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Felidae

Tagebuch des Professor Julius Preterius
von

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15. Januar 1980

Ich bin glücklich - falsch! Ich bin der glücklichste Mann auf Gottes Erden! Seit einem Monat habe ich das Gefühl, als stünde ich unter Drogen. Aber das Drogenglück ist nicht »faßbar«, will sagen, der mittels Stimulantia herbeigeführten euphorischen Stimmung haftet stets ein Hauch der Irrealität an. Dagegen dieser Zustand... ich könnte ganze Wälder ausreißen, könnte jeden umarmen und küssen, der mir auf der Straße begegnet. Rosalie meint, ich sähe um mindestens zehn Jahre jünger aus, was ohne falsche Bescheidenheit in der Tat keine Übertreibung ist.

Ich muss meine Gedanken ordnen, muß in diesem Tagebuch die kommenden Ereignisse für die Nachwelt festhalten. Obgleich ich, was das Schreiben angeht, durch zwei Laborjournale und die Korrespondenz aus der Schweiz genug belastet bin, möchte ich das Projekt zusätzlich aus meiner privaten, ganz und gar unwissenschaftlichen Sicht schildern. Ich gestehe, ich bin eitel. Seit einem Monat habe ich allen Grund dazu!

Mein Traum ist in Erfüllung gegangen. Die Jahre im Institut erscheinen mir rückblickend wie ein böser Traum. Das demütigende Lachen Professor Knorrs, das wie ein hässlicher Tusch jeden meiner kreativen Einfälle höhnisch begleitete, gehört ein für allemal der Vergangenheit an. Zwanzig Jahre habe ich für dieses idiotische Institut gearbeitet, dessen einziges Renommee darin besteht, das beste Kantinenessen Europas aufzutischen. Und der Dank dafür ist: »Sie werden sehen, lieber Kollege, das, was Sie sich da in den Kopf gesetzt haben, gehört ins Reich der Phantasie.«

Der Teufel soll sie alle holen! Ich hasse sie nicht einmal. Denn sie sind nichts anderes als unbedeutende Bürokraten, die den lieben langen Tag ihre geistige Energie darauf verwenden, wie sie den Staat um die Spesenabrechnung bescheißen können. Ohne mich, Kollegen. Good bye!

Auch bei PHARMAROX sitzen sie, die Bürokraten. Aber im Gegensatz zu ihren staatlichen Artgenossen müssen sie sich ab und zu etwas einfallen lassen, wenn sie sich nicht eines schönen Tages samt ihren teuren Büromöbeln auf der Straße wiederfinden wollen. Herr Geibel und Dr. Morf haben mir das Labor »gespendet« und ein Forschungsvorhaben von einem Jahr eingeräumt. Bis dahin wollen sie Ergebnisse sehen, sonst ist es aus mit der Großzügigkeit.

Ich danke Gott, dem Allmächtigen.

24. Januar 1980

Das Labor ist ein Traum! Es ist in einem dreistöckigen Altbau untergebracht und ist ausgestattet mit den modernsten Errungenschaften der Labor- und Medizintechnik. Ich kann mein Glück immer noch nicht fassen. Zusätzlich zu dem Monatsgehalt von zehntausend Schweizer Franken und dem Experimentierparadies steht mir bei Erfolg eine Prämie von 1,5 Millionen Franken und eine dreiprozentige Beteiligung am Gewinn zu, von dem Lizenzgeschäft ganz zu schweigen. Da soll doch noch jemand behaupten, daß die Schweizer Geizhälse seien!

Manchmal frage ich mich, wie es jetzt um mich aussehen würde, wenn ich im letzten Winter nicht persönlich bei PHARMAROX angeklopft und um eine Unterredung mit Geibel gebeten hätte. Der greise Pförtner im kathedralartigen Entree hielt mich sicherlich für verrückt, bequemte sich jedoch trotzdem zu einem Anruf. Geibel hatte zum Glück meinen Artikel im Scientific American gelesen und verlangte mich zu sehen. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. Aber was, wenn alles anders gekommen wäre? Ich bin jetzt einundfünfzig Jahre alt, und auf meinem halbkahlen Schädel findet sich kein einziges schwarzes Haar mehr. Von klein auf wollte ich meinem Leben einen Sinn geben. Wenn ich sterbe, möchte ich in der Welt eine Spur hinterlassen haben und nicht einfach erlöschen wie ein Lichtlein in einem Meer von Lichtlein. Die Spur braucht nicht spektakulär zu sein, sie soll lediglich Sinn machen. Doch das widerliche Klinkenputzen, der ewige Schriftwechsel mit Pharmafirmen in aller Welt, die Sisyphusarbeit, Vorstandsetagen zu überzeugen, hatten in den letzten Jahren ganz schön an meinen Nerven und Kräften gezehrt. Wenn ich ehrlich bin, war PHARMAROX die letzte Station auf meiner Suche nach einem Finanzier.

Warum sich aber Gedanken machen über schwarze Stunden, die nie eingetreten sind? Mein Leben ist nicht mehr schwarz und auch nicht grau. Im Gegenteil, da ich diese Zeilen zu Papier bringe, blicke ich aus dem Fenster meines im ersten Stock gelegenen Büros geradewegs in die Sonne. Sie scheint klar und hell, als wolle sie mir meinen Einzug gratulieren.

Zu meinem Ärger muß ich den Kontakt zum Institut weiterhin aufrecht erhalten. Knorr und seine Spießgesellen üben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Veterinärbehörde aus, die für die Tierversuchsgenehmigung zuständig ist. Nach meinen Informationen sitzen einige von der Bande sogar in den Kommissionen. Soll der Albtraum niemals enden?

