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Rêve Noir and Blue Fake

von

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Prolog

Kommentar: Und noch eine neue Geschi von mir, die mir sehr am Herzen liegt ^^ Ich mag die beiden einfach. Irgendwie ist es süß wie die beiden umeinander herumschleichen ^^° Allerdings oft auch ziemlich lecker, oder was meint ihr ^^ Nun denn, ich hoffe die Story gefällt euch und ist euch auch ein wenig Feedy wert ^-^ Und jetzt viel Spaß beim Lesen ^^
 

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Prolog
 

Nereis[1] schloss die Augen und lauschte dem E-Geige-Klavier-Duett, das er und Shay vorhin eingespielt hatten, beruhigte sich langsam wieder.

Beim Spielen war er zuweilen unkonzentriert gewesen und sie hatten das Ganze sooft wiederholen müssen, dass Shay, der von ihm und sich eigentlich nur das Beste gewohnt war, sauer geworden war und ihn schließlich sogar angefahren hatte, er solle sich gefälligst zusammenreißen, damit sie nicht noch übermorgen an den 5 Minuten säßen - und das, obwohl Shay nur sehr selten die Geduld verlor.

Dabei war der Ältere ja selbst Schuld! Warum musste ihm auch so warm werden, dass er das Tank-Top ausgezogen hatte - wie zum Teufel sollte er sich bei so einem göttlichen Anblick schließlich noch auf seine Geige konzentrieren können?

Glücklicherweise fand er nun rechtzeitig in den Rhythmus hinein, sodass er seinen Einsatz nicht verpasste und seine Stimme geschickt mit den tragenden, melancholischen Klaviertönen verwob. Wenig später stimmte auch Shay mit ein und der Jüngere konzentrierte sich fortan einfach nur auf dessen Gesang, sodass seine eigene Stimme wie von selbst durch eine besonders kraftvolle Glückswelle in höhere Tonlagen getragen wurde.

Rei öffnete wieder die Augen und lugte unter dem schulterblattlangen, durchgestuften blutroten Haar hervor, dass wie immer frech und nur wenig gezähmt sein zartes, alabasterweißes Gesicht umspielte, ihm gerade so in die Augen hing, dass es zwar lästig, aber durch die Gewöhnung ignorierbar war - und schlicht und einfach atemberaubend gut aussah.

Und darauf kam es bei ihnen - Shay und Nereis - nun einmal - wenigstens unter anderem - an: Sie waren echte Stars, weit über die Grenzen Japans hinaus bekannt. Selbst in europäischen Ländern wie Deutschland und Groß Britannien hatten sie eingeschworene Fan(atiker)gemeinden von beachtlicher Größe, obwohl man ihre Musik außerhalb Japans nur durch Internetauktionen und -downloads sowie teuren Import in die Hände bekam. Kurz: Sie waren berühmt. Berühmt dafür, klassische Instrumente wie Klavier und Geige perfekt in die Moderne hinübergerettet zu haben, ohne ihren alten Reizen Abbruch zu tun oder das junge Publikum zu vergraulen. Shays weichfließender Bariton und Nereis' verspielter und zugleich kraftvoller, ausdrucksstarker Tenor, die praktisch jede Tonleiter ohne Schwierigkeiten erklommen, taten ihr übriges. Ebenso Shays herausragende Fähigkeit, wirklich großartige Stücke zu komponieren und Reis Talent, Texte von wahrer Größe zu schreiben, ohne dass diese überheblich wirkten und trotzdem singbar waren, waren nicht unschuldig an ihrem Erfolg. Was ihnen jedoch den letzten Feinschliff und ungezählte Briefe liebeskranker Teenager einbrachte, war doch nicht zuletzt auch ihr Image.

Trotz dem frühen Tod ihrer Eltern, welche befreundet gewesen waren und die alle vier in demselben Auto bei einem Unfall umkamen, hatten sie sich nicht hängen gelassen, sondern ihre Talente genutzt, um ihre Trauer zu verarbeiten, Mut zu schöpfen und an neuer Stärke zu gewinnen. Sie waren bekannt für ihre provozierenden aber nichtsdestotrotz ästhetischen Outfits, bekannt dafür, niemals aufzugeben und selbst mit vierzig Grad Fieber noch für ein zweieinhalbstündiges Konzert auf die Bühne zu gehen um ihre Fans nicht zu enttäuschen und auch für ihre Freude an der Provokation, die sich unter anderem in ihrer Bisexualität zeigte, welche sie nicht nur offen zugaben und öffentlich lebten, sondern auf den Bühnenbrettern auch wahrhaftig in Szene setzten. Sie spielten mit ihrem Ruf "Yaoi-Bishounen", also schöne junge Männer, die (unter anderem) ihr eigenes Geschlecht liebten, zu sein, wie niemand sonst und das was bei anderen japanischen Sängern und Bands "Fanservice" war, das gehörte bei ihnen einfach dazu. Ihre Konzerte waren wie Theaterstücke mit aufwendigen Bühnenbildern in denen sie Schauspieler und Musiker zugleich waren - und jedes einzelne - selbst innerhalb einer Tournee - war ein wenig anders, weshalb es nicht selten vorkam, dass ihnen die besonders treuen Fans eine ganze Tournee lang nachreisten um jedes ihrer Stücke zu sehen, die völlig im Zeichen ihrer ganz eigenen Ästhetik, der Kunst und der nicht selten philosophisch angehauchten Lyrik standen, wobei alle drei Komponenten zu einem manchmal etwas melancholischen, aber wunderschönen Traum zusammenspielten.

Benommen von Shays Stimme, die bereits langsam verklang, sang Nereis die letzten Noten als zauberhaftes kleines Solo, welches an einen bunten, zarten Sommervogel in einer Winterlandschaft erinnerte und trotzdem seltsam ermutigend wirkte, selbst wenn man es selber war, der es sang.

Blinzelnd nahm er die Kopfhörer ab, als der Aufnahmeleiter sein Okay gab, sah zu dem einen Kopf Größeren hoch und spürte ein Gefühl von Wärme und Nähe in sich aufsteigen. Denn Shay lächelte...

"Du wolltest wohl das vorhin wieder gut machen, was? Gut gesungen, Kleiner!", lobte jener ihn zufrieden grinsend. "Sehr gut sogar!"

Rei errötete leicht, sodass sich ein ebenso zarter wie seltener rosener Schimmer über seine blassen Wangen legte. Er gestatte sich ein schüchternes Lächeln, was in Anbetracht der Tatsache, dass er bemüht war, sich nie die Blöße von Schwäche oder manchmal auch Gefühlen im Allgemeinen zu geben, eine echte Besonderheit darstellte.

Daher war es auch nicht weiter verwunderlich, dass Shay ihn überrascht ansah und sein Schweigen falsch auslegte: "Hey... Tut mir Leid, dass ich dich vorhin so angeblafft habe - es war nicht fair, schließlich habe ich auch mal einen schlechten Tag..."

/...den du dir dann aber jedenfalls nie anmerken lässt/, dachte Rei ein wenig bitter. Er wäre für Shay durchs Feuer gegangen, auch wenn jener das wohl nicht einmal _ahnte_, aber manchmal war sein Sandkastenfreund und Bandpartner einfach _zu_ perfekt. So perfekt, dass jedes Talent und jede Bemühung nichts mehr halfen, man trotzdem unterlag...

"Schon gut", schüttelte Nereis den Kopf. "Du hattest ja Recht..."

Die Augenbraue des Halbnackten zuckte fragend nach oben, sodass sie unter dem dunkelblauen mit silbrig glänzenden weißblonden Strähnen durchsetzten Haar verschwand, das sein Gesicht in kunstvollem Chaos umspielte, zugleich Sinn für Ästhetik und Lust zur Provokation auszudrücken schien.

Wenn sie allein waren, wie jetzt in diesem Aufnahmeraum des Studios, fiel es Nereis deutlich leichter, er selbst zu sein und Schwächen zuzugeben - das wussten sie beide. Schließlich war Shin-Ayumi sein bester Freund - und ganz nebenbei seine heimliche Liebe, auch wenn er wusste, dass er für jenen nur ein bester und längster Freund war und auch immer bleiben würde - weshalb er Shay seine wahren Gefühle auch nie gestanden hatte, ihm nie erzählt hatte, was für Gefühle sich in ihm entwickelten, wenn der Ältere ihm entsprechend ihres Bi-Bishounen-Images vor den Fans küsste, was er für Emotionen in seinem jüngeren Freund auslöste, welcher der Außenwelt immer nur seine künstlerische und geradezu herausfordernd erotische, zugleich aber auch ziemlich gleichgültige und mehr oder weniger egoistisch-arrogante Seite zeigte. Für seine Fans, die alles über ihn zu wissen glaubten, war er der coole, very sexy Visu-Vamp, der geniale Texte schreiben, perfekt Geige spielen und mit einer unglaublichen Stimme singen konnte. Doch in Wirklichkeit war er viel schwächer und sensibler als selbst Shay zu wissen glaubte, verschloss diese Eigenschaften nur aus reinem Selbstschutz tief in sich selbst, verdrängte beziehungsweise vergaß sie zuweilen sogar, weil er wusste, dass sich sein Freund nur für starke Persönlichkeiten interessierte und selbst dieses Interesse schnell wieder verlor, wenn sich der andere abhängig von ihm zeigte.

"Nereis... Fühlst du dich nicht gut?", fragte Shay verwirrt, klang nun doch leicht besorgt.

"Nein, nein... Alles in Ordnung", log Rei - was hätte er auch anderes sagen sollen? "Ich bin nur ein bisschen müde..."

Das wiederum war noch nicht einmal gelogen, denn gestern war der Todestag ihrer Eltern gewesen, doch wegen Unwettern waren sämtlichen Flugzeugen und auch dem Helikopter, den sie oft wegen der Privatsphäre buchten, die Flugerlaubnis gesperrt worden und sie hatten die Gräber ihrer Eltern nicht besuchen können. Es lastete auf ihm - schwerer als das schlechteste Gewissen - und hatte ihn in dieser Nacht keinen Schlaf finden lassen, während der Mond unermüdlich seinem Weg über das dunkle Firmament folgte.

Der Ältere legte die Finger seiner linken Hand sanft um Nereis' zartes Kinn und drückte es bestimmt, aber behutsam hoch, blickte ihm tief und schweigend lange in die Augen. "Heute Nachmittag setzen wir uns in den nächsten Heli, den wir kriegen können, in Ordnung? Yokomitsu meinte ohnehin, dass er vermutlich unseren neuen Maskenbildner gefunden hat und der wartet auch schon in Kyoto auf uns, damit wir ihn morgen begutachten können..."

"Okay", nuschelte Rei und versuchte dem festen, unnachgiebigen Blick auszuweichen. Doch es gelang ihm nicht, da die schwarzen Iriden ihn immer wieder in ihren Bann zogen und nicht gewillt schienen, ihn freizugeben.

Ein leises Seufzen rann aus der Kehle des Schwarzäugigen in die Stille hinein. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Aufnahmeleiter und überhaupt das ganze Team nichts gesagt hatten und sie in Ruhe ließen. Wahrscheinlich konnten sie sich aus dem, was sie durch die Scheibe sahen, zusammenreimen, dass sie kurz einen ungestörten Moment brauchten - aber vielleicht hatten sie auch nur die Mikrophone empfindlicher eingestellt und lauschten ihnen einfach nur.

Ayumi, wie Nereis ihn in ganz besonderen Momenten manchmal nannte, streichelte ihm sanft durch das Haar, seine Augen bekamen einen seltsam wehmütigen, sehnsüchtigen Ausdruck. "Weißt du, Rei... manchmal mache ich mir wirklich Sorgen um dich... Vielleicht wäre ein Leben als ganz normaler Teenager wirklich besser für dich gewesen..."

"Red keinen Scheiß!", giftete Rei und entzog sich Shays Hand. Er konnte es beim besten Willen nicht leiden, wenn der andere wegen zwölf Monaten und sechs Tagen sowie dreizehn Zentimetern mehr so tat, als wäre er sein erwachsener großer Bruder und er ein kleines, störrisches Gör, dass keine Ahnung vom Leid und Schmerz der Realität hatte.

/Dabei kenne ich sie vermutlich besser als du... Viel besser.../, dachte Nereis, fühlte wieder diese Leere in sich, das allumfassende, gähnende Loch in seinem Inneren, das nur von einer einzigen Person ausgefüllt werden konnte - und doch nicht konnte, weil jene Person nichts davon wusste...

Etwas blitzte in den schwarzen Unendlichkeiten auf, dann fand er sich plötzlich im Griff zweier starker, unnachgiebiger Arme wieder, die ihn fest an Shays harte Brust drückten.

Die hellblauen Augen, etwas, dass der Jüngere über eine Generation hinweg von seiner deutschen Großmutter mütterlicherseits geerbt hatte, weiteten sich überrascht. "Sh... Tut mir Leid, ich wollte dich nicht wütend machen..."

"Shay...", hauchte Rei erstarrt. Diese Nähe... war zuviel für ihn. Er begann zu zittern.

"Rei?", machte der Ältere alarmiert.

"Lass mich los", bat er flüsternd, war wie betäubt.

Fragende Verständnislosigkeit blickte ihm entgegen. "Was ist mir dir?"

"Lass. Mich. Los.", wiederholte er zähneknirschend. "_Bitte_!"

"_Warum_?" Erbost stieß der Ältere ihn von sich und Nereis, der auf diesen Stoß natürlich nicht vorbereitet gewesen war, gab einen erschrockenen leisen Schrei von sich, ehe er auf dem Boden landete und mit dem Kopf auf irgendeine spitze Kante traf. "Ich bin dein bester Freund oder nicht? Verdammt noch mal, sogar mehr als das - wir sind zusammen aufgewachsen und ich bin dein _Arbeitspartner_! Und trotzdem entfernst du dich jeden Tag ein Stückchen mehr von mir! Ich habe das Gefühl einen Fremden mit bekanntem Gesicht vor mir stehen zu haben!"

"Wenn du nicht genügend Dramatik in deinem Leben hast, stell dich auf die Bühne anstatt mich wie eine schlechte Shakespearekopie anzumachen!", murmelte er, dann wurde es dunkel...

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[1] sprich: Ner'ey

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" Valse Brillante
 

Ein Tanz von Chopin lärmt im Saal,

Ein wilder, zügelloser Tanz.

Die Fenster leuchten wetterfahl,

Den Flügel ziert ein welker Kranz.
 

Den Flügel du, die Geige ich,

So spielen wir und enden nicht

Und warten angstvoll, du und ich,

Wer wohl zuerst den Zauber bricht.
 

Wer wohl zuerst einhält im Takt

Und von sich weg die Lichter schiebt,

Und wer zuerst die Frage sagt,

Auf die es keine Antwort gibt."
 

~ Herman Hesse~
 

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I / 1

"... bin ein Idiot! Ich hätte mich verdammt noch mal nicht so hinreißen lassen dürfen!", rief Shay aufgeregt, telefonierte offensichtlich gerade mit jemandem - vermutlich ihrem Manager Yokomitsu.

"Schon wieder Shakespeare?" Er stöhnte vor Schmerz, welcher in seinem Hinterkopf pulsierte, konnte sich seine Bissigkeit jedoch nicht verkneifen. "Ich glaub, ich gehe lieber noch mal schlafen!"

"Du bist wach? Er ist wach! ... Ja ich ruf dich später wieder an. ... Nein, verdammt, du sollst ihn verschieben! Er hat eine Gehirnerschütterung, damit ist nicht zu spaßen! ... Ja doch! ... Tschüss!"

"Reg dich nicht so künstlich auf - ich lebe ja noch! Du weiß doch: Unkraut vergeht nicht", grinste Nereis schief.

Und tatsächlich: Shay verstummte.

Verschlafen öffnete er ein Auge und bekam den Größeren ins Blickfeld, der händeringend neben ihm stand. Er schien regelrecht aufgelöst und nichts erinnerte mehr an seine sonst so stoische Gelassenheit.

Rei seufzte. "Mach dir keinen Kopf, Ayumi. Es reicht, wenn meiner sich anfühlt wie ne überreife Tomate, die gleich platzt...", bemerkte er ungewohnt sanft, denn er sah einfach keinen Sinn darin, seinem besten Freund ein schlechtes Gewissen zu machen. Es war eben ein dummer Zufall, dass sein Kopf auf die Kante aufgeschlagen war und außerdem wusste er genau, dass es Shay fern lag _ihm_ willentlich wehzutun.

Erst sah ihn der Ältere ein wenig verdutzt an, dann lachte er leise. "Yokumitsu hat Recht - du _bist_ unberechenbar. Manchmal gleichgültig, egoistisch und arrogant und dann doch wieder so süß, zerbrechlich und liebenswürdig, dass man dich am liebsten-"

"Okay, okay, ich hab's ja verstanden! Du _kriegst_ deine gesammelten Werken von Shakespeare zum Geburtstag und jetzt hör auf zu nerven, Shay!", gab er gespielt gereizt zurück und richtete sich auf.

Zugegebenermaßen war er doch ein wenig überrascht sich in seinem kyotoer Bett wiederzufinden, dass sich schließlich schon ein _paar_ Wegstunden weit von Tokyo entfernt befand. Er musste wohl doch länger bewusstlos gewesen sein als er vermutet hatte - und das erklärte dann wohl auch die Sorge des Älteren.

"Wie lange war ich weg?" , fragte er nur, wagte es plötzlich nicht mehr in die schwarzen Augen zu sehen, aus Angst, er könnte etwas in ihnen erblicken, dass seine sorgfältig gezogene Mauer bröckeln ließ und Ayumi so einen Teil seiner _wahren_ Gefühle offenbarte.

Zuerst antworte sein größerer Freund nicht, nahm ihn nur mit einem undefinierbaren Laut in seine Arme und erst dann antwortete er leise, den Mund so dicht an seinem Ohr, dass er heißen Atem fühlen konnte: "Achteinhalb Stunden... Ich hatte solche Angst, dass ich dir wirklich ernsthaft wehgetan haben könnte... Beinahe hätte ich dich zurück ins Krankenhaus gebracht..."

Einerseits von der Zahl, andererseits von Shays Ton erschrocken, welcher so gar nicht nach seinem starken Freund klang, den kaum etwas - oder jemand - aus der Ruhe brachte, blickte er nun doch in den schwarzen Traum zweier Augen - und wünschte sich schon im nächsten Sekundenbruchteil, er hätte es nicht getan. Sein Magen zog sich zu einem festen Klumpen zusammen, als er dem verzweifelten Blick begegnete und dieser ihn bis auf den Grund seiner Seele traf.

"Ayumi...", hauchte er mit bebender Stimme. "_Bitte_ hör auf dir Vorwürfe zu machen! Ich ertrage es nicht, wenn du mich so ansiehst..."

"Entschuldige", murmelte der Ältere und löste sich von ihm, verließ dann überstürzt das Zimmer und ließ ihn hilfloser als ein Neugeborenes zurück.

"Ach Shay..."

I / 2

Erschöpft lehnte sich Shay von innen gegen seine Zimmertür. Wie schaffte der Kleine es nur, ihn immer wieder aus der Fassung zu bringen? Wieso klang Nereis manchmal so sanft und liebevoll, dass der Blauhaarige gar nicht anders _konnte_ als zu hoffen, dass Rei mehr in ihm sah als seinen besten Freund und es sich beziehungsweise der Öffentlichkeit nur nicht eingestehen wollte - so wie _Shay_ nie den Mut dazu gehabt hatte, Rei alles zu gestehen und jegliche Gerüchte zu bestätigen, die immer wieder in die Medien gefunden und behauptet hatten, dass ihr Image nicht so sehr Show war, wie sie vorgaben...

/Irgendwann werde ich noch mal wahnsinnig/, dachte Shay verzweifelt, ohne zu bemerken, dass er es gleichzeitig murmelnd aussprach. Wie sehr beneidete er Rei jetzt doch um seine Fähigkeit sich wie ein kleines Mädchen hemmungslos auszuheulen und nicht auf die Kommentare anderer zu reagieren.

"Aber nicht wegen mir, oder?", fragte die geliebt-gefürchtete Stimme leise aus Richtung Tür. Und tatsächlich: Es war der junge Geiger. Der Rothaarige stand mit der Vorderseite am Türrahmen abgestützt da, die Wange gegen das Holz gedrückt, lächelte ihn noch ein wenig müde und ganz offensichtlich nicht gerade sicher auf den Beinen stehend an.

"Rei!", rief er besorgt und zog ihn zu sich in sein Zimmer hinein. "Du sollst doch nicht aufstehen!"

Der Jüngere zuckte mit den Schultern, schlang die Arme um Shays Hals, um sich festzuhalten, und erwiderte leise: "Das musst du dann vorhin vergessen haben zu erwähnen..."

Dem Größeren wurde heiß, während ihm kühle Schauer über den Rücken krochen. Diese Nähe war einfach... _überwältigend_ und wieder schaffte er es nur noch geradeso, sich zurückzuhalten und nicht irgendetwas zu tun, das er später vielleicht bereuen würde.

"Rei, was...?", murmelte der Ältere benommen, als sich sein Freund verspielt und verschmust an ihn schmiegte, wie er es sonst nur tat, wenn er so ziemlich fertig mit der Welt war und irgendjemanden brauchte, der ihn festhielt.

/Irgendjemanden/, wiederholte Shay bitter seinen Gedanken und konnte trotzdem nicht anders, als das Gefühl dieses sehnsüchtig verehrten Körpers an dem seinen zu genießen.

Jedenfalls bis sich plötzlich zwei schlanke, aber sehnige Beine um seine Hüften legten und eindeutig laszive Blicke den seinen streiften, Rei ohne Vorwarnung seine weichen Lippen auf seinen Mund legte. Wie erstarrt stand er da, griff nur aus reinem Reflex unter die festen Oberschenkel, damit sein Bandpartner nicht abrutschte und sich dessen leichte Gehirnerschütterung vielleicht noch in etwas bedeutend schlimmeres steigerte.

"Na, was ist, Shay?", hauchte der Blauäugige ihm mit unanständig aufreizender Stimme ins Ohr. "Auf der Bühne macht dich das doch auch an und jetzt willst du mir jegliche Regung hier", er strich scheinbar flüchtig und doch bewusst quälend über den Schoß seines Freundes, "verwehren? Wie unhöflich von dir!"

"Rei!", flüsterte er mit einer Stimme als habe er eine Ladung Sand im Hals, nachdem er hart geschluckt hatte, und versuchte den erregenden Berührungen auszuweichen, bevor er vielleicht noch über den völlig wehrlosen, weil kranken, Jüngeren herfiel. "Du hast dir den Kopf angeschlagen - du weißt nicht, was du da tust.."

"Ach... meinst du wirklich, ja?", gab der ihn ständig kosende Mund augenscheinlich interessiert zurück.

"Nun... was wäre, wenn ich es doch wüsste?"

So schnell er konnte setzte er Rei auf seinem mit schwarzem Satin bezogenen Bett ab, das einen unglaublichen Kontrast zu den roten Haaren, den strahlend blauen Augen sowie der blassen Haut bildete. Heftig atmend wich er zwei Schritte zurück, war sich seinem Verlangen schmerzlich klar bewusst und hatte doch nahezu Angst vor den Anwandlungen seines musikalischen Gegenparts.

"Das geht zu weit, Nereis! Du solltest dich wieder schlafen legen, damit du morgen wieder fit bist um wegen dem Stylist in die Stadt zu gehen und... um unsere Eltern zu besuchen!", keuchte der Größere und versuchte vergeblich sich zu beruhigen.

"So", machte sein zärtlich Geliebter unterkühlt, schien ihn auf einmal mit seinen Blicken aufspießen zu wollen, da der Ältere gerade vermutlich arg an seinem Stolz gekratzt hatte, war er es doch ganz bestimmt nicht gewöhnt, abgewiesen zu werden.

_Er_ selbst jedoch fühlte sich überfordert: Shay wollte irgendetwas sagen um _seinen_ Kleinen zu beruhigen, hatte er ihn doch nicht verletzen wollen, auch wenn er manchmal schlichtweg ausrasten könnte wegen der Stimmungsschwankungen, der Exzesse, dieser hübschen aber beinahe unerträglich arroganten Fassade, die doch nichts als Fake war und mit der ihm seine Liebe jedes Mal wie eine der Porzellanpüppchen vorkam, für die ihre Heimatstadt Kyoto so berühmt war.

Wehmütig dachte er an ihre gemeinsame Vergangenheit als Rei noch unbeschwert gelacht hatte, sich einfach fallen ließ und darauf vertraute, dass sein Freund für ihn da war und ihn auffing. Wie niedlich und schüchtern er früher gewesen war, jemand den Shay schützen konnte und wollte! Nun jedoch war kaum noch etwas von ihrer alten Beziehung zueinander übrig geblieben: Der Rothaarige entfernte sich immer mehr von ihm, wurde unabhängig und war nahezu öfter im Bett einer _netten Bekanntschaft_ aufzufinden, als im Aufnahmestudio oder auf der Bühne.

Doch so sehr es ihm weh tat, so unmenschlich es schmerzte (wobei er selbst ja eigentlich auch nicht besser war...) - er mochte ein romantischer Narr sein, aber er _konnte_ einfach nicht von Rei lassen. Zu lange kannten sie sich, zu viele Höhen und Tiefen hatte er mit dem nun Neunzehnjährigen erlebt und zu sehr... _liebte_ er ihn einfach. Shay brauchte nicht einfach irgendjemanden an dem er seinen Beschützerinstinkt ausleben konnte - er brauchte Nereis mit seinen Liebenswürdigkeiten und Fehlern... und niemand anderen. Und doch konnte er nur hilflos zusehen, wie der junge Mann seines Herzen ein wenig orientierungslos und dennoch nicht minder fuchsteufelswild an ihm vorbeischwankte wie ein junger (wenn auch momentan ziemlich angeschlagener), zorniger Gott des Olymp.

Am Ende mit seinen Nerven ließ er sich an Ort und Stelle niedersinken, lehnte sich mit dem Rücken gegen eine Längsseite seines Bettes, starrte mit leerem Blick auf die offene Tür. /Was mache ich denn nur falsch, Kleiner? Hasst du mich so sehr oder bin ich einfach nur zu blind um meine Fehler zu sehen? Was soll ich denn bloß tun, um wieder ein ehrliches, kleines Lächeln von dir zu ergattern?/

Betäubt hörte er nach einer Weile die leisen Schritte des jüngeren Sängers die Treppe hinunter ins Erdgeschoss des zweistöckigen Hauses tapsen. Früher einmal, so erinnerte er sich, war es für zwei Familien gedacht gewesen, doch nach dem Tod ihrer Eltern und ihrem ersten Nummer-Eins-Hit hatten sie die Trennwände entfernen und die meisten Räume ein wenig umbauen lassen, sodass sie nicht mehr durch das halbe Haus rennen mussten, um zum anderen zu gelangen, und zwar weniger aber dafür auch _größere_ Zimmer hatten.

Traurig lächelnd erinnerte er sich an all die bitteren Nächte voller Alpträume in denen sie nicht mehr weitergewusst hatten, in welchen sie zusammen im selben Bett schliefen, um sich gegenseitig mit der Nähe des anderen zu trösten, der doch das Gleiche ertragen musste und schlicht und einfach _verstand_.

Plötzlich jedoch drang das Geräusch fester Schuhsohlen auf dem Parkett und der sich schließenden Reißverschlüsse von Reis knielangen, mit zahlreichen silbernen Schnallen bestückten Lieblingsstiefeln an sein Ohr. Stirnrunzelnd und beunruhigt richtete er sich auf, ging zur Tür und sah über das Geländer in den unteren Stock. "Was zum Teufel _machst_ du da?", rief der Blauhaarige fassungslos.

"Das sieht man doch!", giftete Rei wütend zurück, war nahe dran zu schreien. "Ich gehe! Vielleicht gibt es ja jemanden in Kyoto, der meine Anwesenheit wünscht und mich nicht wie irgendwelches ekliges Ungeziefer von sich stößt!!!"

"Sag mal drehst du jetzt völlig durch? Du kannst doch nicht _so_ alleine rausgehen! Schon gar nicht mit einer beschissenen Gehirnerschütterung!", brüllte Shay nach unten und schloss seine langen, schlanken Finger so fest um die runden Holzbalken, dass seine Knochen hörbar knirschten.

Mit _so_ meinte er dabei die schwarzen Hotpants, die sich wie eine zweite Haut an ihren Träger schmiegten und somit auch rein _gar nichts_ verhüllten, sowie das grünblaue, kompliziert geschnittene (und zugegebenermaßen äußerst... _anregende_) Netzhemd mit der glänzenden dunkelblauen Gaze darüber, durch die man genauestens beobachten konnte, wie sich die selbst für japanische Verhältnisse eher schmale Brust aufgeregt hob und senkte, die Muskeln unter der flachen Bauchdecke spielten. Shay verwettete sein Herz darauf, dass es bei diesem einladenden Anblick keine Stunde dauern würde bis irgendein Perverser die milchweißen Schenkel spreizen und sich an der Enge dieser süßen festen Hügel vergehen würde.

