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Wind of Destiny

von

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Szene#1

Autor: Jami-san (also ich...XD...)

E-Mail: jami-san@gmx.de

Thema: Eigene Serie/ Shoujo-ai

Genre: Drama, Romantik

Part: 1/ 7

Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha*

Kommentar: Ja, was soll ich sagen. Es ist eben das erste Kapitel (eigentlich sollte es auch nur eins werden. Aber ich hab das Gefühl, dass da noch mehr draus werden kann XD)
 

Also, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ^^

Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.<
 

Wind of Destiny
 

Szene#1
 

>Da sitzt sie. Zwei Reihen vor mir am Fenster. Nur wenige Meter von mir entfernt, und doch scheint es, als sei sie in unerreichbarer Ferne für mich.
 

Ständig wandert ihr Blick aus dem Fenster. Beobachten ihre tief braunen Augen, die so viel Wärme ausstrahlen, wie der kalte Ostwind mit den Blättern auf dem Hof spielt? Mit ihren zarten Fingern streicht sie sich eine ihrer schwarzen Strähnen hinters Ohr. Wie gerne würde ich jetzt sehen, wie der Wind sie umweht; mit diesen dunklen seidigen Fäden spielt, wie er ihr den schwarzen Rock um die schlanken Beine weht....
 

...und sie steht in einem Regen aus tanzenden Blättern und lächelt mich an...
 

Wenn wir gemeinsam lachen, wünsche ich, dieses Lachen würde mir allein gehören. Verschleiern Tränen ihr Antlitz, zerreißt es mein Herz vor unerträglichem Schmerz. Suchen ihre Augen die meinen, entbrennt ein unbeschreibliches Feuer des Glücks in meiner Seele, dass sich in meinem ganzen Körper ausbreitet und mich alles vergessen lässt.
 

Und doch weiß ich, sie wird nie mir gehören. Denn sie liebt ihn!<
 

„Was haben Sie denn da, Kitagawa-san?“

Erschrocken versuche ich schnell mein Tagebuch in meinem Pult verschwinden zu lassen. Nur wenige Sekunden später steht auch schon die Lehrerin vor mir. Die Augen leicht zusammen gekniffen, die schmalen Lippen hämisch zu einem Grinsen verzogen und die Hand auffordernd ausgestreckt. So steht sie vor mir. Ich setze eine verständnislose Miene auf, inständig darauf hoffend, dass sie sich einfach wieder umdreht und mich mit meinen Gedanken alleine lässt.
 

Dabei spüre ich die neugierigen Blicke meiner Mitschüler. Auch Yurie hat sich zu mir umgedreht. Stirnrunzelnd sieht sie mich mit diesen wunderschönen braunen Augen an, die mich viel mehr nervös machen, als die wütende Lehrerin vor mir. Verdammt! Sieh mich bitte nicht so an. Dieser verärgerte Blick trifft mich sehr schwer. Schwerer, als du es dir vorstellen kannst. Jetzt versteckt sie die beiden leuchtenden Sterne hinter ihren Lidern, sie schüttelt kurz verständnislos den Kopf und wendet sich dann abrupt ab. Ich sehe nur noch das Licht auf ihrem schwarzen seidigen Haar tanzen.
 

Dieser Anblick nimmt mich erneut gefangen. Es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, wie unglaublich elegant die natürlichsten Bewegungen aussehen, wenn Yurie es ist, die sie ausführt. Jedes Mal entdecke ich etwas Neues. Eine kleine Muskelbewegung, eine Falte, die auftaucht und wieder verschwindet oder eine Geste, die sie ganz unwillkürlich macht. Kami-sama! Wie ist es möglich, dass dieser Mensch plötzlich solch einen Zauber auf mich ausübt? Wir kennen uns doch schon so lang....
 

...immer verbunden durch den sanften Wind, der uns zusammengeführt hat...
 

„Kitagawa-san! Es wäre wirklich schön, wenn sie ihre Aufmerksamkeit mir zuwenden würden, anstatt sinnlos Löcher in die Luft zu starren!“

Mir entgeht der um Ruhe bemühte Ton der schon etwas älteren Frau nicht. Auch das unterschwellige Gekicher, das sich im Klassenraum ausbreitet entgeht mir nicht. Mit einem strengen Blick bringt die Lehrerin es schnell wieder zum verstummen.
 

„Bitte verzeihen Sie, Nishigami-sensei. Es wird nicht wieder vorkommen.“ Ich weiß nicht, wie oft in meinem Leben ich diese beiden Sätze schon herunter gebetet habe. Das einzige, was immer mal wieder variiert, ist der Name. Frau Nishigami sieht auch nicht so aus, als ob sie es dabei belassen würde.
 

„Nun, da du meinen Unterricht so aufmerksam verfolgt hast, dürfte es dir ja nicht schwer fallen die Aufgaben an der Tafel zu lösen!“ Ich hatte es befürchtet. Mit einem energisch ausgestreckten Arm deutet sie an die Tafel an der irgendwelche e-Funktionen stehen. Wow, ich bin begeistert, dass ich immerhin das schon erkannt habe. Allein dafür hätte ich schon Vergebung verdient; die wird mir natürlich nicht gewährt. Frau Nishigami starrt mich weiterhin an, und ohne ein Wort zu sagen, wandert ihre linke Augenbraue immer höher, bis sie schon fast unter ihrem Pony verschwindet. Ein sicheres Zeichen dafür, dass sich ihre Geduld dem Ende zuneigt.
 

Mir bleibt also nichts anderes übrig, als mich von meinem Platz zu erheben. Mit langsamen Schritten gehe ich auf die Tafel zu. Erneut rasen die Gedanken in meinem Kopf. So schnell, dass es beinah unmöglich ist sie zu fassen. Allerdings hat diesmal nicht eine gewisse Person damit zu tun, deren Blicke ich jetzt deutlich in meinem Nacken spüre, sondern drehen sie sich einzig und allein darum, wie ich aus dieser Situation wieder herauskommen könnte. Natürlich habe ich keine Ahnung, was ich machen muss. Ich meine, das ist Mathe! Wer versteht das schon? Und vor allem, was sollte mir das für meine Zukunft bringen?
 

Inzwischen stehe ich also vor der Tafel. Ein nur noch knapp halb langes Kreidestück in der Hand. Mein Arm ist mitten in der Bewegung nach oben, um zum Schreiben anzusetzen, erstarrt. Es kommt mir tatsächlich so vor, als ob mein Kopf vor angestrengtem Nachdenken schon raucht. Eine angespannte Stille hat sich inzwischen im ganzen Klassenzimmer ausgebreitet. Nur das regelmäßige ‚toch, tock, tock‘ von Frau Nishigamis ungeduldig tippender Fußspitze ist zu hören. Eine kleine Ewigkeit scheint zu vergehen.
 

„Wir warten, Kitagawa-san.“ Ihre Stimme klingt wie das hinterhältige Kreischen eines Vogels. „Sie hielten es doch nicht für nötig dem Unterricht zu folgen. Da kann ich doch davon ausgehen, dass Sie den Stoff beherrschen. Was mich nach Ihrer letzten Arbeit ja sehr gefreut hätte.“
 

Ich höre ein lautes Summen in meinen Ohren. Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals, und ich spüre, wie ich unwillkürlich die Lippen aufeinander presse, damit ich nicht laut aufschluchze. Die Tafel kann ich inzwischen nur noch verschwommen sehen, weil meine Augen sich langsam mit Tränen verschleiern. Ich schaffe es irgendwie den drückenden Kloß in meinem Hals hinunter zu schlucken.
 

Was denkt sie jetzt von mir? Ich kann fühlen, wie ihre enttäuschten Blicke auf mir ruhen. Nicht vorwurfsvoll; nicht zornig oder wütend...sondern einfach nur unendlich traurig.

Dabei hatte ich mir doch geschworen, dass ich Yurie nie traurig machen will. Sie soll glücklich sein, damit ich immer ihr strahlendes Lächeln sehen kann, mit dem sie mich gefangen genommen hat...auch wenn es niemals nur mir allein gehören wird....
 

„Es...tut mir...leid.“ Es fällt mir sehr schwer meiner Stimme einen einigermaßen festen Klang zu geben. Ich bin mir nicht sicher, ob das leichte Zittern zu hören ist. „Ich...ich kann die Aufgabe nicht lösen...“
 

„Das ist offensichtlich. Es wird das Beste sein, wenn Sie den Rest der Stunde vor der Tür verbringen. Nach dem Unterricht melden sie sich bei mir.“ Der Klang der Stimme von Frau Kitagawa ist schwer zu deuten. Es ist eine Mischung aus Hohn, Triumph und Wut. Während sie gesprochen hat, ist sie zu mir nach vorne gekommen, und hat sich, ohne mich weiter zu beachten an ihren Tisch gesetzt.
 

„Schreiben Sie die Aufgaben bitte ab und lösen Sie sie!“, gibt sie der Klasse ihre Anweisungen. Ganz so, als ob ich nicht mehr existieren würde.
 

...was, wenn es so wäre...wenn ich verschwinde?...es würde ja doch keinen stören...oder, Yurie-chan? ... würdest wenigstens du um mich weinen?...
 

Ohne mich umzusehen, oder auch nur irgendjemanden zu beachten verlasse ich das Klassenzimmer. Die Anderen würde es doch nur wieder Genugtuung bereiten, wenn sie meine Tränen sehen würden, die sich jetzt nicht mehr zurückhalten lassen. Ich weine nicht, weil ich Ärger mit der Lehrerin habe, oder weil die Anderen sich über meine Schwierigkeiten freuen. Nein. Das alles hat für mich keine Bedeutung. Ich weine wegen dir, Yurie. Denn du glaubst, dass ich unser Versprechen gebrochen habe; dass es mir nichts bedeutet. Aber du musst mir glauben. Das stimmt nicht.
 

Wie könnte ich denn auch freiwillig darauf verzichten, mit dir zusammen zu sein?

Glaube mir! Wir werden zusammen auf die Uni gehen! Denn du bist die Frau, der mein Leben gehört...auch wenn ich dir das niemals sagen darf...du bist der Grund, weshalb ich noch lebe...

Szene#2

Autor: Jami-san (also ich...XD...)

E-Mail: jami-san@gmx.de

Thema: Eigene Serie/ Shoujo-ai

Genre: Drama, Romantik

Part: 2/ 7

Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha*

Kommentar: Das zweite Kapitel. Eigentlich will ich gar nichts dazu sagen...Nur, ich weiß eigentlich selbst nicht, wie es dazu gekommen ist. Es ist einfach so passiert. Ich hab nichts mir der Sache zu tun *drop*
 

Also, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ^^

Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.<
 

Szene#2
 

„Und wehe die Aufgaben liegen nicht bis morgen punkt acht Uhr auf meinem Tisch! Haben wir uns verstanden, Kitagawa-san?“ Diese blass grauen Augen bohren sich in die meinen. Ich schaffe es nicht ihnen stand zu halten und senke schnell meinen Blick. Nicht weiter überraschend; eine schwache Geste, von einem schwachen Menschen.
 

„Natürlich, Nishigami-sama!“ Noch eine Verbeugung, ein „Sie dürfen gehen“, und ich habe die ganze Sache überstanden. Die Aufgaben, die sie mir gegeben hat, werden sicher schwer sein. Aber wenigstens habe ich keine schlechte Zensur oder gar einen Verweis bekommen. Das hätte ich mir nun überhaupt nicht leisten können.
 

Und trotzdem kann ich mich über den glimpflichen Ausgang dieser Sache nicht freuen. Als Yurie vorhin den Klassenraum verlassen hat; als sie an mir vorbei gegangen ist, hat sie mich nicht eines Blickes gewürdigt. Ich war Luft für sie. Wie ein zarter Windhauch ist sie an mir vorbei geweht. Kein Wort, kein Augenzwinkern, nicht das geringste Zeichen. Wie ich das hasse. Diese Ungewissheit. Wenn Yurie erst mal richtig sauer ist, kann es eine ganze Weile dauern, bis die Wut bei ihr wieder verfliegt. Geht es dabei um ein gebrochenes Versprechen, ist es besonders schlimm. Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Vertrauen gehen ihr in einer Freundschaft über alles.
 

...und ich schaffe es immer wieder diese Dinge bis zur Grenze auszureizen...
 

Über mir erstreckt sich ein von grauen Wolken verhangener Himmel. Wahrscheinlich wird es bald anfangen zu schneien. Bisher ist diesen Winter noch kein Schnee gefallen. Es wäre echt schön, wenn wir wenigstens zum neuen Jahr eine weiße Welt um uns hätten. Dann könnte sie endlich mal wieder den ganzen Schmutz der sich auf ihr befindet, zumindest teilweise, verstecken. Damit würde sie zu einem Mittel greifen, das zu einem Prinzip des Überlebens geworden ist: mehr Schein als Sein.
 

Mit diesen Gedanken im Kopf laufe ich über den Schulhof. Wirklich Lust nach Hause zu gehen habe ich nicht. Dort ist sowieso niemand, der auf mich wartet. Meine Mutter ist, wie eigentlich immer, irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs. Für sie gibt es nur ihre Arbeit. Sie sagte immer, diese Stadt sei für sie nur mit schlechten oder traurigen Erinnerungen erfüllt. Deshalb hielte sie es nie lange hier aus. Warum muss ich dann hier mein Leben verbringen, selbst wenn es mich ebenso unglücklich macht?
 

...es gibt nur einen Grund, weshalb ich es an diesem Ort aushalten kann...
 

Meinen Vater habe ich nie wirklich kennen gelernt. Es gab eine Zeit, da glaubte ich ihn zu kennen. Doch im Grunde wusste ich so gut wie nichts über ihn; nur das, was jeder weiß. Er war ein Maler, in den man große Erwartungen hatte. Er hat diesen Druck nicht ausgehalten, weshalb er wohl zu trinken anfing. Als der Alkohol seine Probleme nicht mehr fortspülen konnte nahm er sich das Leben; ein Sprung in die Tiefe der Dunkelheit eines Flusses.
 

Eine beängstigende Vorstellung. Wie kann ein Mensch so verzweifelt sein, dass er freiwillig auf sein Leben verzichtet? Heißt es nicht, dass es immer einen Ausweg gibt; dass man nur lange genug danach suchen muss? Aber was, wenn dieses ‚lange genug‘ zu lange ist? Kann man dann so einfach an den Anforderungen des Lebens zerbrechen?
 

...vielleicht verrennen wir uns manchmal so sehr in einer Vorstellung, dass wir nicht mehr in der Lage sind die Welt realistisch zu beurteilen und so Auswege zu finden, die für andere klar und offensichtlich erkennbar sind...
 

„Hat sie dir den Kopf so ordentlich gewaschen, dass du nichts mehr siehst außer den Matheaufgaben?“
 

Erschrocken zucke ich zusammen. Diese Stimme? Sollte sie doch nicht wütend auf mich sein? Das wäre ja...

Langsam drehe ich mich um. Da steht sie vor mir. Ihre braunen Augen fixieren meine; der kalte Wind treibt sein ausgelassenes Spiel mit ihrem Haar. Der Rock der Schuluniform wirft sanfte Falten, die sich wie Wellen bewegen. Es scheint, als ob Yurie eins werden könnte mit dem Wind, wenn sie es nur wollte.
 

„Was ist?“ Fragend wandert eine ihre Augenbrauen höher. Es war mir nicht aufgefallen, dass ich sie einfach nur sprachlos angestarrt hatte. Ich schüttele kurz, aber energisch meinen Kopf, um mich aus ihrem Bann zu reißen. „Nichts.“
 

Eine ziemlich lahme Antwort und anscheinend auch nicht sonderlich glaubwürdig. Yurie schaut mich immer noch mit fragenden Augen an. Ich schaffe es nicht ihrem Blick standzuhalten und weiche ihm aus. Zum Glück kennt Yurie mich gut genug, um zu erkennen, dass ich nicht in der Stimmung zum Reden bin. Also gehen wir nur schweigend nebeneinander her.
 

Manchmal, wenn ich mir sicher bin, dass sie es nicht merkt, wandern meine Augen zu ihr herüber. Im Profil fällt noch deutlicher auf, was für ein fein gezeichnetes Gesicht sie hat. Die sanft gebogene kleine Nase, der liebevoll geschwungene Mund und diese leuchtenden Augen, die wie in einer Mandel liegen. Falls es so etwas wie einen Gott geben sollte, dann hatte er in Yurie sein schöpferisches Talent vollkommen unter Beweis gestellt.
 

Bevor ich mich wieder von ihrem Anblick fesseln lasse, schaue ich in den Himmel. Einige Wolken ziehen über das blaugraue Firmament. Die Wolken haben sich in den wenigen Minuten bereits zu einer zähflüssigen Masse verdichtet. Ganz sanft und leise brechen die ersten weißen Flocken aus ihnen hervor, um sanft auf die Erde zu gleiten.
 

„Ich war vorhin ganz schön wütend auf dich.“ Ohne aufzusehen sagt sie diese Worte. „Warum kannst du nicht einfach aufpassen? Ich dachte, wir wollen später zusammen auf die Uni. Aber wenn deine Noten so schlecht bleiben geht das nicht. Willst du das?“
 

„Gomen nasai...Yurie-chan...“ Der verletzte Ton ihrer Stimme hat mich sehr verunsichert. Sollte ihr dieses Versprechen, was wir uns als Kinder gegeben haben, so wichtig sein? Es ist doch klar, dass das niemals funktionieren wird. Das ganze Leben als Freunde zusammen bleiben. Die Schule hindurch, übers Studium, möglichst auch noch im Beruf und dann wohnen als Nachbarn. Es ist eine Illusion; ein Kindheitstraum. Aber niemals kann dies Wahrheit werden.
 

...nicht so lange sich diese Gefühle in meinem Herzen befinden...
 

„Willst nicht vielleicht doch, dass ich dir helfe? Wenn du dich nur mal hinsetzt und ordentlich lernst, dann wird das schon klappen.“ Hoffnungsvoll und auch etwas flehend klingt ihre Stimme. Doch wie immer lehne ich ihr Angebot ab.
 

„Das bringt nichts. Ich bin nun mal nicht so intelligent wie du. Ich werde das nie schaffen.“
 

„Aber...das hat doch nichts mit Intelligenz zu tun! Du bist einfach nur faul. Du müsstest wirklich nur mal mehr machen.“
 

„Ach, das glaubst du doch selbst nicht. Ich bin nun mal einfach zu dumm für dieses ganze Zeug, was die uns in der Schule beibringen.“
 

Während dieser ganzen Zeit vermeide ich es strickt sie anzusehen, aus Angst Dinge zu sagen, die sie einfach nicht erfahren darf. In Wahrheit wünsche ich mir nichts mehr, als dass wir diesen Traum unserer Kindheit verwirklichen könnten. Jedoch wird dies nie geschehen. Schon aus dem Grund, weil ich meine Gefühle nicht ewig verstecken könnte. Irgendwann würden sie aus mir hervorbrechen. Und was dann geschehen würde, will ich mir noch nicht einmal vorstellen. Aber ich bin mir sicher; keine Freundschaft kann so stark sein, dass sie damit umgehen könnte.
 

„Aber das ist nicht war! Warum redest du dir nur immer solchen Unsinn ein!“ Ich kann spüren, dass erneut Wut in ihr aufsteigt. Ich will nicht mit ihr streiten. Aber sie hat einen meiner empfindlichsten Punkte angesprochen. Die Überzeugung schlechter, minderwertiger zu sein als andere, hat sich schon früh tief in mir verankert.

„Warum bist du nur immer so stur? Lass dir nur einmal helfen!“
 

„Nein.“ Ich will das alles im Moment nicht hören. „Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich es schaffe auf eine Uni zu kommen!“ Ich bin diese Diskussion so leid. „Wir können nicht immer unseren Kindheitsträumen hinterher rennen! Die Realität sieht nun mal anders aus. Akzeptier das endlich!“
 

Diese letzten Worte schreie ich ihr direkt ins Gesicht. Im gleichen Augenblick, noch während ich sie ausspreche, wünsche ich mir, ich hätte dies weiter tief in meinem Herzen verschlossen gelassen. Ihre Augen weiten sich vor Schreck; in den Winkeln glitzern Tränen auf. Die Fäuste hat sie krampfhaft an den Seiten geballt. Ich spüre, wie tief ich sie mit diesen Worten verletzt habe.
 

...Bitte! Sie mich nicht so an. Glaub mir. Diese Worte tun mir genauso weh wie dir...
 

„Wie kannst du das sagen?“ Ihre Stimme zittert. Ob vor Wut oder wegen der unterdrückten Tränen kann ich nicht sagen. Doch egal weshalb. Mich erschüttert es, sie so zu sehen. Und ich habe Angst. Schreckliche Angst, vor dem was jetzt kommt.
 

„Ich weiß selbst, dass das nur Träume sind. Träume, wie sie Kinderherzen nun mal entspringen. Für wie naiv hältst du mich? Aber wegen dieser Träume strenge ich mich so an. Sie sind der Grund, weshalb ich Dinge erreichen kann! Was hast du denn geglaubt? Dass sie sich von selbst erfüllen? Dass dir alles zugeflogen kommt? Gerade du solltest doch wissen, dass man sich anstrengen muss, um etwas zu erreichen. Aber auch, wie schnell man verloren hat, wenn man aufgibt. Sieh dir doch deinen Vater an! Ich will nicht, dass du dich genauso aufgibst! Dafür bist du mir zu wichtig!“
 

Die Tränen laufen ihr nun die Wangen hinab. Der Wind hat wieder angefangen zu wehen und mit ihrem Haar zu spielen. Sie leisen Schneeflocken führen einen wilden und zugleich merkwürdig ruhigen Tanz um uns herum auf. Ich sehe das alles wie in einem Traum. Es war mir klar, dass ich Dinge ausgesprochen hatte, die ich niemals hätte sagen dürfen. Wahrscheinlich Dinge, die ich nicht mal so meinte. Sie waren einfach aus mir heraus gebrochen.
 

„Aya-chan, hörst du?“

Sanft nimmt sie den Kragen meiner Jacke in ihre Hände. Ihr Gesicht kommt dem meinem so unglaublich nah. Ich spüre ihren angenehm warmen Atem auf meiner Wange. Der Duft ihres Parfums steigt mir in die Nase. Ihre tiefbraunen Augen blicken in die meinen. Es fühlt sich so an, als ob sie bis in die Tiefe meiner Seele blicken können.

„Du darfst nicht aufgeben! Das darfst du einfach nicht!“

Ihre sonst so sanfte, ruhige Stimme hört sich jetzt etwas rauh an. Ihr Sprechen wird immer wieder von Schluchzern durchbrochen.
 

Schnell, wie aus Reflex schlinge ich meine Arme um sie. Schließe sie vollständig in meine Umarmung ein. Drücke sie ganz fest an mich.

„Gomen nasai, Yurie-chan...“ Auch in meinem Hals hat sich ein dicker Kloß gebildet. Mein Herz klopft wie wild. Ein Kribbeln breitet sich in meinem Bauch aus; ich beginne am ganzen Körper fast unmerklich zu zittern. Alles Dinge, die nur durch Yuries bloße Nähe ausgelöst werden.

Mit ihren großen feuchten Augen schaut sie zu mir auf. Unsere Blicke treffen sich. Es scheint so viel in ihnen zu liegen....als ob sie etwas sagen wollen, was sie nicht dürfen...ich lese das darin, was ich mir immer gewünscht habe in ihnen zu lesen...die gleichen Gefühle, die ich tief in meinem Herzen unter Verschluss trage...
 

...langsam und unmerklich verliere ich die Kontrolle über meinen Körper...mein Kopf schaltet sich aus...das Einzige, dem ich jetzt noch folgen kann, ist das immer stärker werdende Klopfen meines Herzens....
 

Die Spannung, die zwischen uns in der Luft liegt wird unerträglich.
 

Ehe ich realisieren kann, was geschieht, liegen meine Lippen auf den ihren. Ein warmer Schauer, ein unbeschreibliches Kribbeln breitet sich in meinem ganzen Körper aus. Mir wird von einer Sekunde auf die nächste kalt, dann wieder unglaublich heiß und umgekehrt.
 

Alles um mich herum ist vergessen. Für mich existiert nur noch dieses unbeschreibliche Gefühl des Glücks, das plötzlich meinen Körper durchströmt. Was interessiert mich jetzt die Schule? Oder die Uni?

Alles, was ich in diesem Augenblick wirklich will, ist auf ewig so zu verharren...
 

Unwillkürlich verstärke ich die Umarmung und den Druck auf Yuries Lippen. Sie tut gar nichts. Sie liegt völlig erstarrt in meinen Armen.
 

...die Zeit hat aufgehört zu fließen; die einzige Bewegung um uns, ist der sanfte Wind, der uns mit weißen Blumen aus Eis einhüllt....

Szene#3

Autor: Jami-san (also ich...XD...)

E-Mail: jami-san@gmx.de

Thema: Eigene Serie/ Shoujo-ai

Genre: Drama, Romantik

Part: 3/ 7

Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha*

Kommentar: Okay, ich kann eigenwillige Charaktere einfach nicht ausstehen. In dieser Geschichte macht echt jeder was er...oder besser gesagt sie will T.T Hab ich als Autorin hier gar nichts mehr zu sagen???