1. Februar 1980

Wir sind endlich komplett. Ziebold und Gray, der amerikanische Molekularbiologe, sind heute zu uns gestoßen, und ich hab ein bißchen mit einer Magnumflasche Sekt herumgealbert. Man muß seine Mitarbeiter motivieren, sonst kann man den Kram gleich hinschmeißen. Das kenne ich aus eigener leidvollen Erfahrung.

Apropos leidvoll: Es ist natürlich ein frommer Wunsch von mir geblieben, daß PHARMAROX mich hier ganz ohne Beaufsichtigung werkeln lassen würde. Sie haben mir einen gewissen Dr. Gabriel ins Nest gesetzt, der offiziell als Mediziner fungiert, in Wirklichkeit aber ein schmutziger, kleiner Spion ist. Das weiß er, das weiß ich, das wissen wir alle. Ich muß mich mit der permanenten Kontrolle abfinden.

Ziebold habe ich aus dem Institut »entführt«. Auf den ersten Blick scheint er seinen Beruf verfehlt zu haben. Denn seine täglich wechselnde modische Kleidung und sein geckenhaftes Gehabe passt eher zu einem Dressman als zu einem Wissenschaftler. Während der Arbeit jedoch geht in ihm eine gespenstische Veränderung vor sich, und er verwandelt sich in einen Besessenen. Dann sprudeln die genialen Einfälle förmlich aus ihm heraus. Ein junger, rotzfrecher Karrierist mit Phantasie, der sein 200 Mark teures After-shave nicht einmal mitten in der Wüste Gobi missen möchte. So sieht wohl die nächste Forschergeneration aus.

Gray dagegen ist mir ganz und gar unsympathisch. Leider kann ich auf ihn nicht verzichten, da er auf seinem Gebiet so eine Art Magier sein soll. Er weiß jetzt schon alles besser und bekrittelt meine Ideen rhetorisch so geschickt, daß ich von ihrer Absurdität bald selbst überzeugt bin. Wann werden Wissenschaftler einsehen, daß Phantasie das Wichtigste in diesem Gewerbe ist? Aber ich beschwere mich nicht, sondern danke Gott für diese einzigartige Chance.

In zwölf Tagen werden wir mit dem Mischen der Substanzen beginnen. Wenn der erste Tierversuch gelingt, möchte ich mit Rosalie nach Rom fahren und mich eine Woche lang von nichts anderem als Chianti Classico ernähren. Es wird ein rauschendes Fest!

2. März 1980

Die Suppe ist zubereitet!

So bezeichnen wir im Labor scherzhaft das Gemisch: die Suppe. Sie besteht zwar aus sechsundsiebzig Versuchsanordnungen mit jeweils unterschiedlichen Substituenten, doch die Unterschiede sind geringfügig, so daß es sich im wesentlichen um ein und dasselbe Präparat handelt. In einem Meeting, in dem es sehr laut zuging, haben wir Grays Vorschlag, Bakterienkulturen anzulegen, die die Herstellung von Gerinnungsenzymen beschleunigen, und diese dann in »die Suppe« zu integrieren, angenommen. So wie es augenblicklich aussieht, werden wir tausenderlei Experimente anstellen. Ich bin selbst für den verrücktesten Einfall meiner Mitarbeiter empfänglich, obgleich ich von dem Hauptgedanken, die Sache in erster Linie chemisch anzugehen, nicht abrücken werde. Wie man es auch dreht und wendet, die Kernsubstanz muß autopolymerisierender Kunststoff bleiben, denn nur dieser allein vermag auf Grund seiner molekularen Struktur zwei Gegenstände schnell und fest miteinander zu verbinden. Lebende Zellen machen da keine Ausnahme.

Die Idee zu »der Suppe« kam mir vor zehn Jahren, als ich für mein privates Archiv Artikel aus der Zeitung ausschnitt und mich dabei mit der Schere ziemlich an der Hand verletzte. Ganz in die Schnipselei versunken, blickte ich geistesabwesend auf den blutenden Schnitt im Handteller und dann auf den Papierkleber auf dem Tisch vor mir. Plötzlich hatte ich eine Eingebung. Wie praktisch wäre es doch, so dachte ich mir, wenn ich mit dem gleichen Kleber die leicht klaffende Wunde rasch zusammenkleben könnte, anstatt sie erst mit antiseptischen Pulver und Verbandszeug zu verarzten und dann einen schmerzlichen Heilungsprozeß über mich ergehen lassen zu müssen.

Angestachelt von diesem Geistesblitz machten meine Gedanken nun Luftsprünge, während das Blut aus der Wunde fröhlich auf den Tisch plätscherte und die Zeitung rot tränkte. Ich dachte an diesen Gewebekleber, den sogenannten Zweikomponenten-Fibrinkleber, der bei kleineren Verletzungen und bei solchen Operationen bereits zur Anwendung kommt, bei denen das Nähen unmöglich ist, also bei gewissen Innereien wie der Milz und anderen Organen mit einer nicht strapazierfähigen Zellbeschaffenheit. Der Fibrinkleber ist jedoch niemals das gewesen, was er versprach. Er ist zwar gewebeverträglich und vermag vom Organismus gut aufgenommen werden, versagt aber bei klaffenden und bei mechanisch beanspruchten Wunden. Letztlich kann man ihn nur in Verbindung mit dem klassischen Nähen verwenden. Und so verwundert es kaum, daß Chirurgen keine Freunde dieses Mittels sind. Sondern Stein und Bein auf das gute alte Nähen schwören, welches ja ihre Künste auch mehr zur Geltung bringt.