Und es war nicht nur das unmenschliche Stechen der Eifersucht in seinem Herzen, das ihn schon bei dem bloßen Gedanken durchzuckte - welches ihn halb in den Wahnsinn trieb; sondern auch die augenblickliche Schwäche des Jüngeren, mit der Rei, sollte er es tatsächlich so weit treiben, sich heute einen Bettwärmer anzulachen, höchstens unerträgliche Schmerzen und anschließend fast garantiert eine Ohnmacht nach sich ziehen würde, die ihm nahezu krankhafte Sorge bereitete. Denn soviel war klar: Nereis war ganz bestimmt der Catcher bzw. "unten".

Doch das einzige, was er als Antwort auf seine Besorgnis erhielt, war ein regelrecht hasserfüllter Blick kalter blauer Augen und ein gefährlich leises Zischen: "Kapier endlich, dass du weder mein Vater noch überhaupt irgendwie mit mir verwandt bist! Wir sind Partner ein und derselben Band, aber das gibt dir längst nicht die Berechtigung über mich zu bestimmen! Wenn du was zum Abregen brauchst, dann nimm dir ein paar deiner Groupies aufs Zimmer, aber lass _mich_ da verdammt noch mal heraus!"

Und ehe er sich versehen hatte, war Rei auch schon aus der Tür und knallte diese lautstark hinter sich zu.

Es wäre untertrieben zu sagen, dass er die Tür anstarrte wie aus allen Wolken gefallen. Um genau zu sein fühlte er sich nämlich gerade erhängt, ertränkt, gekreuzigt, gesteinigt und in alle seine Einzelteile zerrissen - und das alles auf einmal.

Fluchend sprintete und sprang er die Treppe hinunter, rannte aus dem Haus ohne sich die Mühe zu machen seine Zeit mit Schuhe anziehen zu vergeuden.

"Rei!", rief er seinen jüngeren Freund als er ihn nirgends erblickte.

"Verdammt, REI!!" Echte Panik schwang in seiner Stimme. Er wusste, dass der Blauäugige eben so seine Launen hatte - aber er kannte auch seine Unberechenbarkeit, die ihn plötzlich Dinge tun ließ, welche ihm eindeutig schadeten und trotzdem tat er sie. Sein Herz klopfte als wolle er seinen Brustkasten wie feines Porzellan zerschmettern, indes er angestrengt auf ein Geräusch seines neunzehnjährigen Rotschopfes lauschte.

Dann, auf einmal, ein erschrockener Schrei aus dem Garten hinter dem Haus.

Blitzartig wirbelte er herum, lief so schnell er konnte in die Richtung aus dem der Schrei an sein Ohr gedrungen war. "REI?!?"

Nur ein leises Stöhnen antwortete ihm, das seine Angst um seinen geliebten Violinisten zur Hysterie schürte, denn es dauerte eine Weile bis sich seine Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Dann jedoch sah er sich hektisch um bis - eine schlanke Gestalt, die wie ein bewusstloser Elf im Gras neben dem Teich lag, seine Aufmerksamkeit erregte.

Erschrocken ging er vor dem benommen Blinzelnden in die Knie.

"Rei?", flüsterte er besorgt, strich ihm die seidigweiche Haarsträhne von den Lippen. "Alles in Ordnung, Kleiner?"

"Nhh... Sehe ich so aus?", murmelte Rei und verzog wehleidig das Gesicht.

Kopfschütteln streichelte er über den schmerzenden Kopf seines persönlichen Traumprinzen. "Komm,", flüsterte er sanft, "ich bring dich wieder rein und dann zurück mit dir ins Bett. Du gehst heute keine zehn Meter mehr, hast du mich verstanden?"

"Ich will aber hier liegen bleiben", nuschelte der Jüngere, ließ den Schwarzäugigen genervt aufseufzen, bevor er erneut nachgab, liebevoll und entschuldigend wisperte: "Bitte, Rei! Auch wenn ich dir heute offensichtlich gar nichts recht machen kann - es tut mir doch ehrlich Leid! Ich wollte dich weder verletzen noch verärgern, hörst du? Ich bin vielleicht ein emotionaler Trampel, aber hey - kann ja nicht jeder Empath sein und findest du nicht, dass ich ne zweite Chance verdient hab?"

"Wozu? Sterngucken ist besser als das Bett zu hüten", grinste Nereis schwach und zog Shay mit schon wieder fast gewohnter Frechheit zu sich runter, damit er seinen Kopf auf dessen Bauch legen konnte, um fasziniert nach oben zu schauen.

"Du miese kleine Kröte, du!", lachte Shay erleichtert und zog ihn hoch an seine Brust, ignorierte einfach die Tatsache, dass ihm ob der Nähe schwindelig wurde.

"Nicht Kröte! Froschkönig, du Ignorant!", rief der Rothaarige schmollend.

"So?", fragte er, kostete dann ausgiebig von den wundervoll bittersüßen Lippen, bevor er flachsend feststellte: "Ich seh noch immer bloß ne Kröte!"

"Shay!", rief sein junger Freund empört, doch der hielt ihn nur lachend fest: "Hey - ich steh auf Kröten!"

"Arsch!", beschwerte sich der Blauäugige, stützte sich auf seiner Brust ab, um ihm wütend in die Augen zu funkeln, machte aber keine weiteren Anstalten aufzustehen.

Der so äußerst schmeichelhaft Betitelte zeigte jedoch nur ein makelloses Zahnpastalächeln: "Meine Schokoladenseite - ich weiß!"

"Du bist ein Ekel!"

Shin-Ayumi Tamiki, wie Shay eigentlich und mit vollem Namen hieß, erstarrte, ein dunkler Schatten legte sich auf sein Gesicht.

Traurig lächelnd stand der Blauhaarige auf, entfernte sich ein Stück von dem Mann, der soeben erfolgreich versuchte, sein Herz in Milliarden Einzelteile zu zerlegen.

"Shay?", wisperte Rei plötzlich leise. "Man, komm sofort zurück! Willst du mich etwa so hier liegen lassen? Und dann den Frauenzeitschriften was von echter Männerfreundschaft vorlabern, ja?!" Es war wirklich erstaunlich, wie ängstlich der sonst so selbstsicher-überhebliche Jugendliche klingen konnte.

"Wem soll ich denn noch etwas von Männerfreundschaft erzählen, wenn... wenn-" Er schüttelte den Kopf, hob dieses Fliegengewicht von einem Geiger hoch ohne auf dessen Proteste zu achten, und warf ihn, in seinem Zimmer angekommen, ein wenig unsanft ins Bett, weil er sich fühlte, als müsse jede weitere Sekunde Körperkontakt unwillkürlich in einem emotionalen Tsunami enden.

"Aah! Sag mal drehst du jetzt ab oder was? Was hast du eigentlich geschluckt heute?", protestierte Rei erbost und krallte sich offensichtlich mitten in einem Schwindelanfall an seinem Spannbettlaken fest.

Shay hielt inne und drehte sich wieder um...

"SCHEISSE VERDAMMT, JA!! ICH _BIN_ EIN ARSCHLOCH! SONST NOCH WAS, WAS ICH SCHON VORHER WUSSTE ODER DARF ICH MICH JETZT ERHÄNGEN GEHEN UM EUER HOCHWÜRDEN NICHT LÄNGER MIT MEINER ANWESENHEIT AUF DIESER ERDE ZU BELÄSTIGEN??"

I / 3

Geschockt verstummte Nereis. Und ohne, dass er etwas dagegen tun konnte, rann ihm plötzlich ein ganzes Tränenmeer über die Wangen. Es war weibisch - aber na und? Die größte Liebe seines Lebens - und rein zufällig die Ruhe _in Person_!! - rastete gerade vollkommen aus und er war daran Schuld - er hatte ein gottverdammtes Recht darauf, loszuheulen als ginge gerade die Welt unter, denn sie _tat_ es!!

"Nein!", stöhnte Ayumi und hob abwehrend die Hände. "Jetzt fang nicht mit deinem blöden Bettelblick an! Musst du eigentlich immer alles bekommen, was du willst?"

"Aber... aber ich wollte doch nur... Shay?", schluchzte er kleinlaut bis seine Stimme kippte und in ein leises verzweifeltes Quieken umschlug.

Der Blauhaarige starrte ihn stumm und regungslos an, lachte dann plötzlich wie irre: "Du machst mich wahnsinnig, ist dir das klar?! Aber das erscheint unserem Sweetheart natürlich so abwegig wie unrasierte Beine, nicht wahr?"

Nereis riss die Augen auf. Dann sprang er verletzt vom Bett und rannte blind ins Bad.

"SCHÖN! ICH BIN EIN UNTERTRÄGLICHES BIEST - NA UND? IST DAS EIN GRUND MICH FERTIG ZU MACHEN? HAST DU DIR MAL ÜBERLEGT, WIE _ICH_ MICH FÜHLE, WENN _DU_ MIR ERST WEGEN EIN PAAR VERDAMMTER BILDER MIT DENEN SICH EIN PAAR PERVERSE EINEN RUNTERHOLEN AM ARSCH RUMTATSCHST, MIR IN ALLER ÖFFENTLICHKEIT EINEN BESCHISSENEN KNUTSCHFLECK VERPASST UND MICH DANN WEGEN EINES _ PERSÖNLICHEN GESPRÄCHS_ MIT DEM LETZTEN INTERVIEWER IM STICH LÄSST??", schrie er die Tür an, während er die sogenannte Glücksmuschel, die ihm Shay einmal bei einem Badeurlaub geschenkt hatte, blindwütig auf den gefliesten Boden warf.

Ein Klirren und es waren nur noch spitze Scherben.

Dann, nach einer kurzen _Künstlerpause_, wurden die blauen Augen aufgerissen. "Scheiße!", flüsterte er leise, sammelte panisch die Muschelüberreste auf.

"SHAY!", rief er so laut er konnte, und wenn er dafür eine Strafanzeige von den Nachbarn wegen nächtlicher Ruhestörung an den Hals gehetzt bekam. "Shay, komm schon, BITTE!", flehte er das hellgrün gestrichene Holz an, bis plötzlich sein erschütterter Freund in der Tür stand.

"Shay...", wimmerte er am Boden zerstört. "Deine Muschel! Ich hab sie kaputt gemacht! Deine Muschel, Shay! DEINE Muschel! Ich... ich hab sie doch bloß runtergeschmissen... auf den Boden... und dann ist deine blöde Muschel einfach kaputt gegangen!!"

Zögerlich und schweigend trat sein Geliebter an ihn heran und hatte Nereis schneller am Hals kleben, als er dessen Namen buchstabieren konnte.

Unglücklich sog er die Nase hoch und hängte sich verzweifelt an die starken Schultern, weil seine Beine schon wieder nachgaben. "Muss denn immer alles kaputtgehen, was ich anfasse? Selbst mein Glück?", flüsterte er.

Noch immer sprachunfähig zerrte der Größere ihn mehr schlecht als recht in Shays Zimmer, welches am nächsten lag, bettete ihn auf sein Laken, bevor er ihm vorsichtig die dürftige - sogenannte - Bekleidung bis auf den Slip auszog, geradezu schlafwandlerisch mit seinen Lippen, seinen Händen und seinem ganzen _Körper_ über Reis Haut strich, leidenschaftlicher als er es selbst beim Videodreh ihres Songs "Deadly Passion" getan hatte. Und entweder war Shay der beste Schauspieler, den er je erlebt hatte - und er hatte _einige_ "erlebt" - oder er machte ihm gerade zum glücklichsten Menschen dieser Erde.

Zumindest bis der Schwarzäugige innehielt und ihn auf einmal entsetzt anblickte.

Etwas in seinem Magen zog sich zusammen. /Bin ich wirklich so abartig, Shay?/

Shay flüchtete sich ans Ende des Bettes, bevor er sich zitternd im Sitzen vor ihm verbeugte und der Decke zuflüsterte: "Vergib mir nicht, Nereis... Komm und schlag mich!"

Rei blinzelte jedoch nur, wähnte sich verständlicherweise im falschen Film. "W-was?", stotterte er unsicher und kroch unbeholfen über die zerwühlte Decke, hielt mit einem Mal inne und murmelte erstarrt: "Hör auf mit dem Scheiß, Shay!"

"Schlag mich! Ich habe es nicht anders verdient!", hauchte sein Freund verzweifelt - und meinte es offensichtlich _ernst_.

"Shay, du... du machst mir Angst", wimmerte Rei und... hatte im ungünstigsten aller Momente einen erneuten Ohnmachtsanfall.

I / 4

So bekam er nicht mehr mit, wie Shay ihn, von sich selbst angeekelt, zudeckte und dann ein kleines gut verstecktes Geheimfach öffnete, nachdenklich die unscheinbaren weißen Tabletten betrachtete, erst eine und schließlich noch eine weitere davon schluckte, sich dann einfach auf die Couch im Wohnzimmer einen Stock tiefer warf und irgendwann einschlief, nachdem er sämtliche Bilde mit ihnen beiden zerrissen und die zweite Hälfte mit seiner eigenen Fratze in den brennenden Kamin geworfen hatte, während er Reis Fotohälften so auf dem Boden vor sich anordnete, dass er sie mit seinen fieberhaften Blicken streicheln konnte bis ihm die Augen zufielen.

/Ich habe dich angeschrieen, dich gedemütigt und wäre dann auch noch beinahe über dich hergefallen... Und dennoch... verzeihst du mir? Wie sehr muss ich dich noch verletzen, bevor du dich endlich von mir losreißt statt in deiner... nein, _meiner_ Verzweiflung zu ertrinken?/
 

"Shay?", drang eine leise, verschlafene Stimme an sein Ohr, als sich auf einmal eine leichte, weiche Hand auf sein linkes Schulterblatt legte. "Was schläfst du denn hier auf der Couch, Großer?"

"Lass mich in Ruhe, Rei, bitte!", murmelte der Blauhaarige in das Kissen, das er umschlungen hielt. Und die fließend helle Stimme des Jüngeren verstummte tatsächlich für eine Weile, in der Shay so zärtliche Streicheleinheiten zuteil wurden, dass er sich wünschte, Nereis würde niemals wieder damit aufhören, und nach einer Zeit begann er schließlich sogar leise und dunkel zu schurren wie ein verwöhnter Panther. Erst dann erhob sein Kleiner ungewohnt schüchtern wieder die Stimme: "Ist dir nicht gut, Ayumi? Du bist so blass und ein Morgenmuffel bist du doch sonst auch nicht..."

"Ach was", brummte der Ältere missmutig. "Ich fühl mich nur gerade wie von einem Jumbojet überfahren - sonst nichts!"

Er konnte es förmlich vor seinem geistigen Auge sehen, wie der junge Geiger die Augen verdrehte, doch statt eines strafenden Knuffs bekam er bloß ein "Dann rutsch halt rüber - ich schlaf auch noch'n bisschen!" zu hören, wurde von Rei ein wenig zur Seite geschoben und dann hatte er plötzlich ein gut riechendes, anschmiegsames Bündel in den Armen, das seinen Kopf zufrieden seufzend an seiner Brust vergrub und innerhalb weniger Minuten nur noch gleichmäßige Atemgeräusche von sich gab, während Shay sein Gesicht in dem dichten, seidigsamtigen Haar vergrub und sich von der Wärme des anderen trösten ließ. /Wenn du nur wüsstest, was du mir bedeutest, Kleiner.../

Geradezu ehrfürchtig strich er über die nackte, schlafwarme Haut des ein wenig zu dünnen Sängers, genoss das unvergleichliche Gefühl, welches Reis Körper an seinen Fingerkuppen erzeugte. Nach einer Weile hörte er schließlich ein herzhaftes Gähnen.

"Ach Scheiße... Ich kann einfach nicht mehr schlafen...", nuschelte der Rothaarige und Murmeltier vom Dienst unzufrieden, wandte sich dann ihm zu. "Und? Geht es dir jetzt wenigstens schon etwas besser?", flüsterte er mitfühlend, kuschelte sich noch etwas mehr in seine Umarmung.

"Ein bisschen", bestätigte Shay leicht lächelnd. Er mochte es, wenn Rei seine fürsorgliche Seite ans Tageslicht treten ließ und das zeigte er dem Jüngeren auch, in dem er ihm einen flüchtigzarten Kuss auf die Lippen hauchte und nun endlich auch die Augen öffnete, um dem Blick der irisierend blauen Tiefen zu begegnen, die ihn nachdenklich und selbstvergessen betrachteten.

Es dauerte jedoch nicht lange, da senkte Nereis verlegen die Lider. "Tut mir Leid wegen gestern... War ja peinlich, was ich da für eine Szene abgezogen hab..."

"Tja... vielleicht solltest du nicht mehr soviel in meinem Shakespeare rumschnüffeln?", flachste Shay augenzwinkernd und schon deutlich besser gelaunt, fügte noch versöhnlich hinzu: "Hey, ich hab mich auch nicht gerade wie ein Gentleman benommen... Lass uns gestern einfach aus unserem Gedächtnis streichen und gut ist, in Ordnung!?"

Rei nickte zurückhaltend. "Okay, Langer... Hm... Was steht heute eigentlich an?"

"Nicht viel. Wie gesagt der neue Stylist und den Rest des Tages haben wir ausnahmsweise einmal ganz für uns..."

"Schön", wisperte der rothaarige Sänger, vergrub zutraulich seine Finger in Shays T-Shirt und drängte sich noch etwas näher an ihn, da er nur leicht bekleidet war und vermutlich ein wenig fror. "Dann kann ich heute zu Mum und Dad gehen?"

"Ja, Kleiner", nickte er, umarmte ihn fest. Er selbst hatte sich mittlerweile mit dem Tod seiner Eltern abgefunden so gut es eben ging, aber er wusste, dass sein junger Freund viel mehr verdrängte als verstand und akzeptierte. Selbst jetzt, nach so vielen Jahren noch - denn im Grunde genommen war er von einem recht anhänglichen Wesen.

Der Gegenstand all seiner Gedanken setzte sich mangels genügend Platz auf seine Oberschenkel, spielte unsicher mit seinen Fingern auf Shays Bauchdecke. Erst jetzt bemerkte der Schwarzäugige bewusst, dass der andere wieder eine dieser ach so tollen Hotpants anhatte, aber immerhin waren es dieses Mal bestimmt dreißig Quadratzentimeter mehr Stoff und er konnte ja auch schlecht leugnen, dass Nereis mit seinen schönen langen Beinen darin einfach nur unendlich sexy wirkte.

"Du...", begann er zögernd, wagte es nicht, den Älteren anzusehen, der ihn ein wenig verwirrt beobachtete. Sicher, auch ,hinter den Kulissen' tauschten sie manchmal Vertraulichkeiten und intimere Berührungen aus und zuweilen wurde Rei sogar wieder zu dem jungen Mann, den er kannte oder zu kennen glaubte. Aber in diesem Augenblick schien Nereis wirklich alle Mauern der Selbstsicherheit um sich herum abzureißen und das war dann doch eher ungewöhnlich. "Du weißt, dass ich dich sehr mag, oder?"

Shay blinzelte verblüfft. "Ja, natürlich weiß ich das", wunderte er sich.

"Dann ist ja gut", erwiderte Rei so leise, dass es kaum mehr als ein Hauchen war.

Kopfschüttelnd zog er die schlanke Gestalt an den schmalen Schultern wieder zu sich herunter. "Halt deinen hübschen Mund, Babe! Klar weiß ich, dass du mich magst - ich mag dich ja auch sehr!"

"Wirklich?"

"Du kannst Fragen stellen! Ja, _wirklich_!" Stirnrunzeln hob er das Kinn des Jüngeren an, zwang die meerfarbenen Augen zur Konfrontation mit den seinen. "Und du darfst mir ruhig glauben, wenn ich dir so etwas sage..."

"Ich mein ja nur... wo ich doch dauernd so unausstehlich bin..."

"Nun... du hast mir gestern aus dem Bad aber auch ein paar Sachen an den Kopf geworfen, die nicht unbedingt falsch waren... Außerdem weißt du doch: Ich steh auf Kröten!"

Ein zauberhaftes kleines Lächeln legte sich über die rosenen Lippen des sichtlich gerührten Rotschopfes. "Ach Shay... Wenn ich dich nicht hätte... Ich wüsste wirklich nicht mehr, was ich dann machen sollte..."

"Ich auch nicht, Kurzer, ich auch nicht", murmelte er in die feuerfarbenen Strähnen hinein. "Aber jetzt lass mich bitte noch ein bisschen schlafen, okay?"

"Na gut..." Widerwillig stand der junge Musiker auf, strich Shay noch ein paar der wirren Strähnen zurecht.

"Wir müssen uns sowieso erst gegen vierzehn Uhr fertig machen..."

"Aber es ist doch schon fünfzehn!", warf der fließende Tenor ein.

Erschrocken sprang Shay von der Couch. "WAS??"

Rei schien sich jedoch nicht daran zu stören, dass er gerade beinahe einen Herzinfarkt erlitten hätte, denn er begann einfach nur zu kichern, rief fröhlich "War'n Scherz!" und machte sich aus dem Staub.

"NEREIS HIGURE!! BLEIB SOFORT STEHEN!" Wütend rannte er diesem schlafraubenden Biest hinterher, jagte _es_ die Treppe hinauf in sein Zimmer hinein und stellte _es_ dort schließlich zornig schnaubend vor seinem Bett.

"Na warte! Dir werde ich zeigen, was ich mit Leuten wie dir mache!!"

"Ach Shay! Nun zeig doch mal wenigstens einen Tropfen Humor!", schmollte Nereis, was diesen aber nicht davon abhielt, sich vorsichtshalber bis ans Ende seines Betts zu verkriechen.

Der Blauhaarige quittierte es nur mit einer spöttisch hochgezogenen Augenbraue. "Was denn, Darling? Angst?"

Rei zuckte nonchalant mit den Schultern. "Ein bisschen Herzklopfen", gab er freimütig zu. "Aber na und? Bei so einem Riesen wie dir ja wohl verständlich!"

"Tz... Ängstliches Karnickel!", spöttelte er, während er mit einem diabolischen Grinsen näherrückte.

"Ja, hey Mann! Wir Bunnys haben immerhin sogar ein eigenes Magazin!", verteidigte sich das ,Karnickel'.

Vielleicht hätte sich Rei _diesen_ Kommentar jedoch besser gespart, denn nun wurde das Grinsen des Schwarzäugigen eindeutig schmutzig. "Na dann lass uns doch mal deine Qualitäten testen und ein paar Erwachsenenspielchen spielen, Bunny..."

"Ähh... Shay?", machte Rei dann auch sehr geistreich als der Angesprochene ihn schnappte und ohne Umschweife damit begann, den milchweißen Körper zu erforschen, die warme Haut zu lecken und küssen, während er die kleinen zarten Brustwarzen mit seinen Fingern umwarb und die beiden sanften Hügel massierte bis der Jüngere erregte Laute von sich gab.

"Was denn, du Quasselstrippe?", hauchte er an das Schlüsselbein des Rothaarigen, begab sich mit seinen Lippen auf Wanderschaft, wurde bei den hellbraunen Knospen wieder sesshaft und bearbeitete sie neugierig.

Nereis quiekte leicht erschrocken auf, als er plötzlich seine Zähne zum Einsatz brachte: "Nghh! ...nhh-ichts... nichts, was jetzt wichtig wäre..."

Der Blauhaarige lachte leise und tupfte seine Zungenspitze über den flachen Bauch, leckte genüsslich den süßen Nabel aus und strich unterdessen mit seinen Händen leidenschaftlich an Seiten und Rücken entlang. "Schön, dass du es einsiehst", wisperte er in die Vertiefung hinein.

"Shay... was zum... Teufel machst du da?", kam es leise und verzückt aus den geröteten, leicht geschwollenen Lippen.

"Das, was jeder Feinschmecker mit einer Kröte wie dir machen würde - deine köstlichen Schenkel verspeisen, natürlich", flachste er und biss spielerisch in die schlaffwarme Innenseite eines Oberschenkels, leckte gleich wieder beruhigend über das gerötete Fleisch, was den Rothaarigen zum Kichern und Glucksen brachte: "Blödmann!"

"Ah! Wie können sie misch nur soo beleidigeen, Monsieur? Isch bin doch ein eschteer Gourmet! Und mon dieu, isch muss sugeben, ich 'abe Geschmack gefunden an der japanischen Cuisine..."

Nereis seufzte nur noch wohlig, wand sich ein wenig unter den tastenden Fingern des Schwarzäugigen, der ihn immer wieder neckte und kitzelte. Er stöhnte leise, zufrieden: "Um Gottes Willen, hör nur nicht auf, Shay!"

Vorsichtig befühlte er die knappen Pants. "Hab ich nicht vor", erklärte er flüsternd. "Hab ich ganz bestimmt nicht vor."

Als von dem Kleineren keine Gegenwehr kam, dessen nervöse schlanke Finger im Moment ohnehin viel lieber mit Shays Haaren spielten, begann er mit Mund und Zähnen den Knopf zu öffnen, den Rand der kurzen dunkelblauen Stretchjeans millimeterweise zu verschieben und jeden einzelnen davon neu zu begrüßen.

"Oh Gott..."

Nun konnte Shay doch nicht mehr anders als grinsen: "Danke, mein Schöner!"

"Elender Narziss!", schimpfte Rei und versetzte ihm tadelnd eine Kopfnuss.

Doch der Blauhaarige lachte nur und gab zurück: "Nun lass mich doch... Unsere Fans finden das schließlich cool!"

Aber vielleicht hätte er genau _das_ nicht sagen sollen...

I/5

~ 5 ~
 

Nereis versteinerte, sein Antlitz gefror, nur seine Finger zitterten noch leicht, als wollten sie sanft an den Seiten seiner Geige zupfen.

Shay schien zu begreifen, dass er etwas Falsches gesagt hatte, denn er hielt inne darin, ihn weiter auszuziehen, fuhr stattdessen mit gespreizten Fingern über seinen Bauch, die Brust, zu den Seiten, schließlich unter die Schulterblätter und hob ihn zu sich. Der Rothaarige ließ es geschehen, hob sich ihm entgegen, ließ auch die weichen Lippen gewähren, die zart und fragend über die seinen strichen. "Kleiner?", entschlüpften ihnen vorsichtig intonierte Laute.

Zunächst reagierte er nicht, starrte nur weiterhin verletzt in die nachtschwarzen, schier unendlichen Tiefen. Er wusste, sein Freund hatte dies nur so vor sich hin gesagt und doch...

"Ich bin aber nicht irgendeines deiner Groupies, Shay", flüsterte er schließlich leise, machte sich sorgfältig aber sanft los und setzte sich auf, sah blicklos aus dem Fenster.

Er wusste nicht, was er jetzt tun sollte. Einerseits war ihm klar, dass Shay ihn nicht hatte vergleichen oder sogar verletzen wollen und andererseits tat es schlicht und einfach weh, ohne dass er etwas dagegen tun konnte.

Ein leiser Laut des Erstaunens drang an sein Ohr. "Natürlich bist du das nicht! Rei das würde ich nie behaupten, das weißt du doch!" Trainierte Arme umschlangen ihn an seinem Bauch, zogen ihn besitzergreifend an den Oberkörper des Schwarzäugigen und ein zarter Kuss wurde sanft in seinen Nacken gehaucht, lange schlanke Finger strichen spielerisch über seinen nackten Bauch, den kleinen Nabel, schlichen sich kurz unter den Bund seiner Pants, jedoch nur bis zu seinen Hüftknochen um sie mit etwas Druck nachzufahren und dann wieder unter dem dünnen Stoff hervorzuschlüpfen und sich ausgiebig den empfindlichen Innenseiten seiner Schenkel zu widmen, bis er alle düsteren Gedanken vergessen hatte und begann, leise und genüsslich aufzuseufzen.

"Nicht mehr böse sein, ja?", wisperte der dunkelfließende Bariton an seine Halsschlagader, bevor sich vorsichtig knabbernde Zähne an seinem Hals und dem Ohrläppchen gütlich taten.

Nereis wand sich leicht, flüsterte dann errötend zurück: "Ich war nicht böse, sondern... traurig..." Die Worte waren ihm schwer gefallen, aber er wollte seinen besten so verzweifelt geliebten Freund nicht ewig anlügen und ihm zumindest dies nicht verschweigen, wenn er schon nicht genügend Mut aufbrachte, um ihm seine Liebe zu gestehen.

Der Ältere hielt inne und im nächsten Moment wurde Rei auch schon wie befürchtet umgedreht. Mit heißen Wangen und einem flauen Gefühl im Magen schlug er die Augen nieder, hatte Angst dem durchdringenden Blick der schwarzen Tiefen zu begegnen.

