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Warum tut es mir so weh?

RobertxJohnny
von

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Verlaufen

Warum tut es mir so weh?

Verlaufen

[01/21]
 

Er rannte durch die Straßen der Stadt, seine Haare waren zerzaust, seine Kleidung mit Dreck bespritzt. Immer noch rannen ihm Tränen über seine Wangen und ließen seine Sicht verschwimmen.

Während seiner Flucht war er einigen Leuten begegnet und die meisten hatten ihm verwundert nachgesehen. Doch das war auch das Einzige, was sie taten: Schauen. Glotzen. Gaffen. Mehr konnte man auch nicht erwarten. Was sollte auch so schlimm an einem rennenden Jungen sein, der weinte?

Die Sonne schimmerte rötlich, verschwand langsam hinter dem Horizont, während es immer dunkler wurde. Bald war die Nacht vollkommen.

Fast niemand war mehr unterwegs, nur noch vereinzelt waren ein paar Menschen zu sehen. Er verlangsamte seinen Schritt, ging nur noch. Ein leises Schluchzen entwich ihm und er wischte sich erschöpft die Tränen aus den Augen. Schon seit einiger Zeit war er sich nicht mehr allzu sicher, wo er sich genau befand. Er hatte sich verlaufen. Das war aber auch nicht weiter verwunderlich, immerhin kannte er sich in Berlin kein bisschen aus.

Müde ließ er sich auf einer Parkbank nieder. Ihm war kalt, er fühlte sich einsam und verlassen. Gedankenverloren zupfte er an seiner kurzen Hose herum und blickte sich dann langsam um. Nein, hier war er noch nie gewesen. Vielleicht, schoss es ihm durch den Kopf, wäre es besser gewesen, nicht Hals über Kopf wegzulaufen. Aber eine andere Möglichkeit hatte er ja nicht gehabt.

Er war einfach in den nächsten Zug eingestiegen und hatte diesen dann einige Male gewechselt. Dann hatte er beschlossen Kontakt zu Robert aufzunehmen, doch dieser hatte nicht auf seine Anrufe reagiert, sodass Johnny bald befürchtet hatte, dass Robert etwas Ähnliches zugestoßen war wie seinen Eltern oder dem, welchem er selbst nur knapp entkommen war. Er hatte sich einen Platz in einem öffentlichen Flugzeug gesucht und war sofort nach Berlin geflogen, doch kaum war er am Flugplatz angekommen, waren da schon wieder diese Männer gewesen. Er war ihnen nur mit Mühe und Not entkommen.

Von da an war er nur noch gerannt. Das alles musste jetzt schon zehn Stunden her sein. Seitdem hatte Johnny keine Pause gemacht, weder gegessen, noch geschlafen. In seiner blinden Panik war er einfach nur gerannt, bis er selbst am Ende nicht mehr wusste, wo er sich befand.

Ein kalter Windhauch lies ihn frösteln. Rein aus Reflex rieb er sich die nackten Unterarme und schlagartig wurde ihm klar, wie hilflos er doch war und wie aussichtslos seine Lage zu sein schien. Vorsichtig lehnte er sich zurück und schloss die Augen; Nur langsam entspannte er sich und allmählich machte sich Müdigkeit in ihm breit.

Ein leises Geräusch ließ ihn zusammen zucken und erschrocken hochfahren. Nichts... Er wollte sich gerade wieder erleichtert setzten, als ihn plötzlich zwei kräftige Hände von hinten ergriffen. Die Eine bedeckte seinen Mund, die Andere umschlang seinen Körper. Johnny klammerte sich panisch an die Hand vor seinem Mund und versuchte sie wegzuziehen. Sein Griff schloss sich fester um die Hand, doch es half nichts. Stattdessen schien der Druck über seinem Mund eher zuzunehmen. Tränen stiegen erneut in Johnny hoch.

War er die ganze Zeit gerannt, hatte er alles auf sich genommen, nur damit es nun so endete? Verzweifelt warf er seinen Kopf hin und her und er fing an zu zittern. Nein...!

Die Tränen schossen ihm in die Augen. Sollte es wirklich so enden?

In einem letzten Versuch krallte sich Johnny in der Hand des Angreifers fest und stellte erleichtert fest, dass es anscheinend wehtat, da sich der Griff etwas lockerte. Allerdings war das auch das Letzte, was er wahrnahm.
 

Wärme umfing seinen Geist und seinen Körper. Dennoch fühlte er sich schwach und ihm war einfach nur übel. Er war immer noch ziemlich mitgenommen von der Rennerei des letzten Tages, außerdem dröhnte sein Schädel fürchterlich. Vorsichtig hob er die Hand und betastete seinen Kopf damit. Ein hämmernder Schmerz erwachte schlagartig in ihm und er stöhnte leise und schmerzerfüllt auf.

Mühsam öffnete er die Augen. Er konnte nicht viel erkennen, alles war verschwommen, aber er bemerkte zumindest, dass er in einem Bett lag. Auf einem weichen Bett, und anscheinend in einige Decken gehüllt. Müde zog er die Decken etwas höher und schloss seine Augen wieder. So schön warm war es hier. Eine Weile blieb er so liegen und lauschte nur dem Schlagen seines Herzens, dann öffnete er seufzend wieder die Augen und richtete sich halb im Bett auf.

Unsicher blickte er sich um. Seine Kleidung hing über einem Stuhl neben dem Bett. Außer dem Stuhl waren noch ein Tisch und ein Schrank in dem Zimmer. Die Wände waren aus Stein, wie sonst nur bei Burgen.

Erleichtert lächelte Johnny. Er kannte das Zimmer. Natürlich... er hätte es gleich wissen müssen. Er war bei Robert. Andererseits... er war brutal überfallen worden und die Männer, die hinter ihm her waren, hatten sich immerhin auch seines eigenen Schlosses bemächtigt. Johnny verkrampfte sich und sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Was, wenn...?

Erschrocken fuhr er herum, die Zimmertür schwang auf und jemand betrat das Zimmer. Robert blickte ihn ernst an. "Na, ausgeschlafen?"

Zögerlich musterte Johnny Robert, ehe er langsam nickte. "Wie komme ich hierher?", fragte Johnny kühl und sein Blick fiel auf Roberts Hand, um die ein leichter Verband gebunden war. Auf einmal war ihm klar, wer ihn im Park ,überfallen' hatte. Immer noch starrte Robert ihn ernst an. "Ich habe dich in der Stadt gefunden." ",Gefunden' nennst du das?", platzte es wütend aus Johnny heraus.

Robert sah ihn kalt an, sagte aber nichts. "Was ist?" , fuhr Johnny ihn an. Robert warf ihm einen kurzen, missbilligenden Blick zu, dann wandte er sich ab und ging zur Tür. "Du kennst dich ja hier aus, daher muss ich dir ja nicht sagen, wo du mich findest."

Mit diesen Worten fiel die Tür ins Schloss. Johnny schaute in Richtung Tür, dorthin, wo eben noch Robert gestanden hatte. Wieso war er nur schon wieder ausgerastet? Immer wenn Robert in der Nähe war! Dabei kannten sie sich nun schon, seit sie Kleinkinder gewesen waren. Wahrscheinlich eben weil er Robert nun schon so lange kannte. Er wollte weder dumm vor ihm dastehen, noch zeigen, wie verletzlich er eigentlich war. Wieso hatte ausgerechnet Robert ihn in diesem Park finden müssen? Und dann hatte Johnny ihn auch noch an der Hand verletzt. Nicht schlimm... aber Johnny machte sich große Vorwürfe, immerhin war Robert sein bester Freund. Das war wohl auch der Grund, weshalb er überreagiert hatte. Weshalb er immer überreagierte.

Johnny hielt viel von Robert. Er hatte immer Zeit für ihn gehabt und hatte ihm immer geholfen. Allerdings seit Robert damals auf das private Internat gewechselt war - und sie sich seltener gesehen hatten, bis Johnny auch auf das Internat gewechselt war - hatte er sich Johnny gegenüber völlig verändert: Zwar war er immer noch hilfsbereit, doch er war ernster, erwachsener und distanzierter geworden.

Das änderte allerdings nichts an der Bewunderung, die Johnny für Robert empfand. Robert war für ihn eine Art Vorbild und er würde es wohl auch immer bleiben. Es war mehr als Freundschaft, durch die er von Robert wie magisch angezogen wurde, darüber war Johnny sich schon länger im Klaren gewesen.

Dennoch brachte Johnny es immer wieder fertig, ihre Freundschaft durch seine Dickköpfigkeit zu riskieren.
 

~*~

Wut

Warum tut es mir so weh?

Wut

[02/21]
 

Als Johnny den Speisesaal betrat, saß Robert bereits an seinem Platz und las Zeitung. Johnny näherte sich langsam dem Tisch und überlegte, ob er sich zu Robert setzten oder lieber etwas Abstand halten sollte, doch als er am Tisch angekommen war, nahm ihm Robert diese Entscheidung ab, indem er schweigend auf den Stuhl neben sich deutete.

Zögernd setzte sich Johnny auf diesen und versuchte Roberts Blicken auszuweichen. Nach einer Weile, in der Beide geschwiegen hatten, fing Robert an zu reden: "Okay, Johnny, was willst du hier in Berlin?"

Johnny warf ihm einen kurzen, berechnenden Seitenblick zu. "Ich wollte...", fing er zögerlich an, "...dich besuchen..."

Schlecht gelogen, schoss es ihm durch den Kopf und als er Roberts Blick auffing, war ihm klar, dass Robert bereits mehr wusste, als Johnny ihm überhaupt gesagt hätte. Robert schaute ihn immer noch ernst an und schwieg, während Johnny - in einem plötzlichen Interesse - seine Schuhe betrachtete. Er spürte immer noch den Blick von Robert in seinem Nacken und er wurde etwas nervös. Als er nach einer Weile unsicher aufblickte, stellte er fest, dass Robert ihn immer noch anblickte. "Was ist?", murmelte Johnny und blickte ihn böse an. "Das musst du selbst wissen", meinte Robert kühl, wandte seinen Blick von Johnny und trank einen Schluck Kaffee.

Johnny runzelte die Stirn. 'Er müsse es selbst wissen...' was tat das jetzt bitte zur Sache?

"Willst du nichts essen?"

Nett, wie immer, dachte Johnny und nahm sich eines der Brötchen, das er auch sofort aufschnitt und bestrich. Schlagartig wurde ihm wieder klar, wie lange er ohne Essen ausgekommen war und sein Magen machte einen Satz, als ihm der Duft der Marmelade in die Nase stieg.

"Ich weiß", sagte Robert nach einer weiteren kurzen Pause - allem Anschein nach hatte er es aufgegeben darauf zu hoffen, dass sein Gegenüber ihm die ganze Sache erklärte, "dass du nicht zu dir nach Hause zurück kannst, weil eine Organisation deine Eltern und euer Haus überfallen haben. Dein Schloss scheint ihr neuer Stützpunkt zu sein."

Johnny starrte Robert entsetzt an. "Woher...?" "Oh, das war nicht schwer", meinte Robert trocken, "Wie gesagt, ich habe dich in der Stadt gefunden, als du gerade von einem Mann überfallen wurdest. Ich habe ihn, mit Griffolyons Hilfe, k.o. geschlagen und dann dich und den Mann mitgenommen."

Robert warf einen überlegenden Blick auf Johnny. "Er war wesentlich früher wieder wach als du, und so hatte ich genügend Zeit ihn auszufragen." Langsam nickte Johnny.

"Ich weiß auch, dass sie hinter dir her sind, weil du ihnen im Weg stehst. Außerdem weißt du zuviel, wie der Mann sagte, was ich aber nicht glaube."

Verwirrt blickte Johnny Robert an. Erst nach und nach verstand er, was Robert da gesagt hatte. "Ich... Ich weiß überhaupt nichts!"

"Ja", stimmte Robert trocken zu. "Das habe ich schon oft genug bemerkt." Johnny zog scharf die Luft ein. "Auf jeden Fall", fuhr Robert fort, ohne Johnny zu beachten, "solltest du vorerst hier bleiben."

"Toll!", rief Johnny aufgebracht. "Und was soll das bringen? Die Kerle wissen sicher schon längst, dass ich hier bin und meinen Eltern hilft das auch nichts!"

"Doch. So wissen sie wenigstens, dass ihr Sohn in Sicherheit ist und machen sich nicht allzu große Sorgen." "Hier...? In Sicherheit?"

"Zumindest mehr in Sicherheit als anderswo. Ich passe schon auf dich auf."

"Ich kann selbst auf mich aufpassen!" "Das weiß ich", meinte Robert und erhob sich von seinem Stuhl. "Aber Vorsicht ist besser als Nachsicht."

Robert ging in Richtung Tür. "Wohin gehst du?", fragte Johnny, als Robert an der Tür angekommen war. "In mein Schachzimmer." Mit diesen Worten trat er hinaus.
 

Leise ging Johnny die steinernen Gänge von Roberts Schloss entlang. Nachdem er fertig gegessen hatte, hatte er beschlossen zu Robert zu gehen, um mehr über den Vorfall zu erfahren. Es dauerte eine Weile, doch schließlich kam Johnny an der Tür des Schachzimmers an. Er hielt es nicht für nötig zu klopfen, sondern öffnete einfach die Tür und trat ein. Robert schaute nicht einmal von seinem Buch auf. Johnny stemmte seine Hände in die Seiten und meinte dann: "Robert, hast du Zeit?"

Robert warf ihm einen kurzen, berechnenden Blick zu. "Nein."

Verwirrt musterte Johnny ihn. "Wie "nein"?"

"Nein. Nein, das heißt ich habe keine Zeit. Ich würde gerne dieses Buch hier lesen. Danach habe ich noch Termine. Ich kann mich nicht die ganze Zeit nur um dich kümmern."

Johnny starrte ihn an. "Du wirst doch wohl noch genug Zeit haben, dich kurz mit mir zu unterhalten!" Robert reagierte nicht, sondern blätterte stattdessen eine Seite seines Buches um.

"Bin ich es jetzt nicht einmal mehr wert beachtet zu werden?" Robert musterte ihn genervt, sagte allerdings nichts und wandte sich dann jedoch wieder seinem Buch zu. Wut stieg in Johnny hoch.

Das sollte sein bester Freund sein, der immer für ihn da war? Wut wurde zu Zorn.

Keine Zeit war ja in Ordnung, aber ihn deshalb zu ignorieren? Konnte es sein, dass Robert ihn überhaupt nicht ernst nahm? Konnte es sein, dass Robert ihn nie ernst genommen hatte und ihre Freundschaft nur eine, von Johnny geschaffene, Illusion war? Das konnte doch einfach nicht wahr sein!

Er wurde von einer wahnsinnigen Organisation verfolgt, die seine Eltern als Geisel hielten und Robert war das Ganze egal? Warum unternahm er nicht einmal den Versuch, ihm zu helfen?!

Mit einem wüsten Blick starrte er Robert an. Dieser schaute gerade auf und wollte etwas sagen, als er Johnnys Blick bemerkte. "Weißt du was? Ich konnte dich noch nie ausstehen, Robert, noch nie!", platzte es aus Johnny heraus. Er rannte zur Tür und schlug sie hinter sich zu. Robert blickte nur ungläubig hinterher.
 

"Johnny! Johnny, verdammt! Jetzt mach endlich die blöde Tür auf!" Seit einer halben Stunde stand Robert jetzt schon vor der Tür. Johnny hatte sie abgeschlossen und den Schlüssel dann noch ein halbes Mal umgedreht, sodass Robert, selbst mit einem Ersatzschlüssel, nicht hereinkam. Gelangweilt lag Johnny auf seinem Bett und starrte an die Decke, während Robert immer wieder gegen die Tür hämmerte.

Dann richtete sich Johnny langsam auf und lauschte. Das Klopfen hatte abgebrochen und alles war still. Zufrieden lächelte Johnny, wollte allerdings nicht zugeben, dass er es Robert übel nahm, dass er es nicht noch weiter versucht hatte, ihn aus seinem Zimmer zu bekommen. Johnny fing an im Raum herumzulaufen. Nach einer Weile blieb er stehen und blickte sich um. Robert müsste inzwischen nicht mehr in der Reichweite des Zimmers sein und er konnte ja nicht ewig in diesem Zimmer bleiben. Sein Magen meldete sich bereits wieder.

Zielstrebig ging er auf die Tür zu und schloss sie langsam auf. Dann öffnete er sie einen kleinen Spalt, um sich zu vergewissern, dass Robert auch wirklich weg war. Er sah nur die leeren Wände. Von Robert keine Spur...

Erleichtert atmete er aus und öffnete die Tür soweit, dass er hinaustreten konnte. Gerade, als er den ersten Schritt nach draußen tat, wurde er zurück in das Zimmer geschubst. Er verlor das Gleichgewicht und landete auf seinem Hintern. Als er wieder aufblickte war die Tür wieder verschlossen und Robert, der jetzt Johnnys Zimmerschlüssel in der Hand hatte, stand über ihm. Johnny kniff die Augen zusammen. "Was willst du?"

"Mit dir Reden." "Warum?" Robert blickte Johnny an. Der junge Schotte konnte nicht deuten, was es mit Roberts Blick auf sich hatte, er war nicht so kühl wie sonst immer, sondern eher...
 

~*~

Unsicherheit

Warum tut es mir so weh?

Unsicherheit

[03/21]
 

Johnny wurde abgelenkt, als Robert sich zu ihm hinunterbeugte und ihn auf die Beine zog. Er stieß Johnny auf das Bett und setzte sich auf den Stuhl, an dem am Morgen noch Johnnys Kleidung gehangen hatte. Johnny blickte ihn düster an.

"Okay...", meinte Robert, "Es tut mir Leid, dass ich dich vorhin so grob behandelt habe."

Johnny starrte ihn an. Robert hatte sich entschuldigt?! Ausgerechnet Robert? Bei ihm? "Allerdings muss ich sagen, dass du dich auch nicht gerade sehr höflich verhalten hast." Robert blickte Johnny erwartungsvoll an.

Johnny überlegte kurz, dann zögerte er. Es war klar, worauf Robert hinauswollte. Und eigentlich hatte Johnny das "Ich konnte dich noch nie ausstehen, Robert!" auch nur aus seiner Wut heraus gesagt.

Es lag Johnny nicht sonderlich sich zu entschuldigen. Er hatte sich so gut wie noch nie bei irgendjemandem entschuldigt. Außerdem fiel es ihm schwer Robert zu verzeihen, dass ihm seine Familie so egal war.

"Ähm... das vorhin habe ich nur gesagt, weil... ich wütend war", während er das sagte, versuchte Johnny Robert möglichst nicht anzuschauen, blickte dann jedoch trotzdem auf. Robert lächelte. Anscheinend hatte er die Entschuldigung angenommen. Nach einer Weile, in der sie sich schweigend gegenüber gesessen hatten, fragte Johnny: "Was hat es mit dieser Organisation auf sich?"

Robert überlegte kurz. "Nun... sie nennen sich Geowatt. Ich nehme an, dass die Mitglieder von Biovolt, die damals nicht gefasst werden konnten, nicht aufgeben wollten und deshalb eine neue Organisation gegründet haben. Ich weiß nicht, weshalb sie ausgerechnet dein Schloss als Stützpunkt gewählt haben...", Robert runzelte die Stirn, "Aber ich weiß, dass du in Gefahr bist. Deshalb... tu bitte nichts Unüberlegtes."

Überrascht blickte Johnny Robert an. Dieser lächelte sanft. Johnny fühlte sich irgendwie unbehaglich. So hatte Robert ihn noch nie angesehen. Irgendetwas stimmte da doch nicht. Was war so plötzlich in seinen besten Freund gefahren?

"Ich weiß auch", erklärte Robert weiter, "dass sie deine Eltern als Geiseln halten, falls die Polizei Wind von der Sache bekommen sollte. Also werden sie auch einigermaßen gut behandelt, immerhin werden sie noch gebraucht."

Johnny nickte. Er hatte verstanden, dass Robert nicht wollte, dass er sich unnötig Sorgen machte und am Ende vielleicht sogar versuchte seine Eltern im Alleingang zu befreien. Was Johnny allerdings verunsicherte, war, dass Robert keinerlei Anstalten machte, zu gehen.

"Ist noch etwas?", fragte er Robert und blickte ihn verwirrt an. Robert lächelte ihn immer noch an, fast so, als wüsste er etwas über Johnny, was dieser selbst nicht wusste. "Habe ich etwas im Gesicht?" Langsam erhob sich Robert und ging auf Johnny zu. Irgendwie war es unheimlich. Robert war jetzt ganz nah am Bett und beugte sich zu ihm hinunter. Fragend sah Johnny ihn an. "Robert?" "Du hast da etwas..." Johnny runzelte die Stirn, doch Robert hatte bereits seine Hand unter sein Kinn geschoben. Sein Gesicht näherte sich Johnnys und dieser war starr vor Schreck, als Roberts Lippen die seinen sanft berührten. Robert schloss genießerisch die Augen. Nach einer Weile löste er den Kuss und blickte Johnny erwartungsvoll an. Dieser schaute jedoch nur schockiert drein und fuhr verdattert mit seinen Fingern über seine Lippen. Robert grinste und drehte sich in Richtung Tür, doch Johnny packte ihn am Arm, ehe er sich in Bewegung setzten konnte. Er musterte Robert mit ernsten Blick. "Du weißt schon, was du gerade gemacht hast, oder?" Robert lächelte anhand der Frage. "Natürlich."

Johnny runzelte verwirrt die Stirn. "Aber... ich verstehe das nicht. Weshalb hast du das getan?" Vorsichtig setzte sich Robert neben Johnny auf das Bett, "Kannst du dir das nicht denken?", er fuhr Johnny sanft mit einer Hand über die Wange.

"Aber du... bist doch sonst immer so abweisend." Johnny verstand überhaupt nichts mehr. Stand Robert etwa auf Männer? Sein Vorbild stand auf Jungs? Und dann auch noch ausgerechnet auf ihn? Er schluckte hart. Nein. Das konnte niemals Realität sein! Vor allem aber empfand er für Robert nichts weiter als Freundschaft und Bewunderung. Wie würde Robert reagieren?

Unsicher blickte Johnny zu Robert, während dieser mit seiner Hand einen leichten Druck auf Johnnys Brustkorb ausübte. Ohne einen Funken Widerstand ließ dieser sich zurücksinken. Robert legte sich neben ihn und berührte sanft seine Hand. Johnny war das unangenehm und sein Magen zog sich zusammen. Wie war er nur in diese Situation geraten?

"Ich habe es zum ersten Mal bemerkt, als ich damals auf das Internat gewechselt bin." Johnny zögerte. Ihm war die Zeit damals auch schwer gefallen. So ganz ohne Robert, alleine, verlassen. Aber was erwartete Robert von ihm? Etwa die Erwiderung dieser Liebe?

"Ich habe dich damals sehr vermisst. Es war unerträglich für mich", er legte seinen Arm um Johnny und zog ihn so nah wie möglich zu sich. "Und deshalb möchte ich nicht, dass dir etwas passiert."

Johnny schloss die Augen. Er war nun völlig entspannt und lauschte Roberts Herzschlag. Irgendwie war die Nähe von Robert doch beruhigend. Aber die Vorstellung, dass Robert schwul war...

Liebevoll strich Robert Johnny über den Rücken und Johnny verbannte den Gedanken aus seinen Kopf. Es war schön warm und angenehm. Johnny hätte nach all dem Stress und dem Kummer des letzten Tages ewig so liegen bleiben können, einfach spüren können, dass jemand für ihn da war, doch Robert erhob sich plötzlich und ging zur Tür. "Ich will dich zu nichts zwingen, aber gib auf dich acht..."

Enttäuschung machte sich in Johnny breit; Von Robert hatte er, wenn er ehrlich war, mehr erwartet. Vielleicht war es aber auch lediglich der Frust darüber, dass die angenehme und schützende Wärme wieder der kalten und kummervollen Realität Platz gemacht hatte. Er richtete sich auf und schaute Robert direkt in die Augen. "Wenn du mich wirklich liebst", er zögerte, "dann beweise es!"

Er wusste nicht genau, wieso er genau jetzt auf diese dämliche Idee kam. Obwohl er nichts von Robert wollte, machte er ihm falsche Hoffnungen. Aber es war angenehm gewesen, nach all den Sorgen, die schützende und wärmende körperliche Nähe eines anderen Menschen zu spüren.

Robert stand einfach nur da und blinzelte Johnny verwirrt an. "Ich soll es beweisen?", fragte er, als hätte er den Sinn der Worte nicht richtig erfasst.

"Ja!", sagte Johnny und nickte langsam, "Beweisen. Ich will wissen, ob du es ernst meinst." Robert wirke äußerst überrascht; Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet. Aber Johnny wusste selbst nicht, was in ihm vorging. Empfand er selbst doch mehr für Robert als er zugab?

"An...", fing Robert zögerlich an, "An was für eine Art von Beweis hast du denn gedacht?" "Ich weiß nicht genau...", murmelte Johnny leise. "Irgendetwas eben!"

Robert überlegte kurz, dann lächelte er sanft. Er trat vor Johnny und hob dessen Kinn sanft an, sodass sich die Beiden in die Augen sahen.

Johnny schloss die Augen und spürte Roberts Atem auf seiner Wange, wie er näher kam und wärmer wurde. Dann, es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, berührten sich ihre Lippen zärtlich. Robert fuhr Johnny mit einer Hand durch die Haare, mit der anderen strich er sanft über dessen Rücken; Auf und ab... und auf... Es war ein seltsames Gefühl.

Schlagartig wurde Johnny schlecht. Was tat er da eigentlich gerade? Er und Robert küssten sich. Nein! Das war doch nicht normal! Ruckartig stieß er Robert von sich weg und rannte zur Tür. "Tut mir Leid...", mit diesen Worten verschwand er nach draußen.
 

~*~

Schmerz

Warum tut es mir so weh?

Schmerz

[04/21]
 

Johnny war in den Schlossgarten gerannt und saß nun unter einem Baum. Mit einem Arm wischte er sich über den Mund. Das konnte doch nicht wahr sein! Wieso musste so etwas immer ihm passieren?

Zuerst hatte er fliehen müssen, weil irgendeine Organisation sein Schloss übernommen hatte, danach war er überfallen worden. Und kaum hatte er sich sicher gefühlt, hatte sich herausgestellt, dass Robert schwul und ausgerechnet in ihn verliebt war! Wieso musste ausgerechnet Robert schwul sein? Ausgerechnet er? Derjenige, von dem er das am wenigsten erwartet hätte...

Ohne irgendetwas dagegen tun zu können, liefen ihm Tränen die Wangen hinunter und er schluchzte leise. Was war das für eine Welt?

Er mochte Robert. Er hatte ihn schon immer gemocht. Aber einen Jungen zu küssen, das verletzte seinen Stolz. Er fand es einfach nur widerlich. Verdammt, was sollte er tun? Was hatte er überhaupt für Möglichkeiten? Er wollte Robert nicht verletzten und eigentlich war er es ja gewesen, der Robert praktisch zu dieser Handlung 'gezwungen' hatte, aber er wusste inzwischen, dass es ein Fehler gewesen war. er war zu weit gegangen und hatte Robert falsche Hoffnungen gemacht. Aber es gehörte sich genausowenig, alles über sich ergehen zu lassen, nur damit er Robert nicht noch mehr verletzte. Und außerdem wollte er das selbst auch nicht. Doch was änderte die Erkenntnis? Robert hatte gesagt, dass er schon länger etwas für ihn empfunden hatte. Das Einzige, was sich geändert hatte, war, dass Johnny es jetzt wusste. Verzweifelt schüttelte Johnny den Kopf. Nein, mit diesem Wissen konnte er Robert nicht mehr in die Augen sehen.

Ein leises Knacken war zu hören und Johnny zuckte zusammen. Erschrocken blickte er sich um. War das Robert gewesen? Oder waren etwa seine Verfolger in der Nähe? Oder ein wildes Tier? Niemand war zu sehen. Aber es musste jemand in der Nähe sein!

"Robert?" Keine Antwort. "Robert?" Unsicher musterte er seine Umgebung abermals.

Plötzlich stand ein großer, dunkel gekleideter Mann direkt vor ihm und Johnny war sich sicher, dass es nicht Robert war. "Na, sieh mal einer an. Wen haben wir denn da?" Die Gestalt trat aus dem Schatten des Baumes.

"Was wollen Sie von mir?" Der Mann kam auf Johnny zu, doch dieser wich nicht zurück; das Letzte, was er jetzt zeigen wollte, war, dass er Angst hatte.

"Was werde ich wohl wollen? Dich dorthin bringen, wo du hingehörst." Johnny verengte seine Augen zu Schlitzen und knirschte mit den Zähnen. "Nur über meine Leiche!"

Kaum hatte Johnny das gesagt, blieb der Mann stehen und ließ seine Hände in die Hosentaschen gleiten. "So, so. Wir wollen den Tapferen spielen! Pech aber auch, dass ich dich lebend zurück bringen soll", er setzte sich wiederum in Bewegung und Johnny verfolgte ihn mit den Augen, "Allerdings... hat man mir nicht befohlen dich unverletzt abzuliefern..."

Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Unbekannten. Johnny stellte sich breitbeinig hin und hob seine Fäuste.

"Hey, ganz ruhig, Kleiner. Wenn du freiwillig mitkommst, dann passiert dir nichts."

Zögerlich trat Johnny ein paar Schritte zurück. Der Kerl meinte es anscheinend ernst. Mehr als ernst.

"Na, Angst?"

"Davon träumen Sie wohl!"

Das war gelogen. Johnny hatte große Angst: der Mann war fast zweimal so groß wie er selbst und schien gut trainiert zu sein. Aber es war ihm nicht möglich, das dem Kerl zu sagen - die Chancen standen so schon schlecht genug. Hätte er doch nur Salamalyon nicht in Roberts Schloss liegen gelassen! Aber aufgeben? - Niemals!
 

Schweratmend lag Johnny auf dem Rücken. Sein ganzer Körper schmerzte und Blut lief langsam seine Schläfe entlang. Er war erschöpft und er hatte die Augen geschlossen. Dumpf schlug sein Herz gegen seine Rippen. Leise, raschelnde Schritte waren das Einzige, was ihm verriet, wo sich der Mann gerade aufhielt. Grob wurde er an den Haaren gepackt und sein Kopf hochgezogen. "Jetzt bist du nicht mehr so vorlaut, was?" Mühsam öffnete Johnny die Augen. Er hatte das Gefühl, dass ihm gleich der Kopf zerplatzen würde.

"Tja, Kleiner, hat wohl alles nichts genützt. Hättest wohl doch lieber gleich aufgeben sollen, nicht wahr? Dann würde es dir jetzt zumindest nicht so dreckig gehen. Ich nehme an, du bereust es jetzt. Aber wir beiden werden sicher noch ein wenig Spaß miteinander haben, ehe ich dich zurückbringe."

Er ließ Johnnys Haare los und mit einem schmerzerfülltem Stöhnen sackte Johnnys Kopf unsanft auf den Boden zurück. Abermals öffnete Johnny die Augen. Alles war verschwommen und er konnte nur äußerst schwer Konturen erkennen. Langsam und nur äußerst schwerfällig klärte sich seine Sicht. Vorsichtig stützte er sich mit seinen Armen ab und versuchte sich aufzurichten; Der Versuch misslang kläglich.

Hinter ihm erklang ein dreckiges Lachen. "Gib's auf, Kleiner. Und außerdem", er trat auf Johnny zu und zückte ein Taschenmesser, "willst du doch nicht etwa schon gehen?" Johnny ließ das kleine Messer nicht aus den Augen. "Ich nehme an, dass du gleich lieber woanders wärst."

Johnny runzelte schwach die Stirn. Das Messer kam näher und Johnny schloss ängstlich die Augen. Doch es geschah nicht das, was er erwartet hatte: Er hörte, wie Metall Stoff durchschnitt und erschrocken riss er die Augen auf. Entsetzt erblickte er seine Kleidung, zerfetzt, neben sich auf dem Boden. Langsam kroch die Angst in ihm hoch, sein Herz begann unsanft gegen seine Rippen zu schlagen. Sein Körper begann heftig zu zittern, als sich der Mann über ihn beugte und ihn musterte.

"Was... Was haben Sie vor?", flüsterte Johnny kaum hörbar. Ein Grinsen huschte über die Züge des Mannes.

"Willst du das wirklich wissen?" Nein. Eigentlich nicht. Johnny wollte es nicht wissen, genauso wenig, wie er es am eigenem Leibe erfahren wollte. Als der Mann die Hand ausstreckte und Johnny berührte, zuckte dieser zusammen und verkrampfte schlagartig. "Je mehr du verkrampfst", meinte er im gleichgültigem Ton, "desto mehr wird es dir weh tun."

Entsetzt sah Johnny, wie der Mann seine Hose öffnete und unweigerlich wurde Johnny klar, was der Kerl von ihm wollte. Verzweifelt versuchte er sich aufzurappeln und wegzurennen, doch es misslang, ohne dass er große Chancen auf Erfolg gehabt hätte.

"Hey, Kleiner! Gib's doch endlich auf. Nun ja, ich bin wenigstens so fair und lass dir die freie Auswahl: Wie hast du es lieber? Magst du es lieber von hinten gefickt zu werden? Oder würdest du mich gerne dabei sehen?"

Wut stieg in Johnny hoch. Jetzt machte sich dieser Typ auch noch über ihn lustig!

"Was ist? Ist es dir egal? Ich habe leider nicht allzu viel Zeit für dich..."
 

~*~

Scham

Warum tut es mir so weh?

Scham

[05/21]
 

Zitternd und nach Luft ringend lag Johnny auf dem Boden. Tränen liefen langsam seine Wangen hinab. Alles an ihm tat weh und die Schmerzen waren nicht nur körperlicher Natur: Das Erlebte hatte sich wie eine tiefe Narbe in seinen Geist gebrannt. Sein Stolz war gebrochen, er hatte aufgegeben. Viel zu aussichtslos. Er hatte es versucht. Er hatte gerufen, geschrieen. Es war unwahrscheinlich, dass ihn überhaupt jemand gehört hatte - Aber er hatte es versucht. Er hatte sich gewehrt; Das hatte alles nur noch schmerzvoller und schlimmer gemacht. Er hatte versucht nicht daran zu denken; jedes Mal hatte er an Robert gedacht - was er wohl dazu sagen würde - und jedes Mal war in ihm Schwäche und Übelkeit aufgestiegen. Es war ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen; dabei waren es nur wenige Minuten gewesen.

Und das Schrecklichste war gewesen, dass es ihn erregt hatte. Dass es dieser Kerl geschafft hatte, ihn ein Gefühl der Ekstase erleben zu lassen, dass er so nicht kannte, und das ihn schmerzte. Hatte er das Ganze etwa gewollt?

Johnny spürte fast überhaupt nichts mehr. Alles war vernebelt und irgendwie wirkte alles so... irreal. Ihm war es inzwischen egal, was dieser Kerl mit ihm anstellen würde, solange Robert ihn nicht so sah; zitternd, weinend, schwach. Nein, so sollte ihn niemand sehen. Niemand.

Wäre er doch nur zu Hause geblieben. Hätte er sich gleich gestellt! Wieso war er weggerannt? Ihm hätte klar sein müssen, dass Robert ihm nicht hätte helfen oder ihn schützen können. Er hatte Robert höchstens gefährdet. Aber jetzt war es sowieso zu spät. Die aufkeimende Erschöpfung vernebelte seinen Kopf und er spürte, wie er allmählich das Bewusstsein verlor, aber es war Johnny nicht wichtig. Was würde es ändern? Vielleicht würde er vergessen.

Er war so unendlich müde...

Weit entfernt hörte er eine Stimme wütend aufschreien. Für kurze Zeit herrschte dann Stille. Vorsichtig, verunsichert und mit dem bisschen Kraft, das ihm noch geblieben war, öffnete er langsam die Augen. Es dauerte eine Weile, bis er wieder genug wahrnehmen konnte, um überhaupt zu erkennen, wo er lag. Die untergehende Sonne blendete ihn und er blinzelte schwach. Eine Gestalt hatte sich über ihn gebeugt und strich ihm vorsichtig über die Wange. "Bist du... Bist du okay, Johnny?"

Augenblicklich wurde Johnny klar, wer sich da über ihn gebeugt hatte: Robert. Nein! Was wollte Robert hier? Wusste er etwa was vorgefallen war? Unsicher packte Robert Johnny an einer Schulter und zog ihn auf die Knie. Johnny starrte ihn an. Er wusste nicht was er sagen sollte... Robert wusste es. "Zu schwach um sich zu verteidigen", schoss es Johnny durch den Kopf und Roberts zögerliches Verhalten verstärkte Johnnys blinde Wut nur noch. Er war wütend auf sich selbst: Er hatte es nicht geschafft sich selbst zu helfen; er war völlig hilflos gewesen - so wie er nie hatte sein wollen.

Wieso musste Robert ausgerechnet jetzt auftauchen? War es nicht schon Qual genug für Johnny selbst genau zu wissen, was vorgefallen war? Nein, jetzt wusste Robert es auch noch.

Am liebsten wäre er einfach nur weggerannt. Er wollte Robert jetzt nicht sehen. Nein. Nicht jetzt... Allerdings war er am Ende seiner Kräfte und Robert hielt ihn stützend am Arm fest.

"Robert...", flüsterte Johnny heiser. Seine Stimme klang völlig kraftlos. "...geh weg..." Robert schaute ihn verwirrt an. "Was?"

"Geh weg!" Johnny hatte seinen Kopf zu Boden gesenkt und seine Augen fest geschlossen. Er hatte Robert eben fast angeschrieen. Es tat ihm weh. Es war ein tiefer Schmerz in seinem Inneren und er wusste, dass er nicht so einfach wieder zu heilen war. Es tat ihm weh, dass Robert ihn so sah. Wieso konnte er nicht einfach verschwinden?

"Weshalb soll ich gehen?", fragte Robert leise und sanft. Schweigen. Johnny wusste, dass er seine Schwäche bei jeder Antwort preisgeben würde. Zu nah stand ihm das Erlebte noch.

"Ich", Tränen stiegen ihm in die Augen, "Ich will nicht... dass du mich so siehst..." Robert starrte Johnny an. Johnny weinte. Er zitterte am ganzen Körper und man sah ihm an, wie unangenehm ihm das Ganze war.

In einem Versuch Johnny zu beruhigen schloss Robert vorsichtig seine Arme um ihn und zog ihn näher zu sich. Dieser krallte sich hilfesuchend in Roberts Hemd fest und presste sein Gesicht an dessen Brust. Er schluchze hemmungslos.

Sanft fuhr Robert mit einer Hand über Johnnys Rücken. "Scht... es ist alles in Ordnung... Ich bin ja da. Ganz ruhig..."

Es dauerte ziemlich lange, bis Johnny sich etwas beruhigt hatte. Es wurde bereits dunkel und vereinzelt konnte man Sterne am Himmel sehen. Immer noch liefen Johnny Tränen über die Wangen, aber immerhin war er jetzt wieder ansprechbar. Er rieb sich erschöpft über die geröteten Augen. Robert zog seinen Mantel aus und half Johnny ihn sich überzuziehen.

Johnny wirkte jetzt noch müder und erschöpfter als vorher und Robert bezweifelte, dass Johnny es schaffen würde selbstständig zurück zum Schloss zu laufen.

Wehalb auch immer Johnny keine Einwände hatte, aber Robert war dankbar, dass er kein großes Theater machte, als er ihn auf seine Arme hob. Auch war er erleichtert, als Johnny kurz darauf einschlief. Der junge Schotte hatte den Schlaf bitter nötig...
 

~*~

Böses Erwachen

Warum tut es mir so weh?

Böses Erwachen

[06/21]
 

Der Arzt, den Robert sofort nach seiner Rückkehr in sein Schloss rufen ließ, konnte nichts weiter feststellen. Zwar hatte Johnny einige Prellungen, Schürfwunden und Kratzer abbekommen, sonst war er jedoch körperlich in Ordnung.

Doch was Robert Sorgen machte, war Johnnys geistiger Zustand. Er war sich sicher, dass Johnny das Erlebte nicht so einfach wegstecken würde. Er hatte noch nie von einem Vergewaltiigungsopfer gehört, das über derartige Erfahrungen einfach hatte hinwegsehen können und wenn Robert eines in ihrer jahrelangen Freundschaft gelernt hatte, dann das, das Johnny nicht gerne Schwäche zeigte; und eben dies hatte er vor wenigen Stunden getan. Die Scham war ihm ins Gesicht geschrieben gewesen.

Verflucht! Wieso war er nicht rechtzeitig da gewesen? Er hätte Johnny vielleicht retten können, ihm all das ersparen können; Nun, zwar mit der Folge, dass Johnny einige Tage lang wütend auf ihn gewesen wäre, aber das war immer noch besser als die jetzige Situation! Robert seufzte, lehnte seinen Kopf gegen die kühle Steinmauer an der gegenüberliegenden Wand zu seinem Zimmer und schloss die Augen.

Die momentane Gefahr, in der Johnny durch Geowatt schwebte, war zu präsent. Polizei und ein guter Psychologe wären vielleicht die richtige Lösung für das Problem, doch wenn Robert daran dachte, was alles auf dem Spiel stand...

Er fühlte sich so hilflos, denn er konnte nichts für Johnny tun, der junge Schotte war ganz auf sich alleine gestellt, es war ihm unmöglich die Last des Erlebten von ihm zu nehmen. Und dann hatte er ihm noch wenige Stunden vorher gesagt, dass er auf sich aufpassen solle. Tränen rannen ihm über die Wangen.

"Ich kann selbst auf mich aufpassen!"

Die Worte schossen ihm eher unbewusst durch den Kopf. Johnny hatte sie zu ihm gesagt als er ihm erklärt hatte, dass er in Roberts Schloss in Sicherheit war und er selbst auf ihn aufpassen würde und am Ende... Verflucht, hätte er Johnny nicht seine Liebe gestanden, dann wäre dieser niemals in den Schlossgarten gerannt und wäre auch niemals vergewaltigt worden!

Er war an allem Schuld.

Wütend schlug er mit seiner geballten Faust gegen die Wand. Wieso brachte er es nicht fertig auf Johnny aufzupassen? Wieso hatte dieser Kerl das getan? Wieso? Es hätte einfach nicht passieren dürfen!

Auch wenn er sich nicht an die Polizei wenden konnte, er würde den Vergewaltiger zur Rede stellen. Wahrscheinlich war dieser in der Zwischenzeit wieder aufgewacht. Nachdem er ihn k.o. geschlagen hatte, hatte er eine ganze Weile bewusstlos im Gras des Schlossgartens gelegen, bis Robert, während der Arzt Johnny untersucht hatte, ihn auf sein Schloss gebracht hatte.

Der Stuhl, an den er ihn gefesselt hatte, war unheimlich schwer, so dass der Kerl, selbst wenn er wollte, den Stuhl keinen Millimeter vom Fleck bewegen konnte. Und anders hatte er es auch nicht verdient.
 

Langsam öffnete Johnny die Augen. Er war erschöpft und sein Körper fühlte sich so... ausgelaugt an.

Vorsichtig blickte er sich um; Er lag in einem großen Himmelbett, das sicher Platz für drei Personen hatte und ihm kam das Zimmer nur zu bekannt vor. Es war Roberts Zimmer, das erkannte er an den zahlreichen antiken Möbeln und an dem riesigen Schreibtisch, auf dem ein Bild von Roberts Eltern stand.

Johnny wusste, dass Robert immer noch sehr an seinen Eltern hing, obwohl diese drei Monate nach dessen dreizehnten Geburtstag bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren. Der junge Schotte verzog sein Gesicht und war überrascht, dass ihn die Geschehnisse des vorherigen Tages nicht weiter zu kümmern schienen. Zwar konnte er sich genau an jede Einzelheit erinnern aber... es war ihm egal.

Wieso war es ihm egal?

Hatte Robert ihm irgendein Beruhigungsmittel gegeben oder hatte er einfach nur einen Schock, der verhinderte, dass das Passierte ihn auch nur in kleinster Weise kümmerte? Er wusste es nicht genau, aber es beunruhigte ihn. Vielleicht war er aufgrund seiner schlechten Erfahrungen auch einfach nicht mehr fähig etwas wie Verzweiflung oder Angst zu empfinden. Zögerlich brachte er sich in eine sitzende Position. Robert war nicht im Zimmer, was ihm eine gewisse Freiheit gab aufzustehen. Er wusste, dass wenn sein Freund anwesend gewesen wäre, dieser ihn nicht aus dem Bett gelassen hätte.

Aber er hatte im Moment einfach den Drang aufzustehen, sich umzusehen und sich einfach nur die Beine zu vertreten, um sich von allem abzulenken. Leise schob er sich von dem Bett hinunter.

Der kalte Fußboden fühlte sich angenehm an unter seinen nackten Füßen; es wirkte beruhigend. Johnny konnte seine Kleidung nirgends entdecken, bemerkte jedoch seinen Morgenmantel, der über Roberts Schreibtischstuhl hing. Immer noch besser als in Boxershorts durch das Schloss zu geistern.

Ein Schauder lief ihm über den Rücken.

...und dabei vielleicht von irgendwelchen Typen vergewaltigt zu werden.

Heftig schüttelte er den Kopf, in der Hoffnung dadurch diesen Gedanken los zu werden, was jedoch nicht viel brachte. Seine Muskeln verkrampften sich und er riss beinahe panisch den Mantel von dem Stuhl, ehe er eilig aus dem Zimmer rannte.

Er wollte von alldem nichts wissen, nicht diese Gedanken haben. Er brauchte Ablenkung und die einzige Ablenkung die er in diesem Schloss kannte war Robert; und dieser würde ihn sofort wieder ins Bett schicken, sobald er bemerkte, dass Johnny aufgestanden war. Aber zumindest war er dann nicht mehr so alleine mit sich selbst.

Johnny war sich nicht ganz sicher, wo er nach Robert suchen sollte; alleine die Tatsache, dass Robert nicht neben seinem Bett gewacht hatte verunsicherte ihn. Dennoch setzte er sich langsam in Bewegung, in der Hoffnung etwas Glück zu haben und Robert zufällig irgendwo in irgendeinem Zimmer zu treffen. Vielleicht war dieser ja dazu bereit eine Partie Schach gegen ihn zu spielen..?

Unwillkürlich drängte sich Johnny die Frage auf, ob Robert so viel Wichtigeres zu tun hatte, als sich um ihn zu kümmern, wenn es ihm schlecht ging, wenn er ihn brauchte. Hatte Robert gelogen, als er ihm ein Liebesgeständnis gemacht hatte? War er ihm vielleicht doch egal? Es würde erklären, warum er ihm nicht half seine Eltern zu befreien. Bedrückt blickte Johnny zu Boden, als er plötzlich Roberts Stimme wahrnahm.

"Wieso haben sie dich geschickt?"

Erschrocken blickte Johnny auf und bemerkte die Tür des Schachzimmers, die ein paar Zentimeter weit offen stand. Leise näherte er sich dieser und lugte durch den Türspalt. In dem Zimmer ging Robert vor einer Person, die an einen Stuhl gefesselt war, auf und ab.

"Robert, verstehst du das nicht? Du erfüllst deine Aufgaben nicht zuverlässig und mir scheint auch, dass du deine lieben Kollegen sabotierst. Sie werden langsam ungeduldig mit dir. Sie wollen endlich Taten sehen und nicht nur leere Versprechungen hören. Und weißt du", die zweite Stimme brach kurz ab, "sie vertrauen dir nicht. Du hast gesagt, dass du den Schotten bringst."

"Nun", Robert zögerte und verharrte an seiner momentanen Position, "Es gab... Komplikationen."

Johnny runzelte die Stirn. Worüber unterhielten die sich da?

"Was denn? Bekommst du kalte Füße? Du hättest vorher über die Konsequenzen nachdenken sollen, bevor du bei Geowatt eingestiegen bist."
 

~*~

Verrat

Warum tut es mir so weh?

Verrat

[07/21]
 

Erschrocken von dem Gehörten wich Johnny ein paar Schritte zurück. Was hatte der Kerl eben gesagt? Robert gehörte zu Geowatt?

Jetzt war ihm alles klar! Wie ein Puzzle, das sich langsam zusammensetzte, wurden ihm einzelne Abschnitte des ganzen Plans von Geowatt bewusst. Ihm wurde klar, was die letzten Tage wirklich passiert sein musste, weshalb Robert ihn hatte ruhig stellen wollen.

Robert war es also doch gewesen, der ihn überfallen hatte, als einer dieser schwarzen Männer, vor denen er weggerannt war. Statt in Sicherheit zu gelangen, war er in die Höhle des Löwen getappt. Mitten in eine offensichtliche Falle hinein. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein? Daher hatte Robert auch soviel über Geowatt und deren Pläne gewusst! Ihm musste von Anfang an klar gewesen sein, dass Johnny nie von seinem Grundstück heruntergehen würde und falls doch, dann musste er diese Wachen aufgestellt haben.

Also... war die Vergewaltigung Roberts Schuld? Hatte er am Ende den Wachen befohlen so zu handeln?

Nein. Das konnte nicht sein! Doch nicht Robert, nicht er! Nein, nein! Er hatte doch gesagt, dass er ihn lieben würde, er würde ihm niemals so etwas antun. Oder?

Nein. Es durfte nicht sein. Es musste ein Irrtum sein.

Nein! Doch nicht Robert, Bitte!

Jeder konnte ein Verräter sein, ein Spion, ein Halunke, aber doch nicht Robert!

Nicht Robert, bitte! Bitte, lass das alles nur ein Missverständnis sein. Bitte...

Bitte!

Er schüttelte panisch den Kopf, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Robert hatte ihn ausgenutzt, die ganze Zeit. Die ganze Zeit. Er hatte ihn benutzt.

Tränen liefen über seine Wangen und die ganzen Grausamkeiten der letzten drei Tage brachen wie ein Unwetter über ihn herein. Er stolperte rückwärts, stieß einen kleinen Tisch mit einer Vase um, die laut klirrend zu Boden fiel, und landete auf seinem Hintern. In dem Raum war es plötzlich leise geworden. Johnny hörte näherkommende Schritte, die Tür wurde geöffnet und Robert starrte entsetzt in Johnnys Gesicht.

"Johnny", Roberts Stimme versagte, er versuchte sie wieder zu finden, überlegte, was er sagen sollte. "Was hast du gehört?", fragte er und versuchte seine kühle Fassung wiederzuerlangen. Der junge Schotte starrte ihn nur verzweifelt an. Er tastete sich an der Wand nach oben, so dass er wieder stand, trat einen Schritt auf Robert zu und verpasste ihm eine Ohrfeige. "Ich hasse dich, Robert!", schrie er und rannte weg. Robert blieb wie angewurzelt stehen und starrte dem Schotten hinterher. Verflucht. Das hätte nicht passieren sollen! Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn er Johnny in dem Zimmer eingeschlossen hätte. Aber nun war es raus und Johnny war schon wieder weggerannt. Bei Gott, er betete, dass ihm nicht noch irgendetwas zustieß.

Unbewusst rieb er sich über seine Wange, die ziemlich schmerzte und überlegte angestrengt, was er tun sollte. Er hatte es nicht gewollt. Nun, zumindest hatte er nicht gewollt, dass Johnny es erfuhr. Der Schotte hätte seine Absichten völlig falsch verstanden. Und jetzt hatte er sie wirklich völlig falsch verstanden. Hoffentlich würde Johnny auf dem Grundstück bleiben; So war er wenigstens vor den Geowattleuten sicher.

Ein trockenes Lachen riss Robert aus seinen Gedanken. "Gibt wohl ein paar Probleme mit dem Kleinen?" Der Deutsche drehte sich langsam zu seinem Gefangenen um und sah, dass dieser ihn hinterhältig angrinste. "Muss ein ziemlicher Schock für den Kleinen sein", sein Gesicht verzog sich zu einer gehässigen Grimasse, als in ihm einige Erinnerungen hochkamen und Roberts entsetzter Blick schien ihn ziemlich zu freuen, "Immerhin hat er doch die ganze Zeit über gehofft, dass du kommst und ihn rettest."

"Was meinst du damit, Martin?", fragte Robert und musterte sein Gegenüber genauestens. Martin drehte seinen Kopf etwas zur Seite um Robert besser einschätzen und dessen Reaktion beobachten zu können. "Na... kannst du dir das nicht denken?"

Roberts Magen zog sich augenblicklich zusammen und eine plötzliche Wut staute sich in ihm auf. ",Robert hilf mir!', ,Robert, wo bist du?' und die ganze Zeit über hat er geflennt. War echt nervig und..."

Dass er zugeschlagen hatte merkte Robert erst, als Martins Kopf zur Seite flog und dieser sich nicht mehr bewegte. Er machte sich nicht die Mühe nachzusehen, was mit Martin war; es war nicht wichtig, ob er bewusstlos war, sich nur so stellte oder vielleicht sogar tot war. Es war ihm völlig egal; Im Moment zählte nur Johnny. Es tat ihm weh, dass er Johnny im Stich gelassen hatte. Es tat ihm weh, dass Johnny nun dachte, er hätte ihn die ganze Zeit nur angelogen. Er hatte es doch nur seinetwegen getan. Nur seinetwegen!

Robert warf einen kurzen, hasserfüllten Blick auf Martin und musste dem Drang wiederstehen nochmals zuzuschlagen. Johnny war völlig hilflos gewesen, hatte keine Chance gehabt. Er hatte Schlimmes erlebt. Da war es jetzt nicht auch noch nötig, dass sich dieser Kerl über ihn lustig machte.
 

Johnny saß zusammengekauert unter einem Baum. Vom Schloss aus war er unmöglich zu sehen und der Schatten des Baumes tarnte ihn recht gut. Er wagte es nicht, das Grundstück zu verlassen, weil er wusste, dass diese Männer ihn sofort verfolgen würden und diesmal hatte er keine Fluchtmöglichkeiten mehr.

Er war allein. Ganz allein. Niemand mehr da. Keiner interessierte sich für ihn. Leise vor sich hin weinend saß er einfach nur da und starrte ins Leere.

Es konnte nicht wahr sein. Er hatte ihm doch vertraut. Er hatte doch so viel von ihm gehalten. Wieso? Was hatte er getan, dass Gott ihn nun so bestrafte?

Verraten von allen, ganz alleine ohne Hilfe, ohne zu wissen, was er tun konnte.

Wieso konnte er jetzt nicht einfach aufwachen? Wieso war das alles nicht einfach ein dummer Traum...? Wieso war das alles real?

Er wollte nicht mehr, er konnte nicht mehr. Wozu weitermachen? Er hatte doch sowieso niemanden mehr, der ihm etwas bedeutete. Sie alle hatten ihn verlassen. Erschöpft blickte er sich um, erkannte den Baum, unter dem er saß. Vor lauter Panik war er einfach drauflos gerannt, ohne auf seine Umgebung zu achten. Doch nun wusste er, wo er sich befand. Er saß unter dem Baum, unter den er sich immer setzte. Er saß unter dem Baum, unter dem er vergewaltigt worden war. Düstere Erinnerungen machten sich in seinem Kopf breit und Übelkeit stieg in ihm auf, doch er wollte nicht aufstehen. Er wollte einfach sitzen bleiben, sich ausruhen, alleine sein.

Sein Blick fiel auf etwas Glänzendes, das unter einigen Blättern hervorlugte.

Vorsichtige beugte er sich vor und tastete nach dem Etwas. Es war das Messer, das sein Vergewaltiger benutzt hatte um ihm die Kleidung vom Körper zu schneiden. Er nahm es in die Hand, blickte es an.

Diese Welt hatte ihm sowieso nichts mehr zu bieten. Wieso sollte er nicht einfach allem ein Ende machen? Es würde keinen großen Unterschied machen. Niemand würde ihn vermissen. Niemand. Keine Menschenseele.

Tränen liefen ihm über die Wangen. Wenn wenigstens Robert die Wahrheit gesagt hätte! Er hatte sich in seiner Nähe immer so sicher gefühlt, geschützt, geborgen. Wieso war das alles nur eine Lüge gewesen? Wahrscheinlich hasste Robert ihn in Wahrheit und war froh, dass er nun endlich weg war.

Robert...

Wieso? Wieso war das alles passiert? Wieso?

Und... warum ausgerechnet Robert? Warum?

Warum war ausgerechnet der Mensch, dem er am meisten vertraute, einer von den Leuten, die ihn gefangen nehmen und töten wollten? Wo er doch... Wo er doch immer geglaubt hatte sie seien Freunde.

...gewesen...

Sie waren keine Freunde mehr. Robert konnte ihn nicht leiden. Half den Menschen, die ihn töten wollten, half den Menschen, die seine Eltern in ihrer Gewalt hatten. Und somit...

Wieso hatte er behauptet ihn zu lieben, wenn es doch nicht stimmte? Wieso hatte er ihn angelogen? Was hatte es ihm gebracht? Das war doch sonst nicht Roberts Art ihn einfach so zu verletzten. Er schüttelte verzweifelt den Kopf, in der Hoffnung dadurch alles zu vergessen. Aber es war nun einmal Realität. Eine harte, grausame Realität, die sich nicht ändern ließ.

Aber wieso Robert?! Wieso?

Sein Griff um das Messer wurde fester und er verkrampfte sich. Er starrte es an. Sein Gesicht spiegelte sich in der Klinge und er sah seine geröteten Augen, die Tränen, wie sie langsam über seine Wangen herabliefen. Er war doch einfach nur erbärmlich.

So saß er da. Weinend, verzweifelt, hilflos.

Was sollte er tun? Er wusste es nicht. Aber wenn er jetzt einfach... Er wäre diese verfluchte Welt ein für alle mal los. Er käme vielleicht in eine bessere Welt oder er würde einfach verschwinden. Er wäre einfach tot. Es würde ihm sowieso niemand nachweinen.