Ach ja, und dieser Vergangenheitspart is glaub ich nich so gelungen. Aber ich wusste echt nich, wie ich es sonst hätte unterbringen sollen...also bitte nich so streng sein ^^;
 

Also, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ^^

Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.<
 

Szene#3
 

Wieviel Zeit ist vergangen? Wie lange schon schwebe ich im unendlichen Nichts des Glücks? Warum spüre ich tief in mir, dass irgendwas an dieser Situation so absolut falsch ist? Weshalb macht sich in mir diese Angst vor dem Ende dieses Augenblicks breit?
 

Doch es lässt sich nicht vermeiden. Langsam wird mir klar, was ich hier gerade tue. Ich merke, dass sich Yurie in meinem Armen völlig verkrampft hat. Sie wehrt sich nicht gegen meinen Kuss...zeigt aber auch kein Zeichen der Erwiderung...

Es scheint, als ob sie einfach unfähig wäre auch nur in irgendeiner Form auf meine spontane Aktion zu reagieren.
 

Genauso plötzlich, wie ich mit dem Kuss begonnen habe, beende ich ihn auch wieder. Als würde mir erst jetzt wirklich klar werden, was ich tue, lasse ich sie los. Schnell löse ich die Umarmung und weiche einige Schritte zurück. Kaum wage ich es, meine Augen auf sie zu richten. Wie wird sie reagieren?
 

Wieder scheint eine Ewigkeit zu vergehen, in der wir uns einfach nur gegenüber stehen. Ich mit gesenktem Kopf, weichen Knien und einem Wirrwarr von Gefühlen, von dem es unmöglich ist es näher zu beschreiben. Diese ganze Situation ist so unwirklich. So etwas habe ich bisher noch nie erlebt. Gleichzeitig glücklich und traurig, endlich einen Schritt vorwärts gemacht zu haben; das Gefühl erleben, dass sich neue Wege vor mir auftun und doch stehe ich vor einem unüberbrückbaren Abgrund.
 

Ein Ruck geht durch meinen Körper. Ich erwache aus meiner Starre und blicke auf. Im selben Augenblick bereue ich es auch wieder. Dieser Anblick brennt sich sofort in mein Innerstes, aus dem er wahrscheinlich nie wieder weichen wird.
 

Yurie steht einfach nur da, als wäre sie zu Stein erstarrt. Aus weit aufgerissenen Augen blickt sie gerade aus. Wohin ihr Blick geht, vermag ich nicht zu deuten. Es wäre möglich, dass sie mich ansieht, genauso gut könnte sie auch durch mich hindurch sehen. Ihre Brust hebt und senkt sich in einem schnellen Rhythmus. Ihr ganzer Körper ist von einem leichten Zittern erfasst.
 

Doch am schlimmsten ist ihr Gesichtsausdruck. Ich kann nicht beschreiben, was sich alles in ihren Zügen widerspiegelt. Unverständnis, Unglaube, Zweifel, eine Spur von Angst. Vielleicht auch...Ekel?!
 

Was sollte ich tun? Was konnte ich in dieser Situation tun? Vielleicht sagen, dass das ein Scherz war? Dass ich einfach nur mal ausprobieren wollte, wie es war meine beste Freundin zu küssen? Oder die Wahrheit? Ich wusste es einfach nicht. Ich wusste nur, dass dieses nichts tun schlimmer war, als wenn sie mich angeschrien hätte oder weggelaufen wäre.

Wer würde nun den ersten Schritt wagen? Wer ist als erster in der Lage, sich aus dieser Starre zu lösen?
 

Yurie hebt langsam den Arm. Sie hat immer noch diesen leeren Blick, der überall und nirgendwo hinzugehen scheint. Vorsichtig, als wenn sie sich mit dieser Bewegung wehtun könnte, streicht sie sich mit zwei Fingern über die Lippen. Es scheint, als ob sie herausfinden will, ob das eben wirklich passiert ist. Nachdem sie ihre Lippen einmal nachgezeichnet hat, lässt sie die Hand schnell wieder sinken, als ob sie sich verbrannt hätte.
 

„Aya-chan....was...“
 

Weiter kommt sie nicht. Über ihre Wangen laufen immer noch Tränen. In mir macht sich wieder das Bedürfnis breit sie in meine Arme zu ziehen. Beinahe hätte ich diesem Bedürfnis nachgegeben. Selbst wenn ich das wirklich tun wollte; mein Körper würde mir nicht gehorchen.
 

Immer noch nicht fähig auch nur irgendwas zu tun, warte ich auf eine weitere Reaktion von Yuries Seite. Doch wieder verstreichen nicht enden wollende Sekunden, ehe sie sich bewegt.
 

Sie schließt die Augen, atmet einmal tief und hörbar ein und wieder aus. Leicht schüttelt sie den Kopf. Eine typische Geste für sie, die zeigt, dass sie versucht Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Noch einmal atmet sie tief durch. Dann öffnet sie wieder die Augen. Diesmal liegt nicht wieder dieser leere, undefinierbare Ausdruck in ihnen. Sie schaut geradewegs mich an. Es ist mir nicht möglich zu sagen, was sie in diesem Augenblick denkt. Ihr Gesicht wirkt merkwürdig steif und verschlossen. Fast, wie eine Maske.
 

„Warum...warum hast du das gerade getan?“ Sie versucht ihrer Stimme einen ruhigen Klang zu verleihen. Doch so ganz gelingt es ihr nicht. Ich kann deutlich die Verwirrung aus ihrer Stimme heraus hören.
 

Unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, bemühe ich mich ihr eine Antwort zu geben. Das Problem ist, ich habe keine Ahnung, wie diese Antwort aussehen sollte. Mir ist klar, dass es vollkommen gleichgültig ist, was ich sage. Es wird immer das Falsche sein. Ein unwiderstehliches Bedürfnis einfach zu flüchten macht sich in mir breit. Einfach nur weg von hier. Weg, von diesem Moment, dieser Situation. Weg, von ihr, die mich so hilflos und verwirrt ansieht, wie ich mich fühle.
 

Unwillkürlich weiche ich etwas zurück. Mein Kopf ist leer. Nur ein einziges Bild hallt immer wieder in meinen Gedanken wieder. Nur ein einziges Gefühl kann ich immer wieder in meiner Brust spüren.
 

„Ayako, was ist los mit dir?“
 

>Ayako<

So hat sie mich schon lange nicht mehr genannt. Etwas in meine Brust zieht sich schmerzhaft zusammen, als sie diesen...meinen Namen ausspricht. Eins wird mir klar. Ich kann hier nicht bleiben. Ich muss hier weg. Sofort. Sonst werde ich ihr das sagen, was ich ihr nicht sagen will. Das, was sie doch niemals erfahren soll.
 

„Go...gomen nasai....“ Ich bin mir nicht sicher, ob sie meine vor mich hingemurmelten Worte überhaupt verstanden hat. So seltsam es klingt, in diesem Moment, ist mir das auch vollkommen egal. Mein Fluchttrieb ist übermächtig geworden. Auf dem Absatz mache ich kehrt und laufe einfach davon. Weg. Einfach nur weg von hier.
 

...in meinen Gedanken und in meinem Herzen ist ihr Bild unweigerlich eingebrannt....
 

***
 

Atemlos lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen, um dann vollkommen erschöpft an ihr hinunter zu rutschen. Es kommt mir so vor, als ob ich den Weg von der Schule zu mir nach Hause noch nie so schnell hinter mich gebracht hatte. Ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen war ich einfach nur gerannt. Immer weiter. Vielleicht in der Hoffnung das gerade Geschehene zu vergessen.
 

Natürlich ist mir das nicht gelungen. Immer noch sehe ich Yurie vor meinem geistigen Auge, als würde ich eine Fotografie anschauen. Es wird mir nicht vergönnt sein diesen Anblick jemals wieder zu vergessen. So viel ist mir jetzt schon klar.
 

Doch nun, wo ich zu Hause bin, fängt mein Verstand langsam wieder an zu arbeiten. Noch einmal gehe ich alles durch, was in der letzten halben Stunde passiert ist. Und einer Sache bin ich mir jetzt vollkommen sicher. Ich werde meine Gefühle für Yurie nicht länger geheim halten können.
 

Sie wird mich morgen garantiert darauf ansprechen. Das ist ja auch nur zu verständlich. Wer würde das nicht tun? Gerade, wenn man Yurie Yamamura heißt, hat man gar keine andere Wahl. Es entspräche einfach nicht ihrem Charakter, solch unausgesprochene Dinge zwischen den Menschen unberührt zu lassen. Auch wenn mir das jetzt wesentlich lieber wäre. Doch welche Alternativen stehen mir schon offen?
 

Eine Möglichkeit wäre, sie anzulügen. Das hatte ich ja vorhin schon in Erwägung gezogen. Aber das könnte ich einfach nicht. Mit dieser Lüge würde ich mich selbst verleugnen. Das will ich nicht. Das ist eine der wenigen Sachen, die ich mir für mein Leben selbst geschworen habe. Ich werde immer zu mir selbst stehen und niemals verleugnen wer oder was ich bin. Ich bin einfach viel zu stolz, um das Gegenteil zu tun.
 

Und trotzdem. Eine nagende Angst, vor dem, was jetzt auf mich zukommt, breitet sich in mir aus. Warum? Warum schaffe ich es immer wieder mich in sowas hineinzureiten? Warum mache ich mir immer alles schwerer als es sowieso schon war?
 

Ein dicker Kloß bildet sich in meinem Hals. Ich versuche gar nicht erst ihn hinunter zu schlucken. Das wäre sowieso sinnlos. Schon wenige Sekunden später verschleiert sich meine Sicht. Die Tränen laufen meine Wangen hinunter. Einige Minuten sitze ich einfach nur schluchzend da und lasse ihnen freien Lauf.
 

Als ich mich wieder beruhigt habe, rappel ich mich langsam auf. Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass es bereits sehr später Nachmittag, fast schon abend ist. Ich fühle mich total erschöpft. Mit kleinen Schritten schlurfe ich in mein Zimmer. Meine Tasche lasse ich einfach neben die Tür fallen. Wie in Trance gehe ich zu meinem Bett, strecke mich darauf aus und schließe noch einmal leicht aufschluchzend die Augen. Bereits wenige Augenblick später gleite ich hinab in einen unruhigen Schlaf.
 

***
 

Die Blätter rauschen. Über der krakeelenden Kindermasse brennt die Sonne. Nicht eine Wolke verdeckt den Himmel. Eine warme Sommerbrise sorgt dafür, dass die erwärmte Luft nicht all zu stickig wird. An dem kleinen See tummeln sich sehr viele Menschen. Es ist schwer zu laufen, ohne aus Versehen auf jemanden zu treten.
 

Eine Menschengruppe ist besonders auffällig. Eine Vielzahl von Kindern, die gemeinsam im Sand spielen. Alle haben Badekleidung in der gleichen Farbe an. Das soll ihren Betreuern helfen, sie schnell zu erkennen. Sie alle gehören in das nahe gelegene Feriencamp.
 

Ein paar Jungs und Mädchen sind gerade dabei eine Sandburg zu bauen. Was sich als sehr schwierig erweist, denn einige andere Kinder versuchen immer wieder sie kaputt zu machen, um sie zu ärgern. Eine andere Gruppe spielt im Wasser gemeinsam mit einer der Betreuerinnen ein Ballspiel. Wieder andere tollen einfach nur im Sand herum.
 

Insgesamt ist es ein fröhliches, unbeschwertes Bild, was sich einem Beobachter bietet. Lachende Kinder, die sich noch nicht um den Ernst des Lebens zu sorgen brauchen. Ihr Geist kennt keine größeren Sorgen, als die, wie oder wann sie wieder an etwas zu Naschen kommen. Ihr Anblick erinnert einen an die eigenen unschuldigen Tage, die schon in weite Ferne gerückt sind. Die Zeit, als man unbeschwert war. Eine Zeit, wo es reichte zwischen ‚Gut‘ und ‚Böse‘; zwischen ‚Schwarz‘ und ‚Weiß‘ zu unterscheiden.
 

...eine unbeschwerte Zeit, die nie zurückkehrt...
 

Jedoch an diesem kleinen Seeufer zeigt sich bereits der Schatten aus der komplizierten Welt der Erwachsenen. Etwas abseits des Sandufers, an einer Stelle, wo der Sand langsam in eine von Gras bewachsene Wiese übergeht, sitzt auf einem großen Stein ein kleines Mädchen. Die Knie hat es dicht an seinen Körper gezogen; eng umschlungen von seinen zierlichen Ärmchen. Das Kinn auf die Knie gestützt beobachtet es mit traurigen Augen die lachenden und spielenden Kinder.
 

Dieses Mädchen gehört nicht zu den Kindern aus dem Ferienlager. Es hat nicht die typischen Sachen des Lagers an. Anscheinend ist es ganz alleine. Ab und zu kommt es vor, dass jemand einen verwunderten Blick auf die Kleine wirft. Doch niemand scheint sich weiter Gedanken um sie zu machen.
 

Ayako selbst kümmert sich nicht weiter um die Menschen, die um sie herum sind. Ihre Gedanken weilen an einem ganz anderen Ort. Für sie war erst vor wenigen Tagen eine ganze Welt zusammen gebrochen. Es gab jetzt niemanden mehr, der sich um sie Sorgen machen würde. Ihre Mutter war immer so oft unterwegs. Wenn sie mal da war, hatten sie zwar immer sehr viel Spaß zusammen. Doch diese Tage waren viel zu selten. Es kam alle zwei oder drei Monate mal vor, dass sie eine längere Zeit zu Hause blieb.
 

Die Großeltern, bei denen sie jetzt gezwungener Maßen die Ferien verbringt, sind zwar schrecklich lieb zu ihr, doch gelang es ihr einfach nicht sich ihnen gegenüber zu öffnen. Das Mädchen spürt, dass hinter der Fassade der Freundlichkeit ganz andere Gefühle verborgen sind. Gefühle, die nach Ansicht der Gesellschaft falsch sind. Deshalb wird nach außen eine Fassade errichtet, die dem Bild der Gesellschaft entspricht.
 

Ayako versteht die versteckte Ablehnung ihrer Großeltern nicht. Dafür ist ihr umso klarer, dass sie sich an diesem Ort nicht wohl fühlt.
 

Und ihr Vater....
 

Als sich ihre Gedanken in diese Richtung wenden, beginnen ihre Augen verräterisch zu glitzern. Bereits nach wenigen Sekunden sucht sich die erste Träne ihren Weg aus ihrem Augenwinkel, über eine bleiche Wange hinunter zum Kinn, wo sie auf ihr Knie weiter fließt. Ayako versucht verzweifelt gegen die Tränen zu kämpfen. Sie will nicht mehr weinen. In den vergangenen Tagen hatte sie bereits genug geweint. Sie hatte für sich selbst beschlossen, dass sie stark sein würde; dass sie die Traurigkeit einfach zurück drängen würde. Denn so viel meinte sie mit ihren sechs Jahren jetzt verstanden zu haben. Wer in der Welt von den Erwachsenen zurecht kommen wollte, durfte keine Schwäche zeigen.
 

Denn ‚Schwäche‘, diese Eigenschaft macht sie dafür verantwortlich, dass ihr Vater jetzt nicht mehr bei ihr war. Sie hatte es auf dessen Beerdigung gehört. Zwei Männer, die nur wenige Schritte hinter ihr standen, hatten sich flüsternd darüber unterhalten. Sie hatten es gesagt.
 

„War ja klar, dass der Kitagawa es nicht lange macht. Keine Frage. Seine Bilder hatten schon Stil. Doch ich hab schon von vornherein gesehen, dass er zu weich für die Branche war.“

„Ja, du hast Recht. Er war ein Schwächling. Es hätte ihm gleich klar sein müssen, dass die Anforderungen an einen Künstler hoch sind, wenn er überleben will. Tja, aber das ganze hat auch was Gutes.“ Hier hatte sich die Stimme von einem vorher noch recht sachlichen Ton, in einen verwandelt, aus dem man das gierige Grinsen geradezu heraus hören konnte. „Er war trotzdem sehr gefragt. Und jetzt, nach seinem Tod, wird der Wert seiner Bilder sich mindestens verdoppeln. Wenn nicht noch mehr.“
 

Danach hatte Ayako sich die Ohren zu gehalten. Sie wollte das alles nicht hören. Ihr Vater sollte schwach gewesen sein? Er war doch immer so lieb zu ihr und hatte sie immer vor allem beschützt. Nur in den letzten Monaten war er immer so abwesend. Er hatte sich kaum noch für sie interessiert. Entweder er schlief oder er war nicht zu Hause. Ayako hatte sich dabei nichts gedacht. Sie dachte, das war, weil er so viel zu arbeiten hatte.

Nachdem er schon tot war, hatte ihr Mutter ihr versucht zu erklären, dass ihr Vater einem bösen ‚Gift‘ verfallen war, dass ihn langsam zu Grunde gerichtet hatte. ‚Gift‘ mit dem Namen Alkohol. Ayako verstand das alles nicht so ganz. Sie wollte es gar nicht verstehen. Sie wollte nur ihren Vater wieder bei sich haben.
 

Und doch; ihre Überlegungen, die sie hier nun schon seit drei Tagen immer und immer wieder anstellte, hatten sie zu dem Schluss gebracht, dass an den Worten ihrer Mutter und denen dieser beiden Männer etwas dran war. Ihr Vater musste schwach gewesen sein. Wäre es anders, dann hätte er diesem ‚Gift‘ doch mit Leichtigkeit widerstehen können. Doch er konnte es nicht. War dies seine Schwäche, die ihn in den Tod zerrte?
 

...Schwäche; eine Eigenschaft, die bei den Menschen verboten ist...
 

‚Ich werde niemals schwach werden. Ich werde immer nur genau das tun, was ich will. Mir wird es immer egal sein, was andere denken.‘ Wie, um sich selbst Mut zu machen, streckt sie sich etwas. Ein sanfter Wind weht ihr beruhigend und tröstend ins Gesicht. Er hilft ihre Tränen schnell zu trocknen.
 

‚Ich will stark und sanft, stolz und nachgiebig sein...wie dieser Wind...‘

Dies sind die Worte, die Ayako durch den Kopf gehen, als sie eine helle Mädchenstimme aus ihren Gedanken reißt.
 

„Hörst du mich? Hey du, auf dem Stein!“

„Wie?“ Blinzelnd sieht Ayako sich um. Vor dem Stein, auf dem sie sitzt, steht ein Mädchen aus dem Feriencamp. Ihre langen schwarzen Haare sind zu einem geflochtenen Zopf zusammengebunden. Anscheinend hatte es schon mehrmals versucht Ayako auf sich aufmerksam zu machen, denn sie zieht nun einen kleinen Schmollmund.

„Was ist?“, will Ayako wissen. Unwillkürlich wischt sie sich mit dem Handrücken die Tränenspuren aus dem Gesicht. Das fremde Mädchen schaut einmal schnell über die Schulter hinunter zum Seeufer und wendet sich dann wieder Ayako zu.

„Kannst du mich verstecken?“

„Wi...Wie bitte? Warum?“ Ayako versteht nicht, was das Mädchen eigentlich von ihr will. Hastig beginnt dieses zu erklären.

„Wir spielen Verstecken. Und der, der als letztes gefunden wird, bekommt nachher eine Überraschung. Und ich dachte, du weißt vielleicht ein gutes Versteck.“ Die Augen des Mädchens begannen bei dem Gedanken an die Überraschung zu leuchten. „Bitte, hilf mir!“
 

Eigentlich will Ayako lieber allein sein. Aber das Mädchen strahlt sie so voller Vorfreude an, dass sie ihre Grübeleien für diesen Augenblick vergisst. Kurz entschlossen gleitet sie von dem Stein hinunter, nimmt wortlos die Hand des Mädchens und führt sie um den Stein herum. Dahinter liegt eine kleine Senke, die fast vollständig von Büschen und Sträuchern umschlossen ist. Von dem Seeufer ist es unmöglich sie zu sehen, da der Felsen sie vollständig verdeckt.
 

„Glaubst du, das ist gut genug?“

Das Mädchen sieht sich mit seinen braunen Augen kurz kritisch um und nickt dann begeistert. „Das ist toll!“, jauchzt sie. Kichernd kauert sie sich in die Senke, so dass sie mit dem Rücken an dem Felsen lehnt. „Du wirst mich auch bestimmt nicht verraten?“ Fragend sieht sie Ayako an. Diese schüttelt kurz den Kopf, um gleich darauf zu verschwinden. Das Mädchen schaut ihr verdutzt, aber gleichzeitig seltsam lächelnd nach.
 

Ayako bezieht wieder ihren Posten auf dem Felsen. Allerdings nehmen nicht wieder die Ereignisse der letzten Tage ihre Gedanken gefangen. Stattdessen beobachtet sie dieses Mal wirklich, wie die Kinder spielen. Eins nach dem anderen wurde von den Betreuern wieder gefunden. Nur zu dem Felsen kam niemand. Ayako kann ein verschmitztes Grinsen nicht unterdrücken.
 

Plötzlich wird eine der Betreuerinnen auf sie aufmerksam. Sie überlegt einen kurzen Moment, ob es wirklich etwas bringen würde das Mädchen zu fragen; beschließt dann aber für sich, dass es auf keinen Fall schade. Vor Ayako bleibt sie stehen. Da diese auf dem Felsen sitzt, sind beide auf der gleichen Augenhöhe. Die Betreuerin lächelt freundlich.
 

„Sag mal Kleine, hast du zufällig einen meiner Schützlinge gesehen? Ein Mädchen in deinem Alter mit einem geflochtenen Zopf. Sie müsste sich hier irgendwo verstecken. Sie ist die Einzige die noch fehlt.“

Ayako überlegt kurz, ob sie das Mädchen verraten sollte. Aber wenn sie ohnehin schon die Letzte war, die noch gesucht wurde, würde es bestimmt egal sein. Außerdem wollte sie auch nicht, dass das andere Mädchen womöglich Ärger bekommt, weil sie sich nicht zeigt. Deshalb dreht sie sich einfach stumm um, um mit dem Arm hinter sich zu deuten. Die Betreuerin versteht den Wink und beginnt leise und vorsichtig um den Felsen herum zu schleichen.
 

„Hab ich dich!“, ruft sie, als sie das hinter dem Felsen kauernde Mädchen erblickt. „Komm schnell, du bist die Letzte!“ Vergnügt springt das Mädchen auf. Gemeinsam mit der Betreuerin will sie sich gerade auf den Weg zu der schon wartenden Kindergruppe machen, als ihr noch was einfällt.
 

Sie dreht sich noch einmal zu Ayako um. „Danke für deine Hilfe!“ Sie strahlt über das ganze Gesicht. „Bist du morgen auch wieder hier?“

Ayakos Antwort besteht nur aus einem perplexen Nicken. Dieses Mädchen verwundert sie wirklich. Dass jemand einfach so offen auf sie zukam, hatte sie noch nie erlebt.

„Toll!“, freut sich die Kleine. „Dann können wir ja zusammen was spielen.“ So wie sie das sagte, klang das schon wie eine beschlossene Tatsache. Auch die Betreuerin, die das Geschehen stumm verfolgt hatte, muss ob der Entschlossenheit ihres Schützlings schmunzeln.
 

„Ich heiße Yurie. Und du?“, fragt das Mädchen weiter. Ihre Begeisterung eine neue ‚Freundin‘ gefunden zu haben, wurde durch das bisherige Schweigen Ayakos keinesfalls gemildert.

„Ayako Kitagawa.“

„Dann bis morgen, Ayako!“, ruft ihr Yurie noch im Fortgehen zu und winkt dabei fröhlich.

Ayako sitzt völlig verdattert da. Sie hatte in den letzten Tagen ganz vergessen, wie es war, wenn sich jemand einem zuwendet. Einfach normal und fröhlich mit ihr redet, ohne diese mitleidigen oder nervösen Blicke. Erst jetzt bemerkt das kleine Mädchen, wie ihr so jemand gefehlt hatte.
 

***
 

Am nächsten Tag kommt Ayako schon sehr früh zum Seeufer hinunter. Warum, wusste sie selbst nicht so genau. Sie kennt dieses Mädchen doch überhaupt nicht. Und hatte sie sich nicht vorgenommen, ganz alleine klar zu kommen?

Doch auf unerklärliche Weise war ihr das andere Mädchen, Yurie, sehr sympathisch gewesen. ‚Sie ist zwar etwas seltsam, aber ich glaube, ich mag sie.‘

Ihre trübsinnigen Gedanken, die sie den Tag zuvor noch gehegt hatte, waren wie weggeblasen. Verdrängt in eine tiefe dunkle Ecke ihres Bewusstseins, aus der sie so schnell nicht wieder hervor kommen sollten.
 

Noch liegt das Seeufer fast verlassen vor ihr. Über den Bäumen am anderen Ende des Sees erhebt sich noch leicht rötlich schimmernd die Sonne. Die Umgebung wird vom leisen Vogelgezwitscher, das Plätschern von Enten auf dem See und dem Quaken einiger Frösche eingehüllt. Ayako, die sich diesmal vor ihren Felsen ins Gras hatte sinken lassen, schließt die Augen, um diese angenehme Atmosphäre besser mit dem ganzen Körper aufnehmen zu können.
 