"Du warst... _traurig_?", kam es leise, ungläubig.

Der Geiger nickte verlegen, spürte die Augen des Blauhaarigen auf sich ruhen, als wollten sie ihn durchleuchten.

"Was glaubst du denn? Dass ich mich freue, wenn mich mein bester Freund zumindest scheinbar für ein unbezahltes Flittchen hält? Ganz sicher nicht!!"

Shay stieß hörbar laut den Atem aus, klang beinahe... unglücklich(?!) dabei.

"Siehst du? Genau das meinte ich - früher hättest du bestimmt nicht so etwas von mir geglaubt, weil du mich noch richtig kanntest und _wusstest_, dass ich so niemals von dir sprechen oder auch nur denken würde... Wir wohnen zusammen, aber nach der Arbeit sehe ich dich immer weniger... Ich will nicht behaupten, dass ich unschuldig oder besser wäre, aber angefangen hat es eindeutig mit dir...

Du bist weg ohne mir zu sagen, wohin und ich habe auf dich gewartet, solange bis mich alles außer der Musik gelangweilt hat. Und irgendwann hatte ich einfach keine Lust mehr, zu versauern, während ich vergeblich darauf wartete, dass du nach Hause kommst und die Nacht in _deinem_ Bett verbringst... Nun... nach und nach tat ich es dir wohl gleich, aber ich schätze, ich bin einfach nicht der Mensch dazu und, ehe ich auch nur deinen Namen buchstabieren konnte, glitt mir alles aus den Händen und nun habe ich die Kontrolle über einfach alles verloren..."

Nereis schloss schmerzlich die Augen, sank kraftlos in die haltgebenden Arme des Größeren, der ihn erschrocken festhielt. Vielleicht hielt er Reis Reaktion fälschlicherweise für einen erneuten Schwächeanfall.

/Und was soll ich deiner Meinung nach tun, wenn mich deine Nähe wahnsinnig macht, weil du mir nicht das geben kannst, was ich mir von dir wünsche? So sehr ich dich auch liebe, Shay, ich will nicht eines Tages mit dem goldenen Schuss in den Adern in irgendeiner dunklen, schmutzigen Sackgasse krepieren!!/

"Idiot!", murmelte er jedoch verzweifelt, statt seinen Gedanken auszusprechen. "Du bist doch sonst immer so beherrscht und gelassen gewesen. Warum lässt du dich so fertig machen, nur wegen mir?"

Ruckartig wurde sein Kinn hochgerissen, der überraschte Schrei von einem harschen Kuss fast gewaltsam erstickt. Erschrocken krallte er seine langen filigranen Finger in Shays Hemd, wusste nicht, ob er den anderen noch näher an sich ziehen oder von sich stoßen sollte. Erst als er beinahe mangels Frischluft ohnmächtig zu werden drohte, schob er den Blauhaarigen nachdrücklich weg, schnappte laut keuchend nach frischem Sauerstoff für seine schreienden Lungen, starrte mit aufgerissenen Augen in die schwarzen seines Gegenübers, die finster zurückblickten. Wieder wurde er fest am Kiefer gepackt und so nahe an das andere Gesicht geführt, dass sich ihr Atem mischte und Nereis die winzigen whiskeyfarbenen Sprenkel in Shays Iriden erkennen konnte, welche beinahe golden wirkten.

"Like golden tears in a... RÊVE NOIR"[1], um es mit einer Zeile aus seinem Song "Rêve Noir" auszudrücken, den er über Shay geschrieben hatte, auch wenn niemand außer ihm selbst dies wusste.

"Ich warne dich, Nereis! Du solltest gestern bemerkt haben, dass auch meine Geduld Grenzen kennt und um es unmissverständlich zu sagen: Mein Geduldsfaden ist bereits so dünn geworden, dass man ihn kaum noch mit einer Lupe erkennen kann!! Es ist mir egal, ob ich dir gleichgültig geworden bin oder du glaubst, dass es besser für mich ist, wenn ich nicht ständig deinen Launen ausgesetzt bin, aber wir sind verdammt noch einmal zusammen aufgewachsen und falls du dich noch an den Kindergarten erinnern kannst, weißt du auch, dass ich dir einmal schwor, dich immer zu beschützen.

Ich weiß, dass ich in letzter Zeit kein sonderlich hilfreicher Schutzengel war, aber ich werde deshalb ganz bestimmt nicht aufgeben oder unser Band zerreißen lassen, das wir jahrelang so bemüht gepflegt und gefestigt haben.

Du kannst mich so oft von dir stoßen wie du willst, aber du wirst mich ganz sicher nicht loswerden, darauf kannst du Gift nehmen!! Ich habe nicht Jahre in unsere Freundschaft investiert, damit du alles kaputt machst, nur weil du dein Selbstvertrauen aus Versehen in deinem Gefühlschaos verloren hast. Solltest du jedoch noch ein einziges Mal solche Worte in den Mund nehmen... Ich schwöre dir, dann halte ich dich für immer in irgendeinem geheimen Versteck gefangen, nur damit ich der Einzige bin, den du noch hast, und du endlich wieder freiwillig meine Nähe suchst..."

Ohne dass er etwas dagegen tun konnte füllten sich seine Augen plötzlich mit Tränen, die wie flüssiges Glastropfen über seine Wimpern perlten, als er blinzeln musste.

So eng er konnte drückte er sich an Shay, auch wenn er diesem somit fast den Atem abschnitt.

"Ayumi", presste er aus seiner zugeschnürten Kehle hervor und kümmerte sich nicht mehr darum, dass es nur noch ein mitleiderregendes Wimmern war, das er hervorwürgte.

"Du... Ich will doch gar nicht... ich meine, ich würde niemals wollen, dass du... dass du... dass... du..." Kläglich brach er ab und verlor sich in den wieder warmen nachtfarbenen Pupillen, welche sich farblich bis auf die goldbraunen Sprenkel nicht von den Iriden unterschieden.

Der Blauhaarige lächelte wirklich... _liebevoll_, brachte ihn mit Zeige- und Mittelfinger auf seinem Mund sanft, aber nachdrücklich zum Verstummen. "Sh, Rei... Ich weiß doch... Ich weiß es und bin glücklich, dass ich einen kleinen Flecken deines Herzens für mich erobern konnte... Aber bevor wir wieder aus deinem verhassten Shakespeare zitieren, lass gut sein und _zeig_ mir einfach wieder ein wenig öfter, dass du mich noch gern hast, ja? Ein paar Stunden mehr würden mir ja schon vollkommen genügen, ich weiß schließlich selbst nur zu gut, wie viel Freizeit unser Job übrig lässt... Wenigstens ab und zu könntest du doch auch mal eine Party Party sein lassen oder mich notfalls mitschleppen, wenn du mich dann dort nicht im Regen stehen lässt. Es ist egal, wo und wann, es reicht mir doch, wenn wir _überhaupt_ mal ein paar Stunden zusammen sind, ohne über Noten, falsch gestimmte Instrumente oder misslungene Aufnahmen und Retakes zu schwafeln."

"Hm-mh", machte Nereis leise und zustimmend, denn die warme, zärtliche Umarmung betäubte ihn auf so angenehme Art und Weise, dass er sich keinen Fingerbreit mehr vom Paradies entfernt wähnte.

- - - - - -

[1] engl. + franz.: "Wie goldene Tränen in einem schwarzen Traum"

I/6

~ 6 ~
 

Shay selbst konnte nur darüber lächeln. _Überglücklich_ lächeln. Dass Rei sich so vertrauensvoll an ihn schmiegte und fast in seinem Arm einschlief, bestätigte, dass der Jüngere aufrichtig bereit war, ihr Band wieder fester zu knüpfen.

Wehmütig strich er durch das feine seidigglatte Haar, ließ es zwischen seinen aufgefächerten Fingern hindurch gleiten und lächelte traurig. /Ich werde wohl immer dein heimlicher Schutzengel bleiben, wie? Obwohl meine Stimme nur für dich erklingt, erhörst du mich doch niemals... zumindest nicht wirklich... Wenn du mir doch nur eine klitzekleine noch so undenkbar scheinende Möglichkeit aufzeigen würdest, deine Liebe für mich zu gewinnen... Ich möchte dich doch so gerne glücklich machen, dir Wärme und Geborgenheit schenken.../

"Danke, Shay", hauchte Nereis in seinen Brustkorb hinein und er ließ sich langsam auf die Matratze zurücksinken, zog die wärmende Decke über sie beide, damit sich der Jüngere nicht zusätzlich zu der Gehirnerschütterung auch noch aufgrund der spärlichen Bekleidung erkältete.

"Wofür?", gab er flüsternd zurück, doch der Jüngere lachte nur mit einem seligen Lächeln und leicht flatternden Lidern: "Für alles und nichts... Dafür, dass du dich, obwohl sonst so stoisch cool, von mir auf die Palme bringen lässt und... einfach nur da bist für mich... Selbst für deine Shakespeare-Nachmache..."

"Dito", antwortete der Ältere nur und biss ihm grinsend leicht ins Ohrläppchen.

Ein unterdrückter Schrei ertönte, doch er sorgte sich nicht, spürte er über die Hand in Reis Nacken doch nur zu deutlich, die begleitende Gänsehaut, die kaum von Kälte oder Angst herrührte...

"Du bist kein Gourmet, sondern ein brutaler Banause!", schmollte der Blauäugige. "Sonst wüsstest du nämlich, dass Kröten keine Ohren so wie Menschen haben, auf denen du nach Belieben rumknabbern kannst!"

"Ich kann doch nichts dafür, dass die Hexe bei deiner Verwandlung in eine Kröte geschlampt hat!", flachste er gutmütig, dann begaben sich seine Lippen wieder auf die Suche nach ihrem Gegenstück, brachten diese wirksam zum Verstummen, als sie sie gefunden hatten.

/Oh Gott, ich liebe dich, Nereis Higure... So... sehr.../

"Von wegen geschlampt! Mein Luxuskörper ist so absolut perfekt - davon kannst du mit deinen blöden kuschelkillenden Stahlhart-Muskeln nur träumen!", brummte der Rothaarige halbherzig und als Shay, abgesehen von einem breiten Grinsen, nichts mehr erwiderte, dauerte es nicht mehr lange bis Rei friedlich von den seinen in Morpheus' Arme hinüberglitt.
 

"Kleiner, wach auf!", flüsterte Shay dem Rothaarigen leise ins Ohr.

"Was denn, schon?", murmelte der Jüngere verschlafen, hielt die Augen weiter geschlossen, presste sie sogar noch fester zusammen, als würde er dann nicht aufstehen müssen.

"Sorry, Rei, aber wenn wir nicht zu spät kommen wollen... Du kennst Yokomitsu! Er hätte mich schon am liebsten erwürgt wegen deinem Ausfall gestern... Außerdem zerrt der Gute uns doch notfalls mit Gewalt zu diesem Maskenbildner, bevor er uns auf den Friedhof lässt", erklärte der Größere, während er sanft über die schlafwarme Wange strich. "Du kannst ja heute früher ins Bett gehen, wenn du dann noch immer so müde bist..."

Murrend richtete er sich ein wenig auf, indem er sich mit den Händen von Shays Brustkorb hochstemmte, öffnete dann die Augen, die wie auf Hochglanz polierter Lapislazuli in einem wunderschönen ultramarineähnlichen Blau leuchteten und ihn blenden zu wollen schienen.

"Hm... geht nicht... Ich bin auf eine Geburtstagsparty eingeladen worden und ich habe versprochen hinzugehen..."

Ohne es verhindern zu können seufzte Shay leise. /Vielleicht wäre es doch klüger gewesen, sich keine falsche Hoffnungen zu machen.../

Doch offensichtlich erinnerte sich Rei noch sehr gut an Shays Bitte, denn schnell fragte er noch: "Magst du nicht mitkommen? Ich habe keine Lust alleine zu gehen und außerdem würd ich viel lieber mit dir zu Hause bleiben!"

"Dann tu es doch!", flüsterte Ayumi. "Du hast eine Gehirnerschütterung! Eigentlich dürftest du nicht einmal aus dem Bett..."

Zur Antwort bekam er ein schüchternes Lächeln und einen zärtlichen Kuss. "Danke, dass du dir Sorgen machst, Ayumi... Aber du musst keine Angst haben. Ich pass schon auf mich auf..."

"...Sagte die Schnecke, bevor sie über die Autobahn kroch...", beendete der Blauhaarige den Satz. "Nein, Nereis. Ich komme lieber mit und pass auf, dass sich niemand an _meine_ kleine Kröte ranmacht... Wer weiß, was sie mit dir anstellen, wenn du sie in deinen Stofffetzen, die du so gerne Kleidung nennst, auf den Geschmack bringst..."

Dann fasste er unter die straffen Oberschenkel, der langen, schlanken Beine, die sich prompt um seine Hüfte schlangen und trug die wunderschöne elfenhafte Gestalt in die Küche zu dem bereits vorbereiteten Frühstück.

"Als wären wir frisch verheiratet!", kicherte der Jüngere albern und schleuste seine Zunge frech in Shays Mund ein.

"So? Na dann lass uns doch mal sehen, was für Rechte der Bräutigam hat", flachste der Schwarzäugige und massierte auffordernd die verlockend süßen Hügel.

Ehe er sich versehen hatte, riss Rei die blauen Augen weit auf und versteckte seine blutroten Wangen an Shays Schlüsselbein, biss ihm in die Halsbeuge, um die Laute, die offensichtlich aus seiner Kehle schlüpfen wollten, zu unterdrücken.

Shay lachte nur, hauchte ihm noch einen zarten Kuss in den Nacken und setzte ihn dann vollends ab. "Du bist viel zu empfindlich, Kleiner", grinste er.

Nereis jedoch schmollte nur und drehte sich beleidigt weg. "Von wegen, du Trampel! Und nur damit du's weißt! Meinen Lovern gefällt es, dass ich empfindsam bin!"

Shay erstarrte und drehte sich hastig weg. Dennoch kostete es ihn unglaublich viel Kraft, seine Finger um die Arbeitsplatte zu schließen und nicht wütend aufzuschreien.

/Warum? Warum musstest du es kaputt machen?/, dachte er verletzt. Der Morgen war so schön gewesen, doch jetzt meldete sich wieder seine Eifersucht, die er nicht zeigen durfte und die ihn deshalb von innen heraus auffraß.

"Shay?", kam es nach einer Weile fragend und einen Sekundenbruchteil später spürte er die kleine leichte Hand auf seinem Schulterblatt.

Verzweifelt schloss er die Augen und streifte die warmen Finger von seiner Haut.

Wieder fragte er sich, wie er Nereis Nähe nur ertragen sollte, seinen heißgeliebten Anblick, wenn er doch genau wusste, dass Rei nie _ihm_ gehören würde und jener ihn auch noch ständig daran erinnerte.

"Shay!", rief Rei mit einer Stimme, die von Verletzung und Nichtverstehen sprach. "Was ist? Was hast du?"

"Bitte, Rei...", flüsterte er angestrengt, konnte das Beben seines Körpers nicht mehr ganz unterdrücken.

"Nein", wisperte der Rothaarige zurück und drückte sich so fest er konnte gegen ihn, umschlang mit den schmalen Armen seine Hüfte.

"NEREIS!", schrie der Ältere auf und riss sich unsanft von ihm los.

Dennoch dauerte es keine Sekunde, da klebte der Kleine bereits wieder an ihm und dieses mal auch noch frontal. Die zornig blitzenden Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengepresst, was die Leuchtkraft der saphirblauen Augen jedoch nur zu verstärken schien. "Was ist, Ayumi?", fragte er scharf und sah ihn auffordernd an. "Willst du mir jetzt meine Gefühle für dich verbieten, ja?"

"Und was wäre, wenn?", fragte Shay scheinbar gleichgültig, auch wenn er wusste, dass er sich auf Glatteis bewegte, als er sich klar wurde, dass er mehr in Reis Frage hineininterpretierte als wohl tatsächlich hinter ihr steckte. Und dann... nannte Nereis ihn dieser Tage einfach zu oft Ayumi, als dass er ihre Situation noch verharmlosen konnte, denn das tat der Jüngere nie, wenn es nicht triftige Gründe dafür gab... Nein, er konnte nicht ewig davor wegrennen. Irgendwann würde ihn das Gewitter ja doch erreichen und es lag allein an ihm, ob es reinigend sein und die dicke Luft vertreiben oder in Dauerregen ausarten würde.

"Das kannst du nicht", sagte Rei so schlicht und ernst, dass es den Blauhaarigen für einen Moment den Atem anhalten ließ. "Du bist der wichtigste Mensch in meinem Leben, Ayumi: Mein bester Freund, meine ,Familie' und...", er brach ab.

"Und...?", wiederholte der Größere so leise, dass er sich selbst nicht recht verstand.

Nereis sah ihn einen Moment sehr unsicher an und ob der feinen Röte, die in die zarten Wangen schlich, glaubte er schon, keine Antwort mehr zu erhalten, als der Blauäugige plötzlich sagte: "Du bedeutest mir mehr als du vielleicht glaubst, Shin-Ayumi..."

Dann bekam er einen kurzen aber sehr intensiven Kuss und wurde heillos verwirrt in der Küche zurückgelassen, indes Rei ins Bad ging um sich zu duschen - geradeso als wäre nichts gewesen.

I/7

Doch auch wenn es Shay so erscheinen mochte - es war nicht so. Mehr noch als für ihn war dies für _Nereis_ ein sehr bedeutender Augenblick gewesen.

Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen ließ er das warme Wasser über seine Haut rinnen, das sich mit ein bisschen Fantasie beinahe wie die zärtlichen Finger seines geliebten Ayumi anfühlte.

/Geschafft/, dachte er unglaublich erleichtert. Endlich hatte er es gesagt. Nicht unmissverständlich mit den drei weltberühmten Worten, jedoch: Er hatte es gesagt!

Und vor allem gab es ihm Hoffnung, dass er es irgendwann einmal auch _unmissverständlich_ zugeben können würde, dass er seine geradezu panische Angst vor der Zurückweisung vergessen konnte.

Dennoch machte er sich keine Illusionen: Er wusste, dass es noch lange Zeit dauern würde, bis er den Mut dazu aufgebracht hatte. Und das, obwohl gerade er, der seine Familie so früh verloren hatte, wusste, dass Glück nicht ewig währt und es wichtig ist, den Menschen, die man liebt, zu sagen, was man für sie fühlt, weil es das letzte mal sein könnte, dass man die Möglichkeit dazu hat und es ihnen oft wichtiger ist, als man vielleicht annimmt. Besonders in einem Land, in dem Naturkatastrophen wie Erdbeben zum täglichen Leben gehörten...

Seufzend spülte er den weichen, nach Orangenschalen, Süßholz und Zimt duftenden Schaum aus seinem Haar und holte zwei Handtücher aus dem Schrank.

Ein Weißes, das er sich nach dem Abtrocknen um die schmalen Hüften wickelte, und das ihm nicht einmal bis zu den Knien reichte, und ein Rotes, mit dem er sich die gröbste Nässe aus dem Haar strich und welches er dann wieder aufhängte. Seit sie nämlich endlich ihren äußerst arroganten Ex-Star-Stylisten gefeuert hatten, hatte er sich die Haare nur noch getönt, weil ihm die ganze haarstrapazierende Färberei auf den Keks gegangen war, was jedoch auch entsprechende Spuren auf zu hellen Handtüchern hinterlassen hätte.

Seltsam gelöst eines ihrer Lieder summend, tapste er zurück in die Küche, blieb einen Moment verdutzt im Türrahmen stehen: Shay hatte noch nicht mit dem Frühstück begonnen, nippte stattdessen an einer Tasse grünen Tees, den Rei ihm von Gion Tsujiri[1] mitgebracht hatte, weil er genau wusste, dass Shay regelrecht süchtig nach dieser speziellen Teesorte war und jener es fertig brachte, stundenlang zu schmollen, wenn er seinen Tag nicht mit einer Tasse dieses Getränks beginnen konnte.

/Soviel zu den Starallüren und dem Divengehabe einer der momentan berühmtesten Bands Japans.../, dachte er kopfschüttelnd. Dann entwand er dem überraschten Blauhaarigen seine Tasse und setzte sich so auf den Schoß seines Freundes, dass er ihn mit seinen blauen Augen schelmisch anblitzen konnte, während er lasziv an Ayumis Tee nippte und _rein zufällig_ ein paar Tropfen davon auf seinen entblößten Oberschenkel fallen ließ.

/Und _soviel_ zu der Vorliebe gewisser rothaariger Sänger mit dem Feuer zu spielen/, vervollständigte er seinen Gedanken selbstironisch, während er versuchte nicht den Mund zu verziehen, weil er einfach keinen gänzlich ungesüßten Tee mochte - es sei denn er hing an Shays Lippen.

So unschuldig wie möglich stellte er die Tasse hinter sich auf dem Tisch ab und bemerkte: "Gib es endlich zu - du trinkst dieses Zeug doch nur, um den Geschmack meiner Lippen zu verdrängen, wenn du mich nicht küssen kannst, damit du nicht wahnsinnig wirst!"

Zufrieden bemerkte er ein leichtes Zucken in Ayumis sonst vollkommen unbeteiligt wirkendem Gesicht als dieser der langsamen Bahn der Teetropfen auf Nereis' Haut in Richtung Körpermitte folgte.

Jedoch hatte _er_ selbst auch ganz bestimmt nicht mit _dieser_ Reaktion seines schwarzäugigen Freundes gerechnet, die auf sein Flammenspiel folgte:

"Durchaus möglich", hauchte Ayumi mit einer so rauen Stimme, dass Nereis unter seiner eigenen Erregung unwillkürlich zusammenzuckte, bevor er erschrocken seine Hände auf den Mund pressen musste, um nicht zu stöhnen, und sich seine Lider halb über seine Augen senkten, als der Ältere sich hinunterbeugte und mit seiner feuchtheißen Zunge genüsslich den Tee von der weichwarmen Haut seines Oberschenkels leckte. "Aber ich bezweifle", flüsterte er, ließ seinen Mund kurz über Nereis' Männlichkeit streichen, die nur noch von dem Frotteestoff verdeckt wurde, und kam wieder hoch, "dass ich dir das sagen würde.", um die leicht zitternden sowie eindeutig erregt-verkrampften Hände wegzuziehen, "Am Ende wird mir mein Herzblatt noch eingebildet...", und den ein wenig geöffneten Mund heißhungrig und leidenschaftlich zu plündern.

Für einen Moment weiteten sich seine großen blauen Augen, dann schloss er sie und ließ ich hingebungsvoll gegen den starken, durchtrainierten Oberkörper seines Freundes sinken, krallte seine Finger in Shays Hemd, um nicht vollständig den Halt zu verlieren, als er sich in diesen Kuss fallen ließ, der ihn seines Atems und seiner Sinne beraubte.

Erst ein beifälliges Klatschen und ein ironisches "Bravo! ZU-GA-BE!" einer äußerst bekannten Stimme ließ sie zusammenfahren.

"Manager!", rief Nereis und versuchte sein geschocktes Herz wieder zum Schlagen zu bewegen, während Shay es dabei beließ die Augen zu verdrehen und seine Stirn an die Reis zu lehnen als er genervt seufzte: "Sehr erfreut, Yokumitsu-san..."

"Das Vergnügen liegt ganz auf meiner Seite Shin-kun", spottete der gerade erst dreißig Jahre alt gewordene Japaner, dem sie wirklich eine ganze Menge zu verdanken hatten: Unter anderem den zeitweiligen Verlust ihres Gehörs zwecks Ignorierung und das Absterben von zirka einer Million Nervenzellen... "Übrigens ist es ja sehr löblich, dass ihr so fleißig an eurer neuen Bühnenshow übt - auch wenn ich mich nicht an die Stelle mit dem Tee erinnern kann, was nicht heißen soll, dass ich sie nicht gut finden würde -, aber..."

Der Rothaarige unterbrach ihn. "Wie lange schaust du schon zu?", wollte Nereis gereizt wissen, der es auf den Tod nicht ausstehen konnte, beobachtet oder belauscht zu werden (was ihn zuweilen beinahe dazu trieb, diverse Voodookünstler zwecks Beseitigung gewisser Journalisten aufzusuchen...).

"Hm... Schwierige Frage, lass mich überlegen... Ich glaube, seit du wie ein verknallter Teenager Liebeslieder summend in die Küche geschwebt bist, ehrwürdigster Nereis... -CHAN[2]!", gab er jungenhaft grinsend zurück.

Wütend sprang der Geiger auf und versuchte Shays stahlhartem, unnachgiebigen Griff zu entkommen. "Ich bringe ihn um - Shay, lass mich gefälligst los!!! - jetzt-"

"Ich liebe dich auch, Schatz", flötete Yasunari Yokomitsu und küsste ihn unbeeindruckt auf die Wange, was wohl daran liegen mochte, dass er während seines Studiums trotz der wenigen Freizeit begonnen hatte, sich im Kampfsport zu üben und er mittlerweile den braunschwarzen Gurt besaß.

Ohne Vorwarnung ließ ihn der Blauhaarige los, sodass sein Hintern unsanfte Bekanntschaft mit dem harten Küchenboden machte, während Shay Yokomitsu mit bedrohlicher Miene etwas ins Ohr flüsterte.

"Kein Grund zur Eifersucht, Shin, ich nehme dir deinen Gegenstand ewiger Vergötterung schon nicht weg!", lachte ihr Manager nur und half Rei mit einem Zwinkern auf, um ihn wieder in Shays Arme zu verfrachten, bevor er überhaupt wusste wie ihm geschah.

Ayumi aber knurrte nur und zog den nun vollends verwirrten Sänger fest und ungewohnt besitzergreifend in seine Arme. "Sehr schön, ich sehe, wir verstehen uns, Manager!"

Verdattert blickte er von dem kleinen aber drahtigen Dreißigjährigen zu der vertrauten athletischen Gestalt auf. "Hab ich was nicht mitgekriegt oder was geht hier gerade ab?", fragte er, doch Yokomitsu antwortete nur Ayumi mit den Worten: "Durchaus. Solange du in Zukunft besser auf dein armes verwirrtes Rehlein Acht gibst!"

"Ich bin kein Reh!", protestierte er aufgebracht.

"Dann solltest du aufhören, so zu schauen wie eines! Nicht, dass wir dich am Ende in einer Nacht- und Nebelaktion aus dem Streichelzoo befreien müssen! Denn ich würde euch jetzt eigentlich gerne eurem neuen Stylisten vorstellen, wenn es den Herren genehm ist...", erwiderte der Ältere und wurde endlich wieder ernst.

Shay jedoch hob nur fragend die Augenbraue: "Das hört sich ja an, wie beschlossene Sache!?"

"Genau! Wir haben schließlich auch noch ein Wörtchen mitzureden!", fügte Nereis hinzu. "Noch mal werde ich so ein arrogantes Stylingarschloch wie Hisae jedenfalls ganz bestimmt nicht ertragen! Nur, dass dir das klar ist!"

"Ja, ich weiß, Rei. Ich mochte Hisae ja auch nicht, aber einen guten Stylisten kriegt man nun mal nicht jede Woche per Post zugesandt! Und glaub mir, Shiro Shigeharu werdet ihr mögen. Er ist intelligent, freundlich und versteht eine ganze Menge von dem was er tut!"

"Und ich wette, er war früher mal dein Lover", setzte Nereis sarkastisch hinzu - auch wenn er sich sicher war, damit gar nicht mal so falsch zu liegen -, murmelte noch immer beleidigt: "Außerdem ist Shiro doch ein Nachname, oder nicht?"

Yokomitsu verdrehte die Augen: "Also wenn du den Staff jetzt auch noch nach Namen auswählen willst, die dir in den Kram passen, kannst du das ganze ja auch gleich alleine machen! Schließlich suchst du euer Styling ja auch selbst aus - was also hält dich noch davon ab, selbst Pinsel und Schere zu schwingen?"

Nereis erstarrte. Einen Moment lang versuchte er noch, sich mit bebenden Lippen zu beruhigen, doch dann rannte er wortlos auf sein Zimmer und ließ die Tür geräuschvoll hinter sich ins Schloss fallen.

- - - - - -

[1] Weltberühmter Teeladen in Kyoto ^^ Kommt sogar in "Yami no matsuei" und "Kizuna" vor ^^ Es gibt dort auch Tee-Eis und -sorbet und -parfait XD

[2] Namenssuffix für Haus- und Kuscheltiere, Kleinkinder, aber auch (normalerweise eher weibliche) Leute die man niedlich findet ^^

I/8

Zitternd kauerte er sich auf die zirka eindreiviertel Meter lange rot-schwarz-gepolsterte Sitzfläche seiner Hängebank, die an drei Seiten von ebenfalls gepolsterten sehr hohen Lehnen umschlossen und nur durch eine unscheinbare in die Wand eingelassene Leiter zu erreichen war, da sie logischerweise unter der Decke hing.