...Oder?

Zumindest nicht die Person, von der er es sich am meisten wünschte. Robert.

Johnny schluchzte laut auf und stützte seinen Kopf in seine Hände. Robert.

Erschöpft lehnte er sich zurück, gegen den Baum. Seine Sicht war durch die Tränen unklar und verschwommen. "Robert..."

Er hob das Messer etwas höher; ließ es dann jedoch wieder sinken. "Ich kann das nicht..."
 

~*~

Konflikte

Warum tut es mir so weh?

Konflikte

[08/21]
 

Er musste wohl vor Erschöpfung eingeschlafen sein. Als er allerdings die Augen wieder öffnete, war er nicht mehr an den Baum gelehnt, sondern stattdessen lag er in einem Bett. Gereizt kniff Johnny die Augen zusammen als er bemerkte, dass er in Roberts Zimmer war. Er hätte nicht einschlafen sollen.

Robert musste ihn wohl im Garten gefunden und hierher gebracht haben, um ihn an seine Leute weiter zu geben. Seine Leute, das hieß Geowatt.

Oder hatte er das alles nur geträumt? War er eben erst aufgewacht? War die Vergewaltigung und alles andere nur ein Produkt seiner gestressten Fantasie?

Er wusste, dass er sich falsch Hoffnungen machte. Es war alles Realität.

Ein Räuspern riss ihn aus seinen Gedanken, aber er musste nicht einmal den Kopf drehen, um zu wissen, wer da auf sich aufmerksam machen wollte.

"Was willst du, Robert?", fragte er kalt und Roberts Namen spuckte er fast aus. Er wollte nichts mehr mit diesem Verräter zu tun haben, es war alles nur seine Schuld! Robert hatte ihn angelogen, ihre Freundschaft an den Feind verkauft und ihn einfach nur gnadenlos ausgenutzt. Wäre Robert nicht gewesen, dann wäre er niemals vergewaltigt worden!

"Lass uns reden", antwortete Robert ruhig, der in einem Sessel in der Nähe des Bettes saß, und blickte den jungen Schotten ernst und besorgt an. Dieser fuhr wütend auf und starrte Robert mit giftigem Blick an. "Du willst reden? Nach all dem, was du mir angetan hast, willst du reden?!"

Der Unglaube war ihm deutlich anzusehen, doch Robert war klar, dass er, wenn er ein normales Gespräch mit Johnny führen wollte, nicht auf Johnnys Angriffe eingehen durfte. Weder gereizt noch gelassen.

Gerade, als Robert mit einer Erklärung beginnen wollte, sprang Johnny auf und rannte zur Tür. Er wollte nicht länger in diesem Raum bleiben, einfach nur rausgehen, egal wohin. Er wollte nicht in Roberts Nähe sein, sondern möglichst weit weg. Das Geschehene, weder die Vergewaltigung, noch die Erkenntnis, dass Robert für den Feind arbeitete, hatte er noch nicht wirklich verdaut. Und das alles schlug ihm jetzt auf den Magen, da er gezwungen war, mit Robert in einem Raum zu verweilen.

Doch die Tür war verschlossen.

"Gib mir sofort den Schlüssel!", fuhr er Robert lautstark an. Dieser musterte ihn jedoch nur leicht verunsichert und schüttelte langsam den Kopf, während er zögerlich mit "Nein" antwortete. Die Spannung, die sich zwischen den Beiden aufgebaut hatte, erinnerte in keiner Weise an ihre ehemalige Freundschaft.

"Gib mir den Schlüssel!", wiederholte Johnny aggressiv und Robert versuchte, ihn wieder etwas zur Ruhe zu bringen. "Hör mir erst mal zu. Dann gebe ich dir den Schlüssel und du kannst gehen, wohin du auch immer willst."

"Und das soll ich dir glauben? Wahrscheinlich warten schon längst deine Freunde darauf, dass du mich ihnen auslieferst! Gib mir sofort den Schlüssel!" "Nein."

"Wenn du nicht sofort-...", der drohende Tonfall war nicht zu überhören. "Was dann? Was willst du tun? Du hast gar keine andere Möglichkeit, als mir zuzuhören." Johnny knirschte mit den Zähnen und blickte Robert hasserfüllt an. "Ich will dir nicht zuhören! Hast du mir nicht schon genügend Lügen erzählt? Glaubst du, ich werde auch nur einem Wort, das du sagst, Glauben schenken? Nach all dem, was passiert ist? Für wie doof hältst du mich eigentlich?", es war das erste Mal, seit dem Beginn der Auseinandersetzung, dass der junge Schotte ihn nicht angeschrieen hatte, aber seine Stimme bebte vor Zorn.

"Johnny, du siehst das alles komplett falsch! Es war völlig anders..."

"Ich weiß doch, was passiert ist! Ich habe deine Lügen endgültig satt! Und ich weiß sehr wohl, was du mit dem Typen in dem Raum besprochen hast! Ich bin nicht blöd, Robert!"

"Nun, bist du dir da wirklich vollkommen sicher?", Robert machte eine kurze Pause und versuchte für einen kurzen Moment seine Gedanken zu ordnen, damit er Johnny nicht noch eine Beleidigung um die Ohren warf. Dann blickte er nachdenklich in das verärgerte Gesicht seines einstigen Freundes, "Ich habe Zeit. Sobald du dich beruhigt hast, werde ich dir die Wahrheit sagen."

"So, die Wahrheit also. Welche Wahrheit ist es denn diesmal, die du mir weiß machen willst?"

Robert reagierte nun in keiner Weise auf Johnny, sondern griff nur nach seinem Buch und begann darin zu lesen.

"Hörst du mir überhaupt zu?"

Es folgte keine Antwort, sondern nur ein Rascheln der Seiten von Roberts Buch, als dieser umblätterte. Johnny trat einige Schritte auf Robert zu, griff nach dem Buch und warf es auf den Boden. "Hör mir gefälligst zu, du", anscheinend suchte der junge Schotte nach einem geeigneten Wort, "bloody bastard!"

Robert hob jedoch nur überrascht die Augenbrauen, erhob sich aus seinem Sessel und fasste nach dem Buch, ehe er wieder Platz nahm. "Ich dachte du willst dich nicht mit mir unterhalten." Mit diesen Worten wandte er sich wiederum seinem Buch zu.

Gereizt und mit der Erkenntnis, dass er durch einen Wutausbruch nicht sonderlich viel erreichen konnte, ging Johnny im Zimmer auf und ab, während der Deutsche immer noch ruhig im Sessel saß und in dem Buch las. Erst, nachdem Johnny alle Fenster des Zimmers und nochmals die Tür gecheckt hatte, ob es nicht doch auch noch einen anderen Ausweg gab, setzte er sich auf das Bett, Robert gegenüber.

"Nun gut. Dann lass uns reden. Und danach bekomme ich den Schlüssel und kann gehen, wohin ich will, klar?"

Nach einem kurzen Blick über den Rand seines Buches, mit dessen Hilfe er versuchte Johnny einzuschätzen, legte Robert dieses beiseite und verschränkte seine Arme vor der Brust. "In Ordnung, ich bin mit dieser Bedingung einverstanden."
 

~*~

Wahrheit

Warum tut es mir so weh?

Wahrheit

[09/21]
 

Robert seufzte leise und lehnte sich zurück, ehe er mit seiner Erzählung begann.

"Wo fange ich denn am besten an...", der Deutsche schien kurze Zeit nachzudenken, "Eigentlich hat alles vor etwa einem Jahr, als ich in London unterwegs war, angefangen. Anfangs hörte ich vielmehr unfreiwillig ein Gespräch mit an, als dann jedoch dein Name fiel, belauschte ich es schließlich wohl doch schon eher." Er machte eine kurze Pause und blickte Johnny offen ins Gesicht, wandte dann seinen Blick jedoch lieber wieder seiner übrigen Umgebung zu, da ihn die Abneigung und der Abscheu, die ihm entgegen starrten, nicht ertragen konnte.

"Die Einzelheiten erspare ich dir jetzt lieber. Im Groben und Ganzen ging es darum, dass deine Eltern im Auftrag der BBA einen wichtigen und ziemlich wertvollen Datenchip aufbewahren sollten, an den Geowatt herankommen wollte", Robert sah Johnny an, dass er ihm kein Wort glaubte und er fuhr seufzend fort, "Ich begann mich über diese Organisation schlau zu machen und fand sehr schnell etwas über ihre Ziele und anderes heraus. Tatsächlich handelte es sich um die letzten, nicht gefassten Mitglieder von Biovolt, die nun, da Biovolt zerstört worden war, auch keinen Hehl mehr aus ihren Plänen machten."

Er griff in seine Jackentasche und zog ein Kärtchen heraus, dass er Johnny zuwarf. Dieser fing es mit einem verwirrten Gesichtsausdruck auf. Das Kärtchen war anscheinend Roberts ,Mitgliedsausweis' für Geowatt. Der junge Schotte betrachtete den Ausweis desinteressiert. "Es war kein sonderlich großes Problem Geowatt beizutreten. Ich musste mich nur als Feind der BBA verkaufen und ihnen meine Dienste als Spion anbieten."

"Und warum wolltest du beitreten?", fragte Johnny. Die Frage klang beiläufig, aber Robert wusste, dass es eine ziemlich wichtige Auskunft war, die er mit der Antwort gab. "Ich hatte zwei Gründe", erläuterte Robert, hob seine rechte Hand und spreizte Zeige- und Mittelfinger ab, "Zum einen hatte ich den Auftrag der BBA bekommen, mich weiter mit dieser Organisation zu beschäftigen." Robert nahm sein Buch zur Hand, schlug es auf und zauberte ein kleines Briefkuvert heraus, dass er ebenfalls zu Johnny warf. Dann ließ er diesem etwas Zeit, damit dieser den Inhalt des Briefes lesen konnte. Als Johnny anscheinend fertig war, sprach er weiter.

"Der andere Grund war mir jedoch wesentlich wichtiger: Ich hatte gelesen, dass die Geowattleute von der Polizei als sehr brutal und gewaltbereit - wie du ja selbst schon erfahren hast - eingestuft worden sind. Da ich nun jedoch wusste, dass deine Eltern in diesen Auftrag verwickelt waren, habe ich mir Sorgen um dich gemacht."

Wieder machte der Deutsche eine Pause, um Johnny genügend Zeit zu geben, alles Gesprochene in sich aufzunehmen. "Ich war immer direkt am Geschehen, allerdings verschwieg man mir den genauen Zeitpunkt des Zugriffs auf euer Grundstück. Insofern konnte ich keine genauen Informationen geben und die BBA hatte keine Möglichkeit eueren Wohnsitz in irgendeiner Weise zu schützen; denn sonst wäre klar gewesen, dass einer der Geowattmitglieder ein Spion war, und der Verdacht wäre sofort auf mich gefallen. Dieses Risiko wollte die BBA nicht eingehen."

Kurze Zeit dachte Robert darüber nach, was wohl passiert wäre, wenn die BBA den Wohnsitz der McGregors hätte schützen lassen.

"Tatsächlich war ich das im Park, der dich überfallen hat", während er das sagte, blickte Robert gedankenversunken auf den Verband, der um seine Hand gebunden war, "Wie Martin in dem Gespräch, dass du gestern leider mitanhören musstest, bereits erwähnt hatte, habe ich Geowatt versprochen, dich ihnen auszuliefern. Dies tat ich jedoch nur aus dem Grund, da ich mir ziemlich sicher war, dass sie in diesem Fall niemanden anderes oder zumindest nicht allzu viele damit beauftragen würden, dich zu kidnappen."

"Moment mal...", unterbrach Johnny und Robert blickte überrascht auf. "Ja?" "Du sagst, dass meine Eltern den Datenchip hätten. Warum sind die Kerle dann hinter mir her?"

"Weil deine Eltern einen dummen Fehler gemacht haben", murmelte Robert leise, sprach dann jedoch laut weiter, als Johnny die Stirn runzelte. "Deine Eltern sollten den Chip aufbewahren und in Sicherheit halten. Sie wussten von mir, dass Geowatt es auf sie abgesehen hatte. Ihnen war klar, dass es so gut wie keine Möglichkeiten gab, Geowatt zu entkommen, also entschlossen sie sich den Chip zu verstecken. Und zwar dort, wo niemand damit rechnen würde."

Johnny dachte angestrengt darüber nach, wo er einen so wichtigen Chip versteckt hätte, doch ihm fiel kein sonderlich geeigneter Ort ein.

"Um ehrlich zu sein, waren sie gar nicht direkt hinter dir her, sondern hinter Salamalyon. Allerdings muss ich zugeben, dass sie nicht wussten, dass der Chip in Salamalyon versteckt ist. Das wusste nur ich."

Johnny kam diese Geschichte immer lächerlicher vor und er fragte sich, ob Robert überhaupt klar war, wie schwachsinnig die ganze Geschichte auf ihn wirkte. Doch allein die Tatsache, dass er nach diesem Gespräch, oder eher nach Roberts Monolog, den Schlüssel bekam, hinderte ihn daran, irgendeine falsche Bemerkung fallen zu lassen. Nachdenklich tastete er seine Tasche nach Salamalyon ab, wo er diesen immer aufbewahrte, doch in der Tasche war nichts Beybladeähnliches zu finden. Also war Salamalyon weg...

"Die restlichen Geowattleute vermuteten nur, dass sich der Chip in deinem Besitz befand, da sie ihn nirgends finden konnten", Robert deutete auf den Nachttisch, "Öffne das erste Fach, da liegt er drin."

Johnny folgte Roberts Anweisung, wenn auch nur sehr langsam, und überlegte in der Zwischenzeit, woher Robert wissen wollte, dass sich der Chip in Salamalyon befand. Er kam zu dem Entschluss, dass Robert es nur wissen konnte, wenn er den Chip selbst dort versteckt hatte, um ihn nun mit dieser Geschichte zu täuschen, oder wenn Johnnys Eltern es ihm erzählt hatten. Der junge Schotte tippte auf ersteres. Tatsächlich befand sich Salamalyon in dem Schubfach, genauso, wie Robert es ihm gesagt hatte.

"Du hattest ihn liegengelassen", erklärte Robert, "Als ich dir... als wir uns gestern unterhalten haben. Ich wollte ihn eigentlich nur mitnehmen, um ihn dir zu geben, da fiel mir auf, dass er anders aussah, als das letzte Mal, als wir gegeneinander gebladet haben."

Johnny verzog sein Gesicht. "Natürlich sah er anders aus, mein Vater...", Johnny verstummte augenblicklich und starrte auf sein Blade. "Eben. Dein Vater", bestätigte Robert, "Da ich allerdings nicht wollte, dass einer der Geowattleute über das Blade stolpert und am Ende wahrscheinlich noch hinter sein Geheimnis kommt, habe ich es in meinem Zimmer aufbewahrt. Da man mir seitens Geowatt das Vertrauen ausgesprochen hatte, gab es kein sonderlich großes Risiko, dass sie meine Sachen durchwühlen würden."

Er brach ab, als er Johnnys Gesicht sah. Anscheinend erinnerte sich dieser gerade an das Gespräch, dass Robert mit Martin geführt hatte. "Der Typ hatte gesagt, dass Geowatt dir nicht vertrauen würde."

Robert lachte. "Natürlich vertrauen sie mir nicht ganz. Aber sie haben mir das Vertrauen ausgesprochen. Das bedeutet, dass jedes Mitglied von Geowatt, das irgendetwas an meinen Sachen macht, auch von der Chefetage aus bestraft wird. Ganz einfach."

Kurzes Schweigen folgte.

"War das alles, was du mir erzählen wolltest?", fragte Johnny.

"Nein", entgegnete Robert leise. "Ich wollte dir noch etwas sagen: Das Liebesgeständnis war ernst gemeint. Ich liebe dich, und daran lässt sich nichts ändern."

Johnny nickte kurz.

"Okay, kann ich jetzt den Schlüssel haben?"

Robert seufzte frustriert und griff in seine Hosentasche. "Ja, abgemacht ist abgemacht." Mit diesen Worten überreichte er Johnny den Zimmerschlüssel und blickte diesem nach, als er zur Tür marschierte, sie aufschloss und auf den Gang hinaustrat.
 

~*~

Lügen

Warum tut es mir so weh?

Lügen

[10/21]
 

Robert saß noch eine ganze Weile in seinem Sessel und dachte über das Geschehene nach. Er hatte Johnny alles erzählt, nichts ausgelassen und dennoch war der Schotte gegangen. Natürlich hatte Robert gehofft, dass Johnny ihm alles glauben und sich weiterhin in der Sicherheit des Schlosses aufhalten würde, auch wenn ihm von Vorneherein klar gewesen war, dass das schon allein die Sturheit Johnnys verbot. Doch so wie es im Moment aussah, konnte er nur noch beten, dass Johnny nicht von den Geowattleuten erwischt wurde, wenn er versuchte, vom Grundstück zu fliehen.

Leise seufzend erhob sich Robert und warf noch einen kurzen Blick auf sein Buch, ehe er seinen Ausweis wieder in seine Tasche steckte und den Brief der BBA sorgfältig in eines der Nachttischfächer legte. Nach einem letzten Blick auf das Foto seiner Eltern, das auf seinem Schreibtisch stand, verließ er, wie einige Minuten zuvor Johnny, das Zimmer. Ein paar Schritte von ihm entfernt lag der Zimmerschlüssel; Johnny musste ihn wohl in seiner Wut und Hektik einfach auf den Boden geworfen haben. Leicht betrübt beugte er sich hinab, um den Schlüssel aufzuheben, wobei ein leises Rascheln seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht, als er Johnny ein paar Meter entfernt an der Wand zusammengekauert auf dem Boden sitzen sah. Eilig griff der Deutsche nach dem Schlüssel, verstaute ihn in seiner Tasche und trat auf Johnny zu.

„Ich dachte du wolltest abhauen“, meinte er dann leise, als er sich vor Johnny hinkniete. „Ich weiß ja nicht, wo ich sonst hingehen sollte“, der Schotte schaute kurz auf, blickte ihm direkt in die Augen und lächelte zögerlich, wobei ihm Tränen über die Wangen liefen, „Ich habe ja sonst keine anderen Freunde.“

Robert freute es, diese Worte aus Johnny Mund zu hören, auch wenn sie sehr gequält klangen, und er reichte Johnny seine Hand, die dieser auch vorsichtig ergriff und er half dem Schotten auf die Beine.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Johnny unsicher. Robert war klar, dass Johnny nicht die unmittelbar nächste Handlung meinte, sondern wie er aus dem ganzen Unheil wieder herauskommen sollte und vor allem, wie sie seine Eltern retten sollten.

Robert schenkte ihm kurz ein beruhigendes Lächeln. „Darüber denken wir später nach.“ Nun, das bedeutete so viel wie ‚Ich habe selbst keine Ahnung, aber uns wird schon noch was einfallen!’. Nicht unbedingt beruhigend, aber immerhin die Wahrheit. Johnny musterte seinen Freund düster. „Was verstehst du unter ‚später’?“ Der Deutsche zuckte jedoch nur mit den Schultern. „Ich dachte, dass du, bevor wir irgendetwas planen, erst einmal etwas isst und dich noch etwas ausruhst. Und außerdem“, Robert musste sich ein Grinsen verkneifen, „willst du doch sicher nicht die ganze Zeit in meinem Morgenmantel herumlaufen, oder?“
 

Robert war weggegangen und hatte Johnny alleine gelassen. „Du weißt doch sicher den Weg zu deinem Zimmer, oder?“, hatte er gefragt und war abgehauen. Natürlich wusste Johnny, wo es entlang ging; aber es wäre ihm wesentlich lieber gewesen, wenn Robert ihn begleitet hätte, so wie er es zuvor zum Speisesaal getan hatte, und erst gegangen wäre, wenn er - nun ja - eingeschlafen wäre.

Eigentlich war Johnny klar, dass ihm im Schloss wirklich nicht viel passieren konnte: Die Leute von Geowatt befanden sich außerhalb der Mauern und Robert hatte ja selbst gesagt, dass sie nicht so einfach herein durften. Mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck lief er durch die steinernen Gänge und überlegte, ob es für die Leute von Geowatt nicht doch irgendeine Möglichkeit gab, sich unbemerkt zu ihm zu schleichen.

Der Weg zu seinem Zimmer kam ihm diesmal ungewohnt lang vor. Seufzend betrachtete er die Bilder an den Wänden und stellte erschrocken fest, dass er diese nicht kannte. Verflucht, war er in Gedanken soweit vom richtigen Weg abgekommen? Wo war er überhaupt? Dieser Teil des Schlosses war ihm vollkommen neu.

Zögerlich drehte er sich um, denn er hielt es für das Beste, den Weg einfach wieder so weit zurückzugehen, bis er in einen Bereich des Schlosses käme, den er kannte. Er wollte sich gerade in Bewegung setzten, als er Stimmen wahrnahm, die vorher noch nicht da gewesen waren. Tatsächlich war wenige Meter vor ihm eine Tür, die einen kleinen Spalt breit geöffnet war und durch den etwas Licht fiel.

Aus der Erfahrung der letzten Tage wusste er, dass sich meist etwas Negatives ergab, wenn er den Gesprächen lauschte, außerdem gehörte es sich eigentlich nicht. Andererseits wollte er wissen, wer sich da in dem Raum unterhielt.

Leise schlich er an die Tür heran und beugte sich etwas vor, als ihn plötzlich zwei starke Hände von hinten ergriffen und ihn grob auf den Boden drückten, die Hände hinter dem Rücken. Ein leises Kichern folgte, ehe die Person, die ihn zu Boden drückte, etwas zu ihm sagte: „Hallo, Kleiner, so trifft man sich wieder...“

Johnny drehte es schlagartig den Magen um. Warum war Martin frei und was machte er hier? Er wollte doch nicht etwa schon wieder... Der junge Schotte wurde abgelenkt, als die Tür vor ihm aufging und jemand heraustrat. Erleichtert atmete Johnny aus, als er nach oben sah und Robert erkannte. „Robert, hilf mir, Bitte! Martin-...“

Doch Robert blickte ihn nur kalt an und ihm verschlug es die Sprache. Bedeutete das etwa...? „Was machst du hier, Johnny? Was hast du gehört?“

Johnny starrte ihn panisch an. „Ich habe nichts gehört, Robert!“

„Und was nun?“, fragte Martin Robert mit gehässiger Stimme, „Was sollen wir denn nun mit ihm machen, Chef?“
 

~*~

Verwirrung

Warum tut es mir so weh?

Verwirrung

[11/21]
 

Erschrocken zuckte Johnny zusammen. War Robert etwa der Kopf von Geowatt?

„Ich brauche ihn nicht mehr, ich habe ja jetzt endlich Salamalyon“, der Deutsche blickte mit sich selbst zufrieden in seine Hand, wo Johnnys Beyblade lag. Dann wandte er sich wieder an Martin. „Du kannst dir ja noch ein bisschen die Zeit mit ihm vertreiben. Und danach... nun ja, das besprechen wir später.“ Mit einem fiesen Grinsen wandte er sich ab. „Aber Robert!“, Johnny schrie seinem ehemaligen Freund hinterher, doch dieser lief einfach weiter, ohne ihn zu beachten.

„Hey, sei leise“, meinte Martin ruhig und beugte sich vor, um dem jungen Schotten die nächsten Worte ins Ohr zu flüstern, „Wir wollen doch noch etwas Spaß miteinander haben. So wie neulich...“

Verzweifelt versuchte Johnny sich aus dem festen Griff Martins zu befreien. „Lass mich in Ruhe, du Perverser!“ Er brüllte diese Worte panisch und ihm war sofort klar, dass er keine große Chance gegen Martin hatte. Tränen liefen seine Wangen hinab. Vor lauter Angst war es ihm unmöglich, darüber nachzudenken, was Robert nun eigentlich vor hatte. Er war sich nur sicher, dass er von ihm keine Hilfe erwarten konnte. Der Griff Martins verstärkte sich und er drehte Johnny grob auf den Rücken. Er grinste Johnny an.

„Willst du es genauso haben wie das letzte Mal, oder hat es dir nicht gefallen?“

Immer noch versuchte Johnny sich verzweifelt aus dem Griff zu befreien, den Martin inzwischen auf eine Hand beschränkte, während er mit der Rechten begann, die Hose des Schotten zu öffnen. Dann ließ er die rechte Hand in Johnnys Shorts gleiten und grinste ihn lüstern an. Johnny nutzte diese Gelegenheit der Unaufmerksamkeit, befreite einen seiner Arme aus dem Griff, schloss ängstlich die Augen und schlug zu.

Er spürte, wie er den Kieferknochen traf und wie er das Gesicht seines Angreifers zur Seite schleuderte. Doch als er die Augen wieder öffnete, war er mehr als entsetzt: Robert hielt sich die Wange und blickte ihn verblüfft an.

Schlagartig wurde Johnny klar, dass er alles nur geträumt haben musste; denn Robert hatte ihn in seinem eigenen Zimmer zu Bett gebracht und hatte wahrscheinlich bis eben neben seinen Bett gewacht. Erschrocken starrte Johnny Robert in die Augen.

„Es... es tut mir Leid...“, stotterte er nur und runzelte dann völlig verwirrt die Stirn, als er bemerkte, dass warme Tränen langsam den Weg seine Wangen hinab suchten. Er wollte nicht, dass Robert ihn schon wieder so sah.

Sein Freund winkte jedoch nur ab und rieb sich die Backe. „Ist schon okay. Hattest wohl einen ziemlich heftigen Albtraum...“ Er nahm vorsichtig die Hand von der schmerzenden Wange und blickte Johnny kurz berechnend an, dieser verblüffte ihn jedoch, indem er sich zur Seite - weg von ihm - drehte und sich einfach die Decke über den Kopf zog.

„Hey“, murrte Robert und stieß Johnny vorsichtig mit der Hand an, „Hör auf damit.“

„Womit?“, kam die gedämpfte Antwort von unter der Decke. „Dass du mich immer ausschließt, wenn es dir dreckig geht!“

Ein kurzes Schweigen folgte und Robert seufzte leise, ehe er sich wieder in seinen Sessel neben dem Bett setzte und sein Buch, das er zu Boden geworfen hatte, wieder aufhob. „Du hattest einen Albtraum“, wiederholte Robert und seine Stimme klang nachdenklich, „Du hast mich ganz schön erschreckt, als du plötzlich zu schreien angefangen und wild um dich gehauen hast.“ Er rieb sich nochmals über die Wange. „Zumindest hast du eine ziemlich gute Rechte.“

Wieder reagierte Johnny nicht auf Robert. Dieser empfand Johnnys abweisendes Verhalten langsam als lästig - auch wenn es es durchaus nachvollziehen konnte - und mit einem Schnauben erhob er sich wieder von seinem Platz. Er ging um das Bett herum und griff nach dem Ende der Decke, das er leicht anhob und nach unten umschlug.

Als der junge Schotte wieder danach fasste, um es sich erneut über das Gesicht zu ziehen, hielt Robert die Decke fest, so dass es diesem nicht möglich war.

Der Deutsche streckte seine Hand aus, wischte Johnny ein paar Tränen aus dem Gesicht und meinte dann leise: „Lass uns darüber reden.“

„Ich will nicht darüber reden. Zumindest nicht mit dir.“

„Wenn nicht mit mir, mit wem denn dann?“, fragte Robert sanft und lächelte, „Ich dachte, für solche Zeiten sind gute Freunde da?“

Johnny zögerte, setzte sich auf und umarmte Robert dann. „Verflucht, Robert. Du bist so viel mehr für mich als nur das...“ Er presste sein Gesicht in Roberts Hemd und dieser wusste, dass dem Schotten dieses Zugeständnis ziemlich viel Kraft und Überwindung gekostet hatte und umso glücklicher war er diese Worte endlich einmal aus Johnnys Mund gehört zu haben. Genauso schnell wurde ihm aber auch klar, dass Johnny wieder weinte, obwohl er sich eben erst beruhigt hatte. Behutsam strich er ihm mit der Hand über den Rücken, schwieg aber.

„Robert?“

„Hm?“

„Kannst du... ähm... Hast du... Schläfst du heute Nacht neben mir im Bett?“

Robert blickte Johnny verblüfft an und dessen Wangen röteten sich etwas. „Nicht mehr! Ich will nur nicht schon wieder einen Albtraum haben...“
 

Als Johnny am nächsten Morgen aufwachte, lag er fest an Robert gekuschelt in dessen Bett. Der Deutsche schlief anscheinend immer noch und Johnny war äußerst erleichtert, dass er die Nacht ohne einen weiteren Albtraum herumgebracht hatte. Müde schloss er seine Augen wieder und horchte dem ruhigen, regelmäßigen Atem von Robert. Nach einer Weile öffnete er seine Augen wieder und blickte Robert einige Zeit lang von der Seite an.

Er wusste nicht genau, wieso es auf einmal so war, aber er hatte das unbändige Bedürfnis, sich einfach über seinen besten Freund zu beugen und ihn zu küssen.