Dabei musste sie eingeschlafen sein. Das nächste, was sie bewusst wahrnimmt ist etwas, was ihr sanft aber gleichzeitig bestimmt in die Seite pikst. Mürrisch darüber, auf so unsanfte Weise geweckt zu werden, schlägt sie die Augen auf. Die Sonne scheint inzwischen schon sehr kräftig. Deshalb muss sie erst einmal blinzeln, um nicht geblendet zu werden. Als sich ihr Blick klärt, blickt sie direkt in ein paar strahlend braune Augen, die vergnügt auf sie runterschauen.
 

„Ohio, Aya-chan!“ Yurie strahlt über das ganze Gesicht. „Komm mit!“ Ohne auch nur eine Antwort von Ayakos Seite abzuwarten, nimmt Yurie deren Hand und zieht sie mit sich zu den anderen Kindern des Feriencamps herüber.
 

Kindliche Unschuld und kindliches Vertrauen, gepaart mit einem Lächeln. Ein Mittel, um die Trauer dieser Welt zu vergessen. Ein Zeichen für das Glück, dass noch immer auf diesem Planeten existiert. Und, die Einladung zu einer neuen Freundschaft, in der man dieses Glück teilen kann.
 

***
 

Ein kalter Raum. Um sie herum nur Kinder, die viel zu laut sind. Alle schreien und kreischen durcheinander, berichten sich ihre Ferienerlebnisse. Jeder versucht den anderen mit seinen Erzählungen zu übertrumpfen. Doch Ayako interessiert das alles nicht. Sie fühlt sich nur wieder schrecklich allein. Mit traurigen Augen sitzt sie allein an ihrer Schulbank und schaut den am Himmel vorbeiziehenden Wolken sehnsüchtig hinterher.
 

‚...ich möchte wie sie einfach mit dem Wind reisen können...‘
 

Das Ende der Sommerferien hatte gleichzeitig den Abschied von Yurie bedeutet. Diese war wieder nach Hause gefahren. Das Dorf in dem sie wohnt, liegt weit weg von der Stadt, in die Ayako jetzt zum Schulanfang zurückgekehrt war. Bei ihren Großeltern konnte sie nicht länger bleiben, weil es dort keine Schule in der Nähe gab. Jetzt sitzt sie also hier in diesem tristen, grauen Schulgebäude; völlig allein.
 

Ein Seufzen entrinnt der Kehle des Mädchens. Wieder einmal spürt sie, wie ihre Augen anfangen zu brennen. Sie bemerkt, wie sich ihre Augenwinkel bereits mit der salzigen Flüssigkeit zu füllen beginnen.
 

...der Wind, der sie an jenem See sanft umweht und Trost gespendet hatte, war verschwunden...sie wurde zurückgestoßen in die stehende Luft über dem Abgrund der Einsamkeit...
 

Das läuten der Glocke verkündet, dass der Unterricht jetzt anfängt. Ein leises Klicken verrät Ayako, dass der Lehrer jetzt die Tür geöffnet hatte und den Klassenraum betritt. Sehen konnte sie es jedoch nicht, denn ihren Kopf hatte sie inzwischen so auf ihren verschränkten Armen gebettet, dass sie auf die Tischplatte starrte.
 

„Nun komm schon rein. Hier wird dich schon keiner beißen.“ Die Stimme des Lehrers bemüht sich sehr um einen beruhigenden Ton. Trotzdem gelingt es ihm nicht ganz seine Ungeduld zu verbergen. „Du kannst doch nicht den ganzen Tag vor der Tür stehen.“
 

Anscheinend hatte sich die angesprochene Person von ihm überreden lassen, den Raum zu betreten. Das erneute Klicken der sich schließenden Tür verriet das. Darauf folgt das Geräusch von zwei zögerlichen, ganz leisen Schritten. Sie waren so leise, dass es sehr schwer war sie zu hören, als ob sie vom Wind getragen würden.
 

„Also, Kinder, wie ihr seht haben wir eine neue Schülerin.“ Das Geräusch des Kratzens von Kreide auf der Tafel erfüllt den Raum. Der Lehrer schreibt den Namen von ihr an die Tafel. „Am besten, du stellst dich selbst vor.“
 

Ein leises Räuspern erklingt. Dann spricht das Mädchen mit klarer fester Stimme.

„Konnichi wa! Ich bin Yurie Yamamura. Ich hoffe, dass wir gute Freunde werden.“
 

Ayakos Kopf fährt wie vom Schlag getroffen in die Höhe. Ungläubig starrt sie nach vorne an die Tafel. Dort, vom anderen Ende des Raumes strahlen ihr leuchtende, braune Augen entgegen, die sie doch so weit weg glaubte. Auf das „Such dir einen freien Platz“ des Lehrers, kommen diese Augen ihr voll freudiger Erwartung gepaart mit einem warmen Lächeln entgegen.
 

...die Luft um sie herum beginnt erneut in einer sanften Schwingung zu vibrieren und trägt sie fort von dem düsteren Abgrund...
 

***
 

Ein lautes Klopfen holt mich aus meinen Träumen von der Vergangenheit zurück in die Wirklichkeit. Nur mit merklicher Anstrengung gelingt es mir den Kopf zu heben. Mit einem leichten Schütteln versuche ich die von meinem Traum zurückgebliebenen Eindrücke zu verscheuchen. Verschlafen versuche ich die Anzeige meines Weckers zu entziffern. Jedoch ist inzwischen Dunkelheit herein gebrochen, so dass es unmöglich ist die Stellung der Zeiger zu erkennen. Seufzend will ich mich zurück in die Kissen sinken lassen, als es erneut, diesmal bereits ziemlich ungehalten, an die Wohnungstür klopft.
 

Langsam erhebe ich mich. Besonders Lust zur Tür zu gehen habe ich nicht. Es gibt nicht sehr viele Menschen, die mich für gewöhnlich besuchen kommen. Und einen dieser Menschen, von dem ich aber stark vermute, dass er vor der Tür steht, will ich nach dem heutigem Nachmittag garantiert nicht sehen. Bei diesem Gedanken zieht sich in meinem Innern krampfhaft etwas zusammen. Fast im selben Augenblick spüre ich auch wieder einen dicken Kloß in meinem Hals.
 

Unwillkürlich schüttele ich erneut den Kopf, um dieses Gefühl, bevor es sich richtig festsetzt, beiseite zu schieben. Verdrängung von Gefühlen war bisher immer ein sehr gutes Mittel für mich gewesen, um mit der Welt klar zu kommen. Es fällt immer leicht Schmerz auszuhalten, wenn er scheinbar gar nicht vorhanden ist.
 

...Schwäche, durch andere Schwäche wettmachen, um sie dann in scheinbarer Stärke in die Außenwelt zu tragen...
 

Wieder ein Klopfen. Resignierend überwinde ich mit schnellen Schritten die letzten Meter bis zu Tür. Noch einmal tief durchatmend strecke ich die Hand nach der Türklinke aus.

‚Egal, was jetzt auch immer kommt. Egal, was sie sagt oder tut. Jetzt gilt es ehrlich zu sein. Denn alles andere wäre eine Lüge vor dir selbst.‘
 

Mit einem Ruck, bevor ich meinen Entschluss vielleicht doch noch einmal überdenken kann, öffne ich die Tür. Im nächsten Augenblick finde ich mich völlig überrumpelt in einer engen Umarmung wieder.
 

„Ich hab dich vermisst, Aya-chan!“, flüstert eine leise Stimme in mein Ohr.

Szene#4

Autor: Jami-san (also ich...XD...)

E-Mail: jami-san@gmx.de

Thema: Eigene Serie/ Shoujo-ai

Genre: Drama, Romantik

Part: 4/ 7

Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha* Trotzdem verdien ich hiermit leider kein Geld (wie wärs mit ner Bezahlung in Karotalern XD)

Kommentar: Ja, was soll ich zu diesem Kapitel sagen. Erstmal war es niemals geplant, dass das ganze so verläuft. Wie schon gesagt, diese ganze Sache hat sich etwas verselbstständigt *hust* Außerdem muss ich sagen, dass mir das Kapitel nicht wirklich gefällt (bis auf den Vergangenheitsteil ^^). Da konnte ich selbst mir einer Überarbeitung nicht mehr viel retten. Und wenn ich es jetzt noch mal komplett neu schreiben würde. Nee, das würde zu lange dauern....

Und ich brauchte jetzt auch jemanden, der Ayako wenigstens ein bisschen zur Seite steht. Geht ja schließlich nicht, dass ich sie hier ganz alleine lasse (auch wenn das die ganze Sache für mich wieder komplizierter macht >.<). Es fällt mir teilweise schon sehr schwer Ayako so zu beschreiben, dass es nicht zu widersprüchlich wird (und ich sie auch irgendwie verstehen kann). Sie ist eben eine etwas zwiespältige Persönlichkeit -.-;
 

An dieser Stelle auch noch vielen Dank für die Kommentare. ^^ *alle knuddl* Ich freu mich wirklich ganz doll darüber. Ohne sie würde ich auch gar nicht weiterschreiben. Aber so habe ich ja einen triftigen Grund =^.^=
 

Also, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ^^

Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.<
 

Szene#4
 

„Nein! Ich...ich will nicht,... dass du gehst! Bitte...bitte...Lass mich hier nicht allein...Bitte!“ Flehend und unnachgiebig durchdrang das Bitten des kleinen Mädchens die Stille in der sonst so ruhigen Wohnung. Immer wieder wird der kleine Körper von heftigem Schluchzen geschüttelt. Die sonst so strahlenden grünen Augen sind mit Tränen verschleiert. Im Herzen der Sechsjährigen schreit pure Angst, davor allein gelassen zu werden. Verzweifelt versucht sich die kleine Gestalt vor der Tür aufzubauen, um es ihrer Mutter unmöglich zu machen durch eben diese hinaus zu gelangen.
 

„Ayako-chan. Bitte, sei ein liebes Mädchen. Du weißt doch, dass die Mama arbeiten muss.“ Die Stimme, die eigentlich eine beruhigende Wirkung auf Ayako haben sollte, kann die eigene Panik nicht verbergen. Die noch recht junge Frau streicht sich nervös eine ihrer dunkelbraunen Strähnen aus dem Gesicht. In ihrem Kopf arbeitet es. Alles in ihr schreit danach endlich diesen Ort, der ihr alles Glück geraubt hatte, zu verlassen. „Komm her und gib mir noch einen Kuss.“
 

Sie muss sich sehr dazu zwingen ruhig zu bleiben. Mit sehr kontrollierten Bewegungen geht sie in die Hocke, um mit ihrer Tochter auf eine Augenhöhe zu gelangen. Einladend streckt sie ihr die Arme entgegen. Einen kurzen Augenblick scheint es so, als ob Ayako dieser Einladung nicht nachkommen würde. Doch die Sehnsucht des Mädchens nach dem Gefühl der Geborgenheit ist übermächtig. Als sie in die Arme ihrer Mutter mehr stolpert als läuft, lassen sich auch die Tränen nicht mehr aufhalten. Hemmungslos suchen sich die Tränen ihren Weg über die bleichen Wangen.
 

„Kann...kann ich...kannst du mich nicht mitnehmen?“ Verzweifelt suchen große feuchte Augen eine Bestätigung in den Augen der Person, die sie sanft in die Arme geschlossen hatten. „Onegai...!“
 

Sanft haucht Kaori Kitagawa ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn, um sie danach etwas von sich wegzudrücken. Auch ihre Augen haben sich mittlerweile mit Tränen gefüllt. Ernst blickt sie dem Mädchen in die Augen. So viele Gefühle streiten sich in ihr. Sicher, sie liebt dieses Mädchen. Es war eines der größten Geschenke, welches ihr das Leben gemacht hatte. Und gleichzeitig war es ihr nicht mehr möglich die Nähe dieses kleinen Wesens zu ertragen. Viel zu sehr wurden die Erinnerungen an ihren über alles geliebten Mann durch sie wach gerufen. Sie hatte Angst vor ihrer Tochter. Angst, ihr weh zu tun....Angst, sie irgendwann zu hassen aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit ihrem Vater, für die sie nichts konnte...
 

Schmerzhaft lächelnd schüttelt sie den Kopf. Trotz ihres inneren Gefühlschaos schafft sie es ihre Stimme fest und bestimmt klingen zu lassen. „Nein, Ayako-chan. Ich kann dich nicht mitnehmen.“ Sie braucht noch mehr Zeit für sich, um ihren eigenen Schmerz zu verarbeiten. Sie hat nicht die Kraft, die Schmerzen des kleinen Mädchens auch noch auf sich zu nehmen...geschweige denn sie zu lindern....
 

Das Leben hält für so manchen Prüfungen, Aufgaben und Ereignisse bereit, die nicht immer leicht zu überstehen sind. Könnte man es nicht als Ironie bezeichnen, wenn zwei Menschen, die an dem gleichen Schmerz leiden, nicht in der Lage sind sich gegenseitig Halt zu geben? Wenn sich beide so sehr nacheinander sehnen, dass schon alles in die Brüche geht, weil sich einer überfordert fühlt? Und je mehr sich der Eine nach der Zuwendung und Unterstützung des Anderen sehnt, desto mehr wird sie ihm der Andere versagen.
 

Grenzenlose Angst und Trauer stehen in Ayakos Gesicht geschrieben. Das kann Kaori klar erkennen. Doch auch diese Tatsache kann sie nicht hier halten. „Keine Angst. Du wirst nicht allein sein.“ Beruhigend fuhr sie mit ihrer leicht zitternden Hand durch die zerzausten Haare des Mädchens. „Ich habe die neuen Nachbarn darum gebeten sich um dich zu kümmern.“ Ein unsicheres aber gleichzeitig liebevolles Lächeln zeichnet sich in ihrem Gesicht ab. Ihr ist bewusst, dass das kein Ersatz für die Eltern ist, die Ayako doch eigentlich braucht. Aber ihr blieb keine andere Wahl. Es gab sonst niemanden mehr.
 

„Aber...aber...“ Auch in Ayakos Kopf herrscht ein einziges Chaos. Sie versteht das alles nicht. Erst hatte sie ihren Vater verloren, und jetzt will ihre Mutter, die sie ohnehin schon so selten sah, sie auch noch verlassen? Sie weiß ja, dass ihre Mutter schon immer sehr wenig Zeit hatte. Trotzdem hatte sie gehofft, dass sie wenigstens jetzt, wo ihr Vater nicht mehr war, zusammen bleiben könnten. Wie schnell war diese Hoffnung wieder zerstört worden.
 

Ihre Mutter stand plötzlich mit den beiden Koffern im Flur und war gerade dabei sich ihren langen beigen Mantel überzuziehen, als Ayako aus ihrem Zimmer gekommen war. Das Mädchen war sich nicht sicher, was sie mehr traurig machte. Die Tatsache an sich, dass sie allein hier bleiben sollte oder, dass ihre Mutter gehen wollte, ohne ihr ein Wort des Abschiedes zu sagen.
 

Sie war es so leid von allen hintergangen und zurückgelassen zu werden. Erst ihr Vater, dann die doch recht offensichtliche Ablehnung ihrer Großeltern, wo sie die letzten Wochen verbracht hatte, damit sich ihre Mutter erholen konnte. Dann noch der Abschied von ihrer neuen Freundin Yurie. Und jetzt auch noch ihre Mutter, von der sie so sehr gehofft hatte, dass sie ihr jetzt eine Stütze sein würde!
 

Wieder sieht sich Ayako in ihrem Entschluss bestätigt sich niemandem mehr zu öffnen, und wenn er oder sie ihr scheinbar noch so nahe steht. Es bringt einfach nichts, auf Unterstützung von anderen zu hoffen.
 

...anderen vertrauen, heißt letztendlich nur Verrat, der immer folgen wird...
 

Ayako hat nicht bemerkt, dass ihre Mutter sie losgelassen hat. Sie steht, einen Koffer in der einen Hand, mit der anderen auf den kleinen Flurtisch deutend, an der Tür. „Das wollte dir dein Vater zu deinem 18. Geburtstag schenken. Er hat es am Tag deiner Geburt gemacht.“ Kurz folgt Ayako mit den Augen der Weisung ihrer Mutter. Auf dem Tisch steht ein kleines schwarzes Kästchen.
 

Diese kurze Ablenkung nutzt die junge Frau, um schnell die Tür zu öffnen, ihre Koffer hinaus zu befördern und mit einem leisen, zögerlichen „Sayonara“ die ihr so verhasst gewordene Wohnung zu verlassen. Ein zittriges Ausatmen erfolgt, als sie das Einschnappen des Türschlosses hinter sich vernimmt. Mit eiligen Schritten, um ein mögliches Bereuen ihrer Entscheidung zu verhindern, eilt sie die Treppen hinunter dem unten wartenden Taxi entgegen. Stumme Tränen suchen sich ihren Weg, während sie mit gemischten Gefühlen, bei denen eine seltsame Form der Erleichterung überwiegt, sich zum Flughafen befördern lässt, um dieser Stadt...diesem Land den Rücken zu kehren.
 

Ayako stand mit trübem Blick in dem verlassenen Flur. Die leeren Augen sind starr auf die Tür gerichtet. In der blinden Hoffnung, die Tür würde plötzlich wieder aufschwingen und ihre Mutter stände wieder vor ihr, wagt sie es nicht, sich vom Fleck zu bewegen.

Nicht endende Sekunden, dann Minuten verstreichen, ohne das auch nur das kleinste Geräusch aus dem Hausflur an ihr Ohr dringt. Jeder Augenblick der verstreicht, scheint etwas von der Hoffnung zu verschlingen und sie immer näher an den dunklen Abgrund der endgültigen Verzweiflung zu treiben.
 

Plötzlich, ohne irgendeine Vorwarnung bahnen sich all die aufgestauten Gefühle aus Ayakos Innerem einen Weg an die Oberfläche ihrer Seele. Wie ein gequältes Tier schreit sie auf. Ihre Schreie verwandeln sich schon nach wenigen Sekunden in ein wildes Brüllen. Wie von Sinnen stürmt sie auf die Tür zu, stolpert jedoch auf dem Weg über ihre eigenen Füße. Unfähig sich wieder aufzurichten, beginnt sie voller Zorn den Boden mit ihren kleinen zu Fäusten geballten Händen zu bearbeiten, ohne den Schmerz, der sich ob der Schläge bald einstellt, weiter zu beachten. Die Augen von Tränen geblendet nehmen alles nur noch verschwommen und schemenhaft wahr. In den Ohren klingen ihre Schreie durch das immer lauter werdende Rauschen des eigenen Blutes seltsam verzerrt.
 

...was nützen Träume, Hoffnungen oder Wünsche, wenn die Realität keinen Platz für sie lässt...oder die kleinen Nischen, die sie sich mühsam erkämpft haben grausam in eine Dunkelheit zerrt, wo nicht einmal mehr Luft zum atmen bleibt...
 

In ihrem Wahn bemerkt Ayako nicht, dass die Tür sich öffnet. Ein Junge von etwa zehn Jahren steht im Türrahmen und starrt entgeistert das kleine Mädchen an, welches sich in seiner Verzweiflung, in seiner Unfähigkeit mit seinen Gefühlen umzugehen auf dem Boden windet. Er braucht jedoch nicht lange, um sich aus seiner Starre zu lösen. Schnell stürzt er auf das Mädchen zu, wirft noch im Gehen die Tür hinter sich zu, um die Szenerie vor möglichen Blicken neugieriger vorbeikommender Nachbarn zu verbergen, und versucht zunächst die Arme Ayakos zu fassen.
 

Anfangs wehrt sie sich noch sehr stark gegen die plötzliche Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit. Doch schon bald geht das heftige Strampeln in ein unkontrolliertes Zucken über. Sanft zieht sie der fremde Junge in eine Umarmung, murmelt ihr beruhigende Worte zu, wiegt sie zaghaft hin und her. Schon bald sind nur noch erstickte Schluchzer zu hören.
 

„Geht es wieder?“ Der Junge schiebt eine seiner Hände unter ihr Kinn und zwingt sie, ihm in die Augen zu schauen. Ein sanfter beruhigender aber auch besorgter Schimmer liegt in den Augen des Unbekannten. Die grünen Augen Ayakos weiten sich erschrocken, als ihr klar wird, dass ihr die blauen Augen, die sie da so freundlich anlächeln vollkommen unbekannt sind. Schnell befreit sie sich aus der Umarmung und krabbelt einige Meter auf Abstand.
 

„Hab keine Angst. Ich wohne nebenan. Meine Familie ist vor einer Woche hier eingezogen.“ Behutsam, mit ganz langsamen Bewegungen und einer ausgestreckten Hand nähert er sich Ayako, die auf dem Boden kauert, wie ein verschrecktes Tier. „Deine Mutter hat meine Großmutter gefragt, ob wir uns nicht um dich kümmern könnten. Also, hab keine Angst. Ich tu dir nichts.“ Ein offenes Lächeln zeichnet sich auf seinem Gesicht ab.
 

„Wie heißt du?“ Ayakos Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Sofort, nach dem sie die Worte ausgesprochen hat, beißt sie sich auf die Lippen. Eine kleine höhnische Stimme in ihrem Kopf flüstert ihr zu : >Du willst alleine klar kommen? Das machst du wirklich gut! Du bist gerade dabei deine selbst aufgestellten Prinzipien erneut zu verraten!<
 

...ein ewiges Laster...so sehr der Mensch beweisen will, dass er alleine klar kommt...immer wieder sucht er jemanden, der bei ihm ist...wahrlich...ist nicht vielleicht der Mensch an sich schwach?...zu schwach, allein auf der Welt zu sein?...
 

Das Lächeln auf dem Gesicht des Jungen vertieft sich noch etwas.

„Ich bin....“
 

***
 

„Ray?!“ Meiner Stimme sind die Überraschung und die Verwirrung deutlich an zu hören. Wie kommt es auch, dass er vor meiner Tür steht? Und doch kann nur er es sein, wie der unverkennbare Geruch und das jetzt an meinem Ohr erklingende warme Lachen bestätigen.
 

„Genau der!“ Das Grinsen, das sein Gesicht in diesem Augenblick zieren musste, ist aus seiner Stimme deutlich herauszuhören. „Du hast mich doch etwa nicht schon vollkommen vergessen? Ich dachte ja, ich hätte schon einen gewissen Eindruck bei dir hinterlassen in all den Jahren.“ Jetzt mischt sich gespielte Entrüstung in seinen Tonfall. Er entlässt mich aus seiner Umarmung und schiebt mich auf Armeslänge von sich weg. Der Blick seiner dunkelblauen Augen spiegelt tiefstes beleidigt sein wider. Doch unter dieser Fassade ist ein vergnügter Funke noch erkennbar.
 

„A..aber wie kommst du hierher? Ich dachte, du bist in London!“ Irgendwie scheint mein Gehirn heute nicht mehr richtig arbeiten zu wollen. Hatte ich irgendwas verpasst? Oder war ich einfach nur zu lange in einem bösen Alptraum gefangen? Schon keimt leichte Hoffnung in mir auf, dass mein Kuss mit Yurie auch nur ein böser Traum war. Dass ich meine Gefühle, vor denen ich selbst wahrscheinlich die größte Angst hatte, nicht so deutlich offenbart hatte. Jedoch kann ich mich dieser Illusion nicht lange hingeben. Rays Antwort lässt sie sorfort zerplatzen.
 

„Hast du denn meine E-mail nicht bekommen? Ich hab dir doch geschrieben, dass ich jetzt Semesterferien habe, und spontan beschlossen habe mal wieder nach Hause zu kommen.“ Noch bevor ich auch nur über eine Antwort nachdenken kann fährt er fort. „Na, anscheinend nicht.“
 

Eine seltsame Stille breitet sich in dem Flur aus. Natürlich freue ich mich Ray nach der langen Zeit mal wieder zu sehen. Immerhin ist er so was wie ein großer Bruder für mich. Aber im Moment will ich ihn einfach nicht sehen. Ich möchte allein sein. Allein mit meinen Gedanken, die niemand verstehen kann. Viel zu viel geht in mir vor. Vieles, was ich selbst nicht so recht verstehe.
 

„Hey, ist alles in Ordnung? Du siehst nicht gut aus.“ Rays sanfte Stimme durchdringt die Stille. Ich spüre seine sanfte Hand auf meiner Wange. Eine angenehme Wärme geht von ihr aus. Eine Wärme, die ich sehr vermisst habe, wie ich mir in diesem Moment bewusst werde.
 

Seit dem Tag, an dem meine Mutter einfach gegangen war, war Ray immer für mich da gewesen. Er hatte sich meine Probleme angehört, mich beschützt. Ich wusste immer, dass ich mich auf ihn verlassen konnte. Er war zu meiner Familie geworden.

Doch vor etwa einem dreiviertel Jahr war er dann nach London gegangen, um dort ein paar Semester zu studieren. Seit dem hatte ich ihn nicht mehr gesehen.
 

„Es ist nichts. Ich...ich bin nur müde...“ Es kostet mich einige Überwindung meine Lippen zu einem falschen Lächeln zu verziehen. Anscheinend ist es auch nicht sonderlich überzeugend, denn der besorgte und zugleich durchdringende Ausdruck in Rays Augen verschwindet nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall. Er verstärkt sich noch. Auch sein Tonfall beim Sprechen hat sich von einer Sekunde auf die nächste um 180° gedreht. So ernst habe ich ihn bisher nur sehr selten erlebt.
 