Das soll sich ändern. Denn mir schwebt eine radikale Lösung vor. Obwohl abzusehen ist, daß ich für meine »Suppe« keinen Nobelpreis bekommen werde, wird sie der Medizin eine Revolution bescheren. Doch was bedeutet schon der Nobelpreis? Er wurde dem Erfinder der elektrischen Glühbirne auch nicht verliehen, obgleich sie in diesem Jahrhundert größere Umwälzungen verursacht hat als die Spaltung des Atomkerns. Auf die kleinen, unsichtbaren Revolutionen kommt es an!

Mein Anliegen ist es, das umständliche, zeitraubende und ausschließlich von Fachleuten auszuführende Nähen gänzlich abzuschaffen. Ich gehe noch einen Schritt weiter und glaube, daß mein »Sekundenkleber« eines Tages in jedem Erste-Hilfe-Kasten zu finden sein wird. Eine klaffende Wunde wird einfach an Ort und Stelle wieder zusammengeklebt. Das wird besonders bei Verkehrsunfällen und im Kriegseinsatz lebensnotwendige Bedeutung bekommen!

Folgendes soll erreicht werden: Die primäre Wundheilung schafft die Natur praktisch noch alleine. Die Probleme beginnen erst bei der sekundären Wundheilung. In den meisten Fällen liegen die Wundränder nicht genau aneinander. Oft klafft die Wunde, oder es fehlt ein Stück Gewebe, oder das Gewebe ist so stark beschädigt, daß es abstirbt. In zerrissenes Gewebe dringen schnell Bakterien ein. Man muß also der Wunde nachhelfen, das heißt die Wundränder durch Nähen, Klammern - oder eben durch Kleben miteinander verbinden. Der Idealfall wäre, alle Wunden zur primären Heilung zu bringen.

Selbstverständlich wird auch mein Gewebekleber nicht das vermögen, was geschickte Chirurgenhände zu vollbringen imstande sind. Doch dem verletzten Soldaten an der Front oder dem blutenden Kind bei einem Verkehrsunfall wird bereits der Sanitäter mit diesem Mittel erste Hilfe leisten können.

Gesetzt dem Fall, das Präparat klebt tatsächlich mit Sofortwirkung, gilt es dieses noch wie folgt zu veredeln:

1. Es muß antiseptisch sein bzw. Bakterien schon im Vorfeld des Eindringens in die Wunde »abschnappen«.

2. Durch seine polymerisierende Eigenschaft vernetzt es Wundränder augenblicklich miteinander. Es darf jedoch keinesfalls Luftdicht abschließen. Sauerstoffmangel begünstigt das Ausbreiten von Infektionen.

3. Das Immunsystem darf das Präparat nicht bzw. nicht frühzeitig abstoßen.

4. Die »Suppe« muß sich quasi wie ein Dämon, der in den menschlichen Körper gefahren ist, nach einer Weile wieder in Luft auflösen. Zwei bis drei Wochen erscheinen mir als ein realistischer Zeitraum.

5. Das Präparat muß unkompliziert zu handhaben sein. Praktisch ein Dämon aus der Tube.

Wenn wir dies erreichen können, haben wir der Menschheit in der Tat einen glorreichen Dienst erwiesen.

Was Anerkennung und Traumerfüllung angeht, war ich stets vom Pech verfolgt. Doch warum soll der Mensch nicht auch mal Glück haben?

17. März 1980

Alles läuft prächtig - ein bißchen zu prächtig. Lediglich noch einige Untersuchungen über die extravasale Blutgerinnung, dann können wir mit den Tierversuchen beginnen. Rosalie meint, ich sei überarbeitet und müsse mir zumindest an den Wochenenden Ruhe gönnen. Die Gute kann sich einfach nicht vorstellen, daß die Arbeit, von der man besessen ist, mit dem herkömmlichen Begriff der Arbeit nichts gemein hat.

Es ist jetzt ein Uhr nachts, und ich sitze immer noch in meinem hübschen, mit Rosalies Stiefmütterchen geschmückten Büro. Die anderen sind schon längst weg. Das einzige im Gebäude brennende Licht ist die antike Leselampe auf meinem Schreibtisch. Ich habe mir ein paar Gläser Rotwein genehmigt und komme langsam ins Philosophieren. Meine Gedanken schweifen ab zu Robert und Lydia und zu den glücklichen Sonnentagen, als sie unbeschwerte Kinder waren. Ich liebe sie immer noch mit der ganzen Inbrunst meines Herzens, obwohl sie uns nur zu den Weihnachtsfeierlichkeiten die Ehre eines Besuches erweisen und gelangweilte Miene zum langweiligen Spiel machten. Es ist ein blödes und deprimierendes Spiel. Wir haben uns gänzlich entfremdet und haben uns außer ein paar armseligen Belanglosigkeiten nichts zu sagen. Sogar mein überraschender Aufstieg scheint sie nicht besonders zu interessieren. Lügen, Nichtigkeiten und Kälte prägen das Verhältnis zwischen meinen Kindern und mir. Ist das der Lauf der Welt? Müssen dieses Schicksal alle Menschen teilen, die sich einst Kinder wünschten und nun voll Bitternis feststellen müssen, daß sie nur Fremde zur Welt gebracht haben?

Die einzigen Freuden, die mir geblieben sind, sind meine Arbeit und Rosalie. Oder gehört Rosalie auch in die Abteilung »Täuschungen, die das Leben schrieb«? Ist sie nicht vielmehr eine liebgewordene Gewohnheit, von der man nicht abzulassen vermag, weil man sich sonst verschämt eingestehen muß, daß sie nichts anderes als eine Gewohnheit ist und man jahrelang zu viel Aufhebens darum gemacht hat? Ich hoffe nicht.