Verflucht, was war nur los mit ihm?

Ausgerechnet er, der wenige Tage zuvor weggerannt war, als Robert ihn geküsst hatte, wollte diesen nun selbst küssen? Warum?

Nun, in Ordnung. Er hatte Robert gestern gesagt, dass er mehr für ihn war, als nur ein einfacher, guter Freund. Aber das musste ja nicht zwangsläufig bedeuten, dass er ihn liebte, oder?!

Er empfand eben... Bewunderung für seinen Freund. Nicht mehr. So musste es eben sein. Aber wieso, verdammt noch mal, wollte er ihn dann jetzt küssen? Ihm war das alles doch so widerlich vorgekommen.

Okay, vielleicht kam ihm ein Kuss von Robert nach der Vergewaltigung nicht mehr ganz so abstoßend vor und der Gedanke daran... warum wollte er es auf einmal? Warum empfand er es nicht mehr als ekelhaft, sondern als... begehrenswert? Zögerlich brachte er sich in eine sitzende Position und stützte seinen Kopf in seine Hände. Wie schaffte es Robert nur, ihn so dermaßen durcheinander zu bringen?

Vorsichtig linste er zu Robert hinüber, der immer noch tief und fest zu schlafen schien. Er schlief also. Es würde niemand jemals etwas davon erfahren...
 

~*~

Gift

Warum tut es mir so weh?

Gift

[12/21]
 

Genau. Selbst Robert würde nichts davon wissen. Nur er und... niemand. Nur er würde es wissen. Es musste ja auch keiner erfahren. Er wollte Robert ja nicht küssen, weil er ihn liebte, sondern nur...

Und wieder war er am Anfang seiner Überlegung angekommen: Warum, verflucht noch mal, wollte er, Jonathan McGregor, stolzer Schotte, seinen besten Freund küssen?

Wahrscheinlich würde er darauf nie eine Antwort finden, sofern... nun, sofern er es nicht einfach ausprobierte und sah, was geschah. Er hatte Angst, dass er sich vielleicht eingestehen müsste, dass er Robert liebte. Und zwar mehr als er sonst irgendetwas liebte. Aber vielleicht war das alles auch nur ein Spiel seiner Psyche, die ihn nach allem, was vorgefallen war, gerade den Menschen begehren ließ, der ihn in Schutz genommen und ihm geholfen hatte.

Wieder blickte er zu Robert.

Er wollte einfach nicht schwul sein. Wenn das erst einmal herauskäme! Seine Eltern wären sicher mehr als entsetzt und es gäbe einen richtigen Skandal in den Medien. Zwar hatte Johnny schon öfter in Zeitungen darüber gelesen, dass die Toleranz gegenüber Schwulen in der Öffentlichkeit höher war, als sie jemals gewesen war, aber die Reporter und Journalisten würden es sowieso fertig bringen die Story hoch zu puschen. Andererseits...

Entsetzt ertappte sich Johnny, wie er über dieses Thema nachdachte. Wieso interessierte ihn das überhaupt? Es konnte ihm doch egal sein, denn er war nicht schwul!

Vorsichtig schielte er in Roberts Richtung. ...höchstens ein ganz kleines bisschen.

„Warum kann dieser ganze Mist nicht etwas einfacher sein?“, murmelte Johnny und stellte fest, dass ihn dieses Hetero-Homo-Gerede, jetzt, da er selbst allem Anschein nach davon betroffen war - nein, nicht er war betroffen, sondern Robert! Er war nicht schwul! - furchtbar nervte. Dabei war er es doch selbst, der die meisten und größten Vorurteile hatte.

Die Leute würden darüber reden - Sollten sie doch reden!

Unsicher und etwas verwirrt beugte er sich über Robert. Er würde sehen, was passierte, wie er sich danach fühlte, ob wirklich irgendein Gefühl dahinter steckte, oder ob er einfach nur verwirrt war. Es würde niemals irgendjemand etwas davon erfahren, schoss es ihm durch den Kopf. Aber war es nicht egal, wenn es jemand herausfand? Er war vergewaltigt worden und das, was ihn nun am meisten bedrückte, war, dass er jemandem einen kleinen Kuss auf den Mund geben wollte? Die paar Sekunden, die der Kuss dauern würde...

Und was war, wenn Robert wach war und sich nur schlafend stellte? Er würde es völlig falsch verstehen! Es war kein Kuss aus Liebe, sondern einfach nur ein... Kuss eben. Ein Kuss... der Dankbarkeit.

Wie oft hatte er sich das jetzt schon in Gedanken gesagt? Am Ende würde Robert wirklich aufwachen und alles mitbekommen. Augen zu und durch. Besser er kam diesem Bedürfnis jetzt nach, wo Robert nichts merken würde, als später, wenn Robert sich womöglich mit ihm unterhielt und er dem Drang einfach nicht mehr Stand halten könnte.

Langsam - fast übertrieben langsam - näherte er sich Roberts Gesicht. Johnny hatte genügend Bücher gelesen und Filme gesehen, in denen nun die andere Person aufwachte und den Küssenden - in diesem Fall ihn - in einen heftigen, gefühlsgeladenen Kuss hinunter ziehen würde. Aber das wollte Johnny nicht.

Vor lauter Gedanken bemerkte er gar nicht mal, wie sich seine Lippen kurz auf Roberts legten. Erschrocken zuckte er sofort zurück, brachte sich wieder in eine sitzende Position und drehte sich von Robert weg. Völlig verwirrt fuhr er sich dann über die Lippen. Er hatte es getan! Er hatte... Robert geküsst!

Es war kein so schlimmes Gefühl gewesen, wie er sich immer vorgestellt hatte, aber... Nun, er musste zugeben, es war ein gutes Gefühl gewesen. Und daran ließ sich leider nun nichts mehr ändern. Er hatte gehofft, dass es ihn abstoßen würde, wie noch ein paar Tage zuvor. Aber so war es nicht. Etwas niedergeschlagen ließ er seine Hand sinken.

„Du bist wach oder?“, seine Stimme klang etwas deprimiert und er musste sich nicht umdrehen um zu wissen, dass Robert wahrscheinlich gerade seine Augen aufschlug und ihn musterte. „Ja...“

Der junge Schotte seufzte resigniert, „Bei dem Glück, das ich die letzte Zeit hatte, war es auch nicht anders zu erwarten...“ Er drehte sich zu seinem Freund um, der ihn ruhig anblickte. Verflucht, wie konnte Robert nach dem, was er getan hatte, überhaupt noch so ruhig bleiben? „Hör zu, es war ein Versehen, vergiss es einfach schnell wieder.“

Ein ungläubiger Blick folgte und der Angesprochene schüttelte langsam den Kopf. „Nein.“

„Aber...“

„Ich will es nicht vergessen.“

„Aber wenn... die Leute... die Anderen... und...“

Robert schnaubte und schaute ihn nun ziemlich ernst an.

„Was hast du eigentlich immer mit den Leuten? Die Leute interessiert es gar nicht, was du machst. Du suchst nur verzweifelt irgendeine Ausrede, weil du dir selbst im Weg stehst. Du bist mit dir selbst nicht im Reinen, weil du dir nicht sicher bist, was zu tun ist und ob du jetzt auf dein Herz oder auf deinen Verstand hören sollst. Bis jetzt waren dir die Anderen auch immer egal gewesen. Versteck dich nicht hinter so einem billigen Vorwand, das passt nicht zu dir.“

Johnny wollte etwas entgegnen, doch ihm war klar, dass Robert Recht hatte, und so ließ er es dann doch lieber bleiben, ehe er sich in irgendwelche Diskussionen verfranzte, aus denen er nicht mehr herauskam und in denen er auf jeden Fall den Kürzeren zog.

Stattdessen setzte er seine Schmollmiene auf und musterte Robert düster, während er versuchte vom Thema abzulenken: „Und wieso hast du dich schlafend gestellt?“ Robert überraschte ihn mit einer verblüfften Miene. „Ich habe mich nicht schlafend gestellt“, ein Grinsen huschte ihm übers Gesicht, „Ich habe nur genossen, dass du dich so an mich gekuschelt hast.“

Der Schotte lief rot an und stellte fest, dass sein Ablenkungsmanöver alles andere als gut lief, doch Robert half ihm aus der Zwickmühle, indem er ihn freundlich anlächelte und mit den Worten „Ich geh dann mal frühstücken“ aus dem Bett aufstand.
 

Als die Beiden im Speisesaal ankamen, wartete dort nicht, wie sonst immer ein gedeckter, sondern ein gähnend leerer Tisch auf sie. Robert seufzte genervt. „Verflucht. Ich habe meinem Personal ja die Woche über frei gegeben.“

Johnny zuckte nur mit den Schultern und machte sich auf den Weg in Richtung Küche. „Du wirst es schon mal überleben, wenn du dein Essen selbst machst, Robert.“

Mit einem Lächeln auf den Lippen folgte Robert seinem besten Freund - und wie er hoffte baldigen festen Freund - und überlegte, wie Johnny es für den Moment schaffte, die Ereignisse der letzten Tage doch recht gelassen wegzustecken.

Die Küche, das bedeutete ein riesiger Raum mit Unmengen von Küchengeräten. Er war sicher für mehr als nur zwei Leute eingerichtet worden und Johnny war ehrlich gesagt über die Größe von Roberts Küche stark verwundert, wo Robert doch alleine wohnte. Andererseits hatte er sich auch schon oft über die Größe von Roberts Dienerschaft gewundert - die ja auch manchmal etwas essen musste. Außerdem war das Schloss ja nicht von Robert gebaut worden. Er hatte es ja nur geerbt.

Etwas desorientiert blickte sich der junge Schotte um, nur um festzustellen, dass er keinen Überblick über diese Art von Küche hatte.

„Was möchtest du denn essen?“, fragte Robert und warf ihm einen kurzen berechnenden Seitenblick zu, ehe er auf einen der Seitenschränke zu ging und ihn öffnete. „Ich habe einiges auf Vorrat da“, diese Aussage klang nicht wie eine Erklärung, sondern wie eine verwunderte Feststellung. Anscheinend hatte Robert noch wesentlich weniger Ahnung über die Küche seines Hauses, als Johnny sie hatte.

„Möchtest du einen Kaffee?“, fragte Robert, der anscheinend gerade seine Kaffeemaschine gefunden hatte. Es war eine recht große, automatenähnliche, in der die Kaffeebohnen immer erst frisch gemahlen wurden. Johnny verzog das Gesicht. Robert fragte ihn diese Frage immer wieder und jedes Mal antwortete er gleich: „Nein, lieber eine heiße Schokolade. Kaffee ist sowieso das reinste Gift.“

„Wenn du meinst...“

Nachdenklich musterte Robert den Apparat, stellte eine Tasse hinein und drückte einen Knopf, während er sich wieder an Johnny wandte. „Allerdings habe ich keine Ahnung, wo sich hier so was wie eine heiße Schokolade befindet.“

Der Schotte seufzte ergeben. „Wenn das so ist, dann trinke ich doch lieber eine Kaffee. Nein, eher einen Cappuccino“, er runzelte die Stirn, „Eigentlich ist es mir egal, schmeckt alles nicht.“

Für eine Weile musterte er die Ablage neben der Kaffeemaschine. Langsam trat er darauf zu und setzte sich dann dort hin, da es keine anderen Sitzgelegenheiten in der Küche gab. „Ich seh’ schon. Du hast deinem Küchenpersonal frei gegeben und wir werden verhungern. Das wird eine Schlagzeile geben: ‚Johnny McGregor und Robert Jürgens, Mitglieder von zwei der reichsten Familien der Welt, in einer Küche verhungert aufgefunden’“

Robert musterte ihn düster. „Ich musste ihnen Wohl oder Übel frei geben. Befehl von Oben.“ Es war klar, dass Robert mit „Oben“ die Chefetage von Geowatt meinte, doch Johnny hatte keine Lust, sich die Laune durch schlimme Erinnerungen verderben zu lassen, zumal er es gerade geschafft hatte, Robert zumindest ein bisschen zu ärgern. Grinsend nahm er die Tasse entgegen, die Robert ihm reichte. „Gibt’s eigentlich auch was zum Essen in dieser Küche?“

Robert zuckte mit den Schultern, „Keine Ahnung.“ Nachdenklich nahm er einen Schluck aus seiner Tasse und stellte diese wieder ab. „Bis jetzt...“

Der Deutsche unterbrach sich und schnappte nach Luft, Johnny starrte ihn entsetzt an und gab seinen Sitzplatz auf, um zu seinem Freund zu eilen und ihm zu helfen, dieser war inzwischen auf seine Knie gesunken und versuchte immer noch verzweifelt zu atmen. Johnny packte ihn an den Schultern. „Robert, verflucht noch mal, was ist los?“

„Nun, ich denke, das können wir dir am besten erklären...“

Erschrocken fuhr der Schotte herum und erkannte Martin und ein paar andere Männer in schwarzen Anzügen, die eindeutig zu Geowatt gehörten. Unbewusst verstärkte er seinen Griff und krallte sich schon fast in Roberts Schultern fest. Martin trat ein paar Schritte auf Johnny zu. Er grinste und hob eine Hand, in der er ein kleines Fläschchen hielt, „Robert wurde von uns vergiftet. Und jetzt rate mal, wer als Einziger das Gegenmittel hat.“
 

~*~

Aufopferung

Warum tut es mir so weh?

Aufopferung

[13/21]
 

Johnny starrte Martin mit zusammengebissenen Zähnen an.

„Verflucht, Johnny!“, keuchte Robert außer Atem, „Hau ab, die haben es doch auf dich abgesehen!“ Der Schotte drehte sich mit entsetztem Blick zu Robert und schüttelte langsam den Kopf: „Ich kann dich doch nicht einfach im Stich lassen...“

„Oh, wie rührend“, meinte Martin und wackelte mit dem Fläschchen hin und her, „Weißt du, wir von Geowatt sind ja keine Unmenschen. Wenn du freiwillig mitkommst, dann geben wir Robert das Gegenmittel...“

Johnny starrte zwischen Martin und Robert hin und her und stand dann auf, „Wenn ich mitgehe... Bekommt er dann sicher das Mittel?“ „Zumindest besteht dann die Möglichkeit, dass wir es ihm geben.“ „Damit gebe ich mich nicht zufrieden!“, knurrte Johnny und blickte nochmals zu Robert, der ihn, trotz heftiger Atemnotattacken, ernst anblickte und verzweifelt den Kopf schüttelte.

„Hm. Nun ja...“, begann Martin. „Gebt ihm das Zeug und ich komme mit“, sagte Johnny nochmals, „Sonst werde ich den Rest von dem vergifteten Kaffee trinken!“

Martin seufzte grinsend und lächelte ihn an: „Und was würde es deinem Freund hier bringen? Wir würden dir das Gegenmittel geben und es reicht nur für eine Person...“

„Woher soll ich wissen, dass das Mittel überhaupt wirkt?“

„Oh, das kannst du nicht wissen. Andererseits: Hast du denn eine Wahl? Bis du einen Krankenwagen gerufen hast - sofern du überhaupt die Möglichkeiten dazu hast - ist er schon längst tot.“

Johnny biss sich auf die Unterlippe und ballte seine Hände zu Fäusten. „Es... Es tut mir Leid, Robert...“, meinte er dann leise und trat Martin entgegen. „Eine kluge Entscheidung, damit rettest du Roberts Leben“, während er das sagte, zog er Johnny am Arm zu sich und reichte einem seiner Leute das Fläschchen. „Gib dem Typen das Mittel.“

Dann trat er aus der Küche heraus und mit einem letzten Blick auf seinen besten Freund folgte Johnny ihm.
 

„Hey, ich habe ihn gefunden!“

„Er schaut ziemlich schlecht aus...“

„Ruf' lieber einen Krankenwagen!“

„Lebt er überhaupt noch?“

„Ja, zumindest hat er noch Puls...“
 

Das regelmäßige Piepen riss ihn aus seinem Traum und unweigerlich verfluchte er denjenigen, der den verdammten Wecker gestellt hatte. Doch wer sollte bitte den Wecker gestellt haben, wenn nicht er selbst? Er lebte allein in dem großen Schloss und Johnny, der die letzte Zeit bei ihm verbracht hatte, war schließlich vor seinen Augen von Geowatt entführt worden. Moment. Johnny war entführt worden?!

Schlagartig war Robert wach und ehe er auch nur das geringste Detail seiner Umgebung wahrnahm, saß er aufrecht im Bett. Verflucht, dieser idiotische Johnny hatte sich Martin direkt in die Arme geworfen! Wütend ballte er seine Hände zu Fäusten. Er hatte nichts tun können; Nein, noch viel schlimmer: er war der Grund gewesen, weswegen Johnny überhaupt mit den Feinden mitgegangen war.

„Robert!“, der freudige Ausruf riss ihn aus seinen Gedanken und bevor er überhaupt wusste, woher die Stimme kam, wurde er bereits glücklich umarmt. Als er zur Seite blickte, erkannte er Oliver und Enrico, wobei der Franzose ihn umarmte und der Italiener einfach nur wenige Meter von seinem Bett entfernt stand und ihn erleichtert anlächelte. Oliver ließ ihn los und strahlte ihn gerade zu an.

„Wo bin ich hier?“, fragte Robert verblüfft und blickte sich um. Er war auf alles vorbereitet gewesen, aber darauf? „Im Krankenhaus“, antwortete Enrico kurz und bündig. „Wir haben dich halbtot-...“ „Er war nur bewusstlos, Enrico!“, warf Oliver ein. „Okay, dann haben wir dich eben bewusstlos in deiner Küche gefunden und weil Oliver so eine Panik gemacht hat, habe ich einen Krankenwagen gerufen.“ Der Franzose musterte seinen langjährigen Freund gereizt. „Hättest du nicht ständig behauptet, dass Robert tot sei, dann hätte ich auch nicht so übertrieben reagiert.“

Robert hob eine Braue. Eigentlich war ihm egal, ob sich die Beiden nun wegen einer solchen Kleinigkeit stritten oder nicht, das Einzige was zählte war Johnny.

„Sie haben ihn mitgenommen, oder?“, fragte er und war sich gar nicht bewusst, dass er eine kleine Diskussion zwischen Oliver und Enrico unterbrach. Der Italiener reagierte zuerst, wenn auch nur sehr zögerlich. „Ja. Sie waren bereits weg, als wir kamen.“ „Und das Gift?“

Enrico schaute ihn verwirrt an. „Welches Gift?“ „Okay, vergiss es einfach.“

Nachdenklich fuhr sich Robert durch die Haare. „Wo sind meine Klamotten?“ Er schwang seine Beine aus dem Bett und versuchte, ohne an mögliche Folgen zu denken, sich hinzustellen. Dabei dachte er lieber nicht darüber nach, wie lächerlich er in seinem Patientenoutfit wohl aussehen mochte.

Der Italiener musterte ihn ernst. „Du solltest noch etwas liegen bleiben. So überzeugend gut war dein Zustand nämlich nun auch wieder nicht. Die Ärzte haben gesagt, dass du erst einmal im Bett bleiben solltest.“

Robert warf ihm einen ärgerlichen Blick zu. „Es ist mir so ziemlich egal, was die Ärzte sagen.“ Während er das sagte, schnappte er sich das Hemd, das Oliver ihm nur äußerst widerwillig reichte und zog es sich über. „Hätte ich besser aufgepasst, dann hätten die Leute von Geowatt Johnny jetzt nicht in ihrer Gewalt.“ Eilig knöpfte er das Hemd zu und griff nach seiner Hose.

„Ich habe die nötigen Informationen, die die BBA braucht, um einen Zugriff auf den Besitz der McGregors zu wagen, und die werde ich ihnen auch geben, damit Johnny da möglichst schnell wieder rauskommt.“

„Hier“, meinte Enrico und reichte Robert Salamalyon. „Den hattest du in der Tasche.“ Robert musterte das Blade verblüfft und nahm es entgegen. „Verflucht, den muss er mir zugesteckt haben...“

Dann schüttelte er den Kopf. „Wie lange war ich im Krankenhaus?“ „Drei bis vier Stunden“, antwortete Oliver diesmal und folgte Robert, als dieser eilig zur Tür ging und auf den Gang trat.

„Moment mal, Robert, nicht so hastig!“, meinte Enrico düster, ging Robert aber ebenfalls hinterher, da er sich klar war, dass dieser keinesfalls stehen bleiben würde. „Woher willst du überhaupt wissen, dass deine Informationen noch stimmen? Sie scheinen zu wissen, dass du sie die ganze Zeit nur an der Nase herum geführt hast. Wahrscheinlich sind alle deine Informationen inzwischen falsch.“

Der Deutsche seufzte. „Irgendwas muss ich einfach tun. Und außerdem kenne ich mich wohl von allen übrigen BBA-Mitgliedern auf dem Grundstück der McGregors am besten aus, oder?“ „Ja, natürlich, aber...“

Oliver schnaubte. „Vergiss es, Enrico. Er lässt sich nicht davon abbringen.“ Als er Robert Grinsen sah, verdüsterte Olivers Miene sich. „Das habe ich jetzt nicht gesagt, weil ich dein Vorhaben gut finde. Das ewige Hin und Her nervt mich nur, du lässt dich sowieso nicht davon abbringen irgendetwas Dummes zu tun. Da ist es besser, wenn Enrico und ich dabei sind und dir dann aus der Patsche helfen.“
 

~*~

Angst

Warum tut es mir so weh?

Angst

[14/21]
 

Sie hatten ihn zum Speisesaal gebracht; anscheinend, weil sie erst einmal ihrem Boss von ihrem Triumph erzählen wollten, oder auch einfach nur, um irgendetwas für ihn vorzubereiten. Einen Verhörraum oder so etwas. Als er zögerlich die Tür öffnete und eintrat, fuhren zwei erschrockene Gesichter zu ihm herum.

„Johnny!“, rief Marian McGregor überrascht und lief ihrem Sohn entgegen. „Geht es dir gut?“ Sie packte ihn an den Schultern und drückte ihn an sich. Der junge Schotte, der in diesem Augenblick mit allem gerechnet hatte, nur nicht damit seine Eltern zu treffen, löste sich von ihr und blickte die Beiden verwirrt an. „Was...?“

Er unterbrach sich. Eigentlich hatte er fragen wollen ‚Was wollt ihr hier?’, aber irgendwie war es eine verdammt unsinnige Frage. Also antwortete er stattdessen lieber seiner Mutter, die ihn immer noch überrascht anblickte. Von der Vergewaltigung und dem ganzen Kummer, den er in den letzten Tagen gehabt hatte, mussten seine Eltern ja nicht unbedingt etwas erfahren. „Ja, ich bin in Ordnung, Mum.“ „Und was ist das für Kleidung, die du da trägst?“

Johnny zögerte. Verflucht, warum musste seine Mutter ihn ausgerechnet jetzt an Robert erinnern? Hoffentlich lebte sein Freund noch. Er war nur vergiftet worden, weil er sich so dumm angestellt hatte. „Die habe ich mir von Robert geborgt...“

„Du warst in Deutschland, Jonathan?“ Er blickte zu seinem Vater Mark McGregor, der ihn verblüfft musterte und er zuckte mit den Schultern, „Ich hatte keine Ahnung, wo ich sonst hingehen sollte.“

Mit einem leicht grimmigen Lächeln auf den Lippen musste er daran denken, wie er vor dem verhängnisvollen Frühstück Roberts halben Kleiderschrank durchprobiert hatte, nur um etwas zu finden, das im annährend passte; Robert war währenddessen im Bad gewesen, doch Johnny vermutete, dass sein Freund im Bad verschwunden war, weil er sich nicht sicher war, ob Johnny es so gerne sah, wenn man ihm beim Umziehen zuschaute.

„Und wie haben sie es geschafft dich gefangen zu nehmen?“, fragte seine Mutter zögerlich. Johnny war klar, dass sie sich nicht wirklich sicher waren, ob Johnny nun den Grund für den Überfall wusste oder nicht und offen nach dem Datenchip fragen konnten sie auch nicht, denn der Raum wurde bestimmt abgehört. Und falls der Datenchip Geowatt in die Hände fiel, dann wäre alles umsonst gewesen. Johnny dachte angestrengt nach. Wie konnte er seinen Eltern klar machen, dass der Chip in Sicherheit war?

„Ich war doch bei Robert. Wir waren gerade beim Frühstück, da kamen die Leute von dieser Organisation herein und haben Robert k.o. geschlagen“, seine Eltern mussten nicht unbedingt etwas über Roberts Vergiftung erfahren, „und mich mitgenommen.“ Er seufzte leise. „Leider habe ich auf dem Weg zu Robert mein Beyblade verlegt. Als ich bei Robert ankam, war es einfach nicht mehr da. Robert hat mir gesagt, dass ich es wahrscheinlich nicht mehr finden werde. Ich glaube, er hat die Wahrheit erzählt. Ich werde mir wohl ein neues besorgen müssen.“ Mit einem leicht gereizten Schnauben musterte er seinen Vater düster, der seinen vorwurfsvollen Blick sehr wohl verstand. Er bedeutete so viel wie ‚Verflucht, warum habt ihr mir nichts davon gesagt?’ und Mark räusperte sich verlegen. „Na, dann wollen wir mal hoffen, dass du es dir nicht so zu Herzen nimmst.“

Johnny wollte eigentlich mit ‚Das werde ich später sehen, wenn alles vorbei ist' antworten, da er wusste, dass sein Vater sich danach erkundigt hatte, ob er sauer war, doch in diesem Moment ging die Tür auf, Johnny blickte sich verwirrt über die Schulter und verkrampfte sich etwas, als er erkannte, wer den Raum betreten hatte. Die Tatsache, dass außer seinem Vergewaltiger noch zwei weitere Männer dabei waren, beruhigte ihn zumindest ein bisschen und die Nähe seiner Eltern machte ihm ebenfalls Hoffnungen, dass es nicht zu einem erneuten Übergriff kommen würde. Es würde ihm nichts geschehen...

Irgendwie war er dankbar, dass die Geowatt-Leute ihn während des Fluges nach Glasgow betäubt hatten, denn die Anwesenheit Martins machte ihn nervös. Andererseits war er sich sicher, dass sie nicht direkt nach Glasgow geflogen waren, sondern einen Umweg genommen hatten, denn sie waren um 11:00 Uhr gestartet, waren aber erst um 18:00 Uhr angekommen und er war sich sicher, dass der Flug von Glasgow nach Berlin nur ein bis zwei Stunden dauerte. Johnny warf einen kurzen Blick auf seine Uhr. Er war bereits eine halbe Stunde hier auf dem Anwesen.

„So, Johnny“, grinste Martin, „Dann werden wir dich mal wieder mitnehmen. Der Chef hat gesagt, dass wir sehen sollen, ob du ihn bei dir hast.“

Johnny runzelte verwirrt die Stirn. „Wen?“

Martin zuckte mit den Schultern, ging auf ihn zu und packte ihn unsanft am Arm. Der junge Schotte zögerte noch einen kurzen Moment ehe er sich dazu entschied Martin zu folgen, da ihm Wohl oder Übel nichts anderes übrig blieb. Seine Eltern warfen ihm besorgte Blick zu, doch Johnny hatte nicht die Kraft ihnen aufmunternd zuzulächeln.
 

Nach einiger Zeit kamen sie endlich dort an, wo Martin ihn haben wollte.

Es war das Arbeitszimmer seines Vaters und Johnnys Magen verkrampfte sich, da er hauptsächlich unschöne Erinnerungen an diesen Ort hatte: Gewöhnlicherweise war er nur im Arbeitszimmer, wenn sein Vater ihm eine Standpauke hielt und die Tatsache, dass diese Typen ihn nun in diesem Raum durchsuchen wollten, würde sein Verhältnis zu diesem Raum auch nicht unbedingt verbessern. Martin hielt ihm die Tür auf und Johnny trat zögerlich ein, während die anderen beiden Geowatt-Männer ihm folgten und letzten Endes auch Martin eintrat und die Tür hinter sich schloss.

„Nun, Johnny McGregor“, begann Martin und Johnny wusste, dass jetzt bestimmt keine positive Nachricht folgen würde, „wenn ich dich nun darum bitten dürfte, dich zu entkleiden...“

Johnny starrte die drei Männer entsetzt an. Er sollte sich ausziehen?

„Wir müssen deine Kleidung nach dem Datenchip durchsuchen“, erklärte einer der anderen Männer. „Welcher Datenchip?“, fragte Johnny und versuchte dabei den verzweifelten Unterton aus seiner Stimme zu verdrängen. Das Letzte, was er wollte, war, sich vor den Augen seines Vergewaltigers noch einmal nackt zu zeigen.
 

~*~

Rettung

Warum tut es mir so weh?