„Du kannst mir nichts vormachen. Dafür kenne ich dich viel zu gut. Los, ich mach uns jetzt einen Tee und dann erzählst du mir, was dich bedrückt.“ Ohne eine Antwort abzuwarten nimmt er mein Handgelenk, zieht mich in die Küche, plaziert mich auf einem Stuhl und setzt dann Teewasser auf. Bereits zehn Minuten später sitzen wir uns beide mit einer dampfenden Tasse gegenüber.
 

Wieder umgibt uns eine bedrückende Stille. Ich kann nichts anderes tun als stur in die dampfende gelbgrüne Flüssigkeit in meiner Tasse zu starren. Mir ist vollkommen bewusst, dass Ray mich nicht aus den Augen lässt. Doch ich weiß auch, dass es mir unmöglich wäre seinem Blick stand zu halten.
 

Ich will nicht über Yurie oder das Gefühlschaos in meinem Innern sprechen. Das ist mein Geheimnis, was ich jetzt schon viel zu lange tief in meinem Herzen eingeschlossen hatte. Viel zu lange, als das ich jetzt ganz plötzlich ohne Zwang darüber plaudern könnte. Es ist wie eine Blockade. Eine Mauer, die die Worte, die sich in meinem Kopf bilden gefangen halten und mir nicht über die Lippen kommen lassen. Tief in meinem Innern schreit alles danach endlich die Last dieses Geheimnisses los zu werden. Endlich die Qualen, die dieses Feuer in meinem Innern mit sich bringt, jemandem mit zu teilen.
 

Trotzdem kann ich einfach nicht darüber reden. Mein alter Instinkt sich niemandem anzuvertrauen war, was meine Zuneigung zu Yurie anging, schon vor langer Zeit wieder erwacht. Ich weiß, dass Ray niemals über mich gelacht hätte. Ich bin mir sogar sicher, dass es auf diesem Planeten wahrscheinlich nicht einen Menschen gab oder gibt, der mich besser verstehen würde, wenn überhaupt solch eine Person existieren sollte. Selbst Yurie würde mir mit diesem Problem nicht weiter helfen können.
 

...es gibt Dinge in jedem Menschen, an die niemand rühren darf...Geheimnisse im Herzen, die nur der jeweilige Mensch kennt...sie gehören nur ihm...sind sein wertvollster Besitz, den er eifersüchtig vor dem Zugriff Fremder bewahrt...
 

„Also, wenn du mir jetzt nicht bald sagst, was los ist, sitzen wir noch bis morgen früh hier. Und glaub mir, ich hab durchaus so lange Zeit. Ich müsste dann nur zwischendurch mal Yuji anrufen, dass ich doch nicht mehr zu ihm komme.“ Ray versucht das alles scherzhaft klingen zu lassen, doch die Anspannung ist auch ihm anzumerken. „Mensch, Aya-chan, du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst. Was ist los?“
 

Er klingt wirklich sehr besorgt. Die Nachdrücklichkeit in seiner Stimme zeigt mir die Notwendigkeit irgendwas zu sagen. Aber die Wahrheit? Ich entscheide mich sofort dagegen. Jedoch kann eine Lüge die bessere Alternative sein? Ein innerliches Kopfschütteln ist meine Antwort darauf. Gleichzeitig fällt mir ein, womit ich ihn beruhigen könnte.
 

„Es...es ist wegen Yurie. Wir, na ja, wir hatten eine...eine Meinungsverschiedenheit...“ Unsicher suchen meine Augen die Blauen von Ray. Reichte ihm das als Antwort? Mit einem Kopfnicken deutet er mir an weiter zu reden. Ich kann nicht sagen, ob er mir diese Sache glaubt, obwohl es ja keine wirkliche Lüge, wenn auch nicht ganz die Wahrheit ist.

Trotzdem habe ich jetzt Mut gefasst und erzähle ohne weiteres Stocken weiter.
 

„Ich hatte mal wieder etwas Ärger mit einer Lehrerin. Na ja, und du kennst ja Yurie. Sie sieht das nicht gern, und macht sich immer gleich Sorgen, dass ich unsere Pläne für die Zukunft vergesse. Wir sind dann eben etwas aneinander geraten.“
 

„Und das ist alles?“ Fragend wandert Rays rechte Augenbraue etwas höher. Man sieht ihm an, dass er das nicht glaubt, oder er zumindest gemerkt hat, dass das nicht die ganze Wahrheit sein konnte. Wie er vorhin selbst schon sagte, er kennt mich einfach zu gut. Trotzdem nicke ich nachdrücklich. Mit meinem Blick gebe ich ihm deutlich zu verstehen, dass ich nicht mehr dazu sagen würde.
 

Unbeholfen fährt er sich mit einer Hand durch die gebleichten Haare. „Na, wenn das wirklich alles ist, brauchst du dir doch nicht solche Sorgen machen. So wie du vorhin geguckt hast, dachte ich schon die Welt geht unter oder schlimmer. Yurie und du, ihr habt euch doch schon öfter mal gestritten. Das wird schon wieder.“ Er lächelt mich an. Dieses Lächeln hat mich schon sehr oft aufgemuntert. Aber heute verfehlt es seine Wirkung. Am liebsten hätte ich bitter aufgelacht. >Das wird schon wieder!< Dieses Problem könnte höchstens mit mir zusammen verschwinden.
 

...denn mein Wunsch nach Erwiderung wird niemals in Erfüllung gehen...
 

Zum Glück besitzt Ray genügend Feingefühl und spricht dieses Thema nicht mehr an. Wir unterhalten uns noch eine Weile über die vergangenen Monate. Was er von seiner Zeit in London zu erzählen hat hört sich wirklich interessant an. Zumindest die Bruchstücke, bei denen ich es schaffe aufmerksam zu zuhören. Die Müdigkeit bemächtigt sich wieder meines Körpers, so dass es mir schwer fällt nicht einfach abzuschalten.
 

„Ich denke, ich gehe jetzt besser. Es ist schon spät, und du musst morgen zur Schule.“ Ray erhebt sich von seinem Platz und stellt seine Tasse in den Geschirrspüler. Ich folge seinem Beispiel.

„Und außerdem wirst du sicher schon sehnsüchtig von Yuji erwartet.“ Ich kann mir ein laszives Grinsen nicht verkneifen. Die Zeit mir Ray hat mir gut getan. Er hat mich von meiner Verzweiflung und Zwiespältigkeit abgelenkt. Außerdem ist der Anblick eines errötenden Rays einfach nur Gold wert.
 

„Woher...“

„Schon vergessen, du meintest vorhin doch selbst, dass du noch mit ihm verabredet bist.“

„Stimmt.“ Auch er muss grinsen. Ich kann in seinen Augen deutlich sehen, wie erleichtert er über meine Bemerkung ist. Für ihn war sie ein Zeichen, dass es mir wieder besser geht. Vielleicht kennt er mich doch nicht so gut, wie er glaubt. Denn wenn es so wäre, fiele es ihm leicht meine Fassade zu durchschauen.
 

...du könntest auf den dunklen Grund meiner Seele blicken, wo nur ein leichter Windhauch über alles bestimmt...
 

***
 

„Gut. Sie dürfen jetzt gehen.“ Unter den scharfen Augen von Frau Nishigami verlasse ich mit einer raschen Verbeugung das Lehrerzimmer. Zum Glück fielen mir gestern Abend noch die verdammten Strafarbeiten von meiner innig geliebten Mathelehrerin ein. Hätte ich die heute nicht gehabt, dann hätte ich mich auf richtigen Ärger einstellen können. Noch größeres Glück war, dass mir die Aufgaben noch einfielen, bevor Ray weg war. Der ist zwar auch kein Genie, wenn es um Mathe geht. Aber besser als ich ist er alle Mal, was zu gegebener Maßen keine Kunst ist.
 

Eigentlich hatte ich mit dem Gedanken gespielt heute gar nicht erst zur Schule zu gehen. Aber mit war klar, dass das keine Lösung für mein Problem wäre. Ich kann nicht immer weglaufen. Inzwischen bin ich mir aber nicht mehr so sicher, ob es nicht doch besser gewesen wäre einfach im Bett zu bleiben und abzuwarten, wie sich alles von alleine entwickelt.
 

Es lässt sich nicht ändern. Egal, wieviele Gedanken ich mir um alles mache; es spielt keine Rolle, was ich mache. Was zählt ist, dass ich irgendwas mache. Die Zeit bleibt nicht stehen. Einmal gesagte Worte lassen sich nicht zurückholen. Taten, die in der Vergangenheit vollbracht wurden, können nicht rückgängig gemacht werden. So sehr wir es wünschen, uns wird immer nur der eine Weg bleiben. Dieser Weg führt uns in die Zukunft. Ob wir Angst vor der Zukunft haben müssen, darüber können nur wir selbst entscheiden, denn unsere Vergangenheit bestimmt unsere Zukunft.
 

Nur stehe ich vor dem Problem, dass meine Vergangenheit mich zwangsläufig zu einer sehr komplizierten Zukunft bringt. Ich weiß wirklich nicht, wie lange ich jetzt schon vor der geschlossenen Tür zu meinem Klassenraum stehe. Viel zu lange, wie mir meine vor Aufregung feuchten Hände verraten. Unwillkürlich versuche ich sie an meinem Rock trocken zu wischen. Das Ergebnis ist jedoch nur, dass sie noch stärker schwitzen.
 

Hinter dieser Tür finde ich die Antwort. Nur, worauf? Was erhoffe ich mir? Dass sie dasselbe fühlt wie ich? Diese Antwort scheidet schon mal aus. Immerhin weiß ich genau, in wen sie verliebt ist. Vielleicht spricht sie mich auch gar nicht darauf an? Sicher, man lässt es einfach unter den Tisch fallen, wenn einen die beste Freundin aus heiterem Himmel küsst und dann einfach wegläuft, weil sie der Situation nicht gewachsen ist. Konnte ich wenigstens darauf hoffen, dass unsere Freundschaft dadurch nicht geschädigt wird? Kann sie mir immer noch so bedingungslos vertrauen, wie sie es bisher getan hat, oder ist dieses Vertrauen für mich für immer verloren? Ich glaube, das ist meine größte Angst. Sie ganz zu verlieren.
 

...wenn der Wind aufhört zu wehen, fallen die Blätter eines Baumes einfach zu Boden, ohne ihren fröhlichen Tanz aufzuführen, und sind nie wieder in der Lage sich zu erheben...
 

„Oh...Ohio Aya-san!“

Die Tür vor mir war mit einem Ruck von Innen aufgerissen worden. Mein Blick fällt auf die Person vor mir und in mir zieht sich alles zusammen. Am liebsten hätte ich laut aufgeschrien. Gleichzeitig wird mir so schlecht, dass ich mich sofort übergeben könnte. Vor mir steht die Person, die ich bis aufs Blut hasse. Er ist wirklich der Einzige, der es schafft in mir Mordgedanken wachzurufen.
 

Kazuya Ichizushi!
 

Er ist es, dem Yurie ihr Herz geschenkt hat. Aber dieser absolute Vollidiot bemerkt nicht einmal, wieviel er dem bezauberndsten Menschen auf der ganzen Welt bedeutet. Ichizushi liebt nur sich selbst und die Mädchen, die sich um ihn scharen, um ihm immer wieder vor zu beten, wie toll er doch ist. Es bleibt jedoch eine Tatsache, dass er sich in den letzten Wochen sehr um Yuries Aufmerksamkeit bemüht hat. Hier mal ein Telefonat, da mal die Frage nach den Hausaufgaben, oder ob sie zusammen ins Kino gehen. Vielleicht ist er doch nicht so ein Idiot, wie ich es mir erhoffe.

Ja, ich bin eifersüchtig. Sagen wir ruhig, wie es ist.
 

...sie frisst ein Loch in mein Innerstes, erfüllt es mit schwarzer Lava, die alle klaren Gedanken zerstört...
 

„Gut, dass ich dich treffe!“ Ich wünsche, ich könnte ihm irgendwie dieses schmalzige Grinsen aus dem Gesicht wischen, das er jetzt zu Tage fördert. Es hat diese typische >Ich – bin – ja – ach – so – toll – dass – mir – keiner – was – abschlagen – kann< - Note. Auf alles, was an dieser Schule dem weiblichen Geschlecht angehört, hat diese Grimasse eine wirklich bemerkenswerte Wirkung. Sie verwandeln sich in speichelleckende sabbernde kleine Schoßhündchen, die alles tun würden, nur damit ein gewisser Ichizushi sie auch nur ansieht und dabei wahrscheinlich nicht mal wirklich registriert.
 

„Weißt du vielleicht, was mit Yurie-san los ist?“ Ehrlich gesagt wundert es mich schon, dass diese verfluchte Grinsebacke noch nicht tot umgefallen ist. Ich kann ja förmlich fühlen, wie ich ihn mit meinen Blicken mehr als einmal erdolche. Auch wenn ich bei seiner Frage leicht Schlucken muss, weil sich ein unangenehmes Gefühl in meinem Innern breit macht. Das bekommt dieser unsensible Typ aber natürlich nicht mit. Leider hat Ichizushi mehr in mir ausgelöst, als ich zugeben möchte, so dass ich mit etwas angehaltenem Atem auf jedes seiner nächsten Worte lausche.
 

„Ich hab sie gestern angerufen. Sie hörte sich ziemlich fertig am Telefon an. Irgendwie ganz zerstreut. So kenne ich sie gar nicht. Außerdem hat sie mich ziemlich schnell abgewürgt. Sie wollte einfach nicht mit mir sprechen. Du bist doch ihre beste Freundin. Weißt du, ob sie vielleicht irgendwie sauer auf mich ist?“
 

Wäre ich selbst nicht in so einer blöden Situation, ich weiß nicht, was ich gemacht hätte. Jedenfalls muss ich doch schwer kämpfen, dass ich nicht anfange zu lachen. Ob sie auf ihn sauer ist? Der Typ ist ja noch viel bescheuerter, als ich immer gedacht habe und ich gebe zu, dass Eifersucht die Wahrnehmung eines Menschen ziemlich zum Negativen verzerren kann. Wenn er Yurie nur halbwegs kennen würde, dann wüsste er, dass sie sich anders verhält, wenn sie auf jemanden wütend ist. Dieser Kerl scheint echt zu glauben, dass sich alles immer nur um ihn dreht.
 

„Und? Hat sie etwas zu dir gesagt?“ Aha, der große Mr. Supertoll ist mal auf jemanden angewiesen. Das scheint ihm ja gar nicht zu schmecken. Vor einem Tag hätte ich bei diesem Ausdruck, der sein Gesicht ziert einen wahren Freudentanz aufgeführt. Ich kann einfach ein unweigerliches Gefühl der Schadenfreude nicht unterdrücken. Es ist wirklich erstaunlich, dass es mir gelingt eine halbwegs bedauernde Miene aufzusetzen.
 

„Gomen, aber ich weiß nichts. Ich hab sie nach dem Unterricht nur kurz gesehen. Da hat sie aber nichts gesagt.“ Um meinen Worten noch etwas Nachdruck zu verleihen schüttele ich leicht den Kopf. Ein betrübt drein blickender Ichizushi murmelt ein „Arigatou“ und verschwindet wieder im Klassenraum, welchen ich jetzt ebenfalls betrete.
 

Ein einziger Blick in den bereits vollen Raum verrät mir, dass Yurie heute nicht da ist. Das erklärt auch, warum unser kleiner Superknabe mich auf sie angesprochen hat. Mit etwas Wut auf mich selbst bemerke ich, wie sich Erleichterung in mir breit macht. Erleichterung darüber, dass ich bis zu einem klärenden Gespräch mit Yurie noch eine kleine Galgenfrist bekomme. Doch ob das wirklich gut ist...?
 

Viel wichtiger als das, ist doch die Frage, warum sie nicht da ist? Seit wann war Yurie ein Mensch, der Problemen aus dem Weg geht? Normalerweise spricht sie mich immer darauf an, wenn es irgendwelche Unstimmigkeiten zwischen uns gibt. Obwohl ich zugeben muss, dass dieser Kuss natürlich mehr als eine normale Unstimmigkeit zwischen Freunden ist. Aber so gesehen, was in meinem Leben war schon großartig normal?

Missmutig lasse ich mich auf meinen Stuhl nieder, lasse meinen Blick irgendwo ins nichts schweifen, vergesse alles um mich herum und versinke in meiner Gedankenwelt.
 

Aus dieser tauche ich erst wieder auf, als das letzte Läuten der Schulglocke für diesen Tag erklingt. Hätte mich jemand gefragt, was wir heute in der Schule gemacht haben, ich hätte es ihm nicht sagen können. Immer wieder gingen mir die gleichen Fragen und Gedanken durch den Kopf. Immerhin war ich bei all dem Grübeln auch zu einem Ergebnis gekommen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als selbst zu Yurie zu gehen.
 

Wie sagt doch so ein altes schönes Sprichwort >Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann muss der Berg eben zum Propheten gehen<. Die Zweifel und Ungewissheit erreichten in den vergangen Stunden neue bisher unbekannte Höhen. Ich ertrug es einfach nicht mehr. Auch wenn es mich das letzte bisschen Willensstärke kostet, dass ich noch aufbringen kann. Ich muss jetzt zu ihr. Egal, wie das Ergebnis eines Gespräches aussehen würde.
 

***
 

Wieviel Überwindung kann eine Tat kosten? Ich brauche doch nur die Hand zu heben und auf diesen verfluchten kleinen weißen Knopf zu drücken. Also, wo verdammt noch mal liegt mein Problem? So langsam kommt es mir so vor, als ob es mir gestern leichter fiel sie zu küssen, als jetzt die Klingel für ihre Wohnung zu betätigen.
 

Schon als ich den Hausflur betreten hatte, spürte ich wie mein Mut und damit auch meine Entschlossenheit mich langsam wieder verliess. Meinen beschleunigten Herzschlag konnte ich deutlich in den Ohren hören. Auch die kalten Schweißausbrüche waren zurückgekehrt. Wieder kommt alles, was ich mir so fest vorgenommen habe, ins Schwanken.
 

...Festlegung bedeutet Endgültigkeit...Endgültigkeit heißt nie wieder etwas daran ändern...Unveränderlichkeit heißt Stillstand, in den wir nicht verfallen wollen und dürfen...
 

Warum? Warum kann nicht mal jetzt stark sein? Ich weiß, dass ich, wenn nicht heute, irgendwann mit ihr reden muss. Wir können nicht für den Rest unseres Lebens voreinander weglaufen. Diese Tatsache wird mir jetzt mehr bewusst als jemals in den Stunden zuvor. In diesem Anflug von neuer Gewissheit schaffe ich es endlich auf diesen kleinen weißen Knopf zu drücken, worauf sofort ein durch die Tür gedämpftes Läuten zu hören ist.
 


 

Ja, ihr dürft mich ruhig dafür hassen, dass ich jetzt aufhöre, denn ich mache es mit voller Absicht XD

Ach ja, und noch was zu Kazuya. Ich weiß nicht, ob alles stimmt, was Ayako über ihn denkt. Zieht bei seiner Beurteilung einfach mit in Betracht, dass eine eifersüchtige Frau in Bezug auf potentielle KonkurentInnen recht eigenwillig ist ^^;

Irgendwie muss ich euch ja dazu bringen weiter zu lesen, nachdem dieses Kapitel nicht so toll war. Gomen!

Szene#5

Autor: Jami-san (also ich...XD...)

E-Mail: jami-san@gmx.de

Thema: Eigene Serie/ Shoujo-ai

Genre: Drama, Romantik

Part: 5/ 7

Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha* Trotzdem verdien ich hiermit leider kein Geld (wie wärs mit ner Bezahlung in Karotalern XD)

Kommentar: Ja, man sollte es kaum glauben, doch ich habe es tatsächlich geschafft das nächste Kapitel zu schreiben -.-; Gomen, dass es diesmal so extrem lange gedauert hat. Aber es fiel mir ziemlich schwer dieses Kapitel zu schreiben, um genau zu sein, hatte ich richtig Angst davor >.<

Ach ja, und ich möchte noch anmerken, dass es das erste Mal ist, dass ich sowas geschrieben habe. Deshalb bin ich von der Qualität meines Geschreibsels nicht wirklich überzeugt -.-; Also, ich bin für alle Art von Verbesserungsvorschlägen offen ^.^
 

Also, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ^^

Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.<
 

Szene#5
 

Dumpf verhallt das schrille Klingeln der Glocke in der Stille des Hausflures. Aus der Wohnung ist kein Geräusch zu hören, dass erkennen lässt, ob sich jemand in ihr befindet. Auch sonst ist kein einziger Laut in dem Wohnblock zu hören, was eigentlich ungewöhnlich ist. Immerhin liegen die einzelnen Apartments ziemlich dicht nebeneinander.
 

Durch die Wände des Hauses vernehme ich stark gedämpft den Straßenlärm. Er ist wie ein ständiges Summen, das einen bei jedem Schritt in dieser elenden Stadt begleitet. Immer wieder erinnert er den Menschen unerbittlich an die Hektik des Lebens; an die Unmöglichkeit jemals wirklich allein zu sein. Doch gleichzeitig ist er ein ständiger Beweis des Lebens. Wie Blut pulsiert er durch die Adern aus Beton. Immer der gleiche Rhythmus; immer eine reißende Strömung; niemals still stehend.
 

....das Strömen des Lebens, an das der Mensch sich anpassen muss, um zu überleben...
 

Dennoch, was nützt einem das Leben, wenn man nichts damit anzufangen weiß? Wenn man sich eingesperrt fühlt in seiner Welt, ohne auch nur den geringsten Ausweg zu sehen? Es ist jedem selbst überlassen, wie er sich der Strömung gegenüber verhält. Mit ihr schwimmen, und so energiesparend und ohne Aufwand an sein Ziel gelangen? Oder doch quer schießen, seinen Weg alleine bestimmen. Wenn nötig, entgegen der Strömung mit einem eigenen, völlig individuellen Rhythmus. Es stimmt, dass andere einem dabei helfen können oder jemand eine Richtung zeigt; doch letztendlich ist alles allein deine eigene Entscheidung, wie du dich in deinem Leben bewegst.
 

...ob diese Entscheidung in der Gesellschaft überleben kann, wird sich erst mit der Zeit offenbaren...
 

Diese Gedanken geistern in meinem Kopf herum. Die Folge davon ist unweigerlich, dass mich erneute Panik befällt. Was, wenn ich mich doch geirrt hatte, und ich gar nicht hier sein sollte? Wäre es nicht besser, wenn ich abwarte, bis Yurie die Bereitschaft zeigt mit mir zu reden? Vielleicht will sie mich noch gar nicht sehen?
 

Immer mehr solcher zweifelnden Ideen dringen in die obersten Schichten meiner Gedankenwelt. Jeder Grund, so absurd oder abwegig er auch sein mag, ist willkommen, so lange er es nur in irgendeiner Weise rechtfertigt, dass ich wieder von hier verschwinde.

Und es funktioniert. Es funktioniert sogar hervorragend. Noch bevor ich mir darüber klar werde, was ich tue, drehe ich mich um. Meine Schritte, immer noch zögerlich und langsam, schaffen eine immer größer werdende Distanz zwischen mir und der Tür. Der Tür, hinter der sich die Antworten auf meine Ängste verbergen.
 

Dort ist die Treppe. Ich bin gerade im Begriff sie zu betreten, als ein kaum hörbares Knarren hinter mir mich erstarren lässt. Fast im selben Augenblick beginnen meine Nackenhaare sich langsam aufzurichten. Grund dafür ist der durchdringende Blick, den ich in meinem Rücken spüre.
 

„Aya-chan....“
 

Ein Flüstern. Stockend. Kaum vernehmbar. Wie von einem starken Sturm zerrissene Worte. Gleichzeitig so klar und deutlich, als wären sie mir ins Ohr geschrien worden. Ich spüre, wie mir leichter Schweiß auf die Stirn tritt. Mein Hals fühlt sich mit einem Mal trocken und rauh an. Das Schlucken fällt mir unglaublich schwer. In meinem ganzen Körper dröhnt das Klopfen meines Herzens wieder.
 

Ganz ruhig. Ich habe mir diesen Weg ausgesucht. Ich werde zu meiner Entscheidung stehen. Wenn ich jetzt weglaufe, dann habe ich wirklich alles verloren; dann verspiele ich meine Chance, dass zu retten, was mir so verdammt viel bedeutet. Bevor ich mich zu ihr umdrehe atme ich ein letztes Mal zittrig durch, in der Hoffnung so meine Nerven etwas zu beruhigen. Ein Unterfangen, was natürlich mit recht wenig Erfolg gekrönt ist.
 

Mit einem Ruck drehe ich mich um. Mein Blick ist geradewegs auf Yurie gerichtet und doch blicke ich sie nicht wirklich an. Würde ich das tun, ich glaube, meine Selbstbeherrschung wäre dahin gewesen. Umso überraschender ist es für mich, dass ich es schaffe in einem ruhigen und klaren Ton zu sprechen.
 

„Wir müssen reden. Ich bin dir eine Erklärung schuldig.“
 

Schweigen. Wenige Sekunden. Dann erwacht ein Blitzen in Yuries Augen, die bis dahin seltsam leer ausgesehen haben. Sie nickt nur, tritt einen Schritt zur Seite, um mir zu signalisieren, dass ich eintreten soll.