Ich hatte nie eine leidenschaftliche Beziehung zu Frauen. Weder habe ich sie verstanden, noch haben sie mich sonderlich fasziniert. Nicht einmal als junger Mann. Die erste Frau, die mit mir Freundschaft schloß, habe ich geheiratet. Der Zugang zu einem Teil des Lebens, welcher von Dichtern als der beschrieben wird, für den sich überhaupt zu leben lohnt, blieb mir verschlossen. Was also habe ich aus meinem Leben gemacht?

Ich muß mit dieser demoralisierenden Grübelei aufhören. Sie führt zu nichts. Es ist spät. Morgen Vormittag werden die Tiere angeliefert, und ich muß dabei sein, wenn sie eintreffen. Ich hatte Experimente an Schimpansen beantragt, doch wie erwartet, wurden sie mir nicht genehmigt. Primaten dürfen erst in der letzten Phase des Projekts zum Einsatz kommen, war die fadenscheinige Begründung. Ignoranten! Sie weigern sich immer noch, zu erkennen, daß hier etwas Bahnbrechendes entsteht.

Aber ich muß Ruhe bewahren und eigentlich froh sein, nicht an Mäusen experimentieren zu müssen, die wegen ihrer dünnen Haut für meine Zwecke reine Zeitverschwendung wären.

18. März 1980

Die Tiere sind da! Ein unaufhörliches Miauen erfüllt das Gebäude, und die Laborantinnen sind angesichts der Putzigkeit dieser lebhaften Geschöpfe ganz aus dem Häuschen. Wir haben sie gemeinsam gefüttert und liebkost. Sie werden es gut bei uns haben, das garantiere ich.

27. März 1980

Der erste Versuch ist fehlgeschlagen. Ohne Betäubung haben wir an Köpfen von fünf Tieren kleine Schnitte angebracht und die Wundränder mit der »Suppe« präpariert. Aber anstatt zu kleben, hat das Gemisch das Fleisch vollkommen verätzt und sich wie Säure durch die Schädel bis zu den Hirnen durchgefressen. Die Tiere mussten sofort eingeschläfert werden.

Ein Rückschlag also. Ich hatte am Anfang nichts anderes erwartet, andererseits aber auch nicht mit dieser beängstigenden Aggressivität des Stoffes gerechnet. Etwas Grundlegendes läuft schief. Wir müssen intensiver arbeiten. Rom fällt aus.

2. April 1980/ 1:20

Ich bin hoffnungslos betrunken und eigentlich überrascht darüber, das ich noch in der Lage bin, diese Sätze zu formulieren. Der Rohrkrepierer von letzter Woche hat mein Selbstbewusstsein schlimmer getroffen, als ich mir anfänglich eingestehen wollte. Es ist schon merkwürdig. Wir haben im Versuch das Gemisch verwendet, bei dem die größte Aussicht auf Erfolg bestand. Mit dem schrecklichen Ergebnis hatte niemand gerechnet. Sogar Gray, der allem skeptisch gegenübersteht, war angesichts der unvorhergesehenen Reaktion erschüttert.

Wie nicht anders zu erwarten war, hat der Kreuzbrave Dr. Gabriel seinen eidgenössischen Freunden eine Botschaft zukommen lassen, bevor ich meinen Bericht abfassen und in die Schweiz schicken konnte. Daraufhin rief Gabriel an und informierte sich höchstpersönlich über das Fiasko. Dieses Panikgetue ist einfach skandalös und kann der Moral des Teams nur schaden.

Nach der Obduktion der Tiere mutmaßen wir, daß wir das Mißlingen des Experiments einer zu hohen Konzentration von Maleinsäure zu verdanken haben. Die Kopfhaut, die Schädelknochen und die Hirne der Probanden sehen wie unter Hitze geschmolzener Kunststoff aus. Die Konzentration verringern, das ist die Losung für den nächsten Monat.

Ich muß jetzt doppelt so hart arbeiten. Rosalie wird sich daran gewöhnen müssen, mich nur an Wochenenden zu Gesicht zu bekommen.

11. April 1980

Ironie des Schicksals: Obschon wir hier inzwischen dreißig Tiere beherbergen, ist mir heute morgen noch ein stattlicher Bursche zugelaufen. Als ich den Wagen gegenüber vom Labor parkte, sah ich ihn vor der Tür hin- und herlaufen und immer wieder energisch daran kratzen. Mutiger Kerl. Er sieht verwahrlost aus, wenngleich sein Muskulöser Körperbau erstklassige Veranlagung verrät. Die Laborantinnen verharren darauf, daß es sich bei ihm um einen Streuner handle. So haben wir diesen Satansbraten bei uns aufgenommen und ihn zu unserem Maskottchen erklärt. Er läuft im Gebäude frei herum und wird von jedem gehätschelt und mit Leckerbissen beköstigt. Mich würde interessieren, was er über seine Artgenossen in den Käfigen denkt.