Rettung

[15/21]
 

„Wird’s schon?“, schnauzte ihn der Dritte der Gruppe an, „Ich habe keine Lust hier zu versauern. Entweder du ziehst dich jetzt freiwillig aus oder wir helfen dir dabei!“

Das war zumindest ein kleiner Ansporn. Wenn er sich vorstellte, von diesen Typen ausgezogen zu werden... Schleunigst verbannte er diesen Gedanken aus seinem Kopf, dann drehte er sich mit den Rücken zu ihnen und versuchte krampfhaft sein Zittern unter Kontrolle zu bringen. Langsam griff er an die Enden des T-Shirts, das Robert ihm geliehen hatte, zog es über seinen Kopf und reichte es weiter, wobei ihm das Kleidungsstück beinahe aus der Hand gerissen wurde.

Die Drei gingen sehr unsorgsam mit dem geborgten Shirt um und Johnny fragte sich, wie er Robert erklären sollte, dass ihm seine Klamotten kaputt gegangen waren. Dann machte er sich an seiner Hose zu schaffen und gab auch sie an das Geowatt-Personal weiter.

So stand er nun, nur noch mit Boxershorts bekleidet, mit dem Rücken zu den drei Männern.

„Hm? Und wo bleibt der Rest?“, fragte Martin und grinste dreckig.

„W... Wie?“, stotterte Johnny.

„Na, deine Shorts“, erläuterte der Typ, der ihn vorher angeblafft hatte.

„Ich...“

„Na, wird’s bald?“

Johnny hatte Angst. Einfach nur Angst. Garantiert würde... Bevor er den Gedanken zu Ende gedacht hatte, stellte er fest, dass er ihnen, wohl während er panisch nachgedacht hatte, bereits seine Shorts gereicht hatte. In diesem Moment zeriss ein lautes Sirenengeheul die Stille und Johnny zuckte erschrocken zusammen. Martin und seine zwei Kumpels blickten sich an und als Martin nickte, rannten die beiden anderen eilig aus dem Zimmer.

Nackt stand Johnny da und sein Vergewaltiger blickte ihn lüstern an. Als er auf ihn zutrat, machte der junge Schotte erschrocken ein paar Schritte zurück und musste feststellen, dass er nicht weiter zurückweichen konnte, da die Wand ihm den Weg versperrte. „So, so... Wir sind also wieder mal alleine...“

Wieso beunruhigte dieses Arschloch die Sirene nicht? Warum hatte er nicht mit den anderen mitgehen können? Johnny hätte alles dafür gegeben, diesem verdammten Hund einfach nur eine reinzuhauen. Er wusste, was ihn erwartete. Er wollte nicht, verflucht noch mal, er wollte es nicht!

Im nächsten Moment holte er einfach nur mit der Hand aus und schlug mit zusammengeballter Faust zu; so, wie er es in seinem Traum getan hatte. Martin keuchte auf und wankte ein paar Schritte zurück, während er sich seine Hand gegen die schmerzende Stelle presste.

„Du verdammter Bastard!“, brüllte er zornig und Johnny presste sich panisch gegen die Wand. Das Einzige, was ihm sein verzweifelter Versuch sich zu wehren eingebracht hatte, war, dass Martin jetzt nur noch wütender auf ihn war. Und das bedeutete wiederum, dass das Kommende noch unerfreulicher würde. Er ließ sich die Wand hinabrutschen und schloss verängstigt die Augen, wartete darauf, brutal in die Höhe gezogen und dann geschlagen, verprügelt zu werden.

Doch nichts von dem Erwarteten traf ein. Stattdessen hörte er einen dumpfen Aufschlag und ein schmerzerfülltes Stöhnen war zu hören. Vorsichtig öffnete er seine Augen und musste feststellen, dass sich Martin vor ihm auf dem Boden krümmte. „Und wehe du wagst es noch einmal ihn auch nur zu berühren!“

Johnny blickte auf und sah Robert, der sich schützend vor ihn gestellt hatte. Er hatte seinen Freund noch nie so wütend gesehen. Robert trat auf Martin zu, packte ihn am Kragen und zerrte ihn in die Höhe - es war ein seltsamer Anblick, da Martin ein Stückchen größer war als Robert - ehe er nochmals zuschlug. Martin sackte leblos auf den Boden, als Robert ihn wieder los ließ.

Dann wandte sich der Deutsche zu Johnny um, der zusammengekauert an der Wand lehnte, und ging eilig auf ihn zu. Er strich ihm sanft über die Wange und Johnny blickte auf. Seine Augen waren gerötet und Tränen liefen ungehindert seine Wangen hinunter. Er wirkte fix und fertig.

Roberts Magen zog sich unangenehm zusammen und er packte Johnny an den Armen, zog ihn auf die Beine und umarmte ihn. Er kam sich in diesem Moment so hilflos vor, aber er wollte Johnny einfach trösten, bei ihm sein, ihm zeigen, dass er keine Angst mehr haben musste. Der Schotte krallte sich in Roberts Hemd und schluchzte laut auf. Er zitterte fürchterlich und Robert strich ihm beruhigend über den Rücken. Verflucht, warum war er nicht früher da gewesen? Behutsam fuhr er Johnny durch die Haare, während er ihn an sich drückte und ihm leise beruhigende Worte zuflüsterte. Als Johnny etwas ruhiger wurde - was jedoch nicht bedeutete, dass er aufhörte zu weinen-, nutzte Robert die Gelegenheit und blickte sich im Raum um. Martin lag immer noch bewusstlos auf dem Boden und wenige Meter entfernt lag die Kleidung, die Robert Johnny am Morgen geliehen hatte; zerfetzt. Unbewusst verstärkte er den Griff, mit dem er den Schotten hielt.

„R...Robert?“, stotterte Johnny nach einer Weile. Seine Stimme zitterte und er schluchzte mehrmals. „Ja, ich bin hier. Keine Angst, ich passe auf dich auf. Es ist alles in Ordnung.“

Vorsichtig küsste er Johnnys Haar und er bemerkte, dass auch das Zittern langsam nachließ. Als er das Gefühl bekam, dass Johnny sich endlich genügend beruhigt hatte, um nicht mehr gedrückt werden zu müssen, schob er ihn ein Stückchen weg. Der Schotte brachte es nicht fertig ihm in die Augen zu blicken und streckte seine Arme nach seinem Hemd aus, um sich wieder an ihn zu pressen, doch Robert hielt ihn fest.

Er wusste nicht, ob Johnny genügend Kraft finden würde zu gehen, andererseits wollte er ihm nicht antun, dass noch andere außer ihm ihn so sahen, wie er im Augenblick aussah, also hob er ihn sanft auf seine Arme, trug ihn zu dem Sofa, das einige Meter von dem Arbeitstisch Mark McGregors entfernt stand und legte ihn dann behutsam darauf. „Ich komme gleich wieder, ich muss nur etwas holen“, murmelte er leise und erhob sich. Johnny, der total aufgelöst war und den Sinn von Roberts Worten einfach nicht verstanden hatte, blickte ihm panisch hinter her, als Robert zur Tür ging. Wollte er ihn alleine lassen? Alles in Johnny verkrampfte sich. Robert konnte ihn doch nicht einfach alleine lassen! Nicht in diesem Raum!

Im nächsten Moment füllten sich seine Augen wieder mit Tränen und er konnte Robert, der sich nun wieder über ihn beugte, nur verschwommen erkennen. „Hey, es ist alles in Ordnung. Ich habe nur eine Decke geholt“, meinte er im beruhigenden Ton und half Johnny aufzustehen. Dieser klammerte sich jedoch sofort wieder panisch an ihn, als ob er sich plötzlich in Luft auflösen könnte. Leise seufzend fuhr er Johnny durchs Haar. Dann löste er den Griff, mit dem Johnny sich an ihm festhielt und legte ihm die Decke um die Schultern, ehe er ihm den langen Stoff drei Mal um den Körper wickelte.

Der dickköpfige Schotte befreite allerdings sofort wieder seine Arme und als er einen Versuch startete, sich wieder an Robert zu hängen, hob dieser ihn hoch, um ihn zu tragen. Johnny kuschelte sich an ihn und schloss erschöpft die Augen, während Robert in Richtung Tür lief und ihn endlich aus dem verfluchten Zimmer herausbrachte. Überrascht blickte Robert auf seinen Freund, als dieser gedankenversunken anfing an seinem Hemd herumzuzupfen und er lächelte angesichts von Johnnys Verhalten. Eine Weile später hörte Johnny dann allerdings damit auf und Robert stellte erleichtert fest, dass er vor Erschöpfung eingeschlafen war.
 

~*~

Gespräche

Warum tut es mir so weh?

Gespräche

[16/21]
 

Nach einiger Zeit kam er endlich am Geheimgang an, an dem Oliver und Enrico bereits auf ihn warteten und besorgte Blicke auf Johnny warfen.

„Wie geht es ihm?“, fragte Oliver leise. „Er schläft“, gab Robert zur Antwort. Er wollte es Johnny nicht antun, dass jeder wusste, was vorgefallen war; er sollte später selbst entscheiden, wem er es anvertraute und wem nicht. Dann blickte er sich suchend um. „Wo sind Mark und Marian McGregor?“

Enrico zuckte mit den Schultern. „Wir haben sie befreit und nach draußen gebracht, wo sich die Hilfskräfte sofort um sie gekümmert haben, aber da du dir ziemlich viel Zeit gelassen hast, haben wir uns Sorgen gemacht und haben hier gewartet.“

Der Deutsche nickte knapp und trat in den schmalen, leicht beleuchteten Tunnel. Oliver und Enrico folgten ihm und der Franzose schloss vorsichtig die Geheimtür hinter sich. Von der anderen Seite würde es nun wie eine normale, kahle Wand aussehen.

„Die Polizei und das Sondereinsatzkommando?“ „Haben das Haus umstellt. Wer vom Grundstück hinunter will, muss an ihnen vorbei. Das ist so gut wie unmöglich.“ „Das ‚so gut wie’ stört mich“, murmelte Robert und warf dem Italiener einen kurzen, ernsten Blick zu. Dieser seufzte leise und zuckte mit den Schultern: „Sie werden ihr Bestes geben.“

Als sie aus dem Tunnel traten, richteten sich etliche Gewehrläufe auf sie und Robert zuckte erschrocken zusammen. „Na, zufrieden?“, murmelte Enrico und trat, an Robert vorbei, ins Freie. Die Waffen wurden gesenkt und ein verlegener Blick wurde unter den Männern des Sonderensatzkommandos ausgetauscht. Der Deutsche folgte Oliver und Enrico nun aus dem Sperrgebiet zum geschützten Bereich. Einer der Sanitäter, der anscheinend den schlafenden Johnny in Roberts Armen gesehen hatte, bahnte sich nun den Weg durch die Menge und als er angekommen war, übergab Robert ihm Johnny.

„Passen Sie bloß auf ihn auf!“, murmelte er leise und blickte den Mann düster an. Am liebsten wäre es ihm gewesen, wenn er sich selbst um Johnny hätte kümmern können. Im nächsten Moment nahm er einen kleinen Aufruhr in seiner Nähe war und als er sich umdrehte, erkannte er Mark und Marian, die wenige Meter von ihm entfernt standen und nun wahrscheinlich mehr als beunruhigt waren, da sie sahen, dass ihr Sohn von einem Sanitäter in Empfang genommen worden war. Er trat zu ihnen und schenkte ihnen ein aufmunterndes Lächeln.

„Keine Sorge, er ist in Ordnung, er schläft nur“, beruhigte er die besorgten Eltern und Marian, die eben noch heftig auf den Mann vor ihr eingeredet hatte, da sie zu ihrem Sohn und sich nicht irgendwelchen Gesundheitschecks unterziehen wollte, nickte stumm. Mark blickte nachdenklich auf das Krankenauto. „Ist er wirklich in Ordnung?“ „Ja...“

Robert hatte eigentlich vorgehabt, noch eine knappe Erklärung hinzuzufügen, die er sich jedoch ersparte, als ein recht ernst wirkender Mann auf ihn zutrat. „Sie sind Herr Jürgens, nicht wahr?“, erkundigte er sich. „Ja, der bin ich“, antwortete Robert knapp und warf dem Mann einen verwirrten Blick zu.

„Ich bin Andrew Hunt, der Präsident der hiesigen Polizeibehörde. Man sagte mir, dass ich mich an Sie wenden soll. Meine Männer sind bereit, sind alle Geiseln aus dem Haus befreit?“

Robert musterte die beiden McGregors fragend. „War außer Ihnen noch jemand im Haus?“ Marian schüttelte den Kopf, „Nur das Personal, das im Keller eingesperrt wurde. Sie sind soweit in Ordnung, denke ich. Für sie wird auch keine Gefahr bestehen.“ Der Polizeipräsident nickte verstehend und wandte sich dann an seine Leute, „Okay, Jungs, wir wagen dann einen Zugriff! Trupp 1...“

Robert wandte sich ab und seufzte leise. Marian, die entweder fertig mit der Untersuchung war, oder sich einfach selbst davon befreit hatte, ging gerade auf den Krankenwagen zu, wo sie einen der Sanitäter in ein Gespräch verwickelte; Der Deutsche ging davon aus, dass sie ihren Sohn ins Krankenhaus begleiten wollte.

Mark McGregor stand derweil bei Andrew Hunt, erklärte ihm den groben Aufbau des McGregor Anwesens und nannte ihm die günstigsten Möglichkeiten in das Haus zu gelangen. Allmählich machte sich in Robert immer mehr die Erschöpfung breit, die er die letzten Tage hatte unterdrücken können. Er ließ sich auf dem Gras nieder und sofort kam einer der Sanitäter, der sich erkundigte, ob es ihm gut ging.

Er hätte zwar am liebsten mit „Nein“ geantwortet, unterließ es dann jedoch, als er daran dachte, was er noch alles vorhatte. Stattdessen bedankte er sich und erklärte, dass er nur etwas müde sei und sich deshalb nur kurz hatte hinsetzen wollen. So schlich der Mann wieder von dannen und als nächstes schlug sich Enrico zu ihm durch, dicht gefolgt von Oliver.

„Na, wie geht es dir?“, fragte Enrico, wie es wenige Minuten zuvor der Pfleger getan hatte, und ließ sich neben ihm ins Gras fallen. Anscheinend bot er einen recht ungesunden Anblick. Zumindest konnte er sich anders nicht erklären, wieso nun schon der zweite besorgte Mensch zu ihm kam. Auch Oliver setzte sich. Korrektur: drei besorgte Menschen.

Am liebsten hätte er den Beiden von seinem Kummer erzählt, von seinen Sorgen, die er bezüglich Johnny hatte. Er brauchte irgendeinen Menschen, dem er sich anvertrauen konnte - doch er brachte er nicht über sich.
 

Erschöpft öffnete Johnny seine Augen, was leichter gesagt war, als getan. Seine Wimpern waren verklebt und seine Lider waren so schwer, dass es ihm schwer fiel, sie offen zu halten. Müde blickte er sich im Raum um, sofern seine verschwommene Sicht das zuließ. Er drehte seinen Kopf etwas nach rechts. Neben dem seinen stand ein weiteres Bett, auf dem jemand saß. Er konnte nicht genau erkennen, wer es war, aber vielleicht hatte er ja Glück, und es war...

„Ro... Robert?“, fragte er unsicher und war erstaunt, wie zittrig und schwach seine Stimme klang. Die Reaktion auf seine Frage war recht unerwartet: rgendetwas, dass die Person eben noch in der Hand gehalten hatte, flog in die Luft, als sie erschrocken zusammenzuckte. Das viereckige Etwas - wahrscheinlich ein Buch - landete auf dem Boden, doch sein Bettnachbar kümmert sich nicht darum, stieg stattdessen eilig aus dem Bett und trat neben ihn. Nun, da er sich über ihn gebeugt hatte, erkannte Johnny Robert, der ihn mit einem sanften Lächeln anblickte.

„Hey...“, Robert sprach dieses Wort gerade zu zärtlich aus und strich dem Schotten vorsichtig über die Wange. „Schön, dass du endlich aufgewacht bist...“

Langsam hob Johnny eine Hand und fuhr sich über die Augen, in der Hoffnung, dass seine Sicht wieder etwas klarer würde. Währenddessen setzte sich Robert neben ihn aufs Bett und blickte ihn freundlich an. Die Erleichterung war ihm deutlich anzusehen.

„Was... ist passiert? Wo bin ich?“

Die Frage stand einen kurzen Augenblick lang im Raum, während der Deutsche vorsichtig nach seiner Hand griff und sie in die seine nahm. „Du bist im Krankenhaus. Nachdem du in meinen Armen eingeschlafen bist, hast du zwei Tage lang durchgeschlafen. Deine Eltern waren ziemlich besorgt...“

Für einen kurzen Moment sah es so aus, als wollte sich Johnny nach etwas umsehen, doch Robert ersparte ihm die Anstrengung. „Sie sind nicht da. Nachdem sie die Befragung durch den Kommissar bereits zwei Tage aufgeschoben hatten, wollte dieser nicht mehr warten und hat sie dann kurzerhand einfach von ein paar Polizisten wegeskortieren lassen...“ Johnnys Lippen formten ein leichtes Lächeln und Robert strich ihm wiederum sanft über die Wange. „Und was machst du hier?“

Robert lachte leise. „Nun, Oliver und Enrico haben wohl den Ärzten von meiner ‚Flucht’ aus dem Berliner Krankenhaus erzählt, woraufhin sie mich noch einmal durchchecken wollten. Zu dem Zeitpunkt hat dann leider einer der Geowatt-Leute bei der Polizei meine Vergiftung ausgeplaudert, was für die Ärzte ein günstiger Anlass war, mich dann doch noch im Krankenhaus zu behalten. Sie wollten mich ja eigentlich ins andere Ende des Krankenhauses stecken, doch nachdem deine Mutter recht lange auf den Chefarzt eingeredet hat, haben sie mich zu dir ins Zimmer gesteckt.“

„Das ist schön“, flüsterte Johnny leise mit geschlossenen Augen. Die Erschöpfung war immer noch da, die Müdigkeit beinahe unerträglich. Während der junge Schotte kurz davor stand einzuschlafen, streichelte Robert ihn liebevoll. Nach einer Weile des Schweigens - Robert hatte eigentlich fest damit gerechnet, dass er wieder eingenickt war - öffnete Johnny seine Augen wieder und blickte Robert gerade heraus an.

Er wirkt ernst, viel zu ernst, und Robert ahnte schon, was ihn so furchtbar quälte. „Robert... Wer weiß alles davon...?“

Der Deutsche lächelte beruhigend und Johnny spürte auf einmal dieses unbändige Gefühl der Geborgenheit. „Niemand. Zumindest habe ich niemandem etwas davon erzählt“, er zögerte einen kurzen Augenblick, ehe er weitersprach, „Allerdings nehme ich an, dass deine Eltern sehr wohl Bescheid wissen. Bereits am ersten Tag hat der Chefarzt sie rufen lassen und sie waren ziemlich lange weg.“

Johnny blickte ihn ängstlich, geradezu panisch, an. „Hey, keine Angst. Das wird schon wieder.“ Robert wusste selbst, dass seine Worte wohl lächerlich wirkten und seinem Freund kaum irgendwelche Hoffnung machen würden. Er konnte sich vorstellen, dass dieser keine Lust hatte, über das Geschehene zu reden - schon gar nicht mit seinen Eltern. Aber das konnte er nun schlecht umgehen, da sie es höchstwahrscheinlich wussten. Andererseits war es vermutlich besser so. Johnny war Experte im Verdrängen unangenehmer Dinge. Und die Vergewaltigung totzuschweigen war mit Sicherheit nicht der richtige Weg.

Nach einer Weile seufzte Johnny leise. „Das lässt sich jetzt auch nicht mehr ändern...“ Robert nickte und nahm vorsichtig wieder Johnnys Hand in die seine, schwieg jedoch. Sein Gegenüber schien währenddessen jedoch völlig anderen Gedanken nachzugehen. Der Deutsche nahm an, dass er wahrscheinlich darüber nachdachte, wie seine Eltern wohl reagieren würden, sofern sie ihn (oder er sie, was jedoch unwahrscheinlicher war) auf die Vergewaltigung ansprachen. Er wusste, dass er Johnny weder von den Erinnerungen befreien, noch ihm die zukünftigen Auseinandersetzungen mit Leuten, die davon wussten, abnehmen konnte. Aber zumindest konnte er versuchen ihm beizustehen, ihm nah zu sein, ihm zu zeigen, dass er nicht alleine war.

Als Robert wieder aufblickte, bemerkte er, dass Johnny ihn aus den Augenwinkeln beobachtete. Sanft lächelnd blickte er sein Gegenüber fragend an. „Was ist denn?“

„Was ist eigentlich passiert, nachdem ich fort war?“

Überrascht hob Robert seine Brauen. „Nun, so genau weiß ich es auch nicht. Wie du vielleicht weißt war ich vergiftet worden.“ Johnny grinste düster, “Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass Kaffee das reinste Gift ist.” „Ja, das hast du.“

„Robert?“

„Hm?“

„Was wäre eigentlich passiert, wenn wir beide von dem vergifteten Kaffee getrunken hätten? Also, bevor die Typen aufgetaucht sind...“ Ein kurzes Schulterzucken folgte. Robert konnte es sich zwar sehr wohl vorstellen, hatte aber keine Lust jetzt mit Johnny darüber zu diskutieren: „Ich weiß es nicht. Und ich denke, dass das jetzt auch nicht allzu wichtig ist.“

Johnny verzog leicht das Gesicht, sagte aber nichts und Robert musste unweigerlich lächeln. Obwohl Johnny in den letzten Tagen so viel Schlimmes durchgemacht hatte, hatte er es dennoch geschafft seine kindlich-dickköpfige Art nicht zu verlieren.

Robert wollte gerade den Mund aufmachen, als die Krankenzimmertür aufging und schlagartig fuhren er und Johnny mit dem Kopf herum. Marian und Mark McGregor standen im Türrahmen, beide wirkten überrascht.

„Johnny...!“, die Erleichterung in Marian McGregors Stimme war deutlich herauszuhören. Sie trat schnell ein paar Schritte auf Johnnys Bett, auf dem immer noch Robert saß, zu. „Endlich bist du aufgewacht. Wir haben uns unendliche Sorgen gemacht.“

Johnny brachte ein schwaches Lächeln zustande, wobei Robert deutlich seine Anspannung im Gesicht sah. Er wusste, dass Johnny Angst davor hatte mit seinen Eltern über das Geschehene zu sprechen, andererseits lag es wirklich außerhalb seiner Macht seine Eltern von einem derartigen Gespräch abzuhalten. Zumal er es als wichtig erachtete, dass sie es früher oder später hielten.

Im nächsten Moment stand Mark McGregor neben ihm. Überrascht blickte er ihn an, ahnte jedoch anhand des ernsten Gesichtsausdruckes bereits, was dieser wollte; auch wenn Mark höchstwahrscheinlich nicht wusste, dass er es wusste.

„Robert, könntest du kurz drau-...“, begann Mark langsam, doch Robert unterbrach ihn. „Ja, ist schon in Ordnung.“ Sein Gegenüber musterte ihn verwundert, Robert lächelte zögerlich und trat dann in Richtung Tür.

„Hey, wohin gehst du?“, hörte Robert Johnnys Stimme hinter sich. Er widerstand der Versuchung sich umzudrehen. „Ich geh mir nur einen Kaffee holen.“ „Warum bleibst du nicht da?“, fragte Johnny stur weiter und blickte nun seine Eltern Hilfe suchend an. Bis ihm klar wurde, dass das Ganze wohl von seinen Eltern ausgehen musste und Robert nur ging, weil sie ihn in irgendeiner Weise dazu aufgefordert hatten. „Warum kann Robert nicht bleiben?“, hakte er ungeduldig nach und verfiel in eine Art leichten Panikzustand, seine Stimme überschlug sich fast ein bisschen, „Er... er weiß es doch sowieso schon längst!“

Entsetzt wandten sich Marian und Mark zu Robert um, der sich in diesem Moment fragte, warum Johnny nicht einmal etwas für sich behalten konnte.
 

~*~

Wiedertreffen

Warum tut es mir so weh?

Wiedertreffen

[17/21]
 

„Schön, dass du kommen konntest, Robert.“

Die freundliche Stimme Marian McGregors riss Robert aus seinen Gedanken. Er hatte nicht sonderlich lange warten müssen, aber dennoch hatte die kurze Pause ihn dazu veranlasst, in seinen Gedanken zu versinken. Seitdem er und Johnny vor drei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen worden waren, hatte er, bis auf einen Anruf, keinen direkten Kontakt mehr zu den McGregors gehabt – höchstens zu deren Bediensteten. Und eben dieser Anruf war eine Einladung gewesen, da Johnnys Eltern mit ihm reden wollten.

Von Johnny wusste Robert momentan nur, dass er in psychologischer Betreuung war und von der Außenwelt bewusst abgeschottet wurde. Robert hatte in der Zeitung gelesen, dass Johnny bei der polizeilichen Befragung einen leichten Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Er selbst nahm an, dass die Polizisten den Schotten damit konfrontiert hatten, dass ein Teil der Geowatt-Leute – unter anderem eben auch Martin – entkommen waren und nun immer noch auf freiem Fuß waren. Als er besorgt angerufen hatte, um sich zu erkundigen, was denn nun genau los war, hatte der Bedienstete am Telefon ihn nur abgewimmelt.

„Sie wollten mich sprechen?“, meinte er und blickte sie fragend an. Vielleicht hatte er, wenn das Gespräch schnell beendet war, Gelegenheit kurz mit Johnny zu reden.

Marian lächelte ihn an und setzte sich hinter den Schreibtisch des Arbeitszimmers. Seit Robert das letzte Mal in diesem Raum gewesen war – als er Johnny gerettet hatte – hatte sich das Zimmer ziemlich verändert. Es wirkte nun äußerlich heller und freundlicher, aber Robert verband immer noch einen Teil von Johnnys Schreckensmomenten damit und bezweifelte, dass ein bisschen umdekorieren das ändern würde.

„Es geht um Folgendes“, begann Frau McGregor und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück, „Mark und ich wollen für ein paar Tage verreisen um Abstand von dem Geschehenen zu bekommen. Versteh mich nicht falsch, wir wollten Johnny eigentlich mitnehmen, aber da er sich weigert, wollen wir ihn auch nicht dazu zwingen uns zu begleiten. Er tut zwar oft nach außen hin so, aber Johnny hat das Ganze – verständlicherweise – noch nicht verkraftet. Er braucht deshalb immer jemanden, dem er vertraut in seiner Nähe. Nun, Mark und ich brauchen trotzdem ein paar Tage Ruhe, daran lässt sich nichts ändern. Wir wissen, dass Johnny dir vertraut und deshalb... nun ja, wir wollten dich bitten, dass du dich in der Zeit um ihn kümmerst. Vielleicht“, ihr Blick veränderte sich auf eine wohl wissende Art, die Robert unangenehm war, „kannst du ihn ja auch auf andere Gedanken bringen.“

Ein leichter rötlicher Schimmer legte sich auf Roberts Wangen, als ihm klar wurde, dass Marian sehr wohl etwas von den Gefühlen wusste, die er für Johnny empfand.

„Wann haben Sie denn vor zu fahren?“, erkundigte sich Robert um vom Thema abzulenken. Marian zögerte einen Augenblick. „Wir hatten vor heute zu fliegen, aber nachdem wir dich die letzte Woche über nicht erreicht haben, können wir die Reise auch noch um ein paar Tage verschieben und-...“ „Sie können ruhig heute fliegen, ich kann mir ja ein paar Sachen von Gustav vorbeibringen lassen...“

Verwirrt runzelte Robert die Stirn, als ihm klar wurde, was er eben gesagt hatte. Verflucht, er sollte wenn es um Johnny ging, nicht immer seinen Verstand abschalten! Johnnys Mutter warf ihm einen kurzen skeptischen Blick zu: „Sicher, dass das in Ordnung geht?“

Robert zuckte mit den Schultern. Jetzt konnte er seine spontane Zusage auch nicht mehr zurücknehmen. „Ich hatte die nächste Woche sowieso nichts vor...“

Marian lächelte. „Wenn du das sagst.“

Sie seufzte und stand auf, ohne Robert jedoch aus den Augen zu lassen, dann nahm sie einen Stift und einen der Zettel, die auf dem Schreibtisch lagen. „Ich mache dir eine Liste zurecht, auf der alles Wichtige steht. Ach ja, und noch etwas“ Sie blickte kurz auf. „Versuch ihn möglichst nicht alleine zu lassen, er... nun ja, er bekommt dann Angst. Außerdem kommt täglich um zwei Uhr mittags für jeweils zwei Stunden der Psychologe. Johnny wird zwar wollen, dass du ihn nicht alleine lässt, aber in diesem Fall ist es angebracht, dass er und der Psychologe unter sich sind. Dann... was den Rest angeht, das steht alles auf der Liste.“ Sie schaute kurz auf ihre Armbanduhr.