Er wusste, dass er Yasunari verärgert und jener in diesem Moment nicht daran gedacht hatte, und trotzdem tat es weh.

Verzweifelt presste er die Lider zusammen und dennoch tauchten die Bilder seiner Vergangenheit wieder auf: Als kleines Kind hatte er gerne zugesehen wie seine Mutter zu besonderen Anlässen einen ihrer wunderschönen Kimonos, die er noch heute aufbewahrte, anlegte und ihr vergnügt geholfen, wenn sie sich schminkte und ihre Frisur kunstvoll zurechtlegte.

Bevor sie ihren Mann, Nereis' Vater, kennen gelernt und ihren Beruf niedergelegt hatte, um dessen Frau zu werden, war sie eine der berühmtesten Kyotoer Geishas überhaupt gewesen, in ganz Japan bekannt sowohl angesichts ihrer Schönheit und Eleganz als auch ihrer Wortgewandtheit und ihres sanften, guten Charakters wegen. Nereis erinnerte sich gern daran wie freundlich, humorvoll und doch bescheiden sie gewesen war. Nur auf ihre langen, seidigen Haare, so wusste er, war sie immer sehr stolz gewesen und hatte daher ausschließlich einen ganz bestimmten der auf Geishas spezialisierten Friseure an diese herangelassen. Da jener aber ob seiner Gefragtheit nicht immer zur rechten Zeit verfügbar gewesen war, hatte sie mit viel Geduld gelernt, sich selbst zu frisieren, was ihr sowohl Spott als auch Bewunderung eingebracht hatte.

Ja, er hatte seine Eltern aufrichtig geliebt... Aber im Gedenken an seine Mutter hatte er es auch nie wieder geschafft, jemanden zu frisieren, zu schminken oder einzukleiden, ohne nach einer Weile unter all den noch immer äußerst lebendigen Erinnerungen zusammenzubrechen. Allein bei ihm selbst ging es - und selbst das hatte eine Menge Zeit und zahllose psychosomatische[1] Krämpfe gefordert...

Shays leises charakteristisches Klopfen schreckte ihn aus seinen Gedanken, doch er antwortete nicht, konnte nicht antworten, wegen dem dicken Knoten in seiner Kehle und den zahllosen Tränen, die unzählige erstickte Schluchzer mit sich brachten und so seinen Körper erbeben ließen.

Hilflos lauschte er, wie Shay das Zimmer betrat und durchquerte, schnell und gewandt die Leiter hinaufkletterte, um neben ihm Platz und Nereis rücklings in seine Arme zu nehmen, ihm sinnlose aber tröstliche Laute ins Ohr zu hauchen.

Dennoch wagte er es nicht, sich umzudrehen und Ayumi anzusehen, denn _er_ war der einzige Teil seiner Vergangenheit, den ihm die Zeit in die Gegenwart hinübergerettet hatte und er fürchtete sich davor, gerade jetzt in die wunderschönen goldgesprenkelten schwarzen Augen zu sehen, weil er wusste, dass er _ihren_ Verlust nicht eine Sekunde lang ertragen würde und ihm im Augenblick schon die bloße Vorstellung den Verstand geraubt hätte.

"Hey... Kleiner...", flüsterte Ayumi ihm sanft ins Ohr. Verzweifelt drückte er sich noch mehr in die wärmende Umarmung.

"Bitte, Nereis, hör auf zu weinen... Du weißt doch, dass ich es nicht ertrage, wenn du traurig bist... Sh... komm schon, Rei, hm?"

"Ich... ich...", würgte Nereis hervor und musste wieder abbrechen.

"Hab keine Angst, Nereis... wir sind doch Freunde, oder? Nicht einmal der Tod wird mich dir je wegnehmen können, hörst du? Egal was ist, ich werde immer bei dir sein, mein Kleiner...", hauchte Ayumi ihm zu - und ließ die Dämme brechen.

Verzweifelt fuhr er herum, klammerte sich haltlos an den Menschen, der für ihn _alles_ darstellte, was er brauchte...

Er wusste nicht, wie Shay erraten hatte, was ihm durch den Kopf gegangen war, aber er wusste, dass ihm dieses Versprechen, so romantisch-naiv es auch war, mehr bedeutete, als alle Liebesgeständnisse der ganzen Welt - und sogar mehr, als sein eigenes Leben...

- - - - - -

[1] Psychosomatisch nennt man Krankheiten etc., die allein durch seelische Probleme etc. ausgelöst und auch ausschließlich von ihr beeinflusst werden. D.h. jemand kann rein körperlich vollkommen gesund und trotzdem nahezu sterbenskrank sein. Es wird auch vermutet, dass zum Beispiel der Tod von Leuten, die kurz nach einem geliebten Menschen wie etwa dem Ehepartner sterben, ebenfalls durch psychosomatische Reaktionen ausgelöst wird.

I/9

~ 9 ~
 

"Geht's wieder, Rei?", wisperte Ayumi ihm nach einer Weile zu, hielt jedoch nicht inne darin, ihm weiterhin tröstlich über den Rücken zu fahren.

Rei konnte im "Normalfall" - sollte heißen, sobald er wieder seine Rolle des ein wenig unnahbaren, arroganten Superstars raushängen ließ - zwar ziemlich zickig werden, aber in Wirklichkeit, wenn er sich nicht verstellte, war er doch eigentlich nur sensibel und nicht unbedingt pflegeleicht, aber dennoch weitestgehend _brav_ und _lieb_.

Vorsichtig nickte der Geiger in seinen Armen, wischte sich mit einer irgendwie süßen Geste die Wangen trocken und Shay küsste ihm zärtlich eine Träne fort, die der Jüngere nicht bemerkt hatte, bevor er aufmunternd sagte: "Sei Yasunari nicht böse, nein? Er hat einfach nicht daran gedacht und ich bin sicher, dass es ihm Leid tut... Lassen wir ihn nicht mehr länger warten, hm?"

Erneut nickte sein geliebter Nereis, ließ ihn deutlich widerwillig los, sodass erst Shay und dann er selbst wieder hinunterklettern konnten. Zwinkernd hielt er dem Kleineren ganz gentleman-like die Tür auf - und sah ihm verdutzt nach, als dieser ihm im Vorbeigehen noch einen Dankeskuss auf die Lippen hauchte.

Es dauerte einige Sekunden, bevor er reagierte, die Finger hob, um ein wenig perplex seinen Mund zu befühlen, geradeso als könne er es gar nicht richtig glauben. Dann zog er die Tür hinter sich zu und folgte seinem Rotschopf lächelnd wieder in die Küche.

"...schon gut! Eigentlich müsste _ich_ mich ja bei _dir_ entschuldigen...", hörte er Rei - seltenerweise ein wenig verlegen - murmeln, als er die Küche betrat.

"Machs wieder gut indem du endlich anfängst zu frühstücken! Es ist ja sehr löblich, dass du so rank und schlank wie eine Maus bist, aber ein Kleiderständer verkauft sich bestimmt nicht so gut! Das gibt höchstens Gerüchte über Magersucht und Co. und bei euch Skandalnudeln habe ich schon genügend Gerüchte zu dementieren!"

Ayumi verdrehte die Augen, bemerkte trocken, "...was dir dafür viel Promotion-Arbeit erspart und außerdem ein recht gewinnbringendes Image ist, wenn ich mich nicht irre...", und ließ sich von ihrem Manager neben Rei verfrachten, begann aber folgsam zu essen, während sich Yokomitsu eine Tasse aus dem Küchenschrank holte und gerade etwas von dem grünen Tee eingießen wollte, als Rei aufsprang, zum Kühlschrank rannte und dem Ältesten in ihrer Runde zuvorkam, indem er ihm hypergesunden "Multivitamin-Direktsaft aus sechzehn verschiedenen Früchten mit einem optimal ausgewogenem Vitaminkomplex für den gesunden Start in den Tag" eingoss.

"Da" sagte der Blauäugige knapp. "Ich kenne dich! Du hast doch bestimmt jetzt schon wieder eine Überdosis Koffein und Teein im Blut! Du könntest echt mal aufhören, dass so zu übertreiben - einmal Eisenmangel hat ja wohl gereicht oder nicht? Und ein paar mehr Vitamine könnten dir auch nicht schaden..."

Ihr Manager starrte Rei düster an, zuckte dann mit den Achseln und stürzte das Getränk in einem Zug hinunter, nur um sofort darauf mit verzogener Miene zu verkünden: "Igitt, ist das gesund! Ich muss kurz eine rauchen! Nicht, dass ich es tatsächlich noch schaffe alt und schrumpelig zu werden...

Und ihr macht nicht so lange, ich musste noch ein Fotoshooting vorziehen, wenn unsere kleine Arbeitsratte schon _unbedingt_ arbeiten will, deswegen müssen wir zwei Stunden eher los, damit Shiro genügend Zeit für seine Feuertaufe hat und euch herrichten kann. Er kommt dann gleich her, um euch Klamotten herauszusuchen, die zum geplanten Make-up passen, also zieht euch nicht erst großartig was über!"

"Keine Sorge, das durchschnittliche Todesalter von Managern liegt in diesem Land bei vierzig Jahren! Aber wenn du willst, helfe ich dir gerne das Ganze noch ein wenig zu beschleunigen!", giftete Nereis dem Schwarzhaarigen kratzbürstig wie eh und je hinterher. "Und nur damit das klar ist: Ich mach heute _keine_ Überstunden! Du kannst froh sein, dass ich mit meiner Gehirnerschütterung überhaupt arbeite!!"

"Ja, ja!", gab Yokomitsu aus dem Flur zurück und zog sich den Geräuschen zufolge gerade seine Schuhe an, da ihr Haus rauchfreie Zone war und er nur vor der Tür rauchen durfte. "Das sagst du doch jedes Mal und dann müssen wir dich doch wieder anketten und nach Hause zerren, damit du wenigstens ein paar Stunden Schlaf kriegst! Iss lieber anstatt wertvolle Atemluft zu vergeuden!"

Mal wieder auf Hochspannung geladen brach der Jüngere die Stäbchen auseinander und schaufelte sich hitzig seinen Reis in den Mund. "Ich bring ihn um! Ich schwöre, sobald ich einen guten Ersatz gefunden habe, bringe ich ihn um!", beteuerte er verdrossen murmelnd.

"Nicht ärgern, Rei, das gibt nur frühzeitige Falten", grinste Shay und duckte sich hastig um einer schallenden Ohrfeige zu entgehen.

"Noch ein Wort und du bleibst heute Abend zu Hause!!"

"Ja, Mama..."

I/10

Sie waren gerade beim Abräumen, während Yokomitsu mittlerweile an einer halb erbettelten, halb erdrohten Tasse grünen Tees nippte, als es klingelte.

"Ich geh schon!", rief Yokomitsu und verließ mit einem strahlenden Lächeln die Küche.

"Du hast Recht", bemerkte Shay trocken. "Das waren mindestens zwölf Monate Beziehung..."

"Wär' ja auch mal ganz was Neues, wenn er ne Hete anschleppen würde... gibt ja nur noch soo wenige von denen", erwiderte Rei achselzuckend und die Augen verdrehend.

"Stimmt. Sind schon zu einer vom Aussterben bedrohten Rasse geworden, hab ich gehört, weil angeblich ein gewisser Nereis Higure alle dazu bekehrt, mindestens bei "beiden Mannschaften zu spielen"...", frotzelte er. "Nee, ich frag mich ja nur, wo er die immer alle herhat! Bei den ganzen _Bekanntschaften_, die er hervorzaubert könnte man ja meinen, dass die guten alten erzkonservativen Heteros in Japan ausgestorben sind und das Showbusiness von ner Schwulenmafia kontrolliert wird..."

"Als ob euch das stören würde, ihr Klatschweiber! Und nun hört auf, euch hinter meinem Rücken das Maul zu zerfetzen - jetzt wird gearbeitet!", rief Yokomitsu und schob einen durchaus _sehr_ attraktiven Japaner vor sich her und in die Küche hinein: Er hatte schulterlanges, durchgestyltes schwarzes Haar mit grasgrünen Strähnchen, ein regelrecht aristokratisch-perfektes Gesicht mit schnurgerader Nase, geschwungenen Augenbrauen, schönen, ausdrucksstarken dunklen Augen und einem breiten, aber wohlgeformten Mund, der zwei Reihen makelloser Zähne beinhalte und sich gerade zu einem entwaffnenden Lächeln ordnete, dass nur Rei und Shay ob der meisten Übung noch besser hinbekamen. Weiterhin war er mit geschätzten 1.80 Meter, keinem Gramm Fett zuviel und deutlich ausgeprägten Muskeln von athletisch-schlanker Figur und hatte zudem eine wirklich bemerkenswerte Ausstrahlung.

"Wer ist das? Der aktuelle Coverboy deines bevorzugten Schwulenmagazins?", stichelte Nereis auch sofort wieder und räumte unbeeindruckt die benutzten Teller in den Geschirrspüler.

"Nein, ich bin Shiro Shigeharu, ihr neuer Stylist, Higure-san", lachte der Fremde amüsiert und verbeugte sich respektvoll vor ihnen.

"Auch gut", seufzte der Rotschopf und nickte ihm halbherzig zu. Er schien Yasunaris Behauptungen von wegen eines bedeutend freundlicheren Make-up-Artists wohl noch sehr misstrauisch gegenüber zu stehen.

"Freut uns", begrüßte Ayumi ihn daher wie so oft mit einer entschuldigenden Geste Richtung Rei, was jener inzwischen aber schlicht und einfach nur noch ignorierte. War doch wahr, was er gesagt hatte!

"Und mich freut, dass Sie es freut, Tamiki-san", grinste Shigeharu. Offensichtlich war er an Kommentaren über sein Äußeres schon einiges gewohnt und nahm es sich nicht zu Herzen.

"Nachdem ihr euch also vorgestellt habt... Rei, Shay, das ist euer neuer Stylist für die nächsten Wochen. Shiro ist ein alter Bekannter-"

"Ein alter Verflossener, um genau zu sein", berichtigte der Größere, was Rei nun doch zum Grinsen brachte.

"...der sich freundlicherweise bereiterklärt hat, sich so lange-"

"Wer hat Schluss gemacht?", erkundigte sich Nereis scheinheilig. Für sie beide hatten sich die Beziehungen und Bettgeschichten ihres Managers nämlich zu einem äußerst amüsanten Zeitvertreib entwickelt.

Yokomitsu selbst ignorierte indessen geflissentlich, dass er nun schon zum zweiten Male unterbrochen worden war, auch wenn er nun deutlich die Wortwahl änderte: "...mit euch Nervensägen herumzuschlagen, bis-"

"Wir haben uns in Freundschaft getrennt, weil er nach Hongkong und ich nach Deutschland gegangen bin und uns eine Fernbeziehung auf _so_ eine Entfernung einfach zu unrealistisch war... Theoretisch also ein "open end" aber genaugenommen war ich es, wieso?", lachte der Stylist mit blitzenden Augen.

"...wir jemanden gefunden haben, den wir dauerhaft einstellen. DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!!", rief ihr Manager und funkelte sie wütend an.

"Ach nur so", gab Nereis schulterzuckend zur Antwort, drehte sich dann zu Yokomitsu: "Hast du was gesagt, Schatz?"

"JA!! Bei drei lasst ihr euch oben von Shiro einkleiden oder ich _vergesse_ mich... DREI!!!"

Der Rothaarige sprang fiepend zur Seite, um Yokomitsus Klauen zu entgehen und zog sie beide hastig mit sich. "Ist ja gut, du Sklaventreiber!"

I/11

~ 11 ~
 

"Zeigen Sie mir einfach alles, was Sie an ausgefallenen figurbetonenden Klamotten in rot und schwarz haben", verlangte Shigeharu noch immer so überhöflich, aber sehr freundlich an Rei gewandt, der gerade seinen begehbaren Kleiderschrank öffnete...

"Da sind wir ja in zehn Jahren noch nicht fertig!", stöhnte Ayumi nur und pflanzte sich auf das Bett seines Freundes. Nicht, dass er etwas dagegen hätte, solange es Rei stand, aber sein junger Kumpel war geradezu klamottengeil und hatte mindestens das fünffache von Shays für normale Verhältnisse auch nicht gerade klein zu nennender Kleidersammlung aufzuweisen. Es war ihm wirklich ein Rätsel woher Nereis nur die Zeit nahm, die ganzen Sachen zu kaufen, selbst wenn er, wie er sagte, nie etwas vorheranprobierte. Nun... wer es sich leisten konnte, nicht wahr...

Shigeharu inzwischen blinzelte verdutzt in das mit Kleiderständern und Regalen nur so vollgestopfte Zimmer hinein, indem gemäß Ayumis Prophezeiung die Farben Rot und Schwarz dominierten, wie die schwarzen und weißen Streifen auf einem Zebrafell... Also drehte sich ihr neuer Stylist, nachdem er sich von dem Anblick erholt hatte, achselzuckend wieder um und verkündete: "Ich seh schon, wir fangen wohl wirklich besser mit Tamiki-san an. Bei der Auswahl haben wir es dann leichter Ihre Outfits so anzugleichen, dass sie zueinander passen..."

/So kann man es natürlich auch ausdrücken.../, grinste Ayumi in sich hinein und kam doch nicht umhin, den Schwarzhaarigen seinen Respekt zuzugestehen, da es für Fremde nicht einfach war an Nereis heranzukommen; aber Shiro schien genau zu wissen, wie er sein Anliegen formulieren musste und was er besser nicht zur Sprache brachte - jedenfalls hüpfte Rei bereits fröhlich nach nebenan, während er tatenfreudig rief: "Ich helfe Ihnen, Shigeharu-san !"

Verwirrt blinzelte der Angesprochene ihn an: "Und das soll der Higure-san sein, von dem mir Yasunari erzählt hat?"

"_Diesen_ ,Higure-san' lernen Sie noch früh genug kennen... Vieles ist tatsächlich nur eine Frage des Umgangstons, aber es macht sich wohl auch schlecht, wenn der Manager ständig vor seinen Stars kuscht..."

Achselzuckend wandte sich Shigeharu um: "Aber dieser junge Hüpfer da ist ja nicht nur harmlos - der ist geradezu niedlich!"

Daraufhin lächelte Ayumi versonnen: "Ist er auch - wenn man weiß, wie man mit ihm umgehen muss..."

"Shigeharu-san" Wie wär's mit dem hier?", rief Nereis und hielt ihm erwartungsvoll ein Outfit vor die Nase, kaum dass sie Shays Zimmer betreten hatten.

"Willst du mich arbeitslos machen?", lachte der Größere nur und begutachtete dessen Auswahl kritisch, bevor er leicht nickte und Shay auch schon die kunstvoll zerfetzte dunkelblaue Hose sowie das schwarze Gazehemd in die Hand gedrückt bekam, an dem etliche Lederbänder und -riemen hingen, mit denen man es eng um den Körper wickeln konnte.

Ergeben seufzend zog Ayumi sich um, während Rei und der Stylist schon wieder verschwunden waren und versuchte erst gar nicht zu verstehen was hier abging.

/Rei, die Wildkatze wird zum zahmen Hauskater... Ob morgen wohl die Welt untergeht?/
 

Mit trockenem Mund starrte er die rothaarige Verführung in Person an.

"Rei...?", krächzte er.

"Und? Gefällt es dir?", erkundigte sich Nereis mit völlig unschuldiger Stimme, jedoch umso aufreizenderem Blick, während er Shay immer näher kam und schließlich die Arme um seinen Hals legte, sich so eng an ihn drückte, dass der Blauhaarige genau spürte wie wenig Stoff ihre Körper voneinander trennte.

Ayumi murmelte etwas, dass er selbst nicht verstand, strich gedankenverloren über die runden Hügel, die nur noch von einer dünnen Lage reiner Seide verhüllt wurden, überhörte schlicht und einfach Shigeharus ein wenig spöttisches Räuspern.

"Sprachlos?", hauchte Nereis ihm lasziv in die Ohrmuschel, leckte kurz mit der heißen Zunge darüber.

"Nhh...", machte Ayumi zustimmend und presste die Augen fest zusammen, um sich nicht zu vergessen, als ihm sein Blut wie ein heißer Blitz von der Stelle, an der Rei gerade mit seinen Zähnen knabberte, in tiefergelegene Orte seines Körpers schoss.

"Sehr schön! Wenn die Damen zufrieden sind, können wir ja gehen!", meldete sich Yokomitsu plötzlich keine zwanzig Zentimeter weiter mit nicht unbeträchtlicher Lautstärke zu Wort und ließ sie erschrocken auseinander fahren.

"ARSCH!", fauchte der Blauäugige offensichtlich alles andere als begeistert.

"Zu liebenswürdig, Mylady", erwiderte ihr Manager ungerührt und brachte es anschließend irgendwie fertig, sie innerhalb von knapp fünf Minuten in sein Auto zu verfrachten.

I/12

Story: Rêve Noir and Blue Fake

Autor: Absolutely Black Rain

E-Mail-Adresse: spiegel_der-traenen@yahoo.de

Teil: 12

Abgeschlossen: Nein

Art: Multipart

Fandom: Reality, Krimi

Rating: MA

Yaoi: ja

Warnung: angst/ depri/ drama/ lemon/ lime/ romantik/ sap/ violence/ thriller/ krimi

Disclaimer: Die Geschichte und alle darin vorkommenden Personen sind vollständig von mir erfunden worden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig. Sollte sich jemand etwas ausleihen wollen, ist er dazu verpflichtet, mich erst zu fragen.

Kommentar: Und noch eine neue Geschi von mir, die mir sehr am Herzen liegt ^^ Ich mag die beiden einfach. Irgendwie ist es süß wie die beiden umeinander herumschleichen ^^° Allerdings oft auch ziemlich lecker, oder was meint ihr ^^ Nun denn, ich hoffe die Story gefällt euch und ist euch auch ein wenig Feedy wert ^-^ Noch einen riesen Dank an meine Betas Netti und Shunima ^^ Und jetzt viel Spaß beim Lesen ^^

Erklärung: Nereis Higure und Shin-Ayumi Tamiki, die schon in jungen Jahren zu Waisenkindern wurden, sind die beiden Mitglieder der weltberühmten japanischen Band "Tsuki Chi". Ständig sind sie in allen Medien vertreten und sie arbeiten hart für ihren Erfolg. Was jedoch niemand weiß, ist, dass die beiden sehr viel füreinander empfinden, ohne dass sie bemerken, dass die Gefühle des anderen die gleichen sind. Doch es scheint nicht zu reichen, dass sie sich ständig vor dem anderen verstellen müssen und so immer wieder Missverständnisse, Trauer und Streit entstehen, dass die Arbeit viel, manchmal auch ZU viel von ihnen abverlangt und auch der Tod ihrer Eltern noch längst nicht vergessen ist...
 


 

~ 12 ~
 

Noch immer nicht vollständig erholt starrte er das blauäugige Wunder neben sich an, das sich schmollend gegen seine Schulter lehnte, und konnte sich nicht an ihm satt sehen.

Er hatte Nereis ja schon immer verdächtigt, eine männliche Nymphe zu sein, aber nun... nun war er zu einem jungen _Gott_ geworden:

Schwarze Seide schmiegte sich in Form eines einem Kimono zumindest ähnlichen Gewand mit weiten Dreiviertelärmeln hauteng an ihren schönen Träger, wobei der untere rockähnliche Abschnitt vorne und hinten bis etwa zwanzig Zentimeter über die Knie und an den Seiten bis zum Poansatz hoch geschlitzt war und so einige wirklich aufregende Ausblicke auf Nereis' schlanke Endlosbeine erlaubte. Der obere hemdähnliche Teil dagegen gewährte freien Ausblick auf Reis samtigglatten Oberkörper, da er vorne bis zum Bauchnabel V-förmig verlaufend offen blieb und nur gerade noch die Brustwarzen verhüllte.

Dass ihm jedoch auch noch der Atem stockte, dafür waren die dunkelroten, silbern gemusterten Satinbänder zuständig, die nicht nur kunstvoll um Reis Hüfte und Oberarme geschlungen waren, sondern auch aufreizend um die Fußgelenke sowie einen Oberschenkel gewickelt - und last but not least die drei Lederbänder mit jeweils einem Ring daran, die an den Handgelenken sowie am Hals befestigt waren und von deren Ringen sich jeweils zwei lederne Schnüre um Nereis' milchweiße Haut wanden.

Unvermittelt blickte der Rothaarige ganz direkt zurück, lächelte leicht über Shays Gesicht und nahm eine der großen Hände in seine beiden viel kleineren, führte sie an seinen Mund und begann mit genüsslich geschlossenen Augen leise schnurrend an Shays Fingerspitzen zu saugen, nuckelte manchmal leicht, bis sich Ayumis Lider über die schwarzen Tiefen senkten und er ein unmissverständliches Ziehen zwischen seinen Lenden verspürte, welches sich schnell steigerte, seine freie Hand wie durch unsichtbare Geister geführt unter den schwarzen Stoff und Reis Oberschenkel verschwinden ließ, um den Kleineren noch näher an sich zu drücken.

"Aus! Hört auf euch gegenseitig zu vernaschen, ihr da hinten! Ihr habt gerade erst gefrühstückt - gegessen wird erst später wieder!"

"Halt einfach die Klappe, du eifersüchtiges Arschloch, okay?", murmelte Rei unverfroren und gleichgültig.

"Ruhe auf den billigen Plätzen! Und damit das klar geht: Wenn ihr nicht endlich auf mich hört, streiche ich euch sämtliche Urlaubstage! Glaubt ja nicht, dass ihr hier machen könnt, was ihr wollt, ihr verzogenen Gören!"

"EKELHAFTER BASTARD!!", befanden Nereis und Ayumi daraufhin einstimmig.

"Sehr ihr - genau das wollte ich hören", gab Yokomitsu gereizt zurück und brachte den Wagen mit einer scharfen Bremsung zum Stehen.

"Och nö... wer hat die denn hierher bestellt?", stöhnte Rei sofort und verlagerte schlagartig seine ganze Aufmerksamkeit nach draußen. Der Schwarzäugige folgte seinem Blick und seufzte tief: Eine Horde Paparazzi und Journalisten drängte sich vor dem noblen Hotel in dem Shigeharu untergebracht worden war und indem auch das Shooting stattfinden sollte.

Sich innerlich unbehaglich fühlend, äußerlich jedoch so kühl und stoisch wie immer, betrachtete er durch die verspiegelten Autofenster den Auflauf all dieser Menschen, die alle nur auf sie warteten.

Währenddessen telefonierte Yokomitsu mit der Security - die sie leider Gottes nur zu oft buchen mussten -, die keine Minute später aus dem Hotel kam, um ihnen den Weg zu bahnen.

Es sagte vermutlich genügend über ihren Ruhm aus, dass sie gleich _sechs_ Sicherheitsleute brauchten, nur um lebend in dieses Hotel zu kommen, dass gerade mal drei Meter vom Bürgersteig entfernt stand.

Tief Luft holend wartete er bis Shigeharu und ihr Manager ausgestiegen waren, dann nahm er Rei bei der Hand, zog ihn schnell aus dem Auto und hastig die wenigen Meter bis ins Hotel, in das die Reporter und Fotografen nicht vorgelassen worden waren.

"Könntest du mich das nächste Mal bitte vorwarnen, ehe du mich wie ein Irrer verschleppst??", keifte Rei, freundlich wie immer und rückte pingelig sein Gewand zurecht.

Allerdings musste der Blauhaarige ihm zugestehen, dass es sich mit den Geta, wie die traditionellen japanischen Holzsandalen hießen, welche der Rotschopf passend zu seiner Aufmachung aber sonst eigentlich nur zu japanischen Festtagen oder ähnlichen Anlässen trug, sicher nicht einfach lief, wenn man rücksichtslos - und vor allem _schnell_ - hinterhergezogen wurde.

Das änderte allerdings nichts daran, dass er es zutiefst bedauerte, dass sein Rotschopf bereits wieder in seine Rolle als hochmütiger Vamp zurückzufinden schien... Wie gern hätte er noch eine Weile den süßen, bedeutend pflegeleichteren Nereis von heute morgen genossen...

"Ach komm, du lebst ja noch! Ich wollte nur verhindern, dass sie dir die Klamotten vom Leib reißen", gab Ayumi die Augen verdrehend zurück und lehnte sich vor, um mit gesenkter Stimme hinzuzufügen: "Oder gehe ich falsch mit der Annahme, dass unter diesem Ding kein Platz mehr für Unterwäsche war? Ich kann mich jedenfalls nicht entsinnen, vorhin im Auto etwas dergleichen ertastet zu haben..."

Der Blauäugige jedoch funkelte ihn nur wütend an, wobei Shay sich fragte, was er denn jetzt nun schon wieder schlimmes gesagt hatte, doch in diesem Augenblick klinkte sich Shigeharu atemlos ein, um sie auf sein Zimmer zu führen, da er ja seine Make-up-Utensilien nach Kyoto mitgebracht hatte und sie nun für das Shooting herrichten wollte.