25. April 1980

Ein neuer Versuch, ein neuer Flop. Drei Tiere wurden an der Bauchseite rasiert und mit dem Skalpell sauber aufgeschlitzt. Dann wurden die Wundränder mit der »Suppe« bestrichen und die Wunden mit Klammern zum Schließen gebracht. Fünf Stunden später mußten wir zu unserer Enttäuschung konstatieren, daß der Klebeeffekt so gut wie gar nicht eingetreten ist. Meiner Meinung nach liegt die Ursache des Scheiterns an der Verringerung der Säurekomponente. Ganz offensichtlich übt diese Substanz eine geheimnisvolle Wirkung auf das Gemisch aus, wobei ich gestehen muß, daß auch die anderen Substanzen nicht so richtig miteinander harmonieren wollen. Um einen Durchbruch zu erlangen, sind vielmehr Tierversuche und infolgedessen mehr Tiere nötig, als wir am Anfang ausgerechnet hatten. Vor allem viel mehr Zeit. Die Angelegenheit ist deshalb so ärgerlich, da wir uns nach der Bewältigung dieses Problems noch mit der Verträglichkeit des Präparats mit dem Immunsystem und der zeitversetzten Abstoßung beschäftigen müssen, was sicherlich auch kein Honigschlecken sein wird.

Gleich werde ich meinen Bericht abfassen und in die Schweiz schicken. Es ist niederschmetternd, erneut mit schlechten Nachrichten aufzuwarten, aber was sein muß, muß sein. Ich nehme jedoch stark an, daß PHARMAROX von Dr. Gabriel längst unterrichtet worden ist. Übrigens tut dieser feine Herr sich überhaupt keinen Zwang mehr an, seine wahre Funktion zu verbergen. Zu allem Überfluß hat auch noch dieser widerliche Knorr aus dem Institut seinen Besuch angemeldet. Unter dem Deckmäntelchen des kollegialen Kontaktpflegens will er sich von meinem Mißerfolg überzeugen.

Während ich dies alles schreibe, ist mir nach Weinen zumute. Gott möge mir die Kraft geben, mich aus diesem Dilemma zu befreien. Der Streuner, den ich zuletzt aufgelesen habe, sitzt auf dem Schreibtisch und betrachtet mich mit andächtigem Blick. Außer vielleicht Ziebold ist er wohl der einzige, der meinen Kummer versteht. Die anderen verhalten sich inzwischen dem Projekt gegenüber sonderbar gleichgültig. Sie sind Spitzenkräfte und können jederzeit bei einer anderen Firma oder Institution unterkommen. Wahrscheinlich halten sie mich für einen Idioten, weil ich mich mit so einer kindischen Idee beschäftige. Vielleicht haben sie gar nicht mal so unrecht.

7. Mai 1980

Der Frühling hat mit Pauken und Trompeten in den Gärten hinter dem Gebäude Einzug gehalten und sie schwindelerregend bunt zum Leben erweckt. Angesichts des ewig grellen Sonnenscheins und des Duftfestivals ringsumher möchte man vor Freude jauchzen. Trotzdem bin ich wohl der unglücklichte Mensch auf Gottes Erden. Heute morgen haben wir an zehn Tieren einen neuen Versuch unternommen. Das Ergebnis war die schlimmste Pleite, die wir bis jetzt erlebt haben. An unterschiedlichsten Körperregionen der Probanden wurden lange Schnitte angebracht, so daß große, klaffende Wunden entstanden. Nachdem wir die Schnittstellen mit der »Suppe« bestrichen hatten, preßten wir sie mit der chirurgischen Zange zusammen. Es war grauenerregend. Zunächst pappten die Wundränder tatsächlich zusammen, dann aber fraß sich das Gemisch innerhalb von Sekunden in das Fleisch hinein und ließ es matschig und fransig werden. Die Wunden wurden immer größer, bis sie schließlich unter dem herausspritzenden Blut und einer eitrigen Körpersubstanz nicht mehr zu erkennen waren. Als die Reaktion ein Ende fand, waren alle zehn Tiere tot.

Ich begreife das alles nicht. Es widerspricht einfach der Logik. Obwohl wir das Aciditäts-Problem mittlerweile im Griff haben, will das Präparat sich mit lebenden Zellen immer noch nicht vertragen. Ich bin vor Scham, Wut und Selbstzweifeln so überwältigt, daß ich am ganzen Körper zittere. Am liebsten würde ich jetzt auf Teufel komm raus weiter experimentieren, doch ich habe keine Idee, wie ich das vor dem Team rechtfertigen soll...
 

23:25
 

Seitdem die anderen das Gebäude verlassen haben, spende ich mir mittels einer Flasche Rotwein selbst Trost. Dabei kreisen meine Gedanken ununterbrochen um das schier unlösbare Problem. Doch die Grübelei bringt keine besonderen Erkenntnisse, weil ich in meinem Konzept keinen Fehler entdecken kann. Deswegen werde ich gleich einen neuen Versuch starten. Obgleich ich niemanden Rechenschaft schuldig bin, muß ich dieses Experiment geheim halten, weil ich offen gesagt selbst keinen plausiblen Grund dafür sehe. Ich fürchte, der namenlose Streuner wird daran glauben müssen.
 

2:30
 

Ein Wunder ist geschehen! Es hat auf Anhieb geklappt!

Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber das Experiment kann in der Tat als in Ansätzen gelungen bezeichnet werden.

Während ich die kleine Operation durchführte, fragte ich mich plötzlich, was ich mitten in der Nacht im OP zu suchen hatte. Ich kam mir wie ein Verbrecher vor, und all mein tun erschien mir so sinnlos und verrückt. Mit einem Erfolg hatte ich von Anfang an nicht gerechnet. Es war eher das trotzige Verhalten eines Kindes, das sich verzweifelt gegen den allmächtigen Vater aufbäumt, obwohl es weiß, daß es gegen ihn nicht die Spur einer Chance hat. Und dann das hier...

