf dem Bauch. Lena stellte fest, dass sie sich auf einer Wiese befinden musste. Sie drehte sich auf den Rücken und öffnete die Augen vollends. Es war immer noch Nacht, allerdings kein bisschen kalt. Es hatte aufgehört zu schneien. Lena drehte ihren Kopf unter Schmerzen zur Seite und konnte jetzt einen sanften Hügel herunterschauen. Auch weiter um sie herum konnte sie keinen Schnee, oder einen anderen Beweiß von Weihnachtsstimmung finden. Lena konnte sich unmöglich zuhause befinden. Wo war sie nur hingeraten. Die Luft war angenehm warm für diese Tageszeit. Sie drehte den Kopf wieder nach oben und schaute in die Sterne , doch keines der ihr bekannten Sternbilder konnte sie finden. Vielleicht war sie auf einen Erdteil geraten wo man die ihr bekannten nicht sehen konnte? Sie legte die Hand an den noch immer schmerzenden Kopf und suchte den ganzen Himmel ab, aber sie fand nichts. Lena stützte sich auf, weil sie den Drang verspürte sich zu setzen. Besser noch: weil ihr Rücken ihr sagte, genau das zu tun.

Wenige Meter von ihr entfernt tauchte ein Schatten aus dem Dunkel auf der rasch größer wurde. Lenas Herz schlug schneller. Dieser Jemand rannte jetzt auf sie zu. Lena wollte aufstehen doch der Schatten war schneller heran als sie vom Boden aufstehen konnte. Mit einer sicheren Bewegung hatte er einen Säbel aus der Halterung gezogen und hielt ihn ihr unter die Nase. Lenas Stirn wurde schweißnass. Sie kroch eine kurze Bewegung zurück doch dieses Wesen folgte ihr und hielt ihr seine Waffe jetzt an den Hals. Lena war kreidebleich geworden. Sie schluckte verängstigt. Das einzige was sie erkennen konnte, waren zwei hohe Stiefel und ein Jemand, der sich unter einem langen Mantel mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze verbarg.
 

"Was bist du?", sagte die Stimme aus der Kapuze und Lena war sich nun ganz sicher, das ein Mann sie bedrohte. Ein bisschen verwirrt starrte sie in das Schwarze der Kapuze.

"Wie, was ich bin?", fragte sie verwirrt. Jetzt hielt er ihr die Scharfe Klinge fest an den Hals und Lena spürte, dass er sie geschnitten hatte.

"W... Willst du mich umbringen?", brachte sie stotternd hervor. Er nahm seine Waffe wieder ein Stück von ihrem Hals weg. Noch immer saß sie im feuchten Gras.

"Antworte!", befahl er ihr. Er klang als würde er keinen Spaß verstehen. Lena legte sich die Hand an den verletzten Hals.

"Eine Frau!", brachte sie mit einem fast schon amüsierten Unterton hervor, wenn nur ihre Situation nicht so ernst wäre.

"Willst du mich zum Narren halten?", knurrte er sie an.

"Das sehe ich selbst!"

"Was willst du dann wissen? Das ich ein Mensch bin oder was?"

Sichtlich beleidigt wand Lena den Kopf ab, die Hand noch immer an den Hals gepresst.

"Warum erzählst du mir so etwas jetzt?" Sein Unterton gefiel ihr jetzt überhaupt nicht mehr.

"Was?", prustete sie hervor.

Lena hatte plötzlich die erhoffte Möglichkeit zur Flucht gefunden. Sie drehte sich auf dem Hintern und rutschte ein Stück den Hügel hinunter und kam endlich zum stehen. Doch besonders weit kam sie nicht. Wieder spürte sie die Klinge an ihr, allerdings jetzt am Rücken. Sie hob die Arme in die Luft und drehte sich zu ihrem Peiniger um. Jetzt wo sie weiter unten am Hügel stand, kam er ihr gleich noch größer vor.

"Es gibt keine Menschen", sagte er ruhig. Den Säbel hielt er ihr jetzt an den Bauch.

"Bitte?"

Schockiert schaute sie in die Richtung seines Gesichtes, doch sie erkannte noch immer nichts.

"Vielleicht gibt es ja nachdem du mich getötet hast einen Menschen weniger aber ich bin mir ganz sicher das ich echt bin!"

Lena starrte weiterhin in seine Richtung.

"Wo zum Teufel bin ich hier?", wollte sie einfach nur noch wissen.

"Xeres", war seine Kurze Antwort.

Sie verzog ihr Gesicht und lies sich niedergeschlagen und verwirrt wieder auf der Wiese nieder.

"Soll das heißen das ich nicht mehr auf der Erde bin?"

Während sie ihn das fragte, sah sie ihn nicht mehr an. In der Zwischenzeit ließ er seine Waffe sinken.

"Sicher bist du noch auf der Erde", gab er ihrer Meinung nach zu ruhig zurück. Dieser Kerl musste sie doch für nicht ganz richtig halten. Lena stützte den Kopf auf die Ellenbogen und schaute in die Ferne. Ziemlich weit entfernt konnte sie ein schwaches leuchten erkennen. Vielleicht war das ja eine Siedlung oder eine Stadt. Lena holte tief Luft.

"Wenn du mir nicht glauben kannst das ich ein Mensch sein soll, würde es mich doch mal interessieren welcher Rasse du angehörst."

Auch jetzt schaute sie ihn nicht an. Er ließ auf seine Antwort warten. Lena kniff sich unsanft in den Arm und hoffte somit aus diesem Alptraum zu erwachen - doch vergebens. Nachdem sie ein leises "autsch" geäußert hatte, fragte sie erneut.

"Na was ist?" Jetzt drehte sie den Kopf etwas in seine Richtung. Er stand noch immer höher hinter ihr.

"Ein Elf", brachte er leise, eber selbstsicher, hervor.

Lena fing an zu kichern und schüttelte den Kopf. Sie stand auf , stieg nach oben und stellte sich neben ihn. Jetzt waren beide etwa gleich groß.

"Was ist daran jetzt so amüsant?"

Seine Stimmlage konnte Lena jetzt nicht so recht deuten. Vielleicht war er ja endlich auch einmal verwirrt.

"Soll ich dir mal was verraten? Bis heute war ich der Meinung, und ich bin es immer noch, das es Elfen nur in Geschichten, Sagen und Kinderbüchern gibt."

Daraufhin zog er wieder blitzschnell den Säbel und hielt ihn ihr an die Seite. Lena ließ sich jetzt von ihm nicht mehr verängstigen. Der plötzlich aufkommende Wind wehte ihr die Braunen Locken ins Gesicht und zerrte an seiner Kapuze - allerdings ergebnislos. Sie stichelte weiter.

"Ich mochte diese Geschichten als ich noch klein war immer sehr gerne. Hätte ich damals schon gewusst wie rücksichtslos ihr seid, hätte ich mir nie gewünscht auch nur einen von euch kennen zu lernen."

Lena musste einfach träumen. Sie war sich da ganz sicher. Wenn sie es nicht gewesen wäre, hätte sie sich ganz bestimmt nicht mit einem bewaffneten Mann angelegt. So einen Blödsinn konnte man sich doch nur ausdenken. Genauso schnell wie er den Säbel gezogen hatte, steckte er ihn auch wieder weg.

"Unser Volk ist nicht rücksichtslos und war es auch nie!", maulte er Lena an.

"Dir sollte klar sein das ich dir das nach dieser Vorstellung hier nicht so recht glauben kann."

Jetzt endlich strich sie sich das Haar aus dem Gesicht. Ihr Gegenüber steckte den Säbel erneut in die Scheide und stützte die Hände in die Hüfte.

"Was hast du jetzt mit mir vor?", fragte Lena und drehte dabei den Kopf schief.

"Um dir zu beweißen, dass wir keine Mörder sind, werde ich dich nicht töten. Ich bin ein Krieger und meine Aufgabe ist es mein Volk und deren Hab und Gut zu beschützen. Ich bin genauso wenig ein Mörder wie der Rest unseres Volkes!"

Diese Behauptung schien ihn richtig fertig zu machen. Es hatte den Anschein das er sich nicht so schnell wieder beruhigen würde.

"Ist ja gut", versuchte sie es dennoch.

"Ich werde das nicht noch einmal behaupten in Ordnung?"

Er antwortete nicht, schien sich aber mit dieser Art von Entschuldigung zufrieden zu geben. Lena war sich nicht sicher ob er auch alles Verstand was sie ihm sagte. Sein Blick schien jetzt an ihren Füßen zu hängen. Scheinbar hatte er gerade festgestellt, dass sie keine Schuhe trug. Komischerweise fror Lena nicht an den Füßen, was ja eigentlich der Fall sein müsste. Hier schien alles irgendwie ein bisschen anders zu sein. Sie musste es jetzt endlich wissen. Dieser Kerl machte soweit einen beruhigten Eindruck das sie es wagen könnte. Das er sie nicht töten würde hatte er ja versprochen also hatte sie nichts zu verlieren. Lena hoffte insgeheim das er dieses Versprechen auch halten würde.

Langsam bewegte sie ihre Hand in die Richtung der Kapuze. Sicherlich hatte er mitbekommen was sie da vorhatte, jedoch hielt er sie nicht davon ab. Sie griff nach dem festen Stoff seines Mantels und zog die Kapuze langsam zurück. Wenn er es nicht gewollt hätte, wäre es für ihn leichtes gewesen dazwischen zu gehen - aber er tat es nicht. Ein eigenartiges Gefühl machte sich in ihr breit. Umso mehr war sie überrascht als sie sein Gesicht sah.

Kapitel 2 - Der Elf

Er hatte ein schmales Gesicht, welches ihm eher ein mädchenhaftes Aussehen gab. Trotz das die Kinnpartie recht spitz schien, war es das Kinn selber nicht. Die Lippen waren schmal und wirkten genauso klein wie seine Nase, welche eine richtig niedliche Form hatte. Sie passte merkwürdigerweise ziemlich gut in dieses Gesicht. Seine Augen hingegen wirkten riesig. Die Farbe konnte sie bei diesem Mondlicht allerdings nicht erkennen. Seit Lena ihm die Kapuze vom Kopf gezogen hatte schaute er ihr genau in die Augen. Vielleicht tat er das ja schon die ganze Zeit seit er sie gefunden hatte. Das Gesicht dieses Mannes wurde von zwei schmalen Augenbrauen eingerahmt. Er hatte sein Haar nach hinten gebunden, also konnte man annehmen das er es etwas länger trug. Auch diese Farbe konnte Lena bei diesem Licht nicht ausmachen. Sie kam nun zu seinem auffälligsten Merkmal das beweißen musste, dass er kein Mensch war – seine Ohren. Sie waren spitz aber nicht nur das. Sie hatten eine Form, die dem Menschen nicht im geringste ähnlich sah. Die Ohren hätten sicherlich das Kopfende fast erreicht, nur standen sie leicht zur Seite. Von vorn sah das eigenartig aus, vielleicht auch nur ungewohnt, schließlich hatte Lena so etwas doch auch noch nie gesehen. Sie entstellten ihn jedenfalls nicht.

Der Elf biss die schmalen Lippen zusammen und schaute irgendwie verzerrt, allerdings nicht vor Schmerzen. Lena spürte den Drang seine Ohren zu berühren, zagte erst aber wagte es dann doch. Langsam bewegte sie ihre Hand in diese Richtung, doch dieses mal ging er blitzschnell dazwischen. Der Elf fasste nach ihren Fingern und zog die Hand wieder nach unten.

„Nicht“, brachte er leise hervor, zog die Augenbrauen herunter und schüttelte langsam den Kopf. Seine Hände waren ebenfalls schlank und er hatte wirklich lange Finger. Lena schaute ihm wieder in seine großen Augen. In ihr kribbelte es jetzt vor lauter Aufregung und Nervosität.

„Ich mag das nicht“, offenbarte er fast lautlos.

Er hielt Lena noch immer mit der einen Hand fest. Vielleicht erwartete er ja, dass sie einen weiteren Versuch starten würde, doch sie wagte es nicht. Seine Hand fühlte sich angenehm warm an.

„Mein Name ist Lena“, brachte sie vorsichtig hervor.

Ein Wind kam wieder auf und der Elf drehte den Kopf ruckartig. Endlich hatte sie die Möglichkeit sein Gesicht von der Seite anzuschauen. Seine Ohren sahen wirklich sehr ungewöhnlich aus.

„Ich werde ein Feuer machen“, meinte er plötzlich ohne auch nur im geringsten auf ihre letzten Worte einzugehen.

Jetzt erst ließ er sie wieder los. Der Elf stieg den Hügel hinauf und lief langsam davon. Lena folgte ihm wortlos. Sie erschrak und sah auf, als er plötzlich einen seltsamen Pfiff von sich gab. Langsam sollte sie sich wirklich daran gewöhnen, dass sie sich in einem Land aufhielt, auch wenn es unfreiwillig war, in dem nichts so war, wie sie es von zuhause kannte. Immer noch hoffte sie zu träumen. Beide liefen dem Wald entgegen. Wenige Meter rechts neben Lena raschelte es im hohen Gras. Etwas kam herausgesprungen und bewegte sich auf den Elfen zu und Lena traute sich nicht mehr weiter. Als der Elf gemerkt hatte, dass sie innegehalten hatte, blieb auch er stehen.

„Komm“, meinte er auffordernd.

„Was war das?“, fragte sie verängstigt

„Fürchte dich nicht, Loco tut dir nichts und jetzt komm!“

„Loco?“, fragte sie kleinlaut, aber sicher so leise das er es nicht verstand, weil er nicht antwortete.

Der Elf war aus ihrem Sichtfeld verschwunden, darum lief sie erneut hinter ihm her. Die Stelle an der er das Feuer machen wollte, schien schon öfter dafür genutzt worden zu sein. Das Gras um die Feuerstelle war richtig zertreten. Lena schaute sich um, aber nichts was sie sah hatte auch nur im geringsten Ähnlichkeit mit einem “Loco“, was auch immer das sein mochte. Schnell hatte der Elf genügend Holz zusammen. Sicherlich hatte es bereitgelegen, denn sie konnte sich nicht vorstellen das Holzsammeln bei diesem schlechten Licht so schnell möglich war, es sei denn, Elfen konnten bei Nacht besonders gut sehen, aber daran konnte sie sich aus den Büchern nicht erinnern. Auf einmal raschelte es auf der rechten Seite. Lena zuckte unmerklich zusammen, aber sie sagte nichts. Sie stellte sich genau an die Feuerstelle, die von großen Steinen umgeben war. Die Asche, die noch zwischen den Steinen lag, schien im Mondlicht zu leuchten, so wie sie das nur vom Schnee kannte. Schnell und fachmännisch hatte er das Holz aufgetürmt und mit dürrem Gras und Blättern ausgefüllt. Eines der Blätter wurde vom Wind erfasst und landete auf Lenas Fuß. Sie hob es auf und hielt es gegen den Mond um es besser zu sehen. Selbst so ein Blatt hatte sie noch nie gesehen. Enttäuscht ließ sie es fallen und der Wind erfasste es erneut. Zu ihrer Überraschung brachte er das Feuer mit zwei Steinen zum leuchten und nicht mit Streichholz oder gar einem Feuerzeug. Scheinbar gab es solche Sachen hier nicht. Der Elf zog den Mantel aus und legte ihn mit sicherem Abstand zum Feuer auf die Wiese. Sein Oberkörper war jetzt nur noch mit einer Weste bedeckt, die nicht besonders viel Stoff aufwies. Er schien allerdings nicht zu frieren. Es dauerte auch nicht lange und das Feuer brannte recht gut, sodass er mit dickeren Ästen nachlegen musste, die ebenfalls schon bereit lagen.

„Setz dich“, bot er ihr mit einladender Handbewegung an. Lena spürte allmählich die Kälte die sie umgab und bewegte sich sichtlich dankbar auf ihn zu. Die zierliche Frau ließ sich am äußersten Ende des Mantels nieder und machte es sich im Schneidersitz bequem. Der Elf hockte weiter von ihr entfernt neben dem Mantel und begutachtete sein Feuer. Die Flammen warfen abstrakte Schatten auf sein Gesicht.

„Hast du vielleicht Hunger?“, fragte er betonungslos und brach damit das bedrückende Schweigen. Er schaute in Ihre Richtung und wartete auf eine Antwort. Lenas Blick hing in den Flammen. Sie wollte eigentlich den Kopf schütteln, nur hatte sie bereits genickt als sie aus ihrer Abwesenheit wieder erwachte. Der Elf sprang so hastig auf das Lena erschrak. Würde er sie jetzt etwa alleine lassen, war ihr Gedanke.

„Geh nicht“, hauchte sie verängstigt. Lena kam sich doch so schon verloren genug vor. Er kam näher und lächelte eigenartig.

„Keine Angst, Loco passt auf.“ Er pfiff erneut. Genau das war ja das, was ihr so furchtbare Angst machte.

„Komm her, Kleiner“, rief der Elf jetzt allerdings energisch in die Dunkelheit.

„Ich bin gleich wieder zurück“, meinte er beruhigend, nur funktionierte das jetzt bei Lena überhaupt nicht. Er griff nach seinem Säbel.

„Mein Name ist übrigens Laris“, brachte er mit einem Lächeln hervor und verschwand mit großen Schritten im Wald ohne Möglichkeit für Lena noch etwas dazu zu sagen.

Kapitel 3 - Loco

Lena vernahm wieder dieses Rascheln. Von Panik ergriffen schloss sie die Augen und hielt für kurze Zeit die Luft an. Schritte näherten sich ihr. Es waren kleine, schnelle Schritte. Mehr so ein heranhüpfen. Verkrampft hielt sie die Augen geschlossen. Wer weiß was es hier in dieser eigenartigen Welt Namens Xeres für Tiere gab, die alle anderen für normal hielten. Etwas kleines haariges lehnte sich plötzlich an ihre Seite. Lena rührte sich nicht. Doch als sie plötzlich eine Pfote auf ihrem Schoß spürte, musste sie einfach wissen was das war. Langsam drehte sie den Kopf und öffnete die Augen. Was sie sah war etwas größer als ein Kater. Vielleicht hatte es ja die Größe eines Waschbären. Sein Schwanz ähnelte dem eines Eichhörnchens, nur war er um einiges größer aber genau so buschig. Als es plötzlich Beachtung bekam stellte es den Schwanz nach oben und fing seltsam an zu zirpen. Es hatte riesige Augen und kleine Spitze Ohren an seinem runden Kopf. Sein Körper war mit einem Kurzen Fell überzogen und schimmerte im Licht des Feuers. Unerwartet sprang er ihr auf den Schoß. Lena riss die Hände in die Luft. Erschrocken legte der kleine Kerl sogleich die Ohren an. Lena beruhigte sich wieder doch um ihn anzufassen fehlte ihr der Mut. Er schaute sie mit seinen großen Augen an und bewegte dazu langsam den Schwanz hin und her. Noch immer zirpte er. Sicher erwartete er, dass sie ihn streichelte aber das tat sie nicht.

„Du bist also der Loco“, stellte sie fest. Als sein Name fiel, stellte er sich auf alle Viere und hob erneut den Schwanz. Sicherlich hätte sie noch eine ganze Weile mit diesem Tierchen auf dem Schoß dagesessen, hätte es nicht plötzlich die fixe Idee gehabt ihr auf die Schulter zu springen. Lena schnellte auf und der kleine Kerl stürzte, mit verlorenem Gleichgewicht, auf den Mantel. Wo mochte dieser Laris nur stecken. Das Tierchen schüttelte sich und fauchte Lena böse an. Dann verschwand er wieder im Unterholz. Verloren stand sie jetzt auf der Lichtung. Trotz dass das Feuer brannte, begann sie zu frieren. Lena starrte wieder den Himmel an und spürte plötzlich Wut in sich aufsteigen. Wo war sie hier nur gelandet und warum wachte sie nicht auf. Endlich vernahm sie hinter sich wieder Schritte. Sie konnte nur hoffen das es Laris war und niemand anderes.

Lena hatte Recht. Es war wirklich dieser Kerl. Vertraute wärme breitete sich wieder in ihr aus. Er hatte einen farbenfrohen Vogel in der Hand. Er saht einer Taube ähnlich, hatte aber eher die Größe eines Huhnes.

„Hast du das jetzt gejagt?“, fragte sie fast schon bewundernd.

Er feixte sie an.

„Ich könnte dich ja anlügen aber ich bin kein Jäger. Wohl eher ein Fallensteller“. Seine Ehrlichkeit überrasche Lena ein bisschen Vielleicht waren die Männer dieser Rasse anders wie es die menschlichen sind. Sie hätten ganz sicher gelogen um anzugeben.

„Wo ist denn Loco schon wieder geblieben?“, erkundigte er sich neugierig.

„Ich vermute mal wir haben uns gegenseitig erschreckt.“

Lena schaute auf die Erde. Laris sah sich um. Loco hatte sich sicherlich wieder versteckt.

„Ich schätze mal diese Nacht wird es recht kalt werden.“ Worauf er wieder auf ihre nackten Füße schaute.

„Ist es bei euch Menschen üblich ohne Schuhe herumzulaufen?“, fragte er belustigt.

Lena verzog das Gesicht.

„Natürlich nicht und denke ja nicht das ich freiwillig hier bin!“

Sie wand sich ab und ging mit wütenden Schritten erneut ans Feuer zurück. Laris sprach nicht weiter. In einer Ecke machte er sich daran das nichtgejagte Tier zu rupfen und auszunehmen. Loco war noch immer nirgends zu sehen. Lena kniete sich auf den Mantel und legte einige Scheite nach. Sie merkte jedoch nicht, das Laris sie dabei beobachtete. Abermals starrte sie in die Flammen. Es dauerte auch nicht sehr lange, da schwang sich Laris, mit dem gerupften und geköpften Tier in der Hand, neben Lena auf den Mantel. Er hengte das Tier, auf einen Stock gespießt, tief in den Rauch. Lena rückte ein Stück von ihm weg doch Laris rückte ihr nach. Genervt schaute sie ihn an. Als er ihr folgte, grinste er wieder eigenartig doch als sie ihn mit diesem Blick strafte, unterließ er das schleunigst.

„Was ist? Hast du jetzt doch Angst vor mir?“, befürchtete er und setzte sich wieder zurück. Laris legte noch etwas dürres Laub nach das sich die Rauchwolke leicht vergrößerte. Es zischte hörbar.

„Jetzt sei ehrlich, Lena“, meinte er ernsthaft.

„Hast du dir so einen Elfen vorgestellt?“

Er biss sich wieder auf die Lippen. Laris hatte sie jetzt das erste mal mit ihrem Namen angesprochen. Irgendwie erhöhte das wieder ihre Nervosität. Schüchtern schaute sie weg.

„Eigentlich nicht“, gab sie zu.

„Außer vielleicht die Ohren“.

Vorsichtig suchte sie jetzt wieder Blickkontakt.

„Ich war der Meinung ihr seit etwas kleiner. In etwa so“.

Sie hielt mit den Handflächen einen Abstand von ungefähr 15 cm ein. Laris konnte sich ein lautes Lachen jetzt nicht mehr verkneifen und es platzte nur so aus ihm heraus, dass in weiter Ferne ein Echo zu hören war. Lena rutsche ein ganzes Stück von ihm weg und wand den Blick ab.

„Ach komm schon“, meinte er aufmunternd.

Er rückte ihr abermals hinterher, nur legte er jetzt seinen Arm auf ihre Schulter, dass ihr eine Flucht nicht mehr möglich war.

„Wenn ich dir jetzt sage, das es bei uns auch Mythen und Geschichten der Alten von den Menschen gibt, hältst du mich sicher für verrückt. Menschen sind in diesen Geschichten auch etwas kleiner, allerdings gefährlicher, wie du den Eindruck auf mich machst.“

Lena bekam große Augen. Sie spürte die Wärme, die durch seinen Arm und die Hand in sie eindrang. Laris setzte sich jetzt im Schneidersitz ihr gegenüber und schaute sie mit einem vorsichtigen Lächeln an. Seine Ohren wirkten jetzt irgendwie extrem auseinanderstehend. Lena fühlte sich plötzlich so hilflos.

„Bitte kneif mich“, bat sie den Kerl der ihr gegenüber saß.

Laris grinste wieder breiter.

„Das werde ich nicht tun, denkst du wirklich du kannst dich jetzt davonstehlen indem du aufwachst?“

Lena senkte den Kopf und wollte sich wieder selbst in den Arm kneifen, aber Laris ging dazwischen.

„Tu das nicht, du träumst nicht, wirklich“, beteuerte er.

Vorsichtig griff er nach ihrem Kinn sodass sie ihn wieder anschauen musste.

„Fass sie doch einfach mal an... meine Ohren... wenn du das noch möchtest“, äußerte er plötzlich.

„Aber ich dachte du...“

Lena wurde unterbrochen im Satz. Laris ließ ihr Kinn wieder los.

„Ich mache jetzt einfach mal eine Ausnahme bei dir.“

Er lächelte sie schelmisch an und drehte ihr das Ohr hin. Lena wusste nicht so recht, ob sie es jetzt noch wagen sollte, wo sie doch wusste, dass er davon nicht viel hielt. Also griff Laris nach ihrer Hand und brachte sie vorsichtig näher. Sie fing furchtbar an zu zittern.

„Beruhige dich doch bitte. Sie fallen mir schon nicht ab.“

Sein extremes Grinsen legte sich etwas. Mit ausgestreckten Fingern fuhr sie ein paar mal langsam die Ränder des Ohres ab. Laris hatte sie mittlerweile losgelassen und schloss langsam die Augen. Seine Ohren fühlten sich dazu noch recht warm an, trotz das sie, weil sie etwas abstanden, reichlich Zugluft abbekamen. Mit Zeigefinger und Daumen fuhr sie noch über das spitze Ende. Wenn Lena das mit geschlossenen Augen gemacht hätte, wäre sie sicher nicht darauf gekommen, dass sie da Ohren berührte. Sie schaute ihm ins Gesicht. Laris hatte die Augen noch immer geschlossen. Mit den Worten, dass er das nicht mochte, hatte er jetzt ganz sicher gelogen. Sie ließ von ihm ab und schaute ihn einfach nur noch an. Es dauerte noch eine Weile bis er die Augen wieder öffnete.

„Ich gebe es zu“, gestand er jetzt.

„Ich habe gelogen, als ich dir sagte das ich das nicht mag.“

„Das hab ich mir jetzt auch gedacht, aber ich würde mir an deiner Stelle auch nicht von jedem gleich an die Ohren fassen lassen, schon gar nicht wenn der oder die Fremde ein Mensch ist, die du ja bis jetzt für gefährlich gehalten hast.“

„Ich hatte nie Angst vor Menschen. Die Geschichten der Erwachsenen waren vielleicht auch nur so übertrieben worden, um kleine Elfen zu ängstigen, dass sie sich auch benahmen.“

„Ein Druckmittel also“, stellte sie fest. Laris nickte.

„Es gibt sicherlich Menschen auf die das zutrifft, aber im Normalfall werden diese geschnappt und weggesperrt. Ich hätte gar nicht den Mut dir etwas zu tun, so unbewaffnet wie ich bin.“

Lena grinste. Plötzlich roch es nach anbrennenden Fleisch. Laris sprang auf um das Tier höher zu hängen und lies sie zurück. Plötzlich war da wieder dieses rascheln.

„Das du heute auch noch auftauchst“, begrüßte er sein Haustier.

Loco hüpfte herbei und sprang auf Laris´ Knie, der immer noch vor dem Feuer hockte. Kurz kraulte er ihn am Kopf. Loco kletterte auf seine Schulter und hielt sich mit dem Schwanz an seinem Hals fest. Als er jedoch die fremde Frau erblickte, fing der kleine Kerl wieder an zu fauchen. Überrascht, weil er das von Loco nicht kannte, schaute er zu Lena hinüber

„Was hast du nur mit ihm angestellt?“, scherzte er mit seinem breitem Grinsten und nach oben gezogenen Augenbrauen.

Verlegen schaute Lena zu Boden.

„Ich denke mal ich hab etwas panisch reagiert, als er mir auf die Schulter klettern wollte.“ Lena war überhaupt nicht nach lachen zumute. Sie hatte ein schlechtes Gewissen aber Laris schien das schon recht amüsant zu finden. Er schaute seinen haarigen Freund ganz genau an, der immer noch auf seiner Schulter thronte.

„Was steigst du auch fremden Leuten auf die Schulter“, sprach er zu Loco.

„Du bist selbst schuld.“

Laris schaute zu ihr hinüber. Lena starrte immer noch auf den Boden.

„Mache dir doch bitte keine Gedanken, das ist doch nicht schlimm.“

Vorsichtig schaute sie Laris in seine Augen. In seinen Augen spiegelten sich die lodernden Flammen des Feuers. Sein gutmütiges Lächeln erwärmte sie erneut.

„Los! Geh dich entschuldigen!“, befahl er dem kleinen und setzte ihn mit einer Hand von seiner Schulter auf dem Mantel neben sich.

Loco knickte die eh schon kleinen Ohren ein und heulte jämmerlich.

„Na los, geh dich entschuldigen du Draufgänger!“, sagte er mit sehr strengem Blick.

Laris wartete bis sich Loco mit sehr langsamen und verängstigten Schritten, in gebeugter Haltung auf den Weg gemacht hatte. Dann erst lächelte Lena an. Ihm schien es richtig Spaß zu machen den kleinen Kerl auf diese Weise zu bestrafen. Lena hatte jetzt nur noch Augen für den kleinen Kerl.

„Meinst du nicht, dass du das jetzt übertreibst?“, fragte sie Laris, schaute ihn aber nicht an.

„Du kannst also doch ziemlich bösartig sein“, stellte sie fest.

Laris antwortete nicht. Loco schien jetzt mehr Angst vor ihr zu haben als sie zuvor vor ihm. Er blieb stehen um auf Laris’ auf Hilfe zu hoffen, doch dieser schaute wieder sehr ernst. Loco setzte sich nah neben Lena und schaute sie mit seinen Knopfaugen an.

„Nun streichle ihn schon“, ermunterte der Elf die Menschenfrau.

„Er beißt dich schon nicht.“

Erschrocken schaute sie auf. Tiere mochte Lena doch recht gerne, aber warum sie sich vor ihm so fürchtete, konnte sie sich nicht erklären. Es gab doch auch so noch jede Menge Tiere die sie noch nicht kannte, warum stellte sie sich jetzt so an. Langsam streckte sie die Hand nach ihm aus. Loco legte wieder die Ohren an. Nur vorsichtig berührte sie seinen pelzigen Kopf. Der kleine Kerl zitterte vor Angst.

„Was hab ich nur angerichtet“, flüsterte sie.

Loco verdrehte die Ohren.

„Es tut mir leid, das hab ich nicht gewollt.“

Während Lena mit dem Tierchen sprach, schüttelte Laris nur schmunzelnd den Kopf. Lena bekam das allerdings nicht mit. Eilig rannte der kleine Kerl wieder zu seinem Herren zurück.

„Gutgemacht“, bekam er als Lob von Laris und wurde durchgeknuddelt das er zirpte.

Er schnappte sich den kleinen und schwang sich wieder auf den Mantel. Loco blieb auf seinem Schoß sitzen und fing an sich zu säubern. Lena rückte wieder ein Stück näher an die beiden heran und beobachtete sie. Laris kraulte ihn wieder, aber der Blick des Kuscheltieres hing erneut an Lena. Es dauerte auch nicht lange, bis Loco wieder zu ihr hinüber hüpfte. Diesmal, etwas vorsichtiger, kletterte er ihr auf den Schoß. Lena kraulte sie ihn jetzt so, wie sie das auch mit einer Katze machen würde. Diese Art von Berührung schien ihm besonders gut zu gefallen. Loco zirpte genau so, wie er es beim ersten Treffen getan hatte.

„Ich wusste doch das er dich mag“, warf Laris ein.

„Eigentlich mag er fast jeden. Loco merkt sofort wem er trauen kann und wem nicht.

„Hast du noch Hunger?“, sprach er Lena auf einmal an. Sie schaute verwirrt auf.

„Eigentlich wollte ich gar nichts. Ich weiß nicht warum ich genickt habe. Ich war doch eigentlich auf dem Weg ins Bett gewesen und da hatte ich schon gegessen.“

Sie nahm Loco auf den Arm und stand auf, um sich näher ans Feuer zu setzen. Laris´ Blick folgte jeder ihrer Bewegungen.

„Das heißt also ich soll ihn alleine aufessen? Du hast doch nur Angst das es noch leben könnte.“

Frech grinste er Lena wieder an.

„Tut mir wirklich leid, dass ich dir unnötige Umstände gemacht habe“, gähnte sie müde. Sie lehnte sich gegen seine nackte Schulter, egal was er davon halten sollte. Seltsam berührt schaute er die zierliche Frau mit dem Haarigen Tierchen auf dem Schoß an. Lena hatte die Augen schon fast zu.

„Was ist denn mit Loco? Teil doch mit ihm.“

„Er frist doch kein Fleisch“, meinte er lächelnd, doch woher sollte sie das denn auch wissen.

Lena hatte die Augen jetzt zu und spürte wie der Schlaf über sie siegte.

Kapitel 4 - In der Nacht

Plötzlich schreckte sie hoch. Lena fand sich vor dem nur noch schwach glühenden Feuer wieder und war richtig in den Mantel eingewickelt.

„Laris!“, rief sie panisch, als sie ihn nicht sehen konnte.

„Ich bin hier“, brummte er müde. Sie schaute sich suchend um. Laris saß, an einen Baum gelehnt, in der Dämmerung. Das wenige Licht reichte nicht mehr weit genug. Sie konnte noch erkennen, dass er den Kopf auf den Knien hatte, also musste Lena ihn eben gerade geweckt haben.

„Warum sitzt du denn da drüben?“, fragte sie überrascht.

„Ich wollte dich nicht stören“, brachte er müde hervor.

„Das ist doch wohl nicht dein ernst? Das ist dein Feuer und dein Mantel also hast du wohl mehr Recht auf beides als ich.“

Er legte sein Kinn auf die Knie und schaute sie müde an. Lena setzte sich auf.

„Komm doch bitte wieder her, der Mantel reicht doch auch für zwei.“

Überrascht bekam er jetzt die Augen vollständig auf, aber das verging wieder schnell.

„Vielleicht behauptest du ja, ich hätte mich nicht benommen. Weil ich ein Elf bin, heißt das nicht, dass ich kein Benehmen habe.“

„Ja... Nein... Das tu ich nicht, komm doch bitte wieder her.“

Lena wirkte verwirrt.

„Ich würde mich wirklich sicherer fühlen“, gab sie zu.

Sie schlug den Mantel auf. Neben ihren Füßen, im Mantel, lag Loco zusammengerollt und gähnte herzhaft. Es dauerte noch einige Sekunden bis es Laris fertig brachte, aufzustehen und das kurze Stück zu laufen. Gemächlich trottete er auf Lena zu. Währenddessen hatte sich Loco aufgerappelt und streckte sich ausgiebig. Als er den Elf heranwanken sah, hüpfte er, über ihre Beine hinweg, auf die andere Seite. Hier war er auch näher am Feuer. Loco streckte sich noch einmal und rollte sich dann wieder zusammen. Laris ließ sich neben Lena fallen. Seine Kräfte schienen fürs erste aufgebraucht zu sein.

„Und du bist dir auch sicher, dass ... .“

Weiter kam er jedoch nicht, denn er war wieder eingeschlafen. Lena deckte ihn und sich noch richtig zu und auch sie fand schnell den Weg ins richtige Land der Träume.
 

***
 

Sie erwachte, als sie von der Sonne geweckt wurde. Das erste was sie sehen konnte, waren Steine eines Lagerfeuers und die Reste von verbranntem Holz. Etwas Haariges zwängte sich im Mantel an ihr nach oben. Diese Bewegungen kitzelten Lena und sie schmunzelte, versuchte jedoch nicht zu lachen.. Endlich hatte sich Loco befreit und hüpfte davon. Lena schaute ihm nach, ohne den Kopf zu heben. Sie war also noch immer in dieser Welt. Enttäuscht schaute die junge Frau jetzt den Hügel hinunter. Dabei stützte sie den Kopf auf den Arm, als sie plötzlich sie hinter sich eine Bewegung spürte. Ein Arm streckte sich nach ihr aus und umklammerte sie. Lena wurde wieder nervös. Sie traute sich jedoch nicht sich umzudrehen. Als Lena einen Kopf an ihrem Nacken spürte, fasste sie nach der Hand, die sie festhielt, und drückte sie vorsichtig. Hinter ihr streckte sich jetzt dieser Jemand und Lena konnte ihre Neugierde nicht mehr zurückhalten. Sie drehte sich langsam um. Der Elf hatte die Augen noch geschlossen. Sein Haar leuchtete in einer Farbe, wie sie es noch nie gesehen hatte. Es war dunkelblond und schimmerte an manchen Stellen in einem wunderschönem hellem blau. Liebevoll streichelte Lena ihn am Kopf. Seine Hand fuhr ihr über den Rücken. Er streichelte sie mit einer weichen Bewegung.

„Guten Morgen, Laris“, begrüßte sie ihn mit leiser Stimme.

Dabei berührte sie ihn zärtlich am Kinn. Seine Augenlider zitterten und mit einem Ruck waren seine Augen vollständig offen. Genau so schnell wie er die Augen offen hatte, war der Elf auch aufgesprungen. Da Lena ebenfalls im Mantel lag, riss er sie fast mit sich. Er rannte einige Meter davon und blieb, in ihr zugewandter, leicht gebückter Haltung, stehen. Lena setzte sich auf und schaute ihn erschrocken an.

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte sie vorsichtig.

Er antwortete nicht. Sie stand auf und bewegte sich langsam auf ihn zu.

„Bleib stehen!“, befahl er ihr mit lauter Stimme.

Lena erstarrte.

„Was ist denn los mir dir?“, fragte sie jetzt reichlich verängstigt.

„Was bist du?!“, fuhr er sie an.

Lena bekam große Augen. Jetzt machte sich in ihr, zu der Angst, noch ein Dejá vu - Gefühl breit. Lena wollte das nicht noch einmal erleben müssen.

„Erinnerst du dich nicht?“, fragte sie unruhig.

Der Elf schüttelte einmal hastig den Kopf.

„Ich bin doch Lena. Spiel keine Spielchen mit mir“, sprach sie enttäuscht weiter.

Sie lief erneut auf ihn zu doch Laris wich abermals nach hinten aus. Plötzlich griff er sich an den Kopf. Sein verzerrtes Gesicht verriet, dass er Schmerzen hatte. Loco hüpfte aus dem Gebüsch und setzte sich zwischen die Beiden.

„Komm sofort her, Kleiner!“, befahl er seinem Haustier.

Loco bewegte sich nicht von der Stelle. Laris machte einen Schritt nach vorne, um sich das Tierchen zu holen, doch er verharrte in der Bewegung, als er stattdessen auf das Mädchen zulief. Seine Schmerzen schienen stärker zu werden. Lena bückte sich und nahm den haarigen, kleinen Kerl auf den Arm. Dieser kletterte auf die Schulter und hielt sich wieder fest. Das schien Laris den Rest zu geben. Er schwankte und brach zusammen. Lena hastete los, um ihn vor einem vollständigen Sturz zu bewaren. Dabei sprang Loco wieder ab und jagte ihr nach. Lena konnte den Elf gerade noch stützen. Er klammerte sich an ihr fest.

„Was ist denn mit dir?“, hauchte sie vorsichtig und berührte mit der Hand seine Stirn. Fieber schien er keins zu haben. Laris zitterte schrecklich und starrte sie jetzt an. Seine Braunen Augen wirkten ungemein glasig. Ihre Hand zitterte, als sie ihn behutsam am Kopf streichelte. Laris schloss die Augen. Er atmete sehr tief und langsam. Lena hatte mühe ihn zu halten. Der kleine Loco hüpfte aufgeregt hin und her. Sie bemerkte seine Hilflosigkeit. Ihr ging es gerade nicht viel anders. Plötzlich riss er die Augen abermals auf. Lena war erleichtert aber auch gleichzeitig in Angst, dass er ihr jetzt etwas tun könnte, so wie er sich eben aufgeführt hatte.

„Le...na?“, vernahm sie seine leise zitternde Stimme.

Erleichtert atmete sie auf.

„Was ist denn mit dir los?“, fragte sie sehr besorgt und strich ihn wieder über die Stirn. Er nahm seine Hand vor sein Gesicht und versuchte sich zu beruhigen. Loco begann an seinem Bein zu kratzen. Erschrocken sah er zu dem kleinen Kerl hinunter. Doch anstatt ihn zu liebkosen, nahm er Lenas Hände. Sie schluckte beunruhigt. Ihre Blicke trafen sich wieder. Loco kletterte dennoch an seinem Herren hinauf und setzte sich auf seinen Lieblingsplatz. Laris jedoch hatte nur Augen für Lena. Noch immer vor ihr kniend, schaute er sie an, sagte jedoch nichts. Lena spürte nach wie vor diese Angst in sich. Der Elf stand vorsichtig auf, ohne sich auf Sie zu stützen. Sein Tierchen versuchte krampfhaft sitzen zu bleiben, sprang aber wegen fehlendem Gleichgewicht doch wieder herab. Laris schaute ihr tief in die Augen. Das glasige in Ihnen war jetzt wieder verschwunden. Ohne, dass sie in diesem Moment damit gerechnet hatte, küsste er sie vorsichtig. Lena wehrte sich nicht. Er hielt sie mit beiden Händen fest. Die Angst verschwand und das warme Gefühl kehrte zurück. Seine schmalen Lippen fühlten sich sehr angenehm an. Laris ließ ihre Hände los und umarmte sie. Was auch immer in diesen Mann gefahren war, interessierte sie jetzt nicht mehr. Willenlos ließ sie sich küssen, auch wo diese etwas leidenschaftlicher wurden. Langsam streckte sie die Arme nach ihm aus und wollte ihn am Hals umarmen, doch Laris ging, mit beiden Händen, ohne die Lippen von ihr zu lassen, dazwischen. Langsam legte er Lenas Hände auf seine Brust. Sie dachte nicht darüber nach, warum der diese er diese Umarmung nicht zuließ und in diesem Moment war ihr das auch völlig egal. Als sich beider wieder ansahen, ließ er von ihr ab.

Er fasste sich mit beiden Händen ins Haar und brachte dieses leicht durcheinander. Ein Teil der Haare hing ihm jetzt über der Schulter. Der aufkommende Wind wehte einige der Gesäßlangen Haare nach oben. Sein hektischer Aufbruch schien ihm das Haarband gelöst zuhaben.

„Entschuldige“, brachte er hervor.

„Wofür denn?“, fragte Lena mit einem Lächeln.

Laris antwortete nicht. Sie fragte allerdings auch nicht weiter.

„Wir müssen los“, meinte er plötzlich und eilte zu seinem Mantel.

Loco hüpfte hinter ihm her. Lena folgte den beiden langsam. Der Elf hob sein Haarband auf. Von dem toten Tier war kein Rest mehr zu finden.

„Kann ich dir helfen?“, bat sie ihn.

Bereitwillig gab er ihr das Band.

„Nicht so fest“, meinte er nur.

Vorsichtig griff sie ziemlich weit am Nacken nach den Haaren. Wieder ging er dazwischen indem er, mit beachtlichem Abstand, die Hand aufs Haar legte.

„Stimmt irgendwas nicht?“, erkundigte sie sich unsicher.

Eine Antwort bekam sie auch jetzt nicht. Also fasste sie tiefer ans Haar und fing an es ganz locker zu flechten. Als sie recht weit unten war, kniete sie sich hinter ihm hin, um besser arbeiten zu können. Genauso vorsichtig wie sie geflochten hatte, band sie auch die Schleife.

„Fertig“ brachte sie hervor und Laris nahm die Hand wieder weg.

Irgendetwas konnte dort bei ihm nicht Stimmen, war Lenas Vermutung. Sie fragte sich was ihn an dieser Stelle so empfindlich machte.

„Gibt es hier gefährliche Tiere?“, fragte sie vorsichtig, um ihre Gedanken, über den Elf kurz abzulenken.

Laris hob den Mantel auf und drehte sich zu ihr um.

„Wie kommst du denn jetzt darauf?“. Verwirrt schaute er sie an.

„Ich hab mich nur gewundert, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass du von dem Tier

auch die Knochen mitgegessen hast“.

Laris lächelte.

„Gut beobachtet“, stellte er fest.

„Ich hab den Rest gestern Nacht noch vergraben“.

Lena schaute fragend.

„Ist das hier so üblich?“

„Eigentlich nicht“, gab er zu.

„Ich hab das mehr aus Sicherheit gemacht“

„Also gibt’s hier doch gefährliche Tiere?“, wiederholte sie ihre Frage.

„Eher indirekt“, gab er jetzt als Antwort.

Lena zog die Augenbrauen nach unten. Sie wollte jetzt eigentlich eine korrekte Antwort haben.

„Na schön“, fing er an.

„Richtig bösartige Tiere gibt es hier nicht mehr.“

Er schaute Lena jetzt ganz genau an.

„Eine unserer Sagen erzählt, ich glaube normalerweise nicht an solches Zeug, dass es in diesen Wäldern eine Bestie geben soll. Hin und wieder sollen Männer einfach spurlos verschwunden sein, aber das ist schon lange her.“

Lena bekam große Augen.

„Vielleicht glaube ich ja an solche Märchen!“, warf sie ein.

„Warum hast du mir das nicht erzählt?“, brachte sie genervt hervor.

„Glaubst du wirklich ich wollte dich schon am ersten Tag gleich wieder verschrecken, wo

ich das mit meinem Aussehen, besonders meinen Ohren, schon recht gut hinbekommen habe?“

Laris griente und schüttelte den Kopf, dass seine Ohren leicht ins schwingen gerieten. Lena verzog den Mund.

„Dann verrate mir doch mal, warum du es dennoch vergraben hast?“

Laris zuckte mit den Schultern.

„Ich habe keine Ahnung“

Weiteres nachfragen hatte also keinen Sinn, darum gab sie sich damit erst einmal zufrieden.

„Lass uns gehen“, meinte sie jetzt.

Laris nickte.

Kapitel 5 - Senos

Als die beiden losliefen, stand die Sonne schon recht weit oben am Himmel, dennoch war das Gras noch tauig. Die Nässe an ihren Füßen machte das Gehen etwas schwieriger, weil sie andauernd wegrutschte. Es dauerte auch nicht lange, da konnte Lena schon einen Turm, in der Ferne, zwischen den Bäumen, sehen. Aufgeregt schaute sie zu Laris, doch dieser lief schroff weiter. Lena musste große Schritte machen um auch mithalten zu können. Die Landschaft wurde zusehends steiniger und Lena musste mit den nackten Füßen aufpassen, wo sie hintrat. Loco ließ sich wieder von seinem Herren tragen. Ein bisschen neidisch schaute sie ihn an und genau das war ihr Fehler. Lenas Fuß traf einen ungünstig spitzen Stein und sie blieb mit einem „Autsch“ abrupt stehen. Laris stoppte ebenfalls. Er war einige Schritte vorausgelaufen und kehrte wieder um. Lena lies sich fallen und untersuchte ihren Fuß. Der Stein steckte tief in der Ferse. Auf den ersten Blick hätte es auch ein Glassplitter sein können aber bei genauerem Hinsehen stellte sie fest; dass es doch ein Stein war. Vorsichtig zog sie ihn heraus. Etwas Blut lief ihr über den Finger. Wütend warf sie den Stein weg.

„Verdammt“, fluchte sie.

Laris hatte sich unterdessen neben sie gehockt und schien zu überlegen. Er schaute in die Richtung des Dorfes und anschießend wieder zu ihr.

„Ein Stück würde ich dich ja tragen, aber die Ganze Strecke schaffe ich sicher nicht.“

Lena musste jetzt an seinen überaus empfindlichen Nacken denken.

„Ich schätze das ist eine schlechte Idee. Ich schaffe das schon.“

Lena erhob sich wieder und stellte ihren verletzten Fuß auf die Spitze.

„Willst du die ganze Strecke auf der Fußspitze laufen?“, fragte er erstaunt.

Sie schniefte. Laris schaute wieder in die Ferne und löste dann das liebevoll gebundene Schleifchen aus seinem Haar. Vorsichtig band er den schmalen Stofffetzen um ihren Fuß. Lena beklagte sich nicht ein einziges Mal, trotz das es nicht besonders angenehm war. Sie wollte ihm die Stärke zeigen, die sie eigentlich nicht hatte. Ganz genau beobachtete sie ihn bei der Arbeit.

„Ich gebe dir meine Stiefel.“

Bevor Lena etwas antworten konnte, hatte er sie auch schon ausgezogen.

„Ich schätze mal die sind etwas reichlich“, fügte er noch hinzu.

Lena begutachtete seine Füße. Trotz das sie groß wirkten, waren sie ziemlich schlank. Laris half ihr in die Stiefel und anschließend wieder auf. Sie waren angenehm warm, da sie ja die ganze Zeit schon barfuss war. Das hellbraune Leder fühlte sich sehr weich an.

„Wir müssen weiter“, unterbrach er die Stille.

„Elya macht sich sicher schon Gedanken.“

„Elya?“, fragte Lena vorsichtig und versuchte gerade zu laufen.

„Meine Schwester“, gab er zur Antwort.

Nach einigen Schritten schienen die Schmerzen im Fuß nachzulassen.

„Ich will nur nicht, dass sie wieder Leute nach mir ausschickt.“

Lena schaute verwundert.

„Bist du nicht alt genug, zu wissen was du tust?“, fragte sie zurückhaltend.

Schließlich wollte sie ihn nicht wieder aufregen. Laris antwortete abermals nicht. Plötzlich blieb er stehen und Lena lief fast auf. Erschrocken schaute er die Menschenfrau plötzlich an. Angst schien sich jetzt in ihm Breitzumachen. Hatte er vielleicht vergessen, ihr etwas wichtiges mitzuteilen? Lena zog die Augenbrauen nach oben.

„Ist mir doch entfallen, dass wir vielleicht gar nicht nach Senos kommen.“

Lena konnte sich denken das damit die Stadt gemeint war.

„Warum nicht? Meinst du das Tor wird verschlossen sein?“

Irgendwie musste er doch aber hinausgekommen sein, überlegte sie sich. Verloren schaute sie den Elfen an. Vorsichtig streichelte er ihr übers Gesicht.

„Du bist kein Elf“, flüsterte er.

„Und? Heißt das für mich, ich darf nicht in eure Stadt?“

Laris schniefte.

„Ich weiß es nicht. Das ist das erste mal, das ich einen Menschen mitbringe - Das ich überhaupt einen kennengerlernt habe. Das es hier überhaupt eine Sagengestalt gibt....!“

Lena schaute wieder sehr verängstigt.

„Werden sie mich töten?“, fragte sie frei heraus.

„Warum sollten sie das denn tun, du hast doch niemandem etwas getan.“

„Das mag vielleicht sein, aber bei uns gibt es auch jede menge Menschen, die einfach nur voreingenommen sind. Sie beurteilen Sachen und Leute, die sie gar nicht kennen, die sie vielleicht gerade das erste mal gesehen haben. In den meisten Fällen ist es die Angst vor dem was anders und neu ist.“

„Ich will nicht das sie dir etwas tun“, brachte er traurig hervor und fasste nach ihren Händen.

Lena kam sich jetzt wieder so verloren vor.

„Ich werde dich beschützen“, versprach er ihr.

„Vielleicht sollte ich einfach wieder in den Wald gehen und warten, bis ich mit dem nächsten Licht wieder von hier verschwinden kann!“

Geschockt schaute er sie an.

„Nein, das kann ich nicht zulassen.“

Seine Augen wurden feucht.

„Hör doch auf, wir kennen uns doch nicht einmal.“

Lena schüttelte den Kopf und wollte sich losreißen, doch Laris krampfte sich an ihren Händen fest.

„Mehr als meinen Namen kennst du doch nicht einmal von mir.“

Die Kraft die in dem Mann steckte, schien doch größer zu sein als Lena anfangs dachte.

„Laris, las mich los. Du tust mir weh!“

Entsetzt starrte sie ihm auf die Hände. Sofort ließ er los. Stattdessen nahm er Lena in die Arme und drückte sie an sich.

„Bitte, tu das nicht.“

Ihre Stimme zitterte. Gerührt von dieser Geste, hatte sie große Probleme sich zusammenzureißen. Endlich ließ er sie wieder los. Der Elf zog seinen Mantel aus und gab ihn der zierlichen Frau

„Zieh den an. Ich hoffe das funktioniert.“

Lena tat wie ihr geheißen. Vorsichtig setzte er ihr noch die Kapuze auf. Da sie keine solchen spitzen Ohren hatte, rutsche ihr diese von alleine tief ins Gesicht.

„Ich schätze so geht’s“, meinte er überzeugt.

„Und wenn nicht, werde ich kämpfen!“

Dieser Mann überraschte sie von Minute zu Minute mehr. Er würde doch tatsächlich sein Leben für eine unbekannte Frau opfern, dazu kommt, dass sie ein Mensch ist.

„Nur sehe ich jetzt nicht mehr wo ich hinlaufe.“

Lena lächelte ihn aus der Kapuze heraus an. Sicherlich konnte er das nicht einmal sehen.

„Dann nehme ich deine Hand“, brachte er, trotz seiner Angst, mit einem Lächeln hervor.

Lenas Aufregung hatte sich ebenfalls in Angst geändert. Angespannt klammerte sie sich an Laris´ Hand fest. Dieser drückte ihre Hand ebenfalls recht stark.
 

***
 

Mit zielstrebigen Schritten liefen beide weiter. Vor Aufregung und Angst hatte Lena Mühe gerade zu laufen. Die Schmerzen in ihrem Fuß waren wieder vergessen. Zwischen den Bäumen in der Ferne war nun ein Turm zu erkennen. Lena wand den Blick in Laris´ Richtung, doch dieser reagierte nicht.

„Ist das Senos?“, fragte sie nun neugierig.

Endlich schien er sie wieder zu beachten. Er drehte den Kopf und versuchte ihr in die Kapuze zu schauen, jedoch vergebens.

„Ja“, war seine kurze Antwort.

Laris schien wieder irgendwie verschlossen zu sein. Vielleicht versuchte er auch nur gerade den starken Mann zu spielen, so dass sich Lena sicherer fühlte, aber auch dieses Mal funktionierte es nicht.

„Vielleicht sollte ich doch besser umkehren“, brachte sie erneut hervor.

Laris schüttelte den Kopf ohne sie anzuschauen. Sie schniefte verloren.

„Ich gehe nur deinetwegen mit, das sollte dir klar sein.“

Laris schaute sie wieder traurig an und zog die Kapuze soweit zurück, dass er ihr Gesicht sehen konnte.

„Das weiß ich und ich bin dir dafür wirklich dankbar.“

Hilflos sah er ihr in die Augen. Beide waren jetzt stehen geblieben. Laris wollte sie wieder küssen doch Lena legte ihre Hand an seine Lippen.

„Das solltest du besser lassen!“, meinte sie streng.

Er wand sich ab und beide nahmen den Marsch wieder auf. Erneut fing ihr fuß wieder zu schmerzen an.

Der Turm in der Ferne war um einiges größer geworden. Zwei weitere Türme, mit fast dem selben Abstand tauchten jetzt ebenfalls auf. Die Türme waren mit einer Mauer verbunden. Lena schauderte es, als ihr der Gedanke kam, dass diese Stadt noch von so einer dicken Mauer umgeben war. Sicherlich gab es da Wachposten, vor dem Laris ausnahmsweise heute einmal Angst zu haben schien. Diese hatte er sicher gemeint, als er sagte, sie würden vielleicht nicht hineingelangen.

„Gibt es vielleicht einen geheimen Weg in die Stadt?“, fragte sie aus freien Stücken.

Laris bekam große Augen, größer wie sie so schon waren. Er überlegte kurz, hielt aber nicht an.

„Ich befürchte nicht. Unsere Vorfahren hatten wohl große Angst von dem angeblichen Monster, dass sie beim Bau der Mauer und des Dorfes ganz genau aufgepasst hatten. Selbst der Bach, der hindurch floss, muss durch ein enges Gitter in der Mauer. Kein Elf würde da hindurch passen.“

Die Beiden waren nur noch wenige Meter von der Mauer entfernt. Lena klammerte sich ängstlich fest. Das große Tor neben dem Turm lies sie unruhig werden. Vorsichtig schaute sie daran empor. Die gesamte Mauer wies keine Schießscharten auf. Loco, der vor einer ganzen Weile von seiner Schulter gesprungen war, hatte sie nun auch eingeholt und saß erwartungsvoll vor dem Tor. Ein eiserner Ring schien daran fürs Klopfen vorgesehen zu sein und Laris klopfte. Er schob Lena leicht hinter sich und sie senkte den Blick, dass die Kapuze noch ein Stück tiefer rutschte. Wenige Sekunden später ging ein kleines Fenster in Augenhöhe auf. Kein Wort viel von der anderen Seite. Sicher wurde Laris bereits erwartet. Der Linke Flügel des Tores ging langsam und laut knarrend auf. Loco schlüpfte sofort hindurch und schien nach Hause zu hasten. Laris fasste sie wieder an der Hand und die andere legte er an seinen Säbel, was Lena erschaudern ließ. Sie hoffte insgeheim das es nicht nötig war, diesen einzusetzen. Der Elf zog sie mehr hinter sich her, als sie selbst lief. Der Mann hinter dem Tor war nicht viel breiter und größer als Laris. Mit ausgestrecktem Arm brachte er die beiden jedoch zum anhalten. Lena spürte wie sie zu zittern begann.

„Guten Tag.“

Begrüßte Laris die Wache trocken, dieser hatte jedoch nur Augen für die fremde Person. Er begutachtete Lena eine Weile.

„Wen hast du denn da?“, fragte er neugierig und wand Laris erst jetzt den Blick zu.

„Lass uns eintreten“, meinte er mit genau der gleichen Trockenheit wie bei der Begrüßung, ohne auf seine Frage einzugehen.

Laris wollte sie weiterzerren doch der Wächter fasste jetzt nach Lenas Kapuze und riss sie ihr unsanft vom Kopf. Erschrocken und mit großen Augen wich er ein Stück zurück um den Säbel zu ziehen.

„Was denkst du dir eigentlich dabei?“, fauchte er Laris kopfschüttelnd an.

Mit der freien Hand griff er jetzt nach Lenas Kinn und drehte ihren Kopf zur Seite. Ihr ängstlicher Blick traf jetzt Laris.

„Für wie dumm hältst du mich? Was denkst du dir nur dabei hier so etwas anzuschleppen?“

Lena war den Tränen nahe. Dieser Elf fasste ungemein stark zu das es schmerzte.

„Ihr Name ist Lena und sie ist harmlos“, brachte Laris hervor.

„Harmlos? Na sicher. Und das gerade von dir.“

Laris umfasste den Säbelgriff. Die Wache schüttelte den Kopf.

„Das würde ich an deiner Stelle nicht tun“, entgegnete er streng.

Obwohl er nur minimal größer war, beäugte er Lena von oben herab. Jetzt erst hatte Lena den Mut ihr Kinn aus seinem Griff zu befreien. Erschrocken starrte er sie an. So viel Dreistigkeit hatte er sicher nicht erwartet.