I/13

~ 13 ~
 

/Ich hasse es, wenn du mich nur auf Sex reduzierst/, dachte Rei verbittert. Natürlich trat er immer so auf und liebte es auch, mit seiner Sexualität, seinem Körper und seiner Wirkung auf andere zu spielen, aber letztendlich blieb es doch nur (s)ein Image - und gerade Ayumi hätte dies doch nur zu genau wissen sollen...

Wütend und traurig zugleich folgte er ihrem neuen Stylisten, war bemüht, Abstand zu seinem geliebten Kollegen zu wahren, um sich nicht zu verraten, während er mit seinem aufgesetzten Standardlächeln - "zauberhaft" und doch immer ein wenig aufreizend - elegant durch den Gang schwebte.

Manchmal fragte er sich wirklich, warum und für wen er das eigentlich tat, wenn man ihn einmal wieder wie eine hübsche Puppe ohne jegliche Gefühle behandelte.

Warum? Weil er sich im Grunde genommen schwach und angreifbar fühlte und dies überspielen musste, damit potentielle Widersacher es nicht bemerkten und ihn in Ruhe ließen.

Und... für wen? Für die Fans? Für sich? ...für Ayumi...? Er wusste es nicht mehr.

"Setzen Sie sich", bot Shigeharu zuvorkommend an, sobald sie angekommen waren, und Rei nickte dankbar.

Plötzlich aber sah der Stylist ihn sehr genau an. "Sie haben wirklich schöne Haare... Yokomitsu sagte mir bereits, dass Sie sehr stolz auf sie sind... Soll ich sie Ihnen frisieren oder möchten Sie sie Ihnen lieber selbst machen?"

Überrascht blinzelte Rei ihn an. "Seit wann fragt ein Stylist, ob er stylen darf? Dafür wurden Sie doch schließlich eingestellt!"

"Natürlich. Aber wenn Menschen auf etwas sehr stolz sind und sich ein anderer einfach einmischt und damit macht was er will, dann reagieren sie im Allgemeinen nicht sehr kooperativ. Außerdem habe ich gehört, dass Sie ein guter Selbst-Styler sind und wir haben wegen des Staus vorhin nicht mehr so viel Zeit..."

Nereis nickte erleichtert, wenn auch immer noch ein wenig verblüfft. Er mochte Shigeharu-san irgendwie und bei ihm war es tatsächlich ungewöhnlich, dass er sofort auf jemanden ein- und zuging. Trotzdem... wenn er ehrlich war, hegte er seit dem letzten Stylisten einen großen Unmut gegen Leute, die in _seinem_ Haar herumfummelten und gerade heute war ein Tag, an dem er sich dabei _wirklich_ sehr unwohl gefühlt hätte...

Ja, hätte Shigeharu heute damit begonnen, ihm die Haare zu machen, wäre es für Rei gewesen, als hätte er auch an den Haaren seiner Mutter gearbeitet, und da er tatsächlich ihre glatten seidigen Haare geerbt hatte, wäre es für ihn wohl fast einer Leichenschändung gleichgekommen, nach der Szene vor einer Stunde...

Natürlich wusste Rei, dass das alles großer Unsinn war, dass er sich am Tod seiner Eltern festbiss, statt ihn zu akzeptieren, aber... er konnte einfach nicht anders.

"Nehmen Sie sich, was Sie brauchen, und gehen Sie dann am besten ins Bad! Dort haben Sie einen schönen großen Spiegel."

Rei tat wie geheißen, brauchte allerdings ein paar Minuten, um unter all den Dingen, die Shigeharu hierher mitgebracht hatte, das Richtige zu finden. Der Stylist schien wirklich mit einem halben Kosmetiksalon herumzureisen!

Dann, nachdem der Größere ihm nur schnell das Gesicht grundiert hatte, was mit fertiger Frisur schließlich ziemlich umständlich geworden wäre, huschte er ins Bad und machte sich an die Arbeit.

Er brauchte tatsächlich nicht sehr lange.

Mit etwas Gel sowie silberfarbenem und violettem Haarspray fixierte er die Frisur, die er aus seinen Haaren geformt hatte, und war schon nach einer guten Viertelstunde wieder fertig.

Kritisch betrachtete er sich im Spiegel und nickte dann zufrieden, packte alles wieder zusammen, um zurück in das Hauptzimmer zu gehen.

"Schon fertig?", fragte der Schwarzhaarige, der mit dem Rücken zu ihm gewandt vor Shay stand und ihn vermutlich gerade schminkte - sehen konnte er das ja nicht.

"Schon? Bei unserer kleinen Lieblingskröte heißt das ,erst'! Was ist, Darling, hast du dich aus Versehen in dein eigenes Spiegelbild verliebt, dass du so lange gebraucht hast?"

"Sehr witzig!", fuhr Nereis ihn an und brachte die Friseurutensilien wieder dorthin, wo er sie gefunden hatte. "Ich habe nur geguckt, ob ich alles richtig gemacht habe!"

"Als ob er tatsächlich einen Spiegel bräuchte, um zu wissen, dass er selbst in einem Kartoffelsack noch sexy aussähe", bemerkte Ayumi an den Älteren gewandt trocken.

/Und wenn schon. Was hilft dir ein schönes Gesicht, wenn deine Seele umso hässlicher ist.../, dachte Rei und hätte er in diesem Moment in den Spiegel gesehen, so wäre er wohl vermutlich selbst vor den erschreckend leer wirkenden Augen zurückgewichen.

So jedoch setzte sich der Rothaarige schließlich abwartend neben die beiden anderen und sah bewundernd zu, wie Shigeharu Ayumi geschickt zurechtmachte. Er verstand sich sichtlich darauf, die Vorzüge eines Gesichtes herauszuarbeiten und dessen natürliche Schönheit zu betonen.

Und obwohl er nicht mit Make-up sparte (schließlich gehörten aufsehenerregende Outfits samt entsprechender Schminke untrennbar zum Image von Tsuki Chi) wirkte es auf eine schwer beschreibbare Art und Weise ganz natürlich - geradeso als würde das Make-up zu Shays Person dazugehören.

"Schließen Sie noch einmal die Augen", bat Shigeharu und ganz unvermittelt überkam ihn eine Welle derartig erstickender Trauer, dass er hastig das Gesicht abwenden musste.

Nein. So wie es aussah würde er nie darüber hinwegkommen... Er würde Ayumi nie schminken können, auch wenn er es sich noch so sehr wünschte.

Bedrückt nestelte er an seinem Gewand herum und tat sich selbst Leid. /Ich hasse mein Leben!/

Doch ganz plötzlich... legte sich eine große warme Männerhand auf seine Finger, ergriff diese und drückte sie fest, aber nicht schmerzhaft. Überrascht sah er zu Ayumi auf. Der ließ sich noch immer stylen...

Aber er lächelte auch. Lächelte ein wenig aufmunternd und nur ganz leicht, sodass man es bloß sah, wenn man einen geübten Blick besaß. Doch - und das war für Rei das Wichtigste- nur für ihn.

Dankbar erwiderte er den Druck, genoss das leichte Streicheln und entspannte sich zusehends: Wozu sich Sorgen machen und über das Leben beschweren, wenn doch Ayumi bei ihm war?
 

Wie immer dauerte die "Maske" eine Ewigkeit. Besonders bei Rei, der, wie Shay immer behauptete, zwar so hübsch war, dass er tatsächlich nicht das geringste bisschen Make-up nötig hatte, aber gleichzeitig so schöne weiche, fast ein wenig feminine, auf jeden Fall aber androgyne Züge hatte, dass man mit ihnen praktisch alles machen konnte und die Stylisten immer wieder reihenweise in Verzückung gerieten und sich dann stundenlang daran aufhielten und alles Mögliche ausprobieren mussten.

Shigeharu war zwar nicht ganz so schlimm und stand zudem ja auch unter Zeitdruck, aber auch ihm machte es ganz eindeutig viel Spaß, Rei anzupinseln und er ließ sich nicht vor den letzten Minuten davon überzeugen fertig zu werden.

"Los jetzt! Die Fotografin wartet bestimmt schon!", rief Yokomitsu ungeduldig und scheuchte sie aus dem Zimmer noch einen Stock höher in die Präsidentensuite, in der das Shooting stattfinden sollte.

"Die Bilder sollen Fanservice werden. Die besten werden rausgesucht und als Fotostrecke zusammen mit einem ellenlangen Bericht über euch, euer letztes Konzert und die letzten News in der Shoxx erscheinen", informierte ihr Manager sie noch zwischen Tür und Angel.

"Fanservice", wiederholte Rei leise und versuchte zu verhehlen, dass ihm der Gedanke doch ein wenig unangenehm war. Nicht, dass er etwas dagegen hatte mit Shay rumzuknutschen oder ein bisschen zu fummeln, selbst wenn es vor der Kamera war. Aber wenn er daran dachte, dass es für Shay nur Show, bestenfalls ein bisschen Spaß bedeutete, hatte dieses Wort plötzlich doch einen sehr schalen Beigeschmack...

Und irgendwie war er sich nicht ganz sicher, ob er es gerade heute gut vertragen konnte, nachdem Ayumi heute und gestern so süß und warmherzig zu ihm gewesen war, sogar geschworen hatte immer für ihn da zu sein - aber eben nur als _ein_ und nicht _der_ Freund...

I/14

~ 14 ~
 

Shay fühlte sich unwohl in der riesigen, rein westlich gehaltenen Präsidentensuite.

Zwar verhehlte auch die Einrichtung ihres eigenen Hauses ihr astronomisches Jahresgehalt keineswegs, aber dieses Zimmer war nichts anderes mehr als Luxus in seiner reinsten Form - und wenn man ihn fragte auch überflüssigsten.

Innerlich seufzte er tief, dann versuchte er sich auf die wesentliche Einrichtung zu konzentrieren, die für die Fotos irgendwie genutzt werden konnte: Da gab es ein breites, schimmernd schwarzes Canapé inklusive zweier bequem aussehender Sessel, in denen Rei allerdings vermutlich sofort verschwinden würde so elfenhaft schlank wie er war. Weiterhin zierten ein offensichtlich handgedrechselter in einem warmen Braunrot lackierter Holztisch mit schwarzen Einlegearbeiten sowie die vier dazugehörigen weich gepolsterten Stühle den Raum. Ansonsten gab es noch ein paar Regale, die ihnen nichts brachten, zumal sie fast gänzlich aus Glas zu bestehen schienen, und dann einfach nur noch so viel Platz wie möglich: Gut die Hälfte des edlen Parkettbodens war frei zugänglich und auf der Fensterseite des Raumes lag noch ein geradezu gigantischer runder Perserteppich, der einen Durchmesser von bestimmt zweieinhalb Metern hatte. Nicht nur für japanische Verhältnisse war dieser Raum also praktisch leer und äußerst "geräumig" zu nennen.

Nereis, der solche Räume ablehnte und nicht voll gestopfte aber gut gefüllte Zimmer lieber hatte, sah sich eindeutig missgelaunt um, zuckte dann aber doch nur mit den Schultern und verbeugte sich sacht und elegant wie ein Elf vor der Fotografin, die sich bereits wortreich bedankt hatte, dass Nereis und Ayumi sich so kurzfristig noch Zeit genommen hatten.

Ayumi tat es ihm gleich und sah die Frau dann einfach nur fragend an, welche auch sofort zu erklären begann: "Wir haben eine Fanservice-Fotostrecke im Auge, wie Yokomitsu-san Ihnen vielleicht schon mitgeteilt hat."

Rei nickte schweigend. Sein Rotschopf redete nie viel in Anwesenheit fremder Personen - und schon gar nicht _mit_ diesen -, wodurch er oft sehr kühl wirkte, auch wenn er eigentlich das genaue Gegenteil, nur eben etwas verschlossen, war.

"Allerdings dachte ich mir, nachdem ich zur Vorbereitung einige Videos Ihrer Konzerte angesehen habe, dass improvisierte Posen Ihre", sie errötete leicht, "natürliche Schönheit noch unterstreichen würden und habe daher eine bewegliche Ausrüstung mitgebracht. Ich würde Sie dann also gern überall hier im Raum - auf einem Sessel, auf dem Teppich und was Ihnen vielleicht noch gefiele - fotografieren, um eine gute Auswahl zu haben. Bewegen Sie sich einfach frei durch den Raum und beachten Sie mich gar nicht."

/Blablabla/, dachte Shay leicht genervt, ohne jedoch seine unbewegte Miene zu verändern. /Als ob wir Amateure wären!/

Rei dagegen nickte nun schon wesentlich begeisterter und sah sich noch einmal prüfend im Raum um.

Fanservice und alles was irgendwie damit zu tun hatte möglichst sexy und verrucht auszusehen war genau seine Welt.

Shay wusste nicht einmal genau warum, doch es brachte ihn innerlich zum Lächeln: Manche Dinge würden sich an Rei wohl nie ändern und irgendwie beruhigte ihn diese Tatsache ganz ungemein, denn es bedeutete zugleich, dass er nicht eines Tages aufwachen und einen völlig anderen Menschen vor sich haben würde.

"Den Teppich nehmen wir zuerst!", bestimmte Nereis und Shay zuckte nur zustimmend mit den Schultern, während Yokomitsu entschuldigend zur Fotografin blickte, die ihre Ausrüstung bereits vor einem der beiden Sessel positioniert hatte und nun versuchte, gute Miene zu bösem Spiel zu machen.

"Aber natürlich", erwiderte sie mit ihrer leisen, einem beständigen Seufzen nicht unähnlich klingenden Stimme und ließ sich von Yokomitsu bei der Umstellung der Geräte helfen, damit es schneller ging.

Unterdessen setzte sich Rei in die Mitte des Teppichs, die Beine seitlich vom Körper auf dem Boden liegend und sich mit einer Hand abstützend. Ayumi sah anerkennend zu, wie Nereis sich in Sekundenschnelle zurechtrückte, setzte sich dann an die linke Seite des Rotschopfes und zog ihn halb an sich.

"Wartet!", rief Shigeharu und kam schnell heran, knüpfte dann eilig die Lederriemen um Reis Hals wieder auf und drückte sie Ayumi in die Hand. Dieser blinzelte ihn einen Moment nur verwirrt an, dann verstand er und grinste Nereis leicht an.

"Jetzt habe ich wohl ein neues Haustier, was?", flüsterte er dem Jüngeren direkt ins Ohr und zog jenen dann mithilfe seiner neuen _Leine_ vorsichtig noch ein Stück näher zu sich heran.

"Meoow..." schnurrte der Neunzehnjährige zur Antwort und vergrub seine Finger über Shays Brust in dessen Oberteil.

Noch bevor Ayumi blinzeln konnte, huschte das Blitzlicht über ihre Gesichter und wenige Minuten später, in denen sie sich gekonnt auf dem Teppich räkelten und mit ihrer Herrchen-und-Haustier-Rolle experimentierten ohne die Kamera noch recht zu registrieren, weil sie viel zu sehr miteinander beschäftigt waren, musste die junge Frau auch schon den ersten Film wechseln.

Flink wie ein junger Fuchs sprang der Rothaarige auf und schleppte Ayumi durchs Zimmer, sodass sich der Schwarzäugige innerhalb von ein paar Dutzend Sekunden bereits wieder auf der Seite liegend und mit einem angewinkelten Arm auf der Lehne abstützend auf dem Canapé vorfand.

Mit einem kurzen "Da!" packte Nereis ihm wieder die weichen schwarzen Lederbänder in die Hand und verbiss sich, auf dem Rücken liegend, spielerisch in Ayumis Kehle, knurrte leicht, auch wenn man das auf dem Foto logischerweise nicht hören können würde.

Dafür jagte es dem Blauhaarigen jedoch einen angenehmen Schauer über den Rücken und erneut vergaß er alles um sich herum, bemerkte nicht einmal das grelle Blitzlicht, nur den weichen Hals unter seinen zärtlich werbenden Fingern und Reis heißen Atem auf seiner Haut.

/Ich liebe dich/, dachte er atemlos in diesem Augenblick, der sich in sein Gedächtnis grub - unglaublich schön und wertvoll, aber auch ebenso grausam...

"Hab ich nur das Gefühl oder wird es hier irgendwie heiß?", hörte er Shigeharu wie durch dicken Nebel hindurch flachsen.

"Wenn's dir zu heiß wird, kannst du dich gern etwas freier machen, Shiro", gab Yokomitsu anzüglich zurück, was die Fotografin erröten ließ, als Shay, gerade nur mühsam in die Realität zurückfindend, aufsah.

"Wohin wollen wir jetzt?", erkundigte sich Nereis und sah sich bereits suchend um, während sie wieder aufstanden.

/Seit wann sagst du wieder in aller Öffentlichkeit ,wir'?/, gab Ayumi in Gedanken zurück. Laut antwortete er bloß schulterzuckend: "Lass uns den Tisch nehmen!"

Daraufhin grinste Rei breit und ging mit betont aufreizendem, wippendem Gang vor Shays Augen zu dem Möbelstück, drehte sich dort angekommen mit einem gekonnten Hüftschwung um und setzte sich dann elegant und mit übergeschlagenen Beinen auf die Tischplatte, sodass der Stoff seines Gewandes wieder die Festen Oberschenkel preisgab. Schluckend bemerkte er, wie Rei eine perfekt geschauspielerte höflich-interessierte Miene aufsetzte, registrierte allerdings auch das aufreizende Blitzen im Blick seines Rotschopfes, der ihm direkt in die Augen sah.

Ayumi nahm die Herausforderung an, gönnte sich noch einen bittersüßen Augenblick lang den Luxus, Nereis einfach nur bewundernd anzustarren, bevor er sich mit der gefährlichen Langsamkeit eines witternden Jaguars in Bewegung setzte und scheinbar zögernd herankam. Die Fotokamera war endgültig vergessen, Yokomitsu, Shigeharu-san und die Fotografin schlicht und einfach ausgeblendet.

Shay verbeugte sich schmal und fast ein wenig maliziös lächelnd vor dem Jüngeren, setzte dabei ein neckisches Küsschen auf das entblößte Knie. Nereis dagegen schwieg einfach, blieb völlig still, sah ganz und gar unschuldig drein und strahlte gleichzeitig eine sehr subtile Art Erotik aus, ließ seinen blauhaarigen Freund großzügig gewähren.

Ayumis kaum wahrnehmbares Lächeln begann leicht diabolisch zu werden, während er mit seinen Fingerkuppen federleicht über Reis linkes Bein strich bis sich eine feine Gänsehaut unter seinen Fingerspitzen bildete. Einige Momente lang beobachtete er, wie Nereis' stoische Züge nur für ihn und vielleicht noch die Kamera sichtbar zu entgleisen begannen, dann umfasste er die schmalen Knie mit seinen Händen und drückte sie mit sanften Nachdruck auseinander, sodass der seidige Stoff wie in Zeitlupe zwischen die Beine des Kleineren rutschen konnte und verdeckte, was verdeckt bleiben sollte, ließ dann seine Fingernägel über die weichwarmen Schenkelinnenseiten bis wenige Millimeter vor die Körpermitte des anderen und dann jäh nach schräg außen zu den Hüftknochen gleiten.

Ein leises Knurren vibrierte in der Luft und Rei drückte leicht den Rücken durch, doch der Schwarzäugige ließ sich nicht stören als er genüsslich über den flachen Bauch leckte bis er am Schlüsselbein angekommen war und seine Hüfte von zwei schlanken Beinen verlangend umschlungen wurde. Nicht ohne Genugtuung bemerkte er, dass sich nicht nur in seinem eigenen Schoß etwas regte und als er sich endlich mit Reis zarten Lippen befasste, waren sie bereits so lustgerötet wie auch dessen Wangen, während sich ein verräterischer Schleier auf die blauen Tiefen gelegt hatte.

Nereis' Zunge war warm und anschmiegsam, ließ sich willig von ihm verführen als er sie, ganz im Gegensatz zu seinen fordernden Händen, sanft und liebevoll neckte. Langsam drückte er den schlanken Oberkörper auf den Tisch nieder, vergrub sein Gesicht kurz in der dichten feurigen Haarpracht.

"Hat dir niemand gesagt, dass man nicht mit dem Feuer spielt, mein süßes Unschuldslamm?", hauchte er dunkel in die hübsch geschwungene Ohrmuschel des völlig wehrlosen Engels in seinen Armen, der seine Finger kraftlos in seinem Hemd zu vergraben suchte.

"Außer dir sind mir sowieso alle anderen egal... und _du_ musst vergessen haben, mir das zu sagen...", hauchte Nereis sehr leise zurück, was den Älteren ganz instinktiv dazu brachte, ihn beruhigend zu streicheln, während er ebenso leise bemerkte: "Du könntest dich böse an mir verbrennen, Kleiner..."

Doch jener lächelte nur warm und zog ihn enger an sich, sodass er an seinem Hals knabbern konnte. "Nein", murmelte er mit verträumt klingender Stimme. "Ich weiß, dass du mir niemals wehtun würdest..."

"Nicht mutwillig", stimmte er zu und zog Rei langsam vom Tisch. "Aber es liegt in der Natur des Feuers zu verbrennen und gegen die Natur kann man nichts ausrichten, ohne dass sie zurückschlägt..."

"Lieber verbrennen als erfrieren", entgegnete Nereis besorgniserregend wehmütig, als er noch seine Arme um Shays Hals schlang, sodass jener ihn zu dem weitaus bequemeren Sessel tragen konnte, auf dem er sich vorsichtig niederließ, sodass Rei nun direkt auf seinem Schoß saß und sich noch näher an ihn drängen konnte.

"Dann lass mich dich ein bisschen wärmen, mein süßes kleines Klammeräffchen", hauchte er zärtlich und begann wieder, den jungen Geiger zu streicheln und zu küssen, der seine Gesten verschmust, aber ebenso leidenschaftlich erwiderte.

I/15a

~ 15, A ~
 

Seufzend schmiegte Nereis sich an den starken warmen Körper, der ihn beschützend festhielt.

/Danke, Ayumi/, dachte er, auch wenn der andere es auf diese Weise nicht hören konnte und so oder so nicht gewusst hätte, wie viel es ihm tatsächlich bedeutete...

Auch spürte er deutlich, dass er in letzter Zeit zuviel gearbeitet hatte und war Shay eigentlich sogar richtig dankbar für die Gehirnerschütterung, weil sie zwar Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindelanfälle, aber auch mehr Ruhe und _viel_ weniger Arbeit bedeutete...

Und nicht zuletzt hatte er nach all den Jahren des Versteckens allmählich nicht mehr genügend Kraft, um immer den unnahbaren, leicht arroganten Star zu mimen und Shay nicht _mehr_ von seinen Gefühlen zu zeigen.

Er _wollte_ die Liebe, das Herzrasen und das Bauchgeflatter nicht mehr verheimlichen, sondern es ganz einfach genießen dürfen... Doch er wusste nicht, wie das gehen sollte, ohne ihre Freundschaft zu zerstören?

Die trüben Gedanken abschüttelnd leckte er kostend an Shays Schlüsselbein hinauf zum Hals, nahm den vertraut geliebten Geschmack in sich auf und schnupperte neugierig. "Neues Aftershave?", wisperte Nereis dem Blauhaarigen fragend ins Ohr.

"Hm-mh", stimmte dieser zu. "Passt besser zum Duft deiner Haare", fügte er hinzu und Nereis konnte fühlen, wie sich die Lippen an seiner Haut zu einem leichten Grinsen verzogen.

"Ha-Ha", murrte Nereis. Früher hatte er Ayumi immer damit aufgezogen, dass jener so vernarrt in seinen roten Haarschopf war und praktisch jede Gelegenheit nutzte, um Rei durch die Haare zu fahren. Mittlerweile zog Ayumi allerdings die Taktik "Angriff ist die beste Verteidigung" dem Verlegen werden vor und versuchte so seinerseits _Nereis_ zum Erröten zu bringen.

"Nein, wirklich!", beteuerte Shay und zog den Kopf des Jüngeren an dessen Haarschopf ein wenig zurück, damit er ihn auf die Lippen küssen konnte. Zugegebenermaßen war der Kleinere doch ein wenig überrascht, als er in den schwarzen Augen las, dass Shay dies durchaus ernst gemeint zu haben schien.

"Pass auf, dass du nicht zum Haarfetischisten wirst!", bemerkte Nereis trocken und ließ seine Finger unter Shays Oberteil gleiten, strich die glatte Bauchhaut über den leicht angespannten, trainierten Muskeln entlang und schob dabei gleichzeitig den Stoff immer ein Stückchen höher.

"Bin ich doch schon", lachte der andere unterdrückt, was die Bauchmuskeln unter Reis Fingern zum Spielen brachte.

"Aber nur bei dir", kam es noch nach einer Weile leiser und zärtlicher von Shay.

Überrascht stockte der Rothaarige, blickte erstaunt auf und legte fragend den Kopf schief, doch Ayumis Augen blitzten nur kurz auf, während jener die Gelegenheit nutzte sich über Nereis' Gesicht zu küssen.

Gedanken wirbelten wie inmitten eines Hurrikans durcheinander, so sehr, dass ihm schwindelte. Plötzlich aber geriet er in dessen Auge, denn sein Kopf war auf einmal völlig leer und er war bloß noch fähig zu fühlen, wie Shay ihn immer wieder liebevoll und zugleich leidenschaftlich berührte und koste.

So ließ er sich einfach fallen, kuschelte sich eng an den muskulösen Körper, drückte seine Knie fest in Ayumis Seiten und schluckte leicht als das einzige, was sie noch trennte, dünne Stofflagen waren, die gewisse Zustände ihrer "edelsten Körperteile" nicht mehr zu verbergen vermochten.

Ohne dass er noch irgendeine seiner Handlungen beeinflussen konnte, vergrub er seine Finger tief in dem kräftigen Haar, strich langsam hindurch und lugte wie in Trance nach oben, fing unversehens Ayumis leidenschaftlich glühenden Blick auf und wurde zugleich eingefangen, musste so den schwarzen Tiefen standhalten bis es ihm warmes Blut in die Wangen trieb.

Auf einmal wurde er sich unmissverständlich bewusst, dass Shay ihn begehrte, ihn -

"So, das war jetzt genug Zeit für einen telepathischen Quickie, also wie lange habt ihr eigentlich noch vor, da rumzuschmusen? Wir sind längst fertig und ich dachte ihr wolltet heute noch wohin oder sollte ich mich da getäuscht haben?"

Rei zuckte heftig zusammen, kniff einen Augenblick lang die Lider zu wie unter einem heftigen Schlag. Von einer Sekunde auf die andere verflüchtigte sich die ganze Atmosphäre und die Spannung zwischen ihnen beiden schwand als hätte es sie nie gegeben.

Verstört klammerte er sich an Ayumi fest, während er sich zaghaft umsah und nur nach und nach verstand, wo sie hier noch immer waren.

"Habe ich schon einmal erwähnt, dass du ein verficktes Arschloch bist?? Als ob dir zwei Minuten mehr wehgetan hätten!", zischte Shay mit blitzenden Augen, jedoch wie immer völlig unbewegtem Gesicht.

"... oder drei... oder gleich eine ganze Stunde meinst du? Ich dachte ja nur, dass ihr alles weitere besser in euer Bett und _nach_ den Besuch eurer Eltern verschiebt...", sagte Yokomitsu ernst und wesentlich leiser, sodass die Fotografin, die mit der zuvorkommenden Hilfe von Shigeharu ihre Geräte wieder abbaute, es nicht hören konnte. Trotzdem hätte ein Hieb auf den Kopf mit einem riesigen Vorschlaghammer nicht verheerender sein können.

Nereis wurde leichenblass und starrte Ayumi einen Moment lang erschrocken an, bevor er sich hastig losmachte und vom Schoß des Blauhaarigen rutschte.

"Er hat Recht", flüstere er leise und schämte sich in Grund und Boden. Nicht, dass er auch nur eine Sekunde bereute - nein, natürlich nicht!! Es war nicht einmal das schlechte Gewissen seinen eigenen Eltern gegenüber. Sicherlich wollte er sie so schnell wie möglich "wiedersehen", aber sie wussten auch, dass er Ayumi liebte und hätten es ihm bestimmt nicht nachgetragen, wenn er die Möglichkeit nutzte, dem Älteren ein wenig nahe zu sein - und wenn es auch nur bei einem Fotoshooting war...

Anders sah das Ganze bei Shays Eltern aus. Er hatte manchmal auch an ihrem Grab gebetet, weil sie so eine Art Zweiteltern für ihn dargestellt hatten, doch hatte er sich nie getraut, in einem dieser Zwiegespräche mit ihnen zu erwähnen, wie viel er _wirklich_ für ihren Sohn empfand.