Nachdem ich den Streuner rasiert, ihm eine muskelerschlaffende Injektion verabreicht und mit ausgestreckten Pfoten auf dem Operationstisch festgebunden hatte, brachte ich einen zirka fünfzehn Zentimeter langen Schnitt an seinem Bauch an. Er schrie und knurrte erbärmlich und versuchte zu beißen. Bevor aus der Wunde richtig Blut fließen konnte, präparierte ich sie mit dem Gemisch. Dann preßte ich die Wundränder mit Daumen und Zeigefinger zusammen, und ehe ich mich versah, geschah das Wunder: Sie klebten Augenblicklich zusammen. Ich war derart überrascht, daß ich das, was ich sah, für ein Trugbild hielt, hervorgerufen vom guten Rotwein, der meine Sinne zugegebenermaßen ein wenig vernebelt hatte. Daraufhin wurde ich schlagartig nüchtern. Tausend Fragen schossen mir durch den Kopf, aber sie alle verloren an Bedeutung angesichts dieses langersehnten Triumphs. Warum wirkte das selbe Mittel, das noch sechszehn Stunden vorher versagt hatte? Lag es an der Dosierung? Hatten meine Mitarbeiter schlampig gearbeitet? Ich setzte mich auf einen Stuhl und beobachtete bei einer Zigarette den Patienten, der über seine Schockheilung selbst überrascht zu sein schien. Eineinhalb Stunden vergingen, in denen ich den OP aufräumte und mich krampfhaft bemühte, von meiner Wolke des Glück hinabzusteigen. Dann untersuchte ich die Wunde noch einmal. Die Wundränder hatten sich inzwischen etwas voneinander gelöst, was vernachlässigbar ist, da wir erst am Anfang der Entwicklung stehen. So nähte ich den Schnitt sicherheitshalber und steckte den Patienten in den Käfig zurück. Er blickte mich perplex an, als wolle er wissen, was das Ganze zu bedeuten habe. Ich lachte leise und wollte den Raum verlassen, als mir plötzlich einfiel, daß der Patient ja noch gar keinen Namen besaß. Nach kurzer Überlegung verfiel ich schließlich auf die klassische Methode der Namengebung und taufte meinen Helfer und Freund »Claudandus«.

10. Mai 1980

Sie nahmen es mit nonchalanter Gelassenheit hin. Nicht, weil ich Claudandus für den Test mißbraucht habe, sondern weil ich es hinter ihren Rücken tat. Als sei ich ein kleiner Chemielaborant, der sie sogar zum Säubern der Reagenzgläser um Erlaubnis fragen muß. Man nimmt mich immer noch nicht ernst. Das ist der springende Punkt. Irgendetwas muß an meinem Gesicht, in meinem Verhalten, in meinem ganzen Wesen liegen, welches die Menschen dazu verleitet, an meiner Autorität zu zweifeln, falls ich je eine besessen habe. Doch das soll mir gleich sein, denn das einzige, was zählt, ist die »Suppe«.

Claudandus hat sich von der Operation prächtig erholt und schläft meistens. Bleibt abzuwarten, ob das Abwehrsystem den Kleber nach der berechneten Zeit abstößt. Ich habe die gesamte Bauchseite mit einer abstoßend schmeckenden Substanz besprüht, damit das Tier nicht an der Wunde leckt oder gar seine Nähte durchbeißt. In ein paar Wochen werden wir den Versuch an mehreren Tieren wiederholen, wobei wir exakt so vorgehen wollen wie ich in der wunderbaren Nacht.

Ein Triumph kommt selten allein: Der schreckliche Besuch des Einfaltspinsels Knorr ist glatt über die Bühne gegangen, und er hat nicht die Genugtuung bekommen, die er sich so gewünscht hat. Schließlich hatten wir Claudandus vorzuweisen.

1. Juni 1980

Ich bin kurz davor, meinen Verstand zu verlieren. Die Wende, die ich in meiner Überheblichkeit für längst vollzogen hielt, hat offensichtlich niemals stattgefunden. Der Versuch ist an allen fünf Tieren fehlgeschlagen. Das Gemisch hat nicht nur keine Wirkung gezeigt, sondern auch noch aus unerklärlichen Gründen die natürliche Blutgerinnung aufgehoben, so daß die Tiere jämmerlich verblutet sind.

Ich habe einen schlimmen Verdacht. Wir warten nur noch, bis Claudandus’ Bauchwunde geheilt ist. Dann werden wir ihn wieder »auseinandernehmen« müssen.

14. Juni 1980

Es ist genauso, wie ich vermutet habe. Claudandus ist eine Mutation. Was ihn von den anderen Tieren unterscheidet, wissen wir nicht. Aber irgendein Faktor in seiner Genstruktur sorgt dafür, daß der Organismus die »Suppe« problemlos aufnimmt. Heute nahmen wir uns die Flanken des Tieres vor und präparierten sie mit unterschiedlich langen und tiefen Schnitten. Auch an seinen Innereien wurden ein paar oberflächliche Schnitte angebracht. Nach der Behandlung mit dem Gemisch klebten die Wundränder so gut, daß wir diesmal sogar auf die Sicherheitsnähte verzichten konnten. Danach wurde mit einem anderen Tier dasselbe Experiment wiederholt, welches jedoch völlig mißlang. Wir gaben uns nicht mehr die Mühe, den Verletzten zusammenzuflicken und schläferten ihn auf der Stelle ein.