„Du kannst gehen wenn du willst, aber die Kleine werde ich augenblicklich zu Moros bringen!“

Entsetzt schaute Laris ihn an.

„Das kannst du nicht machen, sie hat doch niemanden etwas getan.“

„Noch hat sie nichts gemacht, weil ich sie davon abhalten werde.“

Er grinste gehässig und packte sie schroff am Arm, um sie von Laris loszureißen.

„Du zwingst mich zu unschönen Mitteln“, platzte es Laris heraus.

„Dann bin ich wohl gezwungen, mich bei deiner Frau aufzuhalten, wenn Das wieder mit mir passiert.“

Erschrocken ließ der Wachmann Lenas Arm los. Sie jedoch hatte keine Ahnung wovon die Beiden sprachen aber es schien zu wirken. Das breite Grinsen war ihm längst vergangen. Angst spiegelte sich jetzt in seinen Augen wieder. Hatte er etwa doch mehr Furcht vor Laris wie er zugeben wollte. Lena wurde stutzig.

„Du kannst sie nicht mit ins Dorf nehmen“, meinte er jetzt viel ruhiger.

„Moros wird davon erfahren und dann geschieht meiner Frau ganz sicher etwas.“

Beide schauten sich eine Weile schweigend an.

„Schön“, brachte Laris hervor.

„Dann werde ich sie selbst hinbringen, so kann ich sie wenigstens beschützen.“

Lena zuckte zusammen. Was hatten die Leute hier nur für Sitten. Hier her zu kommen war ganz sicher die schlechteste Idee die sie jemals hatte. Sie hätte sich im Wald verkriechen sollen, als Laris geschlafen hat. Das wäre gewiss der beste Ausweg gewesen. Eine Gestalt näherte sich aus dem Dorf. Laris bemerkte sie auch, sah kurz auf, wand sich dann aber wieder er der Wache zu.

„Ich werde deine Frau da nicht mit hineinziehen.“

Der Uniformierte nickte dankend.

„Aber tu es heute noch, ich will nur ungern hier weggehen müssen.“

Nervös blickte er sich um. Laris legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Meine Worte sind aufrichtig“, bestätigte er erneut.

Lena schaute auf. Die Gestalt kam näher. Mit einer schnellen Bewegung hatte Laris ihr die Kapuze wieder aufgesetzt und sie an der Hand wieder nachgezogen. Der Wachmann atmete so laut auf, dass Lena das sogar aus einigen Metern Entfernung noch hören konnte.

„Na hast du wieder einmal Ärger gemacht, weil er dich nicht hereinlassen wollte?“, scherzte die rothaarige Elfenfrau.

Sie war stehen geblieben und stützte die Arme in der Hüfte ab, soweit Lena das aus der Kapuze erkennen konnte. Sie war sich sicher, das dass die Schwester sein musste.

„Loco kam allein und das wunderte mich, dass ich dich einfach suchen musste.“

„Es tut mir leid Elya“, brachte er leise und mit gesenktem Kopf hervor.

„Willst du mir deine Freundin nicht vorstellen?“, nervte sie weiter.

Lena zuckte zusammen.

„Mir wäre es lieber wenn ich das zu Hause mache.“

Laris klang furchtbar traurig.

„Was hast du denn schon wieder?“

Eine Antwort bekam sie jetzt allerdings nicht.

Kapitel 6 - Sein Zuhause

Die drei hatten das leerstehend wirkende, alte Haus schnell erreicht, trotz das es am anderen Ende des Dorfes stand. Diese Siedlung schien nicht besonders viele Häuser zu haben. Dazu standen diese noch ziemlich weit auseinander. Nur ganz vorsichtig schaute sich Lena um. Auf den breiten, festgetretenen Wegen waren keine Leute zu sehen. Lena fragte sich ob es hier überhaupt noch weitere Einwohner gab. Loco, der sich in den Eingang des Hauses gelegt hatte, sprang freudig auf als er sie herankommen sah. Elya hatte den Rest des Weges kein Wort mehr gesprochen. Dieses Schweigen machte Lena nur noch nervöser.

Das Land hier schien nicht besonders fruchtbar zu sein. Sicherlich würden Blumen und Gemüse am Waldrand besser wachsen als hier. Elya lief in den Garten. Die anderen beiden betraten die Wohnküche des Hauses. Die kleinen Fenster machten den Raum nicht besonders hell, trotz das sie ohne Glas waren. Es dauerte eine Weile bis sich Lenas Augen an das fahle Licht gewöhnt hatten. Es dauerte auch nicht besonders lange bis Elya ebenfalls den Raum betrat. Sie hatte einiges Obst und Gemüse in der Hand, welches die auf den massiven Tisch in der Mitte des Raumes ablegte.

„Jetzt bin ich aber mal neugierig“, brachte sie mit ihrer lieblichen Stimme hervor.

Laris atmete tief durch und zog Lena die Kapuze langsam vom Kopf.

Mit den Worten: „Darf ich dir Lena vorstellen“, machte er sie bekannt.

Elya bekam vor Schreck große Augen. Sie riss die Hände über den Kopf, taumelte zurück und prallte gegen den Tisch, so dass einer der Äpfel auf den Boden fiel und in die Ecke rollte.

„Laris!“, schrie sie schon fast.

Lena versuchte durch die Tür zu verschwinden doch er hielt sie am Mantel fest. Die Elfe schaute die fremde Person geschockt an. Ihre Augen wanderten schnell über Lenas Gesicht.

„Sie ist keine von uns, ist dir das nicht aufgefallen? Wo hast du sie her?“

Entsetzt schaute sie ihren Bruder an.

„Ja ich weiß“, brachte er trotzig hervor.

„Lena ist ein Mensch und sie ist harmlos.“

Mittlerweile hatte er den Mantel losgelassen und Lena an sich herangezogen.

„Ein Mensch?“

Elya schaute jetzt verwirrt.

„Es gibt doch gar keine Menschen. Sie soll wieder gehen!“

Elya deutete streng mit dem Finger zur offenen Tür.

„Das geht leider nicht, Elya.“

„Sie soll dorthin gehen wo sie hergekommen ist.“

Ihre Hand zitterte.

„Elya hat recht, das ist sicher das Beste“, äußerte Lena und schaute die rothaarige Elfe traurig an, befreite sich aus der Umarmung und trat nach draußen, doch Laris war sofort hinter ihr.

„Du kannst sie nicht wegschicken, das geht nicht“, schrie er enttäuscht.

Sicherlich hatte er mehr von Elya erwartet. Sie beruhigte sich, indem sie sich am Tisch festkrallte.

Lena schaute in den Himmel. Das leuchtende Blau schien sie heute nicht besonders zu beeindrucken.

„Es war eine sehr schlechte Idee, dass ich dich in euer Dorf begleitet habe.“

Sie zog seine Stiefel aus, ohne sich zu bücken. Laris legte seine Stirn an ihren Hinterkopf. Als Lena noch den Mantel ausziehen wollte, ging er dazwischen indem er sie umarmte.

„Du darfst nicht gehen.“

Sie legte ihre Hände auf seinen Arm, der sie festhielt und fing an ihn langsam zu streicheln. Elya betrachtete das Szenario von der Küche aus. Ihr Herz schlug schneller. Loco war inzwischen wieder ins Haus gelaufen und hatte es sich auf einem der Stühle bequem gemacht.

„Was mache ich denn jetzt?“, flüsterte sie in den Raum uns schaute dabei zu Loco.

Dieser kratzte sich am Ohr, streckte sich und schaute Elya mit seinen Knopfaugen stumm an. Die beiden vor der Tür hatten sich noch nicht von der Stelle bewegt.

„Es tut mir leid Laris.“

Lena waren inzwischen die Tränen gekommen.

„Warum tust du mir das an, Laris?“, schrie Elya aus dem Haus.

Loco sprang erschrocken auf und verließ fluchtartig das Haus. Die Beiden hatten auf ihre Worte keine Reaktion gezeigt. Das pelzige Haustier erklimmte den Mantel und kletterte auf Lenas Schulter. Daraufhin ließ sie Laris mit der einen Hand los und kraulte den kleinen Kerl.

„Siehst du er will auch nicht das du gehst.“

Laris Stimme zitterte. Sie nahm Loco auf den Arm und drehte sich zu ihm um. Vorsichtig wischte er ihr die Tränen weg. Loco kletterte auf seine Schulter hinüber. Seine Augen wurden ebenfalls feucht, doch er hatte sich unter Kontrolle. Sie schwiegen sich eine Weile an.

„Ich kann dich nicht zwingen zu bleiben.“

Seine Stimme zitterte noch immer.

„Aber ich bitte dich zu bleiben.“

Er griff nach ihnen Händen. Elya war inzwischen auf in den Hof gekommen.

„Du weißt gar nicht in welche Gefahr du uns bringst, wenn sie bleibt.“

Laris drehte den Kopf.

„Ich habe Befehl sie zu Moros zu bringen.“

Elya stockte der Atem.

„Damit bringst du sie ja in noch größere Gefahr als sie es hier schon ist.“

Lena erschreckte erneut. Laris hingegen überhörte diesen Satz.

„Wenn er einverstanden ist, dass sie bleibt, bist du es dann auch?“

Er schaute seine Schwester eindringlich an. Sie schien es nicht unbedingt zu wollen aber sie stimmte mit einem Nicken zu. Elya wollte ausweichen doch sie war nicht schnell genug aus dem Weg. Dankbar viel er der Elfe um den Hals. Loco sprang erschrocken ab.

„Ist ja gut.“

Sie klopfte ihm auf die Schulter

„Bring sie erstenmal heil zurück“, flüsterte sie ihm ins Ohr, weil sie die Menschenfrau nicht noch mehr erschrecken wollte.

Der Vierbeiner gesellte sich wieder zu Lena. Die letzten Worte von Elya hatte sie glücklicherweise wirklich nicht verstanden. Laris ließ von der Schwester ab und zog die Stiefel wieder an. Seine Augen hingen wieder an Lena. Sein lächeln jedoch wirkte eher beunruhigend auf sie. Vielleicht war es auch das lächeln einer Person die soeben bekommen hatte was sie wollte.
 

***
 

Er zerrte Lena erneut ins Haus und nahm ihr den Mantel ab. Loco folgte ihnen unauffällig. Lustlos schaute sie sich erneut um und setzte sich auf den Stuhl an der Tür, um den verrutschten Verband zu entfernen. Laris nahm ihr auch den Stofffetzen ab und knüllte ihn in der Hand zusammen. Elya hatte sich dem Feuermachen in einem sehr alt wirkenden Steinofen gewidmet.

„Hast du vielleicht ein Paar Schuhe für Lena“, fragte er sehr vorsichtig um sie nicht zu reizen.

Sie stand auf, wand sich den beiden wieder zu, sagte aber kein Wort.

„Ich habe sie barfuss gefunden“, sprach er weiter.

Elya schaute den Mensch noch einmal genauer an, während sie sich den Staub von den Fingern klopfte.

„Du bist also ein Mensch?“

Ihre liebliche Stimme klang sehr ernst. Lena nickte nur. In diesem Land kam sie sich als Mensch richtig minderwertig vor.

„Wie kommst du hierher?“

Ihre Augen funkelten neugierig.

„Ein Licht hat mich wohl in diese Dimension gezogen.“

Ihre Blicke wanderten vorsichtig zu Laris. Er drückte sie sogleich an sich.

„Ein Licht sagst du?“

Sie überlegte. Sicherlich würde sie ihr kein Wort glauben.

„In letzter Zeit sind diese Lichter häufiger geworden. Das es so eine Art Tor ist wusste ich nicht. Ich habe schon einige beobachten können.“

Überrascht schaute Lena die Elfe an.

„Die Legende erzählt, dass schon einmal ein Mensch diese Welt durch so ein Tor betreten hat und dieses Reich dem Untergang weihen wollte. Als diese Lichter wiederkamen flohen einige Leute aus der Stadt.“

Erschüttert schaute Lena wieder zu Laris doch dieser zuckte

nur mit den Schultern.

„Es ist doch nur eine Legende. Lass mich deinen Fuß mal ansehen“, lenkte sie plötzlich ab.

Vorsichtig tastete sie den verletzten Fuß ab. Lena biss die Lippen zusammen. Der Schmerz schien wieder gewachsen zu sein. Die Rothaarige sprang wieder auf und verschwand im Nebenzimmer.

„Hast du nicht von weiteren Toren gewusst?“, fragte Lena Laris überrascht.

Dieser jedoch schüttelte nur den Kopf. Er küsste sie auf die Schläfe, solange sie noch unbeobachtet waren. Mit einem Paar Schlappen, einem Tontopf und einem Stofffetzen kam sie wieder. Laris hielt sofort wieder Abstand, obwohl er sich sicher war, dass sie ihn erwischt hatte. Elya sagte nichts. Im Topf hatte sie eine Paste die angenehm nach Kräutern roch. Als sie den Deckel öffnete, erfüllte dieser Geruch schon fast die gesamte Küche. Lena hob die Nase und atmete tief ein. Dieser Duft wirkte auf eine Weise sehr angenehm entspannend. Mit zwei Fingern schmierte sie ihr etwas von dieser Paste an den Fuß. Sofort zeigte sich die Wirkung in Form eines Ziehens und einer angenehmen Wärme. Elya band den neuen Stofffetzen fachmännisch fest und begutachtete Lenas Ohren, als sie sich wieder aufgerichtet hatte. Leicht verschämt wand der Mensch den Kopf ab.

„Du solltest ihn jetzt ein bisschen schonen“, brachte sie mit einem lächeln hervor.

„Ich fürchte das geht nicht“, warf Laris ein.

„Wir müssen sofort los.“

Lena schlüpfte vorsichtig in die Schlappen, die nur von einem Strick zwischen der großen und der nächsten Zehe gehalten wurden. Diese Art von Schuhe kannte sie von Zuhause, nur waren diese hier um einiges rustikaler. Sie stand vorsichtig auf und wand ihren besorgten Blick zu Laris.

„Lass uns gehen“, äußerte Lena traurig.

Der Elf nickte. Elya schaute betroffen, aber was sollte sie machen.

„Wollt ihr nicht erst einmal etwas essen?“, versuchte Elya die beiden noch etwas abzuhalten.

„Na schön.“

Laris ließ sich überreden.

„Ich will euch nicht im geringsten zur Last fallen.“

Lenas Worte schienen die beiden Elfen zu beleidigen. An der Kleidung der Beiden war schon gut zu erkennen, dass sie nicht besonders vermögend waren. An den Garten mochte sie dabei gar nicht denken. Laris schaute seine Schwester mit eigenartigem Blick an. Diese setzte sich sofort in Bewegung und verschwand wieder Nebenan.

„Unser Volk teilt, auch wenn es nicht das reichste ist. Wir waren noch nie abweisend anderen Rassen gegenüber!“

Mit strengem Blick schaute er sie an. Betreten starrte Lena zu

Boden und brachte ein leises

„Tut mir leid“, hervor.

Wieder standen beide allein in der Küche. Der Elf stellte sich wieder näher an sie heran. Als er sie gerade küssen wollte, betrat Elya den Raum abermals. Genervt trat er abermals zurück.

„Ich hatte eben erst vor zu backen, deshalb kann ich euch jetzt nur Obst anbieten.“

Laris griff sofort zu. Lena hingegen zierte sich, so dass er für sie den Apfel nahm. Die beiden rotengelben Äpfel waren das erste, was Lena nicht fremd vorkam. Mit einem Lächeln nahm sie Laris den kleineren ab. Ohne ein weiteres Wort zog er Lena wieder zur Tür hinaus. Das laufen war in diesen Schuhen um einiges einfacher als in seinen Stiefeln. Loco hüpfte den beiden nach, wurde aber von Elya zurückgepfiffen. Sofort blieben die beiden wieder stehen. Loco setzte sich auf den Weg und wartete darauf das sein Herrchen ihn rief, doch das tat er nicht. Die schnappte sich den kleinen Kerl und schaute den beiden nach.

„Ich hoffe nur ihr kehrt beide heil wieder zurück“, flüsterte sie und trug Loco wieder ins Haus zurück.

Er versuchte ihr zwar zu entkommen indem er sich heftig wehrte – jedoch vergebens.

Kapitel 7 - Die Burg

Sie folgten dem Weg ein ganzes Stück als plötzlich jemand genau vor ihren Füßen den Weg überquerte. Lena bremste abrupt ab. Ein Elfenjunge jagte an ihnen vorbei seinem Ball hinterher. Verwundert blieb er jedoch stehen und begutachtete die fremde Person. Seine Augen wurden groß. Lena schluckte und krampfte sich an Laris Hand fest. Er zog sie rasch weiter. Der Kleine schien keine besonders große Angst zu haben. Hastig versuchte sie so gut es ging ihre Ohren mit ihren Haaren zu verdecken aber ihr rundliches Gesicht konnte sie damit nicht verbergen. Die Gesichter der Elfen wahren recht schmal. Egal was sie tat, sie würde mit ihrem auffallen.

„Habe keine Angst“, versuchte Laris sie zu beruhigen.

„Es ist so wie du sagtest, sie kennen dich nicht, sie sind alle voreingenommen.“

„Langsam komme ich mir hier so vor, als wäre ich ein Monster.“

Laris schaute sie entsetzt an.

„Auf keinem Fall! Ich finde dich sehr hübsch.“

Er wurde rot und schaute zu Boden. Beruhigt, dass sie wenigstens einen auf ihrer Seite hatte, schaute sie endlich gerade aus. Vor ihnen schien schon eine ganze Weile eine Imposante Burg größer zu werden.

„Wow“, brachte sie verblüfft hervor. Auch Laris schaute jetzt auf.

„Die ist ja wunderschön.“

„Ja!“, war seine kurze Antwort darauf.

Lena wollte stehen bleiben und sie sich noch etwas genauer anschauen aber Laris zog sie weiter.

„Du hast es aber besonders eilig.“

Lena klang richtig sauer.

„Verstehe mich bitte nicht falsch, aber ich möchte hier schnellstmöglich wieder weg.“

Die zierliche Frau schüttelte verständnislos den Kopf.

„Langsam würde es mich aber einmal interessieren was hier so furchtbares vorgefallen ist.“

Erwartungsvoll schaute sie zu Laris. Dieser schwieg allerdings wieder nur. Lena riss sich los und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Mach ruhig so weiter“, sagte sie sichtlich beleidigt und lief weiter neben ihm her.

„Du wirst verstehen was ich meine wenn wir erst mal drin sind.“

Sein Blick wurde zusehends unglücklicher. Ab jetzt hielt Lena den Mund. Sie wollte ihn nicht noch mehr entmutigen, wie er ohnehin bereits aussah. Vorsichtig fasste sie wieder nach seiner Hand. Erleichtert atmete er auf. Es schien ihn etwas zu beruhigen ihre warme Hand zu spüren.
 

***
 

Als sie die Burg erreicht hatten standen sie vor einer riesigen Steinbrücke. Sie war etwa zwei Meter breit. Außer dieser Brücke führte kein Weg zu der Burg hinüber. Um ihr herum klaffte ein breiter Abgrund. Sie hatten sicher das Ende dieser Insel erreicht und hier waren die Klippen. Lena konnte das Meer sehen.

Mit bittendem Blick brachte sie Laris dazu anzuhalten. Neugierig schaute sie über das Geländer. Unten war es recht dunkel. Dadurch konnte sie auch die genaue Tiefe nicht ermitteln. Jedenfalls schien es sehr tief zu sein. Von unten ragten spitze Steine herauf. Wenn man hier hinunterstürzen würde, wären die Überlebenschancen sicher gleich Null. Die Burg selbst stand wohl auch auf solchen Steinen. Diese mussten ungefähr die Höhe der Klippen haben.

„Ich frage mich wie sie diese Burg überhaupt bauen konnten.“

Neugierig wand sie sich an Laris. Dieser zuckte nur mit den Schultern. Er schien sich darüber noch nie Gedanken gemacht zu haben.

„Bringen wir es hinter uns“, wollte Lena jetzt weiter. Erleichtert lächelte er sie zaghaft an. Er schien sich hier wirklich nicht im geringsten wohl zu fühlen. Seine Blicke gingen nervös umher. Sicherlich fühlte er sich extrem beobachtet. Am Tor standen zwei Wachen - eine rechts und eine links. Neben dem großen Holztor gingen zwei Treppen hinauf welche zu einem weiteren, kleineren Tor führten, das genau über dem großen saß. Das kleinere schien für die Fußgänger zu sein. Ängstlich klammerte sich Lena an seinem Arm fest als sie die linke Treppe bestiegen. Oben am Tor standen ebenfalls zwei Wachen.

„Na wieder Ärger gemacht?“, rief ihnen einer der beiden spöttisch zu.

Als er Lena jedoch sah schwieg er.

„Mir wurde befohlen hier her zu kommen!“

Seine Stimme klang sehr ernst.

„Uns wurde von einer Fremden berichtet, Moros erwartet euch bereits.“

Er grinste sie gehässig an. Lena schaute zu dem anderen Soldaten der bis jetzt noch kein einziges Wort gesagt hatte. Sofort sah er auf den Boden. Als sich der erste in Bewegung setzte um das Tor zu öffnen tat es ihm der andere gleich und ging ihm zur Hand.

Sie folgten einem dunklen Gang. Hin und wieder kamen ihnen weitere Wachen entgegen. Lena schaute sich um. Ob es hier wohl auch Frauen gab? Sie traute sich nicht Laris danach zu fragen. Sicher fühlte er sich hier schon unwohl genug. Seine Schritte wurden langsamer. An den kahlen Steinwänden hingen Teppiche und auch einige Rüstungen standen hier. Lena gefielen diese Rüstungen. Sie waren um einiges anders wie die, die sie schon in Museen anschauen konnte. Vor ihnen tauchte ein breiter Eingang auf, der nur von einem festen roten Vorhang versperrt war. Laris holte tief Luft. Dann zog er ihn mit einem Ruck zur Seite. Im dahinter liegenden Raum war es auch nicht heller. Die kleinen Fenster gaben dem Sonnenlicht kaum Chancen. Beide standen wie verloren in der Finsternis, bis sie eine Stimme vernahmen.

„Man sagte mir du hast einen Menschen aufgegriffen?“

Seine Stimme klang sehr tief. Lena wagte es nicht ihn anzuschauen.

„Als aufgegriffen würde ich das nicht bezeichnen, sie...“

„Halt den Mund!“

Er ließ Laris nicht einmal ausreden. Lena wurde es himmelangst. Schroff fasste er ihr ans Kinn und drehte Ihren Kopf so weit nach oben das er ihr in die Augen schauen konnte. Er hatte sehr große Hände und musste auch im Ganzen recht groß sein. Lena jedoch kniff krampfhaft die Augen zu.

„Da hast du mir ja ein besonders hübsches Exemplar mitgebracht.“

Er bewegte ihren Kopf hin und her.

„Schau mich gefälligst an, Mensch!“, fing er an zu fluchen.

Sie öffnete langsam die Augen und fuhr vor Schreck zusammen. Was sie sah, war auf keinen Fall ein Elf. Zwei blutunterlaufene Augen starrten sie aus einem schon fast hässlich wirkenden Gesicht an. Seine Knollnase wirke riesig. Lena begann zu zittern. Sein breites, grauenhaftes Grinsen wies schiefe Zähne auf.

„Was mache ich jetzt nur mit dir?“

Diese Formulierung gefiel weder Laris noch Lena.

„Ich bin nur hier um zu beweisen das sie harmlos ist und werde sie wieder mitnehmen.“ Soviel Mut hätte sie Laris nicht zugetraut.

„Ach, wirst du das?“

Jetzt erst widmete er sich ihm.

„Deine Stellung in Senos ist nicht die beste das ist dir sicherlich klar.“

Laris senkte den Kopf.

„An deiner Stelle würde ich mich zusammenreißen. Ich werde sie hier behalten, mal sehen was ich weiterhin mit ihr mache“.

„Nein!“, schrie Laris ihn an und zog seinen Säbel.

Sofort tauchten aus den dunklen Ecken dieses Saales weitere Soldaten auf und zogen die Waffen.

„Tz tz..., willst du wirklich hier und jetzt sterben, Laris?“

Dieser Mistkerl ging einige Schritte zurück und nahm die Arme hinter den Rücken.

„Dann versuche dein Glück. Wenn du mich angreifst sollte dir allerdings klar sein, das weder du noch dieser Mensch hier lebend herauskommen.“

„Es tut mir leid Lena.“

Laris war den Tränen nahe.

„Es war die allerdümmste Idee, die ich jemals hatte, dich hier herzubringen.“

„Lena ist also dein Name“, mischte er sich ein.

„Töte mich doch!“, brüllte er Moros an.

„Meine Eltern hast du ja schon auf dem Gewissen!“

Lena schaute erschrocken zu ihm hinüber. Warum hatte er sie nur trotz diesem Vorfall hier her mitgenommen... Laris zitterte vor Wut.

„Ach nein...“

Der Tyrann lief mit verschränkten Armen vor ihnen auf und ab.

„Wenn ich dich jetzt auch noch umbringen lasse wo bleibt denn da mein Vergnügen

dich leiden zu sehen?“

Dieser Kerl schien nicht ganz dicht zu sein. Lenas Blick traf den seinen und sie versuchte böse zu schauen. Dieser Versuch ließ ihn jedoch vollkommen kalt. Seine Blicke blieben hart. Der Dicke Vorhang wurde zur Seite geschoben und ein weiterer Bewohner mit diesem abscheulichen Gesicht betrat den Raum. Er jedoch war kleiner wirkte um einiges jünger.

„Siehst du nicht das ich Besuch habe?“, maulte er den anderen an.

Der vollkommen verängstigte Elf drehte hektisch seinen Kopf. Die Gestalt in der Tür grinste breit.

„Laris mal wieder, wie? Hat er erneut versucht zu fliehen?“

„Verschwinde Narkis, was auch immer du wieder für ein belangloses Problem hast, wir

klären das später!“

Stinksauer verließ dieser wieder den Saal. Der König dieser Stadt schien wirklich alle zu schikanieren. Es war nicht gerade eine Genugtuung für Lena, aber immerhin etwas. Dieser Zwischenfall eben, und war er noch so klein, schien diesen Besessenen irgendwie durcheinander gebracht zu haben.

„Ich habe keine Lust mehr mich mit euch herumzuärgern.“

Dieser Narkis schien ihm wohl doch wichtiger zu sein.

„Verschwindet und sollte ich es mir anders überlegen... ich weiß ja wo ich euch finde.“ Lena fiel ein Stein vom Herzen. Fluchtartig verließen sie den Saal. Narkis stand immer noch neben dem Eingang und schaute sauer.

„Kommt nicht auf die dumme Idee Senos zu verlassen“, schrie er ihnen nach.

„Denke an deine Schwester!“

Beide stürmten den Flur entlang ohne sich umzuschauen. Sie bekamen also auch nicht mit wie dieser Verrückte den beiden bis zum Tor folgte. Aus eigener Kraft schob Laris einen der Torflügel auf. Die beiden Wachen davor schauten nicht schlecht, als der Elf und die Menschenfrau einfach wieder gehen durften. Sicherlich hatten sie damit gerechnet, dass sie das Mädchen niemals wieder sehen würden. Die beiden stürmten die Treppe hinunter. Laris nahm Lena wieder an die Hand, nur konnte sie mit diesen Schuhen nicht das Tempo halten. Noch bevor sie die Brücke überquerten, nahm er sie überglücklich in die Arme.

„Du hättest dich wirklich mit eurem König angelegt und das nur meinetwegen?“

Lena war wirklich überwältigt. Schließlich kannten sich die beiden erst einen Tag – wenn überhaupt. Der Elf schien sich erst einmal wieder beruhigen zu müssen. Sicherlich hatte er jetzt eine Heidenangst gehabt und das nicht nur ihretwegen. Oben am kleinen Tor stand immer noch Moros. Die beiden merkten das jedoch nicht. Die Wachen standen regungslos und sagten kein Wort, seiner Entscheidung wegen, schließlich wollten sie sich nicht mit ihrem Anführer anlegen.

„Sie wird nicht entkommen“, murmelte er ohne einen der beiden Wachmänner anzuschauen.

„Ihr werdet sie einfangen wenn ich den Befehl gebe. Sie wird mir schon sagen was sie weiß...!“

Kapitel 8 - Ruhe vor dem Sturm

„Diese Moros ist kein Elf, richtig?“

Die beiden hatten das Dorf längst wieder erreicht, bevor sie ihm diese Frage stellte.

„Nein, Moros ist ein Troll.“

„Ein Troll? Warum bin ich da nicht gleich darauf gekommen.“ Sie schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.

Sein Aussehen kannte sie ebenfalls aus den Kinderbüchern genau wie sein Verhalten.

„Warum habt ihr denn einen Trollkönig?“

Verwundert blickte sie Laris an.

„Denkst du wirklich das wir diesen Mann zum Anführer wollten?“

Sie blieb stehen.

„Ich hab doch keine Ahnung was hier vorgefallen ist. Wenn du nicht darüber reden willst - in Ordnung - ich werde keine weiteren Fragen dazu stellen.“

„Die Trolle haben diesen Ort eingenommen“, begann er nun roch zu erzählen. „Viele Male hat Sesár, unser eigentlicher König, versucht mit ihnen zu verhandeln – allerdings vergebens. Angeblich würde es hier etwas geben, was sie unbedingt benötigen würden, nur habe ich keine Ahnung, was das sein soll und gefunden haben sie es scheinbar auch noch nicht. Vielleicht hat er auch einfach nur Spaß daran andere zu quälen.“

Entsetzt riss Lena die Augen auf.

„Wie furchtbar.“

Tröstend legte sie ihren Arm um seine Hüfte.

„Was haben sie mit eurem König gemacht?“

Diese Frage brannte ihr jetzt einfach auf der Seele.

„Sie hielten ihn in Moros Königreich gefangen, ob er noch am Leben ist, weiß keiner. Niemand von uns darf in diese Stadt hinein. In Oryeras allein gibt es schon genügend Krieger um diese Siedlung, vollständig auszulöschen. Von Stadt kann man ja nicht mehr sprechen.“

„Ich habe Angst“, hauchte Lena.

Ihre Hände waren eiskalt. Sie war jedoch stehen geblieben weil ihr der Fuß wieder Probleme machte. Erst jetzt sah sie wie schlimm diese Trolle hier gewüstet haben mussten. Einige der Häuser waren so defekt, dass sie niemand mehr betreten konnte. Sicherlich hatten sie auch einiges niedergebrannt weil es zudem auch jede Menge Schutthaufen gab. Sie schaute entsetzt um sich, bis sie bemerkte, dass sie die ganze Zeit schon beobachtet wurden. Eine Elfenfrau schaute gerade in diesem Moment aus dem Fenster. Auch dieses wies kein Glas auf. Sie war offenbar gerade damit beschäftigt, Wäsche zu waschen. Die ganze Zeit schon, schien sie in der Bewegung verharrt zu sein. Erst jetzt wo Lena zurückblickte, widmete sie sich wieder vollends ihrer Arbeit. Etwas hinausrufen oder gar in Panik verfallen, tat sie jedoch nicht. Lena wollte diese Frau nicht länger nervös machen, also lief sie wieder zu Laris.

„Wo sind die ganzen Einwohner ?“

Ihren fragenden Blick wand sie an ihn.

„Einigen gelang es, Senos zu verlassen, aber die meisten starben.“

Langsam näherten sie sich wieder ihrem Haus. Von dieser Seite aus gesehen schien es nicht ganz so verlassen zu wirken. Einige wenige Blätter kletterten an der maroden Hauswand empor. Loco hatte die beiden schon von weitem gesehen und raste ihnen wie ein Wirbelsturm entgegen. Er hüpfte auf Laris zu, erklimmte seine schmale Seite und sprang ihm auf die Schulter. Sofort graulte er den haarigen Kerl durch. Lena war erleichtert, dass Laris wieder lächelte. Jetzt musste Lenas Schulter wieder herhalten. Der dünne Ärmel ihres Nachthemdes, was sie immer noch trug, hielt seinen Krallen jedoch nicht stand und riss. Sofort nahm Laris ihr den Kleinen wieder ab um Schlimmeres zu vermeiden. Lenas Schulter war jetzt nicht mehr bedeckt und genau diese Gelegenheit nutzte der Elf um sie dort zu berühren. Er setzte Loco auf dem Boden ab. Beide standen auch jetzt noch genau auf der Straße, was Lena fürchterlich unangenehm war.

„Lass das“, flüsterte sie.

Ruckartig hielt sie die beiden Enden wieder zusammen und schaute sich um. Allerdings gab es hier kaum noch jemanden der sie beobachten konnte.

„Wir sollten Elya endlich offenbaren das du mich wieder lebendig mitgebracht hast.“ Lächelnd stupste sie Laris mit dem Zeigefinger am Kinn, da er gerade versuchte sie auf die Schulter zu küssen. Der kleine Junge war ebenfalls nicht mehr auf der Straße zu sehen. Als sie das Haus betraten, war auch Elya nicht ausfindig zu machen.

„Sie ist sicherlich bei Venja“, stellte er fest.

„Sie ist die Frau von der Wache am Tor zum Wald.“

Lena erinnerte sich an Laris´ drohenden Worten ihr gegenüber.

„Sie schafft es nicht mehr alleine. Die Arme ist seit einigen Jahren blind.“

Lena runzelte die Stirn.

„Hattest du wirklich vor, eine arme, hilflose, blinde Frau zu bedrohen?“

Sie schüttelte den Kopf. Laris biss sich verschämt auf die Oberlippe und schwieg.

„Du solltest dich wirklich schämen.“

„Das hätte ich niemals getan“, platzte es aus ihm heraus. „Niemals!“

Im selben Moment öffnete sich die Tür. Es war Elya, die beide mit einem überglücklichen Gesicht Begrüßte.

„Ihr seid beide zurück, wie schön – wie auch immer ihr das fertiggebracht habt.„Ich komme gerade von Venja“, plauderte sie munter weiter.

Plötzlich schaute sie jedoch erschreckt zu Lena. Diese stand neben dem Tisch und hielt noch immer ihre Schulter.

„Was ist passiert?“, brachte sie stockend hervor.

„Mit mir ist alles in Ordnung. Mach dir keine Sorgen. Dieser abscheuliche Troll hat mir nichts getan. Mir ist nur auf dem Rückweg mein Ärmel gerissen, sonst nichts.“

Sie ließ Ihn los und Ihre Schulter war wieder frei.

„Ich hatte noch nicht die Möglichkeit das wieder zu reparieren.“

„Loco sprang sie an und hat ihn dabei zerrissen“, brachte Laris ordnungsgemäß hervor.

„Langsam solltest du wirklich versuchen diesen Haudegen endlich etwas zu erziehen.“

Ihr strenger Blick richtete sich gegen Laris, doch dann lächelte sie.

„Das ist nicht das erste mal das er Sachen zerreist oder kaputt macht musst du wissen. Ich gebe dir erst einmal etwas von mir.“

Lena lächelte dankbar. Erst jetzt rochen die beiden den Duft des frisch gebackenen Brotes. Die ganze Zeit war Lena voll von Angst aber jetzt übermannte sie der Hunger, aber danach zu fragen traute sie sich nicht. Elya verschwand wieder einmal nebenan. Der Elf konnte sich jetzt nicht länger zurückhalten und umarmte Lena wieder sehr innig. Die eine Hand hatte er wieder auf ihrer nackten Schulter. Irgendwie schien ihm das zu gefallen. Auch als Elya den Raum wieder betrat ließ er nicht von ihr ab. Die Elfe hatte etwas in der Hand, das dem was sie trug, sehr ähnlich sah. Lena befreite sich aus der Umarmung – jedoch nicht etwa weil sie das nicht mochte!

„Besteht vielleicht die Möglichkeit, dass ich mich irgendwo waschen kann?“

Vorsichtig schaute sie zu Elya. Diese reichte ihr das Kleid. Sie hatte in etwa die selbe Figur.

„Wenn dich ziemlich kaltes Wasser nicht stört, im Garten hinter dem Haus ist eine Dusche.“

Lena war überrascht. Kannten die Leute hier so etwas wie duschen?

„Ich werde sie dir zeigen“, bot sich Laris sofort an.

Elya schmunzelte nur.
 

Wolken hatten mittlerweile den Himmel abgedeckt um es den letzten Sonnenstrahlen schwer zu machen, die Erde zu berühren. Nur an wenigen Stellen leuchtete der Himmel noch in seinem wunderschönen hellblau. Die genannte Dusche war eine interessante Konstruktion aus Holz und Seilen. Sie stand zwischen den trockenen Beeten und Bewässerungsrinnen die in alle Richtungen führten. Hier wurde das Wasser noch sinnvoll genutzt und nicht verschwendet wie Zuhause, dachte sie sich. Vier Stützen hielten dieses Gebilde und ab etwa der Höhe des Knies waren Bretter angebunden um zu verdecken. Nägel und sämtliche anderen Sachen schien es hier ebenfalls nicht zu geben. Um diese Dusche zu betreten musste man also unten hineinkriechen. Oben auf diesem Kasten war ein großes Fass festgemacht. Regenwasser hatte da oben sicher eine guten Sammelplatz. Während sich Lena diese Erfindung genauer anschaute, griff Laris erneut nach ihrer Hand.

„Ich bin so froh das du hier bist“, flüsterte er.

Lena schluckte. Sie wäre jetzt viel lieber wieder zuhause aber sie konnte es sich eben nicht aussuchen.

„Ich werde dir noch etwas zum abtrocknen holen“, äußerte er plötzlich und verschwand im Haus.

Diese Gelegenheit nutzte Lena sofort um in dem Kasten zu verschwinden. Sie zog rasch ihr Nachthemd aus und hängte es und das neue Kleid über einen der Stäbe, die in der Erde steckten. Sie waren wohl für Pflanzen gedacht, die etwas höher werden sollten. Die Schuhe lies sie daneben stehen. Das Land hier sah so trocken aus das sie so wenig wie möglich von diesem Wasser verschwenden wollte. Eine einfache Bewegung am Hebel der sich innen befand schien das Wasser freizusetzen. Es dauerte eine Weile bis sich ihre Augen an das Licht in der dunklen Kiste gewöhnt hatten. Plötzlich fühlte sie sich beobachtet. Der Elf war ganz bestimmt in der Nähe. Lena störte das nicht im geringsten. Sie zog vorsichtig an dem großen Hebel. So kalt wie Elya das Wasser beschrieben hatte, war es jedenfalls nicht. Den ganzen Tag waren sie herumgelaufen und sie musste zugeben, dass sie auch vor Angst geschwitzt hatte, das ihr das kalte Wasser jetzt richtig gut tat Dann hörte sie seine Schritte. Laris musste genau neben der Dusche stehen. Sie schob den Hebel wieder nach oben, welcher nach unten um einiges leichter ging. Als sie das Wasser zudrehte ging er einige Schritte zurück. Sie konnte seine Füße sehen und ganz bestimmt sah er auch ihre unbekleideten Beine Doch um das Tuch zu hinterlegen und wieder zu gehen, machte er keine Anstalten. Lena war das egal. Sie mochte diesen Kerl, egal wie flüchtig sie sich kannten. Lena atmete kurz durch und lugte unter dem letzten Brett hervor. Sehen konnte sie jedoch nur, dass er den Stoff mit ausgebreiteten Armen aufhielt. Lena kroch unter der Duschwand hervor und konnte jetzt erst sehen, dass er sogar die Augen geschlossen hielt. Dieser Kerl hatte doch mehr Anstand als sie zunächst vermutet hatte. Sie stellte sich genau vor ihn. Noch immer hatte er die Augen geschlossen. Es schien, als genoss er den Augenblick. Lena nahm ihm das Tuch jedoch nicht ab. Stattdessen umarmte sie ihn am Nacken. Laris zuckte zusammen, ließ den Stoff jedoch nicht fallen. Lena lies sofort los. Hatte sie doch vergessen, dass er dort doch so empfindlich war.

„Entschuldige“, hauchte sie unsicher.

Laris lächelte sie an und umschloss sie mit dem Tuch. Dabei war er ihr jetzt so nah, dass er sie einfach wieder küssen musste. Liebevoll hielt sie sein Gesicht. Seine Wangenknochen warfen einen interessanten Schatten. Jetzt erst merkte sie, dass sie den Verband noch am Fuß hatte. Dieser war jetzt natürlich vollkommen durchgeweicht.

Wind kam auf und es wurde unangenehm kalt.

„Lass uns wieder hineingehen“, bat Lena.

Gänsehaut machte sich auf ihr breit. Sie griff nach den Enden des Tuches und schlüpfte in die Schuhe. Laris griff nach ihrem Hemd und dem Kleid von Elya und lief ihr voraus.

„Ich hoffe die Dusche hat nicht wieder Probleme gemacht.“

Die Elfenrau drehte ihr Schulterlanges Haar dezent zusammen. Laris hatte seines jetzt schon den ganzen Tag offen, aber es schien ihm nicht im geringsten zu stören. Sein Haar war wirklich ungemein lang wie Lena bemerkte.

„Ich schätze das Dach ist mal wieder undicht“, richtete Elya ihre Worte an Laris.

„Ich würde vorschlagen du gehst schlafen, ich brauche dich morgen ausgeruht.“

Laris nickte.

„Jetzt kann ich euch auch Brot anbieten.“

Elya schmunzelte.

„Es ist nichts besonderes aber es macht satt.“

Sie drückte Laris fast das halbe Brot in die Hand. Überrascht schaute dieser auf. Elya zuckte mit den Schultern.

„Ihr wart den ganzen Tag unterwegs, ich finde ihr habt euch ein anständiges Abendbrot verdient.“

Der Duft stieg beiden in die Nase.

„Ich weiß gar nicht wie ich mit deiner Gastfreundlichkeit umgehen soll“, äußerte Lena überrascht.

„Ich weiß gar nicht wie ich das wieder gutmachen soll...“

Laris zog sie jedoch weiter.

„Schon gut“.

Elya schaute glücklich.

„Das tust du doch bereits...“, flüsterte sie ihr noch nach, doch verstanden hatten sie es sicher nicht, weil diese alte Treppe so laut knarrte.

Oben ging die starke Holztür zu und Elya widmete sich Loco. Er saß ihr wieder auf einem der Stühle gegenüber und schaute sie mit seinen Knopfaugen an.

„Ich freue mich so, Kleiner“, sprach sie ihn an.

„Er scheint seine Hemmschwelle endlich überwunden zu haben. Auch wenn es eine völlig Fremde ist, und dazu auch noch ein Mensch, den es gar nicht geben dürfte.“ Elya schniefte. „Ich hoffe nur, dass auch diese Sachen endlich aufhören.“

Loco sprang vom Stuhl und wollte den beiden folgen.

„Komm her Kleiner. Ich schätze es ist diese Nacht besser, du bleibst hier bei mir.“

Sie lächelte ihn an und schaute kurz nach oben. Loco blieb verwirrt stehen. Wollte sein Herrchen ihn etwa nicht mehr bei sich haben. Hatte er ihn nicht mehr lieb? Das war das erste mal das Loco auch auf sie hörte. Er hüpfte mit schnellen Sprüngen auf Elya zu. Sie nahm ihn auf den Arm und folgte ebenfalls der schmalen Treppe nach oben, verschwand allerdings in der nächsten Tür.

Kapitel 9 - Zweisamkeit

Laris´ Zimmer war sehr spärlich eingerichtet. Wozu sollte er auch einen Schreibtisch oder der gleichen besitzen, wo sie nicht einmal wusste ob er überhaupt schreiben konnte. Verstehen konnte sie ihn jedenfalls auch ohne sehr gut – Im Gegensatz zu manchen Personen, zu hause, die beim reden einfach die zähne nicht auseinander brachten. Die Decken im gesamten Haus schienen nicht besonders hoch zu sein. Sicherlich waren Elfen nicht viel größer als Laris selbst. Einer von den Stühlen stand am kleinen Fenster. Es hatte den Anschein, dass es hier gar kein Glas gab - oder waren alle Fenster etwa eingeschlagen worden?... Lena war immer noch in dieses Tuch gehüllt. Der Elf brach das Brot in etwa zwei gleich große Hälften und gab ihr eine davon. In einer der Ecken war ein Lager aus Heu und Decken angelegt. Diese Trolle schienen den Leuten hier wirklich alles genommen zu haben. Lena ging zum Fenster. An einer freien Stelle am Himmel schimmerte der Mond durch die Wolken. Von hier aus konnte sie ebenfalls das Meer sehen. Das Spiegelbild des Mondes zeichnete sich in sehr vielen Wellen ab.

„Wunderschön...“, flüsterte sie.

Laris legte ihre Sachen auf dem Stuhl nieder und stellte sich hinter sie. Er faltete seine warmen Hände auf ihrem Bauch zusammen - mehr würde er sich sicher nicht trauen - und legte ihr seinen Kopf auf die Schulter. Sein spitzes Ohr kitzelte Lena dabei am Kopf und sie musste unweigerlich wieder danach fassen.

„Ich muss gestehen, dass ich mir bis jetzt nicht viel aus diesem Ausblick gemacht habe.“

Lena streichelte ihn vorsichtig die Schläfe.

„Vielleicht solltest du jetzt wirklich schlafen gehen“, meinte sie ohne an der Stimmung zu kratzen. Er wand sich ab und zog seine Weste aus.

„Ich danke dir was du bis jetzt für mich getan hast“, flüsterte Lena.

Sie drehte sich zu ihm um und sah einen Mann, der die Arme nach ihr ausstreckte, um sie heranzubitten. Lena ging stattdessen auf den Stuhl zu, auf dem ihre Sachen lagen und zog sich ihr Nachthemd, Laris den Rücken zugewandt, erneut über. Mit dem Brot in der Hand, lies sie sich neben ihm nieder. Es duftete himmlisch. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie hungrig sie eigentlich war. Mit wenigen Bissen hatte sie ihre Hälfte auch schon verschlungen. Obwohl es nur trockenes Brot gewesen war, war es auch ohne Belag sehr schmackhaft gewesen. Der Elf schaute überrascht, dass die Zierliche Frau ihre Hälfte so schnell verspeist hatte.
 

„Lass uns schlafen gehen.“

Laris begannen so langsam auch die Augen zuzufallen. Für heute hatte er wirklich genug.

„Was hast du eigentlich an deinem Nacken?“, fragte Lena dennoch.

Laris senkte jedoch den Kopf und schwieg, worauf Lena erneut ihre Hand auf seinen Kopf legte. Zurückhaltend schaute er sie an.

„Hast du dort Schmerzen?“, erkundigte sie sich zaghaft, was ja eigentlich eindeutig war, doch er schüttelte langsam den Kopf.

Lenas Hand bewegte sich langsam nach hinten gen Nacken und der Elf schloss wieder die Augen. Je weiter sie nach hinten kam, desto fester kniff er sie zu.

„Ich tu dir nicht weh“, beteuerte sie leise.

Doch bei den ganzen Haaren konnte man allerdings nichts genaueres fühlen. Lena war klar, dass er auch darüber nicht reden wollte. Sie wollte ihn ja auch nicht mit lästigen Fragen quälen, also hörte sie auf. Sofort machte er die Augen wieder auf. Etwas enttäuscht darüber, dass er ihr nicht vertraute, brachte sie kein Lächeln über die Lippen, als er ihr in die Augen schaute. Laris ließ sich auf sein Lager nieder und wartete bis sie es ihm gleich tat.

„Na schön“, fing er plötzlich doch zu erzählen an.

Hatte er vielleicht Angst sie würde wieder nach unten gehen oder dergleichen...

„Ich hatte einen Unfall...“

Lena rückte näher neben ihn.

„Ich habe einen starken Schlag in den Nacken bekommen... Ich bin vorsichtiger geworden... vielleicht zu vorsichtig.“

Diese Sache schien ihn wirklich sehr zu beschäftigen. Mit Ihren Augen tastete sie sein Gesicht ab. Irgendwie wirkte er jetzt recht verloren. Behutsam fasste sie Laris ans Kinn und küsste ihn. Sein erleichtertes schniefen, sicherlich der Fragerei wegen, vernahm Lena sehr deutlich. Während sich die beiden noch küssten, legte sich Lena zurück. Das ganze Zimmer war von einem angenehmen frischen Duft erfüllt – jedoch war es nicht im geringsten kalt. Sie drehte sie sich auf den Rücken und starrte an die rissige Decke.

„Ich hoffe nur ich komme wieder nach Hause.“

Lena wurde traurig. Die ganzen Erlebnisse die sie in der kurzen Zeit bis jetzt hatte, schienen ihr zu Hause in den Hintergrund rücken zu lassen. Laris rutschte näher und legte seinen Arm um sie.

„Ich möchte aber nicht das du gehst.“

Lena schloss die Augen um ihre Tränen zu verdecken und sprach nicht weiter. Schließlich wollte sie die Stimmung nicht noch tiefer herunter ziehen. Allerdings war sie schon ein bisschen gespannt, was ihr der nächste Tag wohl bringen mochte...
 

***
 

Lena erwachte mit einem schlechtem Gefühl. Der Tag heute begann ziemlich nebelig. Sie hatte sehr unruhig geschlafen. Laris lag vor ihren Augen – zusammengerollt wie eine Kätzchen. Er sah so süß aus wenn er schlief. Lena traute sich dieses mal jedoch nicht ihn zu berühren. Sie hatte Angst dass das gleiche passieren würde, wie am Tag davor. So vorsichtig wie nur möglich stand sie auf und stieg über Laris hinweg. Er hatte es nicht gemerkt. Diesen unbeobachteten Augenblick nutzte sie wiederum, um sich umzuziehen. Es war ja nun nicht so, dass sie sich vielleicht schämen würde. Lena dachte an den gestrigen Abend nach dem Duschen und musste schmunzeln. Rasch schlüpfte sie in das Kleid. Es passte als wäre es ihr eigenes. Dieses Kleid war aus einem sehr straffen Stoff, der schon fast an Leder erinnerte. Behutsam hob sie noch die Schuhe auf und verschwand mit einem Laken unter dem Arm Aus dem Zimmer. Diese Tür zu Laris´ Zimmer war ohne Klinke, was ihr allerdings jetzt erst auffiel. Sie musste sich mit aller Kraft daran zerren um diese aufzubekommen. Die Tür schien aus einem ganz besonders harten Holz zu sein. Auf leisen Sohlen verlies sie schließlich nach einigen Mühen das Zimmer. Von unten drangen schon Geräusche an ihr Ohr. Elya musste also bereits wach sein. Lena schlich die Treppe hinunter, was gar nicht so einfach war, da auch jetzt jede Stufe knarrte. Dieses Haus schien im allgemeinen recht alt zu sein.

„Guten Morgen“, drang eine freundliche Stimme an ihr Ohr.

„Wie geht es Laris?“, fragte Elya weiter.

Lena schaute überrascht.

„Ich schätze mal ganz gut. Ich habe versucht ihn nicht zu wecken. Er sieht so unschuldig aus wenn er schläft.“

„Unschuldig also...“

„Kann ich dir irgendwie helfen?“, erkundigte sich Lena.

Von oben drang jetzt ein poltern herunter, kaum das sie ihre Frage gestellt hatte. War sie also doch gehört worden...

Elya blickte auf. Kurz danach wurde Laris´ Tür aufgerissen. Vorsichtig zog die Elfe Lena hinter sich. Laris stürmte auf den Treppenabsatz, doch blieb ruckartig er wieder stehen und hielt sich den Kopf.

„Duck dich“, flüsterte Elya und drückte die vollkommen verwirrte Menschenfrau unter den Tisch.

„Was ist denn...?“

„Sei still“, flüsterte sie weiter.

Laris schaute jetzt zu seiner Schwester hinunter. Diese griff sich schnell ein Holzscheit, das neben dem Ofen lag. Schwankend kam Laris näher. Lena konnte nur seine Füße sehen. Sie wagte es nicht, hervorzukommen.

„Wo bin ich hier verdammt noch mal?“

Elya schwang den Scheit.

„Was hast du in meinem Haus verloren?“, schrie die Elfe ihn an. Was ging hier nur schon wieder vor, dachte sich Lena verwirrt. Waren hier denn alle verrückt?

„Los verschwinde, du hast hier nichts verloren!“, meckerte sie ihn weiter an.

Laris stürmte zur Haustür und verschwand fluchtartig. Elya vergewisserte sich ob er auch verschwunden war, dann wand sie ihr Wort wieder an Lena.

„In Ordnung, du kannst wieder aufstehen.“

Sie kroch hervor.

„Kannst du mir bitte erklären was das jetzt war?“

„Laris hat es dir nicht erzählt richtig?“

„Was denn erzählt? Er sagte etwas von einem Unfall mit einem Schlag in den Nacken. Er hat fürchterliche Angst, dass ich ihn dort anfasse.“

„Soweit ist das ja auch richtig, aber das er hin und wieder sein Gedächtnis verliert hat er dir wohl verschwiegen.“

Lena viel es wie Schuppen von den Augen. Sie erinnerte sie an den Tag zuvor oben im Wald.

„Manchmal wird er dabei richtig böse. Heute schien er ausnahmsweise einmal nur wirr zu sein.“

Elya hielt ihr ihren Arm hin, der mit einigen Narben verziert war.

„Kann denn niemand etwas dagegen machen?“

Lena klang sehr besorgt.

„Leider nicht. Ich wüsste jedenfalls nicht wie.“

Unerwartet öffnete sich die Tür erneut – allerdings sehr langsam. Laris trat mit gesenktem Kopf ein.

„Guten Morgen, Brüderchen.“

Elya lächelte ihn an.

„Hallo Laris“, brachte Lena nur sehr vorsichtig heraus.

Vielleicht würde er ja wieder durchdrehen, aber es schien, als wäre diese Phase erst einmal überstanden. Sofort schaute er auf und binnen Sekunden füllten sich seine Augen mit Tränen. Lena hatte ganz sicher alles mitbekommen. Abermals verließ er fluchtartig das Haus. Lena lief ihm jetzt jedoch in den Garten hinterher. Er war um die Ecke verschwunden. Als sie ihm hastig folgte, stürzte sie fast über ihn. Laris hatte sich hinter dem Haus an die Wand mit angewinkelten Beinen gesetzt. Er hielt die Hände vor sein Gesicht und weinte mitleiderregend, dass es Lena ganz anders wurde.

„Beruhige dich doch wieder. Es ist doch nichts passiert.“

„Ja, dieses Mal...“

Lena kniete sich vor ihn und nahm ihm die Hände vom Gesicht weg. Seine Tränen rollten nur so über seine Wangen und seine Augen waren schon richtig rot.

„Hör doch bitte auf zu weinen.“

Ihn jetzt in den Arm zu nehmen, wagte sie jedoch nicht. Zu nah würde sie dabei seinem Nacken kommen, also wischte sie ihm vorsichtig die Tränen aus dem Gesicht.

„Ich bin gefährlich Lena. In diesen Momenten weiß ich nicht was ich tue.“

Laris fasste nach ihren Händen und krampfte sich daran fest.

„Warum hast du mir nichts davon erzählt?“

Der Elf schluckte.

„Ich hatte Angst du...“

Er war mit seinen Nerven am Ende.

„Ich wäre schon nicht schreiend davongelaufen.“

Liebevoll lächelte sie ihn an.

„Wir schaffen das schon...“

Nur zu gerne würde sie sich wieder an den Waldrand setzen und auf eines dieser Tore warten, aber diese Sache mit dem Elf machte es ihr unheimlich schwer.

„Wir?“

Dankend schaute er zurück.

„Ich hätte dir mehr Vertrauen schenken sollen.“

Zitternd hielt er ihr Gesicht und küsste sie.

„Ist schon gut das du einer fremden Person nicht gleich alles von dir erzählst“, befürwortete Lena sein Verschweigen dieser unschönen Sache.

Irgendwie hatte sie diesen Kerl liebgewonnen. Mit seiner verschlossenen Art kam sie jedoch nicht so richtig klar. Lena sprang auf und half Laris ebenfalls auf die Beine. Überglücklich drückte er sie an sich.

„Dieses Kleid steht dir wirklich gut“, hauchte er. Er schien bereits jetzt wieder der alte Charmeur zu sein.

„Ich danke dir. Lass uns wieder hineingehen. Elya hatte doch Probleme mit dem Dach.“ Lena lenkte sofort ab. Laris nickte. Im selben Moment lief Elya bereits wie gerufen aus der Tür.

„Alles in Ordnung?“

Sie schaute besorgt.

„Sicher“, erwiderte Lena.

Die Menschenfrau nahm Laris an die Hand und zog ihn ausnahmsweise einmal hinter sich her.

„Wir sollten die Sache mit eurem Dach geregelt bekommen, bevor es wie zu Stürmen

anfängt.“

Die beiden Elfen blickten sich überrascht an. Soviel Tatendrang hätten sie einer fast Fremden wohl nicht zugetraut, aber sie waren sicher die letzten, die sie davon abhalten wollten.

„Jedoch solltet ihr erst einmal essen.“

Lena verspürte irgendwie gar keinen Appetit, aber sie wollte diese Gelegenheit gleich einmal nutzen...

Kapitel 10 - Neues, aber nichts Gutes

Lena wartete bist sich Laris mit Äpfeln und einigen anderen Früchten beschäftigte, welche sie noch nie gesehen hatte und...

„Keine Bewegung!“, platzte es aus ihr heraus.

Den beiden Elfen stockte der Atem. Sie fasste Laris an sein Haar und hielt es nach oben, so das sie ihm richtig genau an sein Genick schauen konnte. Laris hielt den Apfel fest, hatte jedoch das kauen eingestellt und stattdessen die Augen wieder zusammengekniffen. Ein leises kratzen an der Tür lies alle zusammenzucken. Elya setzte sich in Bewegung um diese zu öffnen, lies jedoch die Augen nicht eine Sekunde von Lena. Loco war es, der ins Haus wollte. Sicher hatte er sein Herrchen vorhin gesehen und war herangelaufen, nur war er wohl nicht schnell genug gewesen. Laris begann zu zittern, wärend Lena sein Haar noch immer nach oben hielt. Sie musste mit der zweiten Hand nachfassen, um auch alle Haare in den Griff zu bekommen. Behutsam strich sie mit einem Finger über den vermeintlichen wunden Punkt. Sie konnte eine merkbare Deformierung feststellen. Laris begann vor Angst zu wimmern. Sofort lies sie ihn los.

„Ich werde dich dort nie wieder anfassen, versprochen!“

Sie ließ sein Haar wieder vorsichtig nach unten gleiten und streichelt ihm beruhigend über den Rücken. Elya hatte ihr fasziniert zugeschaut.

„Verstehst du etwas von dieser Heilung?“

„Bedauerlicherweise nicht, aber normal fühlt es trotzdem nicht an.“

Laris krallte sich am Tisch fest und atmete tief ein und aus.

„Sei mir jetzt bitte nicht böse.“

Auf eine Art bereute sie jetzt ihre Tat, doch sie musste unbedingt wissen, was dieser Mann für ein Problem hatte, auch wenn es nicht wirklich etwas gebracht hatte. Er drehte ich um und schüttelte den Kopf.

„Nein, bin ich nicht. Ich war nur...“ Laris schwieg.