Der Rothaarige war zwar nie besonders streng gläubig und auch nicht abergläubisch gewesen, aber _wenn_ er an etwas glaubte, dann daran, dass die Seelen der Verstorbenen nicht einfach wie eine ausgepustete Kerzenflamme verloschen, sondern weiterhin in irgendeiner Form existierten, vielleicht sogar ein wenig über ihre Lieben wachten und man auf jeden Fall mit ihnen reden konnte und auch gehört wurde, selbst wenn man nie - oder selten? - so etwas wie eine Antwort erhalten würde.

Was also würden sie wohl von ihm denken, wenn er Shay - wenn auch nicht aus Bösartigkeit - davon abhielt, sie besuchen zu kommen und ihnen die Ehre und den Respekt zu erweisen, den sie als gute Eltern verdient hatten?

Nein, eigentlich wollte er sich das gar nicht vorstellen...

/Aber er wollte es auch!/, verteidigte ihn plötzlich eine Stimme aus seinem Hinterkopf. Einen Moment war er versucht ihr nachzugeben und Glauben zu schenken, doch dann schüttelte er den Kopf - und klammerte sich stöhnend an Shigeharu fest.

"Higure-san?", fragte der Größere sofort verwirrt und beugte sich besorgt zu ihm herunter.

"Rei-kun oder auch nur Rei reicht", murmelte er abwinkend, bevor er vorsichtig wieder losließ.

"Nur wenn _du_ mich dann Shiro nennst...", gab "Shiro" kein bisschen beruhigt zurück.

"Alles in Ordnung, Rei?", wollte nun auch Yokomitsu wissen, strich ihm über die Stirn und sah dem Jüngeren prüfend in die Augen. Der Manager konnte zwar auch mal richtig eklig werden, wenn er wollte - und leider wollte er das öfter als ihnen lieb sein konnte -, aber auch wenn er ihm das noch nie gesagt hatte, war Rei ihm für Gesten wie diese hier sehr dankbar, denn all die Jahre, die sie nun schon zusammen arbeiteten, war Yokomitsu nicht nur ihr Manager gewesen, sondern auch eine Art Vaterersatz, der sich um sie kümmerte und auch mal den erzieherischen Zeigefinger hob, wenn es sein musste. Manchmal war er schon ein wenig zu streng und irgendwie schien er den Grad seiner Sympathiegefühle damit auszudrücken, wie sehr er jemanden ärgerte, aber nichtsdestotrotz hatte er Humor, er wusste worauf es ankam und ließ ihnen auch einmal das ein oder andere durchgehen, was andere nicht im Traum akzeptiert hätten. Und - er versuchte nicht, sie in irgendeiner Weise einzuengen.

"Ja", bestätigte Nereis leise und befreite sich sachte von dem Älteren. "Geht schon..."

"Bist du _sicher_, Rei? Ich will nicht, dass du mir schon wieder umkippst, hörst du?! SO einfach steckt man eine Gehirnerschütterung nun auch nicht weg", warnte Yokomitsu.

Doch der Rothaarige verdrehte nur noch die Augen. "Jetzt reg dich schon ab, ich sag doch, dass es mir gut geht! Den Besuch bei meinen Eltern redest du mir jedenfalls bestimmt nicht aus!!"

"Ach Kleiner, dass will ich doch auch gar nicht, aber-"

"Du sollst mich nicht so nennen!!"

"Ist dir "kleine Zwecke" etwa lieber, du Wurzelzwerg? Pass nur auf, dass du kein Gift versprühst!", spottete Yokomitsu resignierend und gab seine Besorgnis auf.

"Nun ist aber mal gut!", schlichtete Shigeharu lachend ihre kleine Meinungsverschiedenheit.

"Ja, ja...", kam es unisono zurück.

"Ach! Zumindest da seid ihr euch wohl mal einig!?", tat der Stylist empört und schüttelte den Kopf über sie.

Der Manager ignorierte ihn, wandte sich wieder an den Jüngsten, wuschelte durch dessen Haarschopf: "Versprich mir nur, dass du dich nicht übernimmst, ja?"

Nereis seufzte und nickte nur, entlockte Yokomitsu ein so erleichtertes Lächeln, dass es auch Rei ansteckte. Ja, er war dem Schwarzhaarigen sehr dankbar, weil er einer der wenigen war, die sich ehrlich um ihn sorgten.

Dann jedoch blinzelte er verwirrt, begann sich hektisch, fast panisch umzusehen. "Wo ist er?", rief er aufgeregt.

/Er ist doch nicht ohne mich...?!/

"Ihm ist es wohl zu heiß geworden, Darling", frotzelte der Ältere. "Nein, im Ernst. Er wollte nur eben auf Toilette gehen."

"Gute Idee", nuschelte Rei und verließ rasch das Zimmer, um Shay zu folgen, ohne recht zu wissen, was er da tat. Alles was jetzt zählte, war die Nähe zu dem Mann, den er liebte, das Wiedererlangen seiner Wärme und das Erhaschen weiterer Zärtlichkeiten...

Die besorgten Blicke, die ihm folgten, bemerkte er nicht...

I/15b

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

I/16

Nur kurz: Sorry für das "Adult" bei chäp 15b! Natürlich ist da gar nichts adult - ich weiß auch net warum das dran steht (hab es ja selbst erst vor ein paar tagen auf einen kommi hin bemerkt) -.-°

Trotzdem viel Spaß mit Chäp 16 ^__^ Kommis natürlich wie immer willkommen
 

- - - - - - -
 

~ 16 ~
 

Nun... der Pianist von Tsuki Chi wusste es tatsächlich nicht, wusste nur, dass er seinen rothaarigen Lieblings-Nereis über alles liebte - und seine Gefühle nicht so erwidert wurden, wie er es sich wünschte...

Aber wenn es schon keine Hoffnung auf Gegenliebe gab, wollte er wenigstens das genießen, was er haben konnte. Und so stand er leise auf, trat hinter den Kleineren, legte dann seine Hände auf die schmale Hüfte, spürte das leichte Zittern und beantwortete es indem er den vertrauten Duft der seidigweichen Haare in sich aufnahm, den schlanken Nacken mit zart-flüchtigen Küssen überhäufte, sich langsam zu einem der süßen Ohrläppchen küsste, von denen Ayumi wusste, dass Nereis dort besonders empfindlich reagierte.

"Yumi...", hauchte sein blauäugiger Engel auch sofort und verstummte wieder, ließ sich wohlig windend zu, dass Shay ihn behutsam in seinen Armen drehte und ihre beiden Vorderseiten sanft gegeneinander drückte.

Dem Komponisten schwindelte als er in die verschleierten saphirfarbenen Tiefen blickte: Sie versprachen ihm Unendlichkeiten voller Glück, Liebe und Leidenschaft, wenn er sie nur für sich einnehmen konnte. Es ließ seine Lippen zittern, als er mit ihnen nach dem weichen Mund seines Kleinen suchte.

Er würde wohl nie eine Antwort auf die Frage finden, wie man nur so schön und liebenswert und doch so selbstzweiflerisch sein konnte - und wie er seinem geliebten Füchslein helfen konnte, seine Selbstzweifel abzulegen.

"Sh, Rei...", wisperte er ihm leise ins Ohr und strich mit seinen Fingerkuppen über die warme nachgiebige Bauchhaut, fuhr mit leichtem Druck zu den empfindlichen Seiten, streichelte selbstvergessen durch den weichen Rotschopf.

"Aber du... wir", versuchte Rei stockend einzuwenden.

"_Ich_", unterbrach Ayumi ihn sanft, "will dich einfach ein bisschen küssen und streicheln, den Duft deiner Haare riechen...", schluckend streichelte er mit seinen Fingerkuppen die zarten Lippen, "dich gern haben..."

Hilflos weiteten sich die schönen Augen von europäischer Farbe, aber asiatischem Schnitt. Wie gerne hätte er gewusst, was Nereis in diesem Moment durch den Kopf ging und - was er wohl gerade von Shay dachte...

Er ahnte zwar, dass sein Freund die Zärtlichkeiten genoss, denn er fing ja des öfteren selbst damit an und hatte Ayumis Bemühungen immer erwidert. Trotzdem war sich Shay nie sicher, wie weit er gehen durfte und was Nereis von ihm erwartete. Manchmal hatte der Blauhaarige sogar das Gefühl, Nereis wolle mehr als ein bisschen freundschaftliches Kuscheln, obwohl er doch _wusste_, dass das alles reines Wunschdenken war...

Aber wer würde sich auch _nicht_ wünschen, von einem so wundervollen Menschen auf _diese_ Weise geliebt zu werden...

"Jungs, so ungern ich euch auch bei was immer ihr da tut störe - es wird langsam Zeit und ich werde nicht ewig warten! Selbst die Fotografin ist schon weg! Also überlegt es euch: Entweder ihr fahrt bei Tante Yokomitsu mit oder ihr ruft euch ein Taxi und schaut selbst wie ihr die Reportermeute da unten abwimmelt..."

Seufzend hielt Shay inne, strich dem Rotschopf, der nicht gerade sehr glücklich über die Unterbrechung zu sein schien, über die warmen rotgeküssten Lippen. "' So ungern' ich es zugebe, aber Yokomitsu hat Recht, Kleiner..."

"Ich weiß", murrte Rei missgelaunt, drückte ihm einen bedauernden Kuss auf die Wange und machte sich sanft los, öffnete dann die Tür vor der Shigeharu auf sie wartete.

"Yasunari ist schon auf dem Gang und spricht mit der Security. Er hat beschlossen, dass ihr sie heute noch brauchen werdet, weil ihr ja noch irgendwo hinwollt und die Reporter euch sonst vermutlich zu sehr auf die Pelle rücken", erklärte er auch gleich.

Shay nickte verstehend: Es gab ein stilles Abkommen zwischen ihnen und den Paparazzi, dass sie auf dem Friedhof nicht behelligt wurden - aber dafür wurden vorher wie zum Ausgleich immer so viele Bilder geschossen, dass sie sich jedes Mal fast ERschossen fühlten von den vielen Blitzlichtern.

"Na dann", sagte Rei und lächelte den Stylisten leicht an. "Willkommen im Team, Shiro."

Ungläubig zuckte Shays Augenbraue hoch, während der Schwarz-Grün-Haarige verdutzt von Rei zu ihm und wieder zurückblinzelte und schließlich nur ein schlichtes Danke hervorbrachte.

Shay für seinen Teil nickte noch zustimmend und dann schob ihr Manager auch schon wieder die Tür auf, um sie rauszurufen: "Schnell jetzt! Wir haben zwei Bodyguards als Lockvögel am Hinterausgang postiert - der Haupteingang ist so gut wie frei!!"

Wie auf Kommando setzten sich die beiden Stars mit einem "Bis bald!" für ihren neuen Mitarbeiter in Bewegung und hasteten dem drahtigen Dreißiger hinterher.

Und Yokomitsu hatte Recht behalten. Der Eingang _war_ praktisch leer - abgesehen von zwei Dutzend hartnäckiger Reporter, die auf keine Finte mehr hereinfielen oder noch einen Kollegen dabei hatten.

Und kaum hatten sie nur den großen Zeh zur Türe rausgestreckt, stürmten die Fragen auch schon auf sie ein wie hungrige Piranhas auf ein Stück Frischfleisch:

"Rei-san! Was sagen Sie zu dem hartnäckigen Gerücht, Sie seien in ihren Partner verliebt?"

Genervt rauschte das jüngere Mitglied von Tsuki Chi an ihm vorbei und rief nur zurück, während er einstieg: "Nichts! Ich sage nichts dazu! Sucht euch doch selber aus, was ihr am Besten verkaufen könnt! Ihr dreht mir ja sowieso jedes Wort im Mund um!"

/Aber was ist die Wahrheit?/, dachte Shay und vergaß darüber, schnell weiterzugehen.

"Shay-san! Stimmt es, dass sie eine Beziehung mit Fasae Minamoto begonnen haben, obwohl Sie zehn Jahre jünger sind?"

"Natürlich nicht!", grollte Ayumi mit unbewegtem Gesicht als er die Frage hörte, beschleunigte seinen Schritt wieder, um Nereis zu folgen. "Ich bin nicht an älteren Frauen interessiert!", fügte er hinzu, da ein 'Ich verabscheue diese Schlampe und das, was sie Musik nennt!' Tsuki Chi nur einen weiteren Skandal auf der langen Liste eingebracht hätte. Zwar nahm Shay nicht an, dass die Reporter wirklich seine Hilfe dabei brauchten, diese Liste zu erweitern, aber man musste es ja auch nicht herausfordern...

Eilig stieg er nun ein, schlug die Tür hinter sich zu und legte sich schnell seinen Sicherheitsgurt an, dann fuhren sie endlich los und waren zumindest für die Dauer der Fahrt vor diesen Harpyien gefeit.

Gerade wollte er noch Yokomitsu dafür danken, als er bemerkte, dass ihr Fahrer ein Mitglied der Security war, während ihr Manager offensichtlich in dem vordersten der drei Wagen fuhr, damit er als erstes aussteigen konnte, wenn sie da waren. Abgesehen davon, waren die Rücksitze mit einer schalldichten Glasscheibe abgetrennt, sodass sie sich frei unterhalten konnten.

"Hast du wirklich nichts mit dieser Minamoto? Immerhin ist sie doch richtig hübsch...", fragte Nereis ihn plötzlich aus heiterem Himmel, ohne ihn jedoch dabei anzublicken.

Wie so oft verzog Shay keine Miene, antwortete nur ruhig mit "Nein" und doch verfluchte er sich im selben Moment dafür, dass er nicht auch noch ein 'Und du? Liebst du mich nun?' an seine Antwort anhängen konnte.

"Hm, dann ist ja gut...", murmelte Nereis gedankenversunken und sah fast ein wenig verloren aus, auch wenn es schwierig war, dies zu beurteilen, nun da sein kleiner Rotschopf sein Image wieder wie eine Maske aufgesetzt hatte und es geradezu _lebte_. Doch Ayumi war wohl der Letzte, der sich darüber beschweren durfte, mit seiner eigenen Undurchdringlichkeit...

"Warum?", fragte er deshalb nur und hoffte auf eine ehrliche Antwort.

"Weil ich sie nicht leiden kann. Sie zieht sich doch nur halb aus, um zu überspielen, dass sie gar nicht richtig singen kann und die Stimme auf ihren CDs zu einem dreiviertel nur Studio-Fake ist - oder was glaubst du, warum sie immer nur Playback singt?", ereiferte sich der Jüngere auf einmal unerwartet heftig, ballte die Hände wütend zu Fäusten.

Innerlich musste Shay leise lächeln über diesen Anflug von Eifersucht, doch an seinen jungen Freund gewandt erwiderte er nur leise: "Hey, ist ja gut - das weiß ich doch! Nun reg dich nicht gleich so auf, ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht mit diesem Weib habe, oder!? Glaub mir, für eine Business-Hure[1] bin ich mir nun wirklich zu schade! Außerdem hab ich ja noch dich, also bin ich sowieso voll und ganz ausgelastet!"

Unauffällig strich er kurz über eine der beiden Fäuste, damit sie sich wieder entkrampfte, sah dabei jedoch aus dem Fenster. Es fiel ihm noch immer schwer im Beisein anderer seine Gefühle so offen zu zeigen wie zu Hause. Um ehrlich zu sein, _wollte_ der Pianist es auch gar nicht, denn schließlich waren seine Gefühle doch eine Sache, die nur ihn - und natürlich Nereis - etwas anging.

"Was soll das denn jetzt heißen?!", rief Nereis und knuffte ihn empört in die Seite.

Nun gestatte sich Ayumi doch, ein kleines Lächeln für den jungen Geiger über seine Lippen huschen zu lassen - das natürlich sofort wieder verschwand, bevor vielleicht noch ihr Fahrer auf die Idee kam in den Rückspiegel zu sehen. "Nicht das, was du wohl gerade denkst!", erwiderte er dann sanft und strich dem Blauäugigen aus reinem Reflex eine weiche Strähne hinter das Ohr. "Einfach nur, dass es mir reicht, wenn du da bist, weil du schließlich einer der wichtigsten Menschen in meinem Leben bist..."

"Oh...", machte Rei mit offenem Mund und errötete nun tatsächlich. "Ach... so..."

Verlegen sah der Rothaarige auf seine Hände, befühlte wie zufällig die Stelle an seiner Rechten, die Shay berührt hatte. Eine zwar unbewusste Geste, die das Herz des Schwarzäugigen jedoch jäh um einiges schneller klopfen ließ.

"Was hast du denn gedacht?", fragte er sein süßes Füchslein amüsiert.

"Ähm... ach nichts...", nuschelte er und sah hastig weg.

"Nichts?", wiederholte der Blauhaarige mit hochgezogener Augenbraue, hauchte seinen heißen Atem völlig unbeabsichtigt in die fein geschwungene Ohrmuschel hinein. "Für _nichts_ hast du dich gerade aber ganz schön aufgeregt!"

Als er trotzdem keine Antwort erhielt, zuckte er mit den Achseln, nahm schließlich Nereis' Hand, um eine Beschäftigung für seine seltsam nervösen Finger zu haben und starrte gedankenverloren die zarten Fingerglieder an.

"Du bist doch mein bester Freund und wir wohnen ja auch zusammen... Wenn du eine Beziehung anschleppst, werde ich ihr also zwangsläufig über den Weg laufen... _Natürlich_ rege ich mich da auf, wenn es um _so eine_ Person geht. Und... außerdem will ich nicht, dass du dich dem oder der Falschen hingibst... Du hast es einfach nicht verdient, enttäuscht zu werden...", erwiderte Nereis auf einmal völlig unerwartet, ließ einen warmen Schauer durch Ayumis Adern rieseln.

Sprachlos sah der Schwarzäugige auf, wusste erst keine andere Erwiderung mehr als zärtlich die kleine Hand zu küssen.

"Danke, Nereis! Du bist ein Schatz..."

- - - - - -

[1] Bezeichnung für Frauen im Showgeschäft, die mit unzähligen Männern schlafen, um so an Kontakte und Ruhm sowie Reichtum zu kommen.

I/17

Kommentar: Njo ich gebs zu - is sehr kurz... aber immerhin etwas, bevor zwei Wochen lang wegen der Ferien wirklich GAR NICHTS von mir kommt ^^°
 


 

~ 17 ~
 

Nereis lächelte melancholisch, schmiegte sich ungeniert an seinen Freund und sah dem Fahrer direkt und auffordernd in die Augen, der sie mithilfe des Rückspiegels immer wieder fasziniert anstarrte und nun hastig wegschaute.

/Nein, Shay, der Schatz... bist du!/, erwiderte er in Gedanken, blieb ansonsten jedoch still, ließ einfach die Augen zudriften, um sich auszuruhen bis sie da waren, denn auch wenn er versuchte es zu ignorieren, hatte ihn das Shooting und dessen Drumherum deutlich mehr Energie gekostest, als es sollte.

Er konnte wirklich nur hoffen, dass er die Folgen seiner Gehirnerschütterung so schnell wie möglich kompensiert haben würde. Yasunari jedenfalls würde es sicher begrüßen, denn er sagte zwar nichts, doch Nereis zweifelte auch nicht daran, dass ihm das Wasser im Moment schon _über_ dem Kopf stand, wegen all der Terminverschiebungen, die er zu organisieren hatte.

/Wir haben wirklich das große Los mit ihm gezogen/, sinnierte er noch, dann schlief er an Shay gekuschelt ein.
 

"Hey, Kleiner!", hörte er es nach einer Weile zu ihm durchdringen, doch nur mit aller Kraft brachte er es auch fertig, schläfrig die Augen zu öffnen und Shin-Ayumi fragend anzublinzeln, der ihm sanft den Nacken kraulte wie er schnurrend feststellte. "Was ist?", fragte er leise, die Augen leicht zusammenkneifend.

Sein schwarzäugiger Freund lächelte sacht als er antwortete: "Wir sind zu Hause, Babe!"

"Was denn, schon?", murmelte Nereis verschlafen und besah sich missmutig den theoretisch recht kurzen Weg zu ihrer Haustür, der durch die wartenden Journalisten und Paparazzi jedoch zum Hindernisparcours ohne gleichen wurde.

Einmal ganz davon abgesehen, dass man natürlich etwas von seinem Unfall mitbekommen hatte (sollte er den Verantwortlichen dafür je auf die Schliche kommen, würde er sie zum Dank genüsslich zu Tode foltern) und nun genügend mehr oder weniger wahre Gerüchte über das Wie im Umlauf waren, deren Bestätigung oder Dementi die Medienvertreter erwarteten wie ein Jaguar seine nächste Beute.

Schließlich seufzte er laut auf und nickte leicht, holte noch einmal tief Luft und setzte einen selbstbewusst verführerischen Ausdruck auf sein Gesicht, ließ seine Lippen sich zu einem leicht auffordernden Lächeln kräuseln. Dann öffnete er die Tür...

"HIGURE-SAN!", stürmte es plötzlich von allen Seiten auf ihn ein und er versuchte so viele unverfängliche Statements wie möglich zu geben, während die Security ihnen den Weg bahnte und er Yokomitsu folgte, der eine wohlkalkulierte Antwort nach der anderen gab, ohne auch nur einmal zu stocken.

Leider sah er nach allen Seiten immer wieder versehentlich direkt in die Blitzlichter der vielen Kameras, welche von seinem Gehirn in alle Bereiche seines Körpers weiße Blitze abfeuerten und ihm so von einer Sekunde auf die andere jegliche Kraft raubten.

Er fand gerade noch die Zeit sich mit einer Hand an Shays Arm festzukrallen, dann sackten ihm plötzlich die Beine weg und er hing in einer grotesken Lage in Ayumis Armen, da dieser noch gedankenschnell reagiert hatte, um ihn vor einem Sturz zu bewahren.

"REI!", rief der Blauhaarige erschrocken, zog ihn an sich hoch, während ihre kleine Starkarawane in dieser Journalistenwüste ins Stocken und die Reportermeute in Aufruhr geriet.

"Nur ein kleiner Schwächeanfall, die Nachwirkung seiner Gehirnerschütterung - gehen Sie bitte zur Seite und lassen Sie uns durch!", hörte er ihren Manager für Ordnung sorgen. Und tatsächlich: Wie durch Geisterhand verstummten die sich überschlagenden Fragen, allein die Auslöser der Kameras bestimmten nun noch die Geräuschkulisse.

Nereis kümmerte dies im Moment jedoch herzlich wenig, denn er hatte genug damit zu tun, nicht wie ein Sandsack in Shays Armen zu hängen. Hilflos versuchte er sich am Oberteil seines Freundes festzuhalten, doch vergebens: Er hatte in diesem Augenblick nicht einmal mehr die Kraft seine Finger richtig in dem weichen Stoff zu vergraben, sodass sie einfach nur auf Shays' Brust lagen als sein Kopf schwer auf dessen Schulter sank.

"Bring mich hier weg, Ayumi...", hauchte er bittend, versteckte sein Gesicht vor den Paparazzi, indem er es an den schlanken aber starken Hals des Pianisten schmiegte.

Spürend, dass Shay leicht nickte, schloss er die Augen, als ihn sein Partner scheinbar mühelos hochhob und auf beiden Armen sicher durch die Menschenansammlung trug, während er selbst einfach alles außer Ayumis' tröstlicher Nähe ausblendete.

"Danke... 'Yumi..."

I/18a

Kommentar: Soo hat ne ganze Weile gedauert, auch wegen ABR und einigen anderen Sachen, aber dafür gibt es diesmal einen besonders langen Teil ^-^ hope you'll like it ^^ Und übrigens habe ich nichts gegen Feedback einzuwenden...
 

~ 18 A~
 

"Bring ihn erst mal ins Wohnzimmer und leg ihn aufs das Sofa!", befahl ihr Manager, sobald sich die Haustür hinter ihnen schloss.

Der Blauhaarige gehorchte und trug Rei bis zur Couch, legte ihn vorsichtig darauf und nahm dann seine Hand, streichelte sie tröstend mit der seinen, während Yasunari erst lautstark in der Küche herumpolterte und dann mit einem kleinen Päckchen und einem Glas Wasser zu ihm kam.

"Hier, Rei...", seufzte der Schwarzhaarige. "Die hat dir euer Arzt verschrieben... Sie sind zwar eher für Notfälle gedacht, aber du hast ja offensichtlich _nicht_ vor, dich auch nur ein bisschen zu schonen und so kann es nicht weitergehen... Ich möchte es jedenfalls nicht riskieren, zusehen zu müssen, wie du einen Totalzusammenbruch erleidest..."

Ihr Jüngster nickte nur schwach, ließ sich von ihnen in eine bequeme Sitzhaltung helfen. Ein weiteres Nicken und daraufhin setzte Shin ihm das Glas Wasser an die Lippen, ließ ihn schlucken, schob ihm anschließend die kleine Tablette zwischen die Lippen und gab ihm noch etwas Wasser zum Nachspülen.

Warum musste sein Kleiner nur so extrem verführerisch aussehen mit diesem verschleierten Blick? Er konnte jetzt schließlich nicht einfach über ihn herfallen und - verdammt, er hatte es ja schon immer gewusst: das Leben war einfach ungerecht!

Auch Nereis verzog unwillkürlich das Gesicht und schüttelte sich leicht, wohl aber eher, um den mit Sicherheit unangenehm bitteren Geschmack auf seiner süßen kleinen Zunge zu vertreiben.

"Igitt!", befand er auch sogleich. "Was ist _das_ denn?"

"Die Medizin, die dich wieder auf die Beine bringen soll, Nereis...", erwiderte der Schwarzhaarige, sah den zierlichen Jungen ernst dabei an und strich ihm plötzlich aufseufzend in einer kurzen Bewegung fast väterlich über den roten Schopf.

Dann stand er ganz unerwartet auf, verabschiedete sich mit zahlreichen Gute-Besserung-Wünschen und ließ einen völlig ratlosen Geiger sowie einen verhalten lächelnden Pianisten zurück.

"Was?", machte Rei mit großen Augen.

Shay zog ihn in seine Arme, strich die Haare hinters Ohr und hauchte leise hinein: "Du solltest nie vergessen, wie viele Leute dich wirklich und wahrhaftig gern haben - und sich natürlich auch um dich sorgen, wenn es dir einmal nicht gut geht."

Stockend nickte sein kleines Herzblatt, so verunsichert wie man ihn selten sah... Aber war es nicht immer so? Warum nur fiel es seinem zärtlich geliebten Nereis so schwer, Gefühle zu verstehen, ganz egal ob seine eigenen oder die der anderen? Hatte er sein Image denn wirklich schon so sehr verinnerlicht, dass er alles andere vergessen hatte? Wusste er gar nicht mehr, wie viele Menschen ihn so sehr liebten?

"Ach Kleiner..." Traurig küsste er das sanfte Rund der Halsbuge, den weichzarten Hals, das warme Ohr.

Und sein Füchslein... blinzelte nur einmal mehr verwirrt, berührte zaghaft seine Wange mit der leichten Hand, die den Bogen der Geige so virtuos zu führen vermochte und gleichsam jede einzelne Seite in Ayumis Inneren zum Klingen bringen konnte.

"Shay... Yumi?", flüsterte er unsicher.

"Ruh dich ein wenig aus, bis die Tablette anschlägt, Kleiner... Und dann... dann gehen wir unsere Eltern besuchen, ja?", gab er leise, fast bittend zurück.

"Aber ich will nicht noch länger warten!!", protestierte Nereis aufgeregt. "Jetzt sind schon zwei ganze Tage vergangen und wir kommen sowieso so selten!"

Kopfschüttelnd drückte er den Rotschopf zurück auf die Couch, erwiderte mit sanftem Nachdruck: "Schluss damit, Rei - du wirst dich ausruhen bis du wieder sicher auf beiden Beinen stehst und gut! Sie laufen uns schon nicht weg!"

Einen Moment lang herrschte Totenstille in ihrem Haus. "WAS?", würgte sein blauäugiger Freund entsetzt heraus und schlagartig wurde er sich bewusst, _was_ er da von sich gegeben hatte.

/Das... habe ich das wirklich...?/

Betroffen, nein, geschockt, stand Shay auf, drehte sich weg von dem Jüngeren und starrte mit leerem Blick einen winzigkleinen Wasserfleck auf der Glasplatte des Wohnzimmertischs an.

"Ich-", hilflos hielt er inne. Von Tag zu Tag ereiferte sich in Gedanken wieder und wieder darüber, dass Rei immer mehr zu einer gefühlskalten Puppe wurde, doch was war mit ihm? Ließ er nicht offensichtlich selbst zu, dass sein Image des kühlen, beherrscht gleichgültigen "Shay" von Tsuki Chi immer mehr _Realität_ wurde?

Eine leichte warme Hand zwischen seinen Schulterblättern ließ Ayumi (Shay?) zusammenzucken, dann erstarren.