Zum Glück haben wir Gray bei uns, denn von nun an fährt unser ramponierter Forschungszug in Richtung Genetik. Wir müssen unendlich viele Untersuchungen bei Claudandus durchführen, um sein »Geheimnis« zu lüften. Nebenher laufen die Versuche mit den anderen Tieren natürlich weiter. Ich habe ernsthaft Sorgen, daß PHARMAROX in Anbetracht des ungewiß gewordenen Erfolges mit dem Gedanken spielen könnte, sich von dem Projekt zu distanzieren oder gar zu trennen. Was soll dann aus mir werden? Ins Institut gehe ich auf keinen Fall mehr zurück!

2. Juli 1980

Gray und Ziebold sind die ganze Zeit damit beschäftigt, eine Genanalyse von Claudandus zu erstellen, soweit dies mit unseren bescheidenen Mitteln möglich ist. Das Tier ist nicht zu beneiden, denn es muß unvorstellbares Leid über sich ergehen lassen. Ständig müssen Gewebeproben entnommen, Injektionen und schmerzverursachende Substanzen verabreicht und Eingriffe an seinen Innereien vorgenommen werden. Es ist ein Bild zum Heulen. Da wir die Hälfte der uns zu Verfügung stehenden Zeit überschritten haben, müssen wir unter Hochdruck arbeiten. Daß wir jeden Tag fast ein Dutzend Tiere aufschneiden, wieder zunähen, oft verstümmeln oder gleich einschläfern, ist zur makabren Routine geworden. Hinzu kommt, daß ich wegen meiner Trinkerei immer öfter mit Rosalie Streit bekomme. Diese Frau weigert sich einfach einzusehen, daß ich vor Streß und Niedergeschlagenheit beinahe explodiere und zumindest in der Nacht ein beruhigendes Ventil brauche.

Ich war nie dem Alkohol zugetan, auch in meiner Freizeit nicht. Meine Affinität zum Rotwein war eigentlich nur vom feinschmeckerischen Belang. Doch in den letzten Monaten stimuliert der Alkohol alle meine Sinne, lässt mich klarer denken und sorgt für die Entspannung, die ich so bitter nötig habe. Rosalie begreift das alles nicht. Ob sie je etwas begriffen hat? Ich meine die Bedeutung meiner Arbeit, meine Träume, den Sinn, den ich meinem Leben zu geben versuche? Offenbar können zwei Menschen eine Ewigkeit zusammenleben, ohne den anderen zu kennen und zu verstehen. Diese Einsicht ist bitter und traurig, traurig wie alles hier.

17. Juli 1980

Wir kommen nicht voran. Doch das scheint nicht mal Das eigentliche Unglück zu sein, sondern vielmehr, daß meine Mitarbeiter immer weniger Lust und Willen zeigen, an diesem Projekt weiterzuarbeiten. Junge Menschen, insbesondere aufstrebende, scheinen einen unfehlbaren sechsten Sinn für das Versagen zu besitzen, der sie kurz vor dem Abgrund vom falschen Pferd abspringen lässt. Obwohl sie versuchen, sich nichts anmerken zu lassen, indem sie fleißig ihr Tagwerk verrichten, pflichtschuldig über meine Witze lachen und jeden unbedeutenden Fortschritt zu einem Durchbruch hochstilisieren, muß man schon sehr unsensibel sein, um nicht zu merken, daß alle längst von den lähmenden Pfeilen der Resignation durchbohrt sind. Wie können junge Leute nur so kurzatnig und schwach sein? Wissen sie nicht, daß große Dinge allein von Menschen mit großen Mut und großen Herzen erschaffen werden können? Einen erfreulichen Nebenaspekt hat die traurige Geschichte. Je mehr ich mich mit diesen Tieren beschäftige und über sie erfahre, desto stärker faszinieren sie mich. Gleichgültig, was für ein Ende das Projekt finden wird, ich gedenke, danach die Arbeit in der Forschung ganz aufzugeben, wahrscheinlich überhaupt nicht mehr zu arbeiten. Die Züchtung von diesen Biestern auf streng wissenschaftlicher Basis wäre dann ein hübsches und auch einträgliches Hobby. Um ehrlich zu sein, ich habe schon heimlich damit angefangen.

4. August 1980

Drei Hiobsbotschaften an einem Tag: Jetzt ist es amtlich. Heute morgen landete ein Brief von PHARMAROX auf meinem Schreibtisch, in dem mir Geibel mitteilt, daß die Ausgaben für das Projekt um ein Drittel gekürzt sind. Die konkrete Folge des sinnlosen Einschnitts: Entlassung fast aller Laborantinnen und eines Bioassistenten, Kürzung der Gehälter, drastische Einsparung an Versuchstieren und diversen Kleinigkeiten, deren Fehlen uns die Arbeit noch schwerer gestalten wird, als sie ohnehin schon ist. Diese Pfennigfuchser tun genau das Verkehrte. In diesen bedrückenden Stunden, da wir nicht weiterkommen und eigentlich mehr finanzielle Zuneigung benötigten, kürzen sie den Etat. Obendrein hat Gray um seine Entlassung gebeten. Ich nehme an, er will nicht, daß sein Name später mit einem Flop in Zusammenhang gebracht wird, was zugegebenermaßen einen hohen Grad an Intelligenz beweist.

Die dritte Katastrophenmeldung ist dem gegenüber von harmloserer Natur. Die Veterinärbehörde genehmigt uns weniger Tierversuche, als wir beantragt haben. Um die Anzahl der bisher ausgestellten Genehmigungen konstant zu halten, verlangen die Kommissionsmitglieder detaillierte Einsichten in die Experimente, was auf gut deutsch heißt, auch sie wollen Erfolge sehen. Was sagt man dazu! Als würde das Projekt nicht von PHARMAROX, sondern von diesen Klugscheißern finanziert. Ich kann mir natürlich denken, wer hinter diesem gefährlichen Unfug steckt: Knorr und seine Spießgesellen. Da sie keine andere Möglichkeit sehen, meine Arbeit zu sabotieren, probieren sie es auf diese miese Tour.

