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Der Lebensretter

von

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Prolog
 

Sie stürmte aus dem Haus. Hinein in den strömenden Regen, der schon Teile der Straße überflutet hatte.

Am Körper trug sie nichts außer ihrem weißen Nachthemd, doch sie spürte weder die Kälte, noch die Nässe, welche ihr entgegen schlugen. Halb rennend und halb stolpernd floh sie vor ihrem Peiniger, achtete nicht auf seine Rufe, die ihr hinterher hallten.

Innerhalb von ein paar Minuten war sie vollkommen durchnässt. Das Wasser lief ihre Haare hinab, die Wangen hinunter, mischte sich mit den Tränen voller Wut, Enttäuschung und Verzweiflung.

Wut auf ihren Mann, aber vor allem auf sich selbst. Enttäuschung darüber, dass sie sich so in diesem Mann hatte irren können. Und Verzweiflung über die Gesamtlage in der sie sich momentan befand, sowie ihre Hilflosigkeit dagegen etwas zu unternehmen.

Schließlich war sie ein Mensch, kein Ding.

Denn genauso hatte sie ihr Mann all die Jahre, die sie nun schon verheiratet waren, immer behandelt. Und was nach außen hin wie eine glückliche Ehe aussah, war für sie schnell zur Hölle auf Erden geworden.

Sie konnte den Wandel, den der Mensch, den sie liebte, nach ihrer Hochzeit durchgemacht hatte, einfach nicht verstehen.

Was war nur aus ihm geworden?

Und vor allem was war aus ihr geworden? Eine verzweifelte und verbitterte Frau. Geschlagen, misshandelt und gedemütigt.

Tränen über Tränen rannen das schmale Gesicht hinab, sodass sie kaum noch richtig zu sehen vermochte. Der Weg vor ihren Augen verschwamm.

Sie strauchelte und fiel zu Boden, wo sie einen Moment lang reglos liegen blieb. Dann wurde sie der Rasierklinge in ihrer Hand gewahr, die sie immer noch krampfhaft umklammert hielt. Die Waffe, mit der sie sich gegen ihren Ehemann zur Wehr gesetzt hatte. Sein Gesicht mit etlichen tiefen Einschnitten tauchte vor ihrem geistigen Auge auf. Ihr wurde übel und schwindelig, ihr Geist fühlte wie die Dunkelheit auf ihr Bewusstsein zukroch. Sie wollte sich ihr hingeben, hatte keinen Willen und keine Kraft mehr aufzubegehren.

Mit zitterndem Körper richtete sie sich noch ein letztes Mal auf, setzte die Rasierklinge an und schnitt.

Das Blut floss in Sekundenschnelle wie ein Sturzbach, färbte ihr weißes Nachthemd tödlich rot und breitete sich wie eine Pfütze unter ihr aus. Schließlich umfing sie die erlösende Dunkelheit.

Das letzte was sie spürte, war der sanfte Regen auf ihrem Gesicht und zwei starke Arme, die sie festhielten.

Kapitel Eins
 

Ihr Schlaf dauerte zwei Tage und zwei Nächte, in denen sie durch endlose Korridore lief.

Aus weiter Ferne drangen leise Stimmen an ihr Ohr.

Am dritten Tag stieß sie endlich wieder die Tür auf, welche aus den dunklen Korridoren hinaus ins Licht führte.

Als sie die Augen aufschlug, schien die Sonne ins Zimmer und Vögel sangen auf den Ästen eines nahen Baumes. Verwirrt bemerkte sie, dass sie sich in einem ihr völlig unbekannten Zimmer befand. Es war jedoch kein Krankenhauszimmer, wie sie nach kurzer Orientierung feststellte.

Aber wo war sie dann?

Sie richtete sich langsam auf und unterzog das Zimmer einer gründlichen Inspektion.

Dabei blieb ihr Blick an einigen Gegenständen hängen, die ihr seltsam bekannt vorkamen.

Es waren überwiegend Souvenirs aus anderen Ländern, wie zum Beispiel eine afrikanische Maske. Sie konnte diese Dinge allerdings in keinen logischen Zusammenhang bringen, was wie sie vermutete, an ihren extremen Kopfschmerzen lag. Aber tief in ihrem Inneren spürte sie eine sehr starke Verbindung zwischen sich, diesem Zimmer und diesen Souvenirs.

Auch das Mobiliar, angefangen vom Schreibtisch unter dem Fenster, bis hin zum großen Spiegel an der Wand, kam ihr vertraut vor, so als wäre sie schon einmal hier gewesen. Das Problem war nur, dass sie sich beim besten Willen nicht daran erinnern konnte, dieses Zimmer schon einmal betreten zu haben.

"Wo bin ich hier?"

"In Sicherheit"

Sie hatte die Frage unbewusst laut gestellt und keine Antwort darauf erwartet.

Erschrocken drehte sie ihren Kopf in Richtung Tür, von wo die sanfte Männerstimme gekommen war.

Sie erschrak erneut, denn sie erkannte die Gestalt im Türrahmen.

Ihre Erschrockenheit verwandelte sich schnell in Erleichterung und Freude. Sie lächelte ihn schüchtern an, doch er erwiderte dieses Lächeln nicht.

Sein Gesicht war ernst.

Er kam langsam näher und stellte das Tablett, das er in Händen gehalten hatte, auf dem kleinen Nachtisch neben dem Bett ab.

Dann ließ er sich auf das Bett sinken und sah ihr dabei direkt in die Augen.

Tief und unergründlich waren sie, wie das Meer. Aber auch genauso erschreckend kalt. Denn Schmerz, Trauer und eine unterschwellige Wut, die ihr für einen Moment fast Angst einflößte, spiegelte sich in ihnen wider. Jedenfalls glaubte sie, diese Gefühle erkennen zu können.