„Ich befürchte dass das Jahr für Jahr nicht gerade besser wird. Vor einem weiteren Schlag

solltest du dich unbedingt in Acht nehmen“, begann Lena auch ohne medizinisches Wissen haben zu müssen.

Sie legte ihm die Hand auf die Brust. Er hatte seine Weste noch nicht wieder angezogen.

„Ich hoffe nur ich habe euch jetzt nicht den Tag ruiniert.“

Verlegen schaute sie in die Runde. Loco lief seinem Herrchen unruhig um die Füße. Sofort bückte er sich und nahm ihn auf den Arm. Hatte er ihn doch tatsächlich letzte Nacht vollkommen vergessen. Trotzdem schien er ihn nicht im geringsten böse zu sein. Der Platz auf Laris´ Schulter war schnell wieder besetzt. Ein plötzlich aufziehendes Gewitter lies alle zusammenfahren. Sie mussten sich beeilen.

„Laris, würdest du bitte die Wasserfässer öffnen.“

Es schien schon eine ganze Weile nicht mehr geregnet zu haben. Ohne auch nur das geringste Wiederwort setzte er sich in Bewegung. Die Leute hier schienen auf jeden Tropfen angewiesen zu sein. Hatte Laris nicht etwas von einem Fluss erzählt, der durch die Stadt fließen sollte? Die Mädchen stürzten die Treppe hinauf in Elyas Zimmer. Hier war die Inneneinrichtung in etwa die Gleiche wie Laris´ Zimmer. Das Dach war auch hier vollständig aus Stroh. Elya hatte schon ein Paar Büschel für die Reparatur bereitgestellt.

„Ich habe für solche Sachen einfach kein Händchen.“

Elya verzog den Mund. Hatte Lena doch so ein Dach auch noch nicht näher anschauen können. Der Spalt, unter dem die Wand etwas feucht war, schien sich nur auf eine kleinere Ecke zu beschränken. Der Wind hatte die Bündel verschoben und bei den äußersten einiges herausgerissen. Trotz das Lena so eine Art von Reparatur noch nie gemacht hatte, war der kleine Schaden recht schnell behoben.

„Laris hatte Angst wenn ich sein Problem kennen würde, würde ich weglaufen...“, begann Lena plötzlich völlig aus dem Zusammenhang gerissen.

Elya schaute jedoch gefasst. Jetzt wo sie noch allein waren, musste Lena ihr das einfach erzählen. Irgendwie schien sie dieser Kommentar überhaupt nicht zu wundern.

„Die Mädchen im Dorf haben diese Sache miterlebt – jedenfalls die meisten. Als sie ihn so am Boden liegen gesehen haben, machten sie sich schon Sorgen. Allerdings hatten sie nach dem ersten Vorfall dieser Art nur noch Angst vor ihm und mieden Ihn. Laris war danach viel im Wald.“

Der Sturm war jetzt doch noch in Regen gewechselt. Die beiden vernahmen plötzlich Schritte die Treppe heraufkommen. Sofort lief Lena an die Zimmertür um Laris über die gewandte Reparatur zu berichten. Doch blieb sie ruckartig stehen.

Es war nicht der Elf der das Zimmer betrat. Lena riss die Augen auf und hastete wieder einige Schritte zurück. Ein Mann von mindestens zwei Metern Größe stürzte ihr nach. Lena suchte Schutz hinter Elya.

„Beruhige dich doch Tares.“

Hob die Elfe die Hände, um den Wildgewordenen zu besänftigen.

„Ich wusste doch das Laris mit dieser Sache zu tun hat! Von Anfang an war mir das klar!“ Die tiefe Stimme dieses Mannes grollte durch das Haus. Er kam näher und zog Lena mit sehr festem Griff hinter der Elya hervor. Verängstigt schaute sie auf. Was sie sah, war ein Gesicht, was ihr nur zu bekannt war. Wieder war es ein Troll der sie bedrohte. Dieses mal schien es aber ein anderer zu sein. Sein Gesicht wirkte jünger, jedoch nicht liebenswürdiger. Das Kinn dieses Mannes war verziert von einem Bart, welcher ihn ein nahezu gefährlicheres Aussehen verlieh. Lena versuchte sich loszureißen – jedoch vergebens. Sein Griff war überaus fest. Die grünen Augen dieses Mannes leuchteten heimtückisch.

„Lass sie doch bitte los.“

Wiederholt versuchte Elya ihn zu beruhigen. Endlich vernahm sie erneut Schritte die Treppe heraufeilen. Ganz sicher würde das jetzt Laris sein. Der Elf stürzte ins Zimmer. Als er sah, dass wieder Lena diejenige war die leiden musste, zog er mit wutrotem Kopf seinen Säbel.

„Lass sie endlich los, verdammt!“

Laris verstand jetzt keinen Spaß mehr. Lena atmete erleichtert auf. Sie wusste, dass er sie beschützen würde. Schon einmal hatte sie erlebt, dass er sich deswegen fast mit jemanden angelegt hätte.

„Gib sie mir Tares!“

Der Troll schüttelte den Kopf.

„Das du nicht ganz richtig bist im Kopf, war mir schon länger klar aber das du einen Mensch anschleppen musst ist doch wohl das letzte!“

Er stieß Lena unsanft in seine Richtung. Sie stolperte zwar, konnte sich jedoch noch fangen. Laris hätte am liebsten eingeworfen, dass die Sache mit Elya und dem Troll im Grunde nicht viel anders war, doch er verkniff sich jegliche Gemeinheiten – Elya zuliebe.

„Du führst dich auf, als würdest du hier wohnen. Ich will das du verschwindest!“

Laris wies mit dem Säbel zur Tür. Der Troll jedoch baute sich mit verschränkten Armen im Zimmer auf und schaute dabei zu Elya. Seine breiten Schultern wirkten sehr bedrohlich. Die Elfe wagte es jedoch nicht irgendetwas gegen ihren Bruder zu sagen.

„Ich denke du solltest wirklich gehen.“ Dann blickte sie zu Boden. Wieder wand sich der Blick des Trolls dem Elfen zu, weil er von Elya ganz gewiss keine weiteren Worte hören würde..

„Na schön...“

Mit diesen abschließenden Worten verließ der Gigant den Raum und das Haus.
 

Lena atmete tief durch.

„Gehört er zur Familie?“

Ihr Blick ging fragend an Elya, doch diese wand sich ab.

„Ist ja nun nicht so, dass ich ein Problem mit Trollen hätte... Aber bis jetzt machen sie mir eine Heidenangst und ich denke auch nicht, dass sich das in all zu naher Zukunft ändern wird.“

Sie machte eine ruckartige Drehung und stieß dabei Laris´ Hand von ihrer Schulter.

„Es ist das Beste ich verschwinde jetzt wieder.“

Lena sauste die Treppe hinunter. Loco sprang gerade noch rechtzeitig aus dem Weg. Die beiden Elfen hörten nur noch die Haustür sich knarrend öffnen. Verdutzt sahen sich die beiden an.

„Halt sie doch auf“, platzte es der Elfe heraus. „Wenn sich Tares draußen noch aufhält...“

Doch die letzten Worte verstand Laris schon nicht mehr. Sofort hastete er los. Lena war schon aus dem Garten verschwunden.

„Bleib doch stehen.“

Tares war nirgendwo zu sehen. Lena eilte auf das Tor zu. Es regnete mittlerweile in Strömen und ihr schulterlanges Haar klebte an ihr.

„Bitte, bleib doch stehen.“

Lena dachte nicht daran. Sie war stinksauer. In einem Land, wo man als einzige Person der letzte Arsch ist, wollte sie nicht länger bleiben. Kurz vor den Stadttor hatte Laris sie endlich eingeholt.

„Ich bitte dich, rege dich doch wieder ab.“

„Abregen?“ Sauer drehte sie sich um.

„Wie würde es dir denn gefallen wenn dich die...“

Laris´ Hand hielt ihr noch rechtzeitig den Mund zu.

„Lass uns bitte zuhause darüber reden in Ordnung?“, flüsterte er.

Bittend schaute er sie an. Der Wachposten, der auch bei ihren Eintritt schon gestanden hatte, schien ebenfalls wieder Dienst zu haben. Misstrauisch beobachtete er die beiden.

„Ich bitte dich... Elya zuliebe... .“

Lena schniefte gereizt und befreite sich unsanft von seiner Hand.

„Na schön... Was bleibt mir auch anderes übrig.“

Trotzig folge sie ihm wieder zurück in sein Haus. Elya stand jetzt bereits in der Wohnküche als sie ankamen. Lena schaute die beiden schweigend an, während Laris noch die Tür hinter sich schloss. Sicherlich durfte keiner erfahren was die beiden ihr jetzt erzählen wollten. Geheimnisse und Verschwiegenheit schienen hier normal zu sein.

„Vielleicht hätte ich eher von ihm erzählen sollen.“

„Wohnt er etwa mit hier?“

Mit dieser Eventualität würde sie sich nur ganz schwer anfreunden können.

„Nein...“

Elya schluckte.

„Tares hält sich illegal hier auf. Wenn sie ihn hier finden würden, würden sie nicht nur ihn bestrafen.“

Lena schaute abwechselnd zu Elya und Laris.

„Aber er ist doch ein...“

„Ich weiß, Lena.“

Elya kam sich jetzt so unheimlich dumm vor.

„Er ist nicht immer so ein Rohling. Er hatte sich geändert, ich schwöre.“

„Hatte?“

„Ich werde ihn zurechtweißen.“

Elya hatte vorerst genug erzählt.

„Ich bitte dich. Erzähle niemanden, dass er hierher kommt.“

Sie wirkte auf Lena jetzt sehr bedrückt. Ihr schien wohl einiges an diesem Mann zu liegen. Lena dachte dabei an sich und Laris. Ihm und ihr ging es ja nicht anders. Einer von beiden durfte gar nicht hier sein. Außerdem waren die Elfen so gastfreundlich, dass Lena gar nicht anders konnte. Zurechtweißen wollte sie ihn also? Diese Angelegenheit würde Lena jetzt zu gerne selbst übernehmen. Sie lächelte dieses Gedanken wegen. Die Elfen verstanden allerdings nicht warum.

„Wird er heute noch einmal hier her kommen?“

Lena zeigte plötzlich Interesse.

„Ich denke nicht, aber er taucht ganz sicher wieder hier auf. Du musst wissen, er ist recht

neugierig.“

Elya schaute irgendwie verträumt. Die Menschenfrau strich sich durch ihr Regennasses Haar und lächelte dabei unauffällig. Das Gewitter aus der Ferne war inzwischen nähergekommen. Ein sehr heller Blitz erleuchtete die Küche. Alle drei zuckten zusammen.

Tares war sicherlich noch irgendwo da draußen. Elya wäre bestimmt lieber nach draußen gegangen, um nach ihm zu rufen, aber sie unterlies das, sicher nicht nur Lena zuliebe. Elya sollte damit allerdings auch recht behalten.
 

Tares saß in einer der Ruinen und starrte traurig in den Himmel. Das war das erste Mal seit langem, dass Elya ihn aus dem Haus geschmissen hatte. Vielleicht hätte er sich zusammenreißen sollen, aber ein Mensch... Lena verwirrte ihn – brachte alles durcheinander was er kannte und woran er glaubte. Menschen gab es doch nur in Geschichten. Er warf einen prüfenden Blick gen Himmel. Nach Hause konnte er bei diesem Wetter unmöglich – er würde also noch einige Zeit warten müssen.
 

Den Rest des Tages wollte der Regen nicht so recht aufhören. Elyas Zimmer war glücklicherweise wieder Wasserdicht. Sie zeigte Lena ihre Heilkräutersammlung. Von einer Vielzahl der Pflanzen hatte Lena noch nie etwas gehört. Sie waren in Lederbeuteln und einigen Flaschen untergebracht – also musste es hier doch Glas geben. Laris hatte sich wieder seinem Haustier gewidmet und lies sich von nichts abhalten.

„Es ist wohl besser, du nimmst Laris heute Abend den Säbel ab und versteckst ihn oder so. Freiwillig wird er ihn sicherlich nicht abgeben.“

Lena nickte. Nach der Vorstellung heute war das sicherlich das Beste. Sie schaute in die Küche, doch Laris hatte sie ganz bestimmt nicht gehört. Dieser warf Loco kleine Beeren zu die er mit den zierlichen Pfoten fing. Elya hielt der Frau aus der anderen Dimension erneut ihr Nachthemd unter die Nase.

„Was ist das denn für ein wundervoller Stoff?“

Fast schon hingerissen strich sie mit den Fingern darüber hinweg.

„Dieser nennt sich Satin. Du kannst es gerne behalten wenn du möchtest.“

Elya schaute begeistert.

„Du würdest mir das wirklich geben? - Dankeschön“

„Sicher, mach damit was du willst. Was meintest du eigentlich vorhin mit er hatte sich geändert?“

Elya schauderte.

„Können wir vielleicht oben darüber reden?“

Sie schaute wieder unsicher um die Ecke in den Nebenraum.

„Laris hat nicht wirklich etwas übrig für diesen Mann, du bist sicher der selben Meinung, was ich gut verstehen kann.“

Sie schniefte.

„Lass uns nach oben gehen in Ordnung?“

Lena nickte abermals. Die beiden Mädchen verschwanden nach oben. Laris´ Blick folgte ihnen zwar, aber er fragte nicht und lief ihnen auch nicht nach, schließlich hatte sein Schwesterchen das gleiche Recht mit Lena zu reden wie er.

Kapitel 11 - Die Besetzung

Sie schloss die Tür ihres Zimmers hinter Lena und begann zu erzählen...

„Tares ist nicht wie sein Vater – jedenfalls war er anders als ich ihn kennen gelernt habe.“

„Sein Vater? Moros ist sein Vater, richtig?“

Elya nickte.

„Was hat dich nur bewogen dich diesem Mann anzuvertrauen? Du hast doch sicherlich gesehen was die Trolle mit diesem Ort gemacht haben.“

Elya wurde traurig. Sie stand auf und ging an ihr Fenster.

„Ich war dabei als sie die Stadt einnahmen. Es waren so viele und wir waren nicht vorbereitet...“
 

Es war ein Tag wie heute – verregnet und unangenehm kühl. Nur wenige Elfen waren auf de Straße. Elya war auf dem Weg nach Hause. Wieder einmal hatte sie im Dorf herumgelungert und die Leute beobachtet, doch jetzt wurde das Wetter einfach nur noch unangenehm. Plötzlich waren laute Schläge gegen das Stadttor zu hören. Großes Geschrei drang von der anderen Seite herein. Einige Bewohner rannten jetzt doch auf die Straße – was sich als großer Fehler herausstellen sollte. Das Tor wurde aufgehebelt.

Es waren die Trolle die diese Stadt einzunehmen versuchten. Die verfügbaren Wachen im Umkreis stürmten heran und versuchten die Situation zu retten - jedoch vergebens. Die Soldaten hatten kaum einen Chance. Es waren einfach zu viele. Wie oft hatte Sesár, der König der Elfen, versucht Frieden zwischen den beiden Rassen herzustellen. Wie oft war er in Moros´ Reich, zwecks Verhandlungen gewesen. Diese ganzen Versuche sollten also alle umsonst gewesen sein? Moros´ Leute hatten sich durch die wenigen Wachen geschlagen und gingen jetzt auf die unbewaffneten Dorfleute los. Elya musste so schnell wie möglich Heim um alle zu warnen aber sie war zu spät. Ein großer Trupp stürmte in Richtung Burg – sie konnte jetzt hier nicht mehr weg. Verängstigt schaute sie sich um. Die Bewohner stürmten in Panik durcheinander.

„Bitte beruhigt euch doch!“, versuchte sie den Leuten klar zu machen. Doch ihr war klar, das dieser Spruch in einer solchen Situation nicht viel bringen würde. Das einzige was es ihr brachte war Ärger. Drei von ihnen kamen jetzt auf sie zu. Sie hatten wohl ihre lautstarken Rufe vernommen und versuchten sie jetzt ruhig zu stellen. Der Regen wollte nicht nachlassen. Elya konnte kaum etwas erkennen. Die drei Gestalten hatten ihr den Weg abgeschnitten. Als sie jedoch nahe genug heran waren, erkannte sie einen von ihnen. Es war Moros persönlich, der sich am Kragen packte und an sich zog, um ihr seinen Säbel an den Hals zu halten. Elya begann sich heftig zu wehren und schrie wie eine Wilde.

„Halt den Mund, Weib!“

Die Elfe schluckte. Warum konnte sie ihre Klappe nur nicht halten. Dann wäre sie vor diesem Ärger wenigstens davongekommen. Um sie herum war er ruhiger geworden. In der Ferne begann der Himmel bereits wieder aufzuziehen.

„Eine falsche Bewegung von einem von euch und die Kleine hat verlebt!“

Moros schaute in die Runde. Die Bewohner hatten sich sichtlich beruhigt. Sie standen da und wagten nicht, sich zu bewegen. Genervt schob er Elya einen der beiden anderen zu und gab ihm seine Waffe. Sofort hatte er eine weitere zur Hand.

„Töte sie, wenn sie sich falsch bewegt!“

Sein unheilvolles Lachen war noch zu hören, als er sich in Richtung Burg verzog. Seine Männer hatten sicherlich die Burg schon fast eingenommen. Der Rest seiner Leute folgte Moros ohne weitere Worte. Das Volk der Elfen waren hilflos. Wehrlos mussten sie diese Besetzung hinnehmen.

„Töte mich doch, du Mistkerl!“

Elya schien alles egal zu sein. Hatte sie nicht schon genug dafür bekommen das sie den Mund nicht halten konnte? Sie griff nach seiner Hand, mit der er sich festhielt und krallte sich fest. Ganz bestimmt hätte sie auch zugebissen, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte.

Dieser Kommentar der zierlichen Elfe erschreckte alle zu Tode, doch der Troll schien ihn nicht wahrgenommen zu haben. Er unterdrückte den Schmerz den sie mit ihren Fingernägeln verursachen musste – oder fühlte er das vielleicht gar nicht...? Der Hüne schaute sich um.

„Verschwindet - Alle!“

Diese leisen Worte wurden dennoch von alles sehr gut verstanden. Es hatte den Anschein das er nicht die geringste Lust hatte, irgendwen hier festzuhalten. Die Bewohner nahmen die Beine in die Hand. Innerhalb weniger Augenblicke waren die Straßen geräumt. Ganz gewiss hatte er sich erst umgeschaut, um sicher zu gehen, dass keine Wachen mehr in der Nähe waren, bevor er die Elfen mit seinen Worten vertrieb. Elya jedoch ließ er nicht gehen. Sicherlich musste sie jetzt für ihre große Klappe bezahlen. Sie kniff die Augen zusammen und ließ seinen Arm los. Diese Aktion schien ja doch keine Wirkung zu zeigen. Wieder schaute er sich um.

„Ich habe nicht vor, dir etwas anzutun“, flüsterte er.

Elya riss die Augen auf. Hatte sie sich jetzt etwa verhört? Sicherlich hatte sie nur Wasser im Ohr und hatte ihn nicht richtig verstanden.

„Komm schon. Bringe es hinter dich!“, provozierte sie ihn weiter.

„Hast du mich nicht verstanden? Ich habe nicht vor dir etwas zu tun.“

Er packte dem Säbel weg und ließ sie los. Elya drehte sich zu ihm um und schaut ihm in die Augen. Dieser Typ war wirklich riesig. Sein schwarzes, kurzes Haar klebte ihm vom Regen am Kopf. Verhasst starrte sie ihn an.

„Wenn du denkst, dass du mich hier und jetzt veräppeln kannst, hast du dich geirrt und zwar gewaltig!“

„Das hatte ich nicht vor.“

Er versuchte zu lächeln. Das machte die niedliche Elfe nur noch wütender.

„Du dreckiger Lügner!“, schrie sie ihn an.

Elya ließ ihre Wut auf eine weiße heraus, die sie lieber unterlassen hätte. Sie schlug ihm so fest sie konnte mit der Hand ins Gesicht - so sehr das ihr die eigene Hand weh tat – dann lief sie weg. Der Troll schaute ihr zwar nach, folgte ihr aber nicht. Mit vor Schmerzen gehaltener Wange stand er auf der Straße. Ihr Schlag hatte also doch die gewollte Wirkung gehabt. Elya sprang über einen der Zäune und versteckte sich hinter dem Haus. Was sollte sie denn jetzt machen. Sie schaute noch einmal zurück. Die Trolle hatten das große Tor wieder verschlossen. Sicherlich standen noch einige von ihnen davor um die fliehenden zu erledigen. Für so leichtsinnig, nur diesen einen hier stehen zu lassen, hielt sie Moros nicht. Die Elfe atmete tief durch und schaute in den noch regentrüben Himmel, als sie plötzlich Schritte vernahm. Hoffend, dass das nicht dieser widerliche Kerl war, blieb sie bewegungslos stehen.

„Alles in Ordnung bei dir?“, vernahm sie eine weibliche Stimme. Erleichtert wand sie sich ihr zu. Es war eine der Frauen aus dem Dorf. Sicherlich war das hier ihr Haus.

„Alles in Ordnung?“, wiederholte sie.

„Ja, es geht mir gut. Ich hatte schon Angst es ist wieder dieser...“

„Der letzte Troll ist den anderen gefolgt“, meinte sie beruhigend.

„Was mache ich denn jetzt?“

Elya war vollkommen verzweifelt.

„Vielleicht solltest du erst einmal hier bei uns bleiben.“

Elya nickte dankend. Der Elfe waren zwei weitere Personen aus dem Haus nachgelaufen. Ein stattlicher Elfenmann mit hochgebundenen Haaren und ein Jugendlicher – ungefähr in Elyas Alter. Der Alte machte sofort, als er Elya sah, eine Verbeugung. Diese schüttelte den Kopf.

„Ich schätze das ist unnötig.“ Sie lief wieder zum Gartentürchen und schaute in Richtung Burg. Was würden sie Sesár wohl antun, fragte sie sich.

„Ich habe ihr angeboten, erst einmal hier zu bleiben“, hörte sie die Frau zu ihrem Mann sagen.

Dieser schien auch nichts dagegen zu haben. Der Junge Mann lief jetzt auf sie zu.

„Mein Name ist Laris“, stellte er sich vor.

Elya drehte sich zu ihm um und schaute in ein lächelndes Gesicht. Ihr war nicht im geringsten nach lachen, aber dieses Gesicht gefiel ihr.

„Ich weiß“, schmunzelte sie zurück.
 

„Auf diese Weise bin ich hierher gekommen“. Sie wand sich an Lena.

„Laris ist also gar nicht dein Bruder, richtig?“

Elya nickte.

„Er sollte es jedoch besser nicht erfahren.“

Im selben Moment ging die Tür langsam auf. Es war Laris. Elya hoffte, dass er die beiden nicht gehört hatte. Sie schluckte.

„Wir sollten die Pflanzen ein bisschen aufrichten, der Regen hat alles niedergerissen.“

Sofort sprangen die beiden Mädchen auf. Loco schlüpfte zwischen Laris´ Beinen hindurch und auf Lena zu.

„Hab ich euch bei irgend etwas gestört?“, fragte er neugierig, als sie die Treppe wieder hinuntergingen.

„Ach Blödsinn“, bekam er von Elya als Antwort.
 

Es schien schon eine ganze Weile nicht geregnet zu haben. Der unbefestigte, sonst steinharte Erdboden vorm Haus hatte sich in eine klebrige Masse verwandelt. Einige der Dorfbewohner waren ebenfalls draußen und versuchten ihre Habseligkeiten in Ordnung zu bringen. Suchend schaute sich Elya um, was den anderen Beiden zum Glück nicht auffiel. Lena versuchte den Pfützen auszuweichen – jedoch ohne Erfolg. Darum umging sie dieses Problem und zog die Sandalen einfach aus. Sie lief erneut zurück und stellte sie Schuhe zurück ins Haus. Als sie jedoch zurück in den Garten wollte, bemerkte sie auf der anderen Straßenseite, wo sich einer der zahlreichen Ruinen befand, eine Bewegung. Lena machte, dass sie wieder hinter das Haus kam. Sie hatte nicht die geringste Lust wieder mit irgend jemanden aneinander zu raten. Blumen gab es hier zum Glück keine – was vielleicht doch eher traurig war. Diese wären sicher alle vollkommen ruiniert worden. Einige der Pflanzen – es waren wieder jede Menge unbekannte dabei – klebten förmlich am Boden. Noch einmal schaute sie in Richtung des verlassenen Hauses. Elya bekam das allerdings mit.

„Gibt’s Probleme?“, fragte sie vorsichtig.

„Ich dachte nur ich hätte da drüben etwas gesehen“

Elya schaute ebenfalls vorsichtig in diese Richtung. Sie konnte sich denken wer das war. Tares war ganz sicher noch hier. Das Wetter war einfach zu schlecht, um nicht vollkommen durchgeweicht bei der Burg anzukommen. Sicherlich würde er sich jetzt auf den Weg machen. Ihr Blick wurde irgendwie warm. Lena schaute lieber auf den Boden. Diese Troll-Geschichte hatte sie noch lange nicht verdaut. Mit dem Aufrichten und Befestigen der Pflanzen waren sie eine ganze Weile beschäftigt. Lena wollte am liebsten wieder zurück ins Haus. Irgendwie fühlte sie sich hier draußen überhaupt nicht wohl. Aber um ganz genau zu sein – wollte sie viel lieber wieder nach Hause. Die Angst nie wieder hier weg zu kommen brannte jetzt besonders stark in ihr.

Nach dieser Pflanzen – Rettungsaktion begab sich Lena sofort zu Bett. Irgendwie hatte sie jetzt auf gar nichts mehr Lust. Als Laris sein Zimmer betrat, starrte Lena leise weinend an die Decke. Sofort legte er sich daneben und versuchte sie tröstend in die Arme zu nehmen. Doch die junge Frau wand sich ab. Dennoch legte er seinen Arm um sie und kuschelte sich bei ihr an.

Kapitel 12 - Entschuldigungen

Der nächste Morgen begann ausnahmsweise einmal mit Sonnenschein. Einige der Sonnenstrahlen kitzelten Lena an der Nase. Als sie sich umdrehte, war niemand im Zimmer. In dieser Nacht hatte sie richtig gut schlafen können, im Gegensatz zur letzten. Laris war sicherlich schon aufgestanden. Doch plötzlich saß sie vor Schreck im Bett. Hatte Elya sie nicht gebeten seinen Säbel zu verstecken? Sofort sprang sie auf und lief gleich ans Fenster. Die beiden Elfen waren im Garten beschäftigt und Laris machte von hier aus einen ganz normalen Eindruck auf sie – wenn man bedenkt, dass Lena damit einen Elfen meinte. Beruhigt machte sie sich ebenfalls auf den Weg nach unten. Warum hatte er sie nicht geweckt? Sicherlich könnten sie ihre Hilfe gebrauchen. Auf dem großen Küchentisch stand wieder die Schale mit den Früchten. Lena hatte sich vorgenommen, auch einmal ein paar der unbekannten Sachen zu essen. Die kleinen Früchte, welche Laris dem kleinen Haustier gestern zuwarf, sahen ganz lecker aus. Mit ihrer Größe und Form erinnerten sie stark an Weinbeeren. Nur waren diese hier eher orange von der Farbe. Nachdem sie sich einige von ihnen eingeworfen hatte, öffnete sich langsam die Tür. Lena lächelte erfreut doch ihr Gesicht verzog sich ganz schnell wieder. Sicherlich hatte sie sich geirrt als sie daran dachte, dass das ein guter Tag werden sollte. Tares trat ein. Wieder schaute er so von oben herab als wäre er etwas Besseres. Lena riss sich zusammen. Sie wollte dieses mal keine Angst zeigen. Hastig kaute sie hinter. Der Troll kam nähr.

„Keinen Schritt näher!“

Sie versuchte böse zu schauen.

„Willst du mir drohen?“, meinte er äußerst belustigt.

„Elya ist draußen im Garten, falls du sie suchen solltest.“

„Ich weiß...“ Er grinste schauerlich. „ ...und Laris ist bei ihr“, fügte er noch hinzu.

Mit langsamen Schritten kam er Lena näher. Laris hatte ihn gesehen und nicht davon abgehalten hier hereinzukommen? Diese Sache gab ihr sehr zu denken. Sie lief in die andere Richtung um den Tisch herum, um aus der Tür zu verschwinden, doch der Troll war schneller. Mit einer Hand hielt er sie zu – jedoch ohne die geringste Kraftanstrengung.

„Was ist verdammt noch mal dein Problem?“, fauchte sie ihn an.

Tares grinste nur. Dieses spöttische Grienen machte sie stinksauer.

„Langsam gehst du mir wirklich auf die Nerven!“

Lena versuchte dennoch die Tür zu öffnen, obwohl er noch immer gegendrückte.

„Sind alle Trolle solche Arschlöcher?“

Ihre Worte ihm gegenüber wurden direkter. Sofort lies er die Tür los. Hatte sie jetzt etwa an seinem Ego gekratzt? Erneut griff sie nach der Tür, doch er war wieder schneller und hielt abermals zu. Lena hatte mittlerweile sicherlich einen roten Kopf vor Wut.

„Was ist dein Problem? Hast du keine Hobbys? Weist du nichts mit dir anzufangen?“

Lena merkte, dass sie an der Tür nicht weiter kam, also ging sie wieder zum Tisch und nahm sich weitere Beeren. Tares lies ebenfalls von der Tür ab und tat es ihr gleich. In seine großen Hände passten einige Beeren mehr als in die, der zierlichen Menschenfrau. Am liebsten hätte sie ihm den Hals umgedreht.

„Ein Mensch also...“, stellte er erneut fest, während er weiterkaute.

„Du scheinst damit ja die selben großen Probleme zu haben wie dieser Moros“, bemerkte sie, ohne ihn anzuschauen.

„Eure Intoleranz bringt euch nicht das geringste!“

Er kam wieder näher doch jetzt floh sie nicht. Die junge Frau setzte sich auf den Tisch und ließ die Beine baumeln. Ihr hasserfüllter Blick sollte ihm langsam wirklich zu denken geben.

„Wie hat ein Mensch es geschafft, diese Welt zu betreten?“

Hörte Lena da etwa die bereits erwähnte Neugierde aus ihm sprechen?

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass dich das wirklich interessieren könnte. Du und dein Vater, ihr seid doch nur scharf darauf, mich so schnell wie möglich wieder loszuwerden!“

Verdutzt blieb er stehen.

„So ein eigenartiges Licht hat mich in diese beschissene Welt gebracht. Denke ja nicht ich

bin freiwillig hier!“

Lena wand ihren Blick wieder ab.

„Ich würde nichts lieber tun, als so schnell wie möglich wieder von hier zu verschwinden,

nur habe ich nicht die geringste Ahnung wie!“

Sie sprang wieder auf. Dieses mal hielt er sie nicht vom gehen ab. Was er jetzt wohl denken mochte, war ihr vollkommen egal.

„Ich bin eigentlich hier, weil ich mich entschuldigen soll... wegen Gestern... .“

Hatte ihm Elya also doch den Kopf gewaschen.

„Deine Entschuldigung kannst du dir sparen!“, fauchte sie mit erhobenem Finger. „Ich finde, wir beide haben das selbe Recht hier zu sein. Ich habe keine Lust mich noch länger mit dir zu unterhalten.“

Mit diesen Worten verlies sie das Haus und verschwand in den Garten.
 

Sofort kam ihr Laris entgegen.

„Alles in Ordnung?“

Er schaute besorgt.

„Warum hast du ihn nicht davon abgehalten das Haus zu betreten?“

Er senkte den Kopf.

„Elya wollte es nicht.“

„Dieser Mann kann mir gestohlen bleiben!“

Ihre Worte trafen Elya sehr hart. Tares folgte ihr nicht. Sicherlich würde er jetzt erst einmal über alles nachdenken.

„Es tut mir leid Elya, aber ich kann mit diesem Mann einfach nichts anfangen.“

Bedrückt schaute sie zu der zierlichen Elfe.

„Ich kann dich ja verstehen“, schniefte sie und machte sich auf den Weg ins Haus.
 

„Das war zu hart von mir, richtig?“

Lena wand sich an Laris als die Elfe außer hörweite war. Dieser nickte mit verzogenem Mund.

„Meinst du, sie wird mir das sehr lange übel nehmen?“

Der Elf zuckte mit dem Schultern und umarmte sie liebvoll.

„Ich weiß doch auch nicht was sie an diesem Kerl findet.“

Laris griff nach ihrer Hand.

„Hast du vielleicht Lust mich in den Wald zu begleiten? Ich hatte letztens Fallen für Yalï’s aufgestellt.“

„Was sind das denn für Tiere?“

Davon hatte sie noch nie etwas gehört.

„Das sind diese, wie du bei deiner Ankunft bereits eines gesehen hast. Du warst der Meinung ich hätte es gejagt.“

Schon bei diesem Gedanken musste er erneut grinsen. Sie erinnerte sich.

„Sicher, ich sollte Elya ohnehin erst einmal aus dem Weg gehen.“

Lena überlegte.

„Letztens meintest du? Das ist doch zwei Tage her. Müssten sie da nicht schon...“

Laris feixte.

„Ja natürlich, aber ich fange sie doch lebend. So lange halten die schon einmal aus. Bis dahin verhungern sie nicht.“
 

Mit leisen Schritten und ohne ein Wort trat Elya wieder ins Haus. Sofort sprangt der Troll auf um ihr einige Sachen abzunehmen, doch Elya drehte sich weg und stellte die große Schüssel voll Gemüse mit einem derben Ruck auf den Tisch, so dass einige der Sachen heraussprangen.

„Was hat diese Hexe dir jetzt wieder erzählt?“, brauste der Troll sogleich wieder erbost auf.

„Lena ist keine Hexe!“

Elya schaute traurig. Behutsam legte ihr der Hüne die großen Hände an die Hüfte. Elya jedoch griff sofort danach und befreite sich wieder davon.

„Die Menschenfrau soll wieder verschwinden!“

Seine Worte klangen eisig.

„Ich will, dass sie wieder dorthin geht wo sie her gekommen ist!“

In seinem Unterton verbarg sich allerdings auch Angst.

„Hat dir Lena erzählt, was sie hier her brachte?“

Tares nickte stumm. Elya sah das allerdings nicht und sprach einfach weiter.

„Dir sollte klar sein, dass es nicht im geringsten einfach wird, sie wieder Heim zu schicken. Du solltest stattdessen jetzt gehen.“

Er schaute enttäuscht.

„Meinst du nicht, du übertreibst jetzt?“

Die Elfe drehte sich zu ihm um.

„Lena hat niemandem etwas getan und du führst dich auf wie dein Vater!“

„Seit diese Person hier ist, scheine ich hier nicht mehr besonders willkommen zu sein.“

Der Troll ging nicht im geringsten auf ihre letzten Worte ein, obwohl es ihm sonst gar nicht zusagte, mit seinem Vater verglichen zu werden.

„Du dürftest genau so wenig hier sein!“

Tares versuchte sie am Kinn zu streicheln, doch Elya wand den Kopf erneut ab.

„Sag mir bescheid, wenn du dich wieder beruhigt hast!“, schmollte er, verlies das Haus mit schnellen Schritten und verschwand durch den Garten, um nicht entdeckt zu werden. Elya brach in Tränen aus.
 

Am Stadttor hatten sie dieses mal keine Probleme. Lena machte das ein bisschen stutzig. Schließlich hatte sich die Wache so angestellt bei ihrer Ankunft. Sie dachte jedoch nicht länger darüber nach.
 

„Ich denke ich werde mich sofort bei Elya entschuldigen wenn wir zurück sind.“

Noch bevor sie den Waldrand überhaupt sehen konnten, äußerte sie ihr Vorhaben. Laris nickte nur zustimmend.

„Ich finde, ich war respektlos. Ich sollte mich wirklich zurückhalten.“

Lenas schlechtes Gewissen plagte sie so stark, dass sie am liebsten sofort umgekehrt wäre. Laris griff nach ihrem Arm und brachte sie mit einem Ruck zum stehen. Erschrocken drehte sie sich um, weil sie den Verdacht hatte, er hätte wieder einen seiner Aussetzer. Das jedoch war nicht der Fall. Glücklich schaute er ihr in die Augen. Seine Hände glitten an ihren Armen hinauf und verharrten auf ihren Schultern.

„Ich danke dir Lena.“

Der Elf lächelte nach wie vor – und dann küsste er sie liebevoll.

Die Hemmungslosigkeit dieses Mannes machte sie nervös. Vielleicht war der Grund ihrer Nervosität auch jener, dass sie sich noch nicht besonders weit vom Stadttor entfernt hatten. Es fiel ihr unsagbar schwer, sich jetzt von ihm loszureisen.

„Wir sollten wirklich weiter“, sagte sie einzig, um ihn abzulenken

Lena befreite sich aus der Umarmung und lief ein Stück voraus. Er war stehen geblieben und schaute die Menschfrau mit schrägem Kopf an. Was ihm jetzt im Kopf vorging konnte sie nur ahnen...

„Wo steckt Loco?“, fiel es Lena jetzt auf.

„Den hab ich bei Elya gelassen, dass sie nicht ganz so alleine ist.“

Endlich folgte er ihr.
 

Als sie die Feuerstelle erreichten, schien auf den ersten Blick alles wie vorher. Lena schaute sich erneut nach Senos um. Von hieraus wirkte dieses Örtchen so verträumt, aber wenn man dann erst einmal drinnen war...

„Wo liegt eigentlich Moros´ Reich?“, fragte sie interessiert.

„Von hieraus sieht man das noch nicht“, bekam sie als Antwort. Er deutete stattdessen mit dem Finger in rechte Richtung des Waldrandes, dann zog er sie weiter in den Wald. Lena musste aufpassen wo sie hintrat. Diese Schuhe waren für den Wald ebenso wenig geeignet wie für eine Flucht. Einige Male stolperte sie über Wurzeln, die aus dem Boden ragten. Die Wege in diesem Wald schienen keine konkrete Richtung zu haben. Irgendwie verliefen sie recht wahllos. Laris schien sich hier jedoch besonders gut auszukennen. Das ständige Zickzack schien ihm keine Probleme zu machen. Elya hatte erzählt, dass Laris viel Zeit damit verbrachte, sich im Wald zu verkriechen. Ganz sicher war dies der Grund für seinen Überblick. Ruckartig blieb er stehen und hob den Kopf. Hatte er da etwas gehört? Lena schaute sich ebenfalls um. Ein unangenehmer Wind kam auf.

„Hier ist jemand“, flüsterte er mit sanfter Stimme.

Lena jedoch konnte niemanden sehen. Die beiden bogen zwischen einigen Büschen ab und Laris bückte sich. Er schien etwas zu suchen.

„Meine Falle ist weg“, stellte er entsetzt fest.

Lena hockte sich ebenfalls auf den Boden und schaute zwischen den Sträuchern hindurch. Nichts was einer Falle ähnlich sah, konnte sie jedoch entdecken. Er sprang auf und hastete einige Meter weiter. Auch hier suchte er vergebens.

„Das kann doch nicht war sein!“

Überaus aufgebracht kam er zu ihr zurück.

„Wer sollte sie denn gestohlen haben?“

Laris schaute sich erneut um. Er schien sich noch unsicherer zu fühlen.

„War es vielleicht die Bestie, von der du mir erzählt hast?“

Ihr Unterton hatte allerdings etwas belustigtes.

„Blödsinn!“

Er schaute sie finster an.

„Entschuldige, sei doch nicht gleich so.“

Mit suchendem Blick lief er zum Feuer zurück. Erschüttert lies er sich neben den Steinen fallen. Im Feuer fand er Reste seiner Konstruktionen.

„Ich fasse es nicht.“

„Ich würde jetzt behaupten, dass das die Trolle waren. Hast du schon einmal deine Fallen eingebüßt?“

„Ja, das ist nicht das erste Mal passiert. Das letzte mal ist aber schon eine ganze Weile her. Aber warum sollten sie diese zerstören, wenn sie doch stattdessen das gefangene Tier stehlen könnten und die Falle anschließend dafür selbst benutzen?“

Das leuchtete Lena ein.

Kapitel 13 - Die Chance zurück

Ein erneuter, sehr starker Windstoß wehte das Haar der beiden in Richtung Wald. Ein ganzes Stück von ihnen entfernt wurde es anschließend blitzartig blendendhell. Lena hastete ohne nachzudenken in diese Richtung. Alles um sie herum schien sie augenblicklich vergessen zu haben. Sie stolperte wieder über einige Wurzeln, stürzte aber nicht. Laris sprang auf und rannte ihr nach.

„NEIN“, schrie er ihr hinterher. „Bleib stehen!“

Mit seinen Stiefeln war es ein leichtes Schrittzuhalten. Lena hörte nicht auf seine Worte. Der Sog, der von diesem Licht ausging, wurde stärker. Der Elf setzte zum Endspurt an, warf sich Lena an die Beine und hielt sie fest. Sein Haar wirbelte wild durch die Luft. Lena stürzte unsanft auf den Boden.

„Las mich los, verdammt!“

Sie versuchte Laris zu entkommen, indem sie ihm wie verrückt auf seine Hände schlug und nach ihm tritt. Der Elf biss die Zähne vor Schmerzen zusammen. Sehr lange würde er diese jedoch nicht mehr aushalten. Er klammerte sich an ihr fest so gut er konnte. Weitere Versuche von ihr sich loszureißen schlugen fehl. Er war einfach der stärkere.

„Lass mich gehen, Laris. Ich will nach Hause!“

Der Lichtschein wurde schwächer und verschwand schließlich wieder. Der starke Wind, der von ihm ausgegangen war, ließ ebenfalls nach und erstarb. Lena ließ sich wieder auf den Boden fallen und begann bitterlich zu weinen. Hatte dieser Kerl ihr doch jetzt tatsächlich die Möglichkeit nach Hause zu kommen ruiniert. Behutsam rutschte er näher und kniete sich neben sie. Irgendwie traute er sich jetzt gar nicht so recht sie anzufassen.

„Es tut mir leid, Lena.“

Laris legte ihr jetzt doch die Hand auf die Schulter. Sie begann zu zittern. Stinksauer starrte sie den Elf an und schlug seine Hand von ihrer Schulter.

„Wie konntest du mir das nur antun?!“, schrie sie ihn weinend an. „Ich hasse dich!“

Lena stand auf und rannte noch tiefer in den Wald. Jetzt folgte er ihr jedoch nicht.

Mit rasendem Herzen blickte er ihr hinterher.„Bitte vergib mir...“

Er war sich sicher, dass sie das jetzt nicht so gemeint hatte. Er konnte nur hoffen, das es so war. Was würde ihm sonst ihre Anwesenheit bringen, wenn sie ihn gar nicht mehr ansah?

Lena blieb stehen und legte ihren Kopf an einem der Bäume an. Mit beiden Fäusten schlug sie fest gegen den Stamm, auch als Laris sie nun doch erreicht hatte.

„Es tut mir leid, verstehe mich bitte.“

Er legte seine Hände wieder auf ihre Schultern und seine Stirn in ihren Nacken.

„Ich hätte nach Hause gekonnt aber du...“

„Woher willst du denn wissen, dass du genau wieder dort angekommen wärst, wo es dich hineingezogen hat?“

Er drehte die verzweifelte Frau vorsichtig in seine Richtung und griff nach ihren Händen. Lena schaute ihn dabei nicht an.

„Was wäre denn, wenn die Welt auf der anderen Seite dieses Tores noch viel schlimmer als diese hier gewesen wäre?“

„Das werde ich wohl nie erfahren!“, fauchte sie ihn an.

Ihr böser Blick machte Laris Angst.

„Es tut mir so leid, Lena... .“

Behutsam berührte er ihr Kinn. Lena wehrte sich nicht.

„Ich hoffe nur du hasst mich jetzt nicht wirklich.“

Der Elf schaute besorgt. Sie versuchte sich loszureißen doch er gab ihr auch jetzt keine Chance dazu. Zögernd näherte er sich ihren Lippen. Er musste sie jetzt einfach küssen. Die junge Frau wies ihn nicht länger zurück. Seine Lippen fühlten sich so vertraut an. Was hatte dieser Mann nur mit ihr gemacht. Hätte sie ihn doch beinahe ohne ein Wort verlassen. Aber Sie wollte so gerne nach Hause. Ganz sicher machen sie sich riesige Sorgen. Ganz bestimmt haben ihre Eltern schon die Polizei eingeschaltet um sie zu suchen. Lena kam sich, trotz dass sie diesen Mann hier vor sich stehen hatte, völlig verlassen vor.

„Ich brauche dich, Lena“, brach er die Stille.

Sie schaute ihm in die Augen und hatte plötzlich ein ganz eigenartiges Gefühl.. .
 

Dich es war nicht des Elfen wegen. In den Büschen raschelte wieder. Laris drehte hastig den Kopf. Was war heute nur in diesem Wald los. Sogar er schien sich nicht besonders wohl zu fühlen.

„Warte hier“, flüsterte er.

Lena nickte und hockte sich hinter den Baum. Ihre Wut war erst einmal vergessen. Laris zog seinen Säbel und lief mit großen Schritten dem Rascheln entgegen. Was auch immer hier herumstreunte, eine wilde Bestie oder gar ein Monster schien es nicht zu geben.

„Hab ich dich“, hörte sie ihn plötzlich rufen.

Erleichtert atmete Lena auf.

„Nimm deine Finger von mir!“, vernahm sie eine Jungenstimme.

Hatte sie diese nicht schon einmal gehört? Sie erhob sich um nachzusehen, wen er da hatte und bekam große Augen. War das nicht der junge Troll, der bei Moros so barsch abgewiesen hatte? Laris stieß ihn ärgerlich nach vorne, dass er stolperte, sich aber gerade noch fing. Unverkennbar! Das war der Kerl. Lena hatte mit ihrer Vermutung recht.

„Was spioniert du hier herum?“

Der kleine verschränkte trotzig die Arme.

„Mein Vater wird dich dafür fertig machen“, maulte er und steckte Laris die Zunge heraus.

„Was fällt dir eigentlich ein, du Wicht!“

Lena wagte es nicht, auch etwas dazu zu sagen.

„Hast du meine Fallen verbrannt?“, fuhr der Elf den Kleinen an.

Überrascht schaute er jetzt jedoch zu Lena und dann wieder zu Laris.

„Ich weiß gar nichts von irgendwelchen Fallen!“, beteuerte der Troll. „Ich hab gar nichts angestellt, lass mich in Ruhe!“

Er wollte gerade in Richtung Senos verschwinden, als Laris ihn erneut am Kragen packte.

„Ich hab sie nicht kaputtgemacht, wirklich nicht!“

Dem Kleinen wurde diese Sache jetzt sicherlich zu bunt.

„Wenn du mich jetzt nicht gehen lässt, sage ich das alles Vater!“

Laris lies ihn los. Der Troll verschwand so schnell er konnte. Lena schaute ihm nach.
 

„Meinte er mit Vater etwa Moros?“

Laris nickte.

„Das war Tares kleiner Bruder. Das war der Knirps, der Moros bei unserem Verhör

gestört hatte.“

Er schüttelte den Kopf.

„Den finde ich noch um ein ganzes Stück unausstehliger, als diesen Tares.“

Diese Begebenheit belustigte Laris schon fast wieder.

„Falls ich irgendwann die Möglichkeit habe, drehe ich ihm den Hals um!“

Lena fuhr erschrocken zusammen.

„Das ist ja wohl nicht dein Ernst?“

Sie schaute dem Kleinen nach. Er schien die gesamte Strecke rennen zu wollen. Lena schluchzte traurig. Sofort kam Laris näher. Er steckte den Säbel weg und umarmte sie.

„Denkst du der Kurze wird dich verraten?“

Dieser Gedanke machte Lena Angst.

„Ich habe keine Ahnung was in seinem Kopf vorgeht.“

Laris küsste sie zärtlich am Hals. Irgendwie machte sie der Elf in diesen Minuten einfach wieder tierisch nervös...
 

***
 

Als sie ihr Haus endlich wieder erreicht hatten, blieben beide erschrocken stehen. Gartentor und Haustür standen sperrangelweit offen. Angsterfüllt schauten sich beide an – und dann rannten sie los. In der Küche waren sämtliche Sachen umgeschmissen. Stühle und Schüsseln lagen am Boden. Selbst der massive Tisch lag auf der Seite. Elya kauerte in einer Ecke und schluchzte. Sofort stürmte Laris zu seiner Schwester. Sie hielt sich die Hände fest vor das Gesicht.

„Was ist denn passiert?“

Besorgt streichelte er ihre Schulter. Lena hob indessen einige der Sachen auf als sie ein kratzen vernahm. Es schien aus dem Keller zu kommen. Laris schaute auf. Vorsichtig ging Lena näher. Es war nur ein sehr zaghaftes, leises kratzen. Ohne weiter darüber nachzudenken öffnete sie die mit schmiedeeisernen Scharnieren versehene Tür. Sofort stürmte Loco heraus und sprang seinem Herren auf die Schulter. Wer auch immer hier war, muss diesen kleinen Kerl da unten eingesperrt haben. Im selben Moment – wie gerufen – stürmte Tares ebenfalls noch ins Haus. Lena blickte zur Tür. Vollkommen außer Atem blieb er am Eingang stehen und verschnaufte erst einmal. Loco begann sofort den Troll anzufauchen.

„Beruhig dich Kleiner!“

Laris kraulte ihm den Hals.

„Was war hier wieder los?“

Der Elf wand seinen Blick jetzt ebenfalls zu Tares.

„Poras“, fing Elya endlich an zu erzählen.

Tares bahnte sich den Weg zu der Elfe frei. Noch immer kauerte sie in der Ecke.

„Sie waren zu fünft und haben hier alles verwüstet.“

„Poras, dieser Mistkerl!“, stammelte Tares mit geschlossenen Augen. „Alles in Ordnung mit dir?“

Behutsam nahm er ihre Hände an sich. Entsetzt riss er Troll die Augen auf. Elyas rechte Gesichtshälfte war angeschwollen und um ihrem Auge herum war eine bläuliche Färbung.

„Du meine Güte“, entfuhr es Lena, die jetzt auch näher heran gekommen war.

Die Elfe brach augenblicklich in Tränen aus. Tares drückte sie sogleich an sich.

„Das werde ich diesem Schläger heimzahlen!“

Elya klammerte sich an ihm fest.

„Sie waren auf der Suche nach Lena“, schluchzte sie.

Wütend starrte der Hüne sofort die Menschenfrau an.

„Deine Schuld ist es also, dass sie sie so zugerichtet haben!“

Tares war wieder ungemein zornig. Erschrocken über diese Wut versteckte sich Lena hinter Laris Rücken.

„Bitte hör doch auf.“

Elyas weinerliche Stimme brachte den hysterischen Troll erst einmal wieder zur Besinnung.

„Ich will nicht das ihr euch schon wieder streitet.“

Sie wischte sich die Tränen aus den Augen.

„Aber diese...“

Der Troll konnte nicht verstehen, dass sie diesen Mensch immer noch in Schutz nahm. Er schüttelte den Kopf. Lenas Blick verfinsterte sich jetzt ebenfalls.

„Warum hast du mich nicht gehen lassen?“

Sauer wand sie sich an Laris.

„Ich hätte verschwinden können und ihr hättet ein Problem weniger gehabt!“

Mit geballten Fäusten stürmte sie erneut davon. Doch sie stockte an der Tür. Angst breitete sich in ihr aus, als es ihr Kalt über den Rücken lief.

„Deine Freunde sind wieder da draußen“, stellte sie entsetzt fest und stellte sich schnellstens hinter di nur angelehnte Tür.

„Du hättest verschwinden können?“

Der Troll wurde hellhörig und wand sich ihren letzten Worten scheinbar ungehört an Lena.

„Warum bist du dann noch hier?“

Weder von Lena noch von Laris bekam er jedoch eine Antwort, was ihn wieder ungemein zornig machte.

„Du hast sie nicht gehen lassen, richtig?“

Sein böser Blick wand sich jetzt an den Elf. Dieser senkte den Kopf.

„Wie konntest du nur so töricht sein!?“

Tares ballte die Faust. Sicherlich wäre er auf Laris losgegangen, wenn Elya nicht ihre Arme um seinen Hals geschlungen hätte, bevor er die Chance bekam, sich zu erheben.

„Diese Leute da draußen sind ganz sicher nicht meine Freunde!“, fauchte er die Menschenfrau gereizt an.

„Ihr müsst euch verstecken.“ Elya sprang auf, um die Tür mit einem Balken zu verschließen. Laris half ihr dabei.

„Das wird sie ganz sicher nicht aufhalten und ich kann unmöglich hier bleiben.“

Tares schaute die Elfe betroffen an.

„Ich werde nach hinten hinaus wieder verschwinden aber ich bleibe in der Nähe.“

Elya hatte furchtbare Angst.

„Die ganze Zeit ging es hier gut und jetzt bist du hier und alle spielen verrückt!“

Seine Wut auf Lena schien wohl nie verfliegen zu wollen.

„Hast du keine Angst, dass sie dich hören könnten, wenn du dauernd hier so herumschreist?“

Der Mensch schaute ihn triumphierend an. Da konnte der Troll jetzt sagen was er wollte. Lena hatte recht - was er natürlich nie zugegeben hätte.

„Ihr seid in zu großer Gefahr, wenn dieser Mensch noch länger hier bleibt.“

Tares klang besorgt und sprach um einiges leiser.

„Ich kann dich nicht beschützen ohne das er mich dann auch erledigt, Elya.“

„Ich weiß.“

Tares kam näher und drückte sie wieder an sich.

„Ich danke dir dennoch, dass du in der Nähe bleibst.“

Ihr Gesicht schien fürchterlich zu schmerzen. Die Kraft dieses Trolls hatte ihre Wirkung getan. Tares wollte sie küssen, doch er traute sich nicht. Sei es wegen der anderen Beiden oder weil er Elya nicht noch mehr wehtun wollte.

„Vielleicht sollte ich mich einfach stellen und ihr habt wieder eure Ruhe!“

Lena hatte die Nase voll. Mit all ihrer Kraft versuchte sie den Balken von der Befestigung zu bekommen, aber das war nicht genug.

„Das kann ich nicht zulassen!“

Laris packte sie schroff an der Schulter. Lena jedoch drehte sich um und schlug dem Elfen mit der flachen Hand fest ins Gesicht. Verdutzt schaute auch Tares jetzt zu ihr.

„Jetzt hör mir mal gut zu!“, brummte sie Laris mit erhobenem Finger an.

„Seit ich hier bin habt ihr nur Probleme. Sie zerstören euer Eigentum und quälen Unschuldige. Du bist der einzige der mich wirklich hier haben will – aus welchem selbstsüchtigen Grund auch immer...“

Dieser Mut, den Lena dem Elf jetzt entgegen brachte, überraschte die anderen Beiden sehr – vor allem Tares. Obwohl sie wissen musste, dass dieser Schlag nicht gerade gesund für den Elf sein konnte. Laris hielt sich die Wange, sagte aber kein Wort.

„Vielleicht solltest du dich erst einmal beruhigen“, warf doch tatsächlich gerade der Troll ein. Kühl starrte sie ihn an. Gerade der, der sie am wenigsten mochte.

„Weißt du eigentlich was du willst?“

Lenas Kopf war sicher um einige Nuancen roter geworden. Sie ließ sich an der Tür einfach fallen. Laris jedoch half ihr nicht auf.

„Ich sollte nicht hier sein“, brachte sie kleinlaut hervor.

„Es tut mir leid, Laris. Ich wollte dich nicht schlagen.“

Sie legte ihren Kopf an die Tür und schaute traurig am Elfen empor. Jetzt hatte er sicherlich doch den Eindruck, dass die Menschen gefährlich sein können und man sich vor ihnen besser in Acht nehmen sollte. Lena schloss die Augen und ließ ihren Tränen freien lauf. Der Elf kniete sich langsam vor ihr auf den Boden. Dieser Schlag schien ihn jedoch nicht sein Erinnerungsvermögen getrübt zu haben.

„Ich will nicht das du gehst“, wiederholte er sich.

„Du bist die einzige, die mich nicht fürchtet, trotz dass ich diese Aussetzer habe.“

Er rutschte noch ein Stück näher an Lena heran. Seine, durch den Schlag, gerötete Wange ließ ihn irgendwie gefährlich aussehen. Tares wurde das jetzt zuviel.

„Ich verschwinde hier!“

Er schaute die beiden am Boden sitzenden gefühllos an.

„Erlaubst du mir vielleicht diese Nacht, wenn sich draußen alles wieder beruhigt hat, dass ich zurückkomme?“

Der Troll schaute seine Elfe zurückhaltend an. Diese lächelte nur.

„Ich danke dir“, flüsterte der große Kerl und strich ihr vorsichtig über das Haar, bevor er durch das Hinterzimmer verschwand.

Elya atmete tief durch. Sie würde sich erst wieder sicherer fühlen, wenn dieser Mann erneut an ihrer Seite war.

Laris schien nicht im geringsten wütend auf Lena zu sein. Hatten die Leute hier wirklich so furchtbare Angst, dass er sie verletzen könnte? Seine großen Augen beinhalteten keinerlei Wut. Behutsam strich sie ihm über die rote Wange.

„Was schlagt ihr vor, soll ich jetzt tun?“

Hilflos schaute sie sich um. Elya war unterdessen an den Wassereimer gegangen, um ihr Auge zu kühlen. Dieser Eimer, der von der Herstellung her eher an ein Fass erinnerte, war eines von wenigen Sachen, welches die Trolle nicht umgeworfen hatten.

„Ich weiß es nicht, Lena.“

Elya war genauso Ratlos wie alle anderen.

„Ich kann dir nur sagen, das sich, seit deiner Ankunft, Laris´ Anfälle reduziert haben.“

Die Menschenfrau riss die Augen auf.

„Ist das wirklich war?“

Sie schaute den Elf überrascht an. Laris nickte. Er wollte das jedoch nicht so recht zugeben.

„Ich denke es hat nicht viel Sinn, dass ich mich verstecke. Wenn sie erneut hier herkommen, werden sie mich mit aller Gewalt mitnehmen. Ich kann mir nicht vorstellen das sie nur reden wollen, so wie sie dich zugerichtet haben.“

Laris half ihr jetzt auf und drückte sie an sich.

„Reduziert sagst du? Wie oft hatte er denn diese Aussetzer vor meiner Ankunft?“

„Manchmal drei mal am Tag. Sie waren nicht immer sehr lange, aber das ist dennoch eine Sache die einem wirklich Angst macht.“

Bedauernd schaute sie Laris an.

„Ich würde mir wünschen, dass wir diese Sache mit deiner Hilfe vielleicht ganz unterbinden können...“
 

Lena lief erneut leise durch die Küche, als sie durch Geräusche aus dem Hinterzimmer heftig zusammenfuhr und ihr Atem stockte. Draußen war es stockdunkel - genau wie in der Küche. Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam daran. Diese Nacht konnte sie überhaupt nicht schlafen. Immer wieder gingen ihr die Mistkerle durch den Kopf, die hier alles verwüstet hatten. Und jetzt diese Geräusche. Sicherlich waren sie wieder da. Tares war es jedoch, der nun durch das Haus schlich.