Es ist jetzt zwei Uhr nachts. Im ganzen Gebäude herrscht brüllende Hitze. Ich bin wieder betrunken, und alle meine Gefühle scheinen wie abgestorben zu sein. Gerade eben war ich im Tierraum, um nach meinen Patienten zu sehen und ihnen Wasser zu geben. Sie alle haben große, hässliche Narben, die man auf dem rasierten Fell deutlich erkennen kann. Es ist bedauerlich, daß einige unter ihnen verstümmelt werden mussten, aber wir hatten keine Wahl. Am schlimmsten geht es Claudandus, dessen genetischen Code wir immer noch nicht entschlüsseln konnten. Durch die Zahllosen Experimente hat er mittlerweile das Aussehen eines Monsters. Er schlief, doch er stöhnte im Schlaf vor Schmerzen. Wenn tatsächlich noch ein Wunder geschehen sollte, werde ich ihm ein Denkmal setzen. Ich werde das Präparat »Claudandus« nennen.



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Von: abgemeldet
2006-07-04T12:40:20+00:00 04.07.2006 14:40
Erst dachte ich, er hätte vielleicht ein wenig Gewisensbisse bekommen, aber schon im darauffolgenden Kapitel hast du das Gegenteil bewiesen. Er will jetzt "diese Biester" züchten, als ein Hobby. Im siebzehnten Kapitel erscheint er mir wieder etwas reuemütiger, weil er Mitleid mit Claudandus hat, aber andererseits macht er sich auch unbeliebt bei mir, weil er sich über zu wenig Tierversuche aufregt. Die Anzahl an Versuchen scheint mir ohnehin viel zu hoch zu sein. Oft sind die Versuche wohl sinnlos, weil er nur zur Überprüfung das unveränderte Mittel noch ein mal testet. Das Mittel nach ihm zu bennennen wird Claudandus auch nichts bringen. Weshalb müssen sie ihn immer wieder schneiden? Genügt es nicht, sein Genom zu entschlüsseln, um herauszufinden, was ihn von den anderen unterscheidet? Ihn immer wieder zu quälen, denn nichts anderes tun sie meiner Meinung nach mit ihm, bringt doch nichts. Mir kommt es so vor, als wollten sie nur weitere Versuche durchführen, um überhaupt zu forschen, weil sie einfach nicht weiterkommen. Sicher, die Idee des Professors mag gut sein, doch die Durchführung ist sehr stümperhaft. Vielleicht sollte er einfach zugeben, dass er einen Fehler gemacht hat. Dass es nicht schafft. Das würde die Sache einfacher und weniger grausam machen, aber er beharrt ja darauf, recht zu haben.
Laluna
Von: abgemeldet
2006-06-23T19:28:18+00:00 23.06.2006 21:28
Auch dieses Kapitel ist wieder sehr gut geworden, auch wenn gut narürlich nicht das richtige Wort für den Inhalt ist. Dein Stil ist sehr gut und du bringst den Inhalt gut rüber, aber das was ich lese gefällt mir in dem Sinne nicht, dass ich es einfach nur schrecklich finde wie sie mit den Tieren umgegangen sind. Ich hoffe, du verstehst, was ich damit sagen will, ich weiß einfach nicht, wie ich das was ich denke in Worte fassen soll.
Von: abgemeldet
2006-06-02T19:58:23+00:00 02.06.2006 21:58
Sie werden Claudandus "auseinandernehmen" müssen. Wie das schon klingt!!! Richtig herzlos und grausam, aber so war (und ist es heute) ja wirklich. Du hast es richtig gut rübergebracht, ich fang langlam an, den Professor zu hassen, wenn ich das lese. Ich hoffe, dass bald neue Kapitel kommen. Vielleicht ist ja auch mal wieder ein längeres dabei.
Laluna
Von: abgemeldet
2006-05-16T12:05:58+00:00 16.05.2006 14:05
Wie bist du eigentlich auf die Idee gekommen, so etwas zu schreiben? Es ist erschreckend und fesselnd zugleich. Durch den Schreibstil, wird man direkt in das Geschehen hineinversetzt. Manchmal habe ich das Gefühl, du müsstest den Professor persönlich gekannt haben. Durch deine Geschichte wird man richtig nachdenklicht. Das Tierversuche so grausam sind, hätte ich nicht gedacht. Warum werdendie Katzen nicht betäubt? Hätte das etwa auswirkungen auf das Mittel? Ich verstehh es nicht. Ich finde es gut, das sich jemand mit diesem Thema auseinandersetzt. Dadurch, dass du das hier schreibst, werden hoffentlich noch mehr Leute, so wie ich, nachdenklich.
Laluna
Von: abgemeldet
2006-05-16T11:35:12+00:00 16.05.2006 13:35
Echt klasse! Ich muss unbedingt gleich weiterlesen.
Von:  Steinbock
2005-10-22T14:49:39+00:00 22.10.2005 16:49
Cooool! Schreib bitte schnell weiter. Felidae erinnert mich so an diesen Zeichentrickfilm, der auch voll cool ist.
Das gesamte Werk ist bis jetzt verdammt interessant, mach bitte weiter...
Von: abgemeldet
2005-10-05T13:33:49+00:00 05.10.2005 15:33
Bin zwar jetzt nur mit diesem Kapitel fertig geworden, aber is schon megageil!!! Schreib unbedingt weidda!!!


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