"Leg dich wieder hin, Rei! Du sollst dich doch ausruhen!", rief er, ohne sich auch nur einen Mikrometer zu bewegen, schloss betont ruhig die Augen. Diese Hand...

Doch statt zu gehorchen küsste Nereis ihm den Nacken, wozu er sich wohl auf Zehenspitzen hatte stellen müssen. Ein Gedanke, der ihm ein Lächeln entlockte, aber es schwand schnell.

"Ich bin erwachsen, Shay... kein Kind, dem man Vorschriften machen kann, auch wenn du das wohl nicht gern einsiehst...", hauchte er ihm leise zu und der Blauhaarige musste sich zusammenreißen um nicht zu erzittern. "Und ich möchte mich jetzt nicht ausruhen... nicht allein. Du hast ein bisschen Ruhe doch genauso nötig wie ich, vielleicht sogar noch viel nötiger..."

Zaudernd drehte der Ältere sich um, sah ein wenig verloren in die schönen blauen Augen, die ihn so ehrlich und offen anblickten, um nach einem Moment des Zögerns jene schmalen aber so unendlich weichen Lippen zu kosen, leise Laute des Wohlgefallens aus ihnen hervorzulocken.

"Immer siehst du aus, als wärst du stark und unverletzlich und du bist immer für mich da...", wisperte der junge Rothaarige mit geschlossenen Augen, doch ernst, an seinen Mund. "Aber gleichzeitig tust du so, als bräuchtest du selbst gar niemanden und das... das geht einfach nicht. Nicht in hundert Jahren! Außerdem... möchte ich auch für dich da sein können... Ich möchte dir auch etwas zurückgeben..."

Seufzend haschte er nach der kleinen warmen Zunge. "Ich weiß, Nereis..."

Doch der hielt inne und schob ihn leicht von sich, damit er ihm in die Augen sah, erwiderte sehr leise: "Wenn du es weißt... warum bist du dann nie zu mir gekommen mit deinen Sorgen? Ich sehe doch, wenn etwas nicht mit dir stimmt! Bitte Yumi... wer immer alles in sich hereinfrisst bis er depressiv wird ist zu schnell mit Drogen dabei in diesem Geschäft... Und ich möchte nie erleben, wie mein Ayumi rumfixt und eine Pille nach der anderen einwirft, nur weil etwas nicht so klappt wie es sollte!"

Ayumi antwortete nicht mehr, starrte angestrengt auf die zarten, alabasterweißen Hände, die seine Finger vertrauensvoll umschlossen hielten, dachte nur schweigend an die Tabletten, die er erst gestern geschluckt hatte.

/Zu spät, Kleiner... _Dein_ Ayumi existiert schon lange nicht mehr.../

Nereis schien zu spüren, dass er keine Antwort mehr erhalten würde, streichelte ihm, auf seiner Unterlippe kauend, den Nacken.

Seufzend zog er seinen rothaarigen Freund wieder an sich, vergrub das Gesicht in der sanft gerundeten Halsbeuge, selbst wenn ihm seine Wirbelsäule dies aufgrund des Größenunterschieds dauerhaft ziemlich übel nehmen würde. Er wollte lieber gar nicht wissen, was sich sein junger Freund für Sorgen um ihn machen musste, wenn er so sprach...

"Wenn du dich nicht allein ausruhen willst, komm mit nach oben. Auf der Couch ist es mir eindeutig zu eng für uns beide!", befand Shay schließlich, um abzulenken, packte ihn an den Oberschenkeln, bedeutete ihm so, seine Beine um ihn zu schlingen, sodass er das äußerst musikalische Fliegengewicht nach oben tragen konnte.

Rei folgte fast artig und ließ es mit einem leisen Schnurren zu, auch wenn er es sich offensichtlich nicht verkneifen konnte, sich ein wenig näher als nötig an ihn zu schmiegen, was dem Älteren einiges an Standhaftigkeit abverlangte. Besser er dachte gar nicht erst daran, was bei ihm gerade noch so alles im wahrsten Sinne des Wortes "zu Stande" kam, als sein nach japanischem Gesetz noch nicht mal volljähriger Hausvamp mit leicht angerauter Stimme anzüglich grinsend erwiderte: "Es ist vielleicht eng... Aber dafür brauchst du auch keine Ausrede um ein bisschen zu kuscheln..."

"Die brauche ich auch so nicht!", gab der Schwarzäugige jedoch nur zu bedenken und erklomm vorsichtig die Treppe. "Schließlich wohne ich hier - da kann ich kuscheln mit wem ich will... und der einzige, der mich davon abhalten könnte, bist allein du selbst..."

"Da müsste ich aber schön blöd sein..." Der blauäugige Geiger schmiegte sich noch ein kleines Stück näher an Ayumi, obwohl der das schon kaum mehr für möglich gehalten hatte, und küsste ihn gefühlvoll auf die Wange, da Shin schließlich auf den Weg achten musste.

Doch obwohl er es _musste_ ging er eher mechanisch die Treppe hinauf. Viel mehr beschäftigte ihn nämlich die Frage, warum er Nereis nicht seine Gefühle gestehen konnte, wenn dieser doch zumindest augenscheinlich nichts dagegen haben würde.

/Weil es nicht gut gehen kann und danach nichts mehr so wäre wie früher... gar nichts mehr.../, antwortete er sich selbst und setzte Nereis traurig auf seinem Bett ab, legte sich nach einer erneuten aufordernden Geste seitens des Rothaarigen zu diesem.

"Manchmal frage ich mich wirklich, warum ich dich nicht einfach heirate...", murmelte er, ohne zu überlegen, was er da sagte, vorsichtig Reis entspannte Gesichtskonturen mit dem Finger nachfahrend.

"Weil es in Japan ohnehin nicht möglich wäre... Und glaubst du denn, dass dich das wirklich glücklich machen würde?", fragte der Jüngere.

Sein Ton klang sehr seltsam, doch Shay sparte es sich, darauf einzugehen, denn er ahnte, dass er in diesem Moment keine zufriedenstellende Antwort erhalten hätte.

So bestätigte er bloß leise aber vielleicht zum ersten mal vollkommen ehrlich: "Ich wäre der glücklichste Mensch auf Erden, Rei..."

"Vielleicht", murmelte der Kleinere mit nachdenklichem und zugleich gedankenverlorenem Blick. "Und vielleicht auch nicht..."

/Nicht "vielleicht", Rei... Ganz bestimmt!/

Mit hundert federweichen Küssen bedeckte er wehmütig das fein geschnittene Gesicht mit hundert sanften Küssen, wickelte sich etwas von dem schönen Haar um die Hand.

"Woran denkst du?", kam es plötzlich aus dem leicht bebenden Mund, der sich nun ausgiebig seiner Ohrmuschel widmete.

"Daran, dass deine Haare früher noch viel länger waren als heute..."

"Ja. Und ich sah aus wie ein Mädchen!", erwiderte Nereis trocken, ließ sich zurück in das Laken sinken, sah ihn dabei mit einem leichten Lächeln einfach nur so unglaublich sanftmütig an.[1]

Wie weggeblasen schien die kalte Distanz seines Images, selbst seine wohl angeborene Kratzbürstigkeit, sodass Shay gar nicht anders konnte als auch seine eigene Fassade der Gleichgültigkeit abzulegen, das Lächeln zu erwidern.

Und es vertiefte sich noch, als er sah wie Rei verharrte, ihn beinahe ein wenig ungläubig anstarrte und sogar zaghaft die Finger nach seinem Mund ausstreckte, als könne er nicht glauben was er da sah.

Und vielleicht war das ja auch gar kein Wunder... Wie lange war es wohl her, dass er sich selbst in Nereis' Armen wirklich endgültig fallen ließ und diesen einfach nur ehrlich anlächelte? - Er konnte sich nicht einmal mehr daran erinnern...

Zärtlich küsste er die ihn zaghaft berührenden Finger, antwortete endlich: "Nein, Rei... Du sahst einfach aus wie ein besonders hübscher Junge..." Für einen Moment lang hielt er inne, sah nachdenklich in die endlos blauen Tiefen und fügte dann etwas leiser hinzu: "Wie mein geliebter kleiner Nereis..."

Er konnte nicht einmal so schnell gucken wie die Wangen seines jungen Freundes heiß entflammten und jener ruckartig auf ihm lag wie ein kleines niedliches Klammeräffchen - ein Äffchen jedoch, das vor Aufregung leicht zitterte und dessen Herzschlag unnatürlich schnell an Shays Brust klopfte. So griff er stirnrunzelnd in den Nacken des Jüngeren, zog ihn an seinem Schopf leicht zurück, um ihm ins Gesicht sehen zu können.

Nereis aber wich seinem Blick aus, flüsterte nur leise: "Warum sagst du so etwas?"

"Warum nicht?", fragte er leicht erschrocken über die Reaktion des Kleineren und rollte sich mit ihm herum bis er auf ihm lag.

Der Rothaarige antwortete nicht, sah ihn nur ganz unerwartet mit einem Ausdruck in den Augen an, der Shay dazu veranlasste ihn so fest wie nur möglich zu umarmen, ohne dass er seinem Herzblatt wehtat.

Und dann... dann schlich sich das feine Lächeln zurück auf Reis zarte Lippen: "Soll ich sie mir wieder wachsen lassen?"

Überrascht starrte der Ältere ihn an, ließ sein Blick über die weichen feuerroten haare gleiten auf die der Violinist zurecht stolz sein konnte und stellte sich vor, wie es wohl ausschauen würde, falls sie tatsächlich wieder so lang würden, dass sie Nereis bis zum Bauchnabel reichten. "Würdest du das wirklich tun?", rief er ein wenig ungläubig, blieb jedoch in sich unentschieden, während Rei nur sacht nickte. "Für dich, Yumi, jederzeit..."

Gerührt küsste er seinen so heiß verehrten Musikerengel, strich mit seinem Mund wie suchend den schlanken Hals hinab und begann selbstvergessen an einem Fleckchen Haut des weichen Halses zu saugen, darüber zu lecken und daran zu knabbern, während er nachdachte.

Wieso war Nereis, der sich nun wohlig seufzend an ihn drängte, auf einmal wieder so... so... offen? Süß? Warum so anhänglich und schlicht und einfach liebenswert?

/Wieder?/, fragte er sich in Gedanken, nickte dann innerlich. /Ja... wieder.../

Genau so musste es früher einmal zwischen ihnen gewesen sein.

Aber konnte er diese Zeiten wirklich zurückholen, nur indem er Rei bat seine Haare wieder wachsen zu lassen? Hatte er diese Geste überhaupt verdient?

"Ayumi?", rief sein junger Freund und holte ihn so aus seinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit.

Verwirrt blickte er auf den dunklen Fleck, der nun feucht glänzend auf dem Hals des Rothaarigen prangte.

"Sag jetzt nicht, dass du mir wirklich einen Knutschfleck gemacht hast!?", stöhnte dieser.

"Äh... ich fürchte doch...", antwortete er langsam, noch immer ziemlich orientierungslos.

Ruckartig drehte sich Nereis mit ihm herum, blickte ihn einen Moment lang schweigend an, bevor er etwas nuschelte, dass sich wie "Elende Skandalnudel" anhörte, sich dann aber wieder anschmiegsam an ihn kuschelte, mit seiner kleinen heißen Zunge sachte über Shays Halsschlagader strich.

"Yumi? ...soll ich?", kam es plötzlich an sein Ohr gemurmelt und er brauchte einen Augenblick bis er sich bewusst wurde, was Rei meinen könnte.

"Nur wenn _du_ es auch willst, Nereis... Es sind schließlich deine Haare!", befand er dann zögerlich. Um ehrlich zu sein war er sich einfach nicht sicher, was er dazu sagen sollte: Der blauäugige Sänger war sehr stolz auf seine Haare, hütete sie jedoch auch wie einen Schatz, weil sie ihn so sehr an seine Mutter erinnerten. Andererseits wusste sein Freund wie sehr Shay eben diese Haare vergötterte und der Schwarzäugige wiederum wusste, dass damit auch er ein Grund dafür war, dass Rei seinen Schopf so liebevoll pflegte. Einzig und allein das Warum war ihm ein Rätsel, schließlich war Ayumi nicht mehr als ein Freund für ihn. Natürlich - ein äußerst _enger_ Sandkastenfreund mit dem er eine Band gegründet hatte, zusammen wohnte, schmuste und nicht selten das Bett teilte, wenn auch nur, um gemeinsam und nicht _miteinander_ darin zu schlafen. Und dennoch blieb er _nur_ ein Freund.

"Ich sagte doch, für dich würde ich es tun... Nur dank dir bin ich schließlich heute der, der ich eben bin...", gab der Geiger leise zurück, strich mit seinen Fingern sanft hinter Shays Ohr entlang.

/Ja, vielleicht, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich auch wirklich _wollte_, dass du genau _so_ wirst.../, dachte er. Andererseits sollte er auch nicht undankbar sein. Nereis war noch immer süß, sein Freund und hatte sich schließlich nicht nur zum Negativen weiterentwickelt. Und... er würde ihn _immer_ lieben, denn die Seele eines Menschen blieb doch immer dieselbe, nicht wahr?

Er seufzte leicht. Völlig ratlos - wie so oft, wenn es um den Blauäugigen ging - streichelte er Reis empfindsame Seiten, genoss den sanften angenehmen Geruch, der ihn einhüllte wie eine weiche herbstfarbene Wolke.

"Ich glaube, die Tablette fängt an, zu wirken", murmelte indes sein junger Freund, stützte sich auf Shays Brustkorb ab, nur um ihn ein wenig orientierungslos anzublinzeln.

"Dann warten wir noch einen Moment und ziehen uns dann um", wisperte Ayumi ihm zu, strich ein wenig bedauernd über die süßen Hügel, die sich geradezu in seine Hände zu schmiegen schienen, als Nereis so leise und dunkel schnurrte, dass er es fast nur als ein zartes Vibrieren in der Luft wahrnahm, das ihm sämtliche Härchen aufstellte und eine heftige Gänsehaut bescherte.

"Nh... okay", nuschelte der Rotschopf und verschloss ihm den Mund, presste seine Schenkel fordernd gegen Shays Hüfte.

- - - - - -

[1] Jubiläum ^^ So eben tippe ich die 50. Seite von Rêve Noir and Blue Fake ab, da ich, wie manche von euch wissen, RNaBF im Gegensatz etwa zu ABR oder anderen Stories ausschließlich auf Papier schreibe und dann nur abtippe und höchstens noch ein bisschen überarbeite.

I/18b

~ 18 B~
 

Verblüfft starrte Shay den Rothaarigen an. Jener hatte sich umgezogen, was ja an sich nichts sonderlich weltbewegendes war - besonders bei Leuten wie ihnen, die an manchen Tagen bis zu fünfzehn Mal die Kleider wechseln mussten. Nereis aber stand gerade ganz und gar in weiß bekleidet vor ihm und abgesehen davon, dass Shay nicht einmal _geahnt_ hatte, dass sein Freund auch weiße Kleidung besaß, sah er aus wie ein wunderschöner Engel...

"Ich weiß selbst, dass mir Weiß nicht steht, aber ich möchte dem Anlass entsprechend gekleidet sein. Würdest du also freundlicherweise aufhören mich so anzustarren?? Du kriegst schon keinen Augenkrebs!!", rief Rei gereizt und verschwand in die untere Etage. Noch immer ein wenig betäubt folgte er dem Kleineren, sah schweigend zu, wie er in farblich zu seinen Haaren passende Schuhe schlüpfte.

Dann endlich berührte er den Jüngeren sanft am Unterarm, zog ihn wortlos in seine Arme. Vermutlich würde sich Rei sein Leben lang darüber wundern, aber er war dieser Tage ja selbst sehr oft anhänglich und Shay wollte diese Nähe zu der wichtigsten Person seines Lebens so lange wie möglich genießen, bevor die kühle Distanz des Show Business entgültig wieder zwischen sie trat.

"Entschuldige", hauchte er ihm sanft zu. "Ich wollte dich nicht anstarren... Ich war nur so überrascht, weil du ja eigentlich kein Weiß magst und es nie trägst... Aber ich war _angenehm_ überrascht, verstehst du? Weil du aussiehst wie ein kleiner Engel: rein und-"

"Sag jetzt "unschuldig" und ich hau dich!", warnte der Sänger ihn. Verdattert blinzelte der Blauhaarige ihn an, weil es genau das Wort war, das ihm auf der Zunge gelegen hatte, grinste dann aber trotzdem breit: "So unschuldig, aber dann doch so sadistisch veranlagt sein, ja? Du bist wirklich eine Kröte im Schafspelz![1]"

"Shay!", rief Nereis wütend und ohrfeigte ihn mit aller Kraft.

Unsanft aus allen Wolken geschüttelt sah er dem jungen Geiger hinterher, der aufgebracht aus dem Haus und zum Auto rannte, hob unwillkürlich die Hand an seine Wange und spürte doch das Brennen in keinster Weise. Wie betäubt schloss die Haustür ab und folgte dann dem Weg nach unten in die Garage, wo Rei bereits wartete, sich anscheinend schon wieder ein wenig beruhigt hatte und doch jeglichen Blickkontakt zu ihm mied.

/Was habe ich denn gesagt? Was ist so schlimm an dem Wort "unschuldig"?/, dachte er verwirrt. Er wurde einfach nicht schlau daraus.

Schweigend durch den scheinbar grundlosen Ausbruch schloss er auf und öffnete auch Rei die Tür, der betreten auf seinen Schoß starrte, zündete dann beunruhigt den Motor. Beunruhigt, weil er wusste, dass Nereis eigentlich immer einen Grund hatte, auch wenn Shay diesen nicht immer verstand.

"Tut mir Leid, Shay...", hauchte sein Kleiner plötzlich erstickt, klang so, wie er sich immer anhörte, wenn er kurz davor stand, zu weinen.

Erschrocken wirbelte er zu seinem Bandpartner herum. "Nicht... nicht weinen Rei, bitte! Das ertrag ich nicht, das weißt du doch", murmelte er hilflos, streichelte die zarte Wange, die sich sogar ein wenig in seine Hand schmiegte, als würde Rei Trost suchen. /Aber warum denn? Was ist hier bloß los, verdammt?/

"Ich wollte dich wirklich nicht ohrfeigen, dass war... es kam ganz plötzlich ohne nachzudenken... Hoffentlich habe ich dir nicht zu sehr wehgetan... Es ist nur... Bitte nenn mich nicht mehr so!", gab er leise zurück.

"Was ist so schlimm daran?", wollte er verständnislos wissen und schaltete den Motor wieder aus.

Doch Nereis wich ihm aus, biss sich auf die Unterlippe und fragte stattdessen: "Willst du nicht losfahren, Shay?"

Der Schwarzäugige seufzte nur und schüttelte den Kopf. "Nein, Rei", erwiderte er nach einer Weile sanft. "Sonst läufst du mir doch nur wieder davon oder kommst mit irgendwelchen Ausflüchten - und das nützt niemandem etwas... Freunde helfen sich, diskutieren über ihre Probleme und all das... und ich _bin_ dein Freund! Also? Was ist es? Was ist los?"

"Ni-Nichts... Ich will nur nicht, dass du so etwas über mich sagst", stammelte der Jüngere hastig, zitterte bereits leicht.

"Und _warum_?", hakte der Ältere unerbittlich nach.

"Ich-"

"Sei ehrlich!", ermahnte Shay ihn, da der dem Rotschopf ansah, dass er nur mit einer weiteren Ausflucht antworteten wollte.

"WEIL ICH ES NICHT BIN!", schrie Nereis plötzlich und Shay sah erschrocken Tränen in den blauen Tiefen aufblitzen, bevor ihm die weiche Wange entrissen wurde.

"Ich... mein Herz... meine Stimme... sie sind... sind nicht rein... nicht schön, wie du sagst, sondern... hässlich...", hauchte der Jüngere. Der Blauhaarige erriet das letzte Wort mehr, als er es wirklich gehört hatte, sah entgeistert in das verzweifelte Gesicht.

"Red doch keinen Unsinn", flüsterte er stockend, entsetzt.

"UNSINN?", Rei lachte zynisch und äußerst künstlich auf. Doch bevor noch mehr Worte, die vor Selbsthass nur so troffen, die schönen Lippen verlassen konnten, hatte er seinen Mund auch schon fest auf sie gedrückt und erstickte jeden weiteren Laut, der zwischen ihnen hervordringen wollte.

"Du bist wunderschön in jeder Hinsicht, Ner- Nein, widersprich mir jetzt nicht, es stimmt! Du bist der schönste Mensch, den ich überhaupt kenne, verstehst du? Und deine Stimme... ich dachte, das hätten wir endlich geklärt?", wisperte er hilflos an den zarten Mund.

"Du verstehst nicht, es-"

"WIE ZUM TEUFEL _SOLL_ ICH DENN AUCH VERSTEHEN, WENN DU MIR NIE SAGST WIE ES DIR GEHT, WAS DU DENKST UND WAS DU FÜHLST? WIE??", rief Shay auf einmal verzweifelt, hielt Nereis an den schmalen Schultern fest.

"Vergib mir, Shay", wisperte die furchtsame Stimme jedoch nur, die ganz und gar nicht zu Rei passte und Shay sofort ein schlechtes Gewissen machte, weil er seinen Liebling so erschreckt hatte. "Aber wenn ich es dir sagen würde, würdest du es mir bestimmt nicht verzeihen... Es würde ganz sicher unsere Freundschaft kaputt machen und das will ich nicht..."

Wie von einem Wespenschwarm gestochen ließ er Rei los und schaltete schweigend wieder den Motor an, gab der Security am Tor ein Zeichen.

/So wenig vertraust du mir also noch?/, dachte er bitter und schwieg gekränkt, während er ein wenig zu schnell zum Friedhof fuhr.

- - - - - -

[1] Stellt euch das mal bildlich vor XD

I/19a

Kommentar: Maa... über all dem Stress hab ich Rêve total vergessen <.< Tut mir echt Leid. Dafür bekommt ihr hier einen für Rêve-Verhältnisse schön langen Teil ^^ aber auf Teil B müsst ihr trotzdem noch warten sonst wäre es ja _zu_ lang ^_~

Widmen möchte ich diesen Teil kain für ihre wundervolle Story "Musik in meinen Ohren" (und dafür, dass mir einige Kapitel gewidmet wurden *freu*) und außerdem Birman. Danke, dass du mir so einfach vergeben hast, das bedeutet mir wirklich viel. *schnuffel* hab dich lieb und deck mich weiterhin gut mit Beta ein! ^^
 

~ 19 A~
 

Schweigend schlug Nereis die Autotür hinter sich zu, wartete mit betreten gesenktem Blick darauf, dass Shay das Auto verriegelte und der Security die weiteren Instruktionen erteilte.

Er war erleichtert darüber, dass Ayumi immerhin nicht so sauer auf ihn war, dass er es ihm überließ, die Sicherheitsleute anzusprechen, da Rei erstens ohnehin nicht gern und viel mit fremden Leuten reden mochte, falls es nicht unbedingt notwendig war, und er zweitens schon ein paar eher unangenehme Erfahrungen mit Bodyguards gemacht hatte. Es waren eben die meisten aber nun einmal längst nicht alle professionelle Mitarbeiter... Und so ungern er es auch zugab - mit seinem aufreizendem Gehabe war er letztendlich nicht ganz unschuldig an solchen Zwischenfällen...

Leise seufzend sah er zu dem Blauhaarigen, der ihm leicht zunickte. Stumm betrat Rei den Friedhof auf dem die Körper ihrer Eltern nun seit vielen Jahren begraben lagen. Er war natürlich nie wirklich glücklich, wenn er durch dieses Tor trat, doch heute fühlte er sich wie nach einer mittleren Katastrophe. Warum hatte Shay es auch herausfordern müssen? Warum hatte er Rei gezwungen, zuzugeben, dass es etwas gab, dass er nie über den Rothaarigen wissen würde? Ihm hatte doch klar sein müssen, was er damit anrichtete!

Unglücklich ließ er den Kopf hängen, während er den gutvertrauten Weg entlang schlich, der ihn zu dem Gerät für die Grabpflege bringen würde.

Dann wurde er plötzlich unsanft zurückgerissen und wenige Sekundenbruchteile nachdem er auf einmal von Shays haltgebenden Armen umfangen wurde, spürte er ein unglaublich weiches Paar Lippen auf seinem Mund, das ihm den Verstand rauben zu wollen schien.

"Yumi?", krächzte er leicht verstört und blickte in die schier unendlich schwarzen Tiefen, in denen sich unter einem Schleier aus Zärtlichkeit und Trauer etwas beunruhigend Undeutbares vor ihm versteckte.

Doch der Schwarzhaarige schüttelte nur kurz den Kopf zum Zeichen, dass er jetzt nichts sagen würde, drückte ihn einfach sanft an sich und streichelte ihm die roten Haare von der Wange, küsste ihn noch einmal so unwahrscheinlich liebevoll, dass Nereis' Herz nicht mehr zu wissen schien, ob es nun stocken oder einen aufgeregten Satz machen sollte. Aber eigentlich war es auch nicht wichtig - was zählte war, dass Shay ihm vielleicht noch nicht vergeben, aber doch gezeigt hatte, dass er Rei deswegen nicht verstoßen würde.

"Danke, Ayumi... Danke...", flüsterte er und wusste nicht mehr, was er machen sollte, als ihm plötzlich die unterschiedlichsten Gefühle das Herz zu sprengen drohten.

Sein Freund aber nickte nur, antwortete ihm mit einem feinen aber ehrlichen Lächeln, deutete dann mit einer knappen Kopfbewegung an, dass er weiterwollte.

Seufzend willigte der Rothaarige ein und folgte seinem Freund, nahm schweigend, was er brauchte, und verfluchte sich schon jetzt dafür, dass er sich heute für die Farbe weiß entschieden hatte, wo er doch sonst auch immer in einer Rot-Schwarz-Kombination gekommen war. Vermutlich war es einfach das schlechte Gewissen gewesen, aber in der Nacht hatte es geregnet und er würde sich ganz bestimmt irgendwo schmutzig machen und dann sah er wohl kaum noch "dem Anlass entsprechend" aus.

Langsam folgte er den ordentlichen Wegen, bevor er plötzlich vor dem Grabstein seiner Eltern stand, während Ayumi noch einige Meter weitergehen musste.

Für einen Moment lang krampfte das Herz in seiner Brust, dann holte Nereis tief Luft und nahm sich zusammen.

"Connichi wa", flüsterte er leise und verbeugte sich ehrerbietig. Dann widmete er sich eine Weile lang einfach der Pflege des Grabmals, säuberte liebevoll den großen Stein, obwohl er dafür bezahlte, dass die letzte Ruhestätte seiner Eltern penibel sauber gehalten wurde und es dementsprechend nicht viel zu reinigen gab.

Schließlich säuberte er sich ein paar der Trittsteine auf dem Boden, setzte sich dann nach kurzem Überlegen wie immer mit nach hinten angewinkelten Beinen auf eben diese, begann seinen Eltern leise aber nicht flüsternd von allem zu erzählen, was ihn in letzter Zeit bewegt hatte.

Gedankenverloren nahm er ein paar Erdkrumen vom Boden und schob sie auf seinem Handteller selbstvergessen hin und her, doch es dauerte nicht lange, da war er auch schon beim Hauptthema all seiner Gedanken angekommen: Ayumi.

Wie in Trance sah er sich nach diesem um - und erstarrte plötzlich. Nie hatte er Shay so gesehen, da er sich immer gänzlich auf seine Eltern konzentriert hatte und Ayumi jedes Mal vor ihm fertig gewesen war: Fasziniert schaute er dabei zu, wie sein blauhaariger Freund still und ernst sein inneres Zwiegespräch führte - ganz im Gegensatz zu Nereis, der jedes Mal wirklich _aussprach_, was er seinen Eltern sagen wollte.

Heftig schluckend riss er sich nach einer Weile von diesem Anblick los, wandte sich traurig wieder seinen Eltern zu. "Ich liebe ihn so sehr und trotzdem... ich kann es ihm nicht sagen, obwohl ich nun weiß, dass er mich nicht von sich stoßen würde. Aber ich will auch kein Mitleid von ihm und auch nicht die Distanz, die es zwischen uns bringen würde. Sie ist ja jetzt schon groß genug.

Was soll ich denn nur tun? Ich würde es ihm doch so gern sagen..."

Traurig sank er in sich zusammen, saß einfach nur noch schweigend da und blickte auf das Grab seiner Eltern. Aber auch das seltsam tröstliche Gefühl ihnen hier nahe zu sein, konnten ihn nun nicht mehr wirklich aufmuntern.

Irgendwann gab er es auf. Nur leise flüsterte er ihnen noch einmal zu, wie sehr er sie liebte und vermisste, stand dann auf und verabschiedete sich.