„Was läufst du hier noch herum?“, fragte er leise, jedoch mit hartem Ton.

„Auch wenn es dich nicht wirklich interessiert, ich kann vor Aufregung und Angst nicht schlafen“, gab sie erleichtert darüber, dass es sich jetzt nur um ihn handelte, als Antwort.

Der Troll nickt nur, lies sie jetzt jedoch auch alleine stehen. Das Anliegen, welches ihn hier her führte, war eine Etage höher...

Sie wusste nicht, was sie von diesem Kerl halten sollte. Auf der einen Seite, war er ein grober Klotz mit einer Wut, die Lena zu tiefst erschreckte. Auf der anderen Seite war er ein Mann, der seine Freundin so gut wie möglich zu beschützen versuchte. Lena ging zum Holzeimer, um sich noch einmal das Gesicht zu erfrischen. Laris schlief sicherlich schon tief und fest. Dieser Mann – sie schüttelt den Kopf – was hatte der nur mit ihr gemacht. Oben wurde sich jetzt leise unterhalten. Langsam wurde es Zeit, dass auch sie wieder nach oben verschwand.

Kapitel 14 - Die Kraft der Unwissenheit

Sonnenstrahlen kitzelten Lena am nächsten Morgen an der Nase. Laris lag noch neben ihr und schlummerte friedlich. Schon der Gedanke an diesen Kerl machte sie kribbelig. Der Elf begann im Traum zu stöhnen. Behutsam legte sie im die Hand auf seine Brust.

„Aufwachen Laris,“ hauchte sie.

„Du hast schlecht geträumt.“

Seine Augenlider begannen zu zucken und er riss die Augen auf. Lena lächelte und wollte sich an ihn schmiegen, doch sie sah das Entsetzen in seinem Blick. Sofort sprang sie auf und versuchte die Tür zu erreichen. Laris jedoch war schneller, packte sie am Arm und schaute sich um. Ganz sicher suchte er nach einer geeigneten Waffe, doch sie hatte am letzten Abend daran gedacht, den Säbel zu verstecken.

„Was hast du hier verloren?“

Er schaute sie sehr zornig an.

„Lass mich los!“ Lena versuchte ihn abzuschütteln. „Was hast du denn hier zu suchen?“, meckerte sie zurück.

Regungslos blieb er stehen und schaute sich um. Lena nutzte das. Sie riss sich los und hastete zur Tür. Als sie auf dem Treppenabsatz stand hielt sie inne. Laris folge ihr noch nicht. Was sollte sie denn jetzt nur machen.

„Elya?“, schrie sie durchs Haus, doch sie wurde nicht gehört.

Plötzlich war er doch hinter ihr. Sein finsterer Blick erschreckte die junge Frau. Sie rannte die Treppe hinunter, mit der Absicht sich zu verstecken.

„Elya!?“, rief sie erneut.

Auch jetzt bekam sie keine Antwort. Zu ihrem Entsetzen war der schwere Riegel noch immer vor die Tür gehängt. Von der Panik ergriffen schaute sie sich um. Alleine würde sie ihn auch jetzt nicht da wegbekommen, also lief sie ein weiteres mal nur um den Tisch.

„Verdammt!,“ fluchte sie jetzt lautstark.

„Hört mich denn niemand?“

Laris stürzte in Richtung Tisch. Er musste sich allerdings abstützen um nicht umzufallen. Der Elf schwankte wieder heftig und schien ebenfalls erneut diese tierischen Kopfschmerzen zu haben.

„Beruhige dich doch bitte“, versuchte sie es dennoch.

Laris starrte auf den Tisch. Seine Atmung schien sich wieder zu normalisieren. Doch dann stierte er sie wieder sehr böse an. Lena wollte die Augen schließen um einfach aufzuwachen, aber das ging nicht. Niemals hätte sie diese jetzt schließen können.

„Ich bitte dich Laris. Du musst dich doch erinnern.“

Er schüttelte den Kopf und schaute sich suchend um.

„Ich will das du jetzt gehst“, versuchte sie es jetzt auf Elyas Art.

Aber diese Sache schlug ebenfalls fehl.

„Verschwinde!, brüllte sie aus lauter Angst.

Warum hörte sie niemand. Schliefen die da oben etwa wie die Steine? Er schien genau zu wissen, was er wollte. Zielstrebig wankte er auf den Küchenofen zu. Hier hingen zu Lenas entsetzen noch einige Messer. Warum hatte Elya diese nur nicht weggeräumt. Mit einer schnellen Bewegung hatte er sich das größte vom Haken genommen. Es erinnerte von der Form her eher einer kleineren Axt.

„Du meine Güte.“ Sie bekam unsägliche Angst.

„Ein Mensch sollte nicht hier sein!“, schrie der Elf.

Endlich vernahm sie von oben Schritte. Eine Tür wurde aufgerissen. Im selben Moment aber rannte Laris um den Tisch herum auf Lena zu. In ihrer Angst kroch sie darunter hindurch, um auf schnellstem Wege wieder die Treppe zu erreichen. Jemand hastete von oben herunter, dabei achtete sie nicht darauf, wo sich Laris gerade befand. Sie wollte bloß weg. Als Lena jedoch das Tischende erreicht hatte, war er auch schon heran. Sie raffte sich auf und lief wieder um den Tisch herum.

„Hilf mir doch, verdammt!“

Größer konnte die Panik der Frau nicht mehr werden. Als sie um die nächste Ecke bog, schlug Laris mit der Axt zu. Tares war es, der die Treppe heruntergekommen war. So schnell er konnte, stürzte er sich auf den Verrückten. Er riss Laris die Axt aus der Hand und schmetterte sie in eine entfernte Ecke. Lena brach vor Schmerzen zusammen und ihre Fingerkuppe des rechten kleinen Fingers rollte über den Tisch und viel anschließend auf den Boden.
 

Erst jetzt registrierte sie was soeben passiert war. Tares hatte noch immer damit zu kämpfen, den Kerl festzuhalten. Elya hatte sich jetzt heruntergetraut. Als sie jedoch sah was passiert war, eilte sie herunter und öffnete die Kellertür. Tares stieß ihn unsanft hinunter und verriegelte die Tür hinter ihm so schnell wie möglich. Der Menschenfrau wurde es schwarz vor Augen. Sie sah nur noch die Blutspur auf dem Tisch und kippte um.
 

Als Lena wieder zu sich kam, lag sie erneut in Laris Bett. Elya kniete neben ihr. Sie hatte Tränen in den Augen.

„Es tut mir so schrecklich leid.“

Der Schmerz in der Hand kehrte allmählich zurück. Elya hatte während ihrer Abwesenheit einen sehr dicken Verband um ihre Hand gebunden.

„Bitte nicht... Sag mir dass das nicht war ist!“

Die Elfe senkte den Kopf. Lena setzte sich und lehnte sich gegen die Wand. Der Verband wurde allmählich rot. Sie begann fürchterlich zu zittern.

„Ich befürchte, wir können ihn nicht retten.“

Lena war das jedoch vollkommen klar. In diesem nicht besonders fortschrittlichen Land...

Elya wusste nicht wie sie das wieder gut machen sollte.

„Trink das.“

Sie hielt Lena eine Schüssel mit einer eigenartig riechenden grünen Flüssigkeit vor die Nase.

„Das lindert die Schmerzen“, schwor sie.

Lena trank einen Schluck. Das Zeug schmeckte furchtbar. Der unangenehme Schmerz hackte wieder sehr stark in ihrer Hand. Langsam öffnete sich die Tür. Tares trat ein. Er schaute besorgt. Am liebsten hätte sie ihn angebrüllt, dass er zu langsam war, aber dass unterlies sie lieber.

„Tut mir wirklich leid mit deiner Hand.“

Lena schaute auf.

„Dein Mitleid kannst du dir sparen!“, fuhr sie den Troll an.

Schreie drangen nach oben.

„Er hat sich immer noch nicht beruhigt“, gab der Troll betrübt an.

Elya war mit den Nerven am Ende.

„Das ist der schlimmste Vorfall seit langem.“

Ihre Augen wurden wieder feucht.

„Komm jetzt ja nicht auf die Idee, die Schuld daran auch bei mir zu suchen!“, murrte Lena und blickte verhasst zu Tares auf.

Der Troll wollte etwas darauf erwidern, doch er unterlies jegliche Gemeinheit und räumte stattdessen das Zimmer. Beleidigt stapfte er die Stufen hinunter. Elya sprang sofort auf und hastete ihm nach.

„Sie meint das doch nicht so...“, versuchte sie ihm klar zu machen.

„Kein Danke und nichts“, beschwerte sich der Troll.

„Lena hat Schmerzen. Sie sollte sich erst einmal wieder etwas beruhigen.“

Trotz das die beiden mittlerweile schon wieder in der Küche standen, hörte Lena jedes Wort genau. Ein Schluck von diesem Zeug würde gewiss nicht helfen, also trank sie die Schüssel leer. Das der Elf auf diese Weise durchdrehen könnte, hätte sie nie gedacht. Jetzt endlich verstand sie auch, warum sich die Dorfleute von ihm fernhielten. Der Mann war in diesem Zustand unberechenbar. Lena starrte auf den Verband. Hatte sie also ein Stück Finger wegen diesem Elf eingebüßt. Erneut war ein hysterisches Klopfen und Schreien zu vernehmen. Laris schien sich heute wirklich nicht wieder beruhigen zu wollen. Sie lehnte sich zurück aber an Schlaf war gar nicht zu denken. Zu groß war ihre Sorge um ihn. Sie musste unbedingt nach unten. Schwankend schlich sie an der Wand entlang. Elya kam ihr jedoch bevor sie das Zimmer verlassen konnte, entgegen.

„Du solltest wirklich nicht herumlaufen.“ Strafend schaute sie Lena an.

„Ich muss wissen wie es Laris geht.“

Erstaunt darüber, dass sie trotz dieses Vorfalls seine Nähe nicht scheute, hielt sie Lena nicht länger ab. Behutsam hakte sie sich bei ihr ein. Das widerliche Zeug begann so langsam zu wirken.

„Tares war ein bisschen enttäuscht, dass er rein überhaupt keinen Dank von dir bekommen hatte.“

Lena zuckte nur mit den Schultern. Irgendwie war ihr das völlig egal.

„Er ist wieder ins Schloss gegangen.“

„Lasst mich hier raus!“, hörten sie Laris’ stinksauere Stimme aus dem Keller kommen, als sie die letzte Stufe erreicht hatten.

Wieder trat er wie wild gegen die Tür.

„Tares hat ihn noch gefesselt, während du weggetreten warst.“

Lena war entsetzt.

„Meint ihr wirklich, dass das notwendig ist?“

„Ich weiß nicht. Auf diese Art war er noch nie weggetreten. Ich hoffe nur seine Erinnerung kommt überhaupt wieder.“

Lena ließ sich auf der letzten steinernen Stufe nieder.

„Laris?“, versuchte die Menschenfrau eine vorsichtige Kontaktaufnahme.

Auf der anderen Seite der Tür wurde es still. Elya setzte sich neben sie.

„Ich weiß nicht, was ich jetzt mit ihm machen soll.“

Die Elfe wirkte jetzt so hilflos. Lena starrte sich wieder auf den Verband dann viel es ihr wieder ein.

„Wo ist eigentlich der Rest von meinem Finger?“

Elya fuhr zusammen, doch sie stand auf und kam mit einem Stoffstück zurück.

„Kann ich vielleicht sehen was mir jetzt alles fehlt?“

Elya verzog den Mund..

„Ich halte das für eine ganz schlechte Idee. Vielleicht sollte ich ihn irgendwo eingraben.“

Lena schaute finster.

„Ich würde ihn trotzdem gerne erst einmal sehen.“

Schniefend rollte das Bündel auf. Lenas Augen wurden groß. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und wand den Blick sofort wieder ab. Mit den Tränen und Übelkeit hatte sie jetzt fürchterlich zu kämpfen.

„Ich werde ihn besser sofort verscharren, wenn du nichts dagegen hast.“

Lena antwortete nicht und Elya verschwand mit dem Rest im Garten.

„Hörst du mich?“, versuchte Lena es erneut, als sich die Übelkeit etwas gelegt hatte.

„Lass mich hier raus“, vernahm sie seine Stimme.

Er klang als wäre er körperlich am Ende.

„Weist du wer ich bin?“ – keine Antwort.

„Wie ist dein Name?“ – auch jetzt wieder nur Schweigen.

„Na schön. Dann werde ich wieder gehen.“

Lena stand auf und wollte Elya in den Garten folgen.

„Nein“, vernahm sie jetzt ein zaghaftes Stimmchen.

„Geh bitte nicht. Ich erinnere mich an nichts. Lass mich nicht alleine.“

Lena krampfte sich am Treppengeländer fest. Am liebsten hätte sie ihn freigelassen, aber Elya würde das sicher nicht erlauben.

„Ich kann dich nicht aus dem Keller lassen. Ich bekomme diesen Riegel alleine nicht auf und außerdem bist du viel zu gefährlich.“

Sie lies sich wieder auf der Stufe nieder. Der Elf fiel verzweifelt hinter der Tür auf die Knie. Elya kam aus dem Garten zurück und setzte sich abermals zu ihr.

„Ich werde besser nicht erzählen wo genau ich ihn verscharrt habe.“

„Denkst du wirklich, dass ich ihn ausgaben werde?“

Seltsamerweise musste Lena jetzt lächeln. Es war zwar ein gequältes, doch es sollte ein Lächeln werden. Laris schwieg. Ganz bestimmt hatte er jedoch mitbekommen was passiert war.

„Mich würde jetzt wirklich einmal interessieren, wo er sich diesen Schlag eingefangen hat.“

Erwartungsvoll schaute Lena die Elfe an.

„Die Trolle haben ihm das angetan“, erzählte sie.

Elya wurde traurig. Sie mochte diesen Tares sehr, aber gegen den Rest von ihnen schien sie großen Gräuel zu hegen. Elya sprach sehr leise. Sie hatte die Hoffnung, dass Laris sie nicht hören würde.

„Vielleicht sollte ich dir das anderswo erzählen.“

Lena nickte und beide verschwanden in den Garten. Elya trat mit verschränkten Armen und betrübten Blick hinaus. Auf der Straße schleppte gerade eine junge Elfe Holz unter dem Arm nach Hause. Als diese Lena sah, lief sie sofort schneller. Sie fühlte sich hier wieder sehr unwohl. Jetzt erst recht, wo sie Laris nicht an ihrer Seite hatte.

Kapitel 15 - Der Grund

„Kurze Zeit nachdem sich die Trolle hier breitgemacht hatten, fingen die ersten hier gebliebenen Elfen an eine Revolte zu planen. Ganz vorne an, Laris’ Vater. Da ich zu dieser Zeit schon hier wohnte, bekam ich diese Sachen als erstes mit. Davon abhalten konnte ich sie nicht. Um ehrlich zu sein: ich hatte das auch nicht vor. Glaubte ich doch wirklich wir hätten eine Chance.“

Zutiefst traurig schaute sie Lena an.

„Ich hatte mich so geirrt.“

Der kleine Junge, den Lena schon einmal gesehen hatte, lief am Garten vorbei. Auch dieses mal blieb er stehen.

„Na Kleiner?“, sprach Lena ihn an.

Erstaunt darüber, dass sie mit ihm redete, riss er die Augen auf. Er schien wirklich keine Angst zu haben.

„Mach dich nach Hause, Dary. Du solltest lieber deiner Mutter helfen!“, warf Elya ein.

„Bist du wirklich ein Mensch?“, fragte er neugierig.

Lena lächelte. Als sie sich jedoch dem Zaun nähern wollte, lief er weg.

„Laris war genau so ein aufgeweckter, mutiger Bursche. Jedoch wurde ihm das zum Verhängnis. Sein Vater fädelte also diesen Aufstand ein und Laris wollte ihm natürlich nacheifern. Ich hatte versucht, wenigstens ihn abhalten zu können, aber dieser Mann war so stur.“

Lena schüttelte den Kopf und schaute Elya an.

„War?, warf sie ein. „Daran hat sich doch bis heute nichts geändert!“

„Als sie zur Burg stürmten, waren es nicht mehr wie zwanzig Mann. Natürlich wieder viel zu wenig für einen Erfolg. Sie schafften es gerade bis an die Brücke. Moros empfing sie dort. Er hatte sie schon von weiten gesehen. Unsere Leute waren zwar bewaffnet aber nicht genug. Da er alles schwerere Gerät bereits bei der Besetzung an sich genommen hatte, war uns nicht viel geblieben. Moros Leute machten diesem Aufstand sehr schnell ein Ende. Ich sah Laris Vater sterben. Moros selbst schnitt ihm die Kehle durch. Laris versuchte noch, ihn zu retten. Dabei hat er seinen Schlag abbekommen. Moros stieß seinen Vater die Klippe hinunter. Seine Mutter wurde von mehreren anderen zu Boden geschlagen. Ich schätze sogar, es waren Sesárs eigene Leute. Sie sind nicht gefragt worden, ob sie an Moros Seite kämpfen wollen. Sie hatten keine andere Wahl. Einige von ihnen sprangen wegen ihres schlechten Gewissen anschließend selbst.“

Elya brach bei ihrer Erzählung in Tränen aus. Sofort eilte Lena zu ihr und nahm sie tröstend in die Arme. Ihre Hand schmerzte jetzt wieder bestialisch, doch sie riss sich zusammen.

„Ich schleppte Laris so schnell ich konnte hinter eine der Hütten – nur schnell weg vom Kriegsschauplatz. Ich wollte ihn nicht auch noch verlieren. Zum Glück atmete er noch. Er war nur bewusstlos – so dachte ich jedenfalls erst. Zwei Tage später wachte er erst wieder auf. Ich war so erleichtert, dass er das überhaupt tat.“

Elya klammerte sich jetzt bei Lena fest.

„Du hältst mich jetzt sicherlich für feige, weil ich mich einfach verkrochen habe.“

Lena schüttelte den Kopf.

„Ich bin froh, dass du nicht mehr riskiert hast, sonst hätte ich euch doch niemals kennen gelernt.“

Lena versuchte sie mit einem Lächeln aufzumuntern. Dankend lächelte sie zurück.

„Laris war zwar wieder erwacht aber seine gesamten Erinnerungen schienen wie gelöscht. Auch Wochen danach war nichts. Also habe ich ihm eine erzählt, die nicht ganz so schrecklich war. Seit diesem Tag hatte er wenigstens eine Schwester. Vielleicht hätte er mich möglicherweise rausgeworfen, wenn wir uns gestritten hätten. Mit dieser kleinen Lüge ging ich dieser Gefahr aus dem Weg.“

Loco hüpfte plötzlich an den Beiden vorbei und ins Haus. Bis jetzt hatte er sich noch nicht blicken lassen. Er schien sein Herrchen zu suchen.

„Wir sollten jetzt erst einmal etwas essen.“

„Ich schätze, ich hätte ihm das selbe erzählt“, äußerte Lena bevor beide im Haus verschwanden.

Den Rest des Tages versuchte Lena der Elfe mit einer Hand behilflich zu sein. Sich nur irgendwo hinzusetzen, kam nicht in Frage. Lena brachte jetzt Ablenkung. Der Schmerzen wegen, hatte sie noch eine Schüssel mit dem ekelhaften Zeug getrunken. Elya verstand ihr Handwerk, Tinkturen und Tees herzustellen, hervorragend.
 

Tares kreuzte an diesem Tag nicht mehr auf. Anfangs machte sich Elya noch Gedanken aber das legte sich schnell. Sicherlich war er immer noch sauer auf sie. Auch am Abend schien er nicht mehr vorbeizuschauen. Aus dem Keller waren längst keine Geräusche mehr zu hören. Laris hatte bestimmt unglaublichen Hunger. Die beiden Mädchen hatten sich den ganzen Tag nicht hinunter gewagt. Doch jetzt standen sie vor der schweren Tür und überlegten. Loco hatte angefangen an der verschlossenen Tür zu kratzen. Er wusste genau, wer sich da unten befand.

„Er ist doch gefesselt sagtest du?“

Elya nickte.

„Ich werde ihm jetzt etwas geben.“

Die Elfe zauderte.

„Willst du ihn etwa verhungern lassen?“

„Nein, natürlich nicht!“

„Ich werde da auch alleine hinunter gehen, du musst mir nur mit diesem Riegel helfen.“

Elya war einverstanden. Diese Vorstellung, die Laris am heutigen Morgen abgeliefert hatte, schien diese Elfe wirklich sehr geängstigt zu haben. Beide wuchteten den schweren Balken – Lena natürlich nur mit einer Hand – aus der Verankerung. Brot, Wasser und Obst lagen auf dem Tisch bereit.

„Ruf mich, wenn du soweit bist.“ Bevor sich Elya zurückzog, nahm sie sich noch das Küchenbeil, welchem Lena ihren Verlust verdankte. Unbewaffnet hatte sie nicht vor, schlafen zu gehen. Lena wartete, bis die Elfe verschwunden war und zerrte vorsichtig mit einer Hand am Tor. Unten war es sehr dunkel. Loco eilte voraus. Es dauerte einige Zeit bis sich Lenas Augen an das Licht ihrer flackernden Kerze gewöhnt hatten. Eine zusammengekauerte Gestallt starrte sie an. Lena wurde es augenblicklich unheimlich, wo sie diesen Mann doch so gerne hatte Was war jetzt nur mit ihr los. Loco versuchte ein paar Mal seinem Herren auf das Knie zu springen, dieser reagierte jedoch absichtlich nicht darauf. Lena hatte keine so rechte Ahnung, wie sie ihm jetzt entgegentreten sollte.

„Erinnerst du dich wieder?“, fragte sie vorsichtig.

Der Elf schüttelte den Kopf. Irgendwie hatte Lena damit gerechnet.

„Ich habe Essen dabei.“

Laris hatte nur Augen für das, was Lena in der Hand hielt.

„Soll ich dir die Sachen hier herstellen oder ist es dir recht, wenn ich dich füttere?“

Er versuchte sich zu befreien – vergebens. Mit ordentlichem Abstand blieb sie vor ihm stehen.

„Mach mich doch los“, schlug er vor.

„Das werde ich nicht tun“, gab sie zurück.

„Solange du dich nicht erinnerst, ist mir das zu gefährlich.“

Sie ließ sich vor ihm nieder und stellte die Kerze auf dem unebenen Steinfußboden ab. Loco hüpfte ihr aufs Knie.

„An den kleinen Kerl erinnerst du dich auch nicht?“

Wieder schüttelte er den Kopf.

„Was ist mit deiner Hand?“, viel ihm sofort auf.

Lena überlegte, ob sie ihm das jetzt wirklich erzählen sollte.

„Du solltest erst einmal etwas essen“, lenkte sie jedoch ab.

Behutsam hielt sie ihm ein Stück Brot hin und er biss ab.

„Was ist mit mir los?“, fragte er mit vollem Mund.

„Ich weiß es leider auch nicht.“

Sie senkte den Blick und genau das machte ihn stutzig.

„Du scheinst deswegen sehr traurig zu sein“, stellte er fest.

Am liebsten hätte sie losgeheult aber das konnte sie jetzt unmöglich tun. Lena rückte noch ein Stück näher an ihn heran.

„Was ist denn nun mit deiner Hand?“, fragte er erneut.

Hatte er sie zuvor mit „Mensch“ beschimpft und dass er sich nicht fürchtete, schien er mit einem Mal besorgt. In ihm schien so einiges vor sich zu gehen, Klarheit jedoch auf keinem Fall. Sie konnte ihm diese Information nicht länger vorenthalten. Wie er wohl jetzt auf ihre Worte reagieren würde?

„Du verlorst heute deine Erinnerung und bist in der Küche mit einem sehr scharfen Messer auf mich losgegangen.“

So ernst, wie Lena jetzt schaute, konnte sie sich das unmöglich ausgedacht haben. Laris senkte verschämt den Blick.

„Und dennoch traust du dich alleine in meine Nähe?“

Laris überraschte das sehr.

„Ich kann dich doch nicht verhungern lassen“, wich sie aus.

Wenn sie ihm jetzt gesagt hätte, was sie wirklich für ihn empfand, hätte er diese Situation bestimmt versucht auszunutzen.

„Außerdem bin ich nicht ganz allein. Wenn ich jetzt schreien würde, wäre sofort jemand zur Stelle.“

Auch wenn er ihr das jetzt nicht so recht glauben sollte. Laris machte nun einen so friedlichen Eindruck auf sie. Sie setzte sich neben ihn an die Wand und fütterte ihn mit den leckeren, orangen Beeren. Dabei schaute er ihr genau in die Augen. Wie liebte sie es, wenn er sie so ansah. Am liebsten hätte sie ihn umarmt, doch sie traute sich nicht.

„Du erinnerst dich an rein gar nichts?“, erkundigte sie sich erneut.

Auch jetzt bekam sie nur ein kopfschütteln als Antwort. Lena schniefte traurig. Vorsichtig rückte er jetzt näher an sie heran. Lena hielt ihm wieder eine Beere hin doch er nahm sie ihr jetzt nicht aus der Hand. Stattdessen lehnte er sich an ihrer Schulter an. Die Menschenfrau begann zu zittern. Sie stellte die Schüssel mit dem Essen auf den Boden und hielt ihm die Blechtasse mit Wasser vor die Nase. Irgendwie schien ihm das essen jetzt gar nicht mehr so wichtig zu sein, trotz das er den ganzen Tag hungern musste. Ihr Herz begann zu rasen. So langsam fiel es ihr immer schwerer, mit dieser Situation klarzukommen.

„Ich werde jetzt wieder gehen“, stahl sie sich aus der Affäre.

Sie sprang ruckartig auf und stellte das Wasser ab. Laris erschrak über diese heftige Bewegung.

„Bitte nicht. Geh nicht weg. Lass mich nicht hier.“

Er versuchte sofort, gefesselt wie er war, aufzustehen. Lena wand sich ab. Ihr kamen jetzt doch die Tränen – sie waren unaufhaltbar. Es dauerte eine Weile, doch er schaffte es schließlich doch auf die Beine. Was sollte Lena denn jetzt machen. Laris stellte sich hinter sie und lehnte den Kopf bei ihr an.

„Bitte weine nicht. Ich werde mich auch benehmen.“

Sie konnte ihn unmöglich hier zurücklassen. Laris befand sich wie in einem schwarzen Loch. Er erinnerte sich an nichts und niemanden und Lena wollte ihn jetzt auch noch allein lassen? Das konnte sie unmöglich tun!

„Na schön.“

Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und hob die restlichen Sachen auf.

Mit langsamen Schritten schlich sie die Treppe hinauf. Laris begleitete sie wortlos. Loco folgte ihnen nicht sofort, da eine der Beeren auf den Boden gefallen war. Also ließ sie die Kellertür offen stehen. Lena stellte das restliche Essen auf den Küchentisch und schlich mit ihm vorsichtig in sein Zimmer.

„Ich werde dich nicht losbinden, verstanden?“

Der Elf nickte. Endlich spazierte auch Loco herein und ließ sich auf dem Lager nieder.

„Du solltest jetzt schlafen“, schlug sie Laris vor.

Lena verschränkte die Arme hinter dem Rücken und starrte aus dem Fenster. Er tat wie ihm empfohlen. Sicherlich war er froh, dass er nicht alleine in diesem Keller die Nacht verbringen musste. Laris setzte sich aufs Bett und schaute sich die ihm fremde Frau an. Lena fühlte ich sich so unwohl, wie seit langem nicht mehr. Dennoch fand sie, dass es eine gut Idee war, ihn nicht im Keller allein zu lassen.

„Frau?“, fragte er ruhig.

Lena war mit den Gedanken gerade wieder Daheim gewesen, sodass sie zusammenfuhr. Sie ging langsam auf ihn zu und hockte sich neben ihn.

„Kannst du mir bitte mit den Stiefeln helfen?“

Mit dieser Frage kam er sich jetzt richtig dumm vor aber was sollte er machen?

„Ich kann’s versuchen, mit einer Hand.“

Verschämt senkte er erneut den Blick.

„Es tut mir wirklich sehr leid was ich dir angetan habe.“

Lena griff nach seinem Kinn.

„Es ist nicht deine Schuld, okay? Mache dir bitte keine Gedanken darüber.“

Laris versuchte zu lächeln. Nach einigen Anläufen hatte sie dann auch die Stiefel von seinen Füßen. Lena stellte sie ein ganzes Stück vom Bett weg. Laris stellte keine Fragen deswegen. Ihm war klar, dass er nicht heimlich verschwinden sollte – was er allerdings auch nicht vorhatte. Wo sollte er auch hin? Vorsichtig legte er sich auf die Seite. Das schlafen auf dem Rücken war logischerweise nicht möglich, wenn die Arme hinten zusammengeschnürt waren. Tares schien damit alle Arbeit geleistet zu haben. Laris jedoch, beschwerte sich deswegen nicht. Sie legte sich vorsichtig neben ihn uns starrte noch eine ganze Weile an die Decke. Ihre Hand tat wieder arg weh, doch sie sagte nichts. Loco hatte sich über ihren Köpfen zusammengerollt. Der Elf hätte sich am liebsten bei ihr angelehnt, traute sich jedoch nicht so recht.
 

Lena erwachte mit fürchterlichen Schmerzen – jedoch nicht nur in der Hand. Ihr Rücken machte sich bemerkbar. Laris hatte seine Arme irgendwie, trotz dass seine Hände nach wie vor zusammengebunden waren, nach vorne bekommen und sie auf seltsame Weise um Lena herumbekommen. Sie konnte sich kaum bewegen. Erschrocken schaute sie ihn an. Laris jedoch lächelte freundlich.

„Was soll das denn bitte?“, brachte Lena genervt hervor.

Erschrocken über ihre Reaktion verschluckte er sein Lächeln.

„Bitte sei jetzt nicht böse.“

Zerknirscht biss er sich auf die Unterlippe. Sie konnte diesem Kerl auch gar nicht böse sein. Er zog Lena vorsichtig an sich und hielt sie fest. Dabei drehte er sich auf den Rücken und zog sie mit sich. Jetzt wo die junge Frau diesem Mann auf der Brust lag, spürte sie wie sein Herz vor Aufregung raste. Liebevoll begann er, sie am Rücken zu streicheln. Lena drehte den Kopf auf die Seite und lauschte den Geräuschen seines Herzens.

„Du bist kein Elf, richtig?“

Lenas Augen weiteten sich. Sie stützte sich vorsichtig ab und schaute ihn an.

„Ein Mensch?“, fragte er weiter.

Lena nickte.

„Und dennoch hast du mich jetzt so an dich herangezogen?“

Sie schaute überrascht. Laris hatte sein Lächeln wieder.

„Ich habe doch keine Angst vor einer Menschenfrau.“

Sie wand den Blick ab.

„Das habe ich doch jetzt nicht böse gemeint“, versuchte er ihr verständlich zu machen und begann erneut sie zu streicheln.

Laris zog sie wieder sehr eng an sich.

„Wenn du nicht willst, dass dich umarme gebe ich dich sofort frei.“

„Nein ... las mich nicht los“, war ihre sofortige Antwort und sie kuschelte sich wieder an ihn.

Kapitel 16 - Das Verschwinden

Die Sonne war längst noch nicht aufgegangen als Laris erwachte. Er saß sogleich im Bett und schaute sich um. Wieder war er allein.

„Sie ist weg“, stellte er fest und sprang auf.

Hatte sie nicht gesagt, jemand wäre in der Nähe, wenn sie Angst haben würde. Sofort lief er aus dem Zimmer. Sicherlich war sie bei der anderen besagten Person.

„Hilfe“, schrie er durch das Haus.

Sofort sprang eine weitere Tür auf und eine Elfe mit Küchenbeil in der Hand stürmte hinaus.

„Sie ist weg“, wiederholte er.

Noch etwas verschlafen aber dennoch geschockt starrte sie ihn an.

„Was ist denn passiert? Wer ist weg? Was machst du hier?“

Laris hielt ihr seine Hände entgegen. Die Fesseln hingen noch an seinen Handgelenken, jedoch waren sie zerschnitten worden.

„Die Menschenfrau, sie ist verschwunden.“

Laris schien in großer Sorge zu sein. Erst jetzt befreite er sich von den Seilresten.

„Hat sie dich losgebunden?“, fragte Elya weiter.

Laris schüttelte den Kopf

„Sie hatte zu große Angst vor mir.“ In seinen Worten lag Enttäuschung.

„So einfach zu verschwinden sieht ihr doch gar nicht ähnlich...“

Sein entsetzter Blick richtete sich jetzt auf die Waffe in ihren Händen. Sofort ging er einige Schritte zurück. Die Elfe bemerkte seine Unruhe und versteckte sie hinter dem Rücken.

„Ohne Waffe schlafen zu gehen ist hier zu gefährlich.“

Längst hatte sie gemerkt dass er sich auch jetzt noch nicht erinnerte.

„Könnte sie irgendjemand entführt haben?“

„Ich bin mir ganz sicher...“

„Wir müssen sie befreien.“

Laris lief zurück in sein Zimmer, um seine Stiefel zu holen.

„... und ich kann mir auch denken wer!“
 

***
 

Zur selben Zeit war Lena schon lange nicht mehr im Dorf. Die beiden Wachen vom Burgtor hatten sie doch tatsächlich unbemerkt entführen können. Vollkommen Geräuschlos waren sie in ihr Zimmer gekommen. Nicht einmal die Haustür hatte Lena gehört. Und Loco hatte nicht das geringste ausrichten können. Ihr war das unbegreiflich. So schnell wie sie ihr den Mund verbunden und sie aus Laris´ Umarmung befreit hatten, konnte sie nicht einmal richtig munter werden. Vor dem Zaun hatte noch ein weiterer Mann gestanden. Erst jetzt, wo sie von den beiden mehr getragen wurde als das sie lief, konnte sie diesen genauer anschauen. Seine interessant und zugleich schlichtwirkende Rüstung bestehend aus Kettenhemd und Leder fiel ihr sofort ins Auge. Ganz sicher war er auch einer von Tares´ Brüdern - Wie viele mochte dieser Kerl eigentlich noch haben? An der Brücke machten sie halt und ließen Lena wieder herunter. Die beiden Wachen schickte er, mit einer eindeutigen Handbewegung voraus. Sicherlich wollte er den Ruhm alleine ernten. Das war wieder sehr typisch für diese Trolle. Am liebsten wäre sie allerdings vor Angst gestorben, so gefesselt und geknebelt wie sie jetzt vor ihm stand. Dieser Kerl trug sein pechschwarzes Haar etwas länger. Er hatte es hinten zusammengebunden. Sein Gesicht jedoch erinnerte Lena weder an Moros noch an Tares oder Narkis. Irgendwie wirkte dieser Mann femininer als alle anderen, die sie bis jetzt kennen gelernt hatte. Seine Ohren verrieten ihn jedoch. Er befreite Lenas Mund und schaute sie eigenartig an. Dieser Troll sah zu ihrer Überraschung wirklich gut aus. Selbst seine Nase wirkte um einiges zierlicher. Seine blauen Augen leuchteten im Mondlicht. Vorsichtig fasste er ihr ans Kinn. Lena versuchte sich davon loszureißen aber da ihre Füße zusammengebunden waren, hätte sie nur davon hüpfen können, doch diese Peinlichkeit wollte sie sich ersparen.

„Lass mich bloß in ruhe, du Mistkerl!“

Der Troll zog verärgert die Augenbrauen sehr tief.

„Was auch immer ihr von mir wollt – ich denke nicht, dass ich es euch geben kann!“

Er hockte sich vor sie und löste die Fesseln an ihren Füßen. Dabei schaute er an ihr empor. Sie sah die Nervosität in seinen Augen blitzen. Als er aufstand, versuchte er Lena zu küssen. Fix ging sie einen Schritt zurück und drehte sich weg.

„Das ist ja wohl das allerletzte!“, beschimpfte sie ihn.

„Willst du mich nun ent- oder verführen?“

Grob packte er sie am Arm und wollte sie über die Brücke ziehen. Die ganze Zeit hatte er kein einziges Wort gesagt.

„Wenn Moros erfährt, dass du dich an einer Gefangenen vergreifen wolltest, macht er dich sicher fertig.“

Was auch immer dieser Kerl für ein Problem hatte – er lies es jetzt an Lena aus. Er packte sie an den Schultern, hob sie an und setzte sie auf die Brüstung. Hinter ihr tat sich die Abgrund auf. Lena wurde es Himmelangst. Der Troll hielt sie nur mit einer Hand fest. Würde er jetzt loslassen, würde sie sofort hinunterstürzen und das war es dann.

„Beruhige dich wieder. Ich werde ihm kein Wort sagen.“

Augenblicklich hob er sie wieder auf den Boden der Brücke.

Langsam beschlich sie das Gefühl, dass dieser Kerl überhaupt nicht sprechen konnte.

„Bist du nur schweigsam oder kannst du gar nicht reden?“

Er nickte traurig und versuchte sie erneut zu küssen.

„Unterlass das gefälligst! Denkst du vielleicht deine Stimme kehrt zurück, wenn du mich küsst?“

Erstaunlicherweise nickte er erneut.

„So ein Blödsinn! Ich bin doch keine gute Fee oder dergleichen! Ich kann nicht zaubern, verstanden!“

Lena war fassungslos. Die Leute hier glaubten wirklich an den allergrößten Unsinn.

„Ist es das, was ihr von mir wollt? Soll ich dich heilen?“

Der Troll warf sich Lena über die Schulter und hatte es plötzlich sehr eilig. Vielleicht hoffte er, Moros könnte sie dazu bringen, ihm zu helfen. Regungslos lies sie sich diesen recht unbequemen Transport gefallen. Da ihre Arme immer noch am Rücken festgebunden waren, konnte sie sich nicht einmal festhalten. Er trug sie sogar in die Burg, ohne auch nur einmal anzuhalten. Selbst auf der Treppe blieb er nicht stehen. Lena war überrascht von seiner Kraft. Dieser Mann sah nicht im geringsten danach aus. Die beiden Wachen hatten ihren Platz am kleinen Tor längst wieder eingenommen.

Lena und ihr Entführer traten ein. Vor dem roten Vorhang ließ er sie endlich herunter. Wieder schaute er sie eindringlich an. Lena schwieg und drehte ihren Kopf weg. Sofort wurde der rote Samt von innen aufgerissen und Moros trat heraus. Er begrüßte sie wieder mit diesem furchterregenden Grinsen.

„Da hast du dir aber ganz schön Zeit gelassen“, geiferte er, wie er es scheinbar jedes mal tat.

Der gutaussehende Troll nickte nur, ohne jeglichen Gesichtsausdruck. Moros zog Lena wieder in die, auch dieses Mal, recht dunkel wirkende Halle. Wie beim letzten mal konnte sie um sich herum niemanden erkennen. Sie war sich jedoch sicher, dass auch jetzt wieder Wachen in den dunklen Ecken standen. Er zerrte sie noch ein ganzes Stück weiter und drückte Lena unsanft auf einen der sehr massiven Stühle.

„Ich höre!“

Verwirrt schaute Lena auf.

„Ich habe keine Ahnung was du von mir willst!“

Sie drehte beleidigt den Kopf weg.

Moros schlug vollkommen unerwartet mit beiden Fäusten auf die Armlehnen von ihrem Stuhl. Sie zuckte vor Schreck so heftig zusammen, dass sogar der andere Troll zusammenfuhr.

„Wenn du denkst, dass ich diesen schweigsamen Troll von seinem Leiden befreien kann, hast du dich gewaltig geirrt!“

Moros bekam große Augen und warf dem anderen einen sehr zornigen Blick zu.

„Hast du dich etwa doch schon an ihr versucht?“

Er jedoch rührte sich nicht – wie die ganze Zeit schon. Also starrte er erneut zu Lena. Wie versprochen - log sie.

„Nein hat er nicht! Das hätte sich dieser Kerl ganz bestimmt nicht getraut.“

Stinksauer blickte sie Moros an. Lena vernahm aus dem Hintergrund ein erleichtertes Durchatmen.

„Wie funktionieren diese Tore?“, löcherte sie dieser Mistkerl weiter.

„Tut mir ja fürchterlich leid das ich dich schon wieder enttäuschen muss aber ich habe keine Ahnung!“

„Lügnerin!“

Er schlug ihr ins Gesicht.

„Denkst du wirklich ich wäre noch hier wenn ich das wüsste? Ganz bestimmt wäre ich so schnell wie möglich wieder verschwunden!“

„Schon einmal war es einem Mensch, einer Frau, gelungen unsere Welt zu betreten.“

Lena war überrascht.

„Ich dachte hier glaubt niemand so recht an Menschen?“

„Sie versuchte unsere Welt dem Untergang zu weihen.“

„Irgendwie habe ich allerdings das Gefühl, dass du diese besagte Frau gerade mit jemanden ganz anderen verwechselst! Ich habe den Anschein ihr tickt hier alle nicht ganz richtig!“

Moros wurde es jetzt zu bunt. Ruckartig griff er nach ihrem Hals und drückte zu. Seine große Hand umfasste ihn beinahe vollständig. Lena bekam keine Luft mehr. Der Troll, der sie hergeschleppt hatte, wurde jetzt aktiv. Mit festem Griff fasste er nach Moros´ Hand und zog diese davon weg. Der Herrscher schaute auf. Der Jüngere schien sich jetzt mit Zeichensprache zu verständigen, denn er fuchtelte mit beiden Händen herum. Die zierliche Frau japste nach Luft.

„Fällst du mir jetzt etwa auch noch in den Rücken, Poras?“

Moros wand sich ab.

„Bring sie weg...! - ...Aber komme ja nicht auf die Idee sie anzurühren!“

Behutsam griff er nach ihrem Arm, lies es jedoch brutaler aussehen wie es war. Lena folgte ihm ohne Widerstand. Als beide den Vorhang erreicht hatten, hielt Moros sie noch einmal an.

„Menschenfrau?“, rief er sie bedrohlich.

„Bis Sonnenuntergang gebe ich dir Zeit zu reden, ansonsten wirst du dir die Schlucht einmal genauer anschauen müssen!“

Wieder lachte dieser Erpresser bedrohlich. Es schien durch die ganze Burg zu schallen. Poras zog Lena jetzt endlich hinaus. Er schob den Vorhang sehr gewissenhaft zu und schaute ihr traurig in die Augen.

„Ich schwöre dir, wenn ich dir helfen könnte, würde ich es tun.“

Er senkte den Kopf.

„Soll ich für meine Ehrlichkeit jetzt sterben?“

Wieder sprach er mit den Händen.

„Was auch immer du mir gerade sagen willst, ich verstehe diese Zeichensprache leider nicht.“

Diese Erkenntnis machte ihn ungeheuer traurig.

„Hattest du wirklich die Hoffnung, dass ich dir helfen kann?“

Poras lief ein ganzes Stück in einem der Gänge voraus und lies Lena stehen, doch Ihnen kam plötzlich ein Schatten entgegen. Sofort kam er zurück und hielt die Gefangene fest, um nicht aufzufallen. Es war Narkis. Der Kleine schaute eigenartig, schien sich aber nicht besonders zu freuen, dass er Lena hier sah. Beide bewegten sich nicht weiter, bis Narkis wieder verschwunden war. Poras baute sich erneut vor ihr auf, befreite ihre Hände vom stabilen Seil und griff nach ihrer verletzten Hand. Erst jetzt schien er den Verband wahrgenommen zu haben. Er hielt sie hoch und schaute besorgt.

„Dich interessiert jetzt sicher was ich da gemacht habe.“

Lena lächelte vorsichtig

„Laris hat mir diese Verletzung zugefügt. Er wusste nicht was er tat und soweit ich weiß, kann er sich auch jetzt noch nicht erinnern.“

Poras schüttelte entsetzt den Kopf.

„Ist ja nicht seine Schuld, dass er andauernd sein Gedächtnis verliert sondern Moros!“

Langsam nahm er jetzt ihre unverletzte Hand und legte sie sich an den Hals.

„Glaub mir doch bitte! Ich bin keine Hexe. Ich beherrsche keine Magie die dir vielleicht helfen könnte.“

Seine Augen wurden glasig. Sachte streichelte sie sein Kinn. Poras jedoch fasste sie wieder schroff am Arm und riss sie weiter. Ab jetzt führten breite Steinstufen abwärts. In unregelmäßigen Abständen waren Laternen an den Wänden angebracht, welche angsteinflößende Schatten warfen. An irgend einer Stelle tropfte Wasser von der Decke. Lena sah jedoch nicht, wo genau dieses tropfen herkam, da es in diesem Gemäuer unheimlich schallte. Allmählich wurde es hier wirklich ungemütlich. Poras griff nach einem großen Schlüssel, der ein ganzes Stück entfernt von einer mit Gitterstäben versehenen Tür hing. Im Inneren konnte Lena jedoch nichts erkennen. Es war einfach zu dunkel. Bevor er aufschloss schaute er Lena erneut sehr traurig an. Wieder sprach er mit den Händen und senkte dabei den Blick. Auch jetzt hatte sie keine Ahnung was er ihr mitteilen wollte. Er öffnete die Tür und stieß Lena hinein.

Kapitel 17 - Wiedersehen

Sie stolperte die drei Steinstufen hinunter und stürzte fast auf den Boden – fing sich jedoch im letzten Moment noch ab. Hinter ihr schlug die Tür zu und es wurde dunkel. Sie wand hastig den Kopf, doch sie war zu langsam.

„Verdammt“, schrie sie und richtete sich auf.

Lena ging erneut die drei Stufen hinauf und hämmerte wie eine Besessene gegen die Tür.

„Las mich raus, du Spinner!“

Ihre rechte Hand begann wieder tierisch zu schmerzen und damit brach sie ab.

„Warum hast du nur keine eigene Meinung?!“, knurrte sie, doch sie verharrte.

„Das bringt doch ohnehin nichts“, vernahm sie eine tiefe Stimme aus dem hinteren Teil des Kerkers.

Sie war also nicht allein hier. Mit gehaltener Hand drehte sich Lena der Stimme entgegen und fuhr vor Schreck so heftig zusammen, dass sie fast erneut stürzte. Tares war es, der sie mit verschränkten Armen schief anschaute. Er saß auf einer Holzpritsche, die mit zwei starken Ketten an der Wand befestigt war. Mit ausgestreckten Beinen und gegen die Wand gelehnt starrte er Lena noch immer an.

„Du?“, entfuhr es der Menschenfrau.

„Hättest du dir jemand anderen mehr gewünscht?“

Kaum war sie mit diesem Mann in einem Raum einmal alleine, ging ihr dieser auch schon auf den Nerven. Lena schaute sich kurz um.

„Das ist also dein Zimmer wie? Wirklich hübsch und so geschmackvoll eingerichtet.“

Beleidigt drehte Tares den Kopf weg.

„Na vielen Dank auch, sehr spaßig!“

Der Troll knurrte sauer und stierte die Wand an. Beide schwiegen und Lena bewegte sich nicht von der Stelle. Irgendwie tat ihr dieser Kerl leid. Schließlich war er Moros´ Sohn und nicht sein Gefangener. Dieser gefühllose Tyrann schien darin allerdings keinen Unterschied zu sehen.

„Warum bist du hier?“

Ihr Interesse war geweckt worden. Wo sie doch jetzt hier nicht wegkonnte, konnte sie sich auch mit diesem Kerl unterhalten. Lena setzte sich mit dem größtmöglichen Abstand zu ihm auf die “unheimlich bequeme“ Liege und wartete auf eine Antwort.

„Elya...“

Seine Stimme begann zu zittern.

„Am Tag als Laris so durchgedreht ist, war ich bestimmt zu unvorsichtig. Einer der Wachposten hat mich ganz sicher mit Elya auf der Straße zusammen gesehen. Jetzt hat Moros den Beweiß den er schon so lange gesucht hatte – dass ich niemals an seiner Seite kämpfen werde!“

Das Sprechen viel ihm zusehends schwerer. Mit tränennassen Augen schaute er auf Lena nieder. Das dieser Bursche auch eine so weiche Seite hatte, erschreckte sie zutiefst. Am liebsten hätte sie ihn getröstet und gesagt das alles wieder gut wird, aber das wäre ganz sicher gelogen gewesen. Betroffen schaute sie ihn an. Diese Sache hätte allerdings auch passieren können, wenn sie nicht in dieses Land gekommen wäre. Wenigstens eine Sache, für die er sie nicht verantwortlich machen konnte – auch wenn diese Gedanken jetzt ziemlich gehässig waren. Als die erste Träne über seine Wange kullerte, drehte er verschämt den Kopf weg.

„Ich hoffe nur, Elya ist so schlau und verschwindet von hier... – ...Ich hoffe so, es geht ihr gut.“ Er schniefte laut.

„Ich habe versagt!“

Der Troll legte den Kopf auf seine Knie und krallte sich mit den Händen im Haar fest. Dieser Mann war wirklich verzweifelt. Die zierliche Frau konnte jetzt nicht mehr anders. Sie rückte näher und legte ihre Hand vorsichtig auf seine Schulter. Tares zuckte zusammen. Damit hatte er jetzt nicht gerechnet.

„Ich würde dich ja gerne mit ein paar netten Worten aufmuntern, aber ich habe keine Ahnung was ich dir erzählen sollte. Heute, bei Sonnenuntergang will er mich die Klippe hinunterstoßen, wenn ich ihm nicht verrate, wie diese Tore geöffnet werden.“

Sie nahm ihre Hand wieder zurück und lehnte sich gegen die Wand.

„Ich habe keinen blassen Schimmer, wie ich hier her gelangt bin, aber mit diesem Monster zu reden ist ja völlig unmöglich!“

Lena schaute zu dem einzigen kleinen Fenster auf. Es war rechts neben der Pritsche ganz oben an der Wand. Jedoch war es so schmal, dass ein Kopf keinesfalls hindurchgepasst hätte. Eine Flucht von hier war also unmöglich. Nur sehr wenig Licht fiel noch in dieses Zimmer.

„Der hat doch nicht wirklich vor, mich da hinunter zu schmeißen?“

Mit dieser Frage wand sie sich erneut an den Troll. Noch immer krallte er sich an seinem Haar fest.

„Ich befürchte, er macht keine Scherze“, schniefte er. „Du wärst jedenfalls nicht die erste, der er das antut. Auf diese Weise hat er das halbe Dorf ausgelöscht. Die restlichen, die nicht geflohen waren, gaben auf und arbeiteten für ihn – mehr oder weniger freiwillig. Ich ganz allein hätte gegen diesen Mann rein gar nichts ausrichten können.“

Er schaute Lena resigniert an. Die Abscheu, die sie für dieses Gesicht bis jetzt empfunden hatte, war wie verflogen. Langsam begann sie, diesen Kerl zu verstehen.

„Laris Eltern waren unter den Opfern. Elya erzählte mir davon. Bei ihrem Namen fingen seine Augen an zu leuchten.

„Elya war so fürsorglich. Sie kümmerte sich so rührend um Laris nach diesem Vorfall.“

Lena konnte es kaum fassen, dass sie sich mit ihm auch normal unterhalten konnte. Ein zaghaftes und sehr leises Klopfen unterbrach die beiden. Trotz, dass es so leise war, fuhren beide zusammen. Der Schall in diesen Mauern war ungeheuerlich.

„Tares?“, fragte eine Jungenstimme.

„Das ist mein Bruder“, informierte der Gefangene seine Zellengenossin mit leiser Stimme.

„Was willst du Narkis?“

Seine Stimme war jetzt um einiges lauter geworden.

„Ich wollte nicht, dass das passiert...“

Reue lag in seiner Stimme. Der Junge hielt sich an den Gitterstäben der Tür fest, um besser hineinschauen zu können. Ganz sicher würde jedoch auch er nichts erkennen. Tares sprang auf und stellte sich auf die erste Stufe.

„Habe ich es etwa dir zu verdanken, dass ich hier festsitze?“

Mit geballter Faust schlug er auf Narkis´ Finger, ohne auf eine Antwort zu warten. Lena erschrak. Wimmernd zog er sofort die Hände weg.

„Wie konntest du nur, verdammt?! Hast du wirklich gedacht, dass er dich lobt, wenn du mich auffliegen lässt?“

Vor der Tür wurde weitergeschluchzt.

„Mittlerweile solltest du unseren Vater wirklich kennen, Narkis! Dir ist hoffentlich klar dass er mich für diesen Verrat erledigen wird.“

Der Junge war jetzt wieder ganz nah vor die Tür getreten, die Finger jedoch ließ er jetzt draußen.

„Na wenigstens weiß ich jetzt, wem ich meinen Tod verdanke!“

Der Junge schluchzte wieder sehr gut hörbar.

„Ich habe das nicht gewollt.“

„Verschwinde endlich!“, schrie er ihn an.

Tares´ Geduld war zu Ende. Auf dem Gang waren jetzt weitere Schritte zu hören. Sie wurden lauter.

„Was hast du hier verloren?“, brüllte die andere Person Narkis an.

Lena lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. Moros war es, der einmal mehr einen seiner eigenen Söhne fertig machte. Der Kleine verschwand mit schnellen Schritten. Der Schlüssel drehte sich erneut und mit Schwung wurde das Tor aufgerissen. Moros trat ein. Sofort ging Tares einige Schritte von der Tür zurück und verschränkte die Arme. Lena stellte fest, dass er doch ein ganzes Stück größer war als sein Vater. Die Gesichter sahen sich erschreckend ähnlich. Tares baute sich vor ihm auf. Er stellte sich mit seinen breiten Schultern genau vor Lena. Die Sonne war längst noch nicht untergegangen. Lena fragte sich, was er wohl jetzt noch im Schilde führte. Hatte er sich diese Bedenkzeit vielleicht wieder anders überlegt?

„Da ist ja mein Lieblingssohn“, sagte er sarkastisch.

„Hast du wirklich gedacht, du kannst mich an der Nase herumführen? Eine Elfe.... Wie konntest du mich nur so hintergehen?“

Er schien sehr enttäuscht zu sein von seinem Sohn.

„Ich sehe jedoch über deinen großen Fehler hinweg...“

Er reichte ihm einen Säbel entgegen.

„Töte den Mensch!“

Lena sprang erschrocken auf. Ihr Herz war ihr jetzt in die Hose gerutscht. Sie wich ein Stück von Tares zurück. Irgendwie traute sie ihm doch nicht. Er schaute sie von oben herab an – so wie er es bis jetzt die ganze Zeit getan hatte. Würde er wirklich dem Wunsch seines Vaters nachgehen? Tares schnappte sich die Waffe. Hatte er nicht gesagt er würde niemals auf Moros´ Seite kämpfen. Lena wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Mit erhobenem Säbel kam er langsam näher.

„Ich bitte dich, tu das nicht“, flehte sie.

Sie war völlig verängstigt. Dieser Riese schaute ihr starr in die Augen.

„Bitte, leg doch das Ding weg.“

Langsam bewegte er die Hand mit dem Säbel auf Lena zu. Doch genau in der Bewegung machte er kehrt und ging auf Moros los. Dieser sprang zurück und schlug Tares mit der bloßen Faust in den Magen. Dabei viel er vor Schmerz auf die Knie und lies die Waffe auf den Boden fallen. Moros hob sie auf und hielt sie seinem Sohn an die Nase. Dieser Mann hatte erstaunlich gute Reflexe.

„Das habe ich mir gedacht! Nur kann ich mit Verrätern rein gar nichts anfangen!“

Moros drehte sich um und stieg mit einem großen Schritt auf die oberste Stufe.

„Freue dich Mensch...“, er wand den Blick jetzt an Lena.

„ ... du wirst heute Nacht nicht allein sterben!“

Wieder grinste er so ekelhaft, dass es Lena verging. Mit diesen Worten schlug er die Tür zu.

„Niemals werde ich mich dir unterwerfen, hörst du? NIEMALS!“, schrie er seinem Vater nach.

Tares kniete nach wie vor am Boden und hielt sich den Magen. Dieser Schlag hatte gesessen und Lena zitterte am ganzen Körper. Sie näherte sich und versuchte ihm aufzuhelfen, doch er kam aus eigener Kraft wieder zum stehen.

„Hast du jetzt wirklich gedacht ich würde das tun?“

„Ich...äh...“, stammelte sie los.

„Du vertraust mir nicht, richtig?“

Lena schaute auf den Boden.

„Na schön. Das kann ich dir ja nicht einmal verübeln.“

Tares legte ihr seine Hand auf die Schulter und schaute ihr tief in die Augen.

„Ich schwöre dir, dass ich dir niemals mehr Schmerzen zufügen werde!“

Tares lächelte vorsichtig und nahm die Hand wieder weg.

„Niemals also?“ Lena schluchzte. „Na so lange ist das ja nicht mehr...“

Kapitel 18 - Dem Ende Entgegen

Die letzten Lichtstrahlen, die zum Fenster hereinschienen, gingen so langsam in einen Rot-Ton über.

„Pssst...“

Tares vernahm ein weibliches Stimmchen. Sofort wand er hektisch den Kopf. Es dauerte eine Weile bis er merkte wo diese herkam, da er auf der Pritsche eingedöst war.

„Pssst..!“, vernahm er erneut.

Jemand steckte eine Hand durch das Fenster. Sogleich sprang er auf und hastete hin. Dadurch wurde auch Lena hellwach. Sofort erkannte er diese Hand und schmiegte sich an sie.

„Tares?“

Elya war entsetzt.

„Was machst du denn hier unten?“

„Narkis hat mich in deiner Nähe erwischt und mich verraten. Warum bist du noch hier Elya?“, fragte er leise. Sie begann ihn liebevoll am Nacken zu streicheln.

„Wir sind hier, um euch hier rauszuholen“, flüsterte sie.

„Ich hatte dir doch gesagt, du sollst verschwinden, wenn ich nicht bei dir erscheine trotz das ich es versprochen habe!“

„Ihr?“

Lena trat jetzt auch ans Fenster.

„Wie geht es Laris? Erinnert er sich wieder?“

„Bedauerlicher weiße nicht. Jedenfalls an nichts, seit der Sache mit deiner Hand.“

„Wie konntest du dieses Fenster finden?“

Tares war sehr überrascht.

„Vielleicht erinnerst du dich noch daran, dass ich schon einige Male hier gewesen bin“, brachte Elya hervor.

„Ihr werdet jetzt auf dem Weg verschwinden, den ich dir vor einiger Zeit erklärt habe!“, befahl Tares.

Er küsste Elyas Hand und ließ sie wieder los.

„Wo ist Laris?“

Lena machte sich riesige Sorgen.

„Er ist ein ganzes Stück entfernt von hier unter der Brücke und steht schmiere. Es geht ihm soweit gut, wirklich!“

„Verschwindet jetzt!“, forderte er erneut.

„Ihr könnt uns nicht mehr helfen, bei Sonnenuntergang wird er uns die Schlucht hinunterstoßen.“

Lena begann zu zittern.

„Ich will dich aber nicht verlieren, Tares.“

Elya fing an am Gitter zu zerren.

„Das werde ich versuchen zu verhindern. Verschwindet endlich! Sucht das Versteck der geflohenen Bewohner! Sie werden auf euch zukommen, wenn sie sich sicher sind, dass ihr keine Gefahr seid.“

Widerwillig verließ sie das Fenster.