„Ich verabschiede mich noch schnell von Johnny, dann muss ich los...“, sie drückte Robert die Liste in die Hand. „Moment! Sie fliegen jetzt gleich?“ Ein Grinsen huschte über das Gesicht seines Gegenübers. „Ich habe gewusst, dass du zu sagen wirst.“

Wenn Robert etwas an Johnnys Mutter hasste, dann war es die Tatsache, dass sie jeden durchschaute und dann grundsätzlich dazu brachte das zu tun, was ihr am besten passte. Es war eine unangenehme Eigenschaft und Robert ging davon aus, dass sie es auf die selbe Art und Weise geschafft hatte Mark dazu zu bringen ausgerechnet sie zu heiraten. Zumindest konnte er es sich anders nicht erklären, warum Mark von einer Nacht auf die andere eine Frau heiratete, ohne irgendjemandem Bescheid zu geben. Johnny hatte schon oft mit dieser Geschichte geprahlt.

Als Marian das Zimmer verließ, folgte Robert ihr, da sie sowieso den gleichen Weg hatten: Johnnys Zimmer. Während sie die Treppen hinaufstiegen unterhielten sie sich etwas und Robert erfuhr, dass Johnny selbst sich so abschottete und außer ihm selbst das niemand guthieß. Er blieb auch die meiste Zeit in seinem Zimmer, wobei er nach dem Aufwachen und wenn er alleine durch die Gänge lief häufig Panikattacken hatte, die meist so plötzlich wieder verschwanden, wie sie gekommen waren. Außerdem erzählte Marian ihm, dass Johnny fast nur noch schlief und von seinen Sitzungen mit dem Psychologen immer alles andere als begeistert war.

Marian klopfte erst an die Tür, ehe sie das Zimmer betrat. Der Vorraum zu Johnnys Schlafzimmer sah aus wie Robert es in Erinnerung hatte: nicht aufgeräumt, aber auch nicht unordentlich. Einige, dunkle Schränke standen an der Wand und auf Johnnys Schreibtisch, der zum Fenster hin zeigte, stand ein Computermonitor, auf dem gerade ein Bildschirmschoner lief.

Johnnys Schlafzimmer hingegen war wie immer sauber und gepflegt, allerdings waren die Vorhänge des Zimmers zugezogen, sodass es ziemlich dunkel war. Auf dem großen Doppelbett lag Johnny mit allen Vieren von sich gestreckt und starrte zur Zimmerdecke. Zielstrebig trat Marian auf das Bett zu und setzte sich neben Johnny der kurz seinen Kopf zu ihr wandte und ein leises und genervtes „Was ist denn?“ murmelte.

„Ich wollte nur kurz Tschüß sagen, unser Flieger geht gleich“, meinte sie und lächelte Johnny verständnisvoll an. Dieser wiederum wirkte nun recht verwirrt. „Ihr fliegt doch?“ „Ja, wir haben jemanden gefunden, der die Zeit über bei dir bleibt und...“ „Ach ja, wen denn?“, gab Johnny recht schroff zurück und Robert stellte fest, dass es Johnny mit der Entscheidung seiner Eltern alles andere als zufrieden war, „Wahrscheinlich wieder einer dieser Psycho-Typen, die ihr mir schon die ganze Zeit aufhalst!“

„Hallo“, mischte Robert sich endlich ein und hob seine rechte Hand wie zum Gruß. Johnny zuckte augenblicklich zusammen und fuhr erschrocken hoch. Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass er peinlich berührt war. „R...Robert, was machst du hier?!“ „Robert, mein Schatz, wird die nächste Woche auf dich aufpassen“, erklärte Marian und Johnny drehte seinen Kopf zur Seite. „Ich brauche keinen Babysitter.“ „Ich weiß“, bestätigte seine Mutter, „Aber falls etwas passiert, sollte jemand da sein, das bei klarem Verstand ist.“

Der junge Schotte knirschte widerwillig mit den Zähnen und blickte äußerst unglücklich drein, widersprach jedoch, zu Roberts Überraschen, nicht.
 

~*~

Dickköpfigkeit

Warum tut es mir so weh?

Dickköpfigkeit

[18/21]
 

„Warum hast du mir nicht gleich gesagt, dass er in meinem Zimmer ist?“, murrte Johnny seiner Mutter zu und nickte mit leicht beleidigter Miene in Roberts Richtung. „Du hast nicht danach gefragt“, sagte Marian lächelnd, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und erhob sich dann. „Auf jeden Fall muss ich jetzt weg. Viel Spaß euch beiden und macht nicht zu viel Unsinn.“

„Warte mal!“, warf Johnny verwirrt ein, „Ich kann noch mit runter kommen und...“ „Nicht nötig“, winkte Marian ab und verließ eilig das Zimmer, um zu verhindern, dass Johnny ihr vielleicht doch noch folgte. Robert blickte ihr einige Zeit lang hinterher, ehe er seinen Blick wieder zu seinem besten Freund wandte. Der Schotte saß immer noch auf seinem Bett und schwieg, ließ Robert jedoch nicht aus seinen Augen. „Was hast du deinen Eltern nun eigentlich erzählt?“

Johnny lief augenblicklich rot an und schaute verlegen zu dem Deutschen hinüber. „Alles.“ Robert hatte im Krankenhaus schlagartig und trotz Johnnys Bitte zu bleiben das Zimmer verlassen. Seiner Ansicht nach war das nun einmal ein Gespräch, das ihn nichts anging und bei dem er nicht teilnehmen sollte; bei dem er auch nicht teilnehmen wollte. Allerdings musste er zugeben, dass er nicht erwartet hatte, dass Johnny seinen Eltern so einfach alles sagen würde.

„Ich... hatte einfach nicht mehr die Nerven dazu, mich in irgendwelche Lügengeschichten zu flüchten“, murmelte der Schotte, wobei es eher wie eine Entschuldigung klang und Robert zögerte einen Moment lang. „War das der Grund, weshalb ich drei Wochen lang keine Möglichkeit hatte, in irgendeiner Art Kontakt mit dir aufzunehmen?“

Johnny wirkte erschüttert und blickte Robert entsetzt an. „Nein, das war es nicht!“, meinte er eilig, „Meine Eltern haben nichts dagegen, dass du... na ja... schwul bist... äh...“ Er schaute etwas beschämt aufs Roberts Schuhe. „Ich hab dafür gesorgt, dass du mich nicht erreichen konntest.“ Gedankenversunken zupfte Johnny an seinem Hemd herum. „Es ist nicht so, dass ich ein Problem damit habe, dass du in mich verliebt bist oder das zumindest gesagt hast. Ich... Ich wollte mir nur erst über alles klar werden.“

Der Deutsche hob mit leicht verwunderter Miene eine Augenbraue. Dass Johnny über irgendetwas genauer nachdachte war ihm neu, wo er doch sonst auch eher instinktiv und aus dem Bauch heraus handelte.

„Als du mich das erste Mal geküsst hast, habe ich das als widerlich empfunden“, murmelte Johnny zögerlich und er wirkte etwas verlegen, „Beim zweiten Mal wollte ich dich dann plötzlich küssen.“ „Das ist normal“, warf Robert ein, da er schon ahnte, worauf das Gespräch hinauslief. Johnny würde ihm sagen, dass er ihn zwar als Kumpel mochte, aber nicht als festen Freund; dass sie weiterhin befreundet sein könnten, dass er sich aber keine Beziehung vorstellen könnte. Robert hatte kein Problem damit. Er hatte sowieso niemals damit gerechnet, dass Johnny etwas von ihm wollte. „Ich hab dich gerettet und du hast dich daraufhin bei mir sicher gefühlt. Viele Menschen verwechseln das Gefühl von Geborgenheit mit Liebe.“

Johnnys Blick änderte sich und er wirkte etwas skeptisch, fast etwas verärgert. Anscheinend störte ihn die Beiläufigkeit, mit der Robert diese Tatsachen aussprach. Für ihn wirkte es wahrscheinlich so, als sei Robert die ganze Sache sowieso nicht ganz so wichtig. „Ja, genau. Auch wenn ich es wohl etwas anders ausgedrückt hätte. Ich wollte mir auf jeden Fall erst einmal meiner richtigen Gefühle bewusst werden.“

Er blickte Robert kurz an, allem Anschein nach, um ihn besser einschätzen zu können. Wiederum unterbrach Robert den Schotten, indem er mit den Schultern zuckte, wodurch er ein verwirrtes Stirnrunzeln erntete. „Ich habe nie erwartet, dass du dich wirklich in mich verliebst.“ Verzweifelt schnaubte Johnny auf und stütze genervt seinen Kopf in seine Hände.

„Robert, du bist so verdammt unromantisch!“

Der Deutsche blinzelte verwirrt. „Also bist du zu der Einsicht gekommen, dass du tatsächlich in mich verliebt sein könntest?“ Johnny nickte und Robert seufzte. „Johnny, du bist nicht schwul. Du stehst auf Mädchen, das weiß ich. Das hast du schon immer.“ „Das hat sich jetzt eben geändert“, beharrte sein Gegenüber störrisch und blickte ihn gereizt an, „Und außerdem: nur weil ich dich liebe, heißt das noch lange nicht, dass ich generell auf Männer stehe.“

„Und das findest du kein bisschen seltsam? Dass du zwar auf Frauen stehst, dich aber ganz zufällig genau nach deiner Vergewaltigung in mich verliebst?“

„Ach, weißt du was? Vergiss es! Ich habe nichts gesagt“, widerwillig wandte Johnny sich von Robert ab und stieg aus seinem Bett. Robert seufzte. „Johnny, verstehe mich bitte nicht falsch: Ich will dich nur vor einem schlimmen Fehler bewahren.“

„Ja, ich weiß. Ich bin ja auch erst sechzehn und kann nicht auf mich selbst aufpassen. Deshalb scheinen es sich auch alle zur Aufgabe gemacht zu haben, mir jede Art von Entscheidung abzunehmen und für mich zu entscheiden. Diesen blöden Psychologen wollte ich auch nicht haben! Aber nein, meine Eltern wollten ja unbedingt, dass...“ „Johnny, du bist vergewaltigt worden!“, unterbracht ihn Robert im ernsten Tonfall, „Es ist notwendig, dass du das verarbeitest.“

„Nein, ich es nicht!“, rief Johnny aufgebracht, „Ich komme auch so ganz gut zurecht, ich brauche diesen ganzen Psycho-Kram nicht! Es ist ja nicht so, als sei ich entjungfert worden!“ „Es war dein erster Sex.“

Kurze Zeit herrschte Schweigen. „Woher willst du das wissen?“

„Ich kenne dich“, erklärte Robert. „Du spielst zwar immer den Macho, aber du hattest schon immer diese naive Haltung, dass du auf die Richtige warten müsstest, ehe du’s tust.“ Der Schotte lief rot an. „Und jetzt stell dir mal vor, du findest tatsächlich die Richtige und dann schaffst du es nicht mit ihr zu schlafen, weil du die Vergewaltigung nicht hinter dich gebracht hast.“ „Man kann auch eine Beziehung haben, ohne miteinander zu schlafen!“

Robert wirkte nachdenklich. „Ja, das mag wohl stimmen.“ Johnny schien nun endgültig verzweifelt zu sein und warf wütend mit dem Kopfkissen nach Robert, der dieses jedoch fing. „Dir kann man es auch nicht recht machen!“, murrte er gereizt.

„Dir doch auch nicht. Was habe ich denn diesmal falsch gemacht? Widerspreche ich dir, bist du sauer und stimme ich dir zu, bist du’s auch.“

„Die normale Reaktion wäre doch wohl, mich in den Arm zu nehmen und mir zu sagen, dass es am Sex nichts schlimmes gibt und dass es ein tolles Gefühl sein kann!“

Überrascht hob Robert seine Augenbrauen, „Na ja, du scheinst es ja schon zu wissen...“

Genervt verdrehte Johnny die Augen. „Gib’s doch zu! Du hast nur gesagt, dass du mich liebst, weil dir zu dem Zeitpunkt gerade danach war.“ „Das stimmt nicht!“, rechtfertigte Robert sich, „Verdreh' nicht die Wahrheit. Natürlich liebe ich dich.“

„Kommt mir nicht so vor. Ich sage dir, dass ich etwas für dich empfinde und du versuchst mich davon zu überzeugen, dass es nicht so ist. Es kommt mir so vor, als seien deine Gefühle alle nur eine große Lüge.“

„Und was soll ich deiner Meinung nach tun?“, erkundigte sich Robert mit ernstem Gesicht und verschränkte seine Arme vor der Brust. Er fühlte sich in die Ecke gedrängt, und er musste zugeben, dass er ein schlechtes Gewissen hatte. Vielleicht hatte Johnny ja recht und sein Verhalten war tatsächlich nicht gerade sonderlich überzeugend. „Schlaf mit mir“, entgegnete der Schotte voller Überzeugung und trat ein paar Schritte auf sein Gegenüber zu; dieser räusperte sich und wirkte im ersten Moment etwas überrascht, fast erschrocken.

„Johnny, selbst wenn es so sein sollte, dass du mich wirklich liebst und das nicht eine Art... Reaktion darauf ist, dass ich dir geholfen habe“, begann er langsam und schaute den Schotten ernst an, „Selbst wenn du es dir nicht nur einbilden würdest, wäre es für mich noch lange kein Grund, Sex mit dir zu haben!“

„Und wieso nicht?“, die Stimme Johnnys klang patzig und trotzig und Robert überlegte plötzlich, wie er überhaupt in diese Lage gekommen war, dass er mit Johnny über so etwas diskutierte und tatsächlich noch den Kürzeren zog. Schlagartig wurde ihm klar, dass Johnny gerade dabei war ihn zu manipulieren, indem er seine Situation ausnutzte. Anscheinend hatte der Schotte doch mehr von seiner Mutter gelernt, als Robert es ihm zugetraut hätte.

„Es gibt viele Leute, die das anders sehen“, meinte Robert in seinem normalen Tonfall und machte dann eine kurze Pause, „und du scheinst dazu zu gehören“, Johnny wirkte aufgrund dieser Zwischenbemerkung verwirrt und etwas betroffen, „Aber ich denke nun mal, dass man nicht unbedingt gleich Sex miteinander haben muss. Dafür hat man später auch noch Zeit.“

Starrsinnig presste Johnny seine Lippen aufeinander und kniff die Augen zusammen. „Ach ja? Und was sollte man deiner Meinung nach bis zum ersten Sex tun?“ Robert zuckte lediglich mit den Schultern. „Sich auf den ersten gemeinsamen Sex freuen oder sonst was“, er seufzte, „Johnny, ich kann verstehen, dass du derzeit etwas durcheinander bist. Die letzte Zeit war nicht unbedingt leicht und...“

„Jetzt fang du nicht auch noch damit an!“, knurrte Johnny, wobei man ihm anhörte, dass es nicht weiter böse gemeint war, „Anscheinend scheint die ganze Welt meine Lage zu verstehen! Das muss ich mir hier den ganzen Tag über anhören!“

„Von deinen Eltern?“

„Von allen! Vom Personal, von meinen Verwandten und Bekannten und von diesem idiotischen Psychologen auch! Es nervt mich!“

„Verständlich“, meinte Robert und war erleichtert, dass Johnny nun ein anderes Thema gefunden hatte, mit dem er sich auseinandersetzen konnte. Robert hatte, als er nach Glasgow gekommen war, nicht erwartet, dass Johnny im besten geistigen Zustand war, eher ganz im Gegenteil. Daher war er angenehm überrascht gewesen, dass der Schotte anfangs relativ normal gewirkt hatte, wenn er von den Stimmungsschwankungen absah. Die Tatsache, dass Johnny jetzt allerdings so wahnsinnig darauf versessen war, mit jemandem Sex zu haben, war nur ein Beweis, dass er sich bei weitem noch nicht so sehr von den Geschehnissen erholt hatte, wie er es selbst den Anschein haben ließ. Es zeigte, dass er versuchte alles zu verdrängen, indem er hoffte es durch neue, angenehmere Erinnerungen zu ersetzen.

Es klopfte an der Tür.

„Ja?“, murmelte Johnny schroff und riss Robert das Kopfkissen aus der Hand, um es zurück an seinen Platz zu legen. Die Tür zum Vorzimmer öffnete sich und einer von Johnnys Dienern trat ins Zimmer und verneigte sich leicht, „Das Essen ist servierfertig, Master Johnny.“ „Hm“, murrte Johnny, „Kann sein.“

„Gedenken Sie mit Ihrem Gast das Essen im Speisesaal oder in Ihrem Zimmer einzunehmen?“ „Wir werden unten essen“, mischte Robert sich ein und packte Johnny am Handgelenk. Der Schotte wirkte fast entsetzt und starrte Robert mit offenem Mund an. Wahrscheinlich hatte es in letzter Zeit niemand gewagt Johnny dazu zu zwingen aus seinem Zimmer herauszukommen, es sei denn, es kam der Psychologe. Der Diener verneigte sich und trat aus dem Raum.

„Komm“, meinte Robert lächelnd zu Johnny, der keinerlei Anstalten machte sich zu erheben, und trat auf die Tür zu, „sonst wird das Essen noch kalt.“
 

~*~

Ruhe

Warum tut es mir so weh?

Ruhe

[19/21]
 

Nachdem sie fertig gegessen hatten – die meiste Zeit hatten sie sich nur schweigend gegenüber gesessen – war Robert Johnny zurück ins Zimmer gefolgt. Während Johnny nun immer noch leicht verärgert, aufgrund der Tatsache, dass Robert ihn dazu gezwungen hatte unten zu essen, seinen Kleiderschrank nach irgendetwas durchsuchte, hatte Robert sich auf dem Boden gesetzt und blätterte in ein paar Zeitschriften. Es waren sicher nicht die Art Zeitschriften, die er bei seinem besten Freund erwartet hatte. Ganz im Gegenteil: Frauenratgeber und irgendwelche Infoblätter über schlechte Zeiten und Depressionen und wie man diese am besten überstehen konnte. Robert ging davon aus, dass entweder Marian sie Johnny einfach ins Zimmer gelegt hatte, oder dass Johnny sie heimlich an sich genommen hatte, weil er sich nicht besser zu helfen gewusst hatte.

Als er kurz aufblickte, bemerkte Robert Johnnys leicht entsetzten Blick und die etwas geröteten Wangen. Daraus, dass er jedoch keinen Kommentar abgab, schloss Robert auf seine letztere Vermutung. „Was machst du da eigentlich?“, fragte Robert und sah Johnny verwirrt an. „Nichts“, murmelte dieser und schloss hastig die Schranktür; Allem Anschein nach hatte er nichts gesucht sondern etwas versteckt, „Außerdem könnte ich dir die Frage genauso stellen.“

Robert blinzelte den Schotten verwirrt an. „Ich blättere in ein paar Frauenzeitschriften und...“ „Das meine ich nicht“, warf Johnny ein und machte Robert mit einer Handbewegung klar, dass es ihm egal war, ob er nun die Zeitschriften las oder nicht, „Ich meine, warum du hier bist.“

„Deine Eltern haben mich darum gebeten“, gab Robert ehrlich zur Antwort, wodurch er einen skeptischen Blick des Schotten erntete. „Nur deshalb?“

Augenblicklich war Robert klar, worauf sein Gegenüber hinauswollte. „Natürlich nicht!“, verbesserte er sich sofort, „Ich empfand es als gute Gelegenheit dich endlich mal wieder zu sehen, nachdem ich ewig keinen Kontakt zu dir hatte.“ „Drei Wochen“, korrigierte Johnny und verzog das Gesicht, schwieg allerdings. Der Deutsche musterte ihn aufmerksam: „Was ist das Problem dabei?“

„Mein Problem ist“, er unterbrach sich kurz, anscheinend um darüber nachzudenken, was er eigentlich sagen wollte, „Du bist hier, das stimmt. Aber mir kommt es nicht so vor, als ob du hier sein möchtest, oder zumindest scheine ich dir egal zu sein. Also: wieso bist du dann hier?!“

Robert seufzte genervt. „Ja, klar. Ich mache das immer so, wenn mir jemand egal ist und fliege von Deutschland nach sonst wo.“ Der ironische Unterton war deutlich herauszuhören und der Schotte runzelte gekränkt die Stirn. Als er den Mund öffnete, winkte Robert ab: „Ich bin mir darüber im Klaren, worauf du hinauswillst. Das Selbe wie vorhin auch. Aber mal ganz ehrlich: Was erwartest du eigentlich von mir?“

Er musste zugeben, dass er es langsam leid war, sich von Johnny anzuhören, wie er jemanden zu lieben und wie er sich allgemein ihm gegenüber zu verhalten hatte. Es war einfach lästig. Johnny klappte förmlich der Mund auf und Robert nutzte die Gelegenheit und sprach weiter.

„Was erwartest du? Dass ich mein Verhalten dir gegenüber komplett verändere, nur weil ich dich liebe? Soll ich etwa den Boden küssen, auf dem du gehst? Verflucht, ich liebe dich seit Ewigkeiten! Ich habe aber keine Lust, mich irgendwie zu ändern, nur weil dir gerade danach ist oder du einfach nicht verstehst, warum ich so handle, wie ich es tue. Ich glaube ich muss hierbei nicht erwähnen, dass letzteres noch nie wirklich der Fall gewesen ist“, nach einem leisen Schnauben fuhr er fort, „Wenn du sagst, dass du mich ebenfalls liebst; wen liebst du dann? Mich, oder das Ego, das du dir von mir geschaffen hast? Ich bin eine reale Person und ich habe nicht vor, mich irgendwie zu ändern. Und das versuche ich dir schon die ganze Zeit klar zu machen.“

Okay, er musste zugeben, vielleicht war das etwas zu deutlich gewesen. Eigentlich rechnete er nun schon fest damit, dass Johnny in irgendeiner Weise überreagierte oder zumindest wütend oder entsetzt wirkte; Johnny blickte allerdings eher nachdenklich drein und schien sich alles noch mal durch den Kopf gehen zu lassen.

„Es ist etwas frustrierend“, murmelte er dann und schaute Robert in die Augen, „dass ich dir zustimmen muss. Ich glaube du hast irgendwie recht... Ich meine“, er setzte einen düsteren Blick auf, „Ich will mir ja auch nicht ausreden lassen, dass ich dich liebe.“

Robert blickte ihn kurz genervt an, als er feststellte, dass Johnny seine Antwort nicht ganz verstanden hatte, war aber erleichtert, dass er zumindest dem, was er verstanden hatte, wohl zuzustimmen schien und so beließ er es dabei nicht noch einmal auf den Schotten einzureden. Es hatte so oder so keinen wirklichen Zweck.

„Trotzdem“, beharrte Johnny, „Trotzdem verstehe ich nicht, warum du nicht auch mal zärtlich sein willst.“ „Ich habe nicht gesagt, dass ich gar nicht zärtlich sein will. Ich wollte nur ausdrücken, dass es mich nervt, wenn man von mir erwartet in irgendeiner Weise verliebt zu tun. Auch wenn ich verliebt bin, bin ich doch immer noch ich. Und das letzte, was mein Ziel ist, ist, dass du dich in ein von mir künstlich geschaffenes Ich verliebst und am Ende enttäuscht bist, weil ich doch nicht so bin. Da bleibe ich lieber gleich ich selbst.“

„Musst du das immer alles so kompliziert erklären? Das ist verwirrend!“, murrte der junge Schotte und wirkte nun tatsächlich so, als ob er angestrengt nachdachte um Roberts Worten zu folgen. Dieser war recht verwundert über dieses seltsame Verhalten, lächelte allerdings nur. Allem Anschein nach fiel es Johnny bei dem Durcheinander, das derzeit in seinem Kopf zu herrschen schien, schwer irgendwelche Gedankengänge – vor allem Gedankengänge von Gefühlsart her – nachzuvollziehen.

„Heißt das, es ist dir lieber, wenn jemand immer er selbst ist, anstatt, dass er sich irgendwie verstellt oder zusammenreißt?“

„Jaaaa... so in etwa“, Robert wollte das Thema nicht noch einmal erläutern. Im nächsten Moment bereute er seine Antwort allerdings wieder, als Johnny ihm eine recht schmerzhafte Ohrfeige gab und er keuchte überrascht auf. „Was...?“

„Du hättest das alles auch freundlicher sagen können“, meinte Johnny, verschränkte seine Arme vor der Brust und drehte sein Gesicht leicht gekränkt zur Seite, wobei das alles etwas übertrieben gekünstelt wirkte. Obwohl er im ersten Moment noch ziemlich verwirrt gewesen war, musste Robert nun grinsen und packte den Schotten an den Beinen, der das Gleichgewicht verlor und nach vorne, auf Robert stürzte. Dieser fing ihn jedoch geschickt ab und ehe Johnny sich versah drückte Robert ihn auf den Boden.

Der Deutsche hatte sich über ihn gebeugt und Johnny musterte ihn aufmerksam und spürte, wie sein Herz anfing schneller zu schlagen, als Roberts Lippen sich seinem Gesicht näherten und ihn letzten Endes küssten. Es war nur ein einfacher Kuss, doch er reichte aus, um Johnnys Herz beinahe stehen zu lassen.

Als Robert kurze Zeit später – es war Johnny wie eine Ewigkeit vorgekommen – den Kuss wieder löste, spürte Johnny, dass sich die ganze Wärme in seinem Gesicht sammelte und er wollte gar nicht wissen, wie rot er im Gesicht war.

„Küsst du mich jetzt jedes Mal, wenn ich dich schlage?“ Ein trockenes Lachen folgte. „Nun, ich an deiner Stelle würde es zumindest nicht ausprobieren.“

Kurze Zeit herrschte Schweigen und Robert betrachtete lächelnd Johnnys Gesicht. „So rot, wie du im Moment im Gesicht bist, will ich nicht wissen, wie du erst aussiehst, wenn wir mal Sex haben sollten...“
 

~*~

Panik

Warum tut es mir so weh?

Panik

[20/21]
 

Nachdenklich starrte Robert vor sich hin, während er auf einer der Bänke im Garten des McGregor Anwesens saß. Seit den letzten paar Stunden verstand er sich selbst nicht mehr; um genauer zu sein, seit er nach den drei Wochen wieder Kontakt mit Johnny gehabt hatte. Er wusste noch genau, wie er sich anfänglich über die erwiderte Liebe gefreut hatte, doch momentan stand er der ganzen Sache eher skeptisch gegenüber und solange er sich nicht wirklich sicher war, wie es mit seinen Gefühlen, mit seiner Beziehung zu Johnny weiterging, wollte er auch keine Fehler machen und Johnny irgendwelche Versprechungen oder Hoffnungen machen, die er am Ende nicht einhalten konnte.

Seufzend lehnte er sich zurück und betrachtete ein paar Vögel, die über dem Teich hin- und herflogen und glücklich zwitscherten, während ein paar Frösche vorsichtshalber in den Teich sprangen.

Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es an der Zeit war Johnny zu wecken, da in etwas weniger als einer Stunde der Psychologe kommen würde. Nachdem sie sich geküsst hatten, war es Robert ziemlich schwer gefallen sich zurückzuhalten und dem Schotten nicht gleich die Kleidung vom Körper zu reißen. Obwohl er Johnny nun schon einige Male zurückgewiesen hatte, hatte er selbst ein sehr starkes Verlangen nach ihm, das ihm peinlich, ja fast unangenehm war. Er empfand es nicht als richtig, gleich eine intimere Beziehung mit Johnny anzufangen, wo er sich noch nicht mal darüber klar war, ob es zwischen ihnen überhaupt eine Beziehung gab und ob er selbst überhaupt eine Beziehung wollte. Trotzdem hatte er sich beinahe an Johnny vergriffen. Als der Schotte unter ihm gelegen hatte und verlegen zu ihm hoch geblickt hatte, hatte er für einen kurzen Moment, der seiner Meinung nach viel zu lange gedauert hatte, gar nicht darauf geachtet, was er tat und war kurz davor gestanden Johnnys Hose zu öffnen, um mit seiner Hand in dessen Shorts zu gleiten; wobei er Ersteres tatsächlich getan hatte. Währenddessen hatte er Johnny nochmals geküsst und als er verstanden hatte, was er da eben getan hatte, hatte er sich sofort wieder zusammengerissen und es bei den zwei Küssen belassen.

Johnnys Reaktion war ein freundliches Lächeln gewesen und ein freches Grinsen, als Robert ihn auf die Beine zog und er seine Hose wieder schloss. Dann hatte der junge Schotte seine Arme um Roberts Nacken geschlungen und ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange gegeben. „Irgendwann krieg’ ich dich schon noch dazu“, hatte er sanft, fast zärtlich in Roberts Ohr gehaucht und eine leichte Gänsehaut hatte sich auf dessen Haut gebildet. Als nächstes hatte Johnny dann seine Beine um Robert geschlungen und seinen Kopf müde auf dessen Schulter platziert. Der Deutsche hatte ihn verwirrt angeblickt und eher zögerlich seine Hände unter dessen Hintern geschoben, um ihn zu stützen; Johnny hatte nur reagiert, indem er leise „Ich bin müde“ gemurmelt und auf Roberts Frage nach dem Grund lediglich geantwortet hatte, dass er die letzte Nacht wach geblieben war und kein Auge zugetan hatte. Robert hatte ihn dann mit einem leisen, genervten Seufzen in sein Bett gebracht, zugedeckt und war, nachdem er sich sicher gewesen war, dass Johnny auch wirklich eingeschlafen war, in den Garten gegangen, um für sich alleine zu sein und über alles noch einmal genauer nachzudenken.