Mir ist es noch nie aufgefallen, aber der Flur einer Wohnung kann unheimlich düster und kalt sein. Ich hatte mich bei Yurie bisher immer sehr wohl gefühlt. Bei ihr war so etwas wie ein zweites zu Hause für mich. Doch heute fällt mir schon der Schritt über die Türschwelle sehr schwer.
 

Sobald ich die Wohnung betreten habe, höre ich das Einschnappen des Schlosses hinter mir. Dieses Geräusch hat etwas Endgültiges, was mir meine Angst wieder zurück ins Bewusstsein ruft. Aber so ist es immer. Das Gemüt, es schwankt unentwegt ohne eine Pause einzulegen. Ständig sind wir den Reizen unserer Umwelt ausgesetzt. Ständig bestimmen sie unser Handeln, unser Denken. Ihre Macht, kaum wahrnehmbar, doch immer da. Jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, jede Sekunde. Schließlich existiert auch unsere Umwelt immer, ohne Unterbrechung. Im Laufe von Millionen von Jahren hat sie die Menschen zu dem gemacht, was sie sind. Haben wir da noch das Recht, uns als eine unabhängige, die anderen überragende Spezies zu bezeichnen?
 

Und doch hat der Mensch es so weit gebracht. Es ist deutlich zu sehen. Auch wir beeinflussen die Umwelt. Unbemerkt, ungewollt am Anfang, und doch genauso stetig. Ein Zusammenhang, so schwer zu greifen, nicht fassbar. Daraus ergibt sich unser Leben, unsere Realität.
 

...aber was ist schon Realität?...
 

Wie es auch immer sei. Dass sie eine Wirkung auf uns hat, oder zumindest mich, kann ich in diesem Augenblick wieder deutlich spüren. Da stellt sich mir die Frage, welche Bedeutung eigentlich der freie Wille hat, wenn sich der Geist doch so leicht beeinflussen lässt. Letztendlich gibt es ihn vielleicht gar nicht, diesen >freien Willen<. Vielleicht ist auch er nur eine der vielen Illusionen, die wir uns machen, um unser Leben in irgendeiner Form erträglich zu machen.
 

...denn ein selbst gewähltes Schicksal ist leichter zu ertragen, als ein aufgezwungenes...
 

Wie gewohnt ziehe ich meine Schuhe im Eingangsbereich aus, noch während ich meinen Gedanken hinterher hänge. Automatisch greife ich nach den Pantoffeln, die ich immer anziehe. Diese vertrauten Gesten wirken angesichts dieser seltsamen Situation irgendwie unwirklich auf mich.
 

„Geh schon mal vor in mein Zimmer. Ich komme gleich.“
 

Wieder ist ihre Stimme nur ein unsicheres Murmeln bei dem sie mich nicht anschaut. Kaum, dass sie den Satz zu Ende gesprochen hat, ist sie auch schon verschwunden. An dem bald darauf ertönenden Geklapper von Geschirr erkenne ich, dass sie in die Küche gegangen sein muss.
 

Okay, mir wird also noch eine kurze Gnadenfrist gewährt. Soll ich darüber glücklich sein? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Allerdings bin ich es auch leid mir ständig über alles, was mir passiert den Kopf zu zerbrechen. Die Dinge sind nun einmal so gelaufen. Ich kann es jetzt nicht mehr rückgängig machen. Ich kann nur noch versuchen das Beste daraus zu machen.
 

...im Leben gibt es nur den Weg vorwärts; zum Wenden ist die Straße, auf der wir im Leben wandeln, einfach zu eng...
 

Also tue ich das, was mir gesagt wurde. Ich gehe in Yuries Zimmer. Dazu kann ich nur sagen: ich liebe es. Die ganze Atmosphäre, die darin vorherrscht ist einfach einzigartig und spiegelt Yurie perfekt wieder. Die schweren Holzschränke im europäischen Stil zeigen ihre Standhaftigkeit, wirken durch die verschnörkelten Verzierungen aber nicht schwerfällig. Ihnen gegenüber stehen der klassisch japanische niedrige Tisch, und das Futonbett, welches Yurie meistens gar nicht erst wegräumt, weil es sich ihrer Meinung nach nicht lohnt. Die Fenster gehen nach Westen hinaus, sodass im Laufe des Tages ein faszinierender Wandel des Lichtes zu beobachten ist. Ein leises Knarren ist durch die geschlossenen Fenster zu vernehmen. Es stammt von dem Baum, der vor ihm steht.
 

Der eisige Wind umweht und umschmeichelt ihn; zwingt seine alten müden Glieder sich zu bewegen. Es fällt ihm nicht leicht. Er mochte seine Starre, in der er sich um niemanden anderes außer sich selbst kümmern brauchte. Doch der Wind ist so verführerisch, dass er den Versuch ihm zu widerstehen schnell aufgeben muss. Ächzend wird er aus seinem Stillstand wieder ins Leben gerufen.
 

Seufzend wende ich mich von ihm ab. In meinem Kopf hat wieder ein Kampf der Gedanken und Worte begonnen. Wie sollte ich anfangen? Welche Worte wären die Richtigen? Wie ist es mir möglich unsere Freundschaft zu retten? Grübelnd lasse ich mich auf einem der Sitzkissen am Tisch nieder.
 

Ich weiß nicht, wie lange ich alleine dort saß bis Yurie schließlich mit einem Tablett ins Zimmer kommt. Sie hatte Tee für uns gemacht. Mein Herz macht einen kleinen Hüpfer. Wenn sie extra Tee macht, dann hieß das doch offensichtlich, dass sie sich darauf eingestellt hatte, dass ich etwas länger bleiben würde. Das heißt auch, dass sie bereit ist, mir zu zuhören.
 

Vorsichtig setzt sie das Tablett auf dem Tisch ab. Sie nimmt mir gegenüber mit einer eleganten Bewegung Platz. Schweigend gießt sie mit einer fließenden Bewegung den Tee in zwei Becher und reicht mir eine davon. „Arigatou....“ Meine Stimme ist leise und wieder etwas zittrig, genau wie die ihre vorhin. Sie nickt nur.
 

Verlegen beginnen wir beide an unserem Tee zu nippen. Irgendwo in der hintersten Ecke meines Gehirns registrieren ein paar Zellen, das der Tee einfach nur wunderbar schmeckt. Seltsam, dass man solche alltäglichen Empfindungen noch hat, während der restliche Geist doch nur auf eine Sache fixiert ist. Immer noch mit der Frage nach dem >Wie soll ich es ihr sagen?< beschäftigt, starre ich die grüne Flüssigkeit in meiner Schale an. In ihr findet ein einzigartiges Lichtspiel statt, in dessen Anblick man sich vollkommen verlieren kann.
 

Ein gedämpftes Geräusch von Porzellan, das auf Holz trifft, lässt mich aufblicken. Yurie hatte ihren Teebecher etwas lauter als nötig auf dem Tisch abgestellt. Ein Seufzen entrann sich ihrer Kehle.
 

„Das ist so albern, was wir hier machen.“ Mit einem schiefen Lächeln sieht sie mich an. Jegliche Unsicherheit war verschwunden oder schafft sie es einfach nur sehr gut sie zu verbergen? „Wir sind schon so lange befreundet. Wir sollten keine Angst haben offen miteinander zu reden.“ Sie sieht mich wieder so durchdringend an, wie es immer ihre Art ist, wenn wir ein Problem haben. „Egal, worum es geht!“, fügt sie mit Nachdruck hinzu, als ich keine Anstalten mache ihr zu antworten. „Du bist doch hergekommen, um mit mir zu reden, oder?“
 

Endlich schaffe ich es, den Mund aufzumachen. Es hatte mich irgendwie überrascht, dass sie plötzlich in diesem normalen Plauderton mit mir redete, als ob nie etwas Außergewöhnliches gewesen wäre. „Ähm...ja, ich meine...nein...“ Ich schließe einmal die Augen und schüttele leicht den Kopf. Wieso kann ich mich in den entscheidenden Momenten in meinem Leben nie zusammen reißen? Wieso muss ich nur so unheimlich dumm sein, und bekomme kein anständiges Wort heraus, wenn es wichtig ist?

„Doch. Natürlich will ich mit dir reden.“
 

Yurie antwortet nicht. Sie sieht mich einfach nur durchdringend an. Oh, wie ich es hasse. Als ich sie ansehe schweifen meine Gedanken natürlich gleich wieder in eine Richtung die ich gerade überhaupt nicht gebrauchen kann. Verliebt sein kann ja manchmal so anstrengend sein.
 

„Also...., wegen....wegen gestern...“ Hallo? Großhirn an Sprachzentrum! Deine tadelfreie Funktion wird gerade verlangt; jetzt ist nicht die Zeit für Kaffeepause. Warum immer ich? Das Leben könnte echt mal fairer zu mir sein. Ein stummes Seufzen entrinnt sich nun meiner Kehle. Innerlich beginne ich langsam bis zehn zu zählen in der Hoffnung so mein wild hämmerndes Herz beruhigen zu können.
 

„Also“, setzte ich erneut, diesmal schon etwas ruhiger, an. „Ich muss mit dir wegen diesem K-Kuss reden.“ Jetzt war es also heraus. Mein Atem geht so schwer, als ob ich gerade dreimal einen Marathonlauf absolviert hätte. Und doch spüre ich, dass sich etwas in meiner Brust zu lösen beginnt und mir das Atmen wieder etwas leichter fällt. Jetzt, wo ich angefangen habe zu reden, habe ich auch das Gefühl weiter über dieses Thema sprechen zu können. Wie genau nun >leicht< in diesem Fall definiert ist, darüber mach ich mir ein andermal Gedanken, wenn ich Zeit dafür habe.
 

Zusätzlich wird mir gerade wieder klar, was ich an Yurie so sehr liebe. Es ist einfach, dass sie mich so gut kennt und versteht, wie ihre Reaktion zeigt. Sie tut nämlich gar nichts. Es scheint, als würde sie instinktiv spüren, wie schwer mir das alles fällt, obwohl wahrscheinlich weniger Instinkt, als zwei gut funktionierende Augen dafür nötig sind. Es würde für mich nur schwerer werden, wenn sie mich mit irgendwelchen Kommentaren oder Fragen unterbräche. Schon allein wegen dieser Rücksichtnahme könnte ich sie erneut küssen.
 

„Weißt du...ähm...du weißt, wie wichtig mir unsere Freundschaft ist. Deshalb....deshalb wollte ich eigentlich nicht, das mir so was passiert. Ich meine, dass...ich so die Kontrolle verliere...über mich. Ich weiß,...dass das alles nicht, na ja, nicht richtig ist. A-aber, mit der Zeit....ich weiß auch nicht...aber irgendwie, für mich ist es nicht mehr ‚nur‘ Freundschaft....gomen nasai....“
 

Ich hoffe, dass das deutlich genug war. Denn noch deutlicher kann ich es nicht sagen. Das brächte ich nicht fertig. Ich versuche in Yuries Gesicht zu lesen. Doch sie zeigt keine Regung. Kein Erstaunen, kein Ekel, keine Wut. Einfach nichts. Es ist, als trüge sie eine Maske.
 

Dann, ohne Vorwarnung fangen ihre Augen an sich mit Tränen zu füllen. Sie senkt ihren Blick. Ein sanfter Strom sucht sich den Weg ihre bleichen Wangen hinab. Warum? Warum fing sie jetzt an zu weinen? Sollte ich nicht diejenige sein, die jetzt in Tränen ausbricht? Ich hatte wirklich mit allen möglichen Reaktionen gerechnet, aber, bei Gott, nicht damit.
 

Erst weiß ich nicht, was ich tun soll. Schließlich gebe ich mir einen Ruck. Nur hier herum zu sitzen bringt mir schließlich absolut gar nichts. Schnell umrunde ich den Tisch und lege sanft einen Arm um ihre Schulter. Ohne auch nur eine Sekunde verstreichen zu lassen, wirft sie sich an meinen Hals und schluchzt gegen meine Schulter. Das wohlige Gefühl, das durch diese Nähe hervorgerufen wird, dränge ich mit aller Macht in mein Innerstes zurück. Jetzt ist bestimmt nicht der Zeitpunkt, um sich Gedanken um meine verquere Gefühlswelt zu machen.
 

Leise murmle ich beruhigende Worte. Ob sie eher mir gelten oder wirklich nur Yurie kann ich nicht sagen. Unbewusst hauchen meine Lippen immer und immer wieder sanfte Küsse auf ihr Haar. Ein Zittern hat nun auch meinen Körper erfasst. Ich fühle, wie meine Augen anfangen zu brennen. Blinzelnd versuche ich den feuchten Schleier, der sich über sie legt, zu überwinden. Allmählich werden die Abstände zwischen Yuries Schluchzern größer. Ihr Atem, der an meinem Hals kitzelt verliert etwas von seiner Schwere. Immer wieder streift er sanft meine Haut und hinterlässt ein Prickeln, das eine wohlige Zufriedenheit in mir auslöst.
 

Yurie bewegt sich leicht in meinen Armen. Dadurch wird mir erstmal voll bewusst in was für einer Position wir uns befinden. Schnell will ich sie aus meiner Umarmung entlassen. Doch merkwürdigerweise schüttelt sie den Kopf, als sie spürt, wie sich meine Arme, die sich um ihren Körper schlingen, vorsichtig zurückziehen. Ihr Gesicht ist jetzt neben dem meinen. Mit leiser und noch immer leicht zitternder Stimme haucht sie mir ein „Arigatou...“ ins Ohr. Warum? Wofür? Was hatte ich den getan, was einen Dank verlangte?
 

Was passiert hier?
 

Ein Kribbeln breitet sich von meinem Ohr aus. Erst erfasst es die gesamte Ohrmuschel, durchströmt meine gesamte Kopfhaut und wandert meinen Nacken hinab. In meiner Magengegend macht sich diese Wärme gepaart mit tausenden wandernden Ameisen breit. Irgendwo in der hintersten Ecke meines Kopfes schrillt eine laute Alarmglocke. Es ist, als ob ich neben mir stehe und beobachte, wie meine Gefühle die Stimme meines Verstandes immer mehr zu ersticken droht, bis sie schließlich ganz verstummt. In genau diesem Moment ist mir klar, dass das, was auch immer jetzt auch passieren würde, ich es garantiert später wieder bereuen würde.
 

Eine meiner zitternden Hände fährt sanft durch Yuries Haar; versucht dabei jede einzelne Strähne einzeln zu ertasten. Ein weicher schwarzer Fluss, der in warmen Wellen durch meine Finger rinnt. Meine andere Hand ruht immer noch auf ihrem Rücken. Nur ab und zu führt sie leichte, zurückhaltende streichelnde Bewegungen durch.
 

Sie blickt mich jetzt direkt an. Keine von uns beiden bringt ein Wort über die Lippen. Ihre braunen Augen sind immer noch feucht und leicht gerötet, jedoch fließen ihr keine Tränen mehr über die Wangen. Das Brennen in meinen Augen ist schon lange vergessen. Es liegt so viel Wärme in ihrem Blick. Und...noch etwas, was ich nicht deuten kann. Diesen Ausdruck habe ich noch nie gesehen. Etwas wie eine...Aufforderung?
 

...das gegenseitige nicht Verstehen, ständige Missverständnisse, immerzu falsche Deutungen; das sind die Krankheiten der Menschen, die sie unglücklich machen und sie mit zu ihrem Untergang führen...
 

Alles ist ruhig. Nur wir beide sind von einer vibrierenden Hülle umgeben; bewegt durch die Spannung zwischen uns. Jemand hat dafür gesorgt, dass die Zeit nicht mehr existiert, denn das Gefühl für sie ist verschwunden. Yuries Zimmer existiert in meiner Wahrnehmung nicht mehr. Ich bin mir nicht mal im Klaren darüber, dass ich einen Körper besitze. Es gibt nur noch sie.
 

Unsere Gesichter kommen sich langsam näher. Unsere Nasenspitzen berühren sich bereits. Auf meinen Lippen spüre ich den Hauch ihres Atems, verhalten und doch beharrlich stärker werdend. Schließlich wird auch dieser letzte kleine Abstand überwunden.
 

Eine Explosion von Glückshormonen in meinem Innern lässt ein leichtes Schwindelgefühl in mir aufsteigen. Kaum wage ich es zu glauben. Diese Berührung ist mir noch einmal vergönnt. Noch einmal spüre ich diese Wärme auf meinen Lippen; noch einmal schmecke ich diese süchtig machende Süße.
 

Doch dieser Kuss ist sogar noch schöner als unser erster. Zumindest empfinde ich es so. Yuries Hand streift meinen Nacken wie zufällig. Ich bin mir jedoch sicher, dass diese Berührung absichtlich war. Ihre andere Hand ruht auf meinem Brustkorb. Eine unglaubliche Wärme geht von ihr aus. Ihr Druck ist auf merkwürdige Art schwer. Sicher kann sie mit ihr mein Herz spüren, welches einen wilden Tanz aufführt.
 

Vorsichtig verstärke ich den Druck gegen ihre Lippen, schon halb damit rechnend diesmal zu weit zu gehen. Allerdings erlebe ich erneut eine Überraschung. Wenn auch noch zaghaft, so geht Yurie doch auf mich ein. Wieder fühle ich ihre Hand an meinem Nacken wie im Flug vorbei ziehen. Ein gefährlicher Übermut ergreift von mir Besitz. Neugierig geworden, wie weit ich gehen darf, zeichnet meine Zunge die schön geschwungenen Lippen Yuries nach. Dieses Gefühl der Berührung soll einfach nur ganz in meinen Körper übergehen, so dass er es nie wieder vergessen kann und die Möglichkeit hat, den Rest seines Lebens davon zu zehren. Denn was es auch ist, was hier in diesen Sekunden abläuft, es wird definitiv nie wieder kommen.
 

...ein Realität gewordener Traum, weiß und rein, erstrahlt wie das Leben; seine Zerstörung ließe die Realität zum Traum werden...
 

Ihre Lippen öffnen sich leicht, gewähren mir Eintritt. Ohne ein Zögern nehme ich diese Einladung an. Ich kann gar nicht anders. In mir ist nur noch ein Wunsch: Ihr so nah wie möglich sein; diesen Moment auskosten, genießen und zu Ende gehen lassen. Konnte es denn wahr sein, dass sich selbst in meinem Leben einmal eine meiner Sehnsüchte erfüllt?
 

Meine Zunge findet die Ihre. Auffordernd stupst sie sie an. Schnell wird die Herausforderung angenommen und beide sind sich nah; necken sich zärtlich ohne den anderen dabei zu verletzen. Meine Hände können ihre Position ebenfalls nicht mehr halten. Meine Linke hat Yuries Haare verlassen. Sie liegt in ihrem Nacken, streichelt ihn sanft. Meine Rechte befindet sich noch auf Wanderschaft. Immer wieder liebkost sie ihren Rücken und begibt sich weiter ihren Körper herab bis sie die Naht von Yuries T-Shirt ertastet. Sie zögert kurz. Konnte sie es wagen?
 

Auch Yuries Hände schafften es nicht mehr auf einer Stelle zu verweilen. Eine wanderte meinen Oberkörper hinab. Leicht streichelt sie dabei über eine meiner Brüste. Ein schönes Gefühl, dass eine Lust in mir auslöst, die ich noch nie gespürt habe. Für mich gibt es kein zurück mehr.
 

Zaghaft und doch entschlossen fährt meine Hand unter ihr Shirt begierig darauf ihre Haut zu spüren. Unsere Zungen lösen sich voneinander. Ohne ihr ins Gesicht zu blicken wandern meine Lippen ihre Haut entlang. Plazieren eine nicht enden wollende Zahl von Küsschen auf jedem Zentimeter von ihr. Bedecken ihre Wangen, den Kieferknochen, ihr Ohrläppchen und wandern ihren Hals hinab bis hin zum Schlüsselbein.
 

Ein wohliges Seufzen kommt über Yuries Lippen. Ihre Hände sind mit der Krawatte meiner Schuluniform beschäftigt. Geschickt löst sie diese ab, zieht sie unter dem Kragen hervor und wirft sie unbedacht zur Seite. Langsam beginne ich den Stoff ihres T-Shirts hoch zu schieben, immer darauf bedacht mit meinen Fingern sanft über ihre Haut zu streichen. Meine Berührungen werden mit einer leichten Gänsehaut quittiert. Willig streckt sie ihre Arme in die Luft. So dass ich ihr den lästigen Stoff einfach über den Kopf ziehen kann. Als ich ihn zu Boden gleiten lasse, gleitet er noch einmal zärtlich über ihre Haut.

Die gleiche Behandlung wird auch meiner Bluse zuteil.
 

Wieder finden sich unsere Lippen. Sofort verflechten sich unsere Zungen ineinander, als wollten sie nie wieder getrennt werden. Jede unserer Hände hat sich auf eine spannende Entdeckungsreise begeben, völlig unwissend, welchen Zentimeter der neu gewonnen Erkundungsfläche sie zuerst untersuchen sollen.
 

Gemeinsam sinken wir hinab in eine Welt, die nur uns beiden gehört, die nur für uns beide existiert. Der Schlüssel, um zu ihr zu gelangen, lag lange verschlossen in unseren Herzen, wie es scheint. Konnte nur durch unsere Bindung gefunden und genutzt werden.
 

Nach einiger Zeit schiebt mich Yurie sanft zur Seite. Ihr Brustkorb hebt und senkt sich stetig. Mir scheint, als habe ich noch nie eine schönere Bewegung gesehen, als dieses ständige auf und ab ihres Dekolletés. Elegant erhebt sie sich, ergreift zärtlich meine Hand und zieht mich mit sich auf ihr Bett.
 

Noch immer fällt kein Wort. Diese Stille, nur durch unseren schweren Atem unterbrochen, hat etwas feierliches, fast heiliges und zugleich verschwörerisches. Das Durchbrechen dieser Stille, hieße die phantastische Realität dieses Momentes zu zerbrechen.
 

Eine warme Hand an meiner Wange reißt mich wieder hinab in den Strudel aus Gefühlen, in dem nichts mehr existiert außer den Empfindungen, die jede einzelne Berührung bei mir auslöst. Schnell sind auch die restlichen Kleidungsstücke vom Körper entfernt. Es ist schon unendlich lange her, dass ich Yurie so gesehen habe. Es mussten Jahre sein.
 

Für ihren Körper gab es kein anderes Wort außer >schön<. Ein Meisterwerk. Jede Kurve, jede Rundung bis ins Detail perfektioniert. Sanft geschwungen; von weiblicher Grazie.
 

Wieder versinken wir in einem langen zärtlichen Kuss. Eine meiner Hände versenkt sich erneut in ihrem Haar. Die andere streichelt hauchzart über ihren Körper, quält ihn, um in ihr das Verlangen nach mehr aus zu lösen. Diesmal bin ich es, die den Kuss enden lässt. Ich küsse mich langsam zu ihrem Busen hinab. Dort angekommen beginnt meine Zunge ein neckisches Spiel mit ihrer Brustwarze. Die Hände streicheln abwechselnd ihre Hüfte und die Innenseite ihrer Schenkel entlang. So unendlich zärtlich, so unendlich liebevoll, aus Angst sie doch wieder zu verlieren; durch eine unbedachte Berührung zu verschrecken und einen Graben aufzureißen, dem wir dann nicht mehr zu überbrücken imstande sind.
 

Ich fühle wie sie Halt an mir sucht. Ein unterdrücktes Stöhnen ist zu vernehmen. Ein Aufblicken verrät mir, dass es ihr peinlich ist. Eine nicht übersehbare Röte ziert ihr Gesicht. Aber sie lächelt. Merkwürdig traurig...und, was ist das in ihrem Blick, das mein vernebelter Verstand nicht zu deuten vermag?
 

Eine ihrer Hände wandert zu meinem Gesicht, um mir eine feuchte Haarsträhne hinaus zu streichen. Sie nickt unmerklich. Das Zeichen für mich weiterzumachen mit meinen Liebkosungen. Ich versinke darin ihren Körper zu berühren, ihren Duft einzuatmen und gleichzeitig ihren schweren Atem in der Stille zu hören.
 

Mit unendlich viel Zärtlichkeit quäle ich ihren Körper mit Streicheleinheiten; spiele mit ihm indem ich ihn mit zahllosen Küssen bedecke, so lange, bis wir uns ganz ineinander verlieren.
 

***
 

Mein Brustkorb ist zugeschnürt. Ich kann nicht atmen. Etwas liegt bleiern auf meiner Brust. An meiner Nase kitzelt mich etwas. Meine vor Erschöpfung schweren Augenlider lassen sich nur schwer öffnen. Verschlafen blicke ich an meiner Nasenspitze entlang hinunter. Der Anblick, der sich mir bietet lässt mich mit einem Schlag wach werden.
 

Da liegt Yurie, eng an mich geschmiegt, den Kopf auf meine Brust gebettet, so dass ihre Haare meine Nase berühren. Sie verströmen einen zarten Duft von tropischen Früchten. Sie atmet ruhig und gleichmäßig. Jedes heben und senken ihres schlanken Körpers hallt kribbelnd in mir wieder. Meine Arme umschlingen ihre Hüfte. Dadurch ist es mir möglich ihre weiche Haut zu spüren, die so viel Wärme ausstrahlt.
 