„Es tut mir so Leid, Tares.“

Elya machte sich riesige Vorwürfe.

„Ich liebe dich...“, hörte er noch von weitem.
 

Lena hatte ganz fest mit einer Rettung gerechnet und jetzt dieser Reinfall. Heulend brach sie zusammen. Sofort kümmerte Tares sich um sie. Er hockte sich neben Lena und versuchte sie zu trösten.

„Es gibt vielleicht eine Möglichkeit diese Sache heil zu überstehen, aber ich kann es nicht versprechen. Verstehe mich bitte. Ich wollte Elya keine unnötigen Hoffnungen machen.“

Lena schaute ihm, ohne sich für ihre Tränen zu schämen, in die Augen. Tares versuchte zu lächeln. Er half ihr wieder auf die Beine. Plötzlich vielen ihr Poras´ letzte Zeichen wieder ein. So traurig wie dieser geschaut hatte, war das vielleicht eine Art Hilfe.

„Kannst du mir bitte erklären, was das heißen soll?“

Lena versuchte es nachzustellen so gut sie sich erinnern konnte und es eben mit einer Hand ging. Der Troll riss die Augen auf.

„Wo hast du das denn her?“, fragte er sehr überrascht.

„Poras versuchte mir das noch zu sagen, bevor er mich hier hineinstieß. Nur verstehe ich diese Sprache nicht.“

„Das war eine Entschuldigung“, erklärte er ihr.

„Was hat er dir den angetan, dass er sich bei dir entschuldigt?“, erkundiget sich Tares neugierig. Lena überlegte.

„Eigentlich nicht viel mehr wie du mir bis jetzt angetan hast!“

Tares schaute entsetzt.

„Was soll das denn bitte gewesen sein?“

Der Troll kratzte sich am Kopf.

„Das rücksichtslose angreifen meiner Person. In deinem Fall kommt dann noch das grundlose beschimpfen dazu – ansonsten nichts weiter.“

Die allerletzten Lichtstrahlen waren jetzt rot und dabei ganz zu verschwinden. Wenn es heller gewesen wäre, hätte Lena ganz bestimmt die Schamesröte in Tares´ Gesicht gesehen.

„Es tut mir wirklich leid.“
 

***
 

Mit nassen Augen war Elya zu Laris zurückgegangen. Sie konnte sich gar nicht beruhigen.

„Wie geht es ihr?“, versuchte der Elf ihr eine Antwort zu entlocken.

Elya jedoch wurde noch trauriger.

„Wir sollen verschwinden“, schniefte sie.

„Ich hatte keine Möglichkeit sie zu befreien.“

Elya fasste nach seiner Hand. Laris zitterte.

„Wir werden jetzt in den Wald gehen.“

Laris hatte keine Ahnung wo er entlanggehen sollte. Seine Erinnerung wollte einfach nicht zurückkehren. Unterhalb der großen Steinbrücke führte ein sehr unwegsamer Pfad zwischen den spitzen Steinen entlang. Ob sich Laris nun erinnerte oder nicht, diesen Weg war nur Elya zuvor schon einmal gegangen. Sie kehrten nicht noch einmal zu ihrem Haus zurück. Wie Tares befohlen hatte, sollte sie das geheime Versteck derer suchen, die bei der Besetzung der Stadt noch fliehen konnten. Jeder auch noch so kleine Gedanke an Tares trieb ihr wieder die Tränen in die Augen und sie musste stehen bleiben weil ihre Sicht verschwommen war.

Laris erinnerte sich nur noch an die fremde Menschenfrau, welche er jedoch nicht wiedersehen sollte und weil Elya einfach nicht mehr an ihn gedacht hatte, blieb Loco völlig alleine im Haus zurück...

Kapitel 19 - Der Abgrund

Die Tür wurde lautstark aufgeschlossen. Zwei Elfen - Wachen traten ein. Beide bis auf die Knochen bewaffnet. Vor der Tür standen scheinbar noch mehr. Moros schien das wirklich sehr ernst zu sein. Vollkommen kampflos ließen sich beide mitnehmen. Tares hätte sich ganz bestimmt wehren können aber er wusste, dass er keine Chance hatte.

Sie wurden, von den anderen Wachen folgend, die Treppe wieder hinaufgeführt. Von Moros oder einem seiner anderen Söhne war nichts zu sehen. Die ganze Burg schien wegen der untergehenden Sonne im Inneren rot zu leuchten. Wenn Lena nicht so fürchterliche Angst gehabt hätte, wäre sie auf die Idee gekommen, das romantisch zu finden. Oben in der Halle angekommen, sah sie den schweigsamen Troll in der Ecke stehen. Als er bemerkte, dass Lena ihn gesehen hatte, verschwand er jedoch ins Dunkel. Von hier aus war es nicht mehr weit zu dem mit dem Samt verhangenen Raum. Die Wachen führten sie jetzt jedoch in die andere Richtung. Allmählich wurde es vor ihnen heller. Lena bekam Panik. Dieser sprachlose Kerl entschuldigte sich und jetzt verschwand er einfach. Sie schaute zu Tares. Dieser ließ sich auch nur wehrlos weiterschieben.

„Ich will nicht sterben“, platzte es aus ihr heraus.

Unsanft schob die Wache sie weiter. Sie wurden auf eine Art Balkon gestoßen. Vor ihnen machte sich der Abgrund breit. Von hier aus konnte sie die letzten Sonnenstrahlen im Meer versinken sehen. Ein kalter Wind kam auf. Mit erheblichem Abstand tauchte hinter ihnen jetzt auch Poras wieder auf. Aus dem Augenwinkel heraus konnte Lena sehen, dass er nicht gerade glücklich war. Schließlich war es sein Bruder, den es gleich nicht mehr geben sollte. Moros gab sich jetzt auch endlich die Ehre. Er schob Poras unsanft zur Seite, weil dieser in der Tür und ihm somit im Weg stand.

„Eine letzte Chance für euch beide.“

Er schaute zuerst zu Lena. Sie jedoch schwieg.

„Eine der Wachen sagte mir, er habe dich von diesem Elfen losschneiden müssen. Ich weiß ja nicht was ihr für eigenartige Rituale in euer Welt habt, aber damit ist jetzt Schluss!“

Mit diesen Worten wand er sich an seinen zweitältesten Sohn.

„Willst du immer noch sterben oder bekomme ich dich doch an meine Seite zurück?“ Tares´ Blick wanderte zu Poras. Er jedoch kniff die Augen zu und wollte wieder verschwinden.

„Wirst du wohl hier bleiben!“, befahl ihm Moros.

Poras parierte. Dieser Mann schien wirklich nicht die geringste eigene Meinung zu haben, wie sich Lena das schon gedacht hatte. Er unterwarf sich schier & schaute stattdessen nur betroffen zu Boden. Ganz bestimmt hatte er die gleiche große Angst vor seinem Vater, wie die restlichen Leute, die ihn umgaben.

„Das er dich soweit gebracht hat, hätte ich nicht gedacht. Da hat er ja einen feinen Sklaven aus dir gemacht!“, ergriff Tares höhnisch das Wort.

Poras wollte etwas antworten, versuchte jedoch durch das ballen der Fäuste sein Zittern zu unterdrücken. Verhasst schaute Tares jetzt seinem Vater an.

„Du hast unsere Mutter in den Tot getrieben. Warum sollte ich mich also auf deine Seite stellen?“

Das waren jetzt Worte von denen Lena noch nichts gehört hatte. Sie fragte sich langsam wirklich, was in dieser Familie vorgefallen war.

„Wenn ich deine Fähigkeiten nicht nutzen darf, dann soll das niemand!“

Mit diesen Worten kam Moros auf Lena zu, packte sie schroff und warf sie über die Brüstung. Tares eilte sofort hinterher.

„Wir sehen uns in der Hölle, Vater!“, waren seine letzten Worte und er sprang ihr hinterher.

Völlig sprachlos blieben alle anderen zurück.
 

Moros schaute nicht nach den Beiden. Er hatte sich diese Tageszeit ausgesucht, um seinen Sohn nicht sterben zu sehen. Ein schlechtes Gewissen schien er jedoch nicht zu haben. Er drehte sich um und lief ohne auch nur einen seiner Leute anzuschauen wieder in die Burg zurück. Die Soldaten folgten ihm wortlos. Poras konnte seinen Schmerz nun jedoch nicht länger zurückhalten. Jetzt wo sein Vater verschwunden war, brach er in Tränen aus.

Wie sehr hatte er gehofft, dass sich sein Bruder doch Umendscheiden würde. Allerdings war er sich ganz sicher gewesen, dass das nie passiert wäre. Darum hatte er seinem Vater auch diese Seite der Burg dafür vorgeschlagen. Er jedoch traute sich auch nicht hinunterzuschauen. Narkis steckte den Kopf aus der Tür. Als er seinen großen Bruder so am Boden hocken sah, war ihm klar, dass Tares nicht nachgegeben hatte. Langsam kam der Kleine näher und Poras drückte ihn fest an sich.

Kapitel 20 - Zwei Leben

Lena schrie aus vollem Hals, obwohl sie wusste, dass ihr das rein gar nicht bringen würde. Tares war ihr zwar einige Sekunden später erst nachgesprungen, doch er hatte sie durch den auffälligen Gewichtsunterschied beim fallen schnell eingeholt. Er griff nach ihrem Arm und bekam sie auch zu fassen. Mit der anderen Hand konnte er einen der spitzen Steine ergreifen. Unter dem Gewicht der beiden, brach dieser jedoch ab und sie stürzten weiter bis er erneut etwas zu fassen bekam. Seine langen, starken Arme waren in diesem Fall wirklich von Vorteil. Lena kniff die Augen zusammen. Sie hatte das Schreien aufgegeben und traute sich jetzt nicht auch nur einmal zu blinzeln und schließlich wurde es schwarz.
 

Einige Zeit schien verstrichen. Langsam kam Lena wieder zu sich. Ihr verschwommener Blick wurde nach und nach wieder schärfer. Sie hatte es also überlebt – oder doch nicht!? Ihr Schädel hämmerte wie wild. Sie musste also doch am Leben sein. Das Bild eines Mannes wurde vor ihren Augen deutlich. Dieser Troll hatte ihr sein Hemd unter den Kopf gelegt. Mit nacktem Oberkörper sah er um einiges bedrohlicher aus.

„Du bist wieder wach, wie schön“, begrüßte er sie mit einem freundlichen Lächeln.

Ein mächtig unangenehmer Schmerz machte sich jetzt jedoch in ihrem gesamten linken Arm breit. Besorgt kniete er sich neben sie. Lena schien eine ganze Weile weggewesen zu sein, denn es war bereits Nacht.

„Ich habe schon befürchtet dass das passiert ist. Ich war der Meinung ich habe dir den Arm dabei ausgekugelt als ich dich gerade noch erwischt hab, womit ich also recht hatte. Ich werde ihn sofort wieder einrenken.“

Er hockte sich hinter Lena.

„Sag mir bescheid, wenn du bereit bist!“

Es dauerte noch einige Sekunden bis Lena begriff worum es ging.

„Schön, ich bin so weit.“

Sie biss die Zähne zusammen. Lena schrie vor Schmerzen doch in Windeseile hatte sie diese Tortur hinter sich allerdings kam es ihr wie eine Ewigkeit vor. Tares hatte das sicher schon einige Male gemacht.

„Das Beste wäre, wir würden deinen Arm einhängen.“

Er schaute sich nach etwas passendem um. Lena hielt ihm ihre verbundene Hand vor.

„Vielleicht sollten wir das erst einmal nehmen.“

Tares war einverstanden. Behutsam wickelte er ihr den Verband ab.

„Danke“, brachte Lena hervor.

Der große Kerl schaute auf, wickelte jedoch genauso behutsam weiter.

„Es tut mir wirklich leid, dass ich mich nicht bei dir bedankt habe.“

Tares lächelte verlegen.

„Du warst wohl ziemlich sauer deswegen als Laris so durchdrehte, wo ich doch dankbar sein sollte, dass ich wenigstens meine Hand noch habe.“

Der Troll winkte ab.

„Nein, das meine ich ernst. Das ist doch sicherlich auch der Grund gewesen, warum du Hals über Kopf das Haus verlassen hast und Narkis dich erwischt hat.“

Jetzt schwieg der Troll verlegen.

„Und nun hast du mir auch noch das Leben gerettet.“

„Ich muss zugeben, ich war wirklich in diesem Moment ziemlich sauer, aber ich war bis dahin auch nicht gerade nett zu dir gewesen.“

Er lächelte sie jetzt richtig lieb an.

„Ich hatte mich eben in dir geirrt.“

So allmählich hatte er die Binde heruntergewickelt. Lena schluckte, als sie ihre Hand sah. Das gesamte letzte Glied ihres kleinen Fingers fehlte also. Glücklicherweise sah sie den Knochen nicht, sonst hätte sie sich direkt übergeben. Laris hatte ganze Arbeit geleistet. Tares merkte sofort, dass sie diesem Anblick nicht länger ertragen konnte. Er riss ein Stück von ihrem Verband ab und versteckte diese Fehlstelle wieder darunter, dann widmete er sich ihrem Arm.

„Ich schätze, wir müssen noch mal ins Haus. Ich brauche für diese Wunde einige von Elyas Tinkturen und Kräutern, dass es sich gar nicht erst entzündet.“

Tares erhob sich und schaute auf das nachtschwarze Meer, doch Lena war jetzt überhaupt nicht nach laufen. Auch sie schaute jetzt auf das Meer hinaus. Der schmale Sandstreifen auf dem sie sich befanden, schien die gesamte Insel zu umgeben. An einigen Stellen lagen recht große Steine. Von Laris’ Fenster aus hatte sie diesen Sand allerdings noch nicht sehen können. Lena drehte langsam den Kopf in Richtung Bucht. Je weiter man da hineingelangte, desto spitzer und höher wurden die Steine. Sie schaute an ihnen empor. Von hier aus konnten sie die Burg nicht mehr besonders gut sehen. Tares bemerkte, dass sie sich sehr interessiert umschaute und setzte sich zu ihr in den Sand.

„Sind wir etwa die ganze Strecke hier heruntergefallen?“

Tares schüttelte den Kopf.

„Ich hatte die feste Hoffnung, Poras würde uns zu dieser Seite der Burg führen. An diesen Felsen bin ich immer heruntergeklettert, wenn ich Elya besucht habe. Wenn ich das alleine gemacht habe, bin ich allerdings immer ganz heil unten angekommen.“

Er grinste Lena an. War er also nicht nur illegal bei Elya gewesen sondern hatte genauso unerlaubt die Burg verlassen um nicht aufzufallen.

„Ich weiß gar nicht wie ich mich bei dir bedanken soll.“

Ihr Blick wanderte auf den Boden und sie begann mit dem Zeigefinger Spuren in den Sand zu malen.

„Wir sollten wirklich von hier verschwinden. Es wird nicht mehr lange dauern, und das Wasser wird hier ein ganzes Stück ansteigen.“

Lena versuchte aufzustehen, kam aber ins schwanken. Tares war sofort zur Stelle, fing sie auf und fasste mit der anderen Hand nach seinem Hemd. Da viel ihr etwas auf.

„Wo sind eigentlich meine Schuhe hingeraten?“

Ahnungslos schaute sich der Troll um. Waren sie doch tatsächlich beim Sturz abhanden gekommen.

„Warte kurz, ich bin gleich wieder da. Ganz bestimmt liegen sie dort noch irgendwo. “

Mit schnellen und sehr großen Schritten verschwand er in Richtung Bucht. Lena lies sich wieder auf den Sand nieder. Es dauerte auch nicht besonders lange und er kam mit ihnen in der Hand zurück. Das Hemd hatte er sich währenddessen wieder angezogen.

„Ich habe mich wirklich in dir geirrt. Elya wusste sehr wohl, was sie an dir hat.“

Wie angewurzelt blieb er auf ihre Worte hin stehen. Ganz sicher errötete Tares in diesem Moment wieder, doch um dies zu sehen, war es einfach zu dunkel.

Am Himmel war kein einziger Stern zu sehen, so bewölkt war es. Nach Regen sah es jedoch nicht aus. Der Mondschein wäre sehr hilfreich gewesen, um den Weg zu finden aber auch dieser ließ sich heute nicht blicken. Sie schlüpfte in ihre Schlappen.

„Vielleicht sollte ich dich besser tragen.“

Ganz bestimmt war Lena ihm nicht schnell genug.

„Ach komm schon, ich weiß ja jetzt schon nicht, wie ich das bei dir gutmachen soll.“

„Bis zu zum Haus ist es auf diesem Weg aber noch ein ganzes Stück. Ich denke wirklich, dass ich dich tragen sollte.“

Lena willigte schließlich ein. Durch seine großen Schritte kam ihr der Weg über Sand und Steine um einiges kürzer vor. Glücklicherweise warf er sie nicht auch über die Schulter, wie es wohl die Art seines Bruders war.
 

Tares wand den Blick nach oben in Richtung Dorf und blieb stehen.

„Da sind wir!“

Er setzte Lena ab.

„Ich bin sofort wieder zurück. Mache es dir hier schon einmal bequem. Ich denke wir sollten bei Tagesanbruch erst weitergehen. Die Strecke wird noch unwegsamer, da wäre es besser, wir haben mehr Licht.“

Lena nickte und lies sich erneut dankbar nieder. Ihr taten alle Glieder weh.
 

Tares erklomm geschickt die steile Böschung. Glücklicherweise hatte er diese Strecke schon einige Male zurückgelegt. An dieser Stelle war es allerdings nicht mehr ganz so hoch wie bei der Burg. Die Mauer, welche dieses Örtchen umgab, begann nicht ganz am Rand dieser Klippen. Ungefähr einen halben Meter war der Streifen außerhalb der Mauer noch breit. An manchen Stellen war er jedoch weggebrochen. An diesen musste er einen großen Satz machen. Tares folgte diesem Streifen noch ein ganzes Stück nach rechts. An einer Stelle endlich war die Mauer in der Höhe etwas weggebrochen. Seit dem Bau dieser Mauer hatte man sich nicht mehr so recht um ihren Zustand gekümmert. Dem Troll konnte das nur recht sein. Mit seinen zwei Metern Größe und der Begebenheit, dass er unfassbare Kräfte besaß, war es für ihn ein Leichtes diese zu erklimmen. Geräuschlos zog er sich hinauf und hockte sich flach auf den Sims.

Senos wirkte wie ausgestorben – möglicherweise kam das auch daher, dass kaum noch jemand hier lebte. Behutsam, mit sehr wachem Blick, schlich er auf der Mauer entlang. Da das Grundstück, welches er aufsuchen wollte, genau an der Mauer endete, kam er unbemerkt in den Garten. Es schien als wäre niemand vermisst worden. Die Haustür war noch geschlossen. Sachte öffnete er diese. Im Inneren war es erwartungsgemäß dunkel. Tares wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden und schlich in die Kammer mit den Heilkräutern. Bei Tage hätte er ganz bestimmt besser gesehen was er hier alles vorfand, also packte er ein was er tragen konnte. Er schnappte sich einen großen Stofffetzen und wickelte so viel hinein, wie hinein passte. Lederbeutelchen, Fläschchen und auch lose Blätter wanderten hinein. Anschließend machte er noch einen großen Knoten in den Stoff, um auch nichts zu verlieren. In ein weiteres Stück Leinen wickelte er noch die letzten Lebensmittel bestehend aus zwei Hand voll Obst und einem dreiviertelstem Brot ein. Da er die Tür aufgelassen hatte, konnte er Schritte vernehmen. Schnell machte er auch in den anderen Stofffetzen einen Knoten und wollte unbemerkt hinten hinaus verschwinden, wie er das immer tat, um nicht aufzufallen. Jetzt jedoch wurde er erwischt. Er konnte Lena nicht auf diese Weise da draußen zurücklassen also musste er jetzt Wohl oder Übel kämpfen. Tares setzte die Bündel auf dem Boden ab und lauschte. Ein Klatschen war zu hören. Jemand klatschte in die Hände und Tares kannte nur einen, der in dieser Form auf sich aufmerksam machte – Poras. Er war sich jedoch nicht sicher, ob er ihm jetzt trauen konnte. Vielleicht war er nicht allein hier? Elya hatte die Küchenaxt nach Lenas Fingersache hinter die Flaschen gelegt und Tares kam das jetzt sehr gelegen. Wieder klatschte Poras zwei mal. Mit dem Werkzeug in der Hand schlich Tares fast Geräuschlos wieder in die Küche. Er hatte recht gehabt, es war sein großer Bruder.

„Ich hoffe du bist allein“, flüsterte er.

Poras nickte uns lief eilig auf ihn zu.

' Ich bin so froh dich lebend zu sehen ' , sprach er mit den Händen.

Sofort viel er ihm um den Hals. Tares legte das Beil auf den Tisch und umarmte ihn fest.

„Ich wusste, dass du mich nicht im Stich lässt, so wie es Narkis getan hat.“

Er befreite sich aus der innigen Umarmung und legte ihm dankend die Hand auf die Schulter

„Ich werde jetzt wieder verschwinden!“

Poras nickte.

' Wie geht es dem Mensch? '

„So weit ganz gut.“

' Grüße die Frau von mir und sage ihr bitte das es mir leid tut. '

„Ich schätze das weiß Lena schon, aber ich werde sie gerne von dir Grüßen.“

Er lief zurück um seine Bündel zu holen. Zur Sicherheit nahm er dann auch noch das Beil mit. Tares schlich in den Garten, und ließ seinen Bruder alleine im fremden Haus stehen. Als dieser sich sicher war, dass niemand in der Nähe war, folgte er ihm jedoch und klatschte erneut.

' Ich wünsche euch viel Glück! '

Tares nickte.

„Pass auf dich auf, Brüderchen!“

Poras machte sich wieder auf den Weg zur Burg, um kein Aufsehen zu erregen. Gott sei Dank waren sich alle anderen sicher, dass Tares und Lena diesen Sturz niemals überleben konnten.
 

Vorsichtig, mit wachen Blicken, machte er sich auf den Weg zur Mauer zurück. Plötzlich waren hinter ihm wieder Geräusche. Dann dieses zirpen. Langsam griff er nach der Waffe und drehte sich um. Hinter ihm flitzte etwas vorbei und setzte sich vor seine Füße.

„Loco“, brachte er überrascht hervor.

„Haben sie dich etwa vergessen?“

Er erinnerte sich an seine Worte. Elya und Laris sollten sofort verschwinden und das hatten sie hiermit auch gemacht. Als sein Name fiel, sprang er auf Tares zu. Obwohl der kleine Kerl den Troll nicht besonders mochte, schien er jetzt doch recht froh zu sein, ihn hier zu sehen.

„Na komm, ich nehme dich mit“, flüsterte er und streckte die Hand nach ihm aus. Sofort sprang er ihm auf den Arm und beide verschwanden.

Kapitel 21 - Familie

Lena war eingedöst, als sie Tares´ Schritte vernahm. Erschrocken hielt sie die Luft an.

„Ich bin aufgehalten worden“, meinte er lächelnd und setzte sich neben sie auf einen Stein.

„Aufgehalten?“

Er legte die Bündel in den Sand.

„Ich soll dich von Poras grüßen und er hat sich erneut entschuldigt.“

Sie bekam große Augen.

„Dein Bruder hat dich gesehen? Wenn er uns jetzt ...“

„Er wird kein Wort sagen, glaube mir, auch nicht wenn er könnte. Er war es doch, der Vater davon überzeugte, uns über diesen bestimmten Balkon nach unten zu stoßen. Poras war schon immer auf meiner Seite. Ich denke, er war überzeugt, dass wir das schaffen.“

Lena war sich nicht sicher, ob sie sich jetzt nicht doch Sorgen machen sollte. Plötzlich bewegte sich etwas unter Tares´ Hemd. Er hielt es nach vorne und der kleine, haarige Kerl hüpfte heraus. Sofort lief er auf Lena zu und sprang ihr auf die Schulter.

„Loco war ganz allein Zuhause. Sie hatten bestimmt nicht mehr an ihn gedacht.“

Sofort kraulte sie ihn, allerdings behutsam, durch. Loco merkte, dass sie Schmerzen hatte und sprang ihr brav auf den Schoß zurück.

„Dein Bruder hat in meiner Gegenwart kein einziges Wort gesagt. Was ist denn mit diesem Mann?“

Tares zog sein Hemd erneut aus und legte es auf den Sand.

„Poras hat noch nie gesprochen“, sagte er traurig und legte sich in den Sand mit Blick gen Himmel gerichtet und den Armen hinter dem Kopf.

„Er wurde ohne Stimme geboren. Mutter hatte mir erzählt, dass er schon als Baby niemals geschrieen hatte. Ich bin mir ganz sicher, dass er gar nicht dazu in der Lage wäre.“

Entsetzt schaute ihn Lena an.

„Wie furchtbar. Das würde doch bedeuten, dass er niemals ein Wort sagen würde.“

Tares nickte.

„Aber warum war er dann so fest davon überzeugt, dass ich ihm helfen könne?“

„Moros geißelt ihn schon seit Jahren mit dieser Lüge. Ich glaube nicht daran, dass er davon so fest überzeugt ist, dass er jemals sprechen wird. Vielleicht bewahrte ihn dieser Wunsch vor der vollständigen Frustration.“

Tares schob Lena sein Hemd hin, dass sie nicht im bloßen Sand schlafen musste. Behutsam legte sie sich neben ihn. Ihre Schulter war wirklich fürchterlich von Schmerzen durchzogen.

„Poras war in Moros Augen nie ein ganzer Mann gewesen. Eigentlich ist es üblich, dass der erstgeborene Sohn den Anspruch besitzt, der Nachfolger des Königs zu werden. Ihn wollte er jedoch nie auf dieser Position haben, stattdessen wollte er, dass ich seinen Platz einnehme. Schön – Ich gebe zu, anfangs fand ich diesen Entschluss richtig gut. Poras machte diese Begebenheit allerdings seelisch krank. Er zog sich zurück und ließ niemanden an sich heran außer Mutter. Sehr oft saßen die beiden in unserem Garten und Mutter sang ihm vor. Das hatte er immer geliebt. Während sie das tat, legte er seinen Kopf auf ihren Schoß und lauschte ihrer Stimme. Mutter fing dann immer an, ihn zu streicheln. Zu dieser Zeit war ich der Meinung, dass ein richtiger Mann so etwas nicht tun sollte. Poras ist seit ich ihn kenne, immer der ruhende Pol in der Familie gewesen.“

Lena machte diese Sache richtig traurig.

„Wie konnte es dann sein, dass Elya der Meinung war, Poras hätte sie an dem einen Abend so zugerichtet?“

Tares schaute ihr tief in die Augen.

„Seine Leute waren es, die ihr das angetan hatten. Poras selbst würde nie eine Frau schlagen!“

Er lehnte sich wieder zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich war in diesem Moment einfach nur sauer, dass er das überhaupt zugelassen hatte. Er führt sämtliche Befehle auch nur aus dem Grund aus, weil er endlich von Moros als vollwertiges Familienmitglied angesehen wird. Wie schon gesagt hatte er mich für diese Position vorgesehen und ich fand das wirklich toll. Vater gab mir also die Kampfstunden für Schwert und einige andere Waffen. Er meinte, Poras würde sowieso nie eine Waffe anfassen. In seinen Augen war er wohl ein Mädchen.“

„Wie kommt es dann, dass er jetzt an der Seite deines Vaters arbeitet und nicht du?“

„Das fing damit an, dass ich eingewiesen wurde, was sein eigentlicher Plan war. Seit Ewigkeiten war Sesár, der König dieser Stadt, in unterschiedlichen Abständen in unser Reich gereist, um Frieden zwischen den Völkern zu erlangen. Moros jedoch, hatte von Anfang an vor, Senos einzunehmen. Das war der Grund warum ich nicht mehr mitmachte.“

Lächelnd schaute er jetzt wieder zu Lena hinüber.

„Du musst wissen, Sesár war stets in reizender Begleitung, wenn er in unser Reich reiste. Ich war noch sehr jung, doch seine Tochter hatte mir vom ersten Tag an gefallen. Mit ihren langen roten Zöpfen und ihrem süßen Lächeln hatte sie mir die Sinne geraubt. Ich versteckte mich immer, wenn ich wusste, dass sie uns wieder besuchten, um sie genau beobachten zu können.“

„Seine Tochter also“, meinte Lena überrascht.

„Genau, Elya gefiel mir von ersten Tag an.“

Lena drehte so hastig den Kopf, dass sie ihre Schulter ungünstig bewegte und vor Schmerz dezent aufschrie.

„Sei doch vorsichtig, Lena. Du solltest dich wirklich lieber ruhig hinlegen.“

„Elya ist Sesárs Tochter?“

Tares schien überrascht, dass sie das noch nicht wusste.

„Das hat sie dir nicht erzählt, richtig?“

Ihr jedoch viel es jetzt wie Schuppen von den Augen.

„Sie sagte, dass sie nicht nach Hause konnte, als Senos eingenommen wurde. Eigentlich hätte ich da auch von alleine draufkommen können. Ich nehme an, sie wollte nur sicher gehen, dass das auch weiterhin geheim blieb.“

Behutsam legte sich Lena wieder zurück. Diese ruckartige Bewegung hatte ihr überhaupt nicht gut getan. Loco war erschrocken bei Seite gesprungen. Jetzt jedoch rollte er sich wieder auf Lenas Bauch zusammen.

„Moros erfuhr nie, was wirklich der Grund war, weshalb ich nicht mehr kämpfen wollte. Auch jetzt scheint er sich nicht an Elya zu erinnern. Ich war so lange nicht in unserem Reich.“

Trauer sprach jetzt aus diesem Mann.

„Wie kommt es eigentlich, dass Poras weder dir noch deinem anderen Bruder oder Moros ähnlich sieht?“

Tares legte sich jetzt auf die Seite und stütze den Kopf auf den Arm.

„Wir hatten eine wirklich bildhübsche Mutter und Poras ist ihr genaues Ebenbild.“

„Hatten?“

Tares schwieg. Lena erinnerte sich an seine Worte, bevor sie vom Balkon geschmissen wurde.

„Ich werde in dieser Wunde nicht herumstochern.“

Lena drehte den Kopf von Tares weg und schloss die Augen. In dieser Familie schien rein gar nichts mehr zu stimmen.

„Ich hoffe wir finden Elya und Laris so schnell wie möglich“, lenkte sie ab.

„Bist du sicher sie finden dieses Versteck? Ich wundere mich nur das dieses, wenn es wirklich eins geben sollte, noch nicht eher gesucht worden ist.“

„Glaube mir. Die haben sich nicht versteckt um gefunden zu werden. Ich weiß, dass Moros schon einige von seinen Leuten danach suchen lies, sie jedoch kamen nie zurück. Dann fing er an, Sesárs Leute danach suchen zu lassen. Allerdings nur diese, die noch lebende Verwandte in Senos hatten. Er war überzeugt, dass sie zurückkommen würden. Aber auch diese kamen nie zurück. Ob sie starben oder zu ihnen überliefen weiß keiner. Er hatte dann auch recht schnell damit aufgehört.“

Lena gab keine Antwort mehr. Sie atmete ganz ruhig. Tares grinste in ihre Richtung. War sie doch tatsächlich eingedöst.

Kapitel 22 - Getrennte Wege

Elya und Laris hatten den Wald vor Sonnenuntergang längst erreicht. Seine Erinnerung wollte jedoch nicht wiederkehren. Elya hatte ihm bis jetzt noch nicht erzählen können, welches Schicksal Lena ereilt hatte. Jetzt jedoch hatte sie ein ziemlich schlechtes Gewissen. Denn er hatte die Frage erneut gestellt und sie konnte nicht länger schweigen.

„Moros, der augenblickliche König dieser Stadt hat sie die Schlucht hinunterwerfen lassen.“

Laris begann zu schluchzen.

„Die einzige Person an die ich mich wenigstens bildlich erinnern kann soll tot sein? Das ist nicht wahr!“

Elya musste ihn stützen.

„Nicht nur du hast jemanden verloren, der dir wichtig war“, warf sie ein.

Sie erzählte ihm jedoch nicht, das sie nicht von Lena sprach.

„Wir müssen die finden, welche sich seit einiger Zeit in diesen Wäldern versteckt halten.“

„Wozu brauchst du mich dann?“

Laris war ohne jede Hoffnung.

„Hör mir zu Bruder! ich brauche dich, weil du ein bewährter Kämpfer bist. Diese Fähigkeiten sind mir sehr wichtig. Hattest du etwa vor, mich hier alleine herumlaufen zu lassen?“

„Nein, natürlich nicht, aber warum erinnere ich mich an rein gar nichts?“

Seine traurigen Augen suchten jetzt Blickkontakt.

„Lena meinte du wärst krank. Ich weiß jedoch nicht, wie man diese Krankheit heilen könnte.“

Behutsam drückte sie ihn an sich.

„Ich werde dir zur Seite stehen so gut ich kann, aber jetzt müssen wir wirklich diese Leute suchen.“

Laris willigte ein und sie verschwanden im tiefen Wald. Die extreme Finsternis, welche die beiden jetzt umgab, schweißte sie wieder enger zusammen. Im Schutze der Dunkelheit ließen sie sich erst einmal nieder. Jetzt hier im Wald herumzustolpern wäre eine große Dummheit gewesen.
 

***
 

Lena wurde vom rauschen des Meeres geweckt. Die Sonne schien in den Morgenstunden noch nicht hier her, dadurch war es doch recht kühl. Die Spuren, welche Tares neben ihr im Sand hinterlassen hatte, waren noch da. Er jedoch war verschwunden. Zu ihrem entsetzen musste sie feststellen, das seine Sachen und sogar seine Stiefel noch neben ihr auf dem Stein lagen. Der Schmerz in ihrem Arm war nach wie vor gut zu spüren. Ein lautes rauschen drang jetzt an ihr Ohr. Behutsam richtete sie sich auf. War dieser Kerl etwa baden gegangen? Mit ihrer Vermutung hatte sie recht. Splitternackt kam er mit großen Schritten aus dem Nebel auf sie zu. Lena nahm sofort die Hand vor ihre Augen. Wie konnte er nur, dachte sie sich.

„Alles in Ordnung mit dir?“, fragte er vorsichtig.

Lena hatte die Hand noch nicht weggenommen.

„Ist es bei euch Trollen üblich so herumzulaufen?“, fragte sie vorsichtig.

„Entschuldigung, wenn das unmöglich von mir war, aber ich habe jetzt einfach ein Bad gebraucht.“

In Windeseile hatte er seine Hose wieder übergezogen.

„Schon gut, vergiss es einfach okay?“

Dieser Mann war wirklich gut gebaut. Und wieder wurde ihr klar, was Elya an ihm fand.

„Wird nicht wieder vorkommen, Lena. Du kannst die Hand wegnehmen.“

Die Schamesröte in ihrem Gesicht war allerdings noch nicht verflogen. Belustigt darüber setzte er wieder sein breites Grinsen auf. Lena wand den Blick ab. Ihr war das wirklich sehr unangenehm.

„Wenn dieser Körperkult bei euch üblich ist, werde ich wohl besser Abstand halten.“

„Ach komm schon“, sagte er sichtlich beleidigt. „Findest du mich wirklich so abscheulich?“

„Nein, natürlich nicht! Es macht mich einfach nur nervös, verstanden!“

Tares hockte sich neben sie. Sein vor Nässe schimmernder Oberkörper hatte wirklich seinen optischen Reiz.

„Lass mich doch gleich einmal nach deinem Finger sehen und um dich zu beruhigen, ich bin der einzige in der Familie , der diese Art von Körperkult, wie du es nanntest, pflegt.“

Loco schlich um einen der Steine herum und setzte sich neben sie.

„Meinst du nicht sie kommen dahinter, dass wir nicht tot sind?“

„Vater hat ganz sicher nicht den Mut die Schlucht nach dem toten Körper seines eigenen Sohnes abzusuchen.“

Tares wickelte das kurze Stück des Verbandes ab und Lena kniff wieder die Augen zu.

„Wenn man bedenkt, was mit deinem Finger passiert ist, sieht er wirklich gut aus. Die Blutung ist längst gestillt. Elya hat ihn hervorragend versorgt.“

„Sei mir nicht böse, aber ich kann mir das einfach noch nicht anschauen. Die Schlinge denke ich, brauche ich nicht mehr. Der Arm ist zwar noch nicht ganz schmerzfrei, aber ich werde es schon aushalten.“

Tares setzte sich so mit seinem breiten Kreuz so davor, das sie den Finger nicht mehr sehen konnte. Lena schaute sich diesen Mann jetzt nocheinmal genauer an. Wenn er ein Mensch wäre und sie so einen mit nach Hause bringen würde, wäre ihre Mutter sicherlich hellauf begeistert. Mit seiner Größe und Stärke wäre er ganz bestimmt nicht nur für sie selbst eine große Hilfe – und Freude. Tares merkte, dass sie ihn genau beobachtete, drehte den Kopf und griente sie an.

„Ich hätte jetzt wirklich Interesse zu erfahren, was du wohl gerade über mich denkst.“

Lena spürte, wie sie erneut rot wurde und wand den Blick ab. Der Troll sagte nichts weiter. Er stand auf um in einer der Nischen zwischen den Steinen nach den Bündeln zu suchen. Loco schaute aufs Meer hinaus. Ganz bestimmt hatte er jetzt einen der Fische springen sehen. Ob er sich wohl nach seinem Herrchen sehnte. Ganz sicher würde sich Laris auch jetzt nicht an ihn erinnern. Tares lies sich mit den Bündeln erneut neben ihr nieder. Seine Stiefel standen immer noch neben einem der Steine auf dem auch sein Hemd lag. Der Troll packte einige der Sachen aus.

„Ich habe aus den Haus noch etwas essbares mitgenommen.“

Er gab Ihr den größten der eingesteckten Äpfel. Lena griff nur sehr zaghaft danach, allerdings nicht weil sie sich nicht traute, sondern der Schmerzen im Arm wegen.

„Ich kann dich auch gerne füttern, wenn du das möchtest.“

Lena verzog verärgert das Gesicht. Tares musste deswegen heftig lachen. Sein Lachen war von der Sorte, welches unweigerlich ansteckte, obwohl ihr nun wirklich nicht danach zumute war.

„Bitte sei mir nicht böse. Ich bin nur so froh, dass wir diesen Sturz überlebt haben.“

Tares schaute ihr tief in die Augen. Irgendwie hatte er Recht. Diese Begebenheit schrie förmlich danach gefeiert zu werden. Vielleicht sollte sie einfach einmal mit diesem Apfel anfangen. Sachte biss sie hinein.

Auch er ließ sich erst einmal einen davon schmecken. Aus einem der Lederbeutel hatte er behutsam etwas von dieser grünlichen Paste auf Lenas Finger aufgetragen. Da sie gerade am kauen war, hatte sie nicht so recht die Möglichkeit, einen Schrei herauszulassen, was Tares ganz sicher nur recht sein konnte. In seinen großen, rauen Händen steckte überraschenderweise jede Menge Feingefühl. Auch dieses mal saß er genau so, dass sie nicht sehen konnte was genau er da eigentlich tat. Schnell hatte er die Binde wieder darauf festgebunden. Um dem Ganzen mehr Halt zu geben, wickelte er auch den Ring und Mittelfinger darin mit fest. Langsam wurde es angenehm warm unter dem Verband. Diese Paste, aus welchen Kräutern sie auch immer bestehen mochte, wirkte Wunder. Unruhig begann Loco um die Beiden herumzuhüpfen. Lena streckte die Hand nach ihm aus, um ihn mit ein paar Streicheleinheiten zu beruhigen. Tares stand auf und schaute sich um. Die Nervosität des Kuscheltieres übertrug sich auch auf ihn. Die zierliche Frau hatte jetzt endlich die Möglichkeit, einen Blick auf den Verband zu werfen. Ihr wurde wieder klar, was sich darunter verbarg. Der Troll war sich sicher, dass die Unruhe von Loco völlig unbegründet war. Als er sich wieder zu Lena setzte, waren ihr beim Anblick des Verbandes die Tränen gekommen. Besorgt kniete sich Tares vor ihr in den Sand. Worte des Trostes vielen ihm in diesem Moment bedauerlicherweise keine ein. Der Troll strich ihr langsam über den Kopf. Lena war so ziemlich am Ende. Vorsichtig drückte er sie an sich.

„Es tut mir wirklich leid, dass das passieren musste.“

Sein Körper war noch nass und er fühlte sich kalt an. Lena befreite sich dennoch nicht.

„Hätte ich schneller reagiert, wäre das sicher nicht passiert.“

Sie legte ihm ihre zitternde Hand auf den Rücken, daraufhin lies er sie wieder los und schaute sie berührt an. Lena versuchte zu lächeln.

„Wir sollten jetzt wirklich die anderen beiden suchen, bevor sie uns wirklich für tot halten“, äußerte sie unbeachtet seiner letzten Worte.

Tares half ihr auf.

„Mach dich doch bitte nicht verrückt. Du weißt genau, dass das nicht deine Schuld war.“

Tares zog sich Stiefel und Hemd wieder über. Da sie außen um Senos herum gehen mussten, würde der Weg die Beiden ein ganzes Stück Zeit kosten.

Kapitel 23 - Die Verborgenen

Erschrocken bremste Elya ab, als ihr plötzlich jemand vor die Füße sprang. Dieser jemand war auf eine Weise vor sie getreten, dass sie so heftig zusammenfuhr, wie seit Langem nicht mehr. Sie schaute in das Gesicht eines Elfen. Er trug eine Augenklappe und war mit einer schlichten Rüstung bekleidet. Das Schwert, welches er in der Hand hatte, nahm er jedoch so schnell wie er nur konnte herunter, als er ihr Gesicht sehen konnte.

„Verzeiht mir, Prinzessin Elyana.“

Sofort machte er eine tiefe Verbeugung.

„Kenne ich dich vielleicht?“, bemerkte sie sehr erstaunt.

Der Kerl schaute auf, blieb jedoch in verbeugter Haltung.

„Ihr seit doch Prinzessin Elyana? Mein Name ist Rion.“

Er wirkte jetzt sehr verunsichert. Elya schaute sich unruhig um.

„Ja schon...“, gab sie zu. „Aber kannst du das vielleicht für dich behalten? Ich möchte nicht das meine Tarnung auffliegt.“

„Wie Ihr wünscht.“

Der Elf nickte. Elya fasste nach seinem Arm, dass er wieder aufstehen musste, weil er sich noch immer verneigte.

„Spare dir auch bitte dieses „Ihr“. Das ist mir wirklich unangenehm und nenne mich bitte Elya!“

Er versuchte zu lächeln, sah jedoch jemanden hinter ihr den Weg entlang kommen. Sofort griff er wieder nach seinem Schwert. Laris blieb stehen, als er die beiden sah.

„Ist das einer von ihnen?“, fragte er aus sicherer Entfernung.

Im Gesicht des Fremden machte sich Freude und gleichzeitig Erstaunen breit.

„Laris, du lebst?“

Überglücklich über diese Begebenheit, stürmte er auf ihn zu und lies Elya stehen. Der Versuch ihn zu umarmen wurde von Laris kurzerhand mit seinem Säbel abgewehrt. Rion fuhr zusammen.

„Erkennst du deinen eigenen Bruder nicht mehr?“, fragte er zutiefst entsetzt.

Das war jetzt genau der richtige Zeitpunkt für Elya einzugreifen. Sie hastete den beiden nach.

„Rion“, rief sie ihm zu.

„Kann ich mit dir reden, bevor du irgendetwas Falsches tust?“

Sie winkte ihn heran. Traurig schaute er Laris an und wand anschließend seinen Blick der Elfe zu.

„Ich werde kurz mit ihm reden, Laris.“

Er jedoch schüttelte den Kopf.

„Hast du etwa vor mit diesem fremden allein hier wegzugehen, Schwester?“

„Einem Fremden?“

Rion war mit den Nerven am Ende.

„Schwester...?“

„Mach dir bitte keine Sorgen, ich bin sofort wieder da. Glaube mir, er wird mir nichts tun.“

Sie ließen Laris auf der Lichtung stehen und entfernten sich ein ganzes Stück.
 

Rion schaute sich kurz um und ließ sich dann auf dem Boden nieder.

„Warum erkennt er mich nicht? Er kann doch nicht einfach seine eigene Familie vergessen.“

Elya lies sich neben ihm nieder.

„Als ich ihn fand, war er bewusstlos“, klärte sie ihn auf.

„Es dauerte Tage, bis er wieder erwachte. Seine gesamte Erinnerung jedoch war verschwunden. Allerdings muss ich gestehen, dass ich dich auch noch nie gesehen habe und ich habe meine Erinnerung nicht verloren.“

Verschämt schaute er auf den Boden.

„Ich habe mich mit unserem Vater nie besonders gut verstanden und war nur sehr selten Zuhause“, gab er zu.

„Ich musste zusehen wie unsere Eltern starben und als ich Laris so am Boden liegen sah, verließ mich der Mut und ich verschwand so schnell ich nur konnte wieder in den Wald.“

Ihm kamen die Tränen.

„Du hast ihn ohne nachzusehen, dort einfach liegen lassen?“

Elya war entsetzt. Jedoch wollte sie ihn jetzt nicht noch mehr mit ihren Worten strafen.

„Warum nennt er dich Schwester?“, fragte Rion jetzt interessiert.

Er trocknete sein Auge.

„Ich konnte ja nicht zurück ins Schloss und außerdem schien er ja keine Familie mehr zu haben. Untertauchen hielt ich für eine sehr gute Idee. Dieser Moros hätte ganz bestimmt nach mir suchen lassen.“

Beide schwiegen sich an. Einen hilflos wirkenden Elf sah sie außer Laris das erste Mal.

„Was ist mit deinem Auge passiert?“

Rion schaute wütend auf den Boden.

„Als ich Laris so einfach da liegen ließ, hatte ich es bereits verloren. Sicherlich war das auch ein Grund einfach zu verschwinden. Einer dieser widerlichen Trolle hat es mir mit seinem Schw...ert.. .“

Rion stockte. Ihm waren jetzt so stark die Tränen gekommen, dass er nicht mehr richtig sprechen konnte. Wenn man bedenkt, dass Männer sich beim Zeigen von Gefühlen allgemein zurückhalten, hatte sich dieser sehr schlecht unter Kontrolle. Elya sprang sofort auf und legte ihm die Hand auf seine Schulter. Sie konnte Männer nicht weinen sehen.

„Beruhige dich doch wieder Rion.“

Er schaute ihr tief in die Augen. Die Narbe, welche sein Gesicht entstellte, begann fast an der Stirn und endete auf der Wange. Die Augenklappe, die er trug, deckte nur einen kleinen Teil dieses Desasters ab. Elya überlegte, welcher dieser Trolle ihm das wohl angetan hatte. Inständig hoffte sie, dass diese Narbe nicht von Tares stammte. Behutsam berührte sie seine Wange. Laris hatte es ganz sicher zu lange gedauert, denn er kam ihnen nach. Sofort sprang die Elfe auf.

„Ist alles in Ordnung?“

Laris hatte die Hand schon am Säbel.

„Ja, es ist alles in Ordnung. Ich habe deinem ... unserem Bruder erklärt was mit dir ist.“

Laris hob die Brauen.

„Er ist also wirklich mein Bruder?“

Elya nickte und Rion erhob sich.

„Darf ich dich jetzt vielleicht in die Arme nehmen?“, fragte Rion unsicher.

Laris lies seine Waffe los. Diesem stand jetzt nichts mehr im Weg. Er fühlte sich dabei jedoch überhaupt nicht wohl. Also lies Rion ihn los und schaute sich die Prinzessin genauer an.

„Dann hast du doch ganz sicher nichts dagegen, wenn ich dich auch einmal umarme, Schwester?“

Sein Auge funkelte seltsam, doch Elya hatte keine Ausrede, denn was sprach dagegen - schließlich war es ja ihr Bruder...
 

„Wenn ihr beiden hier zusammen auftaucht, kann das nur bedeuten, dass es mit Senos so langsam zu Ende geht.“

Mit diesen Worten wand er sich an Laris. Dieser hob allerdings die Hände und zuckte mit den Schultern.

„Frag mich nicht. Ich erinnere mich nur noch an die Menschenfrau.“

Rion wurde hellhörig und wand sich an Elya.

„Ein Mensch? Kannst du mir erklären was vorgefallen ist?“

Nur ungern rückte sie jetzt mit der ganzen Sache heraus.

„Eine Menschenfrau hat diese Welt durch eines dieser Lichter betreten. Moros hat sie die Klippe hinunter werfen lassen.“

Rion schaute erfreut, ohne auf den zweiten Teil ihrer Worte zu hören.

„Sie funktionieren also doch. Ich wusste es.“

„Freust du dich etwa über diese Begebenheit?“

Laris schaute stinksauer.

„Du hast diese Lichter herbeigerufen?“

Elya war verblüfft.

„Nein, ich nicht. Theodora hat sie geöffnet. Sie war die Menschenfrau die vor längerer Zeit diese Welt betreten hatte. Bedauerlicherweise ging sie vor einigen Tagen von uns. Für einen Mensch war sie sicherlich schon sehr alt.“

Er schaute Elya eindringlich an.

„Ihr sagtet ein Mensch ist wieder hier?“

„War!“, brachte Laris heftig genervt hervor. „Sie ist tot, verstanden!“

Sauer ging er weg und schaute in die Ferne.

„Was hat der denn?“, erkundigte sich Rion leise bei der zierlichen Elfe.

„Ich dachte er erinnert sich an nichts?“

„Sie verbrachten wohl die Nacht zusammen, in der Lena entführt wurde. Ich schätze Moros wollte ihr das Geheimnis dieser Tore entlocken.“

„Sie war also in unserem Haus?“

Elya senkte den Kopf.

„Ich hatte so sehr gehofft, sie würde Laris’ Aussetzer in den Griff bekommen. Du musst wissen, dass sein Gedächtnis schon einige Male verschwunden war. An einige Dinge erinnerte er sich manchmal wieder, aber bei seinem letzten Ausfall war alles wieder verloren. Ich habe mir noch nicht die Mühe machen können ihm alles zu erzählen. Dafür war einfach nicht die Zeit. Vielleicht sollte ich ihm allerdings auch einige Sachen gar nicht erst noch einmal erzählen. Ich habe keine Ahnung, wie das mit dem armen Kerl weitergehen soll.“

Elya war wirklich ratlos. Rion legte ihr jetzt tröstend die Hand auf die Schulter. Diese Sache ging ihm allerdings auch sehr nahe.

„Sie hätte uns vielleicht helfen können, also werden wir doch kämpfen müssen. Woher hast du eigentlich die Nachricht, dass wir uns hier aufhalten?“

Elya schluckte heftig.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Dorfleute davon wussten.“

Fragend schaute er an ihr herab. Unmöglich konnte sie ihm erzählen, dass ein Troll ihr davon erzählt hatte, wo er doch durch einen von ihnen sein Auge verloren hatte.

„Ein Freund“, wich sie aus.

Glücklicherweise fragte er nicht weiter.

Kapitel 24 - Der Wald

Als Lena und Tares ein ganzes Stück den Strand entlang gelaufen waren, bogen sie nach rechts in den Wald ein. Die junge Frau vernahm ein rauschen und blieb stehen. Ihr fiel erneut der Fluss ein. Auch Tares hielt an.

„Dieses rauschen... Ist das der Fluss nach Senos?“

Der Troll nickte.

„Dem rauschen nach zu urteilen, scheint er recht breit zu sein. Wie kommt es, dass er in Senos kein Tröpfchen Wasser mehr hat?“

Ihr fragender Blick schien den Troll zu schockieren.

„Eigentlich floss er genau durch die Mauer, durch Senos hindurch. Mein Vater hat ihn umgeleitet. Er wollte die wenigen Mitbewohner von sich abhängig machen. Jetzt fliest er schon ein knappes Stück vor der Mauer die Klippen hinunter.“

Lena hatte dafür nur ein Kopfschütteln übrig. Tares war diese Sache extrem unangenehm.

„So einer soll König sein? Er ist wirklich das Allerletzte! Was eure Mutter an ihm gefunden hat, ist mir wirklich ein Rätsel.“

Er zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht war er ja, bevor er der Anführer wurde, ein anständiger Mann.“

Die beiden liefen weiter und waren auch schon bald am Fluss angekommen. Eine klapprige, alte Brücke führte hinüber zum anderen Ufer. Der Rasen und die Wege waren überraschenderweise sehr gut abgetreten. In letzter Zeit schienen hier so einige entlanggegangen zu sein. Als Lena vor dieser Konstruktion stand, wurde es ihr anders. Der Mut hatte sie verlassen. Loco hüpfte an den beiden vorbei. Er schien mit dieser Brücke keine Probleme zu haben. Der Spuren wegen, die an einigen Stellen auf der Erde noch deutlich zu sehen waren, schaute sich der Troll verfolgt um. Auch dieses Mal konnte er niemanden sehen.

„Wir sollten schnellstmöglich in den Wald verschwinden.“

Er klemmte sich die Stoffbündel unter den Arm und steckte sich das Küchenbeil hinten unter den Gürtel. Argwöhnisch starrte Lena die Brücke an.

„Komm schon“, forderte Tares sie auf. „Ich werde von hier verschwinden. Du kannst gerne bleiben.“

Entsetzt schaute sie den großen Kerl an. Tares streckte ihr die Hand entgegen.

„Natürlich lasse ich dich nicht hier. Laris würde mir den Hals umdrehen.“

Er lächelte erleichtert, als Lena doch endlich auf seine Hand einging.

„Ich finde es so bedauerlich, das unsere Familie so zerbrochen ist“, begann er plötzlich und völlig unerwartend zu erzählen.

Lena schaute ihn interessiert an.

„Als ich geboren wurde, war Moros bereits der Anführer von Oryeras. Ich weiß von seiner Vergangenheit rein gar nichts. Mutter hatte immer geschwiegen, wenn ich ihr Fragen dieser Art stellte. Aber ich bin mir sicher, dass er diesen Posten auf unehrliche Weise erworben hat.“

„Wie kommt es denn, dass du plötzlich so gesprächig wirst?“

Tares zuckte auch diesmal nur mit den Schultern.

„Ich schätze mal, ich will einfach nur ein paar Sachen loswerden.“

„Ich dachte immer, Mutter liebte diesen Mann, aber ich bin mir sicher, sie hatte einfach nur Angst, dass er ihr oder uns etwas antun würde. Die Sache mit Poras und dass er ihn nicht als Nachfolger wollte, machte sie auch sehr fertig. Ihre Traurigkeit steckte uns an, ganz besonders Poras.“

Die Beiden hatten die ersten Bäume erreicht und Tares lies sich unter einem von ihnen nieder. Die Frustration war über ihn gekommen. Er schaute Lena wieder traurig an.

„Zwischen mir und Narkis hat es noch ein Schwesterchen gegeben musst du wissen.“

Lena schaute überrascht.

„Hatte? Was ist passiert?“

Sie setzte sich zu ihm.

„Er wollte nie eine Tochter.“

Tares schniefte laut.

„Er hat sie Mutter weggenommen und versteckt. Die Kleine verhungerte. Sie wurde keine dreißig Tage alt.“

Erschüttert blieb Lena der Mund offen stehen. Ihr Entsetzen war so maßlos, wie es nicht größer sein konnte. Loco hüpfte auf ihren Schoß, doch dazu, ihn zu streicheln, kam sie nicht.

„Wenn sie nicht bereits wieder schwanger gewesen wäre, hätte sie sich sicherlich sofort das Leben genommen. Sie hoffte so sehr, es würde ein Junge werden.“

Seine Augen wurden feucht.

„Als Narkis endlich auf der Welt war, hatte sich ihre Traurigkeit wieder etwas gelegt. Ich hatte mir geschworen, dass ich den Kleinen beschützen werde.“

„Dennoch hast du ihn jetzt bei diesem Tyrannen zurückgelassen?“

„Du hast doch gehört, dass er uns verraten hat. Er hat es doch selbst zugegeben. Seinetwegen wären wir fast gestorben.“

Tares nahm die Hand vor sein Gesicht, um die Tränen zu verstecken.

„Du sagtest Moros hätte eure Mutter in den Tot getrieben? Willst du mir erzählen was passiert ist?“

Da er nun einmal damit angefangen hatte, war ihm klar, dass er jetzt nicht ausweichen konnte. Er wischte sich das Gesicht trocken.

„Narkis war erst vier Jahre alt. Ich war der einzige, der sie sterben sah. Sie und Moros hatten wieder eine ihrer Auseinandersetzungen. Ich war gerade im Garten, als ich die heftigen Beschimpfungen hörte. Ich hörte auch, wie sie mehrfach geschlagen wurde. Kurz darauf stürmte sie auf den Balkon. Mutter stützte sich am Geländer ab, dabei schaute sie mir in die Augen. Das war das letzte Mal, dass mich ihr Blick traf. Moros war sogleich hinter ihr. Er stieß...“

Tares begann fürchterlich zu zittern. Vorsichtig legte Lena ihren linken Arm um seinen Hals. Sofort drückte er sie an sich, ungeachtet, dass sie noch Schmerzen in der Schulter hatte. Lena selbst achtete allerdings auch nicht darauf.

„Für ihn schien es nur ein Unfall gewesen zu sein. Er hatte mich glücklicherweise nicht gesehen, sonst...“

„Schluss. Ich habe genug gehört.“

Sie strich ihm vorsichtig über den Rücken.

„Ich bin nicht immer so ein Weichling, musst du wissen.“

Tares versuchte zu lächeln und rieb sich erneut die Augen trocken.

„Ich halte dich nicht für einen Weichling!“, wiedersprach sie den Hünen. “Wir sollten jetzt wirklich die beiden suchen. Ich muss unbedingt wissen, wie es Laris geht.“

„Es hat mir wirklich gut getan, einmal mit jemanden darüber zu reden. Für meine Sorgen hat Elya keine Zeit. Sie hat genug eigene Probleme.“

Glücklich lächelte er Lena an. Tares stand auf und schnappte sich die Stoffbündel.

„Was ist eigentlich mit dir?“, wollte er überraschenderweise wissen, als sie gerade wieder losgelaufen waren.

„Mit mir?“

Lena schaute verwirrt.

„Ja mit dir! Von dir weiß ich auch nicht das Geringste.“

„Jetzt überraschst du mich aber. Ich muss gestehen, du bist der erste hier, der sich für meine Vergangenheit interessiert.“

Traurig dachte sie an ihre Lieben Zuhause.

„Wie genau bist du eigentlich hier her gekommen? Als du mir von dem Licht erzählt hast, hatte ich irgendwie nicht den Mut dich näher zu fragen muss ich gestehen.“

Tares verzog den Mund und hob die Brauen. Sein jetzt recht zutrauliches Verhalten ihr gegenüber, lies sie entsetzt an sein anfängliches Aufbrausen denken.

„Ich stand am Fenster und beobachtete die ersten Schneeflocken dieses Jahres“, begann sie zu erzählen.

„Schneeflocken?“, fragte er interessiert.

Lena wurde stutzig. Hier in diesem Land hatte sie so etwas wie Schnee noch nicht gesehen.

„Schnee scheint es hier nicht zu geben, richtig?“

Der Troll zuckte mit den Schultern.