"Warum hast du das getan?!"

Sie hatte sich nicht getäuscht, seine sonst so ruhige Stimme zitterte heftig.

Der Klang durchbrach die Stille wie ein Peitschenhieb, ließ sie unwillkürlich zusammenzucken.

Unfähig ihre Lippen zu bewegen, senkte sie den Blick und starrte auf die Bettdecke.

Nach ein paar Sekunden flüsterte sie kaum hörbar: "Das würdest du nicht verstehen. "Außerdem möchte ich nicht darüber reden."

"Gut"

Sie war erstaunt, dass er sich so einfach mit dieser Antwort zufrieden gab. Er schien zu spüren, wie aufgewühlt und unglücklich sie war.

Unglaublich sanft löste er den Verband um ihre linke Hand, den sie bis zu diesem Zeitpunk gar nicht wahrgenommen hatte. Sie musste einen Schrei unterdrücken, als sie auf das Ergebnis ihres Selbstmordversuches hinab sah.

"Du hast wirklich saubere Arbeit geleistet. Hätte ich dich einen Augenblick später gefunden, wärst du mit großer Wahrscheinlichkeit verblutet."

"Warum hast du mich nicht einfach liegen lassen?!"

Die Ironie in seiner Stimme missachtend, sah sie ihm herausfordernd, ja fast strafend an.

Ihre Stimme zitterte jetzt eben so heftig wie seine. Nicht aus Wut, sondern vor verhaltenen Tränen.

"Ich wollte nicht mehr leben. Ich wollte sterben!"

Erneut liefen ihr die Tränen unaufhaltsam über das Gesicht, ohne dass sie ihnen Einhalt gebieten konnte.

So sehr sie es auch versuchte. Der Tränenstrom wollte einfach nicht versiegen. Sie schlug die Hände vor das Gesicht, um sich einigermaßen Schutz vor seinen Blicken zu gewähren. Doch mittlerweile wurde sie auch von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt.

Einen Moment lang saß sie so da, den Kopf in den Händen geborgen, dann spürte sie wie er seine Arme um ihren Körper schlang und ihn sanft zu sich heran zog.

Vorsichtig streichelte er ihr über das Haar, sodass sie sich wieder entspannte, und der Tränenstrom allmählich nachließ, bis es nur noch vereinzeltes trockenes Schluchzen war.

"Ich weiß wie du dich jetzt fühlst", flüsterte er ihr leise ins Ohr. "Glaub mir ich weiß es nur zu gut."

Sie löste sich bei diesen Worten aus seiner Umarmung und stellte erstaunt fest, dass auch ihm ein paar Tränen über die Wangen rollten. Es erstaunte sie besonders deshalb, weil sie diesen Mann für unglaublich stark hielt. In all den Jahren, damals, hatte sie ihn kein einziges Mal weinen sehen.

Bevor er etwas sagen oder tun konnte, hatte sie sein Gesicht zwischen ihre Hände genommen und zog es zu sich herunter. Mit den Lippen nahm sie die Tränen auf. Dann strich sie ihm mit den Fingerspitzen sanft über die Wangen.

Er hingegen ließ es ruhig geschehen. Für ein paar Sekunden schloss er sogar die Augen, um sich vollständig der Berührung ihrer warmen Finger hinzugeben.

So verweilten beide einen Augenblick in dieser Position des einverständigen Geben und Nehmens, bis er plötzlich wieder die Augen aufschlug und sie mit einem unglaublich gequälten Ausdruck auf dem blassen Gesicht, ansah.

Seine Hände zitterten ein wenig, als er die ihren von seinen Wangen nahm und auf der Bettdecke ablegte.

Dann erhob er sich ohne ein weiteres Wort, durchquerte raschen Schrittes das Zimmer und war auch schon aus der Tür, die mit einem Knall ins Schloss fiel.

Verwirrt blieb sie allein im Zimmer zurück, das ihr mit einem Mal beängstigend groß erschien.
 

Die Tür des Zimmers fiel hinter ihm ins Schloss. Er musste erst einmal tief durchatmen. Seine Beine fühlten sich an wie aus Gummi und wollten ihn nicht mehr tragen. Erschöpft sank er genau an der Stelle, wo er stand, zu Boden. Die Augen fielen ihm vor Müdigkeit zu, da er die letzten Tage und Nächte fast pausenlos an ihrem Bett wache gehalten hatte. Zudem kam noch erschwerend hinzu, dass er kaum etwas gegessen hatte.

Doch er wusste, er würde auch jetzt, nachdem sie aufgewacht war, vorerst keinen Schlaf finden. Nicht, bevor er für sich ein paar Dinge klargestellt hatte.

Also, beschloss er zu duschen und dann einen langen und ausgiebigen Spaziergang zu machen. Vielleicht gelang es ihm ja, sein aufgewühltes Gemüt wieder zur Ruhe zu bringen. Er durfte vor ihr nicht die Kontrolle verlieren. Sie war im Moment noch zu schwach. Dafür.



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von: abgemeldet
2006-06-10T07:57:23+00:00 10.06.2006 09:57
SCHREIB WEITER, NEO!!! ^^
Die Storry ist so schön, ausserdem ist es nicht nett an so einer Stelle aufzu hören^^

glg
Maria
Von: abgemeldet
2005-09-11T21:22:03+00:00 11.09.2005 23:22
ich find es sehr schade dass diese FF bisher noch keine Kommentare bekommen hat! Ich denken dass sie dass durchaus verdienen würde! Als bitte mach daran weiter ich würds mir auch bestimmt durchlesen ^^

ggglg rey


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