Ein wunderschönes Gefühl der Geborgenheit überkommt mich in dieser stillen, plötzlich so vertrauten Zweisamkeit. Es ist schon lange her, dass ich ein so unschuldiges Glücksgefühl verspürt habe. So tief wie möglich, so liebevoll wie noch nie, liegt ein Lächeln auf meinen Lippen.
 

Vorsichtig drehe ich den Kopf, um aus dem Fenster gucken zu können. Leicht verwundert stelle ich fest, dass es draußen schon fast völlig dunkel ist. Wie lange haben wir hier gelegen? Wie lange sind wir uns nun schon so nahe? Wie lange ist es her, dass wir unsere Körper, vom Zauber eines Augenblicks gelenkt, ineinander verschlungen haben? Es mussten mehrere Stunden vergangen sein.
 

„Yurie-chan... Yurie-chan...“ Eigentlich hätte ich noch lange so hier liegen können. Aber es half ja nichts. Ich muss nach Hause. Es wäre bestimmt nicht klug, jetzt hier zu bleiben. Alles ist so merkwürdig unwirklich. Sanft streichle ich über ihre Wange, dann über ihre Schulter. Sie erschauert leicht bevor sie langsam die Augen öffnet.
 

„Ohio... Aya-chan...“, murmelt sie, um anschließend gleich verhalten zu gähnen. Dann richtet sie sich auf. Ihr langes schwarzes Haar fällt wie ein Mantel um ihre Schultern, lässt sie weiß in dem dunkler werdenden Zimmer erstrahlen, fast als wäre sie von einem magischen Lichtschein umgeben. Plötzlich scheint ihr auf zu fallen, dass wir beide immer noch unbekleidet sind. Verlegen schlingt sie ihre Arme um ihren Oberkörper, schlägt die Augen in einer mädchenhaft schüchternen Geste nieder und eine zierliche Röte macht sich auf ihren Wangen breit. Mein Lächeln wird noch tiefer.
 

„Ich muss nach Hause.“ Warum eigentlich? Erwartet mich zu Hause nicht nur wieder Einsamkeit? Weshalb macht sich gerade jetzt das Gefühl in mir breit, dass es nicht richtig wäre hier zu bleiben? Schon wieder bekommt mich dieses unbestimmte Gefühl irgendwas hier stimme nicht, als mich Yurie jetzt mit lächelnden Augen, die gleichzeitig irgendwas verbergen, anschaut. Ein Geheimnis, welches jedes Mal entschlüpft, sobald ich versuche es zu ergründen, und sei es auch nur mit Blicken. Es ist, als würde man versuchen den Wind mit bloßer Hand fest zu halten.
 

Sie nickt. „Stimmt, es ist schon spät geworden.“ Auch ihr Blick wandert zum Fenster. Er verliert sich irgendwo in der Tiefe der aufkommenden Nacht. „Morgen ist Neumond“, flüstert sie. Tatsächlich erscheint hinter den Wolken eine dünne, stark gekrümmte Mondsichel, die morgen ganz verschwunden sein würde.
 

Ich sage nichts dazu, sondern erhebe mich, um meine Kleidung zusammen zu suchen. Yurie tut es mir nach einigen Augenblicken gleich. Keine von uns spricht ein Wort, und doch ist die Stimmung zwischen uns so entspannt, wie schon lange nicht mehr, obwohl immer noch so viel wichtiges Ungesagtes im Raum hängt. Geschweige denn, dass auch nur die kleinste Bemerkung über das fällt, was wir gerade gemeinsam erlebt hatten.
 

„So, fertig.“ Wieder komplett angezogen warte ich, dass auch sie fertig wird. „Ich mach mich dann auf den Weg.“ Gemeinsam gehen wir zu Tür.
 

„Also dann, komm gut nach Hause, Aya-chan.“ Wieder dieser merkwürdige Blick. Einem inneren Impuls folgend gebe ich ihr einen leichten Kuss auf die Wange. Sie ist nicht erschrocken darüber, erwidert ihn aber auch nicht. Nicht mit einem auch noch so winzigen Signal.
 

Was ist nur los? Die wieder aufsteigenden Zweifel nagen quälend in meinem Innern, als ich mich durch die von dunklen Schatten übersäten Straßen auf den Weg zu meiner Wohnung mache.
 

...das Licht verliert sich langsam in der Dunkelheit...

Szene#6

Autor: Jami-san (also ich...XD...)

E-Mail: jami-san@gmx.de

Thema: Eigene Serie/ Shoujo-ai

Genre: Drama, Romantik

Part: 6/ 7

Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha* Trotzdem verdien ich hiermit leider kein Geld (wie wärs mit ner Bezahlung in Karotalern XD)

Kommentar: So, ich habe es also geschafft und bin beinah am Ende dieser Geschichte angelangt. Ich weiß, es hat lange gedauert...Gomen...Ich hoffe ja, dass ich für den letzten Teil nicht so lange brauchen werde.

Erstmal noch ein ganz großes Dankeschön für die lieben Kommies. Hab mich wie immer sehr darüber gefreut *alle mal knuddl* ^.^

Zur Qualität dieses Kapitels. Ja, im Großen und Ganzen bin ich zufrieden. Und ich bin wirklich glücklich, dass ich es endlich geschafft habe dieses Kapitel zu schreiben, da ich es schon geplant hatte, als ich gerade mal das erste fertig hatte >.< Von daher lag es mir besonders am Herzen.

Ich würde ja jetzt gerne noch mehr schreiben, was mir hierzu auf der Seele brennt, aber dann würde ich schon verraten, was hier passiert, und das will ich nicht. Also muss ich damit noch bis zum nächsten Kapitel warten *seufz*
 

Also, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ^^

Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.<
 

Szene#6
 

„Was machst du da? Ich will es sehen!“ Immer wieder erklang die quengelnde Stimme des kleinen Mädchens. „Warum zeigst du es mir nicht?“ Wie eine Katze schlich sie immer wieder um den Mann herum, der auf einem abgesägten Baumstumpf saß und etwas in seinen Händen barg. Versuchte mal hier, mal dort über seine Schulter zu gucken. Doch jedes Mal schaffte er es wieder das Objekt ihrer Begierde aus Ayakos Blickfeld fernzuhalten.
 

„Das ist aber nichts für ein kleines Mädchen“, lachte er, erreichte damit jedoch nur, dass seine Tochter ihn noch mehr bedrängte. „Komm, lass deinen armen Vater hier weiter machen und geh wieder spielen.“ Schnell hob er die Hände, die in ihrer Mitte sein Geheimnis einschlossen, in die Höhe und somit vollkommen aus der Reichweite von Ayako.
 

Sie zog eine beleidigte Schnute. Immer wieder sprang sie hoch, um so vielleicht doch die Hände ihres Vaters zu erlangen. „Du bist gemein O-Too-san!“ Ihre Stimme wurde langsam weinerlich. „Du...du hast doch...mal gesagt,....dass... dass wir uns immer alles erzählen werden.“ Ayako fing an zu schluchzen.
 

Der Mann lächelte sanft. Gespielt hilflos sagte er: „Nein, nicht weinen. Ich mach auch alles was du willst!“ Flehend streckte er ihr die Hände entgegen, achtete jedoch darauf sie immer noch geschlossen zu halten.

„Wirklich alles?“ Ayako klang zweifelnd und immer noch zutiefst betrübt. Er nickte heftig. „Dann zeig mir, was du da versteckst!“, verlangte sie schon fast gebieterisch. Jede Spur von Schluchzern oder Traurigkeit war verschwunden.
 

Ihr Vater konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. >Die Kleine ist wirklich ganz schön hinterhältig.< „Was immer Ihr verlangt!“ Mit unterwürfiger Stimme neigte er den Kopf. Endlich öffneten sich seine Hände und Ayako starrte neugierig auf seine Handflächen, vollkommen erpicht darauf das große Geheimnis zu sehen. Jedoch verzog sich ihr Gesicht zu einem schmollenden Schnütchen. „Das ist ja nur ein doofes Stück Holz. Und zerkratzt ist es auch noch.“
 

„Gomen nasai.“ Auch ihr Vater blickte etwas deprimiert auf das kleine Holzstück, das auf seiner Handfläche ruhte. „Scheint so, als wären meine Talente als Schnitzer sehr begrenzt.“ Er grinste verlegen. Tatsächlich konnte man mit sehr viel Fantasie in dem kleinen Holzstück die Form einer Blume erkennen. Allerdings waren die Blütenblätter sehr kantig und unregelmäßig geformt. Keine zwei hatten auch nur annähernd die gleiche Größe. „Tja, da kann man wohl nichts machen.“ Seufzend warf er seinen missglückten Schnitzversuch mit einer lässigen Geste über seine Schulter ins Gras.
 

Ayako schrie auf. „Aber wenn du das gemacht hast, dann will ich es haben.“ Sie wollte schon los laufen, um das Holzstück zu suchen, doch ihr Vater hielt sie zurück, indem er sie sanft am Arm packte. „Lass mal gut sein, Aya-chan.“ Mit Leichtigkeit hob er sie auf seinen Schoß und gab ihr einen Kuss auf die Wange. „Das ist ja wirklich lieb von dir. Aber so eine schlechte Arbeit brauchst du nun wirklich nicht behalten.“ Sie sah ihn mit großen Augen an. Die Stimme ihres Vaters nahm immer so einen bösen Ton an, wenn er mit einem seiner Werke nicht zufrieden war. Sie kannte das schon. Wie oft hatte sie schon miterlebt, dass er eines seiner Gemälde einfach zerstörte. Nicht selten murmelte er dabei Worte wie „Das gefällt den Herrschaften also nicht!“ oder „Die Farbgebung erscheint ihnen also unpassend!“ oder „Sie hätten mehr von mir erwartet, tse!“
 

Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass ihr Vater drauf und dran war in eine solche Stimmung zu verfallen. Immerhin war dies der erste Tag seit Monaten, in denen nur sie beide zusammen waren. Sonst hatte er doch immer so viel zu tun; verkroch sich stundenlang in seinem Atelier, wo man ihn dann auf und ab schreiten hörte. Immer öfter kam es vor, dass er völlig gereizt wieder auftauchte. Ayako, die die Bilder ihres Vaters immer mochte, schlich sich jedes Mal in sein Atelier, so bald er es verlassen hatte. Sie wollte jedesmal wieder unbedingt die Erste sein, die sein neustes Werk zu Gesicht bekam. Doch, die Leinwände waren in letzter Zeit so oft weiß, ohne, dass auch nur ein Pinselstrich auf ihnen gemacht wurde. Die Skizzen waren alle samt durchgestrichen, zerrissen oder zusammengeknüllt. Das alles machte sie sehr traurig.
 

Ihr Vater stupste mit dem Zeigefinger auf ihre Nase. „Hey, nicht träumen! Schau dir lieber mal an, wie schön sich das Sonnenlicht im Wasser spiegelt.“ Sie folgte mit ihrem Blick der ausgestreckten Hand ihres Vaters, die auf den knapp zehn Meter entfernt liegenden See deutete. Es ging ein leichter Wind, so dass sich die Oberfläche des Wassers leicht kräuselte. Auf den kleinen Wellen ritten tausende glitzernde Lichtgestalten, die einen ausgelassenen Tanz aufführten. Jede Sekunde war es ein neues Bild, das nie wieder noch einmal zu sehen sein würde.
 

...die Augenblicke, die wir erleben, sind so einzigartig; so wie sie jetzt sind, treten sie nie wieder in Erscheinung...
 

„O-Too-san“, flüsterte Ayako. „Du hast noch nie etwas versucht zu schnitzen. Warum jetzt?“ Es kam ihr seltsam vor, obwohl es an sich nichts Ungewöhnliches daran gab. Versuchte nicht jeder Mensch mal etwas Neues? Erforscht seine Fähigkeiten auf einem völlig neuen Gebiet? Und doch. Es entsprach einfach nicht der Persönlichkeit ihres Vaters. Er vertrat eigentlich immer die Meinung, jeder solle bei dem Bleiben, von dem er wusste, dass er es konnte. Das kleine Mädchen konnte spüren, dass im Kopf des Erwachsenen Dinge in Bewegung geraten waren, die niemals hätten wach gerufen werden dürfen.
 

Ihr Vater lächelte nun wieder. Es war das gleiche Lächeln wie immer. So sanft und mild, voll väterlicher Zärtlichkeit und Zuneigung. Er schüttelte sachte den Kopf. „Du irrst dich. Ich habe schon einmal etwas geschnitzt. Einmal in meinem Leben ist mir etwas gelungen, was mir gefiel.“
 

„Was? Ich will es sehen!“ Ayako sah ihn flehend an. „Onegai!“ Sie gab dem Mann je einen Kuss auf jede Wange. Auf diese Weise schaffte sie es immer ihren Vater zu irgendetwas zu überreden. Doch diesmal schien es nicht zu funktionieren, denn er schüttelte erneut den Kopf.
 

„Ich kann dir nichts zeigen, was ich nicht habe. Es ist nicht mehr in meinem Besitz.“ Wieder erntete er enttäuschte und schmollende Blicke von Ayako. „Gomen nasai, Aya-chan. Aber ich habe es sozusagen verschenkt.“ Diese Worte bereute er gleich wieder, denn jetzt begannen sich Ayakos Augen deutlich mit Tränen zu füllen. „Das ist gemein. Du hast deine Schnitzerei verschenkt ohne sie mir zu zeigen.“ Die ersten salzigen Tropfen entschlüpften ihrem Augenwinkel und suchten sich ihren Weg die Wangen Ayakos hinab.
 

„Hey, das ist aber kein Grund zu weinen.“ Eine warme Hand strich liebevoll über ihr Gesicht. „Du bist nun schon ein großes Mädchen. Da weint man nicht wegen solcher Kleinigkeiten.“
 

„Aber...aber...“, hickste sie. „Ich...möchte es doch so gerne sehen. Etwas Geschnitztes von dir.“ Wieder heftete sie einen bittenden Blick auf das Gesicht ihres Vaters. Dieser wirkte plötzlich ziemlich erschöpft und merkwürdig alt. In seinen Augen flammte ein Funke von Traurigkeit auf. Er seufzte resignierend.
 

„Glaub mir, ich würde dir gerne etwas Schönes aus Holz schnitzen. Aber ich kann nicht. Das damals, war auch nur Glück. Außerdem war ich, als ich vor Jahren dieses eine Stück Holz bearbeitete unendlich glücklich. So glücklich, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Meine Hände arbeiteten von alleine. Es war, als ob sie all diese positive Energie in das Holzstück fließen ließen.“ Sein Blick wanderte versonnen über das Wasser, worauf das weiße Licht immer noch seinen schimmernden Tanz vorführte. „Ohne solch eine positive Energie, können diese Hände nichts Schönes erschaffen, das es wert wäre erhalten zu bleiben“, fügte er mehr zu sich selbst mit bitterer Stimme hinzu.
 

Ayako weinte nicht mehr, aber sie konnte auch kein fröhliches Gesicht machen. Sie sah ihren Vater merkwürdig ausdruckslos, fast verschlossen, an. „Aber, O-Too-san, bist du denn nicht glücklich?“ Ihre Stimme war tonlos.
 

Sie erhielt keine Antwort. Am Himmel schob sich eine schwere Wolke vor die Sonne. Der Lichttanz war beendet. Der See lag nun da, noch immer bedeckt von leichten Wellen. Eine sich bewegende graue Masse, die sich gierig in den Boden fraß.
 

Am nächsten Tag verschwand Ryonosuke Kitagawa in den Tiefen des Sumidagawa.
 

***
 

Mein Zimmer kann ich nur verschwommen wahrnehmen. Ich versuche irgendwie die Müdigkeit weg zu blinzeln, aber es nützt nichts. Stöhnend drehe ich mich auf die andere Seite. Meine Augen fallen einfach wieder zu.
 

Am Abend zuvor war ich erst spät nach Hause gekommen. Nachdem ich Yuries Wohnung verlassen hatte, war ich noch einige Zeit ziellos durch die Stadt gelaufen. Irgendwie musste ich das Geschehene verarbeiten und erstmal aufnehmen; mir darüber klar werden, was in den Stunden davor passiert war. Es fiel mir so unendlich schwer zu glauben, was da in Yuries Zimmer zwischen uns beiden passiert war. Es war, als ob ein Traum für mich in Erfüllung gegangen wäre.
 

Auch jetzt noch erscheint mir alles so unwirklich. Und dabei sagt man doch immer, dass man über die Dinge nur eine Nacht schlafen braucht, um sie zu verstehen. Allerdings klappt das bei mir nicht. Jedenfalls dieses Mal. Ich drehe mich auf den Rücken und starre mit immer noch trüben Augen die Decke an, darauf wartend, dass sich mein Blick endlich klärt. So schön diese Nähe, diese Berührungen auch gewesen waren. Etwas an dieser ganzen Sache stimmte nicht, und was immer es auch ist, ich habe eine unbeschreibliche Angst davor dieser Sache auf den Grund zu gehen. Doch habe ich überhaupt eine Wahl? Um Klarheit zu erhalten würde mir gar nichts anderes übrig bleiben.
 

Irgendwie ist es schon eine ganz schöne Ironie. Ich ging gestern zu Yurie, um das Verhältnis zwischen uns zu klären, um mir Klarheit über unsere Beziehung zu verschaffen. Und jetzt? Jetzt bin ich nur noch verwirrter, als ich ohnehin schon war. Wenn sie genauso fühlen würde wie ich, dann wäre es so einfach. Dann könnten so schöne Zeiten vor uns liegen...und doch, es wäre einfach zu schön, um wahr zu sein.
 

Es passiert immer wieder, an jedem Ort, an jedem Tag und zu jeder Zeit. Der Mensch strebt nach dem Unerreichbaren. Ist immer auf der Suche nach der Erfüllung seiner Hoffnungen. Findet er sie, dann zweifelt er weiter, denn es fehlt ihm der Glaube an wahre Wunder. Wie könnte es diesen auch geben, ist das begehrte Erfüllen der wahren Wünsche doch eine Rarität auf dieser Erde geworden.
 

Es hilft mir nichts, hier ewig zu grübeln. Alleine komme ich nicht auf die Wahrheit, denn die kennt nur Yurie allein. Und doch, weiß ich nicht, wie ich ihr jetzt gegenüber treten soll. Irgendwie ist mir schon der Gedanke ihr wieder gegenüber stehen zu müssen furchtbar unangenehm und löst zugleich einen Welle von Freude und Verlangen in mir aus.
 

Plötzlich belebt sich mein Körper. Schwungvoll springe ich auf. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es bereits Mittag ist. Kein Wunder, so spät wie ich gestern erst ins Bett und schließlich erst eingeschlafen bin. Mein erster Weg führt mich ins Bad, wo ich erstmal eine ausführliche Dusche nehme. Das Wasser rinnt angenehm warm meinen Körper hinab. Das monotone Rauschen lässt mich alles vergessen. Die Hitze der Flüssigkeit lässt feuchte Nebelschwaden im Badezimmer entstehen. Mit dem Raum zusammen, scheint auch mein Geist in ihnen zu versinken.
 

Wie lange ich dort gesessen habe, an die kühle Fliesenwand gelehnt, während von oben das warme Wasser auf meinen Körper niederprasselt, weiß ich nicht. Es ist mir auch egal. Diese alltäglichen Dinge haben an Bedeutung verloren. Gestern haben Yurie und ich nicht nur mit einander geschlafen. Gestern wurde auch irgendetwas in mir ausgelöst. Etwas in mir hatte sich grundlegend verändert.
 

Ist es möglich, dass sich durch die Verbindung von zwei Menschen das Innere so sehr umkrempelt? Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Aber hier stehe ich als lebender Beweis. Deutlich sehe ich den Funken von Ungläubigkeit in den Augen meines Spiegelbildes. Ein nicht Begreifen. Es ist, als ob eine schwarze Macht, die sich in den letzten Tagen in meine Seele geschlichen hatte, aus mir heraus gespült wurde und einer neuen, belebenden Frühlingsbrise Platz machte.
 

...jedes Ereignis sorgt dafür, dass wir nicht eine Sekunde ein und derselbe Mensch sind, denn jede Sekunde des Lebens bringt eine Veränderung die sich auf den Menschen in aller Form auswirkt; oft unbemerkt, doch ohne Unterbrechung...
 

Ausgeglichen und unbeschwert, wie ich mich schon lange nicht mehr erlebt hatte, mache ich mich daran mein normales Morgenprogramm durchzuziehen. Während die Mikrowelle mein Essen aufwärmt und das Teewasser langsam zu kochen anfängt, ziehe ich mich an. Anschließend esse ich. Doch in mir tobt ein Drang, etwas zu tun. Der Gedanke heute den ganzen Tag hier zu Hause zu verbringen ist mir unerträglich. Kurz entschlossen greife ich nach dem Telefon und wähle eine Nummer, die ich schon lange nicht mehr benutzt hatte. Trotzdem kann ich sie immer noch auswendig.
 

„...Moshi moshi...“, meldet sich eine verschlafene Stimme am anderen Ende nach einer mir endlos erscheinenden Zeit des Klingelns. Es folgt ein ausgiebiges geräuschvolles Gähnen. Ein breites Grinsen zieht sich über mein Gesicht.

„Ohio Ray! Hab ich dich geweckt?“, füge ich mit gespielt mitleidiger Stimme hinzu. Ich kann es regelrecht vor mir sehen, wie er mit zerzaustem Haar im Bett liegt, in seine Decke gekuschelt und mit mürrischer Miene das Handy ans Ohr drückt.

Ein kurzes Schweigen. „Du findest das wohl witzig!“ Alle Müdigkeit ist aus seiner Stimme gewichen. Dafür hört sie sich jetzt gereizt an.

„Gomen nasai!“, antworte ich. „Aber ich muss dir dringend was erzählen. Und ich brauche deinen Rat. Bitte!“

„Das hört sich ja wichtig an. Schieß los!“
 

Während wir reden, ziehe ich mir meine Schuhe an und verlasse meine Wohnung, um hinunter zu den Briefkästen zu gehen. Ich hatte es mir schon vor Jahren zur Angewohnheit gemacht meine Post nur am Wochenende zu holen. Außer Werbung und Rechnungen bekam ich eh nichts anderes, außer vielleicht ab und zu einen Brief von Ray.
 

„Das lässt sich schwer am Telefon erklären. Können wir uns nicht irgendwo treffen?“

„Hm, von mir aus. In unserem Café? Sagen wir so gegen 16 Uhr?“

„Ray-chan, was machst du denn da? Komm doch wieder zu mir unter die Decke!“ Eine zweite Stimme kommt aus dem Hintergrund. Im Gegensatz zu Ray scheint Yuji nicht so lange zu brauchen um munter zu werden und gleich richtig wach zu sein. Ich konnte hören, wie Ray ihm ein „Lass das! Nicht jetzt!“ zuzischt. Ein Grinsen stiehlt sich auf meine Lippen. Ich mochte es schon immer, wie die beiden miteinander umgehen.

„Ist in Ordnung. Dann bis heute Nachmittag. Und noch viel Spaß ihr beiden“, flötete ich in den Hörer. „Seit nicht so laut, damit die Nachbarn sich nicht beschweren müssen.“

„Was?? Hey, Aya-ch---“

Ich gebe ihm keine Chance seinen Satz zu beenden und lege einfach auf. Heute Nachmittag würde ich noch genug Zeit haben mit Ray über alles zu reden, was mir auf der Seele brennt. Außerdem möchte ich die beiden wirklich ungern noch länger stören. Sie sehen sich dadurch, dass Ray im Ausland studiert schon selten genug. Also sollten sie die Chance haben die wenige Zeit die sie zu zweit haben auch ohne unnötige Zwischenfälle zu genießen.
 

Ich lief die letzten Stufen bis ins Erdgeschoss hinunter. Mit dem Schlüssel hatte ich die ganze Zeit in der linken Hand gespielt. Schon vollkommen mechanisch öffne ich das kleine Postfach, hole die kleine Ansammlung von Umschlägen heraus ohne sie anzusehen und mache mich wieder auf den Weg nach oben in meine Wohnung. Im Gehen beginne ich die Absender der Briefe zu überfliegen. Beim letzten macht mein Herz einen kleinen Hüpfer. Ich lese den Namen ein zweites und noch ein drittes Mal. Er bleibt unverändert. „Das ist unmöglich! Warum? Ich habe in all den Jahren nicht einen Brief von ihr bekommen!“ Doch ein Zweifel ist ausgeschlossen. In einer kleinen elegant geschwungenen Schrift steht dort der Name Kaori Kitagawa.
 

‚Was mache ich nur? Soll ich ihn aufmachen oder nicht?‘ Diese Frage stelle ich mir jetzt schon seit Stunden. Mein Blick ist auf den Brief meiner Mutter geheftet, der vor mir auf meinem Schreibtisch liegt. Direkt daneben liegt das kleine schwarze Kästchen, dass sie mir am Tag ihres Abschieds gegeben hatte. Es hatte all die Jahre hier gelegen, ohne dass ich es je geöffnet habe. Ich hatte oft mit dem Gedanken gespielt, aber dann waren mir immer wieder ihre Worte eingefallen. >Das wollte dir dein Vater zu deinem 18. Geburtstag schenken. Er hat es am Tag deiner Geburt gemacht.< Ich wollte dem Wunsch meines Vaters unbedingt entsprechen und hatte mir deshalb vorgenommen es unbedingt erst am meinem Geburtstag zu öffnen.
 