„Also Schnee ist, wenn es regnet, aber es ist zu kalt dafür. Dann sind diese Wassertropfen gefroren und die nennt man dann Schnee“, versuchte sie zu erklären.

Lena war sich sicher, dass Tares kein Wort verstand. In Xeres schien es kaum Temperaturunterschiede zu geben. Er fragte nicht noch einmal nach, also erzählte sie weiter.

„Also ich stand da am Fenster und plötzlich wurde es schlagartig hell in meinem Zimmer. Als ich mich zu dieser Lichtquelle umdrehte, hatte mich ein starker Sog auch schon erfasst und halb hineingezogen. Als ich wieder etwas sehen konnte, war ich oben am Waldrand unsanft gelandet. So kam ich hier her.“

Tares hielt sie plötzlich mit der Hand auf der Schulter an und schaute sich suchend um.

„Alles in Ordnung?“, flüsterte Lena.

„Ich glaube, ich leide mittlerweile schon unter Verfolgungswahn“, gestand er auf einmal. Lena schaute sich auch um, konnte aber ebenfalls nichts auffälliges feststellen. Loco war verschwunden. Als sie allerdings einige Minuten regungslos dastanden, eilte er wieder auf sie zu.

„Hast du viel Familie in deiner Welt zurückgelassen?“, fragte er weiter.

„Zurückgelassen? Ich habe nicht vor für immer hier zu bleiben. Glaub mir Tares, ich will nach Hause.“

Ihr Blick wurde erneut sehr traurig.

„Meine kleine Schwester Bianca und meine Mutter machen sich bestimmt riesig Sorgen.“

„Was ist mit deinem Vater?“

„Der? Er verlies meine Mutter wegen einer anderen Frau. Der kann mir gestohlen bleiben! Wenige Tage nach seinem Verlassen verschwand zu allem Überfluss auch noch meine Großmutter spurlos.“

„Verschwand? Wie kann den jemand so einfach verschwinden?“

Er runzelte die Stirn.

„Es sei denn auf deine Art vielleicht.“

„Ich weiß nicht, aber vielleicht gab es ja zwischen Vaters weggehen und ihrem Verschwinden einen Zusammenhang. In den letzten Tagen hatte ich mit Mutti öfter Streit. Sie meinte ich würde mich seltsam aufführen.“

„Seltsam? Was hast du denn angestellt?“

„Ach keine Ahnung. Vielleicht habe ich ihr ja zu oft von Feen und Elfen erzählt. Sie hatte mich sicher für verrückt gehalten. Oma Dora verstand mich, was das anging, schon immer besser. Sie selbst hatte mir manchmal solche Geschichten vor dem einschlafen erzählt. Sicherlich hätte sie nie gedacht, dass meine Hirngespinste wirklich war sind. Sie hielt mich nie für verrückt. Gerne hätte ich euch bekannt gemacht.“

Lena selbst begann zu grinsen und schaute dabei den großen Troll schief an, was ihn auch zum Schmunzeln verleitete. Schlagartig blieb Lena stehen. Sie starrte auf die Lichtung vor ihnen. Ziemlich weit rechts am Rand hatte jemand einen Hügel errichtet.

„Das sieht nach einem Grab aus“, stellte Tares fest.

„Ein Grab? Ist das hier üblich, Tote einfach so mitten im Wald zu verscharren?“

Der Troll schüttelte den Kopf.

„Normalerweise nicht. Es sei denn, niemand soll vom Tot des Jenen etwas erfahren.“

Kein Kreuz oder ähnliches, war an diesem Hügel zu finden. Ganz sicher wollte das jemand geheim halten.
 

Loco verschwand erneut in eine Richtung. Die beiden schauten ihm nach. An einem der Bäume kletterte etwas herunter, was dem kleinen, haarigen Kerl sehr ähnlich sah. Es war ein Tier der selben Rasse, wie Lena feststellte. Loco hüpfte auf ihn zu und legte die Vorderpfoten an den Baum. Das andere Tierchen kletterte nicht weiter. Es begann an Loco herumzuschnüffeln. Der kleine Kerl begann vor Freude zu zirpen und bewegte dem buschigen Schwanz, doch diese Entzückung wurde gestört, als das andere Tierchen böse zu fauchen begann. Loco nahm die Pfoten vom Baum und entfernte sich ein Stück. Jetzt erst kletterte das andere Tier weiter und sprang auf den Boden. Loco versuchte erneut eine Kontaktaufnahme, doch auch dieses Mal wurde er mit einem Fauchen abgewehrt. Scheinbar verwirrt schaute er jetzt zu den Beiden hinüber, welche die beiden Tierchen die ganze Zeit schon genau beobachtet hatten. Erneut fauchte das andere Tier. Es schien, als hätte es den Mensch und den Troll noch nicht bemerkt. Loco hatte wohl genug von der Unfreundlichkeit des anderen und hüpfte auf Lena zu. Erst jetzt sah er die beiden und verschwand so schnell er nur konnte.

„Na Kleiner?“, empfing sie Loco und hockte sich auf den Boden.

„Er hatte wohl keine Lust mit dir zu spielen, wie?“

Sie streichelte ihn am Kopf. Sofort begann er wieder zu zirpen.

„Vielleicht riecht er nicht mehr genug nach wildem Tier“, stellte Tares fest.

„Laris hatte ihn schon, bevor er diesen Unfall hatte, musst du wissen. Er hatte ihn im Wald gefunden, als er noch ein Baby war und ihn zu Hause großgezogen, erzählte mir Elya.“

Lena knurrte der Magen. Sie schaute erwartungsvoll zu Tares auf. Der Troll hatte dieses allerdings schon mitbekommen.

„Wir sollten jetzt erst einmal eine Pause machen“, schlug er vor.

Lena hielt das für eine gute Idee, allerdings nicht unbedingt in der Nähe dieser Grabstätte. Also folgten die Beiden dem, auch hier, nur sehr schwer zu erkennbaren Pfad noch ein weiteres Stück. Hin und wieder waren Spuren von Fremden zu sehen. Beide waren sich sicher, das dieses Versteck nicht weit sein konnte.

„Du sprachst von einem Versteck, als wir noch in der Zelle im Schloss festgesessen hatten. Woher wusstest du von dieser Existenz?“

„Einer von Moros Leuten muss es gesehen haben. Er erzählte meinem Vater davon, sogleich schickte er Soldaten danach aus. Diese fanden aber nichts – nehme ich an. Sie kamen nicht wieder. Daraufhin ließ er den Informanten, der in seinen Augen nur ein dreckiger Lügner war, töten. Ich hatte die beiden belauscht. Ich war schon immer sehr ungezogen.“

Tares feixte wieder auf seine nette Art.

„Ich weiß zwar, dass es dieses geheime Versteck gibt, aber ich habe keine Ahnung wo genau sich dieses befindet.“

Als sie weit genug von der Grabstätte entfernt waren, lies er sich auf einem Baumstumpf nieder.

„Wie geht es deiner Hand?“, fragte er besorgt.

Sobald dieses Thema auch nur im geringsten angeschnitten wurde, hätte sie sofort schreien können. An den hämmernden Schmerz schien sie sich so langsam zu gewöhnen. Anstatt ihm zu antworten, starrte sie auf den Verband.

„Sicher bereust du jetzt, dass du überhaupt hier gelandet bist.“

Sie schaute auf.

„Du kannst dir sicherlich vorstellen, dass ich nicht besonders glücklich bin, so, wie die Dinge hier bis jetzt gelaufen sind, dennoch bin ich heilfroh, dass ich dich kennen gelernt habe.“

Tares schaute verlegen zu Boden. Ihm war sein erstes Auftreten ihr gegenüber auch jetzt noch sehr peinlich. Der Troll kramte in den Stoffbündeln nach etwas Essbarem und holte ein Brotstück heraus, welches er Lena gab.

„Hast du keinen Hunger?“, fragte Lena verwundert.

„Ich weiß auch nicht. Im Moment verspüre ich überhaupt keinen Appetit.“

Er drehte wieder hektisch den Kopf.

„Vielleicht verstecken sich die Elfen hier im Wald ja auch, weil ich keiner von ihnen bin. Ich habe das Gefühl, wir sind schon an ihnen vorbeigelaufen.“

„Das glaube ich nicht. Ich würde eher vermuten, dass sie versuchen würden, mich vor dem „bösen“ Troll zu beschützen.“

Tares schaute traurig.

„Hey, das war doch nur ein Scherz.“

Lena setzte sich wieder näher zu ihm.

„Du bist nicht wie dein Vater! Ich bin eine von denen, die das bestätigen kann.“

Sie legte ihre Hand auf sein Knie.

„Elya hatte Recht damit, dass du ein feiner Kerl bist. Du kannst dir ja vielleicht vorstellen, dass ich das Anfangs nicht so recht glauben wollte.“

Endlich lächelte er wieder.

„Wie kommt es eigentlich, dass sie von einem Tag auf den nächsten so in hohen Tönen von dir sprach?“

„In hohen Tönen?“

Tares konnte ihr nicht so recht folgen.

„Sie erzählte mir, du hättest sie festgehalten, am Tag, an dem ihr Senos eingenommen habt. Sie muss ziemlich sauer auf dich gewesen sein. Sie hat dir ja schließlich auch eine Backpfeife gegeben.“

„Von einem Tag auf den nächsten ist nicht ganz richtig.“

Er erzählte ihr die ganze Sache genauer.

Kapitel 25 - Ein langer Kampf

„Wach doch bitte wieder auf“, flehte Elya wiederholt, als sie erneut ein Geräusch aus dem Garten vernahm.

Mit schnellen Schritten lief sie die Treppe hinunter und stürzte hinaus.

„Langsam reicht es mir aber. Hör gefälligst auf, hier jeden Abend herumzulungern!“

Sie schaute sich sauer um, konnte aber zu anfangs niemanden sehen. Langsam lief sie in Richtung der Beete. Ein kalter Wind kam auf. Der Mond wirkte heute besonders groß. Elya verschränkte die Arme und lief noch ein Stück in Richtung Stadtmauer weiter. Da sah sie plötzlich zwei Stiefel von der Mauer herunterbaumeln. Durch die Bäume in diesem Teil des Gartens, konnte sie nicht viel mehr erkennen.

„Los, mach, dass du nach Hause kommst!“, fauchte sie.

Die Beine, an denen die Stiefel steckten, bewegten sich jedoch nicht.

„Verstehst du mich nicht? Es gefällt mir nicht, dass du hier ständig im Dunkeln herumschleichst!“

Elya griff nach ihrem Schuh.

„Mach dich Heim!“

Endlich sprang ihr Gegenüber von der Mauer herunter. Elya wich erschrocken zurück. Der Troll, welcher sie bei der Einnahme bereits bedroht hatte, stand nun vor ihr.

„Mach bloß, dass du aus meinem Garten verschwindest!“, meckerte sie ihn an.

Er kam einen Schritt näher.

„Deinem Garten?... Prinzessin... Elyana!“

Er drehte den Kopf schief.

Elya bekam große Augen. Woher wusste er das und woher kannte er sie, fragte sie sich selbst. Geistesabwesend schmiss sie mit ihrem Schuh nach ihm und rannte zurück ins Haus.

„Lass mich gefälligst in Ruhe!“, schrie sie ihm noch nach.

Der Troll stand mit der Sandale in der Hand regungslos da und starrte ihr nach. Diese Frau hatte wirklich Temperament.

Elya lehnte sich von innen gegen die Tür. Dieser Troll wusste also bereits bescheid. Wenn er sie verraten würde, wäre es gleich vorbei. Was sollte sie nur tun? Ihn so einfach fertig machen war ganz sicher nicht möglich. Dieser Kerl war unangenehm groß und er sah nicht nur aus, als hätte er Kraft. Die zierliche Elfe hätte ganz sicher nicht die geringste Chance, wenn man außerdem bedenkt, dass sie mit einem Schwert nicht einmal richtig umgehen konnte.

Sie fühlte sich unsagbar schlecht, als sie erneut die Stufen hinaufstieg. Ganz kurz betrat sie nochmals Laris’ Zimmer

„Ich bitte dich, wach doch wieder auf. Ich könnte jetzt wirklich Hilfe gebrauchen!“

Mit diesen Worten verlies sie sein Zimmer und verschwand in ihrem eigenen.
 

Am nächsten Abend wartete sie richtig darauf, dass dieser Kerl auftauchte. Elya wusste von Trollen eigentlich nur, dass sie so dreist waren, auf Warnungen nicht im geringsten einzugehen. Mit Laris’ Säbel bewaffnet schlich sie in den Garten. Gesundheitlich hatte sich bei dem Elf nichts geändert. Mit beiden Händen klammerte sie sich am Griff dieser Waffe fest. Ihr Herz schlug wie wild. Elya bemerkte nicht, dass er sich schon eine ganze Weile auf dem Grundstück aufhielt und sie interessiert beobachtete. Loco hüpfte an ihr vorbei auf das Haus zu. Er schlich noch ein Stück daran herum und begann plötzlich zu fauchen. Die Elfe folgte dem Tierchen mit schnellen Schritten. Der kleine Kerl hatte den Troll also aufgespürt. Langsam kam dieser hinter der Ecke hervor. Er hielt der Elfe ihren Schuh entgegen. Sie jedoch streckte den Säbel nach ihm aus.

„Warum belästigst du mich?“, wollte sie sofort wissen.

„Ich wollte dir nur deinen Schuh wieder zurückgeben. Hast ihn wohl gestern hier verloren.“

Der Troll grinste belustigt.

„Warum sind deine Leute noch nicht hier gewesen?“, fragte sie weiter.

„Weshalb sollten sie das?“ Er schien überrascht.

„Du hast mich noch nicht verraten, obwohl du bereits weißt wer ich bin?“ Elya war das zu hoch. „Willst du mich jetzt also doch selbst beseitigen?“

„Das hatte ich das letzte Mal schon nicht vor und ich werde es auch jetzt nicht tun! Nur weil ich weiß wer du wirklich bist, heißt das doch nicht, dass ich dich verraten werde.“

Elya war verwirrt. „Was willst du dann von mir?“ Sie war absolut ratlos.

„Ich wollte dich wiedersehen“, gestand er ihr unerwartet.

Kannte sie dieser Kerl etwa? Er schaute sie unsicher an. Wollte er vielleicht irgendwelche Informationen aus ihr herausbekommen?

„Warum mich? Wenn sie mich mir dir zusammen hier stehen sehen, denken sie sicher ich würde mit euch verdammten Trollen gemeinsame Sache machen.“

Elya begann zu zittern und hatte Probleme den Säbel gerade zu halten. Sie schaute sich unsicher um aber ihr war klar, dass, auch wenn sie schreien würde, niemand zur Stelle sein würde. Laris lag nach wie vor völlig bewegungslos auf seinem Lager, er wäre sicher der letzte, der ihr zu Hilfe eilen könnte.

„Komm mit!“, entschied sie dennoch mit derben Ton.

Darauf hatte er sicherlich gewartet, denn er folgte ihr sofort, ohne auch nur einen Augenblick zu warten.
 

Elya lief zur Sicherheit auf die andere Seite des Tisches. Der Troll hielt ihr wiederum ihren Schuh entgegen. Elya hatte ihn diesen draußen im Garten noch nicht abgenommen, jetzt jedoch fasste sie mit einer schnellen Bewegung danach.

„Du bist nicht hier um mich deinen Leuten auszuliefern?“

Elyana wollte sich sicher sein. Er schüttelte den Kopf.

„Du wolltest mich wiedersehen?“

Der Säbel lag jetzt auf dem Tisch, der ihn von ihr fernhielt, vor ihr. Wenn er sich nähern würde, hätte sie ihn sofort wieder in der Hand.

„Du kennst mich nicht mehr, richtig?“

„Warum sollte ich einen Troll kennen?“

Elya war entsetzt. Er jedoch schien sie wirklich zu kennen. Woher hatte er das sonst gewusst.

„Du und dein Vater war vor einer Ewigkeit öfters in Oryeras“, begann er zu erzählen.

Diese Stadt war allerdings nur von Trollen bevölkert, was diese Bekanntschaft nicht im geringsten klärte. Elya überlegte dennoch krampfhaft.

„An einem dieser Tage musste ich dir wieder auf dei Beine helfen“, schilderte er weiter.

Die Elfe begann jetzt den Troll anzustarren, aber es fiel ihr augenblicklich ein, wovon er sprach.

„Du warst es, der mir den Ball an den Kopf geworfen hatte?“, fragte sie deutlich beleidigt.

„Ja“, gestand er. „Immerhin habe ich dir wieder aufgeholfen“, versuchte er sich herauszureden.

„Du sollst das gewesen sein?“

Sie erinnerte sich an den Kerl. Den Jungen, den sie allerdings in Erinnerung hatte, war in etwa ihrer Größe gewesen. Entsetzt starrte sie ihn erneut an. „Groß bist du geworden!“, brachte sie mit gehässigem Unterton hervor.

Der Troll lächelte sie dennoch an, obwohl er ihre Gereiztheit sehr wohl wahrgenommen hatte. Er wollte sie also wieder sehen? Elyana hatte eine sehr beängstigende Vorahnung. Hatte er etwa Interesse an ihr? Das ging ihr jetzt allerdings zu weit.

„Geh! Ich will dich nicht hier haben!“

Ihr Blick wurde sehr kalt. Sie deutete zur Tür. Der Troll jedoch bewegte sich nicht von der Stelle.

„Wie geht es dem Elfen?“, fragte er stattdessen.

Fassungslos, dass er sich doch tatsächlich für ihn zu interessieren schien, blieb ihr der Mund offen stehen. Elya hatte also zwei Möglichkeiten. Entweder sie würde ihn völlig erfolglos zu vertreiben versuchen oder sie würde ihm Antworten geben.

„Du hast nicht vor mir etwas zu tun? Ich hoffe, das trifft auch auf Laris zu!“

Der Troll nickte mit sehr ernstem Blick.

„Warum solltest du dich für seine Gesundheit interessieren?“

Elya wusste nicht, was sie von diesem Mann halten sollte. Er war ein Troll. Sogar auch noch einer von den Söhnen dessen, der die Elfen hier festhielt. Sie jedoch war eine von den Opfern, die von diesen Trollen überfallen und tyrannisiert worden. Er schien allerdings nichts der gleichen vor zu haben. Auch jetzt lächelte er sie einfach nur lieb an.

„Wo ist mein Vater?“

Sie schaute finster.

„Ich weiß nur, dass sie ihn in unser Reich verschleppt haben. Was Moros mit ihm vor hat weiß ich leider auch nicht.“

Elyana hatte aufgehört an seinen Worten zu zweifeln, außer an der Sache, dass er sie wiedersehen wollte.

„Laris liegt oben. Er ist leider noch nicht aufgewacht.“ Sie schniefte zu tiefst traurig. „Ich weiß nicht, was ich noch machen könnte.“

Der große Kerl folgte ihr wortlos die knarrende Holztreppe hinauf. Er kniete sich sofort neben den regungslos daliegenden Elf und legte ihm die Hand an seine Stirn.

„Der Junge muss schnellstmöglich heruntergekühlt werden. Seine Stirn ist ja feuerheiß.“

„Glaubst du wirklich, dass ich das nicht schon lägst versucht habe? Ich mache den ganzen Tag nichts anderes.“

Elya kam sich richtig dumm vor.

„Tut mir leid, aber etwas anderes würde mir im Moment auch nicht einfallen“, versuchte er sie wieder zu beruhigen.

Sie fühlte sich nicht gerade wohl dabei, Laris mit diesem Kerl alleine zu lassen dennoch ging sie nach unten. Loco hüpfte jetzt auch noch hinauf, an ihr vorbei. Sie musste sich beeilen.

Als sie allerdings erneut auf dem Weg nach oben war, traute sie ihren Ohren nicht.

„Komm schon Elf...“, hörte sie ihn sagen.

„Das kannst du der Kleinen nicht antun. Ihr liegt scheinbar recht viel an dir.“

Elya blieb noch eine Weile auf der Treppe stehen. Redete er doch tatsächlich auf ihn ein? Sie schüttelte den Kopf. Sollte dieser Troll etwa das Gegenteil von dem sein, was sie bist jetzt kannte?

„Du bist doch ein starker Kerl. Diese Stadt braucht einen Mann wie dich! Gerade jetzt!“

Im selben Moment trat sie wieder ein. Mit einem freundlichen Lächeln begrüßte er Elya. Sie jedoch reagierte absichtlich nicht darauf.

„Tares ist übrigens mein Name, falls du ihn vergessen haben solltest.“

Er rückte ein Stück beiseite, damit Elya besser arbeiten konnte.

„Vielleicht kannst du dir ja vorstellen, dass mir das vollkommen egal ist!“

Sie hatte nicht die geringste Lust, sich mit diesem Mann ausführlicher zu beschäftigen. Traurig wand er den Blick ab. Elya tauchte den Stoff, den sie von unten mitgebracht hatte, in den Wassereimer. Auf einmal spürte sie eine warme Hand an ihrem Nacken. Tares strich ihr Haar beiseite und küsste sie sanft auf die Schulter. Was fiel diesem Kerl eigentlich ein? Mit wutrotem Kopf drehte sie sich zu ihm um. Damit hatte er also gerade bestätigt, was sie befürchtet hatte. Seine grünen Augen leuchteten. Elya wurde furchtbar nervös. Am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt, aber sie traute sich jetzt nicht.

„Ich finde du solltest jetzt wirklich von hier verschwinden!“

Sie kochte vor Wut. Wie zuvor bewegte sich der Troll nicht von der Stelle. Auch jetzt saß er noch auf dem Boden. Die Elfe war mittlerweile aufgestanden. Unglücklich schaute er an ihr empor, doch das war Elya egal. Mit angewidertem Gesichtsausdruck verließ sie das Zimmer. Tares hörte eine weitere Tür zuschlagen. Da sie jetzt so hektisch aufgebrochen war, legte er dem Elfen das kühlende Tuch auf die Stirn.

„Wie konnte ich mir auch nur die geringste Hoffnung machen“, sprach er mit sich selbst.

Er hätte sich die Haare raufen können. Wenigstens wusste sie jetzt, dass es diesen Troll auch noch gab. Aber was nützte ihm das jetzt? Sie hasste ihn, für das, was er war. Das jedoch, hatte er seinem Vater zu verdanken.

Er erinnerte sich an den Tag, an dem er Elyana mit dem Ball unsanft umgeworfen hatte. Als er ihr anschließend wieder auf die Beine half, war sie zwar sauer, hatte jedoch kurz darauf wieder gelächelt. Wie hatte er dieses Schmunzeln geliebt und jetzt starrte sie ihn so hasserfüllt an. Wie konnte er nur denken, sie würde ihn nach all diesen Geschehnissen noch auf diese Weise anschauen.

Tares hatte nicht vor zu verschwinden. Er lehnte sich an die Wand in Laris Zimmer und schaute mit glasigen Augen aus dem Fenster. Auch an diesem Abend war das heulen des Windes sehr gut zu hören.
 

Im all morgendlichen Trott betrat Elya Laris’ Zimmer um nach ihm zu sehen. Erschrocken fuhr sie jedoch zusammen. Dieser Troll hatte die Nacht also hier verbracht. Da sie die Tür recht leise geöffnet hatte, hatte sie diesen nicht geweckt. Schlafend saß er auch jetzt noch an der Wand. Er wirkte sehr friedlich auf sie. Sein Kopf fiel plötzlich so allmählich nach vorn, was ihn schließlich doch weckte. Erschrocken riss er die Augen auf und starrte die Elfe an.

„Gut! Dann kann ich mir das wecken sparen.“

Ihr Ärger hatte sich auch jetzt noch nicht gelegt, wie man an ihrer Stimmlage erkennen konnte.

„Warum bist du noch hier?“, fragte sie ihn, während sie Laris’ Tuch mit Wasser frisch machte.

Loco hatte sich über dem Kopf von seinem Herren zusammengerollt und sprang jetzt ebenfalls auf.

Der Troll sagte kein Wort. Sie kümmerte sich nicht weiter um diesen Mann und verließ das Zimmer. Sollte er doch machen was er wollte. Elya hatte Hunger bekommen. Auch Tares wollte sie etwas geben, weil er sein Wort gehalten hatte, Laris kein Haar zu krümmen, dennoch hatte sie nicht im geringsten vor, ihn durchzufüttern.

„Elyana?“, hörte sie auf einmal seine tiefe Stimme durch das Haus klingen.

Mit sehr schnellen Schritten war sie wieder ins Zimmer getreten. Sie hielt ihm zwei Äpfel entgegen und schaute ihn böse an.

„Wenn du mich nicht verraten willst, dann schrei hier nicht so herum und nenn mich gefälligst Elya!“

Tares nahm ihr die Äpfel jedoch nicht ab. Stattdessen deutete er in Richtung Laris. Sofort wand sie sich um. Zwei große, verwirrte Augen starrten sie an.

„Laris? Du bist wach?“

Sofort lies sie die Äpfel fallen. Einen von beiden konnte Tares noch rechtzeitig auffangen. Der andere allerdings rollte durch die Tür und die Treppe hinunter. Elya fiel ihm sofort um den Hals. Tares beobachtete diese Szene sehr enttäuscht. Fassungslos starrte der Elf die hübsche, junge Frau an.

„Wo bin ich?“, vernahm sie seine zitternde Stimme.

Sofort lies sie los.

„Wer seid ihr?“

Elya wurde es himmelangst. Hatte er etwa sein Gedächtnis verloren?

„Ich bin Elya, deine Schwester“, begann sie ihre ersten Halbwahrheiten.

„Warum ist der Troll hier?“, fiel ihm auf.

Dieser schluckte nervös.

„Das ist Tares. Er gehört zur Familie“, gab sie weiterhin an.

Sofort hielt er ihm den gefangenen Apfel entgegen. Laris schien allerdings keinen Hunger zu haben, dennoch nahm er ihn dem Troll aus der Hand. Er wirkte unglaublich verwirrt.

„Erinnerst du dich an nichts?“

Der Elf schüttelte nur langsam den Kopf.

„Was ist passiert?“

Er griff sich an den Hinterkopf. Schmerzen hatte er scheinbar noch immer.

„Vielleicht sollte ich mich ein bisschen ausruhen“, fing er von selbst an, ohne auf eine Antwort zu warten.

„Möglich, dass die Erinnerung wieder kommt.“

Er lächelte Elya an und diese erwiderte es erwartungsgemäß. Tares und Elya verließen das Zimmer und gingen in die Küche zurück. Kurz nach der Treppe hob er noch den weggerollten Apfel auf und legte ihn auf den Tisch.

„Wie hast du das gemacht?“, wollte die Elfe wissen.

Tares zuckte mit den Schultern.

„Du bist die erste Nacht in diesem Haus und Laris wacht plötzlich auf. Hast du irgend welche Fähigkeiten, von denen ich noch nichts weiß?“

„Da muss es sich wohl um Fähigkeiten handeln, von denen ich selbst noch nichts weis. Du sagtest, ich gehöre zur Familie?“

Elya schaute ob Laris’ Tür noch geschlossen war und er sie nicht hören konnte.

„Das hab ich ihm nur gesagt, dass er sich nicht aufregt, verstanden!“

Tares lächelte allerdings.

„Dann werde ich jetzt wieder verschwinden“, brach er die kurze Stille.

„Warte mal“, versuchte sie ihn aufzuhalten.

Sie schnappte sich den Apfel vom Tisch und lief ihm ein Stück entgegen.

„Mehr kann ich dir leider nicht bieten“, gestand sie und reichte ihn Tares.

Das Letzte, woran er jetzt Interesse hatte, war allerdings dieses Obst. Er kam ebenfalls einige Schritte auf sie zu. Behutsam nahm er ihr den Apfel dennoch aus der Hand, doch er legte ihn erneut auf den Tisch zurück. Dann griff er vorsichtig nach ihrem Kinn, drehte seinen Kopf soweit schräg, dass seine Trollnase nicht störte und küsste die zierliche Elfe auf die Lippen. Sein Ziegenbärtchen kitzelte sie dabei im Gesicht. Elya wehrte sich jedoch nicht.

Sie bekam eine Gänsehaut. Tares lies sie wieder los öffnete behutsam die Haustür einen Spalt breit, schaute sich wachsam um und verschwand wieder durch den Garten. Elya war sprachlos. Hatte dieser Kerl jetzt etwa doch beweisen können, dass es auch eine andere Art von Trollen gibt? Ungläubig fuhr sie sich mit dem Daumen über die Lippen. Hatte er sie doch tatsächlich geküsst und sie vergaß vollkommen sich zu wehren ...
 

„Elya hat es mir anfangs nicht wirklich leicht gemacht, glaube mir. Aber das war und ist es mir wirklich wert!“

Er grinste Lena glücklich an.

„Männer!“, sagte diese stattdessen und stand auf. „Ich finde, du solltest sie nicht länger warten lassen.“

Loco hatte sich auch endlich wieder zu ihnen gesellt und die drei setzten ihre Suche fort.

Kapitel 26 - Das Versteck

Das geheime Versteck schien durch Magie geschützt. Im einfachen vorbeigehen hätte man das niemals sehen können. Rion zog eine Halskette hervor und hielt sie in Höhe seines Kopfes. Weiße Blitze wurden von diesem Kettenanhänger angezogen. Vor den Augen aller wurde die Umgebung unscharf. Rion ging einen Schritt nach vorn. Um ihn herum bildete sich eine Art Öffnung.

„Kommt schon“, forderte er die beiden auf.

Laris und Elya schauten sich unsicher an.

Rion fasste nach Elyas Hand, so das sie ihm folgen musste. Laris hielt inne und versuchte diese ungewöhnliche Barriere zu berühren. Seine Hand allerdings ging dabei hindurch, als sei sie gar nicht da. Nur an der einen Stelle, an der Rion sie geöffnet hatte, konnte man auf der anderen Seite schon etwas erkennen. Auch er folgte ihm jetzt. So etwas hatten die beiden noch nie gesehen – und wenn doch, würde sich Laris nicht erinnern. Er schaute zurück. Die Öffnung hinter ihm hatte sich wieder geschlossen und der Wald sah wieder aus, als wäre die Barriere gar nicht da. Männerstimmen wurden deutlich. Hier schienen sich einige Leute aufzuhalten. Die beiden neuen folgten Rion wortlos. Das Gemurmel wurde wieder leiser. Einige der sich hier befindlichen Elfen schauten auf und verbeugten sich. Rion griff sofort ein.

„Keine Förmlichkeiten, Leute. Elya und Laris kennt ihr ja. Ich schätze sie sind die beiden letzten, denen eine Flucht noch möglich war. Der Mensch, der vor wenigen Tagen hergelangt ist, wird uns bedauerlicherweise nicht zur Seite stehen.“

Die Männer, welche sich hier versteckt hatten, waren ziemlich gut bewaffnet und auch ihre Rüstungen waren um einiges besser, wie die von Rion selbst. Elya schaute ängstlich in die Richtung, aus welcher sie gerade gekommen waren.

„Kann dieses Versteck wirklich niemand von Außen sehen?“

Glücklich, dass sie endlich interessierte Fragen stellte, zog Rion sie an sich.

„Dieser Schutzzauber wurde von Theodora vor einer ganzen Weile errichtet. Von der anderen Seite aus, sind wir nicht zu sehen und auch nicht zu hören. Wir jedoch sehen, wenn sich jemand nähert.“

„Das würde auch erklären, warum so viele spurlos verschwunden waren.“

Erleichtert, dass sie viele bekannte Gesichter sah, atmete Elya tief durch.

„Wir hatten dadurch auch die Möglichkeit, viele dieser verdammten Trolle zu vernichten, ohne dass deren Leichen jemals gefunden wurden. Jetzt allerdings hat Moros schon seit einer ganzen Weile niemanden mehr geschickt.“

Rion hatte die zierliche Elfe auch jetzt noch an sich gezogen und hatte begonnen, sie an der Taille, von allen anderen unbemerkt, zu streicheln. Sie musste bei diesen Worten an Tares denken und ging fix einen Schritt beiseite. Diese Art von Nettigkeit konnte sie jetzt einfach überhaupt nicht vertragen. Laris hatte mitbekommen, dass sich Elya nicht besonders wohlfühlte und stellte sich zwischen die Beiden. Rion warf ihm einen sehr ärgerlichen Blick zu, aber Laris ging gar nicht darauf ein. Er war zwar sein Bruder, aber jetzt stand er ihm doch tatsächlich im Weg.

„Dieser Schutzzauber hätte von dem Mensch, der zuletzt in diese Welt gelangt war, fortbewegt werden können. Ich habe bedauerlicherweise diese Fähigkeit nicht. Das ist auch ein Grund, warum wir noch nicht eingreifen konnten. Wir haben ja keine Ahnung, wie viele dieser Trolle sich noch in Senos aufhalten.“

„In der Stadt selbst hat Moros seine Leute größtenteils zurückgezogen.“

Elya erinnerte sich, dass Laris zuletzt in der Burg gewesen war. Sie wollte gerade diese Begebenheit anbringen, als ihr wieder einfiel, dass er doch wieder keine Erinnerung daran hatte. Sie schaute den Elf traurig an.

„Du erinnerst dich noch nicht oder?“

Laris schüttelte traurig den Kopf. Diese Begebenheit machte ihn gerade wieder sehr fertig.

Mit den Worten „Sei bitte nicht traurig“, legte Elya den Arm um ihn. Rion schien diese Sache ebenso wenig zu schmecken, wie Elya zuvor seine Streicheleinheiten.

„Sag mir bitte bescheid, wenn dir irgendetwas einfallen sollte.“

Sie schaute ihn betroffen an. Laris lächelte – allerdings nur sehr zaghaft. Sie näherten sich dem Lager. Nur wenige Zelte waren aufgestellt. Der Rest der Männer schien im Freien zu schlafen. Plötzlich stürzte jemand aus dem Abseits auf die beiden Neuen zu. Überglücklich stürmte eine Frau auf Elya zu.

„Ich bin so froh dich zu sehen!“, sagte diese sogleich und drückte sie an sich.

Elya erkannte sie sofort und umarmte sie auch ziemlich fest. Diese Frau war eine der Zimmermädchen im Schloss gewesen. Wie diese entkommen konnte, war Elya allerdings vollkommen unklar.

„Wie geht es Sesár?“, fragte sie, ohne im geringsten auf ihren gesellschaftlichen Stand einzugehen.

Elyas Blick wurde zusehends trauriger.

„Ich habe leider keine Ahnung. Ich hoffe so sehr, dass er noch am Leben ist.“

Rion unterbrach die Beiden jedoch.

„Darauf können wir uns jetzt nicht verlassen. Wir finden sicherlich jemanden, der dieser Position würdig ist.“

Dabei schien er allerdings nicht an Elya zu denken.
 

„Bei Nacht werden wir einfallen!“, bestimmte er.

„Ist der Flusslauf auch jetzt noch umgeleitet?“

Elya nickte. Laris wirkte auf eine Weise sehr verloren. Elyas Dienstmädchen fiel das auf.

„Alles in Ordnung mit dir, Junge?“

Sie fasste nach seinen Händen. Elya erlaubte sich, für ihn zu sprechen.

„Bein ersten Versuch Senos zurückzuerobern, verlor er sein Gedächtnis aufgrund eines heftigen Schlages gegen den Kopf. Er erinnert sich an nichts was zu dieser Zeit passiert ist.“

Schniefend trat Laris zurück und verschwand hinter den Zelten. Der Prinzessin kam das jetzt sehr gelegen.

„Ich bin mit der Lüge, seine Schwester zu sein, bei ihm untergetaucht“, flüsterte sie, mit wachem Blick auf die Zelte gerichtet.

„Auch jetzt ist er dieser Meinung. Ich wäre euch dankbar, wenn er das auch weiterhin glaubt.“

Alle umstehenden nickten. Auch sie würden diese Notlüge weiterhin nutzen.
 

***
 

Nachdem Lena ihr schon recht hart gewordenes Brotstück doch endlich klargekaut hatte, kümmerte sich Tares wieder sehr behutsam um ihren Finger. Die Schmerzen in ihrer Schulter waren glücklicherweise fast verschwunden. So langsam konnte sie sich ihre Hand auch anschauen. Behutsam drehte sie diese, mit einem gewissen Abstand, vor ihren Augen hin und her.

„Na so schlimm sieht’s ja gar nicht aus“, behauptete sie auf einmal.

Ihr Blick sagte allerdings das Gegenteil. Anfassen traute sie sich allerdings nicht – nicht nur der hackenden Schmerzen wegen. Durch diese grünliche Paste hatte sich ihr Finger außerdem noch etwas verfärbt.

„Tut mir wirklich fürchterlich leid, dass diese Sache ...“

„Hör gefälligst auf, dich dauernd zu entschuldigen!“, schalt sie ihn auch dieses Mal.

Tares fuhr erschrocken zusammen.

„Ich bin dir wirklich dankbar, dass ich meine Hand noch habe.“

Er schaute wieder sehr bedrückt auf die entstellte Hand. Mit der gesunden versuchte sie durch herumfuchteln, seinen Blick davon abzuwenden. Ein Ergebnis erzielte sie damit allerdings nicht. Also piekte sie ihn mit dem Finger an der Nase. Das war das erste Mal, dass sie diesen Troll an einem seiner auffälligen Merkmale, seiner Rasse, berührte.

„Hallo? Alles klar mit dir?“

Tares wirkte abwesend, diesen Stupser hatte er allerdings schon mitbekommen.

„Ich denke, Elya würde jetzt bereits warten, wenn sie wüsste, dass wir auf dem Weg sind. Du bist heute irgendwie seltsam.“

Der große Kerl rieb sich die Augen.

„Ich scheine nicht so recht munter zu sein“, behauptete er.

„Erst dieses Gefühl der Verfolgung und jetzt das... Irgendwie bin ich nicht bei der Sache. Ich halte das nicht mehr viel länger durch!“

Lena war zutiefst entsetzt. Wie konnte er so etwas jetzt nur sagen. Sie sprang auf und stellte sich hinter ihn. Der große Kerl hockte auch jetzt noch am Boden und stützte sich mit beiden Händen am Boden ab. Lena begann ihm mit der linken Hand den Nacken zu massieren.

„Ich bitte dich Tares! Ich kann es nicht leiden, dass du jetzt den Gleichgültigen spielst. Deine Elya braucht dich. Du bist ein starker Mann und außerdem bin ich auf dich angewiesen.“

Er fasste nach ihrer Hand und stoppte somit die Massage. War sie ihm jetzt damit etwa zu weit gegangen? Lena spürte plötzlich einen stechenden Schmerz in der Stirn. Sie riss ihre Hand los und hielt sich den Kopf. Sofort sprang Tares auf, um zu sehen, was jetzt wieder nicht stimmte.

„Du hast Recht. Irgendetwas ist hier nicht normal, wenn man bedenkt, dass ich das sage.“

Lena schaute sich um und wankte ein Stück tiefer in den Wald hinein. Tares folgte ihr nicht sofort, stattdessen lief ihr Loco hinterher. Er hüpfte an ihr vorbei und kletterte an einem Baum hinauf. Lena blieb stehen und stützte sich an diesem ab. Was zur Hölle war jetzt nur mit ihr los. Loco begann zu zirpen. Spürte er etwa auch etwas? Die junge Frau musste sich erst einmal setzen und lehnte sich gegen den Baum. Tares hatte jetzt die Sachen wieder zusammengepackt und hockte sich neben sie. Lenas Hand war noch nicht verbunden worden. Das wollte er jetzt schnell nachholen, also sahen die beiden auch nicht, wie sich das Tierchen noch ein ganzes Stück von ihnen entfernte.

Kapitel 27 - Wiedersehen mit Hindernissen

Elya hatte sich in der Zwischenzeit dieses Lager etwas genauer angeschaut. Sehr viel gab es jedoch nicht zu sehen. Plötzlich sah sie etwas verschwommenes in ihre Richtung laufen. Es war ziemlich klein und auf vier Beinen unterwegs. Wie ein Geist bewegte es sich durch sie hindurch.

„Was bitte war das?“, fragte sie erstaunt und lief auf die anderen zu.

Im inneren dieses magischen Kreises, war die Größe gut feststellbar. Genau an der Grenze entlang war mit der Zeit ein gut sehbarer Trampelpfad entstanden. Elya traute sich nicht diesen zu überschreiten, um dem vermeintlichen Geist zu folgen.

Rion hob den Kopf.

„Hast du jemanden gesehen?“, erkundigte er sich sofort und lief auf sie zu.

„Gibt es in diesem Teil des Waldes etwa Gespenster?“, fragte sie ihn mit gerunzelter Stirn.

„Gespenster?“

Rion begriff nicht und schaute sich um.

„Etwas huschte jetzt gerade an mir vorbei. Es sah allerdings nicht so aus, als das ich es hätte anfassen können.“

Wieder bewegte es sich auf sie zu und kletterte im magischen Bereich an einem Baum hinauf. Elya bekam große Augen und stellte sich ganz nah neben dieses Etwas.

„Dieses kleine Tierchen läuft soeben außerhalb dieses Schutzzaubers durch den Wald. Von innen gesehen sieht das so aus.“

Elya schaute sehr verwundert. Das Geisterhafte an diesem Tierchen machte ihr irgendwie Angst.

„Sind wir hier in einer anderem Dimension?“, fragte sie sichtlich verwirrt.

„Nein, das ist wirklich nur dieser Zauber. Alles was lebt und sich hier hindurchbewegt sieht so aus. Das ist normal. Aber sag mal! Ist das nicht Loco?“

„Du meine Güte!“

Sie nahm die Hände vor den Mund. Er hatte Recht.

„Als wir Senos verließen, haben wir ihn wohl zu Hause vergessen“, fiel es ihr wieder ein.

Aber wie kam er jetzt hier her? Unmöglich hatte er diesen Weg von selbst gefunden. Das konnte nur bedeuten, dass er nicht alleine war! Aber wer sollte bei ihm sein? So viele Fragen und Elya hatte für sie keine Antworten.

„Ich bin mir sicher, dass noch jemand bei ihm ist“, brachte sie, auf eine Weise sehr hoffend, hervor.

„Ich werde sofort mit ein paar Männern nachsehen, wenn es dir Recht ist.“

Elya nickte hastig, ohne darauf warten zu lassen. Rion setzte sich sogleich in Bewegung und verschwand bei den Zelten. Fasziniert schaute Elya dieses Tierchen an. Behutsam versuchte sie es zu berühren, aber so geisterhaft wie es in diesem Schutzzauber aussah fühlte es sich auch an – nach nichts. Elya fasste einfach durch ihn hindurch.

Auf genau der gegenüberliegenden Seite, wo dieses Tierchen aufgetaucht war, verließen eine Hand voll Männer diesen Bannkreis. Elyana hatte sich nicht wegbewegt und konnte jetzt sehen, dass die Elfen, auf die selbe Art wie das Tierchen, nur wie Geister aussahen. Beeindruckt folgte ihr Blick den Soldaten.

Wenige Schritte von dem Tierchen entfernt, blieben sie stehen.

„Loco?“, rief Rion das kleine Tier.

Sofort stelle er die Ohren auf. Seine Stimme klang auf eine seltsame, sehr unreale Art, verzerrt. Er sprang vom Baum und hüpfte auf ihn zu. Wenn ihm Rion fremd gewesen wäre, hätte er das gewiss unterlassen. Elya war sich jetzt ganz sicher, dass das wirklich Loco war.
 

Während sich Rion mit dem Tierchen, welches ihm mittlerweile auf der Schulter saß, beschäftigte, sicherten seine Männer den Umkreis. Am liebsten hätte sie sich jetzt zu ihnen gestellt, aber ihr war klar, dass Rion ihr das Verlassen aus Sicherheit nicht gestatten würde, also wartete sie ab.

So langsam wurde es dämmerig. Bestimmt hatten die Soldaten jetzt Probleme, etwas genaues zu erkennen. Elya beobachtete auch weiterhin, was sich außerhalb abspielte und bemerkte aus diesem Grunde auch nicht, dass sich ein weiterer Geist von hinten näherte. Er lief durch Elya hindurch und stützte sich genau an dem Baum, an dem auch Elya die ganze Zeit gestanden hatte, ab.

„Lena?“, entfuhr es ihr und sie trat einen Schritt zurück.

Von Innen war es unmöglich, auf sich aufmerksam zu machen, also durchquerte sie jetzt doch die magische Barriere. Lena schien noch nicht entdeckt worden zu sein, da Rion seine Leute in eine andere Richtung losgeschickt hatte. Entsetzt, dass die Elfe den Bannkreis verlies, schaute er auf. Sie jedoch lief sofort auf Lena zu, ohne auf sein Gemecker zu warten. Rion folgte ihr sofort und musste fassungslos feststellen, dass sich tatsächlich jemand nähern konnte, ohne das er das sofort mitbekommen hatte. Ganz sicher, weil ihn das kleine Tierchen etwas abgelenkt hatte.
 

***
 

„Lena!“, rief die Elfe erneut und stürmte auf die Menschenfrau zu.

Diese schaute auf.

„Du lebst?“

Elya schaute ungläubig und fiel ihr sogleich um den Hals. Rion folgte ihr. Das kleine Tierchen war ihm von der Schulter gesprungen und kratzte sicham Kopf.

„Ich dachte Moros hat euch...?“

Lena lächelte überglücklich.

„Wir haben euch gefunden!“

Ihre Unterlippe begann zu zittern.

„Ich bin so froh“, brachte sie erleichtert hervor.

„Ich war mir sicher, dass wir euch finden werden.“

Rion trat näher und begutachtete die fremde Person. Elya lies sie los.

„Die Menschenfrau?“, stellte er erstaunt seine Frage an Elyana.

„Ich dachte sie sei tot?“

Lena fuhr zusammen und schaute dem fremden Kerl ins Gesicht. Irgendwie kam ihr dieser Mann bekannt vor. Die Augenklappe und die Narbe in seinem Gesicht lies sie jedoch erneut zusammenfahren.

„Wie lautet dein Name?“, fragte er sogleich ohne Drumherum zu reden.

„Lena“, antwortete sie wahrheitsgemäß.

„Lautet dein vollständiger Name Lena Wulff?“

Lena riss die Augen auf und starrte ihn an. Ihren Nachnamen hatte sie bis jetzt noch gar nicht erwähnt.

„Ja, das ist richtig. Woher weißt du das?“

Dieser Kerl antwortete allerdings nicht.

„Folge mir“, befahl er stattdessen mit ruhiger Stimme.

Mit schnellen Schritten lief er voraus. Lena war das allerdings zu unheimlich. Sie wartete bis diese Person sich ein Stück entfernt hatte und wand sich an Elya.

„Woher kennt mich dieser Kerl? Wer ist das überhaupt?“

Elyana versicherte sich, dass er sie auch nicht verstehen konnte.

„Sein Name ist Rion. Er ist Laris’ großer Bruder.“

„Er hat einen Bruder? Wo ist Laris überhaupt?“

Loco hüpfte an den beiden Mädchen vorbei auf Rion zu, als Lena erneut dieses eigenartige Gefühl überkam. Elya musste sie stützen.

„Was ist denn mit dir?“, fragte sie sehr besorgt.

Lena streckte die Hand aus. Weiße Blitze waren aus dieser zu sehen und dann war die Menschenfrau verschwunden.
 

Entsetzt ging Elya einen Schritt zurück.

„Wo ist sie denn hin?“

Rion eilte sofort zurück.

„Hat sie etwa doch mehr Macht, wie Theodora es schon geahnt hatte?“

Er griff nach Elyas Arm, zog sie wieder an den Rand des Magischen Kreises und hob erneut den Anhänger in die Luft.

Beide betraten wieder den Bannkreis. Zur Überraschung aller, kniete Lena doch tatsächlich bereits darin. Ein Paar der Elfen hatten sich derweil um sie herum versammelt. Elya stürzte sofort auf sie zu.

„Ich werde meine Männer noch zurückholen“, sagte Rion und verschwand erneut nach draußen.

„Wie hast du das gemacht?“, fragte die Elfe interessiert.

„Ich habe keine Ahnung.“

Lena stand auf und hielt sich den Arm.

„Ich kümmere mich um sie“, warf Elya sofort ein, mit der Hoffnung, dass sich die anderen wieder zurückziehen würden.

Ihre Rechnung ging auf. Auch dieses mal wartete sie, bis sie unbeobachtet waren.

„Du sagtest „wir“? Ich wünschte, du würdest nicht nur Loco damit meinen.“

Elyas Blick wurde traurig

„Keine Angst“, sagte Lena lächelnd. „Tares ist in der Nähe. Er hat mir das Leben gerettet. Bedauerlicherweise hab ich mir beim Sturz den Arm ausgekugelt, aber es ist zum aushalten.“

Elya schaute entsetzt.

„Er hat ihn wieder eingereckt. Dennoch macht er mir noch Probleme.“

Suchend schaute sich Elya um.

„Wo steckt denn Tares?“

„Er kann nicht weit sein“, beruhigte Lena die Elfe.

„Er hatte schon Angst, ihr würdet euch verstecken, weil er doch kein Elf ist.“

Lena fand diese Begebenheit lustig. Elya konnte darüber allerdings nicht lachen. Jemand näherte sich jetzt den Beiden. Als Lena Laris erkannte stand sie auf. Sogleich wurden seine Schritte schneller. Schüchtern blieb er jedoch vor ihr stehen. Er hatte keine Ahnung, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Schließlich erinnerte er sich nur an ihr Gesicht. Das war eindeutig zu wenig. Lena lächelte erleichtert.

„Erinnerst du dich wieder?“, fragte sie sofort.

Laris senkte den Kopf.

„Seit diesem Tag hat sich bei ihm bedauerlicherweise nichts geändert“, sprach Elya erneut für ihn.

Da er sich nicht näher an Lena heranzutrauen schien, drückte sie den Elf an sich.

„Sei bitte nicht traurig.“

Sie streichelte ihn am Rücken.

„Ich bin so froh, dass du noch lebst“, brachte er stockend hervor. „Als sie mir sagte, dass du tot sein sollst, wollte ich ihr einfach nicht glauben.“

Mehr wie eine Umarmung traute er sich allerdings auch nicht. Rions Männer kamen jetzt auch endlich aus der Dämmerung auf sie zu. Doch sie traten nicht ein. Einer von ihnen schien ein Geräusch vernommen zu haben. Sofort lauschte auch Elya. Er und seine Männer rannten los und zogen die Säbel. Eine große Gestalt tauchte aus dem Dunkel auf. Die drei im Bannkreis drehten sofort die Köpfe in die besagte Richtung.

„Tares?“, entfuhr es Elya. Sofort lief sie an den Rand der Barriere.

Wenn er das wirklich war, hätte er jetzt große Probleme. Rion würde ihn sicherlich töten, so wie dieser aus Trolle zu sprechen war. Sofort stürzte sie los, um schlimmeres zu verhindern.
 

Der Troll lies die Bündel fallen und wehrte die Angreifer mit den Händen ab.

„Ich schätze, du bist der letzte, den Moros schickt.“

Das dieser jedoch keine Waffe zog, nahm er gar nicht war. Er hätte zwar das Beil zeihen können, doch Tares wollte nicht kämpfen. Rion begann nach ihm zu schlagen. Dieser konnte gerade noch ausweichen.

„Verdammt! Pack dieses Ding weg!“, geiferte der Troll zurück.

Erneut schlug Rion mit dem Schwert zu. Jetzt konnte Tares nicht so schnell ausweichen.

Der Elf traf ihm am Oberarm. Sofort begann die Schnittwunde zu bluten.

„Hört auf!“, schrie Elya und hastete auf sie zu. „Genug!“

„Schafft sie weg!“, befahl Rion und setzte zu einem weiteren Schlag an.

Sogleich versuchten zwei seiner Männer die Elfe festzuhalten, sie jedoch riss sich los.

„Ich bitte dich, hör doch auf!“

Sie presste sich an Rion vorbei und baute sich schützend vor Tares auf. Dieser hielt sich den Arm.

„Ohne ihn wäre Lena gar nicht hier“, stellte sie richtig.

„Na schön... Danke Troll!“

Er setzte ein sehr hinterhältiges Grinsen auf, griff nach Elyas Arm und riss diese unsanft aus dem Weg, doch sie stolperte, verlohr das Gleichgewicht und schlug schreiend auf dem Boden auf. Lena hatte genug gesehen. Gerade als sich Rion wieder auf den unbewaffneten Troll stürzen wollte, vernahm er ihre Stimme. Lena tauchte, für alle anderen, wie aus dem Nichts auf.

„Elya spricht die Wahrheit!“

Auf die Worte der Menschenfrau legte er, wie es schien, mehr Wert. Rion senkte den Säbel. Laris folgte ihr wortlos. Auf wessen Seite der Troll stand konnte dieser Mann nicht beurteilen. Er hatte ihn noch nie gesehen.

„Warum sollte gerade dieser Troll auf unserer Seite stehen?!“

Rion wurde stinksauer.

„Gerade ein verdammter Troll...“

„Ich kann mir gut vorstellen, dass du Hass auf diese Rasse hast, aber was es ihn angeht irrst du dich!“

Tares half Elya schnellstens wieder auf.

Rion riss sich die Augenklappe vom Gesicht und starrte böse in die Runde. Elya und der Troll wanden sogleich die Blicke ab. Auch Laris hielt dem Anblick nicht stand, was Rion allerdings nicht besonders störte. Zu seiner Überraschung blieb Lenas Blick starr. Sie schaute nicht weg.

„Dich stört dieser Anblick nicht?“

Rion war sehr überrascht.

„Nein“, gab diese als Antwort.

Sie schaute ihn ganz genau an und verschränkte die Arme.

„Es tut mir leid, was mit deinem Auge passiert ist, aber ich bin mir sicher, dass dieser Troll nichts damit zutun hat!“

Erneut betrachtete er Tares ganz genau. Dieser brachte jetzt doch den Mut auf, nicht wegzublicken, musste allerdings schlucken.

Selbst die geringste Andeutung eines zweiten Auges fehlte. Diese Narbe überdeckte alles. Die Braue darüber bestand aus zwei kurzen Stücken, welche diese Narbe teilte. Der Kerl, der ihm das angetan hatte, hatte ganze Arbeit geleistet.

„Der ist es nicht gewesen!“, gab Rion zu und setzte sich die Augenklappe wieder auf.

„Diesen Mistkerl würde ich ganz sicher wiedererkennen!“
 

Tares atmete erleichtert auf. Einem Mann mit derartiger Wut hatte er nichts entgegenzusetzen. Schon gar nicht einem bewaffneten, der wusste wie man mit dem Schwert umzugehen hatte. Rion drehte sich weg und stellte sich wieder an den Rand der Magischen Barriere – betrat sie aber nicht.

„Der Troll soll verschwinden! Ich will ihn nicht hier haben!“

Einer seiner Männer erhob das Wort.

„Vielleicht wäre es ja ganz nützlich, einen von ihnen auf unserer Seite zu haben.“

Rion’s Blick ging starr ins Leere. Womöglich hatte dieser Soldat Recht. Mit diesem Gedanken konnte er sich dennoch nicht anfreunden. Tares kam sich unglaublich dumm vor.

„Ich werde jetzt wieder gehen. Lena ist hier sicherlich gut aufgehoben und ich will niemanden auf die Füße treten.“

Das Blut, welches er durch das abdecken des Schnittes jetzt an der Hand hatte, wischte er sich an der Hose ab. Elya jedoch war ganz und gar nicht einverstanden mit dieser Entscheidung.

„Du wirst nicht gehen!“

Ihre Worte klangen auf eine Weise wie ein Befehl.

„Jetzt habe ich dich lebend wieder und du willst einfach gehen? Das kannst du mir nicht antun!“

Lena selbst überraschte der plötzliche Wandel dieses Mannes ebenfalls. War er doch so gewollt, Elya wiederzusehen und jetzt ließ er sich von diesem Elf einschüchtern.

„Ich will auch dass du bleibst!“

Ihre Stimme klang nicht weniger ernst. Elya umarmte den großen Kerl.

„Ich brauche dich“, hauchte sie.

Rion, der auch jetzt der Gruppe abgewandt stand, traf es wie ein Blitz. Was hatte er da gerade vernommen? Hastig blickte er sich um und musste zu seinem Entsetzen feststellen, dass die Elfe diesem Hünen doch tatsächlich in den Armen lag.

„Ich hätte es wissen müssen!“

Wiederholt zog er den Säbel. Elyas Kopf lehnte an Tares Brust und er hatte begonnen sie zu streicheln. Das brachte das Fass zum überlaufen. Rion wurde wutrot.
 

„Ich fasse es nicht! Das ist ja das Allerletzte!“

Mit schnellen Schritten war er erneut ganz herangetreten.

„Unter diesen Umständen hat er sofort zu gehen!“

Mit der Begebenheit, dass Elya ziemlich viel für ihn übrig zu haben schien, konnte sich Rion keinesfalls abfinden.

„Wenn du nicht sofort verschwindest werde ich dich beseitigen!“

Tares drückte Elya nur noch fester an sich.

„Kann nicht einer von euch diesen Wahnsinnigen zurückhalten?“, brachte Lena erschüttert hervor.

Keiner der Soldaten versuchte jedoch einzugreifen.

„Wir brauchen ihn. Er kann uns in die Burg führen.“

Elyas Stimme klang sehr weinerlich.

„Du weißt genau, dass wir den dafür überhaupt nicht brauchen!“

„Gib ihm ein Schwert. Er ist stark. Er wird für uns kämpfen“, schlug Lena vor.

„Ich werde dem ganz sicher kein Schwert geben!“, brüllte Rion sie erbost an. „Seit ihr jetzt alle gegen mich?“

Er blickte erneut in die Schar. Selbst seine eigenen Männer schienen damit nicht das geringste Problem zu haben.

„Na schön!“, sagte er resignierend und reichte Tares sein Schwert entgegen.

„Dann töte mich gleich und zwar vor den Augen aller!“

Entgeistert riss dieser die Augen auf. Das konnte doch jetzt nicht wirklich sein Ernst sein.

„So ein Irrsinn!“

Er nahm Rion die Waffe aus der Hand. Dieser riss sogleich die Hände in die Luft und schloss das ihm verbliebene Auge.

„Nichts dergleichen werde ich tun!“

Tares rammte das Schwert in den Boden und schüttelte den Kopf.

„Mir scheint, dieser Mann ist eine wohl größere Gefahr als ich!“

Alle in der Runde atmeten erleichtert auf. Sicherlich hatten Rions Männer jetzt Schlimmeres befürchtet. Lena versuchte den konfusen Elf zu beruhigen, indem sie ihre Hand auf seine Schulter legte.

„Reiß dich doch bitte zusammen!“, versuchte sie es.

„Tares ist ganz sicher nicht unser Feind!“

Er wand sich der Menschenfrau zu. Seinen Blick konnte sie allerdings nicht deuten.

„Tares hat mir zweimal das Leben gerettet. Meinst du nicht, dass er eine Chance verdient hat?“

Erst jetzt bemerkte er, dass Lena einen Verband trug. Elya hatte den Troll endlich losgelassen. Ihr Blick wanderte ebenfalls zu ihrer Hand.

„Wie geht es deinem Finger?“, musste sie sofort wissen.