Langsam erhob sich Robert von seinem Sitzplatz. Er konnte ja schlecht dem Psychologen bereits am ersten Tag, an dem er auf Johnny aufpassen sollte, eine Absage erteilen.
 

Johnny wurde nur sehr langsam wieder wach und er musste mehrmals blinzeln, ehe er die Konturen seines Zimmers wieder schärfer wahrnehmen konnte. Er konnte sich noch daran erinnern, dass er in Roberts Armen erschöpft eingeschlafen war, weil er die gesamte letzte Nacht wach gelegen hatte. Nun, er hatte Angst davor zu schlafen. Es war zwar nicht so, dass er jede Nacht Albträume hatte, aber dennoch hatte er sie seiner Meinung nach immer noch oft genug.

Müde richtete er sich auf und warf einen kurzen Blick auf die Uhr, die auf seinem Nachttisch stand. Allzu lange hatte er nicht geschlafen, aber immerhin, es war besser als gar kein Schlaf. Suchend blickte er sich nach Robert um, nur um festzustellen, dass sich dieser nicht in seinem Zimmer befand. Wahrscheinlich hatte er Hunger gehabt oder hatte irgendwo dringend hingehen müssen. Andererseits das letzte Mal, als Robert verschwunden war, während er geschlafen hatte...

Düstere Erinnerungen machten sich in Johnnys Kopf breit. An Martin, an die Lügen, an die Vergewaltigung. Eilig schüttelte er den Kopf und sprang aus dem Bett, in der Hoffnung, dass er, wenn er sich etwas die Beine vertrat, alles wieder vergessen konnte und vielleicht sogar auf Robert traf. Die letzten Wochen hatten ihn viele Leute indirekt auf die Geschehnisse angesprochen, aber nie waren ihm irgendwelche Erinnerungen gekommen und nun...

Hastig griff er nach dem Morgenmantel, der über seinem Stuhl hing und schlüpfte in seine Pantoffel. Nur raus aus diesem Zimmer! Als er auf den Gang trat, kam ihm ein Schwall angenehm kühler Luft entgegen und einen kurzen Moment lang fühlte er sich wieder etwas besser, bis sich wiederum das Vergangene in seinem Kopf breit machte. Mehr stolpernd als laufend ging Johnny den Gang entlang und je weiter er lief, desto mehr wurde ihm klar, dass er nicht alleine war; dass er nicht alleine sein konnte. Er hatte den Schatten gesehen. Er hatte ihn deutlich gesehen, als er um die Ecke gegangen war. Diesen gefährlichen Schatten...

Sein Herz begann schneller zu schlagen und er beschleunigte seinen Schritt. Keinesfalls wollte er eingeholt werden, denn er wusste genau, was dann passieren würde. Ganz genau. Und er wollte es nicht. Robert konnte es nicht sein. Robert hätte ihn beim Namen gerufen. Robert wäre auf ihn zu gerannt und hätte nicht versucht sich möglichst versteckt zu halten, damit er nicht um Hilfe rief.

Johnny presste seine Lippen zusammen und wurde abermals schneller. Er rannte jetzt schon fast. Ihm wurde klar, dass die Kälte, die immer näher kam, einfach von dem unheimlichen Schatten, der ihn verfolgte, kommen musste. Und das bedeutete, dass der Kerl schon verdammt nah sein musste. Er hörte schon den schwergehenden Atem und auch das Tappen der Schritte war inzwischen sehr deutlich. Wer ihn verfolgte, wusste er nicht und obwohl er gerne gewusst hätte, weshalb er verfolgt wurde, wagte er es nicht, sich umzudrehen. Er hatte zu große Angst.

Warum konnte man ihn nicht endlich einmal in Ruhe lassen? Er wollte nicht mehr. Im nächsten Moment wurde ihm klar, dass er sich diesen kurzen Anfall von Schwäche eigentlich nicht hatte leisten können: die Tränen rannen ihm nun unaufhörlich über die Wangen und das Zittern, das er bisher erfolgreich hatte unterdrücken können, gewann nun Überhand. Als er um die nächste Ecke rannte, bemerkte er Robert, der gerade aus Richtung Garten das Haus betrat und ihm verwundert entgegen blickte; im nächsten Augenblick wirkte er erschrocken und entsetzt. „Johnny, was ist los?“

Die vertraute Gestalt von Robert hatte ihn langsamer werden lassen, doch als ihm klar wurde, was er tat, wurde er wieder schneller.

Robert. Robert hatte mit Geowatt zu tun. Er steckte bestimmt mit den Leuten unter einer Decke! Mit der Person, die ihn so unnachgiebig verfolgte. Nein, er würde nicht in die Falle laufen! Nicht schon wieder! „Lass mich in Ruhe!“, brüllte er und hechtete panisch an Robert vorbei; dieser wartete, bis Johnny an ihm vorbeigerannt war, um ihn dann von hinten zu packen und am Wegrennen zu hindern.

„Finger weg!“

Johnny versuchte um sich zu schlagen und zu treten, doch Robert schaffte es irgendwie den Tritten geschickt auszuweichen. Oder Johnny trat einfach nur immer daneben. Schnell fasste Robert mit seiner rechten Hand nach Johnnys Rechter und Schlang seine Finger um die des Schotten, das Gleiche tat er mit seiner Linken, dann schlang er seine Arme – und somit auch Johnnys – um dessen Körper. „Ganz ruhig, es ist alles in Ordnung, Johnny. Beruhige dich...“

Durch die direkte Berührung konnte Robert deutlich das Zittern, die schnelle Atmung und das rasende Herzklopfen spüren. Johnny musste panische Angst haben. „Es ist niemand hier außer uns. Es ist alles Ordnung. Ich bin da. Alles ist gut...“, er lockerte seinen Griff etwas, damit Johnny nicht das Gefühl bekam, dass Robert ihm etwas Böses wollte; obwohl er dieses Gefühl wahrscheinlich schon gehabt hatte, „Schließ die Augen und atme ganz ruhig und ganz langsam ein und aus. Versuch dich zu beruhigen...“

Es kostete einige Zeit und Mühen bis Johnny wieder einigermaßen seine Umwelt wahrnahm und sich soweit beruhigt hatte, dass Robert sich sicher war, dass er ihn loslassen konnte ohne danach die nächsten drei Stunden nach ihm suchen zu müssen. Als er seinen Griff löste, lehnte Johnny halb gegen ihn und machte keinerlei Anstalten sich irgendwie von der Stelle zu bewegen. Robert ging davon aus, dass er völlig erschöpft war und die nächste Zeit einfach nur viel Ruhe brauchte.

Sein Glück war es, dass gerade einer der Bediensteten um die Ecke lief und etwas verdattert zu Robert blickte, der den halb bewusstlosen Johnny in den Armen hielt. Mit einer kurzen Geste deutete er dem Diener an, zu kommen. „Gut, dass Sie vorbeikommen“, meinte Robert, „Könnten Sie...“

„Soll ich Ihnen helfen?“, fragte der Diener und deutete an, dass er Johnny nehmen würde. Robert zögerte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf. „Danke, ist schon in Ordnung. Es wäre jedoch nett, wenn Sie dafür sorgen könnten, dass ein Bad für Johnny hergerichtet wird.“ Mit einem kurzen Blick auf Johnny fügte er hinzu: „Ich glaube, das hat er jetzt dringend nötig.“

Der Mann nickte. „Kein Problem, ich werde mich darum kümmern.“

„Danke.“

Als der Bedienstete eilig davon gegangen war, hob Robert Johnny auf seine Arme, um ihn zu seinem Zimmer zu tragen. Bei einem kurzen Blick auf den Schotten stellte er fest, dass dieser wach war und versuchte, ihn nicht anzusehen; Seine Lippen hatte er zusammengepresst. Johnny schien das Geschehene sehr unangenehm zu sein.
 

~*~

Finale

Warum tut es mir so weh?

Finale

[21/21]
 

Langsam ließ Johnny sich etwas tiefer in das warme Schaumbad sinken und schloss entspannt die Augen. Robert hatte ihn nicht in irgendein sinnloses Gespräch verwickelt, das am Ende wahrscheinlich sowieso nur dazu beigetragen hätte, dass er sich noch schlechter fühlte, und Johnny war ihm dafür sehr dankbar. Das warme Bad war ebenfalls eine gute Idee gewesen und für einen kurzen Augenblick fühlte sich Johnny nicht mehr so verletzlich und verzweifelt. Die Welt hatte doch manchmal ihre positiven Seiten.

Leise öffnete sich die Tür zum Badezimmer und als Johnny seinen Blick dorthin wendete, erkannte er Robert, der ein großes Duschhandtuch in der einen und ein paar Klamotten in der anderen Hand hielt, und er brachte ein schwaches Lächeln zustande. Robert lächelte ebenfalls und trat dann, nachdem er die Tür geschlossen hatte an die große Badewanne. „Na, wie fühlst du dich? Alles wieder in Ordnung?“

Der junge Schotte nickte zögerlich und schloss dann wieder die Augen. „He, nicht einschlafen!“, meinte Robert und lachte leise, „Außerdem musst du langsam raus, der Psychologe kommt gleich.“

Wie zur Bestätigung klingelte es exakt in diesem Moment an der Tür und Robert zuckte mit den Schultern. „Also, hopp. Raus mit dir. Genug gebadet und entspannt.“ Leise grummelnd stieg Johnny aus der Wanne, wobei überall an seinem Körper Schaum kleben blieb und Robert ihm das Handtuch um den Körper wickelte.

„Trockne dich schnell ab und zieh dich an. Ich schau mal schnell nach, ob das der Psychologe ist...“
 

Johnny wirkte etwas skeptisch, als er und Robert in das Therapiezimmer traten und er den Psychologen sah. Unruhig krallte er sich etwas fester in Roberts Unterarm.

„Ich kenne diesen Kerl nicht!“, flüsterte er dem Deutschen mit einem leichten Zittern in der Stimme zu. Mehr unbewusst als bewusst schob Robert sich ein bisschen vor ihn.

„Wer sind Sie?“, erkundigte sich Robert und musterte den Fremden aufmerksam; dieser trat jedoch gut gelaunt ein paar Schritte auf ihn zu. „Ich bin Dr. Fletcher. Es tut mir Leid, aber Dr. Beyond ist ziemlich schwer erkrankt und kann daher die nächste Zeit nicht kommen. Er hat mich gebeten diesen Fall zu übernehmen, weil er mich für am geeignetesten hielt“, er überreichte Robert einen Zettel, „Das ist meine Empfehlung. Falls Sie nicht einverstanden sind, kann ich allerdings auch wieder gehen.“ Robert besah den Zettel nachdenklich und las ihn gründlich durch, ehe er ihn Johnny gab.

„Zumindest ist es wirklich seine Handschrift“, murmelte der junge Schotte, erwähnte jedoch nicht, woher er das wusste; es musste ja niemand erfahren, dass er heimlich seine Therapieunterlagen gelesen hatte. Robert seufzte. „Ich kann das nicht entscheiden. Am Besten ich rufe deine Eltern an und spreche alles gründlich mit ihnen ab.“

Johnny schüttelte langsam den Kopf. „Ist schon in Ordnung. Ich vertraue Dr. Beyond und wenn er sagt, dass Dr. Fletcher qualifiziert genug ist mich zu behandeln...“ „Ich kann das nicht entscheiden“, wiederholte Robert, der hinsichtlich Johnnys plötzlichem Sinneswandel bezüglich der Therapie verwirt war, doch der Schotte warf ihm einen düsteren Blick zu, „Aber ich kann das. Und ich will schnell wieder so normal wie möglich sein", er zögerte kurz, „Ich ertrage diese Panikanfälle nicht mehr. Und wenn Dr. Beyond...“

Robert seufzte ergeben und hob seine Hände. „Schon okay, ich hab’ verstanden.“ Er unterbrach sich und schob Johnny ein Stückchen weiter in das Zimmer, ehe er sich herabbeugte, ihm einen vorsichtigen Kuss auf die Wange gab und ihm ins Ohr flüsterte, dass er dennoch seinen Eltern Bescheid geben müsse. Der Tonfall und Roberts warmer Atem an seinem Ohr jagten Johnny förmlich einen Schauer über seine Haut.

„Wir sehen uns dann. Ich bin derweil ein bisschen im Garten, falls etwas sein sollte“, verabschiedete sich Robert und verließ mit einem letzten aufmunternden Lächeln zu Johnny das Zimmer.

„So, Herr McGregor“, meinte Dr. Fletcher und richtete somit Johnnys Aufmerksamkeit auf sich, „Kann ich Sie während dieser Sitzung Johnny nennen? –Ja? Das ist schön“, er deutete dem Schotten an sich zu setzen, „Ich bin mir sicher, dass Dr. Beyond seine Therapie anders aufgezogen hat, als ich es machen werde, aber ich hoffe, Sie haben keine allzu großen Probleme damit.“

Johnny saß auf seinem Stuhl und blickte etwas nervös um sich, als Dr. Fletcher damit begann im Zimmer umherzulaufen. Er wusste nicht, was ihn geritten hatte, sich mit dem Geschehen hier einverstanden zu erklären. War es gewesen, weil Robert ihn nicht lieben wollte, solange er sich seltsam verhielt? War es so, weil er Panik vor weiteren Angstattacken hatte? Ein Grund war vielleicht, dass er, obwohl er nie gut über Dr. Beyond redete, merkte, dass ihm das Ganze tatsächlich half. Er konnte sich inzwischen im Spiegel wieder ins Gesicht sehen und das war ein enormer Fortschritt gewesen. Zwar verspürte er immer noch die Abneigung und das Angewidertsein gegen sich selbst, aber es hielt sich in Grenzen.

„Ich kenne Ihre Akten, ich habe sie gelesen, daher kann ich von dem Punkt aus auch die Behandlung fortsetzen“, seit Robert das Zimmer verlassen hatte, klang jedes Wort, das mit Johnnys Therapie zu tun hatte so furchtbar abwertend, fast wie blanker Hohn. Ein lautes Klicken, das Johnny stark an das Abschließen einer Tür erinnerte, riss ihn aus seinen Gedanken, „Johnny, haben Sie mir nicht zugehört? Ich habe Sie doch gerade gefragt, wie es für Sie war. Hat es Ihnen damals denn nicht gefallen?“

Der Schotte erstarrte. Es war ihm peinlich, es hatte ihn damals erregt, er war zum Höhepunkt gekommen, auch wenn es ihn abgestoßen hatte. Er gab sich selbst dafür die Schuld, fragte sich oft, ob er die Vergewaltigung vielleicht sogar selbst gewollt hatte. Aber es von jemandem knallhart ins Gesicht gesagt zu bekommen! Wusste dieser Arsch eigentlich, was er durchgemacht hatte? Im nächsten Moment, als er sich von dem Schock der Frage erholt hatte, sprang Johnny entsetzt auf, um Dr. Fletcher ins Gesicht zu sehen, ihn anzuschreien.
 

Nachdem er sich bei den McGregors gemeldet hatte, um ihr Einverständnis für den neuen Psychologen zu erhalten, war er nach draußen gegangen. Die Luft im Freien war angenehm kühl und die Tatsache, dass er momentan keine Rücksicht auf einen innerlich zerrissenen Freund nehmen musste, ließ ihn zumindest für den Moment etwas aufatmen. Er mochte Johnny; Ja, das stimmte. Aber dennoch war er – durch das, was er in den letzten Wochen erleben und ertragen musste – im Moment sehr anstrengend und nervenstrapazierend. Nicht, dass er dazu etwas konnte.

Auf der Auffahrt des McGregoranwesens stand der Wagen des Psychologen und Robert musste feststellen, dass er anscheinend nicht allzu schlecht verdiente, wo er sich doch eine zwar recht kleine, aber trotzdem immerhin eine weiße Mercedes Limousine leisten konnte. Robert wollte sich gerade wieder von dem Auto abwenden, als ihm am Kofferraum ein paar rote Flecken auffielen, und so trat er ein paar Schritte näher. Langsam fuhr er mit seinen Fingern darüber und stellte verwundert fest, dass die Flecken ihn stark an angetrocknetes Blut erinnerten. Ohne sich Gedanken über sein handeln zu machen, ließ er seine Hände weiter nach unten gleiten, zum Griff des Kofferraums und als er diesen betätigte, stellte er erstaunt fest, dass das Auto nicht abgeschlossen war. Es waren drei Gedanken, die Robert in diesem Moment durch den Kopf gingen.

Erstens: Dr. Fletcher hatte einfach vergessen das Auto abzuschließen.

Zweitens: Er hatte es beim Herkommen eilig gehabt und sich die Zeit sparen wollen es abzuschließen.

Drittens: Er vertraute der Sicherheit des McGregor-Anwesens.

Als er jedoch die Heckklappe geöffnet hatte und sah, was sich darin befand, wurde ihm eine weitere Möglichkeit klar.

Viertens: Schnellst mögliche Flucht.

Im Kofferraum befand sich ein geknebelter, blutüberströmter Mann. Ob er noch lebte oder nicht, wusste Robert nicht, genauso wenig wie er wusste, was er tun sollte. Vermutlich war der Mann Dr. Beyond, soviel stand fest. Das bedeutete, Johnny war in Gefahr.

Der Mann im Kofferraum des Fahrzeugs schien zumindest noch zu leben - sonst hätte man ihn vermutlich nicht gefesselt - und bevor Robert groß nachdachte, hatte er sein Handy in der Hand und tippte die Nummer der Polizei ein, während er begann in Richtung Villa zurückzueilen. Als er an der Treppe ankam, nahm jemand den Anruf entgegen.

„Polizeinotrufzentrale, Mrs Turner am Apparat. Bitte nennen Sie die Art des Notfalls.“ Robert hielt nicht an, sondern verfolgte seinen Weg durch die Villa. „Hier ist Robert Jürgens“, meinte er atemlos, „Es ist... wir brauchen hier dringend Polizisten und Sanitäter. Es ist dringend!“

„Ganz ruhig, atmen sie erst einmal durch. Wo sind Sie? Was ist passiert?“ „Ich... schicken Sie die Leute zum McGregor-Anwesen. Wir haben hier einen Schwerverletzten und einen gesuchten Schwerverbrecher, der vermutlich gerade dabei ist meinen besten Freund umzubringen!“
 

Johnny starrte sein Gegenüber entsetzt an, konnte sich nicht rühren. Martin grinste nur hinterhältig. „Na, überrascht? Wen hast du denn erwartet?“, er warf seine Verkleidung achtlos auf den Boden.

„Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet“, meinte er dann fast sanft, „Hat es dir etwa nicht gefallen?“ Der leicht gehässige Unterton war bei seiner letzten Bemerkung nicht zu überhören gewesen und Johnny fühlte deutlich, wie ihm ein unangenehmer, eiskalter Schauer seinen Rücken hinunterlief. Als Martin ein paar Schritte auf ihn zutrat, wich Johnny hektisch zurück, damit er ihm nicht zu nahe kam. Der junge Schotte sah ein leichtes Aufblitzen und erkannte ein kleines Messer in Martins Hand.

„Kleiner, dummer Junge. Du weißt ja gar nicht, was du getan hast“, er kam noch näher und hob das Messer, „Diesmal kommst du nicht so leicht mit deinem Leben davon. Nur wegen dir. Weil du dich geweigert hast, weil dein dämlicher Freund Robert unbedingt den Helden spielen musste, nur deshalb wurde Geowatt zerstört. Und das... das werde ich nun mit euerem Tod rächen.“

Hastig stürzte er vor und stach mit dem Messer nach Johnny, wobei er dessen Arm erwischte, weil dieser nicht schnell genug ausgewichen war. Ein kalter, stechender Schmerz durchzuckte Johnny und er schrie panisch auf, während er ein paar Schritte zurückstolperte und seinen verletzten Arm an seine Brust drückte, wobei er bemerkte, dass die Waffe immer noch in seinem Arm steckte. Er wagte es jedoch nicht, sie herauszuziehen.

Trotz der aufbrennenden Panik versuchte er seine Gedanken zu ordnen und den Schmerz zu mildern, indem er seine Lippen aufeinander presste; dennoch fiel es ihm wahnsinnig schwer, weiterhin genügend Abstand zwischen sich und den Mann zu bringen. Eilig versuchte er zur Zimmertür zu gelangen, um einfach nur aus dem Zimmer herauszukommen, zu Robert zu gehen, damit irgendjemand da war, der ihn beschützen konnte. Doch trotz seiner Bemühungen stand er am Ende mit dem Rücken zur Wand und hatte keine sonderlich große Möglichkeit zur Flucht mehr. Zumal ihm allmählich aufgrund des Blutverlustes und der Schmerzen furchtbar schwindelig wurde; er wankte ein paar Schritte zurück und lehnte sich gegen die Wand. Ihm war einfach nur übel.

Dass sich Hände um seinen Hals legten, ihn grob gegen die Wand pressten und anfingen ihn zu würgen, bemerkte er erst, als er kaum noch Luft bekam und es immer schwerer wurde zu atmen. Er griff mit seiner rechten, unverletzten Hand nach den Armen seines Angreifers, um sie wegzuziehen, doch er war zu schwach und anstatt einer Besserung wurde ihm nur noch schwindeliger. Unangenehm fühlte er diesen unglaublichen Druck an seinem Hals und hatte neben dem panischen Gefühl keine Luft mehr zu bekommen nun auch das Gefühl, dass er sich gleich übergeben müsste.
 

Robert war endlich an der Tür zum Therapiezimmer angekommen, nur um festzustellen, dass dessen Türen fest verschlossen waren. Er hörte Johnny schreien und in ihm entbrannte eine plötzliche Panik, dass er bereits zu spät war. Ohne sonderlich groß nachzudenken warf er sich mehrmals gegen die schwere Holztür, nur um festzustellen, dass es rein gar nichts brachte. Wütend und verzweifelt hämmerte er gegen die verschlossene Tür, weil er einfach nicht wusste, was er tun sollte; Erst ein leises Klirren von der anderen Seite der Tür brachte ihn zurück in die Realität und ihm wurde klar, dass der Schlüssel, der auf der anderen Seite der Tür noch gesteckt hatte, aus dem Schlüsselloch gefallen war.

Robert fiel wieder ein, wie Johnny ihm einst genervt davon erzählt hatte, dass er nicht verstehen konnte, warum seine Mutter für jede Tür immer zwei Schlüssel hatte; auf jeder Seite der Tür einen. Tatsächlich entdeckte er auf der kleinen Ablage über der Tür solch einen Schlüssel, den er sich eilig schnappte, um die Tür zu öffnen.

Als er es – trotz seiner nervös zitternden Hand – endlich geschafft hatte, die Tür aufzuschließen, erstarrte er im ersten Moment, hastete dann jedoch auf Martin zu und riss ihn von Johnny weg, der erschöpft und panisch nach Luft japsend zusammenbrach. Eigentlich hatte er zu Johnny rennen wollen. Überprüfen, ob alles mit ihm in Ordnung war, ob auch nichts seinen Luftweg blockierte; Nicht, dass dieses Schwein seinen Kehlkopf oder sein Zungenbein gebrochen hatte!

Er war auf dem Weg, als Martin ihn von hinten packte und ihn herumschleuderte: „Gut, dass du kommst. Für dich habe ich nämlich auch noch einen Sarg reserviert, Robert!“

Johnnys hastiges und panisches Einatmen war immer noch sehr laut und klang so, als hätte er weiterhin große Probleme genügend Luft zu bekommen. Robert wollte zu ihm, ihn im Arm halten, dafür sorgen, dass es ihm gut ging, bis die Ärzte kamen. Dass er nicht auf seine Umgebung geachtet hatte, realisierte Robert erst, als er einen heftigen Schlag in seinem Gesicht fühlte und zu Boden stürzte. Er stand auf und versuchte nicht an Johnny zu denken, während er sich auf den Kampf zwischen ihm und Martin konzentrierte. Hastig stürzte er nach vorne, exakt in dem Augenblick, als Martin versuchte in nochmals zu schlagen, wodurch Robert ziemlich hart in den Bauch getroffen wurde. Erschrocken keuchte er auf, stolperte ein paar Schritte zurück und fiel rückwärts über einen Stuhl der im Weg stand. Hart schlug er mit dem Kopf auf dem Boden auf und zog scharf die Luft ein. Martin kam näher und grinste hämisch, als er den hilflos auf dem Boden liegenden Robert betrachtete, „Ihr mögt vielleicht die größten Teile Geowatts ausgelöscht haben, aber ich werde ein neues Geowatt erschaffen. Ihr werdet niemals alle fassen können. Aber dass ihr unsere Organisation zerstört habt, das werde ich euch nie verzeihen...“

Als er neben Robert stand, trat er ihm kräftig in den Bauch und Robert schrie vor Schmerz laut auf. „Ich will dich leiden sehen, Robert. Furchtbar leiden. So wie du mich hast leiden lassen, indem du Geowatt verraten hast. Du wirst dafür bezahlen.“

Robert versuchte seine Miene unter Kontrolle zu bekommen und obwohl sein Gesicht noch etwas schmerzverzerrt war, schaffte er es, recht ruhig und ernst zu wirken. Er wagte es jedoch nicht sich aufzurichten, da er wusste, dass Martin ihn wiederum treten würde.

„Was willst du schon groß machen?“, keuchte er, „Schlimmeres als den Tod gibt es wohl kaum.“ Und die Polizei wird so oder so in ein paar Minuten da sein und dich festnehmen, fügte er in Gedanken hinzu. Doch das musste Martin nicht wissen, denn sonst hatte Robert keine Chance mehr, ihn noch etwas hinzuhalten.

Martin lachte laut auf: „Dann wird es dich sicher nicht stören, wenn ich mich vor deinen Augen nochmals an dem Kleinen dort vergehe? Das finde ich gut.“

Robert wurde bleich, als ihm klar wurde, dass Martin, bis die Polizei ankam, sehr wohl noch Zeit hatte, Johnny ein letztes Mal zu vergewaltigen, bevor er ihn tötete.

„Du schaust aber gar nicht gut aus, Robert. Du bist so blass. Ist dir nicht gut? Hab ich etwas Falsches gesagt?“ Der Deutsche biss sich auf die Lippe und versuchte Johnny im Zimmer zu entdecken. Tatsächlich hatte er sich nicht sonderlich von der Stelle bewegt, aber er hatte sich übergeben und lag nun erschöpft und bewegungslos auf dem Boden in einer kleinen, jedoch größer werdenden Blutlache. Ob er noch lebte? Robert schluckte und dachte in dem Moment darüber nach, was passieren würde, wenn Johnny all das hier wirklich überleben würde. Wenn es dazu kam, dass Martin nochmals in seine Nähe kam...

Martin schien Robert aufgrund seines defensiven Verhaltens nicht mehr als sonderlich große Gefahr anzusehen und er wandte sich ab. „Na, dann will ich mal...“

Robert nutzte die Gelegenheit und trat ihm die Beine unter dem Körper weg und Martin stürzte vornüber auf den Boden, während Robert die Gelegenheit nutzte und auf seine Beine sprang. Als Robert ein paar Schritte auf ihn zumachte, wollte er sich bereits wieder aufrichten, doch Robert warf sich mit seinem gesamten Gewicht auf ihn und presste Martin so zurück auf den Boden, wobei dieser schmerzerfüllt aufstöhnte. Er packte Martins Arme und drehte sie ihm auf den Rücken; es fiel ihm schwer sich zusammenzureißen. Am liebsten hätte er dem Typen beide Arme gebrochen und ihm den Stuhl über den Schädel gezogen, ihn erwürgt oder sonst was. Er wollte ihm in dem Moment einfach nur wehtun, ihn notfalls zu Tode prügeln, und wenn es nur...

In diesen Augenblick war deutlich Fußtrampeln zu hören und einige Polizisten stürmten in den Raum. Zwei – ein Mann und eine Frau - gingen sofort zu Johnny und Robert sprang erschrocken von Martin herunter, wo er doch derjenige sein wollte, der Johnny beistand. Drei weitere Polizisten eilten zu Martin hin und kümmerten sich um diesen. Sie legten ihm die Handschellen an, ehe sie ihn auf die Beine zogen. Die Frau blickte Johnny besorgt an und wandte sich dann an den Mann: „Wir brauchen dringend die Sanitäter und den Notarzt hier oben.“

Ihr Gegenüber nickte, stand auf und eilte aus dem Zimmer. Sie selbst setzte sich neben Johnny, beobachtete die recht flachen Atemzüge und blickte Robert erwartungsvoll an. „Einer muss sich darum kümmern, dass er bei Bewusstsein bleibt“, erklärte sie und lächelte ihn an, „Ich denke, er wird sich mehr freuen, wenn er mit einer Person redet, die er kennt.“

Robert nickte und versuchte das dumpfe Hämmern in seinem Kopf zu ignorieren, während er sich neben Johnny auf den Boden kniete. „Hey, Johnny“, er berührte vorsichtig und etwas zögerlich den gesunden Arm des Schotten und dieser öffnete langsam ein bisschen seine Augen. Sein Blick wandte sich langsam zu Robert und wirkte eigenartig glasig. Er brachte ein schwaches Lächeln zustande – das Robert jedoch kaum als solches erkennen konnte – schwieg aber. Robert streichelte ihm über die Wangen. „Wie fühlst du dich...?“

Er kam sich dumm vor. Es gab so viele Dinge, die er Johnny sagen wollte, so viele Berührungen, die er ihm zur Beruhigung schenken wollte; und nun, da er hier bei ihm war, war er unfähig irgendeine seiner großartig geplanten Taten auszuführen. Johnnys Stimme klang rau und kratzig, als er schwach „jetzt besser“ antwortete und Robert musste lächeln. „Johnny, wie wäre es damit, wenn wir, sobald das hier alles vorbei ist... zu zweit verreisen? Was sagst du dazu? Irgendwohin, wo uns keiner kennt. Einfach nur entspannen, all das hier vergessen...“

„Hört sich toll an...“, flüsterte Johnny heiser und schloss für einen kurzen Moment die Augen, während Robert ihm mit der Hand durchs Haar fuhr.