Seufzend lege ich meinen Kopf in den Nacken, um nun die Decke anzustarren. Meine gute Stimmung vom Morgen ist vollkommen verflogen. Ich hatte mich daran gewöhnt, dass ich mein Leben ohne einen Vater und eine Mutter führen musste. Für mich existierten sie gar nicht mehr. Meine Mutter, obwohl sie im Gegensatz zu meinem Vater noch am Leben war, noch weniger als dieser. Ich will nicht behaupten, dass es leicht war. Ganz im Gegenteil. Aber ich bin immer zurecht gekommen. Will sie sich jetzt etwa plötzlich in mein Leben einmischen? Ein Leben, von dem sie überhaupt keine Ahnung hat?
 

...manche Menschen meinen, sie hätten verstanden, was in der Welt vor sich geht; das ihr Leben, das einzige ist, was richtig ist; sie glauben, dass sie alles wüssten und jeder sich nach ihrem Vorbild zu richten hat und stürzen andere damit ins Unglück...
 

Mir wird plötzlich klar, warum ich diesen Brief nicht öffnen will. Ich habe Angst. Einfach schlicht und ergreifend Angst. Diese Person, die diesen Brief geschrieben hat, mag biologisch meine Mutter sein, aber von meinen Gefühlen her ist sie für mich eine fremde Frau. Ich kenne sie nicht und ich will sie nicht kennen lernen. Für mich ist meine Mutter genauso tot wie mein Vater.
 

Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es für mich langsam Zeit wird zu gehen, wenn ich nicht zu spät kommen will zu meiner Verabredung mit Ray. Nun hatte ich noch eine Sache von der ich ihm erzählen musste.
 

Ich mache mich also langsam fertig. Bevor ich mein Zimmer endgültig verlasse fällt mein Blick noch einmal auf meinen Schreibtisch und den Brief und das schwarze Kästchen. Ein innerer Drang lässt mich das Kästchen in meine Manteltasche stecken. Ich weiß nicht, woher dieser Drang kommt oder was für ein Sinn hinter dieser Handlung stecken könnte, aber ich muss es einfach tun.
 

Ich hatte es früher schon öfter mal mit zur Schule genommen an Tagen wo eine wichtige Prüfung oder etwas Ähnliches anstand. Wenn ich es bei mir hatte, hatte ich immer das Gefühl, als ob mein Vater bei mir wäre und auf mich Acht gab. Irgendwie möchte ich, dass er auch heute bei mir ist und mich unterstützt.
 

***
 

Für einen Samstagnachmittag ist es ungewöhnlich leer in dem Café. Aber vielleicht ist das gerade gut. Es gab schon Tage an denen es so voll hier drin war, dass man teilweise sein eigenes Wort nicht mehr verstehen konnte. Von daher ist diese unerwartete Leere direkt ein Segen.
 

Langsam schlendere ich durch die Tischreihen und lasse meinen Blick über die anwesenden Gäste schweifen. Ray ist nicht darunter. Er würde sich mit ziemlicher Sicherheit verspäten, weil er sich nicht von Yuji losreißen konnte. Ein trauriges Lächeln huscht über mein Gesicht. Es erscheint mir plötzlich unfair, dass die beiden eine solch glückliche Beziehung haben und sich jeder der Gefühle des anderen sicher sein kann. Warum konnte es mir nicht genauso ergehen?
 

Seufzend setze ich mich an einen der dunklen Holztische im Zentrum des großen Raumes und lege meinen ausgezogenen Mantel neben mich. Durch die zahlreichen mit Rankpflanzen bewachsenen Trennwände sind die Gäste hier gut von anderen abgeschottet. An den wie massiver Stein aussehenden Wänden sind altmodische Kerzenleuchter angebracht, die die einzige Lichtquelle darstellen neben den Kerzen auf den Tischen. Dadurch herrscht hier drinnen selbst am hellsten Sommertag immer ein warmes Dämmerlicht.
 

Bei einer vorbeikommenden Bedienung bestelle ich einen Tee, den ich auch wenige Minuten später erhalte. Meine Hände schließen sich um die heiße Tasse. Die Hitze verursacht einen prickelnden Schmerz in meiner durchgefrorenen Haut bevor sich langsam eine angenehme oberflächliche Wärme in ihr breit macht. Mit trüben Augen starre ich auf den leeren Platz mir gegenüber. Meine Gedanken wandern hinein ins nirgendwo meiner Vergangenheit bis hin zum heutigen Morgen. So vergehen die Minuten eine nach der anderen, in denen ich völlig allein, von den anderen Menschen hier fast gänzlich abgeschottet, warte.
 

‚Jetzt ist er schon über eine halbe Stunde zu spät.‘ Etwas traurig schiebe ich den Ärmel meines Pullovers wieder über meine Armbanduhr. In diesem Augenblick geht die Eingangstür auf. Erwartungsvoll schaue ich auf und spähe um die Trennwand herum. Jedoch ist es nicht Ray, der das Café betritt. Herein kommt die letzte Person auf Erden die ich hier heute in diesem Augenblick sehen will. Es ist mein Staatsfeind Nummer Eins Kazuya Ichizushi und seine Begleitung...Meine Augen weiten sich vor Schreck und Ungläubigkeit. Das Mädchen, dem er gerade die Tür aufhält ist keine geringere als Yurie.
 

Schnell ziehe ich meinen Kopf zurück. Ich will nicht von ihnen gesehen werden. ‚Was macht sie hier? Warum ist sie hier? Und warum ist sie ausgerechnet mit ihm hier?‘ Wie elektrisiert sitze ich auf dem Stuhl, den Blick nach unten gerichtet. ‚Ich verstehe das nicht?!‘ Voller Verzweiflung flammen diese Worte in meinem Kopf auf.
 

Ich höre hinter der Trennwand direkt neben mir das Scharren von den Stuhlbeinen, als die beiden sich dorthin setzen. Es gibt keinen Zweifel, dass sie es sind, denn außer ihnen hatte ja niemand anderes das Café betreten. ‚Warum nur? Warum dort? Ich werde jedes Wort verstehen können, was sie sagen! Ich will nicht wissen, was die beiden miteinander zu bereden haben! Ablenkung...ich muss mich mit irgendwas ablenken!‘ Panisch schaue ich mich nach irgendetwas um, was diesem Zweck dienen könnte. Doch es gibt einfach nichts. Warum nur musste dieses Café gerade heute so leer sein? Oder warum waren die beiden gerade hierher gekommen?
 

Von Panik und Verwirrung erfasst wäre ich beinahe einfach aufgesprungen und aus dem Café gestürmt. Allerdings schaffe ich es noch im letzten Moment mich zurückzuhalten. Denn sollte ich jetzt tatsächlich meinen Platz hier verlassen wäre es unvermeidlich, dass Yurie mich sieht und das will ich auf keinen Fall. Also kann ich nichts anderes tun als hier auszuhalten und mir das Gespräch der Beiden mit anzuhören. Selbst wenn ich versuche mich auf etwas anderes zu konzentrieren wird mir schnell klar, dass das unmöglich ist. Die Stimmen dringen unbarmherzig durch die Trennwand herüber, als würden sie von der Luft direkt zu mir getragen und unüberhörbar.
 

Es kommt die Natur des Menschen unaufhaltsam in mir zum Vorschein. Obwohl ich mir fest einrede, wie egal mir das alles ist, was Yurie und dieser Idiot zu besprechen haben und das es mich auch nichts angeht, kann ich gar nicht anders als jedem Wort aufmerksam zu lauschen. Es ist die entbrannte eifersüchtige Neugier in meinem Herzen, die gar nicht anders kann, als mich dazu zu treiben.
 

„Gomen, dass ich dich so kurzfristig angerufen habe.“ Yuries Stimme ist leise und hat einen seltsam traurigen Klang, den ich noch nie bei ihr gehört habe. „Aber...mir ist niemand anderes eingefallen, mit dem ich hätte reden können.“ Ein leichtes Schluchzen folgte.

„Das ist doch kein Problem, Yurie-chan. Für dich habe ich immer Zeit. Aber was ist denn bloß passiert?“ Auch Kazuya spricht in einem Ton, von dem ich mir sicher bin ihn noch nie bei ihm wahrgenommen zu haben. Wenn ich diesen Kerl nicht so abgrundtief hassen würde, könnte er mir in diesem Moment glatt sympathisch werden. Doch dieser sanfte, besorgte Ton lässt die Flamme der Eifersucht in mir nur noch höher schlagen.
 

Yuries Schluchzen wird stärker, so dass sie kaum noch sprechen kann. Mein Herz verkrampft sich bei diesem Geräusch. Was war nur passiert, dass sie so fertig war? Lag es etwa an...? Ich weigere mich diesen Gedanken weiter zu denken. Jede einzelne Faser meiner Seele bäumte sich gegen diese Idee auf. Es darf einfach nicht sein! Ich darf einfach nicht er Grund für ihre jetzigen Tränen sein!
 

„Um Himmelswillen Yurie-chan! Was ist denn nur passiert?“ Stoffrascheln erklingt und ich bin mir sicher, dass Kazuya sie in den Arm genommen hat, um sie zu trösten. Meine Hände krallen sich in das Tischtuch vor mir, während meine Zähne meine Unterlippe bearbeiten. Der Schmerz, den ich mir damit zufüge, ist jedoch nichts gegen die Stiche in meinem Herzen, die drohen es tausendfach zu durchbohren. Warum ist sie mit ihm hier und vertraut gerade ihm ihre Probleme an?
 

Das Schluchzen wird allmählich weniger. „Es...es geht um...um meine Mutter...“ Das letzte Wort hallt in meinen Ohren wider. Ihre Mutter? Also ist doch nicht unsere Aktion von gestern Abend der Grund für ihre Tränen? Aber was könnte mit ihrer Mutter sein und warum hatte sie davon gestern nichts erzählt? Plötzlich fällt mir wieder die eigenartige Stimmung von Yurie ein. Gestern war sie eindeutig nicht sie selbst gewesen. War vielleicht das, was immer auch mit ihrer Mutter war, das was ich die ganze Zeit gefühlt hatte und wie eine unsichtbare Mauer zwischen uns gestanden hatte, obwohl wir uns so nah waren? Ich lausche angestrengt weiter, denn hier bietet sich mir endlich die Gelegenheit diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Meine ganzen Vorbehalte von vor wenigen Augenblicken sind wie weggewischt.
 

„Meine Mutter...meine Eltern...sie wollen sich scheiden lassen...!“ Wieder ein herzzerreißendes Schluchzen.

„Was? Aber deine Eltern verstehen sich doch immer super. Warum also,...“ Was ist denn das für ein unsensibler Idiot? Muss er sie denn auch noch nach dem Grund fragen? Am liebsten würde ich jetzt aufspringen und ihm rechts und links ordentlich eine verpassen.
 

„Mei...meine Mutter liebt meinen Vater schon lange nicht mehr. Mein Vater hat wohl vor drei Tagen herausgefunden, dass sie ein Verhältnis mit einem anderen Mann hat und hat sie gestern zur Rede gestellt. Er war fürchterlich wütend...und enttäuscht....Sie...sie haben sich fürchterlich gestritten...und...und mein Vater...ha-hat sie sogar geschlagen....“ Erneut werden die Schluchzer heftiger und Yuries Weinen lauter. Ich kann nichts anderes tun als ungläubig in die Flamme der Kerze vor mir zu starren. Frau Yamamura sollte ein Verhältnis mit einem anderen Mann haben? Aber das war doch gar nicht möglich. So wie sie ihren Mann immer verhätschelte und mit allem verwöhnte? Sie war doch so eine liebenswerte und freundlich Frau, die meiner Meinung nach das Wort >Betrug< nicht mal kannte. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Genauso wenig kann ich fassen, dass Herr Yamamura seine Frau geschlagen haben soll. Er war ebenfalls ein sehr freundlicher Mensch, der es nicht mal über sich brachte ein Insekt zu töten. Ich kann mir nur schwer vorstellen, was für ein Schock es für Yurie gewesen sein musste das zu erfahren und ihre Eltern so zu erleben.
 

„Y-Yurie-chan...ich...d-das tut mir leid...“ Auch Kazuya fällt es offenbar schwer darauf angemessen zu reagieren. Nur zu verständlich. In dieser Situation ist alles was man sagt irgendwie fehl am Platz genauso wie jede Handlung. Was wollte man dazu auch schon groß sagen? >Kopf hoch, das wird schon wieder?< Schon der Gedanke allein klingt total lächerlich.
 

Ich glaube auch nicht, dass Yurie Mitleid will. Mitleid ist oft überflüssig, wo man normalerweise denkt, das es unabdingbar wäre. Ich spreche aus Erfahrung. Ich wollte damals, als mein Vater gestorben und meine Mutter einfach abgehauen ist auch kein Mitleid. Nein. Ich hatte schon genug Mitleid mit mir selbst. Das Mitleid anderer hat mich nur gestört und mein Gefühl der Schwäche und der Machtlosigkeit nur verstärkt. Das Einzige, was ich damals brauchte war jemand, der mir zuhörte ohne zu fragen oder zu urteilen. Nur zuhörte und mir zeigte, dass noch jemand bei mir ist. Dieser jemand war Ray gewesen, bis er dann ins Ausland gegangen ist.
 

Es verstreichen einige Minuten, ohne das ein Wort zwischen den Beiden fällt. Nur Yuries Schluchzen, das nun langsam wieder leiser wird, ist zu hören. Ich würde zu gerne sehen, was zwischen den beiden passiert. Hin und wieder vernehme ich das Rascheln von aneinander reibendem Stoff. Hält er sie im Arm oder hat er sie schon wieder losgelassen? Streichelt er sie? Hat sie sich vielleicht an seine Schulter gelehnt? Die unterschiedlichsten Bilder flammen vor meinem geistigen Auge auf. Eins unerträglicher als das andere.
 

„Da ist noch was.“ Yurie fängt wieder leise an zu sprechen. „Gestern Abend war Aya-chan bei mir. Ich hatte dir ja am Telefon erzählt, was neulich nach der Schule passiert ist. Das sie mich geküsst hat.“ Sie macht eine kurze Pause. Wahrscheinlich um die Reaktion Kazuyas abzuwarten. Anscheinend hat er lediglich mit einem Nicken geantwortet, denn Yurie spricht weiter, ohne dass er ein Wort gesagt hatte. „Sie kam kurz nachdem meine Eltern...“, wieder eine kurze Unterbrechung durch ein Schluchzen, „meine Eltern die Wohnung verlassen hatten. Sie...sie hat mir gesagt, dass sie in mich verliebt ist.“ Wie vom Blitz getroffen sitze ich da. Wieso? Wieso erzählt sie ihm das? Wie kann sie mir sowas antun? Wie kann sie es mir antun ausgerechnet Kazuya Ichizushi von meinen tiefsten Gefühlen zu erzählen; mein größtes Geheimnis anzuvertrauen?
 

...Verrat, Missbrauch des Vertrauens, Schändung der Gefühle und damit zerbrechen des einzigen Lichts in einer sonst nur gepeinigten Seele...
 

„U-und, wie hast du darauf reagiert?“ Nur am Rande registriere ich die Unsicherheit, die plötzlich in seiner Stimme mitschwingt. Der Schock darüber, dass Yurie mit ihm über mein Geständnis spricht sitzt einfach zu tief.

Yurie atmet einmal tief durch bevor sie ihm antwortet. „Ich...ich hab mit ihr geschlafen.“ Ein scharfes Einziehen der Luft von Kazuya gefolgt von einem ungläubigen „W-wie bitte?“ ist die einzige hörbare Reaktion. „Ich konnte einfach nicht anders“, fährt Yurie schnell fort. „Ich war so fertig wegen meinen Eltern. Bevor ich richtig mitbekommen habe, was überhaupt vor sich geht, war es auch schon passiert. E-es tut mir so leid. In diesem Moment, da war alles um mich schwarz. Mein ganzer Körper und mein Geist waren wie betäubt. Der Schock wegen dem Streit meiner Eltern...ich hatte sie noch nie so erlebt...u-und, dann kam Aya-chan. Und sie hat mich in den Arm genommen. Sie war so warm...und diese Wärme war das was ich brauchte...mir war in diesem Augenblick egal, woher oder von wem ich diese Wärme bekomme.....und dann, dann ist es einfach passiert.....es tut mir so leid...“
 

Schweigen und eine lähmende Umklammerung legen sich über alles. Weder jemand hinter der Trennwand noch ich können darauf reagieren. Das war ich also für sie gewesen. Nur ein Mittel zum Zweck. Es ist, als würde die ganze Welt um mich herum verschwinden. Alles, worauf ich gehofft hatte wird in ein riesiges schwarzes Nichts gesogen.
 

Aber waren diese Worte nicht genau das, wonach ich gesucht hatte? Wollte ich nicht endlich die Wahrheit um Yuries Gefühle für mich wissen? Gerade nach der letzten Nacht? Nur, warum tut es dann so weh? Warum fühle ich so deutlich, dass irgendwas Wichtiges in mir angehalten hat, stehen geblieben ist und kurz vor dem Zerbrechen steht? Was ist das?
 

...Gewissheit tut weh, wenn sie einem die Unmöglichkeit eines Wunsches zeigt...
 

Ohne das Kazuya irgendwas zu dieser Eröffnung gesagt hätte fährt Yurie unbarmherzig, wie es mir scheint, fort. „ Ich...ich kann damit nicht umgehen. Weder mit dem was ich getan habe, noch mit den Gefühlen von ihr. Ich kann es einfach nicht. Ich brauche Abstand von ihr...und wenn ich könnte, auch von mir...“ Das letzte, was ich höre bevor ich aufspringe, ist, wie Kazuya fragt, wie sie ihm das hatte antun können. Zu einer anderen Reaktion bin ich momentan einfach nicht fähig.
 

Ihm antun? Fragt keiner danach, was sie mir gerade angetan hatte? Im Laufen remple ich jemanden an. Doch ich bleibe nicht stehen, um mich zu entschuldigen. Von weitem höre ich noch, wie diese Person meinen Namen ruft. Es ist Rays Stimme. Es scheint eine Ewigkeit seit unserem Telefongespräch heute Morgen vergangen zu sein. Ohne auch nur das Geringste um mich herum wahrzunehmen flüchte ich auf die belebte Straße, tauche hinein in die Menschenmasse, bis sie mich gänzlich verschluckt.
 

***
 

Erneut bin ich stundenlang durch Straßen der Stadt geirrt ohne ein Ziel vor Augen zu haben. Erneut bin ich eine Gefangene meiner Gedankenwelt. Erneut umklammert die Trauer mein Herz. Erneut bin ich allein.
 

Meine Augen brennen von den vielen Tränen, die ich in den letzten Stunden vergossen habe. Immer und immer wieder sind sie mir über das Gesicht gelaufen ohne eine Pause einzulegen. Das, was ich fühle, lässt sich nicht in Worte fassen. Mit dunklem Blick starre ich auf den kleinen Holzanhänger in meiner Hand. Meine Ohren sind erfüllt von dem Rauschen des Wassers des Flusses unter mir.
 

Wie lange ich jetzt schon hier stehe weiß ich nicht. Über mir erstrahlen die Sterne. Der Mond jedoch war schwarz. Eine Neumondnacht. Wie passend. Denn morgen wird es eine neue Welt geben. Eine Welt, in der ich nicht mehr leben werde.
 

Die Welt besteht seit ewiger Zeit. Entstanden ohne unser Zutun. Entwickelt ohne unser Zutun. Auf ihr leben heute Milliarden Menschen. Von ihnen kenne ich einen verschwindend geringen Teil. Von diesem können mich noch weniger leiden; geschweige denn, dass sie mir am Herzen lägen. Der einzige Mensch, der mir je wirklich viel bedeutet hat verkündete vor wenigen Stunden, dass er Abstand von mir nehmen wolle. Wenn dies geschieht, dann bin ich allein. Es gibt nur wenige, von denen ich glaube, dass sie mich vermissen werden. Am Anfang vielleicht...und dann, dann kommt die Zeit; sie fließt dahin, ohne dass sie jemand stoppen kann. Mit der Zeit kommt das Vergessen. Und dann bin ich endgültig aus dieser Welt verschwunden. Nichts bleibt von mir zurück.
 

Wie in Trance klettere ich langsam auf das Geländer der Brücke. Niemand ist da, der versucht mich aufzuhalten. Niemand, der mir sagt, dass ich in dieser Welt noch einen Platz habe. Fest halte ich den Holzanhänger umschlossen. Vorhin, als ich ziellos durch die Straßen wanderte, hatte ich in meine Manteltasche gefasst. Dort war immer noch das schwarze Kästchen mit dem Geschenk meines Vaters gewesen. Auch wenn es eigentlich noch nicht Zeit war, wollte ich nun doch sehen, was es war.
 

Darin war dieser Holzanhänger. Fein geschnitzt aus einem dunklen Holz. Ich bin mir sicher, dass dies die Schnitzerei ist, von der mein Vater mir vor Jahren erzählt hatte. Sie stellte ein Ginkoblatt dar, das von einem Windhauch in die Wellen des Wassers gejagt wird.
 

Wie war ich zu diesem Entschluss gekommen? Wie konnte ich so einfach ohne Bedenken hier stehen; nur einen Schritt vom Ende entfernt? Die Antwort ist so einfach. Verzweiflung. Ich verzweifle an dieser Welt; an diesem Leben, wo mir immer wieder das genommen wird, was mir wichtig ist; was mein Leben erhellt.
 

Sind andere Menschen einfach nur fähiger zum Leben als ich? Oder haben sie einfach nur Glück und bleiben von solchen Grausamkeiten des Lebens verschont? Oder warum sind es verglichen mit den Lebenden so wenige, die ihr Leben aus eigenem Willen beenden? Wahrscheinlich sind sie stark und ich einfach nur schwach. Zu schwach, um die Hürden des Lebens zu überwinden. Ich weiß es nicht und werde es auch nie erfahren, denn mir wurde der Mut zu leben endgültig gestohlen; hinfort getragen von einem Sturm.
 

Der Stahl, den ich mit der anderen Hand umklammere um mich festzuhalten fühlt sich kalt an. Jedoch ist diese Kälte nichts im Vergleich zu der Kälte in meinem Herzen. Für mich ist alles vorbei. Ein kalter Wind umweht meinen Körper und drängt mich geradezu dazu den letzten Schritt zu wagen. Einen letzten Schritt in meinem Leben, dass doch niemals ein wirkliches Leben war außer in der letzten Nacht.
 

Als ich meinen Fuß in das Nichts vor mir setze erfasst mich eine besonders heftige Windböe. Von ihr umschlossen werde ich zu den eisigen rauschenden Fluten unter mir hinab getragen.

Epilog

Autor: Jami-san (also ich...XD...)

E-Mail: jami-san@gmx.de

Thema: Eigene Serie/ Shoujo-ai

Genre: Drama, Romantik

Part: 7/ 7

Disclaimer: Ich kann es mit Berechtigung sagen. Alle auftretenden Charas sind mein *muhahaha* Trotzdem verdien ich hiermit leider kein Geld (wie wärs mit ner Bezahlung in Karotalern XD)

Kommentar: So, ich habe es also geschafft. Hiermit präsentiere ich euch den letzten Teil von ‚Wind of Destiny‘. Und bitte schlagt mich nicht. Ich musste das Ende so schreiben. Alles andere wäre einfach unrealistisch gewesen. >.< Außerdem hatte ich es von Anfang an so geplant, dass es so kommt. Überhaupt, war diese Entscheidung von Aya-chan, weshalb ich diese Geschichte überhaupt geschrieben habe. Ich wollte wissen, ob ich es auf irgendeine Weise nachvollziehbar machen kann, was einen Menschen soweit bringt. Letztendlich bin ich mir nicht so sicher, ob mir das wirklich gelungen ist. Um ehrlich zu sein, habe ich Aya-chan gerade am Ende auch immer weniger verstanden. Und trotzdem war es einfach ihr Schicksal (so blöd sich das jetzt auch anhört *drop*)

Jetzt noch ein dickes Dankeschön an meine fleißigen Kommischreiber. Danke, dass ihr es bis hierher mit mir ausgehalten habt. *alle ganz doll knuddl*

Ach ja, und ich überlege, ob ich irgendwann mal eine Geschichte mit Ray und Yuji schreibe. Die beiden sind hier ja ziemlich kurz gekommen, aber ich hab sie trotzdem voll lieb gewonnen XD
 

Also, genug der langen Vorrede. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ^^

Ach ja, und über Kritik, Lob, Anregungen, Fragen, Wünsche, Morddrohungen und alles was in die Richtung eines Kommies geht würde ich mich sehr freuen. Bitte! >.<
 

Epilog
 

Leise ziehen graue Wolken über den sich langsam verdunkelnden Nachmittagshimmel. Die tief stehende Sonne schickt letzte goldene Strahlen, die ohne Wärme sind, über die Erde, ehe sie wie jeden Tag am Horizont verschwindet. Ein eisiger Wind weht durch die Straßen, so dass jeder der es irgendwie einrichten kann sein Haus oder seine Wohnung nicht verlässt. Der Schnee auf den Straßen, der vor wenigen Tagen gefallen war, beginnt langsam wieder zu schmelzen. Überall sind braune matschige Pfützen zu finden, die es einem schwer machen sauber nach Hause zu kommen.
 