Lena verzog keine Miene und wickelte behutsam die Binde ab. Rion griff vorsichtig nach ihrer Hand und schaute zutiefst entsetzt.

„Was ist passiert?“, wollte er sofort wissen. Sein finsterer Blick richtete sich, wie es zu erwarten war, gegen den Troll. Er jedoch, ging gar nicht darauf ein.

„Ohne Tares würde mir sicherlich mehr wie nur das letzte Glied meines Fingers fehlen.“

Laris fuhr erschrocken und zugleich verschämt zusammen.

„Wer hat dir das angetan?“

Seine Frage wollte er jetzt schnellstmöglich beantwortet haben. Ungeduld lies seine Stimme deutlicher werden.

„Ich bin das gewesen“, vernahm er Laris’ Stimme aus dem Hintergrund. Rion drehte den Kopf. Sein Mund blieb offen stehen.

„Unmöglich! Das kann ich nicht glauben!“

„Zu meinem Bedauern ist das die Wahrheit.“

Lena griff sofort nach seiner Hand um ihn zu trösten.

„Wie konntest du nur?“

Rion war zutiefst entsetzt. Einige seiner Leute schauten sich unruhig um.

„Vielleicht ist es besser, wir verbergen uns“, äußerte einer von ihnen.

Rion nickte. Er schien seine Desorientierung von eben überwunden zu haben. Wortlos stellte er sich erneut an den Rand des Magischen Schutzzaubers. Er zog das Amulett hervor und öffnete den Durchgang. Die beiden Neuen schauten sehr überrascht. Lena starrte sich auf die eigene Hand. Vor wenigen Minuten hatte sie diese Blitze aus ihr aufsteigen sehen. Verängstigt schaute sie sich um. Der Eingang öffnete sich und alle die diesen bereits kannten folgten Rion. Laris griff nach Lenas Hand und zog diese ebenfalls hinter sich durch die magische Barriere. Als sie genau in diesen Zauber stand, verspürte sie erneut das eigenartige Kribbeln.

Elya wollte der Gruppe ebenfalls folgen, doch Tares hielt sie zurück.

„Was ist das?“, wollte er wissen.

Diese Sache war ihm zu unheimlich. Elyana lächelte ihn an.

„Das soll dieses Versteck sein?“

Ungläubig kratzte er sich am Kopf. Elya nickte.

„Die Menschenfrau, welche vor Lena diese Welt betreten hatte, hat diesen Schutzzauber hier errichtet. Wenn man sich in ihm befindet, kann man von außen nicht gesehen werden.“

Der Unscharfe Nebel, welcher nur kurze Zeit zu erkennen war, verschwand. Interessiert näherte sich Tares und streckte die Hand dort aus, wo er sich zuvor befunden hatte. Es war vollkommen verschwunden.

„Das würde erklären, warum Moros Leute es nicht finden konnten.“

Mutig ging er einen Schritt nach vorn. Nichts passierte.

„Müsste ich jetzt nicht schon drinstehen?“

Er schaute sich zu ihr um. Elya nickte erneut.

„Können sie mich jetzt auch sehen?“

Irgendwie machte ihn das ziemlich stutzig.

„Dieser Kreis kann nur durch den Eingang, wie du ihn gerade gesehen hast, betreten werden. Ohne das Amulett sind wir hier ausgeschlossen.“

„Und wie kommen wir jetzt da hinein?“

Tares verstand von Magie nicht das geringste. Ein knappes Stück neben ihnen trat plötzlich Lena erneut aus dem Nichts hervor. Tares fuhr heftig zusammen beruhigte sich aber recht schnell wieder. Erstaunt stellte er fest, dass Lena dieses besagte Schmuckstück nicht dabei hatte.

„Verlassen kannst du ihn wo du willst nur hinein kommst du nicht ohne weiteres“, stellte Elya sofort richtig.

Tares lächelte die Menschenfrau erleichtert an. Er war froh, dass sie es war und nicht dieser verrückte Elf.

„Kommt“, forderte Lena die beiden auf.

Sie stellte sich wieder an den Rand diese Zaubers und streckte die Hand aus. Blitze stiegen auch jetzt wieder auf, ohne das Lena das Medaillon in den Händen hielt. Das Tor öffnete sich erneut. Elya nahm erschrocken und gleichzeitig verblüfft die Hand vor den Mund. Wie konnte das nur sein? Hatte Rion nicht erzählt, dass man nicht ohne weiteres da hinein konnte? Die beiden folgten ihr schnellstens, bevor sich das Portal wieder schloss.

Kapitel 28 - Der Brief

Rion stand bereits auf der anderen Seite und wartete auf den Rest der Gruppe. Er hielt ein Stück Papier in der Hand, welches er Lena prompt reichte. Sie schaute ihn überrascht an.

„Das sollte ich dir von Theodora geben, wenn du hier angekommen bist.“

Er lächelte einladend und schaute Tares anschießend wieder verhasst an.

„Ich konnte diese Zeichen nicht deuten“, gestand er.

Also hatte dieser Elf bereits versucht, diesen Brief zu lesen.
 

Hallo meine liebe Lena.
 

Ich hoffe du bist gut in dieser Welt angekommen. Höchstwahrscheinlich werden wir uns hier jedoch nicht wiedersehen. Mein Herz macht mir seit einigen Tagen ziemliche gesundheitliche Probleme. Ich weiß, dass mir nicht mehr sonderlich viel Zeit bleibt, darum muss ich mich beeilen.

Es gibt einige Begebenheiten, welche du von deiner Familie noch nicht weist.
 

So viele Jahre sind vergangen, seit ich das letzte Mal hier gewesen bin.

Ich habe zu lange gewartet. Ich hätte so viel eher bereits hier her zurückkehren sollen und nicht erst darauf warten, dass dieser rote Stein zu flackern begann. Das sichere Zeichen, dass der Mann, der mir sehr am Herzen lag, bereits von uns gegangen war.
 

Als ich damals so feige floh, überließ ich alle hier ihrem Schicksal. Ich wusste, dass er mich wollte. Moros Vater hatte es auf meine Macht abgesehen. Einer Macht, die er missbrauchen wollte, dass sich ihm alle Völker unterwarfen. Doch ich blieb verschwunden und nun tritt sein Sohn dieses Erbe an. Ich hatte gehofft, dass mit seinem Tod hier wieder Frieden einkehren würde, doch ich habe mich getäuscht.

Nun bin ich zwar zurück, jedoch viel zu schwach, um noch etwas ausrichten zu können. Das du ebenfalls diese magischen Fähigkeiten besitzt, wusste ich bereits bei deiner Geburt. Ich legte dir kurz nach deiner Geburt unbemerkt dieses Amulett in die Hände und es reagierte sofort auf dich. Ich war so glücklich.
 

Lena sah kurz auf. Das was sie hier jetzt gelesen hatte, ergab keinen Sinn. Dem ratlosen Blick aller Umstehenden, wand sie sich schließlich mit einem Kopfschütteln wieder ab.
 

Valentin war damals der einzige, dem ich mich offenbarte. Zu spät hatte ich deiner Mutter von meiner wahren Herkunft berichtet. So spät, dass sie mir kein Wort mehr glauben und mich stattdessen lieber bei einem Irrenarzt sehen wollte. Die Geschichten von der Elfe, die ich euch Mädchen hin und wieder vor dem Schlafengehen erzählte, waren keine Geschichten, sondern mein Leben.
 

Lena schluckte erschrocken. Träumte sie jetzt etwa nur? Wie konnte das sein? Oma Dora sollte eine Elfe gewesen sein? Warum fiel es ihr so schwer, diese Worte wirklich zu glauben. Wenn es wirklich stimmen sollte, würde das bedeuten, dass sie auch zum Teil eine Elfe war. Aber nichts an ihr erinnerte an eine Elfe. Sie las weiter...
 

Mit Hilfe eines alten Buches habe ich diesen Schutzzauber errichtet. Diese Aufzeichnungen wurden leider vernichtet. Rion ist ein fähiger Mann. Er hat mir stets treu zur Seite gestanden. Er wird dir alles soweit erklären. Ich hoffe, dass sie mit deiner Hilfe, dieses Land von Moros’ Herrschaft befreien können. Ich wünschte, ich hätte dich nocheinmal in die Arme schließen können.
 

In Liebe deine Oma Dora.
 

Die letzten Worte hatte sie begonnen laut vorzulesen. So langsam kamen ihr jetzt die Tränen. Alle anderen schauten sich schweigend an.

„Das Grab im Wald.“, warf Tares unerwartend ein.

Sein Blick wanderte zu Rion. Dieser senkte den Blick.

„Das war meine Großmutter.“

Lena lies sich schluchzend auf dem Boden nieder sinken und drückte den Brief an sich.

„Sie war der festen Überzeugung, du könntest uns helfen. Ich bin mir dessen auch ziemlich sicher. Deine Kräfte scheinen die von Theodora zu übersteigen.“

Rion kniete sich vor ihr auf den Boden und reichte ihr das Schmuckstück, vom dem in ihrem Brief bereits die Rede gewesen war. Sie nahm es ihm behutsam ab. Zitternd hielt sie den Brief in der Hand und starrte den Elf vor ihr wortlos an. Wie konnte so etwas sein?

„Du hast diese Frau nur um wenige Tage verpasst“, sprach Rion weiter.

Lena sprang auf und wand sich der Gruppe ab. Sie ließ ihren Tränen jetzt freien Lauf. Laris schaute seinen großen Bruder sauer an und stellte sich schützend hinter Lena.

„Ich finde, du hast sie jetzt genug zum weinen gebracht, meinst du nicht auch?“

Sensibel war dieser Mann nicht im geringsten, da konnte er noch so treu und verantwortungsvoll sein.

„Bitte sei nicht traurig. Ich kann dich einfach nicht weinen sehen.“

Vorsichtig legte er ihr seine Hand auf die Schulter. Sie jedoch drehte sich zu Laris um und schaute ihm tief in die Augen.

„Meine Großmutter soll eine Elfe gewesen sein, hat sie mir in diesem Brief geschrieben.“

Wer das allerdings nicht wusste, wäre nie auf eine solche Idee gekommen. Laris bekam große Augen. War das etwa der Grund, warum er sich gleich von jedem Anfang an von ihr angezogen fühlte? Lena sah nicht aus wie eine von ihnen. Ihre Vergangenheit hatte sie nach all den Jahren erst jetzt erfahren und die des Elfen lag seit einigen Tagen erneut im Dunklen. Erst jetzt brachte er den Mut dazu auf, sie zu umarmen.
 

„Vielleicht sollten sich alle erst einmal stärken.“

Elyas Dienstmädchen kam mit einer Schüssel Obst und Brot näher. Das Obst hatte sie ganz sicher hier in der Nähe geerntet, aber wo sie das Brot hier gebacken haben könnte, wollte Lena nicht in den Kopf. Ruckartig blieb die Elfe jedoch stehen und starrte Elyana verwirrt an.

„Was tust du da, Elya?“ fragte sie mit einem sehr erschüttertem Unterton.

Erschrocken schaute diese sich um. Sie hatte sich doch nicht von hier wegbewegt. Tares große Hand hielt auch jetzt die der jungen Elfe fest. Elya hatte nicht sofort gemerkt, dass auch das ihr Problem war. Schleunigst ließ sie ihn los. Rion hatte mitbekommen, dass er mit seiner Abneigung nicht allein stand. Mit triumphierendem Grinsen verschwand er bei den Zelten.

„Tares gehört dazu!“, machte Elya der Elfe klar.

Sie traute sich allerdings nicht, erneut nach seiner Hand zu greifen, was den Troll ziemlich traurig machte.

Kapitel 29 - Lang ersehnte Ruhe

Die von allen ersehnte Ruhe war endlich im Lager eingekehrt. Laris fühlte sich nicht besonders und hatte sich bereits schlafen gelegt. Von den anderen war auch niemand in Sichtweite. Jetzt saß Lena allein am letzten Rest des Lagerfeuers. Noch immer schaute sie ungläubig Theodoras Brief an. Warum hatte sie nicht eher schon von dieser Verwandtschaft erfahren können? Sie war sich sicher, dass das nichts geändert hätte aber ihre Mutter war ganz sicher nicht der alleinige Grund dafür. Rion hatte den Angriff auf Moros noch einen Tag verschoben. Lena sollte sich erst einmal ausruhen, wie er meinte und jetzt ließ er sich neben ihr am Feuerchen nieder.

„Du bist noch wach?“

Lena schaute zu ihm hinüber.

„Glaubst du wirklich, dass ich jetzt schlafen könnte?“

Sie faltete den Brief zusammen und legte ihn neben sich auf den Boden. Rion setzte die Augenklappe ab und rieb sich vorsichtig das Gesicht.

„Dieses verdammte Ding reibt so furchtbar.“

Lena fasste sofort nach seinem Kinn und drehte seinen Kopf in ihre Richtung.

„Dann solltest du sie nicht tragen.“

„So kann ich unmöglich herumlaufen!“

Er schüttelte den Kopf und wollte sie wieder aufsetzen. Lena jedoch ging dazwischen.

„Vielleicht ist es eine gute Idee, wenn du einmal bei Elya vorbeischaust. Tares hat aus eurem Haus sämtliche Heilkräuter und Tinkturen mitgenommen. Sie kann dir sicher helfen, was dieses jucken angeht.“

Der Elf verschwand wieder mit einem Lächeln. Das er auch so aus der Haut fahren konnte, sah man ihm jetzt ebenfalls nicht mehr an. Irgendwie konnte sie ihn, wenn sie ihn so ansah, verstehen, was es die Trolle angeht.
 

Loco war der einzige, der sich nicht an die magische Begrenzung hielt. Warum sollte er auch – er war ja ein Tier. Er huschte an ihr vorbei. Auch jetzt war er wieder einmal außerhalb unterwegs. Lena verspürte den Drang etwas auszuprobieren. Rion war der Meinung sie hätte stärkere Fähigkeiten, wie ihre eigene Großmutter. Das musste jetzt getestet werden.

Loco hatte sich gerade in der Nähe des Feuers niedergelassen. - Konnte er etwa dieses Feuer spüren? Sie streckte die Hände nach dem vierbeinigen, unscharfen Etwas aus. Nach wenigen Sekunden war auch dieses Mal das weiße Licht an ihnen zu sehen. Ein greller Blitz leuchtete kurz auf und sie hielt Loco in den Händen. Entsetzt, mit angelegte Ohren, schaute er sie an.

„Cool“, brachte Lena nur hervor.

Sie war von sich selbst überrascht, hatte jedoch keine Ahnung wie sie das jetzt wieder gemacht hatte. Sofort kraulte sie ihn am Kopf, um ihn wieder zu beruhigen. Sein zirpen verriet, dass das auch funktionierte. Er setzte sich auf ihre Schulter. Lena musste jetzt gleich jemandem davon erzählen, vollkommen egal wem. Sie hängte sich die Kette um den Hals. Mit dem Brief in der Hand machte sie sich auf den Weg zu den Zelten.
 

Mit der Augenklappe in der Hand betrat Rion ihr Zelt. Elya hatte sich noch nicht schlafen gelegt und sie war allein – was ihm nur Recht sein konnte.

„Lena meinte du könntest mir helfen?“

Die Elfe warf ihm einen grimmigen Blick zu.

„Was kann ich für dich tun?“

Ihr Blick ihm gegenüber änderte sich jedoch nicht. Rion lies sich vor ihr nieder. Mit fachmännischem Blick wusste sie sofort was er meinte.

„Diese Hautreizung“, sagte die Elfe sogleich.

„Du solltest diese Augenklappe eine Zeit lang nicht aufsetzten.“

Auch dieses Mal protestierte er dagegen.

„Schau mich doch an! So kann ich doch unmöglich herumlaufen!“

Rion war verzweifelt. Alle rieten ihm das, aber sein Stolz schien es ihm zu verbieten.

„Wenn das wenigstens richtig verheilen soll, dann schon!“

Elya stand auf und kramte in den Stoffbündeln herum.

„Warum ausgerechnet dieser Troll?“, begann er jetzt doch das ungewollte Gespräch.

Elya schnaubte gereizt und suchte weiter.

„Sieh ihn dir doch mal an. Bist du wirklich der Meinung, dass er der Richtige ist?“

So langsam wurde die Elfe richtig sauer auf diesen Kerl.

„Er ist ein Troll“, sprach er weiter. „Du hast doch gesehen, was er mit unseren Leuten gemacht hat.“

„Tares hat mit dieser Sachte nichts zu tun!“

Sie setzte sich mit dem endlich gefundenen Lederbeutel mit heilender Kräuterpaste gefüllt wieder Rion gegenüber.

„Ach ja? Das kann doch nicht dein Ernst sein!? Glaubst du das wirklich?“

Trotz ihrer Wut auf diesen ziemlich dreisten Kerl drug sie die Paste sehr vorsichtig auf.
 

Gerade in diesem Moment schlich Tares am Zelt vorbei. Er hörte die beiden reden und hielt inne. Auf keinem Fall durften sie ihn jetzt mitbekommen. Er entfernte sich wieder ein Stück, blieb aber in hörweite.

„Denkst du wirklich dieser Troll ist so harmlos wie er tut? Wie kannst du nur so naiv sein, Prinzessin?“

Tares schluckte. Elya wiedersprach diesem Elf nicht ein einziges Mal. Kannte sie ihn nicht bereits besser?

„Ich finde, dieser Kerl sollte schnellstens von hier verschwinden!“

Tares begann zu zweifeln. Hatte er sie etwa bereits verloren?

„Wenn der irgendwann einmal schlechte Laune hat, tut er dir ganz sicher als erstes weh. Trolle sind unberechenbar. So langsam solltest du das wissen!“

Elyana sagte kein Wort – auch jetzt nicht.

Tares hatte bereits genug gehört. Mit schnellen Schritten entfernte er sich. Selbst den Bannkreis verließ er – jedoch nicht ungesehen.
 

Die Elfe hatte endlich genug. Sie stand auf und packte ihre Heilkräuter wieder zusammen.

„Jetzt hör mir mal zu!“, fing sie an und stemmte die Hände in die Hüfte.

„Ich weiß nicht was du außer deinem Auge noch für Probleme mit den Trollen hast und es ist mir auch egal. Am Tag, an dem sie Senos besetzten, hätte ich die Hilfe eines richtigen Mannes sehr gerne in Anspruch genommen. Zu meinem Bedauern und dem anderer starben viele der Männer. So einige, von denen ich dachte, das sie auch verstorben waren, habe ich zu meinem Entsetzen hier wiedergesehen. Keiner hat mir zur Seite gestanden, wo ich sie gebraucht hätte. Die ganze Zeit nicht. Laris war zu dieser Zeit leider außer Gefecht gesetzt. Und jetzt kommst du mir mit diesem

Der – Troll - ist - gefährlich – Mist!“

Elyana war außer sich.

„Tares war der jenige, der mir zur Seite gestanden hat, als niemand für mich da war. Die wenigen, zumeist Frauen, hatten ihre eigenen Probleme.“

Rion stand ebenfalls auf. - Das sich die Elfe jetzt so aufregte erschreckte ihn.

„Ich will kein weiteres Wort darüber hören, verstanden!?“

Sie deutete streng auf den Ausgang und Rion verschwand schweigend. Sich einer Prinzessin zu widersetzen war nicht in seinem Sinne.
 

Lena hatte Tares´ Verlassen mitbekommen und folgte ihm jetzt unauffällig. Mit schnellen Schritten stapfte er davon. Den geschützten Bereich hatte er längst verlassen. Lena wartete noch einen Augenblick. Da er sie jetzt weder sehen noch hören konnte, musste sie nicht besonders leise sein. Der Troll ließ sich an einem der dicken Bäume, nicht weit vom Bannkreis, nieder. Bestimmt hatte er das Gespräch der beiden Elfen mitbekommen. Sie war sich jedoch sicher, dass er den Ausgang dieses Gespräches nicht mehr gehört hatte. Mit dem noch immer auf ihrer Schulter sitzenden Tierchen verlies sie ebenfalls die Barriere. Ein paar Mal knackten dürre Äste unter ihren Füßen, doch Tares reagierte absichtlich nicht.

„Wo willst du hin?“, fragte sie vorsichtig.

Tares raufte sich die Haare, antwortete aber nicht.

„Alles in Ordnung mit dir?“

Lena lies sich neben ihm am Baum nieder.

„Dieser Rion...“

Er ballte die Fäuste.

„Ich verschwinde von hier!“

Der Blick, den er ihr jetzt zuwarf, war zutiefst unglücklich.

„Du kannst doch jetzt nicht einfach verschwinden. Hast du nicht gehört, was Elya diesem Kerl gesagt hat?“

„Sicher hab ich. Nichts. Kein einziges Wort hat sie gesagt. Vielleicht hat er ja Recht.“

Er schniefte traurig. Lena lag also damit richtig, dass er ihre letzten Worte nicht mehr verstanden hatte.

„Vielleicht ist es das sicherste für alle, wenn ich jetzt gehe.“

Er stand auf, doch Lena hielt ihn zurück.

„Sei doch bitte nicht albern. Du irrst dich. Elya hat diesen Kerl zurechtgewiesen.“

„Unsinn! Sie hat kein Wort gegen seine Beschuldigungen gesagt!“

„Glaub mir doch bitte. Wenn Rion das Zelt nicht verlassen hätte, hätte sie ihm sicherlich noch eine gelangt.“

Bei diesem Gedanken mussten beide schmunzeln.

„Elya hält mehr denn je auf dich - wirklich! Wenn du jetzt verschwindest, ist sie diesem Mann ausgeliefert. Ich mag ihn auch nicht besonders“, gestand sie.

Tares drückte sie kurz an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Ich danke dir.“

„Irgendwie kommt es mir vor, dass du überhaupt nicht Moros Sohn bist.“

„Das ist lieb von dir, aber ich muss dich enttäuschen. Dieser Kerl ist wirklich mein Vater.“

„Ich finde, du solltest jetzt wieder zu ihr gehen!“

Tares lächelte sie an.

„Was Rion angeht solltest du dich jedoch zurückhalten. Ich bin mir sicher, dass er wiederholt versuchen wird, sein Recht zu beweisen.“
 

Unsicher machte er sich auf den Weg zurück zu Elyas Zelt. Wie sehr hoffte er, das Lena Recht hatte. Er könnte es ganz und gar nicht ertragen, sollte sie ihn jetzt verhasst anschauen. In diesem Fall würde ihn hier nichts mehr halten. Mit gesenktem Blick trat er ein. Elya kramte in ihren Heilkräutern herum, doch jetzt drehte sie sich zu ihm um. Ganz bestimmt hatte sie seine Schritte gehört. Sofort eilte sie auf ihn zu.

„Da bist du ja endlich“, hauchte sie.

Aus dem Stand hob er sie an und drückte sie an sich. Seine erleichterten Freudentränen verbarg er hinter zusammengekniffenen Augen. Lena hatte also doch Recht gehabt.

„Rion... ich dachte schon du...“

Sie begann ihm am Bart zu streicheln.

„Niemals... Dieser Kerl ist einfach unmöglich!“

Er schaute sie glücklich an. Seine Augen wirkten glasig.

„Ich bin so froh, dass ich dich wieder bei mir habe.“

Ihre Erleichterung darüber war unglaublich groß und beide verschmolzen bei einem leidenschaftlichen Kuss...
 

Lena ließ sich erneut an einem der Bäume nieder und begann Loco mit ein paar der orangen Beeren zu füttern. Da sie ihm diese zuwarf, war er gezwungen, sie aufzufangen. Allerdings war das Licht nicht mehr das beste, so das er genau aufpassen musste. Nur selten gelang es ihm, dass er sie fing. Erneut warf sie ihm eine Beere zu und auch dieses Mal rollte sie davon. Loco hüpfte ihr nach, um sie wieder einzufangen.
 

Lena schaute auf. Hatte sie da gerade jemand gerufen? Sie blickte sich um, konnte aber niemanden sehen. Ganz sicher schliefen alle bereits. Sie konnte sich also nur geirrt haben. Das kleine Tierchen schien die verschollene Beere gefunden zu haben, denn beim heranhüpfen kaute er diese noch klar. Schmatzend setzte er sich wiederholt genau vor Lenas Füße und schaute erwartungsvoll. Dieses Kerlchen war wirklich zu goldig. Wie sie nur vor ihm Angst haben konnte...

Sofort warf sie ihm eine weitere Beere entgegen und auch jetzt rollte sie davon. Wiederholt schaute sie auf. Jemand lief langsam auf sie zu. Hatte sie also doch Recht damit, dass noch jemand wach war und sie womöglich gerufen hatte.

„Lena?“, vernahm sie eine sehr vertraute Stimme.

Laris war es. Er hatte sein Nickerchen beendet und suchte jetzt ganz sicher Kontakt. Hatte er sie jetzt etwa gesucht?

„Alles in Ordnung mit dir?“

Erst jetzt fiel es ihr auf. Erinnerte er sich etwa? Die ganze Zeit war ihr Name so gut wie nie gefallen und jetzt war es das erste, was er sagte.

Laris hockte sich vor ihr auf den Boden und schaute sie inständig an.

„Lena?“, fragte er erneut.

Sie warf Loco, der gerade wieder heraneilte, eine weitere Beere zu und lächelte den Elfen an.

„Erinnerst du dich?“

Ihr Blick wanderte zu seinen Händen. Diese näherten sich und er begann ihr liebevoll die Wange zu streicheln.

„Nur an weniges“, gestand er.

„Ein helles Licht brachte dich hier her. Wir waren bei Moros.“

Er schaute ihr auf die Hand.

„Ich glaube, ich war ziemlich gewaltsam.“

Lena senkte verschämt den Blick.

„Sei doch nicht albern!“

Sie atmete auf. Ganz sicher hatte ihm das jetzt niemand erzählt.

„Gibt es noch irgend etwas, woran du dich erinnerst?“

Laris antwortete jedoch nicht. Sein Blick hatte sich irgendwie verändert. Lena wurde nervös.

„Was hast du denn?“, fragte sie überaus besorgt.

Er küsste sie vorsichtig. Die junge Frau wusste nicht was sie jetzt machen sollte. Am liebsten wäre sie aufgestanden und hätte Abstand zwischen sich und diesem Elf gebracht. Auf irgend eine Weise konnte sie nicht. Wie sehr hatte sie gehofft, er würde sich erinnern und sie nicht mit diesem verängstigten oder gar bedrohlichen Blick anschauen. Er nahm ihr die Beeren aus der Hand und legte sie neben sich auf den Rasen. Seine Lippen lies er dabei nicht von ihr. Loco fiel sofort über die Früchte her und schleppte den Rest dieser Rebe fort.

„Geht es dir wirklich gut?“

Ihr Blick war besorgt. Laris lächelte sie an. Liebevoll berührte er ihren Busen, während er sie weiter küsste. Lena wurde es heiß. Sie begann zu zittern.

„Ich bin mir ganz sicher, dass ich das richtige tue. Ich habe solche Angst, dass ich dich wieder vergesse... .“

Kapitel 30 - Zaubersprüche

Als Lena erwachte, war sie ein weiteres Mal allein. Erschrocken hielt sie sich ihr Kleid vor den Busen. Irgendwer hatte sie wohl notdürftig damit zugedeckt. Wie sehr hoffte sie, das es nicht Rion war, der sie so gesehen hatte. War Lena nicht in Laris’ Armen eingeschlafen? Wo steckte dieser jetzt schon wieder? Rion sprach doch davon, das sie erst bei Nacht angreifen wollten. Jetzt jedoch schien die Sonne noch nicht lange am Himmel zu stehen. Schleunigst zog sie ihr Kleid wieder über und eilte aus dem Zelt. Im Bannkreis zwischen den Bäumen war es verdächtig still. Sie waren doch nicht etwa ohne Lena hier weggegangen? Langsam lief sie in Richtung Feuerstelle. Erschrocken blieb die junge Frau jedoch stehen. Laris hockte mit gesenktem Blick am Boden und wieder war er wie ein Paket zusammengeschnürt. Als Rion die Menschenfrau herankommen sah, schaute er auf.

„Was ist passiert?“, entfuhr es ihr und sie eilte auf Laris zu.

„Er versuchte vor einiger Zeit den Troll mit meinem Schwert zu töten!“

Rion war einer von denen, den das ganz bestimmt nicht störte.

„Elya war dabei, als das passierte.“

Laris verzog keine Miene. Er starrte einfach nur weiter auf den Boden.

„Ist es wirklich nötig, dass er auf diese Weise gefesselt ist?“

Sie hockte sich neben ihn.

„Vielleicht solltest du nicht so nah an ihn herangehen“, riet ihr Rion ab.

Erst jetzt schaute Laris die Menschenfrau an. Sein Blick war wie aus Stein. Lena erschreckte das zutiefst. Behutsam strich sie dem Elf über die Wange. Ihn schien das jedoch völlig kalt zu lassen. Rion erhob sich.

„Er ist eine Gefahr für uns Alle!“

Der große Bruder schien sich mehr um die Gruppe als um ihn zu sorgen. Irgendwie konnte Lena diese Begebenheit nachvollziehen, dennoch machte sie das ziemlich traurig. Ganz sicher hatte es die letzte Nacht für den Elf nie gegeben. Laris schloss die Augen und atmete sehr tief. Er sagte kein Wort. Lena war sich sicher, würde man nichts gegen sein Leiden tun, würde er daran zu Grunde gehen.

Endlich betrat auch Tares den Schauplatz. Er schien unverletzt und warf Lena einen bedauernden Blick zu.

„Ich weiß nicht, was so plötzlich in ihn gefahren ist.“

Lena stand auf und schloss ebenfalls die Augen. Weitere dieser Vorfälle würde sie, was Laris angeht, nicht länger ertragen. Ihre Angst um diesen Mann war nie größer gewesen.
 

Rion zog ein weiteres Schriftstück hervor und reichte es Lena.

„Was ist das?“, fragte sie neugierig.

Es war zusammengerollt und nicht gefaltet wie der Brief ihrer Großmutter.

„Theodora berichtete in dem Schreiben, welches ich dir bereits gegeben habe, von einem Buch.“

Lena rollte es auf.

„Diese Seiten brachte sie noch in Sicherheit.“

Sie runzelte die Stirn.

„Im Brief stand doch, dass alle Aufzeichnungen vernichtet wurden.“

„Vielleicht spielte ihr das Gedächtnis zu dieser Zeit schon Streiche und lies sie das vergessen.“

Stellte dieser Kerl ihre Oma Dora etwa in diesem Moment als eine senile, alte Frau hin? In ihrem Brief hatte sie so lobend von ihm gesprochen und jetzt so etwas. Sie warf Rion einen saueren Blick zu. Allerdings war er sich nicht bewusst warum und ging nicht darauf ein.

Lena wand sich erneut dieser Rolle zu. Die Buchstaben waren verblichen und der Schriftart wegen schlecht zu lesen. Einige Male überflog sie den Text.

„Mit einem dieser Sprüche kannst du einen Schutzzauber errichten. Mit deinem Medaillon kannst du diesen dann bewegen.“

Rion schien gut aufgepasst zu haben. Die Buchstaben waren einigermaßen gut zu lesen, doch die Worte ergaben für Lena keinen Sinn. Wieder und wieder schaute sie sich diese drei Seiten an.

„Kannst du mir vielleicht verraten, welcher von denen der richtige ist?“

Rion kam näher und begutachtete sie selbst.

„Leider nicht. Ich befürchte, du musst sie ausprobieren.“

Er gab ihr die Seiten zurück.

„Das kann ja heiter werden“, dachte sie sich.
 

Laris war mittlerweile aufgestanden und spielte sichtlich mit dem Gedanken, davonzulaufen. Als sein Blick erneut den von Lena traf, war die Kälte in seinen Augen verschwunden. Was sie jetzt sah, war blanke Angst. Lena wusste nicht, was sie tun sollte. Der Blick des erinnerungslosen Elfen hing erneut an ihr.

Sie stellte sich ganz nah neben Laris und legte ihre die Hand auf seine Schulter. Hilflos wanderte sein Blick über ihr Gesicht. Sicherlich überlegte er, wer diese Person neben ihm war. Lena war auch jetzt wieder den Tränen nahe. Gewiss war Laris das bereits aufgefallen. Unmöglich konnte sie jetzt jedoch Schwäche zeigen, deshalb drehte sie sich von ihm weg. Dennoch hörbar schniefend entfernte sich Lena ein Stück von der Gruppe und wickelte die Rolle erneut auf. Sie sollte es also testen, welcher der Richtige ist. Angst machte sich in ihr breit. Sie nahm das Schmuckstück in die Hand. Auch jetzt spürte sie dieses unliebsame Kribbeln.

„Vielleicht sollte ich mich ein ganzes Stück von hier entfernen,“ sagte sie schließlich mit dem Blick der Gruppe nochmals zugewandt.

Rion nickte. Auch er schien sich nicht besonders wohl dabei zu fühlen.

Kapitel 31 - Das Amulett

Mit zitternder Stimme und ausgestrecktem Arm, hielt sie die Kette und las die Worte des ersten Spruches vor. Sie hoffte so sehr, dass dieser sofort der richtige war, doch es geschah – nichts. Einige Sekunden vergingen – auch jetzt nichts. Lena bückte sich, um eine der anderen Seiten aufzuheben. Doch im selben Moment passierte es. Das unangenehme Kribbeln, was sie die ganze Zeit fühlte, während sie die Kette hielt, wurde stärker – nahezu unerträglich. Lena ließ die Seiten wieder fallen und klammerte sich mit beiden Händen am Schmuckstück fest. Das rote Juwel strahlte auf. Das rötliche Leuchten ging durch ihre Hände hindurch. Es bewegte sich entlang ihrer Arme. Sofort lies sie die Kette fallen und schloss die Augen.

„Verdammt,“ fluchte sie.

Tares stürzte auf sie zu.

„Alles in Ordnung mit dir?“

Er klang sehr besorgt.

„Was war das denn eben?“, fragte sie verwirrt.

Langsam öffnete sie ihre Augen, alles sah irgendwie anders aus. Außer dem Troll hatte sich niemand herangetraut. Tares erschrak und wich zurück. Lena schloss erneut kurz die Augen. Auch nachdem sie diese wieder öffnete schien sich dennoch nichts geändert zu haben.

„Was hast du denn?“

Sie schaute sich verängstigt um. Endlich trat auch Rion aus dem magischen Bereich heraus. Der Troll schaute ihn erzürnt an.

„Hattest du vor, sie zu töten!?“

„Was ist mit mir los?“

Lena hatte Angst und Rion fuhr ebenfalls zusammen.

„Was stimmt nicht mit mir?“

Um Erklärung bittend, schaute sie erneut zu Tares auf.

„Deine Augen sind... .“

Er wusste nicht so recht, wie er es ihr erklären sollte.

„Sie sind vollständig weiß“, rückte er mit der Sprache endlich heraus.

„Was?“, vernahmen alle ihre zitternde Stimme.

Eine unbekannte Wut stieg in Lena auf. Sie schaute sich auf die Hände. Das eigenartige Leuchten wollte nicht verschwinden. Hasserfüllt starrte sie Rion an.

„Was hast du mit mir gemacht!?“

Sie wollte auf ihn losgehen, doch Tares hielt sie zurück.

„Beruhige dich doch wieder. Das kommt ganz sicher wieder alles in Ordnung“, versuchte er sie zu besänftigen.

Der Troll hielt sie mit festem Griff an den Oberarmen fest, doch das war nicht genug. Mit einer blitzartigen Bewegung hatte sie sich befreit und starrte den Troll mit dem selben Zorn an wie zuvor den Elfen.

„Fass mich nicht an!“, tobte sie.

Mit einer unerwarteten Kraft stieß sie den Hünen bei Seite und floh mit schnellen Schritten noch tiefer in den Wald. Erschüttert blieben die beiden Männer zurück.

„Nun lauf ihr schon nach!“, versuchte Rion den Troll zu befehligen.

„Oh nein! Ganz sicher nicht! Was es Hexen angeht hatte ich schon immer so meine Probleme!“

Er dachte an seine anfängliche Beschimpfung. Eine Hexe? Sollte das etwa heißen, dass er damit Recht hatte?

„Dir haben wir doch diese Sache zu verdanken. Lauf du ihr gefälligst nach!“

Doch auch Rion rührte sich nicht. Der Angstschweiß lief ihm über die Stirn.

Laris trat aus dem Nichts heraus. Es schien, als hätte er erneut die Chance gewittert, von hier verschwinden zu können.

„Ich hole sie zurück!“, bot er zur Überraschung aller an. „Macht mich los!“

Rion überlegte nicht lange. Er zog seinen Säbel und schnitt seinen Bruder los. Sofort stürzte dieser mit großen Schritten davon.

„Ich hoffe nur, er macht sich jetzt nicht einfach aus den Staub,“ hatte Rion plötzlich zu bedenken.

Tares warf ihm einen wütenden Blick zu. Wenn er solche Angst davor hatte, dass Laris einfach verschwinden würde, sollte er ihn nicht seine Arbeit machen lassen. Was war nur los mit ihm? Er hatte Lena doch gern. Seit ihrem gemeinsamen Abenteuer war sie ihm irgendwie ans Herz gewachsen und jetzt das? Er mochte sie doch. Warum hatte er jetzt solche Furcht? Tares konnte sich das einfach nicht erklären.
 

Laris hatte sich nicht, wie erwartet, einfach davongestohlen. Mit schnellen Schritten hastete er hinter Lena her. Sie nur mit Worten zum Anhalten zu bewegen schien seiner Meinung nach nicht das Richtige zu sein, also musste er sie einholen. Einen Namen, mit dem er sie rufen könnte, hatte er im Augenblick ohnehin nicht. Als Lena das letzte Mal versuchte davonzukommen, war es für ihn ein Leichtes gewesen, ihr zu folgen. Trotz, dass sich der Untergrund, auf dem sie jetzt liefen, nicht anders war, wie das letzte Mal, machte ihn die jetzige Verfolgung körperlich ziemlich fertig.

Laris hielt an. Er hatte ihre Spur verloren. Der aufgezogene Frühnebel und die Strahlen der erst aufgegangenen Sonne schränkten seine Sicht erheblich ein.

Warum folgte er nur einer wildfremden Frau? Alle schienen sich zu fürchten nur er fühlte diese Angst nicht. Er schaute sich um. Ein knappes Stück vor ihm, vernahm er wiederholt ein knacken dürrer Äste. Sofort setzte er seinen Sprint fort. Einige Male musste er jetzt umgestürzten Bäumen ausweichen oder sie gleich überspringen. Laris hatte die ihm fremde Menschenfrau endlich eingeholt. Lena hatte ihr Tempo verlangsamt also erhöhte der Elf seines. Er packte sie an der Hüfte und hielt sie an. Gerade als sie am liebsten wieder ausgeflippt wäre, merkte Lena wer sie da eigentlich angehalten hatte. Er war der Allerletzte, dem sie etwas antun wollte. Sie legte ihre Hände auf seinen Arm. Die unnatürliche Wärme dieser, lies den Elf zusammenzucken, doch an Loslassen dachte er deswegen nicht. Auch jetzt atmete er noch sehr schnell und gut hörbar. Er war vollkommen außer Atem. Ohne Lena freizugeben, lief er um sie herum. Sicherlich hatte er das mit ihren Augen gehört, konnte es aber nicht so recht glauben.

Diese wiesen auch jetzt keine Pupillen auf, doch ihn schien das nicht zu ängstigen.

„Sie erwarten jetzt von mir, dass ich dich zurückbringe“, begann er das Gespräch.

„Mich halten sie für gefährlich und vor dir haben sie auch Angst. Ich finde wir sollten beide einfach verschwinden“, schlug er vor.

„Ich will dir nicht wehtun“, sagte sie und verzog keine Miene.

„Ich werde nicht mit dir mitkommen. Dieses verfluchte Medaillon hat in mir Kräfte geweckt, die ich nicht zu kontrollieren weis.“

Lena schloss die Augen.

„Ich weis nicht was es ist...“, sprach der Elf weiter.

Seine Stimme wurde ziemlich leise.

„Irgend etwas an dir zieht mich an.“

Er küsste sie. Nichts hätte ihn jetzt davon abhalten können. Erstaunt riss Lena die Augen auf. Laris küsste sie einfach weiter. Ihre Augenfarbe kehrte so langsam wieder zurück. Glücklich darüber schaute der Elf sie an.

„Vielleicht sollten wir doch wieder zurück gehen“, schlug er jetzt stattdessen vor.

Lenas Hände schienen sich ebenfalls zu normalisieren. Erstaunt schaute sie Laris an. Was war das nur, das sie mit diesem Kerl auf diese Weise verband? Vorsichtig streichelte sie ihm die Wange.

„Habe ich irgendwem wehgetan?“

Der Elf schüttelte lächelnd den Kopf.

„Bitte komm wieder mit zurück. An deiner Seite fühle ich mich irgendwie sicher.“

Diesen Wunsch konnte sie ihm nicht abschlagen, obwohl es ihr wirklich sehr schwer fiel.
 

Als sie das Lager wieder erreichten, standen die beiden Männer genau noch da, wo sie es vorher schon taten. Elya hatte sich zu Tares gesellt. Verschämt oder gar verängstigt schauten alle auf den Boden. Lenas Hand griff sehr fest nach der des Elfen.

„Geht es euch gut?“, war Elyas zaghafte Frage.

Sie wusste nicht, wie sie sich jetzt verhalten sollte. Ganz sicher hatte das nicht nur Elya, außer den beiden Männern mitbekommen. Ganz bestimmt stand der Rest der Gruppe jetzt von innen an der magischen Barriere und würden diese Unterhaltung mitverfolgen. Mit angestrengtem Blick stierte Lena in deren Richtung. Das anormale, leuchtendende weiß ihrer Augen kehrte zurück. Sogleich riss sie sich von der Hand des Elfen los und hielt sich die Augen zu.

„Warum hast du mir das angetan, Rion?“

Sie starrte ihn an und dieser fuhr erneut erschaudert zusammen.

„Ich hatte doch keine Ahnung um wie viel mächtiger du bist als Theodora.“

Lena schaute erneut in Richtung Schutzzauber.

„Sie stehen alle am Rand der Barriere. Jeder einzelne hat seine Hand bereits an seiner Waffe. Ich kann sie von hier aus sehen!“

Unsicher wand sie sich davon ab. Laris verspürte nicht die geringste Angst vor ihr und drückte sie erneut an sich.

„Warum jetzt? Warum war diese Kraft nicht schon da, als ich meinen Fuß das erste mal auf diesen Boden setzte?“

„Ich weiß es nicht, Lena“, gestand Rion.

„Vielleicht wurde sie erst nach dem Tod deiner Großmutter auf dich übertragen.“

Kapitel 32 - Neue Unannehmlichkeiten

Elyana legte ihr die Hand auf die Schulter

„Ich finde es sehr bedauerlich, dass du deine Großmutter nicht nocheinmal sehen konntest.“

„Jetzt, wo ich weis, dass sie es ist, die hier im Wald begraben liegt, würde ich sie gerne noch einmal besuchen.“

Mit dieser Bitte wand sich Lena an Rion. Dieser nickte.

„Dem dürfte nichts im Wege stehen. Allerdings solltest du nicht alleine gehen.“

„Ich werde sie begleiten“, brachte Tares sogleich ein.

Rion verzog den Mund.

„Dann werde ich auch mitgehen!“

Elya hatte das Amulett und die Buchseiten aufgehoben. Lena sollte sich jetzt erst einmal wieder fangen, also war sie es, die diese Dinge derweil an sich nahm.
 

Die Grabstätte hatten sie ziemlich zügig erreicht. Rions wachsamer Blick streifte stets umher. Laris’ Hand hatte die der jungen Menschenfrau die ganze Zeit nicht losgelassen und die anderen Beiden folgten der Gruppe mit geringem Abstand. Der Wald wirkte jetzt auf unangenehm beängstigende Weise sehr still. Der Nebel legte sich endlich wieder. Lena befreite sich von der Hand des Elfen und faltete die Hände, während sie genau vor dem Erdhügel stand.

„Wie gerne hätte ich dich noch einmal gesehen Oma Dora“, sprach sie leise.

Der Rest der Gruppe hatte sich ein ganzes Stück zurückgezogen. Schweigend starrte Lena auf den Hügel und wurde erneut sehr traurig. Sie sah sich auf ihre verletzte Hand und musste dabei erneut an Laris denken. Deshalb schaute sie sich zu den anderen um. Laris beantwortete ihren Blick mit einem Lächeln und trat wieder näher an Lena heran. Neben ihr stehend blickte er ihr tief in die Augen. Ohne ein weiteres Wort schloss er sie vorsichtig in seine Arme.

„Wir sollten diese Sache jetzt zu Ende bringen!“
 

Lena eilte wieder davon. Sie wollte so schnell wie möglich hier weg, bevor sie erneut die Fassung verlor. Doch jemand sprang aus den Büschen hervor und prallte mit ihr zusammen. Mit großen Augen schaute Narkis sie an. Der Kleine lächelte zögerlich. Er war sich sicher, dass Tares nicht weit sein konnte wenn er Lena hier antraf. Er war völlig außer Atem. Die anderen hatten sein Auftauchen längst bemerkt. Lena kam nicht einmal dazu, auch nur ein Wort an ihn zu wenden, so schnell war Tares bereits heran.

„Was hast du hier verloren!?“, schrie er sein Brüderchen an.

Narkis nahm schützend die Hände über den Kopf, doch das brachte nicht das Geringste. Die große Hand seines Bruders segelte auf ihn hernieder. Narkis taumelte und landete auf dem Hintern.

„Das du jetzt noch die Dreistigkeit aufbringst hier aufzutauchen!“

Der Junge wusste absolut nicht, was er sagen sollte. So wütend hatte er Tares noch nie erlebt. Wimmernd hielt er sich die schmerzende Wange.

„Reg dich ab!“

Lena wollte keinesfalls einen Streit. Schon gar nicht hier. Sie drängte Tares bei Seite, half Narkis wieder auf die Beine und dieser ging hinter ihr in Deckung.

„Wie kannst du ihn nur in Schutz nehmen?“

Sauer starrte Tares sie an, doch Lena verschränkte die Arme.

„Hast du bereits vergessen dass er dein Bruder ist und du geschworen hast ihn zu beschützen?“

Tares schnaubte ärgerlich.

„Genau das meinte ich Elya.“, brachte sich Rion sofort in dieses Gespräch ein.

„Wenn er mit den eigenen Leuten schon so umgeht...“

Tares drehte sich ärgerlich zu ihm um.

„Er ist ja auch der Grund, warum wir um ein Haar draufgegangen wären!“

Der Elf hob angewidert die Nase.

„Was dich das betrifft... hätte ich damit nicht im geringsten ein Problem gehabt!“

„Nur mit dem Unterschied, dass Lena ohne mich ebenfalls gestorben wäre!“

Lena hatte genug.

„Beruhigt euch gefälligst wieder! Ich kann mir das nicht länger anhören! Wenn du so redest machst du mir Angst, Tares!“

Der Troll schaute verdutzt. War das jetzt wirklich ihr Ernst?

„Entschuldige Lena...“

„Warum bist du hier, Kleiner?“, versuchte sie dem jungen Troll ein paar Antworte zu entlocken.

Sein verängstigter Blick jedoch hing an Tares, wärend er mit ihr sprach.

„Sesár lebt!“

Elyana wurde hellhörig. Mit schnellen Schritten war sie heran und kauerte sich neben Narkis auf den Boden.

„Was sagst du da? Bist du dir auch ganz sicher? Woher weißt du das?“

Sie war zu aufgebracht, um ihre Gedanken zu ordnen. Narkis nickte.

„Vater hat es gesagt. Ich habe ihn belauscht. Aber er wollte ihn so schnell wie möglich beseitigen.“

Der Knirps schaute zu Tares auf.

„Er weis, dass du nicht tot bist. Er hat die Soldaten am Strand nach dir suchen lassen.“

Hatte Tares sein Brüderchen etwa doch falsch eingeschätzt?“

„Seit du weg bist schlägt er mich nur noch und schreit mich andauernd an. Ich hasse ihn!“

Genau diese Worte waren es, welche Tares hören wollte. Er hockte sich ebenfalls neben Narkis und drückte ihn fest an sich.

„Es tut mir leid, dass ich dich geschlagen habe. Verzeih mir bitte.“

Der Kleine klammerte sich fest an ihn und begann zu schluchzen.

„Du hast mir so gefehlt.“

„Na wunderbar!“

Rions Laune hatte sich schlagartig noch mehr verschlechtert.

„Noch einer von diesen Trollen!“

Er stapfte an allen vorbei. Tares lies seinen Bruder los und strich ihn nocheinmal über den Kopf.

„So langsam solltest du dich daran gewöhnen. Wenn wir in Oryeras einrücken, wirst du nichts anderes sehen als Trolle.“
 

Lena schaute noch einmal zu dem aufgeschütteten Dreckhaufen. Unmöglich konnte sie diesen so zurück lassen. An einem der umstehenden Büsche brach sie einige der Äste ab und steckte diese am vermeintlichen Kopfende fest in die Erde. Ein paar der größeren Steine legte sie zudem noch um diese herum. Das frische grün der kleinen Blätter ließ diesen Hügel nicht mehr ganz so trostlos wirken.

Kapitel 33 - Ein erneuter Versuch

„Na schön. Ich denke ich hatte den richtigen Spruch. Ich werde es erneut versuchen. Was habe ich schon zu verlieren.“

Nur zu gerne hätte Elyana ihr widersprochen, doch auch sie wollte diesem Grauen ein Ende machen und ihren Vater in die Arme schließen, sollte er wirklich noch am Leben sein. Nichts wünschte sie sich sehnlicher.

„Es tut mir so Leid.“

Die junge Elfe wirkte völlig aufgelöst.

„Schon gut. Beruhige dich doch.“

Lena nahm ihr die Seiten aus der Hand.

„Ich werde vorsichtig sein – versprochen!“

Irgendwie fühlte sich die neugeborene Hexe jetzt sehr stark. So wie sie sich erneut von der Gruppe ein Stück entfernte, folgte ihr auch Laris wieder.

„Du solltest mir nicht nachlaufen“, sagte sie lächelnd und lief weiter.

„Ich will dir helfen.“

Sie blieb stehen und schaute ihn überrascht an.

„Wie bitte willst du mir denn helfen?“

Laris schmunzelte und zuckte mit den Schultern.

„Vielleicht kann ich ja die Seiten halten.“

Lena verzog belächelnd den Mund.

„Ich denke, dass ist eine gute Idee. Zwei freie Hände kann ich ganz sicher gut gebrauchen.“
 

Laris stellte sich ganz nah hinter sie. Er fasste um Lena herum und hielt ihr die Seite so, dass diese die Zauberei nicht behinderte. Der Rest der Gruppe verfolgte dieses Schauspiel aus sicherer Entfernung. Der Elf legte den Kopf bei ihr an, was dazu führte, dass sie nur noch nervöser wurde, wie sie es ohnehin bereits war. Mit zitternder Stimme las sie erneut die daraufstehenden Worte. Der warme Atem des Elfen an ihrem Nacken lies sie mit den Gedanken in der Realität bleiben. Während sie die letzten Worte las, streckte sie die Arme vollends gerade nach vorn. Ihre Augen veränderten sich erneut – jedoch von allen ungesehen. Das seltsame leuchten kehrte in ihre Hände zurück. Ein unerwartet heller Blitz schnellte aus ihnen hervor und eine ungeheuere Druckwelle riss die beiden von den Füßen. Lena konnte sich noch rechtzeitig abfangen. Der Nebel, welcher kurze Zeit zu sehen war, verschwand wieder. Eine weitere magische Barriere war also entstanden.

„Ich habe es geschafft“, freute sich Lena.

Doch diese Freude währte nicht lange. Laris lag am Boden. Die Druckwelle hatte ihn im wahrsten Sinne des Wortes umgehauen. Lena stürzte auf ihn zu. Der Elf bewegte sich nicht. Seine Atmung war flach. Unruhig kniete sie sich neben ihn. Endlich bewegten sich seine Lider. Ihr fiel ein Stein vom Herzen. Laris riss die Augen auf und starrte sie konfus an. Das hatte nichts Gutes zu bedeuten. Sofort rutschte er ein Stück von ihr weg und lies sie dabei nicht aus den Augen.

„Nicht schon wieder...“

Lenas Stimme zitterte. Sie schaute auf. Die unscharfen Umrisse der Anderen waren ein ganzes Stück von hier entfernt, doch solange sich die beiden hier drin befanden, konnte ihnen ohnehin niemand helfen.
 

Sie reichte Laris die Hand um ihm aufzuhelfen, doch dieser wich erneut zurück. Sicherlich waren ihr Augen wieder weiß und das machte ihm jetzt Angst. Ihm mit diesem Zustand Nahezutreten hatte also keinen Sinn. Lena verließ den Bannkreis mit schnellen Schritten und lief auf die Gruppe zu. Der Elf blickte ihr nach. Ihr derartig plötzlicher Aufbruch machte ihn sichtlich stutzig.

„Es ist wieder passiert!“

Lena klang überaus besorgt. Tares hielt die Luft an, sicher ihrer Augen wegen. Auch dieses Mal wirkte er dadurch heftig erschaudert.

Laris trat von selbst aus dem Magischen Zauberkreis. Er hatte Elya gesehen und fühlte sich etwas sicherer. Entsetzt schaute er jedoch abwechselnd die beiden Trolle an. Ihre Anwesenheit verunsicherte ihn wieder zusehends mehr. Lena wagte es nicht, sich zu ihm umzudrehen, also musste Elya die Lage entschärfen.

„Es ist alles in Ordnung“, sagte sie lächelnd und lief auf ihn zu. Der Elf versuchte nicht zu fliehen. Lena brach zusammen und Tares versuchte sie aufzufangen.

„Ich halte das nicht länger aus“, murmelte sie und war körperlich am Ende.

„Ich ertrage das nicht mehr.“
 

Rion wurde nervös.

„Na schön. Was bleibt mir jetzt anderes übrig.“

Er zog ein weiteres zusammengefaltetes Stück Papier hervor.

„Es war vorgesehen, dass du es erst nach der Befreiung bekommst...“

Lena riss es ihm förmlich aus der Hand.
 

Liebe Lena!
 

Stand da geschrieben. Sie kannte diese Schrift nur zu gut.
 

Das du diesen Brief jetzt ebenfalls erhalten hast, kann nur heißen, dass die Befreiung der Elfen geglückt ist. Ich hoffe, dass sich die Verluste in Grenzen gehalten haben. Mit den untenstehenden Worten kannst du erneut ein Tor nach Hause öffnen. Ich wünsche dir eine gute Heimreise. Grüß doch bitte deine Mutter und Bianka von mir. Ich hoffe sie sind nicht mehr böse auf mich.
 

In liebe Oma Dora
 

Lenas Blick hatte sich bereits wieder normalisiert, als sie sauer zu Rion aufschaute.

„Was soll das denn bitte!?“

Sie hielt ihm den Brief unter die Nase.

„Warum bekomme ich den jetzt erst?“

Rion senkte den Blick.

„Theodora wollte sicher gehen.“

„Hat sie mir etwa nicht vertraut?“

Lena war erschüttert über diese Erkenntnis.

„Sie war eben nur in Sorge, du würdest wieder heimlich gehen, ohne geholfen zu haben.“

Lena schüttelte den Kopf und wand sich ab.

„Das fasse ich einfach nicht!“

„Jetzt, wo es Laris so schlecht geht, könnte ich dich sogar verstehen, wenn du einfach gehst. Keineswegs würde ich es jedoch begrüßen.“

Rion schaute besorgt. Lena hatte sich zu Laris umgewand. Endlich hatte sie doch die Möglichkeit ihm zu helfen. Sie würde ihn einfach mit in ihre Welt nehmen und dort behandeln lassen – sollte das in seinem Zustand noch möglich sein. Doch sie konnte jetzt nicht einfach verschwinden. Das war undenkbar. Ihre Großmutter hatte sich die Mühe gemacht, sie hier her zu holen, also musste sie diese Sache auch zu Ende bringen. Wie es schien, war sie die einzige, die zu dieser Zauberei in der Lage war. Auch wenn es ihr sehr schwer fiel, musste Laris noch warten.

„Du wirst uns doch helfen, oder?“, fragte Rion schon fast kleinlaut.

„Natürlich lasse ich euch jetzt nicht im Stich!“

Ein erleichtertes Aufatmen ging durch die Runde.

„Ich werde euch helfen, aber wenn diese Sache überstanden ist, werde ich gehen und Laris werde ich mitnehmen!“

Keiner aus der Gruppe hatte ein Widerwort. Vielleicht konnte man ihm in Lenas Welt ja wirklich helfen.

Kapitel 34 - Der Angriff

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Kapitel 35 - Heimwärts

„Ihr werdet seine Leiche verbrennen. Nichts soll mehr an ihn erinnern, verstanden?!“

Die Trolle nickten nur.

„Seinen Kopf nehmen wir mit, als Beweiß!“

Elya fuhr zusammen. Derartiges hatte sie Tares noch nie sagen hören. Irgendwie klang er nicht nach sich selbst. Trotz das sie so nah neben ihm stand, schien er sie nicht weiter zu beachten. Moros Blut klebte auch an seinem Hemd. Tares wand Rion jetzt den Blick zu.

„Du hast gut gekämpft“, lobte er diesen.

„Quäl mich nicht mit deinem falschen Trost!“, maulte der Elf sichtlich beleidigt.

Um sich nicht noch länger das gegenseitige Beschimpfen anzuhören, erhob Lena das Wort.

„Wir werden jetzt gehen.“

Tares zitterten auch jetzt noch die Beine. Die zierliche Frau hielt ihm Poras Haarband entgegen.

„Ich finde, du solltest es haben.“

Dankbar nahm er dieses an sich.

„Ich danke dir Lena. Du warst wirklich eine große Hilfe.“

Er drückte sie kurz an sich.

„Pass auf dich auf.“

Sein suchender Blick hatte Laris erst nach einigen Sekunden erfasst.

„Pass auf euch Beide auf. Vielleicht ist es dir wirklich möglich, Laris zu heilen.“

Als dieser seinen Namen hörte, kam er überraschenderweise heran. Lena befreite sich aus der Umarmung.

Die rothaarige Elfe neben ihm hatte Tränen in den Augen. Sofort drückte auch diese Lena an sich.

„Du wirst mir fehlen“, sagte sie schniefend und mit zitternder Stimme.

„Ihr werdet mir Beide fehlen.“

Sie war sich sicher, dass sie die beiden niemals wiedersehen würde.

„Ich hoffe so sehr, dass diese Sache hier nicht ganz umsonst war und dein Vater noch am Leben ist“, flüsterte sie, um von Laris nicht gehört zu werden.

Noch ein letztes Mal drücke sie die schlanke Frau an sich.

„Lasst es euch gut gehen.“

Mit diesen Worten gab sie die Elfe frei und wand Rion einen kurzen Blick zu. Diesen würde sie ganz sicher nicht umarmen. Zu sehr hatte er sie persönlich enttäuscht.

„Lebt wohl“, sagte sie stattdessen.

Ließ ihren Blick dabei jedoch bereits wieder schweifen.

„Lass uns gehen“, sagte sie lächelnd und streckte die Hand nach Laris aus.