Als er sich schließlich umdrehte war er wenig überrascht darüber, dass Shay bereits weg war. Es war ja schon immer so gewesen. Und wie immer würde er an einem großen alten Ginkobaum auf ihn warten, sogar zulassen, dass sich die Trauer auf sein Gesicht malte, die für eine gewisse Zeit nicht einmal weichen würde, selbst wenn er nicht mit Nereis allein war.

Es war schon ein wenig bizarr, dass Shay gerade in solchen Momenten besonders schön aussah. Aber vielleicht lag es auch einfach daran, dass er in diesen Augenblicken Gefühle zuließ und sich nicht wie sonst vor (fast) jedem verschloss.

"Schon fertig, Kleiner?", hörte er es plötzlich hinter sich.

Überrascht drehte sich der Rothaarige um, nickte leicht als er Ayumi erkannte. "Ja."

"Dann lass uns gehen. Es sieht aus, als ob es bald regnen würde und ich habe keine Lust nass zu werden!"

Nereis Augen weiteten sich. /Aber...!/

Dann drehte er sich abrupt um und hastete den Weg zu Shays Auto zurück, ohne sich nach seinem Fahrer umzusehen. Nicht einmal die Reporter störten ihn noch wirklich, als er wütend und enttäuscht auf einen der Sicherheitsleute zuging und ihm erklärte, dass er bei ihnen und nicht bei "Tamiki-san" mitfahren würde, störte sich nicht an dem verwirrten Blick, den er daraufhin erhielt.

Er verstand ja, dass Shay sich gekränkt fühlte, aber dass er deswegen den traditionellen Spaziergang ausfallen ließ, den sie früher auch mit ihren Eltern gemacht hatten, nachdem sie ihren Ahnen die Ehre erwiesen hatten... Nein, das konnte er ihm nicht verzeihen, vor allem nicht, nachdem er vorhin noch so getan hatte, als würde er Nereis nichts nachtragen, selbst wenn er sich verletzt fühlte. Aber offensichtlich war dem Schwarzäugigen ja ohnehin vollkommen egal, ob Nereis ihm wohlgesonnen war oder nicht.

/Was regst du dich so auf? Du bist doch selbst Schuld, wenn du dir eingeredet hast, dass du ihm wirklich wichtig bist.../, dachte er und warf Shay, der ausdruckslos, ja höchstens ein wenig irritiert zu ihm herübersah, einen traurigen Blick zu, bevor er hastig einstieg, um den Journalisten zu entkommen, denen natürlich klar war, dass etwas nicht stimmte, wenn die "Unzertrennlichen" plötzlich getrennt nach Hause fuhren.

"Wohin soll ich Sie fahren, Higure-san?", erkundigte sich sein Fahrer, der zu den wenigen Bodyguards gehörte, denen Nereis einigermaßen vertraute.

"Nach Hause, bitte, Kishida-san", erwiderte der Rotschopf und lehnte seinen Kopf gegen die kühle Scheibe, an der tatsächlich bereits die ersten Regentropfen hinabliefen.

/Und wenn schon! Dann wäre ich halt ein bisschen nass geworden!/, dachte er trotzig. Nein, noch immer verstand er Shay nicht. Der Spaziergang war von jeher etwas gewesen, worauf sie _beide_ sich gefreut hatten, aber besonders Rei, einfach weil er so ein stilles Stündchen mit Ayumi ganz für sich allein hatte, während sie die Wege entlangflanierten. Und das vor allen Dingen in eben jenen Minuten, in denen er den Trost und die Nähe seines Freundes am nötigsten hatte.

/Wieso, Yumi? Wieso tust du das? Hast _du_ etwa _keine_ Geheimnisse vor mir?/

Und wie sollte er Shay denn sagen, dass sein Herz es einfach nicht über sich brachte, es ihm zu gönnen, wenn sich Shay in einen anderen Menschen verliebte als ihn? Und das, obwohl er als sein bester Freund doch geradezu die PFLICHT hatte, ihm sein Glück zu gönnen...

"...-san?"

Nereis schreckte auf. "WAS?", fuhr er Kishida gereizt an, obwohl jener doch gar nichts für das Verhalten des Pianisten von Tsuki Chi konnte.

"Ich wollte mich nur bei Ihnen erkundigen, ob wir vor Ihrem Haus Stellung beziehen sollen?", erklärte er mit entschuldigendem Ton, um ihn zu besänftigen.

Langsam schüttelte Rei den Kopf. "Nein. Ich brauche Sie erst wieder heute Abend so wie ausgemacht."

"Wie Sie möchten... Ah, wir sind da! Einen angenehmen Tag wünsche ich Ihnen!"

"Ja. Den wünsche ich mir auch...", murmelte Rei mehr für sich, nickte Kishida nur abwesend zu, sodass er seinen Männern per Funkt Befehle erteilte. Ayumi war offensichtlich bereits eingetroffen.

/Na und? Ist mir doch egal! Mit dem rede ich kein unnötiges Wort mehr!/, schwor er sich und stieg aus, sobald einer der Bodyguards mit einem geöffneten Regenschirm auf ihn wartete, blieb dann aber doch mitten in der Journalistenmeute stehen und begann mehr oder weniger geduldig alle Fragen zu beantworten so gut er eben konnte und wollte, gab ein paar einzelnen Fans, die sich dazwischen gedrängt hatten, Autogramme.

/Feigling!/, rief er sich in Gedanken ärgerlich zu, als ihm klar wurde, dass er nur das Betreten seines eigenen Hauses herauszögern wollte. Nun... immerhin die Presse würde es ihm danken und sie wenigstens für heute ein wenig schonen, jetzt wo sie ihre Stories hatten.

Und schließlich erklärte Rei die "fröhliche" Fragestunde für beendet, ließ sich von Kishida und seinen Kollegen den Weg zum Haus bahnen.

Doch ganz unvermittelt musste der blauäugige Sänger daran denken, was Shay erst vor so kurzer Zeit zu ihm gesagt hatte: "Vielleicht wäre ein Leben als ganz normaler Teenager besser für dich gewesen..."

Und wenn Rei ehrlich war, dann dachte er das manchmal ganz tief in seinem Herzen auch, überlegte, ob er und Ayumi sich dann nicht besser verstanden hätten...

Dann jedoch schüttelte er energisch den Kopf, rief sich selbst zurecht: /Hör auf zu heulen! Du hast ein Kopf über dem Dach, musst dir keine Sorgen um dein finanzielles Morgen machen und es gibt Millionen Menschen, die dich für deine Songs lieben - du hast nun wirklich keinen Grund, dich zu beschweren! Im Allgemeinen geht es dir doch echt unerhört gut!/

Bis auf die Tatsache, dass es ihm genaugenommen _so_ gut dann doch nicht ging und das, worüber sich jeder andere gefreut hätte, bei ihm nur einen schalen Geschmack im Mund hinterließ, solange Shay nicht im Herzen bei ihm war, sich stattdessen immer mehr von ihm löste.

Mit diesem Gedanken gab er ein letztes Zeichen, dann öffnete er, umstellt von großen deutlich trainierten Männern, die Tür und verschwand allein im Inneren des Hauses.

I/19b

Kommentar: Äh sorry... über all dem Stress hab ich völlig vergessen Teil B zu posten >.< Aber hier isser jetzt ^^ Mit dem nächsten Kapitel, also Kp. 20, wird Buch Eins übrigens abgeschlossen sein. Aber natürlich nicht die ganze Story - das dauert noch ein bisschen... vermutlich auch ein bisschen sehr lange ^^° Nun denn... ich hoffe ihr mögt den Teil - für Kommis wär ich auch dankbar.
 

~ 19 B~
 

Noch ehe die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, hielt Nereis urplötzlich inne als wäre er gegen eine Wand gelaufen. Dann reckte er trotzig das schmale bartlose Kinn in die Höhe, funkelte den Größeren angriffslustig aus seinen tiefblauen Augen an.

Schon im nächsten Augenblick jedoch fand er sich hart gegen die Wand gedrückt wieder, seine Unterarme schmerzhaft fest von Shays kräftigen Händen umschlungen, dessen blitzende Augen so dicht vor sich, dass ihm ob ihrer bodenlosen Schwärze zu schwindeln drohte.

"WARUM??", zischte Ayumi mit - ja, mit _wutverzerrtem_ Gesicht. "WARUM HAST DU DAS GETAN??"

"WARUM? WARUM?? DU WEISST VERDAMMT NOCH MAL GENAU WARUM!! WIR HABEN DEN SPAZIERGANG immer GEMACHT! SOGAR BEI ERDBEBENWARNUNG!!", schrie Nereis zornig zurück.

Der Ältere aber sah ihn einfach nur an, dann gab er ihn wortlos frei, wandte sich schweigend ab. "Du _willst_ es, nein, _mich_ nicht verstehen, oder?", sagte er leise, doch es klang nach Feststellung, nicht nach einer Frage.

Er schüttelte den blauweißen Schopf und erklomm langsam die Treppe zur oberen Etage.

Einen Augenblick lang war Nereis versucht ihm zu folgen, dann zog er sich bloß die Schuhe aus und stieg zum unterirdischen Geschoss des Hauses hinab, in dem sich genau vier Räume befanden: Der tatsächliche Keller, die Garage für Shays Auto (da Nereis sich weigerte eine Maschine zu bedienen, die seine Eltern das Leben gekostet hatte, besaß er selbst nicht einmal einen Führerschein), ein kleines Aufnahmestudio für Demo-Aufnahmen und ein daran angeschlossener Probenraum.

Letzteren betrat Nereis, nahm sich eine klassische Konzertvioline, die er im Gegensatz zur E-Geige nur noch selten benutzte. Selbstvergessen prüfte er den Zustand der Violine und ihrer Saiten, stimmte sie sorgfältig, begann dann einfach zu spielen, ohne einen Gedanken an das "was" zu verschwenden.

Das einzige, was er im Moment wusste, war, dass er Trost brauchte, den er vermutlich in seinem ganzen Leben nie ausreichend viel bekommen würde. Zudem benötigte er etwas, mit dem er Ayumi nahe sein konnte, ohne von seinem hohen Ross herunter- beziehungsweise in die oberste Etage dieses Hauses hinaufzusteigen - und das war zweifellos Musik.

Schmerzerfüllt schloss er die Augen, während sich seine Finger wie von Geisterhand geführt über die Saiten bewegten und den Geigenbogen führten: Wenn er sich je die Seele aus dem Leib gespielt hatte - dann jetzt.

Er spürte nicht einmal wie er einige Tränen vergoss, wünschte sich einfach, Shay würde endlich erkennen wie er fühlte, ihn in den Arm nehmen und nie wieder loslassen...

Würden sie denn erst merken, dass es ihm schlecht ging, wenn er schon auf dem Brückengeländer stand um zu springen?
 

Ganz unerwartet aber griffen sie wieder zu, die gutvertrauten langen Finger, nahmen ihm seine Geige weg und drückten ihn eng an den muskulösen, haltgebenden Körper seines besten Freundes.

Willenlos ließ Nereis es geschehen, dass Ayumi ihn hochhob und schließlich auf einem Bett ablegte - nachdem Ayumi ihn allein für die Bühnenshows so oft buchstäblich auf Händen getragen hatte war er es ja ohnehin längst gewöhnt. Er konnte jedoch nicht sagen, wessen Bett es war, ob seines oder das des Älteren, denn er hielt die Augen geschlossen, aus Furcht vielleicht etwas in den geliebten Augen zu sehen, das er dort niemals sehen wollte.

Er öffnete sie auch nicht, als er spürte wie warme weiche Lippen den Stoff seines Gewandes zur Seite schoben, mit federleichten Küsse die Brust kosten, in der Nereis' Herz schlug.

"Du bist mir wichtiger als irgendein Spaziergang und ich lasse nicht zu, dass du jetzt, da du eine Gehirnerschütterung hast, auch noch von einer Grippe flachgelegt wirst!", flüsterte der fließende Bariton, der ihn tagtäglich durch sein junges Leben begleitete, an sein aufgeregtes kleines Herz.

Und als Ayumi den Raum verließ, starrte ihm Rei mit weit aufgerissenen Augen hinterher...

Glücklicherweise dauerte es nicht lange bis die brennende Sehnsucht des Rothaarigen gestillt wurde und Shay wieder im Türrahmen erschien. Offensichtlich war er nur in sein eigenes Zimmer gegangen, um sich eben umzuziehen, denn er trug nun ein paar mahagonifarbene Shorts und ein glänzend dunkelgrünes Hemd, die beide weitaus bequemer sein mussten, weil sie einfach luftiger waren.

Mit einem sich nur zaghaft abzeichnenden Lächeln auf den Lippen legte er sich zu ihm, zog Rei nun viel vorsichtiger als noch zuvor an sich, streichelte ihn still aber liebevoll, schien einfach nur das Gefühl der weicharmen Haut unter seinen umherstreifenden Fingerkuppen zu genießen.

Leise stieß der Rothaarige den angehaltenen Atem aus, streckte den Kopf ein wenig höher, seine Lippen, sein ganzer Körper flehte lautlos um jede noch so kurze, noch so unschuldige Berührung, wollte, dass alles wieder in Ordnung kam.

Doch Ayumi hielt ihn noch einen bittersüßen Moment hin, sah ihm einfach nur tief in die Augen und fragte dann leise: "Vergibst du mir, Rei? _Bitte_?"

Einen Moment noch zögerte der Blauäugige, dann nickte er langsam, warf aber nichtsdestotrotz ein: "Du hättest es mir sagen müssen, Ayumi!"

Doch der Ältere schüttelte sogleich vehement den Kopf, drückte seinen Oberkörper mit den Armen hoch, sodass er Nereis von oben betrachten konnte. "Nein! Verdammt, Rei! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du der wichtigste Mensch in meinem Leben bist, bevor du mir glaubst?!"

/Bis du mit mir schläfst oder ich einen Ring an meinem Finger sehe!/, konterte Nereis in Gedanken leise aufseufzend.

Wie zum Teufel sollte er Shay auch - ohne sich zu verraten, natürlich - begreiflich machen, dass er dessen Herz nicht nur auf platonische Weise haben wollte, sondern ganz und gar?

/Aber vielleicht.../ Nachdenklich fuhr der Kleinere durch die tiefblauen und silberweißen Haarsträhnen. /Ja, ich sollte ihm eigentlich viel mehr vertrauen... Schließlich liebe ich ihn doch./

Erst da wurde er sich des verwirrt auf ihm ruhenden Blickes bewusst, schlug verlegen die Augenlider nieder.

Zur Antwort bekam er nur noch ein abgrundtiefes Seufzen und einen atemberaubend süßen Kuss.

I/20a,b,c

Kommentar: Zum Abschluss des Ersten Buchs ein Kapitel, das noch mal unterteilt

ist in Teil A, B und C. Ich hoffe es gefällt euch, ich mag es jedenfalls ^^

Und nun wird es auch nicht mehr lange dauern bis die beiden unvermeidlichen

Sachen geschehen, auf die nicht nur die beiden, sondern wohl auch jeder Leser

von Rêve wartet...

Aber Achtung: Kapitel noch ungebetat!

Have fun ^__^ Und her mit Kommis *große Augen mach*
 

~~~ I / 20a ~~~
 

"Wann müssen wir eigentlich auf diese Party?", fiel es Shay nach einer Weile

plötzlich ein.

Grummelnd und etwas mürrisch über die Unterbrechung zuckte Rei mit den

Schultern, rückte schmollend von ihm ab. "Weiß nich. Ich glaub es war von acht

Uhr die Rede..."

Erstaunt blinzelte der Blauhaarige ihn an. Zwar war es nicht dasselbe auf VIP-

Parties und in eine stinknormale Disco zu gehen, da erstere meist früher

begannen, während es sich bei ihren bevorzugten Läden normalerweise erst um

Zwölf Uhr lohnte anzutanzen, weil dann die ganzen Teens rausmussten, die ihnen

wie eine zweite Haut an der Pelle klebten, wenn sie ihre Lieblinge erst einmal

entdeckt hatten. Aber dennoch war _acht_ Uhr genauso gut Mittags um Zwölf. "So

früh schon?"

"Hm... is'n Geburtstag", erklärte Nereis noch immer beleidigt, während sich der

Blauhaarige vorsichtig wieder an ihn heranpirschte. "Ich schätze Haruomi will

ausnahmsweise vermeiden, dass seine Gäste schon stockbesoffen sind, wenn sie

ankommen."

Rasch zog er die schmale Gestalt des Jüngeren in seine Arme, drückte seine

Lippen liebevoll auf die weiche Haut zwischen den zarten Linien der beiden

Schulterblätter, rieb auch mit dem Nasenrücken leicht über sie. /Mh, das fühlt

sich gut an/, dachte er zufrieden, arbeitete sich an Nereis' Hals hinauf, um mit

seiner heiß-feuchten Zunge die empfindliche Ohrmuschel nachzufahren und das

überraschte Keuchen in ein leises aber wohliges Aufseufzen zu verwandeln. Sanft

zog er den teuren Stoff von der noch viel kostbareren Haut, die so weich

schimmerte wie edelstes Perlmutt. Nach all den Jahren noch immer von ihrer

Zartheit fasziniert liebkoste er sie mit den Fingerspitzen, streichelte sie so

sanft er nur konnte, aus der irrationalen aber ununterdrückbaren Furcht heraus,

sie könne zerspringen wie feines Porzellan, wenn er Nereis zu grob berührte.

"Nereis?", flüsterte er leise, küsste die in rosenen Farben erblühende Wange,

erhielt jedoch nur ein gedankenverlorenes "Mh-h?" zur Antwort. "Bitte...", fing

er an, stockte kurz, nicht sicher, wie er ausdrücken sollte, was er fühlte, "sag

nicht mehr, dass du hässlich bist! Du bist es nicht... Nein, wirklich nicht..."

Der Rothaarige erstarrte, verharrte steif wie leblos in seinen Armen. "Du bist

so wundervoll... stattlich, stark und schön... wie könnte ich dagegen etwas

anderes sein als hä-"

"Sh!", hastig verschloss er seinem Füchslein den Mund mit einem Finger. "Sag es

nicht!", wiederholte er seine Bitte und Rei nickte nur resigniert, aber ganz

offensichtlich kein bisschen überzeugt. "Ohne dich, Rei, wäre ich nicht auch nur

halb so stark, verstehst du? Du gibst mir so oft die Kraft weiterzumachen, wenn

ich denke, ich hätte längst aufgegeben und jeden Mut verloren... So jemand...

_kann_ nur schön sein. Und für mich bist du der schönste von allen..."

Mit einem traurigen Lächeln drehte sich der Kleinere in seinen Armen, schmiegte

das Gesicht in die rechte Halsbeuge hinein, während die feingliedrigen Finger

seine Haut berührten und Halt an ihr suchten. "Das sagst du jetzt und vielleicht

stimmt es sogar für den Augenblick... aber irgendwann wirst du jemanden -"

"Nein! Nie!" Sehr bestimmt sprach er diese zwei Worte, dass Rei keine Widerrede

mehr wagte. Vielleicht - so hoffte Ayumi zumindest - hatte er endlich begriffen,

wie ernst sein blauhaariger Freund es mit seinen Worten meinte. Weil Shay zwar

noch immer nicht die magischen drei Wort über die Lippen bekam, aus Angst vor

etwas, von dem er selbst nicht mehr wusste, was es war, er aber dennoch soviel

Nachdruck in all seine Worte legte, als würde er insgeheim hoffen, dass Nereis

ihn auch so verstand.

"Eigentlich hab ich gar keine richtige Lust auf Party. Müssen wir wirklich?",

murmelte Shay nach einer Weile, um die Stille zu brechen. Er war sowieso nie der

große Partygänger gewesen. Ab und zu ging zwar auch er gerne aus, aber das

Partytier von ihnen beiden war eindeutig der kleine Rotschopf, der es wirklich

liebte, hier und da ein wenig zu tratschen, wenn es die Lautstärke der Musik mal

ausnahmsweise zuließ und sich ansonsten die Seele aus dem Leib zu tanzen wie Tod

und Teufel persönlich.

"Ich hab's versprochen", erklärte der Blauäugige bedauernd, stockte kurz, bevor

er kleinlaut hinzufügte: "Aber _du_ musst nicht, wenn du keine Lust hast... Ich

meine, heute war ein ziemlich nervenaufreibender Tag und ich kann es verstehen,

wenn du-"

"Blödsinn!", entgegnete er, wuschelte lächelnd durch das fein duftende Haar und

rieb seine Nase verschmust an der des anderen. "Ich hab gesagt, ich komm mit und

wenn _du_ gehen willst, werde _ich_ das auch tun! Du glaubst doch nicht

ernsthaft, ich lass dich allein gehen, nachdem ich wegen einer

Gehirnerschütterung sogar den Spaziergang abgeblasen habe? Die kann schließlich

noch Tage nachwirken - und ich will mir gar nicht ausmalen, was wäre, wenn du da

einfach umkippst! Schlimmstenfalls würde mich das Krankenhaus nicht mal

benachrichtigen, weil wir nicht verwandt sind!"

"Aber sie würden Yasu anrufen, weil der mein Vormund ist und der würde dich ganz

bestimmt auf schnellstem Wege zu mir fahren!", wandte Nereis ein und Shay kam

nicht umhin ihm Recht zu geben: Da Yokomitsu die Vormundschaft für sie

übernommen hatte, weil er sich sowieso die ganze Zeit wie eine Mischung aus

großem Bruder und Vater um sie kümmerte, würde man ihn auf jeden Fall

benachrichtigen. Und Shin-Ayumi war sehr dankbar für diesen Umstand, denn es war

nur einer von vielen beruhigenden Vorteilen, die diese Vormundschaft - nicht zu

verwechseln mit einer Adoption - mit sich gebracht hatte, besonders da Yokomitsu

so zwar nicht mehr nur ihr Manager war, sie deswegen aber noch lange nicht

BEvormundete.

"Hey! Mach dir nicht schon wieder so viele Gedanken!", bat Nereis und küsste ihn

vorsichtig auf den Mund, nippte leicht an seiner Oberlippe.

"Hnn", seufzte der Blauhaarige. "Tut mir Leid... Aber wenn ich nur daran denke,

dass ich dir das eigentlich verbieten müsste und vor allem _könnte_..."

Langsam und ernst schüttelte der Violinist den Kopf. "Nein, könntest du nicht.

So leid es mir auch tut, das sagen zu müssen, aber du bist nun einmal-"

"...weder dein Vater noch dein großer Bruder noch irgendein anderer Verwandter,

ich weiß", beendete Shay die alte Leier, blickte intensiv in die blauen Tiefen.

"Aber eines bin ich ja wohl: Dein bester Freund! ...oder?"

Unsicher schluckend starrte der Jüngere ihn an, öffnete leicht den Mund, doch es

kam kein Laut heraus. Und schließlich gab er den Widerstand auf und nickte nur

leicht...
 

~~~ I / 20b ~~~
 

"Natürlich bist du das", flüsterte Nereis ganz leise, weil seine Stimme drohte

zu versagen. /Das und noch viel, viel mehr.../

Plötzlich sah Ayumi ihn sehr genau, prüfend, fast scharf an.

"Was?", machte er erschrocken, sich keines Fehlers bewusst und klammerte sich

unwillkürlich leicht an Shay fest.

"_Wie viel_ mehr?", wollte der Blauhaarige leise wissen und der Rothaarige

erschrak.

"Ha-hab ich das...", hauchte er fassungslos, spürte wie unnatürlich schnell sein

Herz schlug aus Angst, sich endgültig verraten zu haben - aber auch aus der

Hoffnung heraus, dass Ayumi es verstehen und vielleicht sogar erwidern würde.

"Ja, hast du", sagte der Schwarzäugige nur ruhig, nahm Reis Gesicht in beide

Hände und sah ihn abwartend und zugleich auch seltsam fordernd, fast drängend

an, als wünschte er sich eine ganz bestimmte Antwort.

/Was soll ich denn jetzt machen?/, dachte Rei hilflos. Er hatte Angst. Angst vor

dem, was passieren, oder besser, _nicht_ passieren könnte.

Wie sollte er Shay den Grund dafür nennen, dass er sich "hässlich" fühlte - wie

sollte er ihm sagen, dass sein Herz es einfach nicht über sich brachte, es Shay

zu gönnen, wenn er sich in einen anderen Menschen verliebte als in Nereis? Und

das obwohl er als sein bester Freund doch geradezu die PFLICHT hatte, ihm sein

Glück zu gönnen...

Dann aber gab er sich einen Ruck, schlang seine Arme um den gut vertrauten,

starken Nacken, flüsterte ein "_so_ viel mehr" und legte seine Lippen ein wenig

zaghaft, aber sanft und liebevoll auf den so schmerzlich geliebten, nun leicht

offenstehenden Mund und hoffte einfach das Beste - für sie beide.
 

~~~ I / 20c ~~~
 

Shay wurde schwindelig. Er wusste einfach nicht mehr, was richtig und falsch, wo

Himmel und Hölle waren.

Was war das gewesen? Ein Liebesgeständnis? Aber falls Nereis ihn tatsächlich

liebte - warum sollte er dann so undurchsichtige zweideutige Worte benutzen

anstatt eines klarverständlichen "Ich liebe dich"?

/Vielleicht aus demselben Grund, aus dem du jahrelang geschwiegen hast?/,

wisperte eine leise Stimme in seinem Kopf.

Doch er wusste die Antwort nicht und so war das einzige, was er tat, sich in

einem weiteren so unschuldigen und doch so verzweifelten Kuss zu verlieren.



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Kommentare zu dieser Fanfic (45)
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Von: abgemeldet
2007-11-04T15:04:05+00:00 04.11.2007 16:04
oh man hat das lange geadauert hab das ma angefangen zu lesen ^^ is das eine story echt supi ich hoffe es geht gaaaaaaaaaaaaaaaanz schnell weiter
Von:  Luma_
2006-05-04T20:57:45+00:00 04.05.2006 22:57
...*tief Luft hol*
*kurzen Moment inne halt*
*prüfen ob Herz noch schlägt*
Ok. Wow!
Ehrlich gesagt, kann ich gar nicht genau sagen, was ich nach Beginn des 20b-Teils gedacht oder gefühlt habe, saß fast wie erstarrt da, wagte kaum weiter zu lesen und als ich dann fertig war, brauchte ich wirklich erstmal einen Moment, bis ich mich aus dieser Starre wieder gelöst hatte. Das ist ja schon fast gruselig wie gut du schreiben kannst.;)
Da kann man ja nur noch hoffen, dass wir bald auch das 2. Buch zu lesen kriegen. *hoff*

Bis dahin tröste ich mich mit deinen anderen Storys. XD
Von: abgemeldet
2006-05-02T15:25:24+00:00 02.05.2006 17:25
Sehr schöne FF :D ich hoffe die beiden werden es bald schaffen sich gegenseitig eingestehn das sie sich lieben :D
Hoffe du schreibst weiter

Mfg,

Natsu
Von: abgemeldet
2006-04-07T17:22:46+00:00 07.04.2006 19:22
Nee ne..Ich knatsch schon wieder....'_'
so unendlich schön Traurig...dass mir dass Herz weh tat...
(da ich schon fast alle deine FF´s gelesen habe)Denke ich noch besser kann keiner Schreiben...
ich denk mal dass wird wohl noch etwas Dauern bis die 2 sich ihre Liebe gestehen...
so ein kleiner Selbstquäler der seine Leser ja bei der Stange halten muss...*ggg*
oder hab ich dich falsch eingeschätzt punkto Länge der FF
die FF ist SuperMegaAffenStark...(was für ein Wort)...
mata ne
Von: abgemeldet
2006-04-07T16:55:19+00:00 07.04.2006 18:55
T_T...
Bin jetzt etwas Geschockt und Deprimiert...
wo soll dass (nach deiner Meinung )noch Hinführen ?_?
Von: abgemeldet
2006-04-07T16:45:34+00:00 07.04.2006 18:45
Boah...ich sitz hier und knatsche '_'
so sehr hat mich das Kapi jetzt mit genommen...
Von: abgemeldet
2006-04-07T16:40:48+00:00 07.04.2006 18:40
Wow...
die Gefühle der 2 sind wieder sehr gut rüber gekommen...
*seufz*...
mich hat die 1.Seite aber Angesprochen...
ich denke dadurch dass die Gefühle sich (von S.1 bis S.2)hochschaukeln ist es schwer zu trennen...
Von: abgemeldet
2006-04-07T16:20:27+00:00 07.04.2006 18:20
QQ......
bin etwas durchn Wind...
Nereis hat aber auch immer Pech...
was für ein Glück dass Shy da war...
Von: abgemeldet
2006-04-07T16:15:21+00:00 07.04.2006 18:15
*schmelz weg*
bin Hin und Weg...
bin Sprachlos...QQ
Von: abgemeldet
2006-04-07T15:16:51+00:00 07.04.2006 17:16
Uff..warum flüchtet Nereis denn schon wieder *Haare ausrupf*


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