„Allerdings natürlich nur, wenn deine Krankenhausrechnung den Geldrahmen nicht zu sehr sprengt“, ergänzte Robert und Johnny lachte leise, verzog dann jedoch wieder schmerzhaft sein Gesicht. Der Deutsche blickte auf, als er die Sanitäter ins Zimmer kommen sah, die sich eilig zu ihnen begaben.

„Johnny?“

„...Hm?“

„Ich liebe dich.“
 

~*~

EXTRA: Krankenhaus

Warum tut es mir so weh?

EXTRA: Krankenhaus

[21+1/21]
 

Als Robert das Krankenzimmer betrat, war eine der Schwestern gerade dabei Johnnys Temperatur zu messen. Hierzu hielt sie ihm ein kleines Gerät ans Ohr und der in seinem Bett sitzende Schotte musterte sie äußerst unglücklich, während sie ihm irgendetwas erklärte, was er allem Anschein nach gar nicht wissen wollte. Sein verwunderter Arm ruhte dabei auf der Decke.

Der Raum selbst war ein weiß gestrichenes Einzelpatientenzimmer mit einem bläulichen Linoleum-Boden. Die Fenster an der Zimmerseite, die den Blick auf den allgemeinen Balkon freigaben, beleuchteten den Raum ein wenig. Neben Johnnys Bett und dem dazugehörigen Nachttischschränkchen standen noch zwei Sessel und ein Tisch, an der Zimmerwand ein breiter Schrank, der vermutlich eigentlich für zwei Patienten gedacht war. An der Wand hing ein kleiner Fernseher, der jedoch ausgeschaltet war.

Johnny selbst hatte bei Martins Attacke unheimlich viel Blut verloren und die Ärzte hatten gemeint, dass es ziemlich knapp verlaufen war, der Schotte hatte ein unheimliches Glück gehabt. Sofern man bei so einer Attacke allerdings überhaupt von ‚Glück’ sprechen konnte.

Die Notoperation hingegen hatte er relativ gut weggesteckt. Sein Arm war zwar fest verbunden und schien ihm von Zeit zu Zeit trotz der Schmerzmittel Schmerzen zu bereiten, doch ansonsten ging es ihm gut. So gut es einem nach so einem Angriff denn gehen konnte.

Das alles war jetzt einen Tag her. Nach einer kurzen Untersuchung hatte man Robert selbst direkt aufs Polizeirevier gebracht, um seine Zeugenaussage aufzunehmen, während er in Gedanken um das Leben seines Freundes gebangt hatte. Kaum hatte man ihn gehen lassen, hatte er im Krankenhaus erfahren, dass Johnny sein Bewusstsein noch nicht wiedererlangt hatte und er sich im Aufwachraum befand. In seiner Sorge war er zwei Stunden lang in Johnnys Krankenzimmer auf und ab gelaufen, ehe letzten Endes endlich Johnnys Bett herein geschoben worden war. Der Schotte war noch ziemlich benebelt gewesen, doch immerhin ansprechbar, auch wenn er kurz darauf sofort wieder eingeschlafen war.

Die Ärzte hatten ihm erklärt, dass er sich deshalb keine sonderlichen Sorgen machen müsste, dass das nach einer schweren Operation bei Patienten, die außerdem viel Blut verloren hatten, normal sei. Trotzdem war er sehr besorgt gewesen und hatte die ganze Nacht neben seinem Bett gewacht, bis dieser erneut aufgewacht war.

Das war der Moment gewesen, als Robert klar geworden war, dass er Marian und Mark McGregor noch nichts von dem Zwischenfall erzählt hatte. In dem Chaos seiner Gedanken hatte er es einfach vergessen und verdrängt gehabt. Er hatte die letzten Stunden keine Nachrichten gehört und gesehen, von daher wusste er nicht, inwieweit sich die Nachricht von dem Überfall herumgesprochen hatte, doch er hatte gehofft, dass die Polizei den Fall vertraulich behandelt hatte. Zumindest schienen die Beiden tatsächlich von der ganzen Sache noch nichts mitbekommen zu haben.

Auch wenn es ihm unangenehm war und Robert das Gefühl hatte, in seiner Rolle als Aufpasser versagt zu haben, war es seine Pflicht Johnnys Eltern über alles in Kenntnis zu setzen und diese waren sofort aufgebrochen, in der Hoffnung einen Platz im nächsten Flieger zu ergattern. Das bedeutete, dass sie allerfrühestens in zwei bis drei Stunden am Glasgower Flughafen waren – wenn sie denn das Glück hatten, tatsächlich sofort ein Flugzeug zu erwischen.

Robert fühlte sich ein wenig schlecht, weil er es schlicht und ergreifend vergessen hatte, die McGregors zu informieren, wusste – beziehungsweise hoffte – jedoch, dass sie ihm das nicht übel nahmen.

Nach dem Telefonat war er wieder auf die Station gegangen und nun bedachte er Johnny mit einem ernsten Blick, dieser brachte ein schwaches Lächeln zustande, als er ihn bemerkte. Robert trat neben sein Bett und berührte seine Hand.

„Ich habe deine Eltern angerufen. Sie sind auf dem Weg hierher“, meinte er dann eher beiläufig, wobei Johnny nickte und dann der Krankenschwester, die nun damit begann seinen Puls zu messen, einen bösen Blick zu warf, „Sie versuchen den nächsten Flieger zu bekommen, aber natürlich ist nicht klar, ob das auch wirklich klappt.“

„Du kennst meine Mum“, kommentierte Johnny, ganz ohne Zweifel, dass seine Eltern bald hier sein würden, wobei er weiterhin die Schwester anstarrte, als ob er sie so dazu bringen könnte, sich zu beeilen und ihn endlich in Ruhe zu lassen. Robert hatte schon bei ihrem letzten, gemeinsamen Krankenhausaufenthalt gemerkt, dass Untersuchungen nichts waren, das Johnny als begeisterungswürdig empfand.

Es herrschte einige Zeit lang Schweigen zwischen ihnen und Robert beobachtete die gewissenhaft durchgeführte Untersuchung an Johnny, dieser hingegen wurde allmählich ungeduldig. Die Krankenpflegerin seufzte genervt auf und Robert musste mit einem Grinsen im Gesicht feststellen, dass sich die beiden anscheinend gegenseitig auf gleiche Art und Weise nervten. Als sie letzten Endes fertig war, packte sie eilig ihre Sachen zusammen, verabschiedete sich und verließ das Zimmer, um den nächsten Patienten aufzusuchen.

„Ich weiß nicht, ob es dich interessiert“, meinte Robert nach einer Weile und zog sich einen der Sessel heran, „Aber Dr. Beyond geht es auch wieder besser. Er hat eine Gehirnerschütterung, aber ansonsten ist er okay.“

Johnny nickte wiederum, wirkte aber nicht sonderlich interessiert. Robert wusste, dass das keinesfalls mit Desinteresse an seinem Arzt zu tun hatte, sondern einfach damit, dass ihm in diesem Moment ganz andere Sachen durch den Kopf gingen und ihm wichtiger erschienen. Er lehnte sich zurück und blickte müde an die Wand. „Was ist mit Martin?“

Obwohl er schon eine ganze Weile mit dieser Frage gerechnet hatte, hatte Robert gehofft, dass Johnny sie nicht allzu früh stellen würde. Die Polizei hatte den Mistkerl festgenommen, ja. Das bedeutete jedoch einen langen Prozess – bei dem Johnny vielleicht sogar als Zeuge aussagen musste – er eine vermutlich viel zu kurze Haftzeit erhalten und in spätestens zwanzig Jahren wieder auf freiem Fuß sein würde.

„Die Polizei hat ihn geschnappt und weggesperrt. In seiner Wohnung haben sie Unterlagen zu einigen weiteren Geowatt-Mitgliedern gefunden, die noch auf freiem Fuß sind. Die Meisten davon haben sie in der Zwischenzeit ebenfalls verhaftet.“

„Und dein Angebot?“ Robert blinzelte verwirrt, „Welches Angebot?“ „Das mit der Reise. Das steht noch, oder?“

Er musste zugeben, dass das Ganze eine spontane Idee gewesen war, um Johnny etwas zu geben, worauf er sich freuen konnte, damit er schneller wieder gesund wurde. Was es genau bedeutete, darüber hatte er nicht nachgedacht. Vermutlich hatte er insgeheim gehofft, dass der Schotte es verdrängen würde. Auf der anderen Seite wäre es falsch, Johnny nun eine Absage zu erteilen. Robert lächelte. „Ja, natürlich.“

Es folgte wiederum ein knappes Nicken, woraufhin Robert erneut Johnnys Hand ergriff und ihm einen Kuss auf die Stirn gab, „Worüber denkst du nach?“

Die Reaktion folgte zu schnell, als dass sie der Wahrheit entsprechen konnte. „Unsere Beziehung.“ „Wieso?“

Ein Zögern folgte. „Weil du immer sagst, ich bilde mir nur ein, dass ich dich liebe.“ Robert verdrehte genervt die Augen. Johnny schien es wirklich zu mögen, ihm das vorzuhalten. „Wie du vielleicht gemerkt hast“, meinte er kurz angebunden, „habe ich inzwischen akzeptiert, dass du dich von dieser Behauptung nicht abbringen lässt.“

Er konnte es sich nicht verkneifen Johnny ein wenig zu reizen. Dieser verengte seine Augen zu Schlitzen.

„Selbst wenn“, murmelte er dann, wobei ein rechtfertigender Unterton mitschwang, „Selbst wenn ich mich nur in dich verliebt hätte, weil du für mich da warst, wäre es doch trotzdem Liebe, oder? Warum wirfst du es mir dann immer vor?“, was Johnny als Antwort hören wollte, wusste er nicht genau, aber er wusste, dass er dieser Logik zumindest nicht widersprechen konnte. „Der Grund, warum man sich verliebt, ist doch eigentlich egal. Manche Menschen verlieben sich doch auch auf den ersten Blick, das stellt doch auch keiner in Frage. Und ich mag dich wirklich, es ist nicht nur ein Hirngespinst. Die Ursache liegt vielleicht in der... in der... Vergewaltigung, aber deshalb sind meine Gefühle doch trotzdem echt. Oder nicht?“

„Ich kann dir schlecht widersprechen“, seufzte Robert und gestand sich seine Niederlage ein. Es stimmte schon, was Johnny sagte, er hatte Recht. Vermutlich hatte er die letzten Stunden darüber nachgedacht, wie er Robert endlich dazu brachte, offen zuzugeben, dass es okay war, dass er ihn ebenfalls liebte. Johnny schien beruhigt zu sein, dass das ‚Gespräch’ nach seinen Vorstellungen verlaufen war und lächelte Robert an, der ihn als Entschuldigung flüchtig auf den Mund küsste. „Und worüber hast du wirklich nachgedacht?“

Als Johnny in diesmal anblickte, konnte Robert für einen kurzen Moment Angst in seinen Augen erkennen und ihm wurde klar, dass Johnny recht unglücklich darüber war, dass er noch einmal nachgehakt hatte. Er presste beide Lippen aufeinander, verkrampfte sich kurz, ehe er sich wieder etwas entspannte. Vermutlich rang er gerade mit sich selbst. Kurz überlegte Robert, Johnny zu sagen, dass er es nicht zu erzählen bräuchte, wenn er es nicht wollte, doch er hielt sich zurück. Wenn Johnny es ihm nicht anvertrauen wollte, würde er es auch nicht tun.

„Über Martin“, murmelte Johnny, korrigierte sich dann jedoch. „Über die... Vergewaltigung.“

Robert bedachte ihn mit einem besorgten Blick und der gequälte Gesichtsausdruck des Schotten verriet ihm sofort, dass ihm das Folgende wohl schon länger schwer mitnahm. „Es geht um...“, er brach ab, allem Anschein nach wusste er nicht genau, was er sagen sollte, „den Sex.“

Einige Zeit herrschte Schweigen, ehe Johnny fortfuhr, Roberts Griff um seine gesunde Hand verstärkte sich ein wenig. Was auch immer ihm jetzt anvertraut wurde, war für Johnny eine enorme seelische Belastung und vermutlich war er neben Dr. Beyond der Einzige, der davon erfuhr.

„Es... hat weh getan“, Johnnys Stimme klang erstickt, doch er fing sich wieder, „Es ist grausam, schmerzhaft und unangenehm... und am Ende...“

Robert sah Johnny an, dass er gleich anfangen würde zu weinen, und setzte sich neben ihn auf das Bett, um ihm über die Wange zu streichen. Obwohl er ihm gerne gesagt hätte, dass er jederzeit mit seiner Ausführung aufhören könnte, hielt er sich zurück. Es würde Johnny nur unnötig aus dem Konzept bringen und ihm vielleicht das Gefühl geben, dass er sich nicht für seine Probleme interessierte. Er schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln.

„Es... Man... Man ist erregt, aber man will das gar nicht. Es ist unangenehm. Man- Es fühlt sich falsch an und... ekelhaft. Und“, er schluckte hart, „am Ende kommt man einfach. Es fühlt sich... abartig an. Ich- wollte das doch nicht. Warum... warum war ich dann so... so... er-... erregt? Warum... war ich am Ende so...“

Es war beschämend darüber zu reden und er konnte das Gefühl nicht beschreiben, dass er am Ende empfunden hatte. Ja, es war widerlich gewesen, das Schrecklichste, was er je hatte durchmachen müssen. Aber wieso hatte sich der Höhepunkt für einen kurzen Moment so gut angefühlt? Er hasste sich dafür, er konnte sich selbst nicht verstehen. Hatte er es gewollt? Robert sah ihn betreten an. Allem Anschein nach wusste er nicht genau, was er sagen sollte.

„Alle fahren immer so auf Sex ab. Dass es so toll sein soll. Aber... aber es fühlt sich gar nicht gut an. Ich... ich hab gedacht es liegt vielleicht an mir... A-aber...“, wiederum zögerte er, „Muss man in einer Beziehung überhaupt miteinander schlafen?“

Für einen kurzen Moment wandte Robert den Blick von ihm ab und starrte aus dem Fenster, ehe er ihn wieder mit ernstem Blick ansah. „Nein. An und für sich nicht. Es geht sicherlich auch ohne“, sagte er dann langsam, wobei seine Augen auf Johnny ruhten, „Aber bedenke bitte eines, Johnny: Du bist vergewaltigt worden, das hat nicht viel mit Sex zu tun. Nur weil du erregt warst, heißt es noch lange nicht, dass du damit einverstanden warst oder es vielleicht sogar wolltest. Es heißt nicht umsonst ‚Fortpflanzungstrieb’. Versteh mich nicht falsch. Ich respektiere deinen Wunsch durchaus. Dennoch solltest du wissen, dass Sex, wenn du auch mit deinem Gefühl und Empfinden dabei bist, etwas sehr Schönes sein kann.“

Es folgte für einige Zeit Stille.

„Hast du schon einmal... masturbiert?“

Johnny starrte Robert ob der Frage entsetzt an, wurde rot und blickte betreten zu Boden. Für einen kurzen Augenblick fragte sich Robert, ob es sinnvoll war, mit einem Vergewaltigungsopfer über so intime Dinge zu reden. Andererseits konnte er jetzt kaum noch einen Rückzieher machen. „Es hat sich gut angefühlt, oder? Sonst hättest du es nicht getan.“

Wiederum schwieg Johnny und antwortete nicht, aber Robert hatte das auch nicht erwartet. Er fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare und seufzte leise. Was genau er tun sollte, wusste er nicht. Wie weit konnte er gehen?

„Soll ich es dir zeigen?“

Sein Gegenüber wirkte verwirrt. „Was?“

„Dass es nicht so schlimm ist, wie du denkst.“

Blass, so konnte man Johnnys Gesicht in dem Augenblick wohl am besten beschreiben. Er war fast bleich und blickte Robert nur entsetzt an. Fast so, als hätte er ihm gerade gesagt, dass er ihn fressen wolle. „Keine Sorge, ich habe nicht vor hier mit dir zu schlafen“, meinte Robert beschwichtigend und blickte ihn fast herausfordernd an, „Wenn du überfordert bist oder nicht mehr willst, dann sagst du ‚Stopp!’ und ich höre auf. Und ich werde nichts tun, was du nicht willst.“

Als Johnny ihn wiederum nur anstierte, seufzte Robert leise und hob entschuldigend seine Hände. „Sorry. Es war nur eine blöde Idee von mir.“

In Gedanken unterstrich er ‚blöd’ drei Mal. Wieso hatte er das überhaupt vorgeschlagen? War er bescheuert? Vermutlich war das genauso sinnvoll, wie einem Menschen, der fast von einem Bären zerfleischt worden war, vorzuschlagen im Zoo die Bären anzugucken. Er hätte vorher nachdenken sollen. Hoffentlich war Johnny jetzt nicht allzu schockiert. Wiederum seufzte er.

„Was... was hat sich geändert?“, murmelte Johnny verwirrt und runzelte die Stirn, „Im Gegensatz zu neulich?“ Robert erinnerte sich noch düster an Johnnys Versuche, ihn davon zu überzeugen mit ihm Sex zu haben. Auf die Frage fand er allerdings keine so rechte Antwort.

„Ich werde nicht mit dir schlafen“, betonte er noch einmal und fragte sich, ob es die ganze Zeit Johnnys Ziel gewesen war, ihn soweit zu bringen. Hatte der Schotte seine Situation ausgenutzt? Vielleicht war es nicht ganz fair, Johnny derartige Vorwürfe zu machen. Aber er war der Sohn von Marian und bis vor der Messerattacke, war er es noch gewesen, der ihm mit dem Sex in den Ohren gelegen hatte. Auf der anderen Seite war sich Robert sicher, dass Johnnys Bedenken absolut ehrlich gewesen waren, dass er sich wirklich nicht sicher war, warum Martin ihn erregt hatte – ob es vielleicht seine eigene Schuld gewesen war.

„Aber ich denke, ich verstehe jetzt ein bisschen besser“, er musterte sein Gegenüber berechnend, „Aber die gleiche Frage gebe ich gerne zurück: Was hat sich geändert?“ Johnnys Blick hielt im ersten Moment dem seinen stand, ehe er sich auf die Lippe biss, „Nichts.“

Robert schüttelte den Kopf und erhob sich vom Bett und lief in Richtung Tür, blieb jedoch vor ihr stehen, dann fasste er sich an die Stirn. „Du bist wirklich ein absolut unmöglicher und hoffnungsloser Fall.“

Kurz dachte Johnny, während er sich etwas aufrichtete (wobei er darauf acht gab, seinen verletzten Arm nicht zu belasten), darüber nach sich zu entschuldigen, war sich jedoch auf der anderen Seite keiner Schuld bewusst. Deshalb schwieg er. Als Robert die Tür abschloss, stellte er fest, dass sich – wie in so ziemlich jedem Krankenhaus – die Tür zwar beidseitig verschließen, aber auch von beiden Seiten wieder entriegeln ließ. Er seufzte auf und schaltete das Licht an, ehe er sich wieder umwandte und zu den Fenstern ging.

„Aber es gibt Regeln, verstanden?“, mit einer schnellen Bewegung zog er die Vorhänge des ersten Fensters zu, „Ich werde nicht mit dir schlafen. Ich wiederhole es, weil ich sicher gehen will, dass du das auch wirklich verstanden hast. Tatsächlich würde ich es eher als... eine Art Massage bezeichnen“ Der zweite und der dritte Vorhang wurden geschlossen.

„Danach hörst du mit deinen Anwandlungen auf, okay? Beim nächsten Mal wäre es mir wichtig, dass mir doch doch auch mal ein gewisses Entscheidungsrecht zuerkannt wird“, er zog die Verdeckung der Balkontür zu, dann drehte er sich zu Johnny um, der ihn aufmerksam musterte, und trat an sein Bett, „Du schaust mich dabei an und wenn es zu viel wird, sag' was, okay?“

Der Schotte nickte und streckte ihm die Hand entgegen, was Robert dazu veranlasste skeptisch die Augenbrauen hochzuziehen und ihn auf den Mund zu küssen. „Sturkopf“, flüsterte er leise und drückte Johnny mit seiner Hand zurück auf das Bett in eine liegende Position.
 

Während Robert auf einem der Sessel saß und ein Buch las, hatte Johnny sich auf seinem Bett zusammen gerollt – wobei sein verbundener Arm immer noch über der Decke lag – und schlief seit vielleicht einer Stunde, als die Tür des Krankenzimmers mit einem lauten Knall aufflog und Marian McGregor, dicht gefolgt von Mark, hereinstürmte. Der junge Schotte zuckte ob des Geräusches zusammen, blinzelte mehrmals und hob dann verschlafen den Kopf ein wenig, um zu sehen, wer ihn geweckt hatte.

„Johnny!“, seine Mutter stand sofort neben seinem Bett und lächelte ihn an, „Wir sind so froh, dass es dir gut geht! Als Robert uns angerufen hat, haben wir schon das Schlimmste befürchtet...“

Der Angesprochene rieb sich mit seiner gesunden Hand über die Augen und richtete sich ein wenig auf, wobei er immer noch furchtbar verschlafen wirkte. „Mum, Dad...?“

Marian drückte ihn sofort an sich, während Mark ihn freundlich anlächelte und ihn an der Schulter berührte. Robert sah dem Schauspiel aus sicherer Distanz zu. Für einen kurzen Augenblick trafen sich seine und Johnnys Augen, doch der Schotte wandte sofort seinen Blick ab und lief rot an. Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen wandte der Deutsche sich wieder seiner Lektüre zu und fragte sich insgeheim, wann sie wohl das nächste Mal die Gelegenheit hätten, das Ganze einmal zu wiederholen.
 

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Von:  Kaikowoelfchen
2010-05-19T11:46:38+00:00 19.05.2010 13:46
Uiii Zusatzkapitel *__*
Sorry das ich nie Kommis schreibe aber ich bin einfach zu unkreativ. Ich kann viel zu Fanarts schreiben, aber bei Fanfics sieht es eher schlecht aus. Da fällt mir meist einfach nichts ein außer "gut" oder "schlecht". xDD

Jedenfalls nettes Kapi.
Ich kann Johnnys Zweifel schon verstehen. Also das er sich fragt warum er erregt war obwohl er es nicht wollte.
Der Körper macht halt einfach was er will, selbst wenn der Kopf was anderes sagt.
Aber warum hast du grade die "interessanteste" Stelle weggelassen?? ;_____;
Das geht doch nich. xDD
Von:  Sofo
2008-03-09T17:18:43+00:00 09.03.2008 18:18
Ich habe jetzt wohl seit gut 1-2 Jahren keine Beyblade-FF mehr gelesen (oder ich erinnere mich nicht daran)... und diese FF hatte ich zu Anfang gespannt mitverfolgt, hab es aber dann irgendwie zeitlich nicht mehr geschafft. Jedenfalls entdeckte ich dann die ENS vonwegen das letzte Kapitel käme on, und da man ja Sonntag Nachmittag sowieso nichts zutun hat, habe ich eben die komplette FF von vorn gelesen.
Ich hab im Verlauf der Geschichte mehrmals geheult, bzw ich hatte Gefühlsausbrüche aller art. Eine wunderbare Story, auch wenn du ja scheinbar zwischendrin immer wieder daran gezweifelt hast (versteh ich, ich zweifle auch an meinen Werken, vor allem, wenn sie keiner kommentiert...)
Deinen Schreibstil finde ich nach wie vor wunderbar. Anfangs hat es mich wirklich gestört, dass die Kapitel so kurz sind, aber später hab ich dann auch den Vorzug darin erkannt, nämlich dass zwischen den einzelnen Kapiteln Spannung bleibt.
Die ganze Geschichte ist einfach nur der Wahnsinn... spannend, mitreißend, herzzerreißend, wunderschön einfach nur. Ein ziemlich fieses Ende... aber das lässt eben Interpretationsfreiheit =)
Mal sehn, wenn ich Zeit und Lust hab, fang ich bei den anderen FFs auch nochmal bei 0 an und schmöker alles nochmal durch ;)

Liebe Grüße,
Sofo
(Emely-Mausi/Yami-Sofopue/StrichSama-Chris)
Von:  Dayce
2008-02-11T16:51:03+00:00 11.02.2008 17:51
Erstmal schließe ich mich meinen Vorednern an, es ist gut so das du ihn nicht hast sterben lassen, das mal vorne weg.
Extrem spannend an manchen Stellen, und meine Fantasie ging mit mir durch, aber es ging alles gut aus.
So "schlecht" wie du es selbst findest ist es nicht, aber wenn du damit erreichen wolltest das die Story zu Ende ist- das hat nicht wirklich geklappt ;) Den das schreit förmlich nach ner Fortsetzung! Also hoffe man liest sich mal wieder!
Von:  Sketchymoth
2008-02-10T10:46:48+00:00 10.02.2008 11:46
Genau deswegen wäre eine Todesstrafe für Schwerstverbrecher gar nicht so abwegig... v.v
Aber immer hin hast du Johnny nicht sterben lassen. xD Obwohl, wer weiß, ob er dann nicht einfach erlöst wäre. O.o Hm, es ist zwar wohl kein Happy End, da man nicht weiß, ob Johnny sich jemals wieder von den Strapazen erholen wird, aber immerhin ist es ein Ende, dass Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt. :)
Ich mag die FF sehr, nur leider finde ich es sehr langatmig dafür, dass das Ende (wenn auch es ein schönes(!) ist) etwas abgehackt wirkt. Ich bin dir dankbar, dass du es zu Ende geschrieben hast. Ich glaube, das erfordert Disziplin. >,< *an meine Doujis denk* |D~~
Ich finde deine Ideen für FFs immer sehr gut, aber ich glaube, wenn du so Szenen hast, wo alles ganz schnell geht oder Panik erzeugen soll, finde ich persönlich kurze, abgehackte Sätze immer sehr passend. Das ist jedoch meine eigene Meinung, wirklich große Ahnung vom Schreiben habe ich eigentlich kaum, ich mache immer alles aus'm Bauch heraus. ^^
Ich hoffe, dass ich mal wieder dazu komme, weitere FFs von dir zu lesen, ich mag die. :) *auch hoff, mit Kommis etwas zu helfen* xD'
*knuddel*
LG^^
Clau
Von: Lorne_Malvo
2008-02-07T16:17:39+00:00 07.02.2008 17:17
*heul*
Das is soooooo *überleg* schön. ^.^
Ich will noch mehr!!!!!!! °_________°
Von:  LindenRathan
2008-02-06T21:39:41+00:00 06.02.2008 22:39
Ein Happy End ist immer klasse.
Gut das du Jonny nicht hast sterben lassen.
Von:  Dranza-chan
2008-02-04T18:35:02+00:00 04.02.2008 19:35
Ich find's toll das du Johnny nich hast sterben lassen sondern das es ein happy end gibt!!
Das Kapi war echt spannend, ich hab zwischendrin echt das schlimmste befürchtet!
Schade das die story zu ende is mach aber weiter so!
lg Dranza-chan
Von:  _EustassKid_
2008-02-04T17:02:13+00:00 04.02.2008 18:02
WOAHHHHH!!!
*zu Tränen gerührt ist*
Ich find das is ein super kapi!
*smile*
Ich find das klasse!
War total spannend!!
*grins*

Ich freu mich auf weitere geniale FFs von dir!!
*kicher*

LG JxKF

Von:  _EustassKid_
2008-01-05T20:29:31+00:00 05.01.2008 21:29
WOW!!
*grins*
Gutes Kapi!
Sehr gut geschrieben!
Der (Mein! xD) arme Johnny muss ja total verstört gewesen sein...
*snief*
Ach, hoffentlich kann er das bald mal überwinden!
*dass echt hofft*
Und jetzt hoff ich nur es geht bald weiter!xD

LG JxKF
Von:  _EustassKid_
2008-01-05T20:16:53+00:00 05.01.2008 21:16
*grins*
Ach ist das süüüüüsss^^
*lach*
Johnny scheint ja ceht besessen darauf zu sein! xD
Ich mag das Kapi^^


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