Keinesfalls wollte sie noch länger hier stehen und darauf warten, dass auch sie in Tränen ausbrach.

„Wo gehen wie hin?“

Er schaute verängstigt.

„Wir gehen jetzt in meine Welt – in die Welt der Menschen.“
 

Er schaute erneut zurück. Von diesen Leuten kannte er niemanden, also konnte er genauso gut ihr folgen. Der Unterschied war nur, dass er sich bei dieser Frau irgendwie sicher fühlte. Ein letztes Mal warfen sie Moros kopflosen Leichnam einen angewiderten Blick zu. Lena nahm die Hand des Elfen und beide liefen noch bis ans Ende der Brücke. Von hieraus waren sie weit genug von allen entfernt. Lena zog den Brief mit dem Spruch, welcher sie nach Hause bringen sollte, hervor. Sie atmete tief durch. Das Medaillon trug sie um ihren Hals. In der einen Hand das Papier und mit der anderen klammerte sie sich an die des Elfen. Dabei las sie die wenigen Worte laut vor. Auch diese ergaben für Lena keinen Sinn. Es dauerte einige Sekunden, dann wurde es schlagartig hell. Ein ungeheuerer Wind ging von dieser Lichtquelle aus. Dieser Sog hatte die beiden recht schnell verschluckt. Der Schein verschwand und das Paar war dieser Welt entschwunden.
 

Wie gebannt standen alle da und schauten auf das Licht, bis es verschwunden war. Die gespannte Situation hatte sich mittlerweile wieder etwas gelegt. Tares hob den Kopf und schaute sich suchend um. Narkis war verschwunden. Unruhig lief er die Brücke zur Burg wieder zurück. War ihm etwa in diesem Handgemenge etwas geschehen? Nach einigen Schritten vernahm er ein Wimmern. In einer der Ausbuchtungen des Brückengeländers hockte er ganz eng zusammengekauert und weinte leise vor sich hin. Erleichtert, dass seinem Brüderchen nichts passiert war, fiel Tares ein Stein vom Herzen.

„Geht es dir gut, Kleiner?“, fragte er vorsichtig.

Narkis starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.

„Du hast....“, begann er mit zitternder Stimme, sprach jedoch nicht weiter.

Tares wurde sehr unruhig. Er hatte bei seinem Tun auf niemanden Obacht gegeben und jetzt war sein Bruder vollkommen am Ende.

„Es tut mir so leid, dass du das mit ansehen musstest.“

Tares strich ihm vorsichtig über die Schulter. Der Junge sagte kein weiteres Wort. Diese Stille schien Tares so langsam zu erdrücken.

„... aber... mir blieb nichts anderes übrig. Verachtest du mich jetzt?“

Narkis sprang auf und viel seinem großen Bruder um den Hals.

„Du darfst mich nicht auch noch allein lassen!“

Er drückte ihn fest an sich.

„Niemals!..“ sprach er leise.

Kapitel 36 - Oryeras

Unterdessen hatten Sesárs Männer den Kopf in Moros Umhang gewickelt. Keiner von ihnen wollte jedoch dieses ekelhafte Bündel tragen und reichten es angewidert untereinander hin und her. Als die beiden Trolle sich jedoch der Gruppe näherten, erbarmte sich einer von ihnen doch endlich und hielt es außerhalb des Blickfeldes aller.
 

„Ich denke nicht, dass ich alle von euch jetzt noch brauche“, sagte Tares mit ernster Miene zu den Elfen.

„Ein Paar von euch kommen mit, aber der Rest kümmert sich um die Verletzten.“

Sie nickten einverstanden.

„Einer von euch sollte außerdem ins Lager laufen und die anderen holen und Rion, du solltest auch bleiben. Du bist schwer verletzt und solltest...“

„Auf keinem Fall! Ich werde mitkommen. Denkst du wirklich, ich lasse dich den Ruhm allein ernten?“

Tares verdrehte genervt die Augen und schnaubte verärgert. Dieser Kerl war so ungeheuer selbstsüchtig, dass er nur den Kopf schütteln konnte. Ganz sicher war das, das Letzte, was der Troll sein Anliegen nannte.

„Na schön. Meinetwegen. Ich halte es zwar für eine schlechte Idee, aber ich denke nicht, dass ich dich abhalten könnte.“

Rion hielt sich den Arm. Er war ihm zwischenzeitlich verbunden worden. Das er Schmerzen hatte, konnte man ihm sehr wohl ansehen. Eindeutig hatte der Elf sich überschätzt. Er hob sein Schwert auf und steckte es, so blutverschmiert wie es war, in die Scheide zurück.
 

Die wenigen Leute, die noch in der Stadt waren, hatten mitbekommen, was hier eben geschehen war und liefen der Gruppe entgegen. Viele hatten Tränen der Erleichterung in den Augen.

„Sesár lebt und wir werden ihn befreien!“, schob sich Rion auch jetzt wieder in den Vordergrund.

Keiner von ihnen schien jedoch seine Worte mit Interesse zu verfolgen. Ganz sicher hatten sie sein Kampfversagen mitbekommen. Moros Soldaten, welche der Gruppe folgten, senkten die Köpfe.

„Einige eurer Leute sind schwer verletzt“, äußerte Tares zutiefst betroffen und machte den Weg zur Burg frei.

„Wir werden eueren König heil zurückbringen.“

Der Fußmarsch, den sie jetzt vor sich hatten, würde sicherlich einige Zeit in Anspruch nehmen.
 

Als sie Oryeras erreicht hatten, war, wie vorherzusehen, das große Tor verschlossen. Das schlechte Wetter war über den Wald hinweg davon gezogen. Hier waren nur noch sehr wenige Wolken zu sehen. Die Angeschlagene Gruppe war doch länger unterwegs gewesen wie zuerst angenommen. Das Firmament begann bereits in den ersten Rottönen zu leuchten. Tares hatte den Kopf getragen und klopfte jetzt mit der freien Hand wie ein Wahnsinniger gegen das massive Holz, bis bben auf der Mauerkrone zwei Trolle in Uniform auftauchten. Überrascht schauten sie zu der Gruppe hinunter.

„Was habt ihr hier verloren?“, fragten sie sogleich.

Die Soldaten wirkten verdutzt.

„Macht das Tor auf, sonst werdet ihr Probleme bekommen!“, brachte sich Rion sofort ein.

Seine Laune schien sich verbessert zu haben, denn er lächelte bei diesen Worten.

„Natürlich!“, lachten die beiden Unwissenden.

Auf die Worte des Elfen schienen sie nicht im geringsten Wert zu legen.

„Macht sofort auf, sonst wird sich euer König eine niederträchtige Strafe ausdenken müssen!“

„Unser König? Ihr habt unseren König verraten!“, zischten sie von ober herunter. „Warum sollte er Euch jetzt die Erlaubnis erteilen, hier einzutreten?“

Tares lies das Bündel fallen. Der Stoff fiel auf und die Soldaten konnten zum Teil erkennen, was sich darin befand.

„Moros ist tot! Ich bin euer König!“

Elyana fuhr auch jetzt wieder unmerklich zusammen. Dieser Troll hatte sich wirklich geändert. Sie fühlte die gleiche Angst in sich, wie bei ihrem ersten Treffen in Laris Haus. Sogleich wurde das schwere Tor geöffnet. Die beiden Wachen von eben verbeugten sich höflich. Rion schaute verhasst auf sie herab. Am liebsten hätte er diese Beiden auch beseitigt.

Kapitel 37 - Neue Erkenntnisse

Ein kleines Mädchen, vielleicht vier Jahre alt, wollte an Tares vorbeistürmen. Er jedoch schnappte sich den Knirps und nahm sie auf den Arm. Wortlos starrte sie den großen Mann an. Sie machte aber keine Anstalten loszuweinen.

„Wo willst du denn hin, Liebes?“, vernahmen alle eine aufgebrachte Frauenstimme.

Eine Trollfrau stürmte ihr nach und prallte fast mit Tares zusammen. Als sie ihn erkannte, klopfte sie sich die Hände an der Schürze ab, nahm ihm das Mädchen ab und schaute ihn erwartend an.

„Ihr wart lange nicht in eurem Reich“, fiel der jungen Frau auf.

Die Kleine begann jetzt wie wild auf ihrem Arm zu strampeln und sie musste sie wieder absetzen. Sie hatte Loco gesehen und wollte unbedingt zu ihm. Der kleine Kerl spitzte die Ohren und brachte sich auf Elyas Schulter vor dem neugierigen Kind in Sicherheit. Die Trollfrau schaute sich um und begann jemanden zu vermissen.

„Ist Poras nicht bei euch?“, musste sie enttäuscht feststellen.

Tares Blick wurde sehr traurig.

„Bedauerlicherweise nicht“, gestand er.

Der Blick dieser Frau wurde unruhig.

„Wo ist er?“, fragte sie mit zitternder Stimme.

Sie schien schlimmes zu ahnen. Das kleine Mädchen hatte mittlerweile angefangen, nach Loco zu greifen, der für sie unerreichbar auf der Schulter der Elfe thronte. Das noch mehr Leute um sie herum standen, schien sie gar nicht wahrzunehmen. Tares schaute zur Gruppe.

„Vielleicht solltet ihr bereits vorgehen. Ich werde kurz mit ihr sprechen. Ich komme sofort nach.“

Rion und seine Leute schienen einverstanden. Einer der Soldaten nahm ihm den Kopf ab. Sie setzten ihre Suche in die Richtung des Schlosses fort. Elya blieb stehen und setzte Loco wieder auf der Erde ab. Mit erhobenem Schwanz blieb er stehen. Das kleine Mädchen näherte sich ihm jetzt allerdings nur sehr vorsichtig und streichelte dem Tierchen das Fell. Elya schmunzelte kurz und wand sich dann an Tares.

„Vielleicht solltest du Rion folgen“, meinte dieser jedoch.

Elyana nickte wortlos, strich Tares kurz über den Rücken und entfernte sich mit schnellen Schritten. Die Trollfrau schaute ihr sehr überrascht nach.

„Vielleicht sollten wir lieber drinnen reden“, schlug Tares vor.

Vorsorglich schloss sie die Gartentür, dass die Kleine nicht davonlaufen konnte und betrat mit Tares ihr kleines Häuschen. Der Blick des Mädchens folgte den beiden nur sehr kurz. Das Tier schien für sie um einiges interessanter zu sein.

„Woher kennst du Poras?“, fragte Tares sofort.

Die junge Frau wurde nervös.

„Mein Name ist Fahra. Er hat mich nicht erwähnt, richtig?“

„Nein, tut mir leid.“

Ihr Blick wurde erneut sehr traurig.

„Poras und ich... wir...“

Ihre Augen wurden feucht.

„Jedes Mal wenn es ihm nicht so gut ging, war er hier bei mir“, gestand sie.

„Ich habe ihn getröstet, wenn es ihm schlecht ging. Er schlich sich heimlich aus dem Schloss.“

Tares schaute ungläubig. Hatte sein Bruder etwa ein Verhältnis mit einer Frau aus dem Dorf?

„Wo ist er?“, fragte sie erneut.

So langsam wurde sie sehr ängstlich.

„Mit sehr großem Bedauern muss ich dir mitteilen, dass sich Poras in Senos von der großen Brücke zur Burg in den Tod gestürzt hat.“

Fahra begann zu zittern.

„Was? Das kann ich nicht glauben!“

Sie brach in Tränen aus.

„Das es ihm so schlecht ging, hätte ich nicht gedacht.“

Sie nahm die Hände vor das Gesicht und versuchte gar nicht erst die Tränen zurückzuhalten. Tares lies sich nicht bitten und nahm sie tröstend in die Arme.

„Es tut mir so leid, glaub mir. Wenn ich von dir gewusst hätte...“

Er war sich jedoch sicher, dass er diesen Selbstmord auch dann nie hätte verhindern können. Im gleichen Moment betrat die Kleine die Küche. Sie hatte Loco auf den Arm bekommen und schleppte ihn jetzt hier herein. Das Haustier ließ sich diese Tortur unerwartend gefallen. Als sie jedoch ihre Mama weinen sah, ließ sie Loco sofort los, lief auf sie zu und wollte auf ihren Arm. Mitleidig schaute Tares die Beiden an.

„Poras ist ihr Vater?“

Fahra nickte nur stumm und drückte ihr Kind an sich. Mit seiner Vermutung lag er also richtig.

„Ich hatte ihn so lange nicht gesehen. Er hat von ihr nie etwas erfahren. Ich wünschte mir so sehr, dass Poras, Saaly und ich eine Chance als Familie haben könnten.“

Tares wusste jetzt nicht, was er sagen sollte. Diese Erkenntnis machte ihn schier sprachlos.

„Ich hätte ihn davon abbringen sollen!“, sagte sie traurig.

„Keiner hätte ihn davon abhalten können. Ich schätze, er konnte mit dieser Schmach nicht länger leben.“

Saaly schaute den fremden Mann jetzt sehr genau an und Fahra reichte sie ihm erneut.

„Das ist dein Onkel Tares“, stellte sie ihn ihr vor.

Bei ihren Worten musste er erneut schlucken. Tares drückte die Kleine jetzt ebenfalls an sich. Das er der Onkel dieses süßen kleinen Mädchen sein sollte, konnte er nicht so recht fassen. Warum Poras ihm kein Wort von Fahra erzählt hatte, konnte er einfach nicht begreifen. Hatte er ihm in dieser Sache nicht vertraut?

„Wo wollt Ihr jetzt hin?“, versuchte Fahra das Thema zu wechseln.

Tares gab die Kleine wieder zurück.

„Sesár soll noch am Leben sein. Wir werden ihn dort heraus holen.“

Sie bekam große Augen.

„Ihr seid verrückt, wenn Ihr versucht dort hineinzugelangen. Zaltór wird Euch töten lassen. Gerade Ihr solltet doch wissen, dass dieser Mann nicht anders denkt.“

Triumphierend schaute er die junge Frau an.

„Moros existiert nicht mehr! Er starb durch meine Hand!“

Fahra setzte Saaly wieder auf dem Boden ab und faltete erleichtert die Hände. Das Tares so skrupellos ehrlich war erschreckte sie keinesfalls.

„Denkt Ihr wirklich, sie werden Euch das glauben?“

Tares setzte ein Grinsen auf was erschreckend an den Tyrannischen Herrscher erinnerte.

„Wenn wir ihnen Moros´ Kopf vor die Füße legen, werden sie es glauben müssen!“

Fahra wusste nicht so recht, was sie davon halten sollte. Sie hatte das Stoffbündel gesehen, aber...

„Und die Elfe...?“, hakte Fahra nach. „War das die Prinzessin?“

Tares senkte ertappt den Kopf und nickte.

„Ist sie Euch wichtig?“

Der Troll nahm seine kleine Nichte erneut auf den Arm und schaute sie sich an. Saaly sah ihrem Vater so überaus ähnlich.

„Ja, sehr.“

Fahra lächelte gutmütig.

„Vielleicht ist das Glück wenigstens auf eurer Seite.“

Mit Entsetzen musste er feststellen, dass er sich darüber noch nie Gedanken gemacht hatte. Wie sollte es zwischen den beiden jetzt weitergehen? Wie würde wohl ihr Vater darauf reagieren? Würde Elya ihm überhaupt die Wahrheit sagen? Warum dachte er erst jetzt daran, dass Sesár es niemals gestatten würde.

Kapitel 38 - Ende der Qualen

Tares hatte die Prinzessin in kürzester Zeit erreicht. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, die Gruppe einzuholen und folgte ihnen, eher gemächlich, mit beachtlichem Abstand. Keiner von ihnen war, wie es schien, auch nur auf die Idee gekommen, auf sie zu warten.

„Geht es dir gut?“, fragte der Troll sogleich.

Sie machte auf ihn einen irgendwie bekümmerten Eindruck.

„Ja“, gab sie zurück, doch ihre Antwort lies unschwer das Gegenteil der Fall sein.

„Was hast du denn?“, fragte er weiter.

Elya schniefte.

„Du ignorierst mich!“

„Was?“

Tares war erschüttert.

„Wie kommst du denn darauf?“

Geduldig wartete er auf eine Antwort.

„Seit du Moros ... Du scheinst mich nicht mehr so recht wahrzunehmen ...“

„Unsinn!“

Der Troll war verwirrt.

„Das bildest du dir nur ein!“

Einige Schritte liefen sie schweigend nebeneinander her.

„Du warst es doch, der es unangenehm war, wenn ich dir im Beisein der Anderen zu nahe gekommen bin. Ich wollte dich nur vor weiteren Schamgefühlen bewaren.“

Auf diese Worte hatte sie jetzt keine so recht passende Antwort. Die Elfe versuchte ihn mit leicht erhöhtem Tempo abzuhängen. Tares jedoch fasste nach ihrem Arm und hielt sie an.

„Jetzt hör mal. Das ist doch albern! Du irrst dich!“

Er nahm ihre Hände und hockte sich vor ihr auf den Boden.

„Was die anderen von mir denken ist mir Einerlei.“

Er schaute bei diesen Worten zu ihr auf.

„Ich liebe dich. Niemals würde ich dich ignorieren!“

Langsam legte sich das Wütende in ihrem Blick. Sie spürte, wie ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Wie liebte sie es, wenn er sie auf diese Art anschaute. Die Stärke, welche dieser Mann stets ausstrahlte ...

Tares erhob sich wieder und drückte sie an sich. Er hatte nicht vor, sich mit dieser Frau zu streiten. Er wollte die Zeit, die er noch mit ihr hatte, genießen. Vielleicht sah er sie nie wieder. Seine Tränen, bei diesem Gedanken, unterdrückte der große Kerl tapfer. Einige Sekunden hielten sie sich wortlos fest, dann hatte die Realität sie zurück.

„Wir sollten uns beeilen.“

Der Troll gab ihr einen liebevollen Kuss auf die Lippen.

„Dein Vater wartet sicherlich bereits recht ungeduldig.“

Er nahm Elyana an die Hand und beide beschleunigten ihre Schritte.
 

Die Burg selbst wirkte verlassen. Sogar das große Tor ließ sich ohne Probleme öffnen. Niemand schien sich dahinter zu verbergen. Sofort nach dem Antreffen der Beiden, hatte Tares den Soldaten das Bündel erneut abgenommen.

„Wo verkriecht ihr euch?“, fluchte der neue Herr dieses Reiches.

„Kommt gefälligst hervor!“

Endlich vernahmen sie das klingen von Metall. Es war Zaltór, welcher derweil die Regierung dieses Reiches vorgenommen hatte, und jetzt heraustrat.

In Tares Gesicht machte sich ein unheimliches Grinsen breit.

„Onkel Zaltór“, begann er mit falscher Freundlichkeit und schnappte sich sogleich Rions Waffe.

Dieser versuchte jedoch nicht, ihn davon abzuhalten, da er auch jetzt noch recht angeschlagen war.

„Wie konntet ihr hier hereinkommen!?“, wurde der Troll erbost angeschrieen.

Die Elfensoldaten zogen ebenfalls ihre Waffen. Tares rollte dem Angreifer den Kopf vor die Füße. Beim Anblick dessem bekam er das Zittern.

„Wenn Ihr keinen Ärger wollt – oder gar Eueren Tod – dann verlasst sofort Oryeras!“

Sogleich senkte er sein Schwert.

„Ich habe nur die Befehle Eueres Vaters ausgeführt. Ich bin unschuldig!“

Dieser Mann war ein Feigling. Versuchte er sich doch tatsächlich hinter diesen schäbigen Worten zu verstecken.

„Verschwinde! Bevor ich es mir anders überlege!“

Tares nahm ihm sein Schwert aus der Hand und deutete stumm in Richtung Ausgang.

„Solltet Ihr dann noch in der Stadt sein...“

Er sprach nicht weiter. Diesmal hatte er bemerkt wie die junge Elfe vor Schreck die Luft angehalten hatte. Würde er diesen Mann wirklich töten, wäre er nicht im Geringsten besser als sein Vater.
 

Die Treppe, welche zu den Kerkern hinunter führte, befand sich ganz am Ende des Ganges. Ein unangenehm muffiger Geruch wehte hier allen um die Nase. Sie stiegen die breite Steintreppe hinab. Die Aufregung und Nervosität aller war so stark, das diese fast schon knisterte. Der unangenehme Gestank, der ihnen bereits oben entgegenwehte, hatte seinen Grund gefunden. In der ersten Zelle verrottete doch tatsächlich – zum entsetzen aller – einer von Moros eigenen Leuten. Schnellstens eilten sie vorbei. Die Gruppe ahnte Schlimmes und beschleunigte ihre Schritte.

In der vierten Zelle hockte eine Gestalt. Sie saß an die Wand gelehnt und bewegte sich ebenfalls nicht.

„Vater?“, fragte Elya eher kleinlaut.

Es dauerte eine Weile, bis der Gefangene den Kopf hob. Er wirkte ungeheuer gealtert. Falten durchzogen sein ganzes Gesicht.

„Elyana, Liebes. Du bist es wirklich!“

Er erhob sich wankend. Der Schlüssel hing auch, wie in Sesárs Burg, nicht weit von der Tür. Sogleich schloss einer der Ritter diese auf. Elyana hastete auf ihren Vater zu und drückte ihn, in der Zelle stehend, an sich. Der Elfenkönig überhäufte sie mit Küssen. Ihre Tränen der Freude, waren unaufhaltbar.

„Vater...“, hauchte sie mit zitternder Stimme.

Er schaute kurz auf, um zu sehen wer außer seiner geliebten Tochter noch hier eingetroffen war.
 

„Wie ich sehe, habt Ihr Euer Wort gehalten“, brachte Sesár mit zitternder Stimme hervor und musste sogleich von Elya gestützt werden, da ihn die Kraft verließ.

Der Troll verbeugte sich vor dem König.

„Jawohl, Eure Majestät.“

Elyana wand überrascht den Blick zu Tares.

„Was soll das heißen?“

Sie wollte schnellstmöglich eine Antwort, doch der Troll schaute nur weiterhin schweigend zu Boden.

„Was soll das heißen, ...sein Wort gehalten!?“

So langsam wurde sie ungeduldig. Mit finsterer Miene schaute sie erneut zu ihrem Vater.

„Hattet ihr etwa eine Abmachung? Warum bekomme ich keine Antwort?!“

„Beruhige dich doch bitte Liebes“, versuchte es Sesár mit netten Worten.

„Dieser Mann hat lediglich geschworen, dich vor dem Tod zu bewaren.“

Auf sein gutmütiges Lächeln bekam er trotz allem nur einen finsteren Blick als Antwort.

„Das kann ich nicht glauben. War das etwa die ganze Zeit nur ein Spiel?“

Wütend schaute die Elfe Tares an.

„Er soll gehen!“

Nur zögernd wagte er es, ihr in die Augen zu sehen. Da Tares nicht ging, wie sie es verlangt hatte, war sie es, die mit großen Schritten an allen vorbei stapfte und das Gebäude wieder verließ. Auch wenn ihre Freude unendlich groß war, ihren Vater endlich wieder zu haben, raubte der Gestank hier unten ihr sämtliche Luft. Die Übelkeit, welche in ihr aufstieg, wurde unaushaltbar. Sie musste hier heraus.

Rion trat heran. Er nahm endlich wieder sein Schwert an sich und packte es weg. Tares wollte ihr nach, blieb dann aber doch auf der zweiten Stufe stehen.

„Es tut mir leid Elya. Ich wollte nicht das...“

Er brach seinen Satz ab und schlug stattdessen mit der Faust gegen die Wand, welche sofort zu bröckeln begann. Alle fuhren zusammen. Verschämt über sein Verhalten und zutiefst traurig über seine jetzige Situation ließ er sich auf der Treppe nieder. Wie konnte er sich nur einbilden, bei diesen Leuten hier – bei seiner Herkunft – eine Chance zu haben. Vor allem nach dem, was alles geschehen war.
 

Elyana spürte die Tränen in sich aufsteigen. Niemals hätte sie damit gerechnet. Sie schaute mit verschwommenem Blick in die Ferne. Wie konnte Tares nur. Wie konnte dieser Mistkerl die ganze Zeit nur mit ihr spielen? Sie hätte es wirklich wissen müssen. Wütend ballte sie die Fäuste und kniff die Augen fest zusammen, als eine alte Erinnerung sie wieder einholte.

Kapitel 39 - Die Erinnerung

Auch heute war sie mit Brotbacken beschäftigt. Sie hatte gerade noch Venja geholfen und jetzt dafür Zeit gefunden. Elya vernahm plötzlich die Hintertür. Warum betrat Laris denn das Haus von hinten, wenn er aus dem Wald kam, dachte sie sich. War es zur Vordertür herein nicht kürzer? Elya hatte sich geirrt. Es war nicht ihr Bruder, der das Haus betrat.

„Was?“

Ihr genervter Unterton war nicht zu überhören. Sie schaute nicht auf.

„Warum bist du schon wieder hier?“

Erwartungsvoll stützte sich der Troll auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches auf und lächelte sie an.

„Ich hatte gehofft, ich könnte noch einen haben.“

Unbeirrt knetete sie weiter.

„Ich habe keine Ahnung wovon du sprichst!“

Nur kurz wand sie ihm den Blick zu. Auch jetzt machte er sie wieder unglaublich nervös. Elya hob den Teigklumpen in Blickhöhe und verdrehte ihn, als würde sie jemandem den Hals umdrehen.

„Das hatte ich jetzt nicht gemeint“, sagte er grinsend und stütze den Kopf mit den Ellenbogen auf dem Tisch ab.

„Ich hoffte, ich würde noch ein Küsschen bekommen.“

„Warum sollte ich dir diesen Gefallen tun?“

Tares zuckt mit den Schultern. Mit Kraft lies sie den Teig auf den Tisch klatschen und formte ihn erneut.

„Du bist unverschämt, Troll!“

Sein andauerndes Grinsen verriet, dass ihn dieser Kommentar jetzt nicht im geringsten störte.

„Einen ... vielleicht?“

Mit dem, zum wiederholten Male geformten, Teig drehte sich Elya jetzt dem Ofen zu. Die schmiedeeiserne Öffnung des alten Ofens war bereits ziemlich heiß und sie musste sich mit dem Öffnen beeilen, dass sie sich nicht die Finger verbrannte. Während sie sich mit ihrer Backware beschäftigte, war der Troll hinter sie getreten und Elya spürte jetzt seine warme Hand an ihrer Hüfte.

„Einen und dann verschwinde ich wieder“, flüsterte er ihr ins Ohr.

Elyas Nervosität wollte sich einfach nicht legen. Wie konnte er ihr das gerade jetzt antun.

„Na schön! Einen!“

Er schloss für sie die Luke, ohne die extreme Hitze als störend zu empfinden. Elyana drehte sich, mit dem Blick seinen grünen Augen zugewandt, zu ihm um. Sie konnte es überhaupt nicht leiden, wenn man sie auf irgend eine Weise erpresste. Bei ihm war sie sich jedoch nicht so ganz sicher, was er eigentlich beabsichtigte.

„Lässt du mich dann in Ruhe?“

Sie wirkte besorgt.

„Wenn das dein Wunsch ist.“

Er lächelte sie liebevoll an.

Überaus vorsichtig begann er sie am Kinn zu streicheln. Elya schloss die Augen. Sie fühlte sich nicht im geringsten wohl. Jeden Moment konnte Laris hier hereinstürmen und sie hätte keine Ausrede für das, was sie hier gerade billigte. Mit seinen warmen Fingern fuhr er ihr sanft über die Lippen. Sie war sich jedoch ganz sicher, dass auch er sich hier in der Küche unwohl fühlte. Tares sagte kein Wort. Die Tatsache, dass sie sich schweigsam verhielten, ließ genügend Geräusche von außerhalb an beide heran. Seine Finger wanderten zurück zu ihrem Kinn und wiederholt spürte sie seine Lippen auf ihren. Der Mut, dem Troll dabei in die Augen zu sehen, fehlte ihr allerdings auch dieses Mal. Seine Lippen fühlten sich so angenehm weich an.

Vor dem Haus waren plötzlich Schritte zu hören. Elyana spürte, wie ihr Herz zu rasen begann. War es etwa Laris, der gerade vor der Tür herumschlich? Sie war sich ganz sicher.

Die Küsse des Trolls waren zwar zögernd, dennoch nicht ohne Leidenschaft. Es hatte den Anschein, als würde er, dass was er da gerade tat, überaus genießen und schien nicht vorzuhaben, so schnell damit aufzuhören. Elya erwiderte seine Küsse. Mit einer Hand fasste sie jetzt in den Bart. So teigverschmiert wie diese noch war, hinterlies sie dort Spuren.

Die Haustür öffnete sich mit einem schwachen quietschen. Im selben Moment verspürte die Elfe einen Windhauch und der Troll war verschwunden.

Mit ihrer Vermutung, dass es Laris gewesen war, hatte sie richtig gelegen. Zitternd riss sie die Augen auf und starrte ihn entgeistert an. Warum musste er gerade jetzt so hereinplatzen? Besorgt schaute der Elf sie an.

„Alles in Ordnung mit dir?“

Elya brachte nur ein nicken hervor.

„War der Troll wieder hier?“

Laris lief an ihr vorbei. Im Nebenzimmer stand die Tür noch offen.

„Sein Name ist Tares“, brachte sie beiläufig an.

Dieser war zwar wieder verschwunden, aber besser fühlte sie sich jetzt nicht.
 

Sie war sich Anfangs so sicher gewesen, dass er nur testen wollte, wie weit sie gehen würde. Doch nach und nach ließ er sie spüren, dass es keine Täuschung war. Und jetzt das. Dieser Mistkerl hatte sein Theater sehr lange und ungeheuer gut gespielt. Nie hätte sie an ihrem anfänglichen inneren Gefühl zweifeln dürfen.

Kapitel 40 - Der König kehrt zurück

Sesár hakte sich bei Rion ein und lief mit ihm wankend auf den Troll zu.

„Liebt Ihr meine Tochter?“, fragte er frei heraus und legte Tares die Hand auf die Schulter.

Dieser schaute auf.

„Ja“, gestand er nur kleinlaut.

Ganz sicher konnte es jetzt nicht noch schlimmer werden.

„Seit dem Tag, als ich sie das erste Mal gesehen habe, aber ich...“, fügte er noch hinzu, brach jedoch wieder ab.

Sesár lächelte wieder sehr gutmütig und sein Blick wanderte die Treppe hinauf.

„Wenn Ihr sie wirklich liebt, solltet Ihr ihr jetzt folgen.“

Tares bekam große Augen. Mit einer derartigen Einstellung dieses Königs hatte er nie im Leben gerechnet, doch nocheinmal wollte er sich diese Worte nicht sagen lassen. Er sprang von der Treppe auf und hastete nach oben. Rion war fassungslos, behielt sein Entsetzen jedoch zunächst für sich.
 

Als Tares hinaustrat, hing die zierliche Elfe nach wie vor weinend auf der Brüstung.

„Ich wollte nicht, dass du es auf diese Weise erfährst.“

Er kam näher und legte ihr die Hand an die Hüfte.

„Lass mich bloß in Ruhe!“, schnaubte sie sauer und mit tränennassen Augen.

Elyana wich einige Schritte nach der Seite von ihm zurück. Der Troll wusste jetzt nicht so recht was er sagen sollte.

„Ich wollte lediglich nicht, dass dir irgendetwas passiert. Was ist daran so falsch?“

Mit bitterbösem Blick starrte sie in an.

„Hast du mich also die ganze Zeit nur an der Nase herumgeführt? War das also der einzige Grund, überhaupt in meine Nähe zu kommen – eine Vereinbarung? Von wegen du würdest etwas für mich empfinden. Wie konntest du nur die ganze Zeit mit mir spielen!?“

Wiederum vergrub sie ihr Gesicht in den Händen.

„Das ist nicht wahr, Elya!“

Er rückte ihr nach und legte ihr die Hand an den Kopf, um sie zu streicheln. Doch auch jetzt fasste sie unsanft danach und befreite sich davon.

„Meine Gefühle dir gegenüber waren immer ehrlich! Niemals hätte ich auf diese unaufrichtige Art mit dir gespielt. Es tut mir so unsagbar weh, dass du mir nicht glaubst.“

Auch der Troll begann jetzt gut hörbar zu schniefen.

„Ich liebe dich Elyana ... aus ganzem Herzen.“

Die Elfe begann zu zittern. Was sagte er da? Seiner Verzweiflung nach zu urteilen waren diese Worte jetzt wirklich ernst gemeint.

„Seit ich dich in Oryeras das aller erste Mal gesehen habe, hast du mir bereits die Sinne geraubt. Deine roten Zöpfe ... dein süßes Lächeln ... Anfangs war es nur kindliches schwärmen aber ich ...“

Wiederum sprach er nicht weiter, weil ihr Blick den seinen erneut traf. Diesmal allerdings war er von unermesslicher Erleichterung erfüllt. Tares Herz begann zu rasen.

„Hattest du vor, es mir irgendwann zu erzählen?“

„Ich befürchtete, dass genau das passieren würde.“

Elya schaute schüchtern zu ihm auf. Hatte sie sich in diesem Mann also doch nicht geirrt? Er brachte sie jetzt so furchtbar durcheinander. Erneut ging er auf sie zu. Doch jetzt wich sie nicht vor ihm zurück. Elyana fuhr ihm mit der Hand vorsichtig über sein blutverschmiertes, verschmutztes Hemd, bis er sich schließlich davon trennte und es achtlos auf den Boden fallen ließ.
 

Liebevoll strich er ihr über den Kopf und sie lehnte sich bei Tares an. Mit einem Schluchzen krallte sie sich an ihm fest.

„Mein Vater wird es niemals erlauben. Du ... bist ein Troll ...“

Im selben Moment tauchte Sesár mit den anderen in der Tür auf. Sofort lies Elya den großen Kerl los und senkte den Blick. Aus diesem Grund konnte sie auch das Lächeln ihres Vaters nicht sehen.

„Eine viel zu lange Zeit habe ich hier festgesessen, ohne das ich irgendetwas dagegen unternehmen konnte“, begann der Elfenkönig.

„Mit einer Befreiung hatte ich schon seit einer ganzen Ewigkeit nicht mehr gerechnet. Ihr habt Euer Wort gehalten, Tares und jetzt lasse ich euch beide entscheiden, was ihr für das Richtige haltet.“

Die junge Elfe schaute überrascht zu ihrem Vater auf. War das wirklich sein Ernst? Sie wand ihren Blick dem großen Troll zu und schaute ihm tief in die Augen. Überglücklich fiel sie ihm erneut um den Hals, Tares hob sie an und drückte sie an sich.

Endlich brachte Rion doch den Mut auf, sein Wort doch noch zu erheben.

„Aber Majestät. Er ist keiner von uns!“, hatte Rion auszusetzen.

Sesár hob die Hand, um ihn zum Schweigen zu bewegen – jedoch erfolglos.

„Es steht mir nicht im geringsten zu, an Eueren Entscheidungen zu zweifeln aber diese kann unmöglich Euer Ernst sein!“

Sesár wand ihm einen verärgerten Blick, seiner Unverfrorenheit wegen, zu.

„Während meiner Gefangenschaft hier, hörte ich von Gerüchten, welche besagten, dass ein großer Teil der Einwohner Senos auf rätselhafte Weise verschwunden waren. Zum großen Teil musste es sich dabei um bewaffnete Männer gehandelt haben. Steckt Wahrheit in diesen Worten?“

Er warf Rion einen prüfenden Blick zu. Dieser antwortete jedoch nicht. Aus diesem Grund ließ Sesár den Blick umherschweifen und Elyana war es schließlich, die das Wort erhob.

„Ja Vater, das ist Wahr. Nach der Eroberung war ich gezwungen, im Dorf unterzutauchen. Ohne Tares wäre ich völlig schutzlos gewesen.“

Die Elfe warf Rion einen strafenden Blick zu.

„Ihr seid nicht ganz Herr Eurer Sinne, Majestät! Die viel zu lange Haft hier scheint Euren Verstand geschwächt zu haben.“

Sesár hatte so langsam genug.

„Derartige Unverschämtheiten werde ich nicht länger billigen!“

Er befreite sich vom stützenden Arm und ging näher an seine Tochter heran.

„Nach dem Tot ihrer Mutter – bei ihrer Geburt – ist sie das Einzige was mir noch geblieben ist. Aus diesem Grund will ich, dass sie glücklich ist! Tares hat bewiesen, dass er ein Mann von Ehre ist. Sollte es also Elyanas Wunsch sein, diesen an ihrer Seite zu haben, werde ich dem nichts entgegensetzen, ganz gleich welches Blut durch seine Adern fließt!“

Rion senkte mit einem Schniefen resignierend den Kopf. Er hatte so unsagbar mehr erwartet.

„Ich würde jetzt gern wieder zurück in unser Reich“, äußerte Sesár jetzt den Wunsch.

„Ich hoffe nur, es wurde nicht alles zerstört, was in all den Jahren so eifrig von allen aufgebaut wurde.“

Sein Blick wanderte zu Tares.

„Werdet Ihr uns begleiten?“

„Zu diesem Zeitpunkt wird mir das noch nicht möglich sein. Ich habe jetzt die Führung hier und werde mich erst einmal um Oryeras kümmern.“

Überglücklich schaute er jedoch auf Elya herab.

„Ich werde euch folgen sobald ich kann.“

Die ersten Soldaten waren bereits losgelaufen. Sie waren ziemlich erschöpft, dennoch wollten alle so schnell wie es nur ging wieder nach Hause. Rion warf dem großen Troll einen weiteren stinksaueren Blick zu.

„Das werde ich dir heimzahlen!“

Tares nahm dessen Worte nicht länger war.

„Sieh es endlich ein, Rion“, sagte er betonungslos.
 

Er wusste, dass Elyanas Herz nur ihm gehörte. Tares zog sein Brüderchen an sich heran und drückte ihn.

Als sich die Gruppe bereits ein ganzes Stück entfernt hatte, lief die Elfe erneut auf Tares zu. Sie stellte sich auf die Fußspitzen und gab ihm einen liebevollen Kuss aud die Lippen.

„Herzlich willkommen in unserer Familie.“

Mit diesen Worten folgte sie wiederum ihrem Vater.



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Von:  Monsterseifenblase
2011-03-27T17:08:04+00:00 27.03.2011 19:08
BÄM.
Ich bin durch. Das ich das noch einmal schaffe, Gott bin ich stolz auf mich :D

Aber jetzt muss ich natürlich noch einmal ran.
Zum Kapitel:
Ich glaube ich hätte von dir zum Abschluss noch was pompöseres erwartet :D Nicht, dass das schlimm ist, dass das nicht so ist, aber irgendwie habe ich jetzt mit einer anderen Endszene gerechnet, irgendwas großes. Wie im letzten Herr der RInge Film wo Aragon dann so unglaublich unspektakulär gekrönt wird :). Keine Ahnung wieso, aber so was habe ich irgendwie erwartet. Aber dein Ende hat natürlich auch was, auch wenn es ehrlich gesagt ein kleines bisschen vorhersehbar war. Etwas fehlt mir dann noch ein Ende, dass das alles noch ein bisschen runder gemacht hätte, weil du dich am Ende halt jetzt sehr auf dieses persönliche Happy End zwischen Tares und Elya konzenrtiert hast und dabei dieses große ganze mit dem geretteten Königreich meiner Meinung nach etwas aus den Augen verloren hast. Ich weiß nicht wie ich es sonst sagen soll^^. Vielleicht wäre ein netter Epilog da noch angebracht gewesen, aber damit muss man immer aufpassen. Rowling hat im letzten Harry Potter einen ganz abscheulichen Epilog geschrieben, aber ich komm etwas vom Thema ab:)

Zum ganzen Rest / Fazit
Okay, dann noch einmal das große ganze. Ich denke wir wissen beide, dass du mich mit der Geschichte jetzt nicht voll vom Hocker gehauen hast, ohne das das jetzt böse gemeint ist:) Wir hatten das Thema ja schon, bei alten Sachen muss man immer vorsichtig sein in wie weit die Kritik die daran geübt wird noch relevant für das aktuellen SChreiben ist und so. Aber ich hab halt jetzt nur das hier gelesen und gebe deshalb mal ein wenig meinen Senf dazu :D

Sprachlich gesehen bist du meiner Meinung nach im Laufe der Geschichte besser geworden, insbesondere im Bezug auf Rechtschreibung, Tippfehler und unschöne Satzgebilde. Das ist weiter am Ende was ganz anderes als noch am Anfang, wo ich noch gesagt habe die ganzen Fehler kann ich gar nicht alle aufzählen, erinnerst du dich?;) Also, das ist definitiv besser geworden.
Schreibstiltechnisch kann ich das ehrlich gesagt nicht ganz einschätzen, dafür habe ich das über einen zulangen Zeitraum hinweg gelesen und nicht mehr alles, was mich am Anfang gestört hat, in meinem Kopf präsent und so. Ich weiß aber noch, dass ich häufig gehadert habe, mit der Ausarbeitung deiner Charaktere und damit verbundene mit sämtlichen Arten von Beschreibeungen, die bei dir immer sehr sehr knapp ausfallen, so dass dem Leser ein Bild von allem fehlt. Oder du beschreibst es so genau und dann auch kompliziert, dass man sich das einfacht nicht vernünftig vorstellen kann. Ich meine, dass war zum Beispiel da der Fall als Tares und Lena da an diesen Klippen waren und da irgendwo so hergeklettert sind und so. Da hab ich nie ganz durchgeblickt, wie genau du dir die Landschaft da jetzt vorstellst.
Versuche, da ein gesundes Mittelmaß zu finden. Du musst dem Leser anhaltspunkte geben, darfst ihn aber gleichzeitig nicht mit deinen Beschreibungen und so erschlagen, wenn du weißt was ich meine :)
Uhhh...lass mich denken, was noch? Ach ja, die Kapiteleinteilung fand ich nicht immer geglückt und die Überschriften auch häufig langweilig. Auch von der gesamten FF. Ein Buch, das einfach nur 'Das Tor' heißt würde mich glaube ich nicht reizen, das verspricht irgendwie nicht so viel. Das nur so am Rande :)
Und ich glaube das wars im großen und ganzen auch schon :)
Nur eine Sache muss ich ganz ehrlich noch loswerden: In diesem Fall muss ich Vereinsmitglied - Animexx Economy Grilu zum Teil direkt wiedersprechen. Du hast Fantasie, keine Frage, du kannst noch gut was aus deinem Schreibstil rausholen, auch keine Frage, aber ich glaube nicht, dass du mit dieser Geschichte ein in irgendeiner Art und Weise verkaufsfähiges Buch geschrieben hast. Dafür ist die Handlung nicht spektakulär und ausgearbeitet genug. Außerdem ist die Idee dafür zu alt und ganz ehrlich auch ein bisschen klischeehaft:) Also, wie gesagt, der Aussage von Grilu würde ich nicht zustimmen.
Aber nimm es dir nicht zu Herzen, deine Wichtelgeschichte, die du geschrieben hast gefiel mir schon tausend mal besser und niemand setzt sich mal eben hin und schreibt von jetzt auf gleich einen verkaufsfähigen Roman oder so :) Ich könnte meinen ersten heute auch in die Tonne kloppen, übertrieben gesagt xD

So.
Und damit verabschiede ich mich offiziell von dieser FF und hoffe, dass ich dir trotz meiner vielleicht manchmal zu direkten Art und der ständigen Laberei, die eigentlich nichts zur Sache tut in irgendeiner Weise ein bisschen helfen konnte oder so:)

Allerliebste Grüße,
Monsterseifenblase
FCY

Ps. Da hab ich heute kommitechnisch ganz schön einen rausgehauen, oder?:)
Von:  Monsterseifenblase
2011-03-27T16:37:40+00:00 27.03.2011 18:37
Merkst du was?
Ich nähere mich dem Ende!
Hätte nicht gedacht, dass ich das irgendwie noch fertig bekomme in nächster Zeit, aber Englisch kotzt mich heute so unfassbar an, dass ich Zeit genug hatte :D Und du hast verdammt noch mal ein schlechtes Gewissen zu haben, weil ich das jetzt heute abend machen muss und ich bin sowieso schon so müde wegen dieser dämlichen Zeitumstellung die mich wie ich ehrlich zugeben muss heute morgen ein bisschen überrascht hat, weil ich das natürlich total verpennt habe :D
Aber irgendwie wird das schon. Eigentlich ist es mal ganz hübsch einen Sonntag mit schönen Dingen und nicht nur Schulsachen zu verbringen :)

Also, wieder ein kurzes Kapitel und irgendwie auch ein ein kleines bisschen seltsames. Ehrlich gesagt versteh ich den Sinn des Kapitels an dieser Stelle nicht ganz, das wirkt da so ein bisschen reingeschmissen und zusammenhanglos. Oder erinnern sie sich jetzt nach dem Streit den sie hatten an die Szene und dann Herzschmerz Herzschmerz, erinnern sie sich daran, dass sie sich lieben und kommen im nächsten Kapitel wieder glücklich zusammen oder so? Das wäre die einzige Vermutung die ich noch hätte, ansonsten ist mir das ein wenig schleierhaft :D
- Wups. Ich seh gerade, dass ich etwas übersehen habe, den letzten Satz im Kapitel. Den hab ich gar nicht mehr registriert, ok jetzt ist alles ein bisschen nachvollziehbarer und macht auch sinn. Ignorier mein Gelaber von oben:D

Aber jetzt wollen wir mal weitersehen, denn ich mach dem Ganzen jetzt ein Ende und les natürlich auch gleich das letzte Kapitel noch. Und dann gönn ich mir ein kleines Stück Schokolade oder so :D

LG
Monsterseifenblase
FCY
Von:  Monsterseifenblase
2011-03-27T16:29:06+00:00 27.03.2011 18:29
Drama Baby, Drama!
Und ich liebe es wenn man mir Drama und Herzschmerz um die Ohren haut. Hehe. Klar, es wird sich noch legen, einfach weil sich das immer legt und ich dich so einschätze, dass du zu dem Zeitpunkt, als du die Geschichte geschrieben hast, ehr der Happy End Typ gewesen bist. Oder? :)
Aber egal, ich finde es schön, dass es noch einmal Stress gibt und was ich noch besser finde, ist dass du das ganze nicht noch im selben Kapitel wieder aufklärst, dazu neigst du an manchen Stellen. Es gibt einen Konflikt, der sich aber relativ schnell wieder löst bzw. eigentlich der Hauptinhalt des Kapitels ist und so. Wenn du das ein bisschen ziehst und über ein Kapitel hinaus ausweitest, dann gibt das ein bisschen mehr Spannung, deshalb mochte ich das. Wie heißt es so schön in das Spiel des Engels?: Kein Drama ohne Konflikt!
Und ja, ich steigere mich da gerade ein bisschen rein, deshalb bin ich jetzt lieber ruhig und sag dazu nichts mehr.
Die Innenwelten der Personen und das was sie so empfinden, dass fand ich dieses Mal ein bisschen besser geschildert, das war tiefgründiger und hat denen was lebendiges gegeben. ABER....da geht noch mehr. In jeder Hinsicht, was die Beschreibungen und so betrifft:)

LG
Monsterseifenblase
FCY
Von:  Monsterseifenblase
2011-03-27T16:21:36+00:00 27.03.2011 18:21
Schon wieder so ein kurzes Kapitel.
Hast du keine Lust mehr gehabt ;D Sei ehrlich xD. Irgendwie wirkt es ein bisschen so. Aber ist ja egal, achte einfach beim nächsten Mal drauf, dass die Kapitellängen ein bisschen ausgewogener sind, damit du nicht so einen Eindruck erzeugst oder so. Ist ja nicht ganz Sinn der Sache ;D

Ansonsten mag ich den Inhalt von dem Kapitel im großen und ganzen, also dass er diese Frau trifft, die ein Kind von seinem Bruder hat und so. Das ist zwar alles irgendwie wieder so ein bisschen schnulzig und Happy End mässig, aber die Tatsache, dass sein Bruder ja tot ist gleicht das ganze auch wieder ein bisschen aus, deshalb verkneif ich mir das. Ich sollte nicht so viel meckern. Aber ich bin momentan im Meeckerlaune, mir gehen so unfassbar viele Leute auf die Nerven -.- Du nicht, nicht das du dich angesprochen fühlst:)
Aber jetzt noch einmal kurz zum sprachlichen. Da du ja schon einen so schönen Inhalt hast, musst du daran arbeiten dem auch sprachlich gerecht zu werden. Ausformulieren heißt das Stichwort da. Beschreibungen und Gefühle. Natürlich nicht zu viel, es sollte nicht überhand nehmen, aber der LEser hat überhaupt kein Bild von der Gegend und der Stadt im Kopf. Gar nicht, weil du einfach gar keine Angaben dazu vorgibst, weißt du? :)
So, ich schau dann man wie es weitergeht.

LG
Monsterseifenblase
FCY
Von:  Monsterseifenblase
2011-03-27T16:14:44+00:00 27.03.2011 18:14
Mhm.
Das Kapitel hat mich jetzt ehrlich gesagt nicht so vom Hocker gehauen. War ziemlich kurz und im großen und ganzen ist eigentlich gar nichts passiert. Weißt du was ich meine?
Gut klar, Tares tritt das erste Mal als König auf, aber das hättest du auch besser und ausführlicher beschreiben können in dem du zum einen mehr auf das eingehst, was in ihm vorgeht (siehe Kommentar oben) und auch im ganzen, wie die Leute reagieren. Das sie erschrocken sind und nicht für möglich halten und all so was und nicht, dass sie ihm dann einfach die Tür aufmachen und übertrieben gesagt antworten: Klar, komm rein!
Naja, ich bin gespannt wie es weitergeht. Mir würde es übrigens gefallen, wenn du auf Lena und Laris jetzt gar nicht mehr zu sprechen kommst und das mit den beiden und seiner krankheit quasi ein offenes Ende ist oder so...aber ich werde ja sehen, es kommen ja noch ein paar Kapitel xD

LG
Monsterseifenblase
FCY
Von:  Monsterseifenblase
2011-03-27T16:09:45+00:00 27.03.2011 18:09
Uhhhhhh...ein Schnulzekapitel. Bis auf den kopflosen Moros spricht zumindest einiges dafür. Tut mir Leid, dass ich das entscheidende Kapitel überspringen muss, aber ich bin zwar 18 hab das abern noch nicht bei mexxe angegeben, weil ich noch damit hadere meine Personummer bekannt zu machen (das muss man dafür glaube ich). Werde ich bestimmt irgendwann noch tun, aber momentan halt noch nicht. Habe keine Lust mich darum zu kümmern :D
Aber an der Wortanzahl des Kapitel habe ich natürlich gesehen, dass es für deine Verhältnisse wirklich sehr sehr lang ist und du darin dann wahrscheinlich einige schöne Sachen beschrieben hast. Und ich bin mir auch sicher einigermaßen zu wissen, was passiert ist, weil Moros tot ist und Lena zusammen mit Laris ja nach Hause geht. Die Trollprobleme scheinen im großen und ganzen gelöst zu sein:)
Ansonsten bin ich natürlich jetzt sehr überrascht, dass es noch mit vier oder fünf Kapitel weitergeht, da die eigentliche Handlung ja jetzt beendet ist. Geht es jetzt nur noch darum Laris irgendwie zu heilen, oder so? Naja, ich werde ja sehen. Ich finde übrigens, dass du im allgemeinen ein bisschen an deinen Titel sowohl für die ganze FF als auch für die einzelnen Kapitel ein bisschen arbeiten muss. Das wird auf Dauer zu eintönig und verrät auch irgendwie zu viel :)

LG
Monsterseifenblase
FCY
Von:  Monsterseifenblase
2011-03-27T16:00:48+00:00 27.03.2011 18:00
Dümdümdüm...
ich will, dass du ein schlechtes Gewissen hast, weil du mich von meinen Hausaufgaben ablenkt :D

Also, das Kapitel war teils wieder ein bisschen konfus. Zumindest vom Inhalt her. Meiner Meinung nach. Zum einen ist da all das, was abgemeldet über mir schon anmerkt, Laris seltsame Anfälle sind zwar immer präsent beim Leser, aber ganz im Zusammenhang verstehen tut man sie ehrlich gesagt noch nicht. Klar, man weiß, jetzt hat er wieder sein Gedächtnis verloren, aber man hat keine Ahnung, was er alles nicht mehr weiß, wann sein Wissen vielleicht zurückkehrt und blablabla...Halt dich einfach an die Leitfragen von abgemeldet ich denke, dann ist einigermaßen klar, was für den Leser ein bisschen schwer nachvollziehbar ist und so :D
Ansonsten fand ich die Handlung mit dem Brief noch ein bisschen komisch. Warum gibt Rion ihr den aufeinmal total unzusammenhanglos, obwohl sie ihre Aufgabe / Mission (nenn es wie auch immer du willst) ja noch nicht erfüllt hat. Es ist ja irgendwie so, dass sie ihre Kräfte entdeckt, Laris bricht zusammen und auf einmal gibt Rion ihr einen Brief in dem steht wie sie nach Hause kommt, nur weil sie quasi ein bisschen erschöpft ist. Ich finde da fällt Rion ein wenig aus seiner Rolle, ich glaube einfach nicht, dass er sie nur wegen eines kleinen Schächeanfalls gehen lässt und somit seine letzte Hoffnung aufgibt, weißt du ?:)

Blubb.
Monsterseifenblase
FCY
Von:  Monsterseifenblase
2011-03-27T15:39:30+00:00 27.03.2011 17:39
Okay,
dieses Mal war das Kapitel vielleicht ein bisschen zu kurz. Der INhalt ist einfach zu wichtig, als das du ihn auf so ein paar Zeilen zusammenpressen solltest, weil dieses ziemlich kurz gehaltene Gespräch ja scheinbar ein Wendepunkt sein wird, weil sich damit ja einiges ändert. Meiner Meinung nach hättest du das mehr ausformulieren können, mit mehr interaktion, damit es lebendiger wirkt und das Kapitel nicht einfach nur auf einen kurzen Austausch beschränkt ist oder so. Außerdem ist es für Leser immer einfacher Dinge und Entwicklungen indem die Charaktere sie ausführlich besprechen und erläutern, dann findet man einfach besser in das ganze hinein.
Abgesehen davon hat mir zum Beispiel dieses kurze Streitgespräch zwischen Tares und Rion wieder gut gefallen. Das sind Dinge, die das ganze irgendwie lebendiger und nicht ganz so steif wirken lassen. Und es zeigt, dass die Charaktere sich selbst in dem Sinne treu sind und sie nicht ständig aus der ihnen vorgebenen Rolle fallen oder.
Ich hoffe das ist in irgendeiner Art und Weise ein kleines Stückchen nachvollziehbar :D

Allerliebste Grüße,
Monsterseifenblase
FCY
Von:  Monsterseifenblase
2011-03-27T15:32:38+00:00 27.03.2011 17:32
Wuhu,
ich lass auch einmal wieder von mir hören :) Eigentlich muss ich genau jetzt gerade in diesem Moment Englisch machen, abe runeigentlich bin ich so unfassbar unmotiviert, dass ich mir das wahrscheinlich sonst wo hinklemmen kann und das den Rest des Tages wahrscheinlich nichts mehr wird. Glaube ich zumindest. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zu letzt und deshalb gönn ich mir eine kleine Pause und hab mir gedacht ich lese mal wieder bei dir ein bisschen durch die Gegend ;D
Dieses Mal weiß ich sogar noch genau, wo ich letztes Mal aufgehört habe und was wie passiert ist und ich musste mich nicht wie die letzten Male erst wieder ein paar Kapitel reinlesen:)

Also, die Länge des Kapitels fand ich ganz angenehm (ich kann mir ultralange Sachen im Moment irgendwie nicht geben), Rechsctreibtechnisch war es im Großen und Ganzen denke ich auch in Ordnung. Da finde ich, dass du während des Schreibens von dieser Geschichte ziemliche Fortschritte gemacht hast, am Anfang sind mir immer deutlich mehr Fehler aufgefallen. Bin ich mir ziemlich sicher. Ein bisschen seltsam fand ich allerdings diesmal den Inhalt des Kapitels und das, was da so passiert ist. Das sie auf einmal nur ganz weiße Augen hatte und trotzdem ja scheinbar noch sehen konnte und so...und ich hab den Sinn nicht so ganz verstanden mit den weißen Augen. Warum sollte ihre Großmutter ihr einen Spruch vererben, der ihre Augen weis macht und warum zum Teufel wird das durch eine Knutscherei mit Laris wieder aufgehoben? (Darüber, dass er sich an Lena ja nicht erinnern kann, aber sie trotzdem einfach mal küsst, wollen wir jetzt einfach mal kein Wort verlieren). Das ist etwas, da bin ich nicht ganz durchgestiegen, aber vielleicht klärt sich das ja noch im Verlauf :D
Ansonsten gebe ich meinem Vorgänger beim Kommentieren recht, das mit den AUgen und dem Sehen hättest du noch besser ausbauen können!

LG
Monsterseifenblase
FCY
Von:  Monsterseifenblase
2011-03-04T23:04:45+00:00 05.03.2011 00:04
Ahhh...schon wieder ein kurzes Kapitel.
Eigentlich mag ich das auf Dauer nicht, aber jetzt gerade kommt es mir ganz gelegen, weil ich danach dann die Wichtelgeschichte lesen kann und doch, da freu ich mich sehr drauf. Eine wunderfeine Gute Nacht Geschichte bevor ich anschließend wie tot ins Bett falle :D

Also, kurzes Kapitel, ganz schön viel Inhalt. Anscheinend scheint Laris ja wieder einen seiner Aussetzer / Ausraster gehabt zu haben. Seltsam finde ich ehrlich gesagt nur, dass Lena davon anscheinend gar nichts mit bekommen hat. Wird man nicht wach, wenn da direkt neben einem jemand versucht einen Troll umzubringen? *sich am Kopf kratzt* Andererseits will ich da kein Urteil drüber fällen, ich bin noch nie in einer solchen Siuation gewesen:D
Was fällt mir noch zu diesem kleinen Kapitel ein? Vielleicht sollte ich anmerken, dass du hier in etwas genau das machst, was ich dir im letzten Kommi empfohlen habe und das finde ich super. Du schaffst einen Konflikt der anscheinend deutlich über ein Kapitel hinausgehen wird, bzw. der Konflikt (Laris und seine Gedächtnisverluste) ist ja schon die ganze Zeit da und du greifst ihn immer wieder auf, ohne ihn fallen zu lassen. Mal tritt er wieder für eine Weile in den Hintergrund, insbesondere in den Kapitel in denen Laris nicht auftaucht, aber dann kommt er WUMMS zurück und wird dem Leser ins Gesicht geklatscht. Sehr hübsch. Und das mein ich ernst :D

Und dann unterbrichst du das ganze auch noch, in dem das seltsame Amulett auf einmal zu leben beginnt...bin mal gespannt darauf, was mich diesbeezüglich in den nächsten Kapiteln erwartet. Aber noch gespannter bin ich jetzt auf meine Wichtelgeschichte, also verzeih wenn ich zu diesem nicht ganz so langen Kapitel einen nicht ganz so ausführlichen Kommi schreibe :D

Liebste Grüße,
Monsterseifenblase
FCY




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