Eine einsame Gestalt steht inmitten einer scheinbar endlosen Weite aus kaltem grauen Stein. Die Hände zum Gebet gefaltet, die Augen andächtig geschlossen. Vom Boden vor ihr steigen wabernde Rauchschwaden vom den frisch angezündeten Räucherstäbchen auf. Um sie herum herrscht bis auf das sanfte Rauschen des Windes vollkommene Stille.
 

Yurie stand jeden Tag so wie heute an Ayakos Grab seit diese dort ruhte. Immer und immer wieder stellt sie sich die eine Frage, die ihr bisher keiner beantworten konnte. Warum hatte Ayako dies getan? Warum hatte sie den Tod dem Leben vorgezogen? So viel sie auch grübelte, Yurie war bisher nicht in der Lage gewesen eine zufriedenstellende oder nur im Ansatz nachvollziehbare Antwort zu finden. Obwohl Ayako nun schon über zwei Wochen tot war, hatte Yurie in dieser Zeit noch nicht ein Mal um sie geweint. Sie fühlte sich schlecht deswegen, jedoch so sehr sie es auch versuchte, sie war einfach nicht in der Lage gewesen Tränen um ihre verstorbene Freundin zu vergießen.
 

Dies war dem Umstand geschuldet, dass sie nicht in der Lage war ihre eigenen Gefühle zu ordnen. Ständig fühlte sie sich hin und her gerissen zwischen Wut und Trauer, Zorn und Schuld. Und im Hinterkopf tief eingebrannt immer die quälende Frage nach dem >Warum?<.
 

„Warum...Aya-chan?“ Ein schwaches Flüstern, welches sofort von dem Wind in den dämmernden Abend hinaus getragen wurde, fand seinen Weg über ihre Lippen während sie die Arme fröstelnd um sich schlingt. Wie oft hatte sie diese Frage schon an diesem Ort gestellt und doch nie eine Antwort erhalten? Sie wusste es selbst nicht mehr. In ihren nun geöffneten Augen stand ein tiefer Schmerz geschrieben. Trüb, ohne den sonst so fröhlichen Glanz starrten sie auf den grauen, schmucklosen Marmorstein vor ihr, als hoffte sie von ihm die ersehnte Antwort zu erhalten.
 

Ihre Gedanken hatten viele Möglichkeiten und Geschichten durch gespielt. Und mehr als ein Mal war ihr der grausame Gedanke gekommen, dass sie Schuld an Ayakos Entscheidung hatte. War sie es nicht gewesen, der Aya ihre Liebe schenkte? War sie nicht auf die abscheuchlichste Weise auf Ayas Gefühlen herumgetrampelt? Aber war dies wirklich gleich ein Grund sein Leben hinzuschmeißen? Ein Leben, das eben genau das war? Ein Leben, das einem von niemandem zurückgegeben werden kann; das so einzigartig ist wie die Erde selbst und alles was auf ihr existiert.
 

‚Es geht einfach nicht! So sehr ich es auch versuche...ich kann einfach nicht verstehen, was in ihr vorging.‘ Verzweifelt wanderte ihr Blick in den Himmel von dem nichts zu sehen war. Die Wolkenmasse am Firmament wurde immer dichter, während der Wind allmählich immer stärker wurde. Yurie war sich sicher, dass Ayako ihr Gespräch mit Kazuya gehört hatte. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie überrascht sie war, als sie plötzlich Ayako sah, die fluchtartig das Café verließ. Schon in diesem Moment hatte sie sich große Sorgen gemacht Ayakos Gefühle mehr verletzt zu haben, als sie sich je vorstellen könnte. Allerdings hätte sie sich nie träumen lassen, was passieren würde. Sie seufzte einmal schwer.
 

Warum war ihr nie aufgefallen, dass Ayako so verletzbar war? Sie war doch ihre beste Freundin gewesen. Hätte ihr nicht klar sein müssen, dass Ayako nicht in Ordnung war? Warum hatte sie sich von Kazuya aufhalten lassen und war Ayako nicht gefolgt? Warum hatte sie es nicht verhindern können?
 

...Fragen, Reue, Verfluchen des Geschehenen; immer und immer wieder wünscht sich der Mensch nichts sehnlicher als die Vergangenheit ungeschehen zu machen und seine Taten zu ändern. Doch jedes Mal erneut wird er erkennen, dass dies zu dem letztendlich völlig Unmöglichen gehört...
 

Doch nicht nur die Frage nach dem Grund spukte unablässig in Yuries Kopf. Ebenso beschäftigte sie sich beinah ohne Unterbrechung mit ihrer Beziehung zu Ayako. Mit der Freundin Ayako genauso wie mit dem Menschen Ayako, von dem sie doch geglaubt hatte ihn so gut zu kennen. Zu dem Schluss, dass dies ein Irrtum war, war sie schon lange gekommen, auch wenn es ihr schwer fiel sich das einzugestehen.
 

Doch ihre Grübelein hatten noch andere Ergebnisse zur Folge. Sie brachte viel Zeit damit zu darüber nachzudenken, was Ayako für sie gewesen war. War sie ‚nur‘ eine Freundin oder hatte sie zu irgendeinem anderen Zeitpunkt doch andere Gefühle für sie gehabt, die Ayako irgendeinen Anlass zur Hoffnung gegeben hätten? Bis auf jenen verhängnisvollen Abend fiel ihr nichts ein, so sehr sie auch in ihren Erinnerungen wühlte. Es gab nur eine Tatsache derer sie sicher war. So sehr es vielleicht für das Wohl Ayakos notwendig gewesen wäre, Yurie hätte deren Gefühle niemals erwidern können. Nie in ihrem ganzen Leben. ‚Gomen ne, Aya-chan...‘
 

Yurie war schon bei ihrem ersten Treffen mit Ayako klar gewesen, dass dieses Mädchen es nicht leicht gehabt hatte. Der einsame und traurige Ausdruck in den Augen des kleinen Mädchens hatte sie schon damals tief bestürzt. Es war ihr Wunsch gewesen in diesen Augen ein Lächeln zu sehen. Und tatsächlich hatte sie es auch geschafft sie zum Strahlen zu bringen. Sie beide hatten in den vielen gemeinsamen Jahren wirklich viel erlebt und gemeinsam durchgestanden. Yuries Lippen verzogen sich zu einem traurigen Lächeln. Gemeinsam hatten sie sich Bilder von einer Zukunft gemalt, in der sie immer als Freundinnen vereint waren. Doch nun blieben von diesen Träumen nicht einmal mehr Scherben zurück, denn sie musste nun allein einen Weg in die Zukunft gehen.
 

‚Aya-chan...ich habe dich immer bewundert. Du hast, egal was passierte, immer Stärke gezeigt. Warum konntest du mir denn nicht zeigen, dass du die Einsamkeit in deiner Seele nie ganz überwunden hast? Hast du mir jemals die wahre Ayako Kitagawa gezeigt?‘
 

Eine heftige Windböe begann an ihr zu zerren, so dass sie eine Hand heben musste, um ihre Mütze am wegfliegen zu hindern. Ein erster einsamer Regentropfen fiel neben ihr zu Boden. Er hinterließ ein kleines Loch in der matschigen Schneelache zu ihren Füßen. Die schwarzen Wolken am Himmel türmten sich immer weiter zu hohen Bergen auf.
 

„Obwohl ich viele Jahre mit ihr verbracht habe und quasi mit ihr aufgewachsen bin, habe ich das Gefühl, dass ich Aya-chan letztendlich nicht richtig kannte.“ Yurie fuhr überrascht herum. Sie hatte nicht gemerkt, dass jemand gekommen war. „Geht es dir nicht ähnlich?“, fragte Ray und überwand mit wenigen Schritten den restlichen Abstand zwischen ihm und dem Mädchen, um direkt neben ihr zum Stehen zu kommen. Er richtete seinen Blick auf den Grabstein vor ihm.
 

„Warum?“, flüsterte Yurie. „Warum nur konnte sie nicht einfach mit uns reden? Gemeinsam hätten wir doch sicher eine Lösung gefunden, was immer auch ihr Problem war, oder, Ray-kun?“ Flehend sah sie zu ihm auf, inständig darauf hoffend, dass er ihr eine Antwort geben konnte und so vielleicht auch ein wenig ihren Schmerz, ihre Schuldgefühle zu zerstreuen.
 

Doch er schüttelte sacht den Kopf. „Anscheinend nicht. Die Antwort werden wir wohl nie erfahren.“ Er schwieg einen Moment. „Aber Ayakos Entscheidung war definitiv falsch.“ Yurie bemerkte, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten. ‚Er kann es genau so wenig verstehen wie ich. Er sucht auch einen Grund.‘
 

Wieder schwiegen sie sich einige Minuten lang an, in denen jeder seinen Gedanken nachhing auf der beständigen Suche nach der Antwort, die möglicherweise doch die Wahrheit enthielt. Doch die tatsächliche Wahrheit wird ihnen, so lange sie auch danach suchen, immer verhüllt bleiben.
 

Ray war derjenige, der die Stille zwischen ihnen durchbrach. „So sehr ich auch darüber nachdenke. Mir fällt einfach kein Problem ein, dass sie tatsächlich gehabt hätte, was solch einen Schritt gerechtfertigt hätte.“

Yurie sah ihn fragend an. „Was meinst du damit? Ein Problem, dass sie tatsächlich gehabt hätte?“

Er seufzte kurz. „Ayako glaubte nur, dass sie bestimmte Probleme hatte.“ Während er sprach, sah er Yurie nicht an. Sein Blick war stur auf den Grabstein gerichtet in den für immer Ayakos Name eingemeißelt war. „Du weißt sicher, dass Aya-chan sich oft allein gefühlt hat, seit der Sache mit ihrem Vater. Danach wurde sie auch noch von ihrer Mutter verlassen. Sicher, für ein kleines Mädchen, wie sie es damals war, musste das ein Schock sein. Und doch, waren nicht immer Menschen für sie da? Meine Großeltern haben sich um sie gekümmert, als ob sie ihre eigene Enkeltochter wäre. Du warst immer für sie da, und, wie ich hoffe, ich auch. Hat sie das nicht gesehen?“ Er musste einmal schlucken, um den Kloß, der sich langsam in seinem Hals bildete loszuwerden. „Warum hat sie nie gesehen, dass ihre Einsamkeit nichts weiter als Einbildung war? Warum musste sie nur in ihrem kranken Selbstmitleid ertrinken?“ Eine kurze Pause. „Und warum ist mir nie aufgefallen, dass sie so verzweifelt war?“, fügte er flüsternd hinzu.
 

Eine einsame Träne rann seine Wange hinab. Diese Gefühle, die er bisher nicht in Worte hatte fassen können, trug er nun schon seit dem Tag mit sich herum, an dem er von Ayakos Tod erfahren hatte. Einerseits befreite es ihn ungemein sie endlich laut ausgesprochen zu haben. Er spürte regelrecht, wie die Umklammerung seines Herzens etwas nachließ. Zugleich erschreckte es ihn auch, dass er sie so hart verurteilte. Vielleicht war dies sein Weg, den er für sich gefunden hatte, um den Schmerz irgendwie zu überwinden. Ob es der Richtige war, falls es überhaupt einen richtigen oder falschen Weg gab, wusste er nicht.
 

Yurie erschrak über diese harten Worte, auch wenn sie tief in ihrem Innern realisierte, dass durchaus ein Funken Wahrheit in ihnen steckte. Trotzdem fand sie es nicht richtig so über eine Freundin zu sprechen. „Denkst du wirklich so?“ Auch ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

Ray schüttelte den Kopf. „Nein, auch wenn ich glaube, dass es nicht ganz falsch ist, was ich gesagt habe.“ Yurie nickte.
 

„Hast du von dem Brief gehört? In Ayakos Wohnung hat die Polizei einen ungeöffneten Brief von ihrer Mutter gefunden. Nach dem Poststempel zu urteilen muss er einen Tag angekommen sein, bevor sie...“ Er verstummte; konnte die Worte einfach nicht über die Lippen bringen.

„Was stand drin?“, fragte Yurie als Ray nicht von sich aus weiter sprach.

„Dass sie zurückkommt. Glaubst du, wenn Aya-chan das gewusst hätte; hätte sie es dann vielleicht nicht getan?“

Über diese Frage musste sie nicht lange nachdenken. „Ich glaube nicht. Für Aya-chan existierte ihre Mutter schon lange nicht mehr.“
 

Dieses Gespräch löste etwas in Yurie. Rays Worte von vor wenigen Augenblicken ließen sie nicht mehr los. Sie war sich vollkommen bewusst, dass es eine sehr harte Kritik an Ayakos ganzem Denken war. Ihr Verstand, von der Gesellschaft dazu erzogen, lehnte diese Worte komplett ab. Doch ihr Herz verstand auf eine seltsame Art und Weise. Diese Erkenntnis half ihr. Sie glaubte jetzt zumindest ein wenig besser zu verstehen, was in Ayako vorgegangen war und etwas von diesem drückenden Schuldgefühl in ihrer Brust wich zurück.
 

„Es gibt noch etwas, was ich dir erzählen möchte.“

„Was?“

„Weißt du, was Aya-chan für dich empfunden hat?“

Ein leichter Rotschimmer bildete sich auf Yuries Wangen. „H-hai...“ Ihre Gedanken wanderten zu jenem Abend zurück, an dem sie Ayako alles gegeben hatte. Es war nicht so, dass sie es bereute. Doch sie wusste, dass es falsch gewesen war. Ihr war heute vollkommen klar, wie sehr sie Ayako damit verletzt hatte.

„Und du weißt auch, dass sie dich und diesen Jungen in dem Café gehört hat? Du hattest mir ja damals schon gesagt, worüber ihr geredet hattet.“

Ein zögerliches Nicken war die Antwort. Yurie verstand nicht, was diese Fragen sollten. Worauf wollte Ray hinaus?
 

Er seufzte einmal kurz. „Ich habe viel darüber nachgedacht und mir ist ein Gedanke gekommen. Es ist zwar nur eine Vermutung, aber ich kann mir vorstellen, warum Aya-chan sich gerade an diesem Abend umgebracht hat.“

Yurie fuhr zu ihm herum. Mit vor Überraschung weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. Sie war sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob sie wirklich eine Antwort auf ihre lang gestellte Frage haben wollte. Was, wenn diese Antwort erneut ein Feuer der Schuld in ihrer Brust entzünden würde.
 

Doch Ray sprach unbarmherzig, wie es ihr schien, weiter. Es war ihm wichtig, dass gerade Yurie das wusste. Gerade sie musste unbedingt verstehen, was in Ayako vorgegangen war, auch wenn er sich selbst nicht ganz sicher war, ob er mit seinen Vermutungen richtig lag. Vielleicht war diese Idee nur eine fixe Ausgeburt seiner Fantasie. Immerhin hatte er die letzten Tag selbst oft genug bezweifelt Ayako wirklich gekannt zu haben. Doch ein merkwürdiges Gefühl der Überzeugung ergriff von seinen Gedanken Besitz, dass er zumindest diesen Teil ihrer Persönlichkeit gut genug kannte. Dies stellte einen letzten Lichtstrahl der Hoffnung in seinem Herzen dar, der ihn vor der endgültigen Verzweiflung bewahrte.
 

„Stell dir vor, du bist in jemanden verliebt. Niemand auf dieser Welt ist dir wichtiger als diese Person. Schon allein, wenn du sie lächeln siehst, verfliegen alle dunklen Gedanken und Gefühle, die du jemals hattest, aus deinem Herzen. Du legst ihr dein Herz zu Füßen und schenkst ihr deine Seele. Und dann erfährst du, dass sie dich verraten hat, dass sie dich wegwirft, wie ein kaputtes Spielzeug. In deiner Welt wird es dunkel. Es ist die Dunkelheit, die schon so lange in dir wohnt und die du solange vor dir selbst verleugnet hast. Du fühlst wieder diese Einsamkeit, die du erfolgreich für Jahre verdrängt hattest. Scheinbar gibt es nichts mehr in dieser Welt für dich, für das es sich lohnen würde zu leben, denn dort ist niemand mehr, der dich zu brauchen scheint.“
 

Er machte eine kurze Pause und warf einen kurzen Blick auf Yurie. Stumme Tränen rannen aus ihren geweiteten Augen. Er wusste, dass seine Worte hart gewesen waren und das Mädchen schwer getroffen hatten. Doch es war dringend notwendig, dass sie es verstand. Es lag ihm fern, ihr in irgendeiner Form die Schuld an Ayakos Tod zu zuweisen. Schuld waren sie in irgendeiner Form alle. Ohne Frage.
 

In Yurie zerbrach etwas während Rays Rede. Ihr Herz schmerzte. Sie konnte es fühlen. Sie fühlte diesen Schmerz der Einsamkeit, dieses Zerbrechen der Welt. Sie kannte dieses Gefühl nur zu gut. Bittere Tränen rannen plötzlich über ihre Wangen. Tränen, die so lange nicht fließen wollten. Es war befreiend. Mit ihnen schienen all diese ungeklärten Gefühle in ihrem Innern eine Form zu bekommen. Sie weinte, weil sie sich schuldig fühlte und sie weinte um Ayako. Um Ayako, deren grausames Los sie immer unterschätzt oder vielleicht auch unbewusst verdrängt hatte.
 

Der Wind verstärkte sich allmählich. Sie spürte, wie sich ein Arm um ihre Schultern legte und sie gegen einen warmen Körper gedrückt wurde. „Glaub mir, sie gibt dir keine Schuld. Es war ihre Entscheidung...“, flüsterte Ray ihr beruhigend zu. ‚Und es war die falsche Entscheidung, denn vor dem Leben zu fliehen, kann einfach nicht richtig sein.‘, fügte er in Gedanken hinzu.
 

Ihren Tod zu akzeptieren fiel ihm schwer und er war sich nicht sicher, ob er es jemals vollends können würde. Doch lehrte ihn diese ganze Sache etwas über den Menschen und das Leben, worüber er sich vorher noch nie Gedanken gemacht hatte. Erst jetzt wurde ihm der Wert eines Lebens in seinem vollen Ausmaß bewusst. Er hoffte, dass auch in Yurie ein solches Bewusstsein erwacht war.
 

Diese krallte sich in seine Jacke. Ihr Körper erzitterte unter heftigen Schluchzern. Das Gesicht vergrub sie an seiner Brust. ‚Endlich lässt sie es zu!‘ Mit diesem Gedanken schloss er sie noch fester in seine Arme, um ihr Trost und Kraft zu spenden. Die Tränen, die über Yuries Wangen strömten vermischten sich mit dem allmählich einsetzenden Regen.



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Kommentare zu dieser Fanfic (28)
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Von:  Silver_Wolf
2009-04-07T09:32:18+00:00 07.04.2009 11:32
sooooooo xDD
also.. ich fand die ff an sich auch super ^^
am anfang dachte man erst uhhh da wird alles gut und so.. xDD und dann bääämm aufeinmal bringt ayako sich um O.O mann überraschung echt gut gelungen vor allem finde ich die verbindung mit ihrem vater gut rübergebracht ^^
am anfang wollte sie ja nie werden wie er und macht zum schluss genau den selben fehler *_* hammer rübergrabracht

dein schreibstiel find ich ok soweit ;) ^^

hoffe du schreibst mehr ^^.. vlt dann net ganz so düster O.O xDD

lg ^^
Von:  Saronna
2007-05-17T23:30:07+00:00 18.05.2007 01:30
Ich hab die FF grade erst gefunden xD
Aber ich muss sagen, die FF gefiehl mir wirklich sehr gut. Guter Stil vorallem. Und endlich finde ich wieder eine FF die einem keine Auswahlmöglichkeit zwischen einem happy- und einem sadend gibt. Gut durchgezogen.

Die Geschichte in sich war gut gut nachvollziehbar. Wohl auch weil Sie die Vergangenheit der Characktere einbezogen haben.

Und noch eine kleine Randbemerkung: Ich kann Ayakos handeln durchaus nachvollziehen und verstehe ihre Beweggründe vollkommen.
Von: abgemeldet
2006-11-27T17:02:52+00:00 27.11.2006 18:02
Hallo...
Habe diese Geschichte erst vor kurzem gefunden und doch gehört sie schon jetzt, nach ein- und erstmaligem Durchlesen zu einer meiner liebsten. Wenn nicht sogar alleine zu eben dieser.
Du schreibst wundervoll und schaffst es perfekt, die Gefühle einzufangen, die einen in all der Verzweiflung heimsuchen...
Es ist eine schöne Geschichte, auch wenn ich momentan aus dem Weinen nicht mehr herauskomme. Ein weiteres Mal kann ich mir die Geschichte wahrscheinlich vorerst nicht durchlesen. Aber gerade das ist es, was einen guten Schreiber ausmacht - dass die Geschichte dem Leser im Kopf bleibt.
Von: abgemeldet
2006-10-28T13:50:36+00:00 28.10.2006 15:50
Hm...mir war langweilig und ich wollte mir deine Geschichte noch einmal durchlesen, alles in einem. Und ich bin froh, dass ich es gemacht habe^^
Wenn das überhaupt möglich war, gefällt mir deine Story sogar noch viel besser als vorher. Wenn man alles an einem Stück liest, kommt die Trauer deutlicher hervor. So kam es mir zumindest vor.
Mh...ich liebe diese Geschichte echt, auch wenn sie so bedrückend ist, sie ist einfach so toll und wirklich sanft geschrieben^^ Du machst dem Wind mit deinem Schreibstil alle Ehre ^_~
Wann kommt eig. mal etwas Neues in dieser Richtung von dir? Ich warte schon sehnsüchtig XD

*knuddl*
Von:  AlexMcKenzie
2006-04-28T19:13:44+00:00 28.04.2006 21:13
*sprachlos ist* (hab alles gelesen, weshalb das hier eigentlich irgendwie was zu allem werden sollte, aber ich bin unfähig es in Worte zu fassen) sorry, ich meld mich bestimmt noch mal, wenn mir einfällt, wie man das was mir gerade durch den Kopf geht irgendwie anders in Worte packen kann, als mit "wow" denn irgendwie scheint es mir zu platt.
Trotzdem möchte ich dir bereits jetzt dafür danken, dass du diese Geschichte geschrieben und hier rein gestellt hast.
Von: abgemeldet
2005-11-06T13:44:44+00:00 06.11.2005 14:44
hach ENDLICH bin ich auch durch...habs ja ziemlich vor mir her geschoben *wollte kein ende haben* und es ist....soooo traurig *schluchts heul verzweifel* ich glaub ich hätt mich auch in den tod gestürzt ù.u""" (wie gut dass meine freundin das net liest *husthust*^^")

aber haste echt schön zu ende gebracht,was andres hätte echt net gepasst*hachja*

ich geh nue runde heulen

*knuddel*
da Kago *schluchts*
Von: abgemeldet
2005-11-03T18:36:15+00:00 03.11.2005 19:36
Es ist zu ende!!! *schluchz*
...und doch kein happyend *doppelschluchz*
...zum abschluss hast du es ja noch mal furchtbar traurig gemacht!-.-
...was soll ich denn bloß noch dazu sagen?°°
...mir sind ,nur' die üblichen sachen aufgefallen: rechtschreibfehler, manchmal wars auch nen bissl ungeschickt formuliert (irgendwo hast du zweimal hintereinander die selben redewendungen verwendet) ...kleinigkeiten eben, ne! ...ich glaub, wenn du vll noch einmal über deine -werke- gründlich drüberlesen würdest, würden dir diese fehler auch auffallen!
→ eröffnest'de ne extra-anti-rechtschreibfehler-drüberlese-deluxe-runde!-.-'
...ich glaub, wenn ich ray in dieser situation gewesen wäre, hätte ich ihr erstmal eine geklatscht...weiß auch nicht...zwischendurch hab ich irgendwie angefangen sie zu hassen!

...das ist auch schon alles, was ich dir auf deinen weg mitgeben kann *sich ans herz fass*-.-'
...weiter so!!!
...zum abschluss noch ein zitat: *räusper* "mada mada dane!" ^^

~*~*~yours f-sama~*~*~
Von: abgemeldet
2005-10-31T19:57:38+00:00 31.10.2005 20:57
Vielen Dank für's Bescheid geben, dass der letzte Teil da ist. ^^ Hätte ihn sonst unter Umständen verpasst und das hätte ich bedauert.
Ich stimme dir dahingehend zu, dass Ayakos Tod eine nötige Konsequenz aus dem bisherigen Plot war. Der ganze Aufbau ihres Charakters war eigentlich in den ersten 6. Kapitel schon zu niedergeschlagen, beinahe depressiv, als dass man glaubhaft hätte vermitteln können, dass sie in dieser Situation noch die Kraft findet, nicht aufzugeben.
Selbstmord ist etwas, was ich wohl auch nie so richtig nachvollziehen werde, aber die Umstände, die in dieser Geschichte dazu geführt haben, waren wirklich realistisch dargestellt. Die Szene und das Gespräch zwischen Yurie und Ray stellten einen guten Abschluss dar, vor allem als Epilog sehr passend. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass auf der ersten Seite öfter mal die Zeit in einem Satz von der Vergangenheit in die Gegenwart gewechselt ist. oO Hat aber nicht wirklich gestört.
Alles in allem auf jeden Fall eine sehr schöne Fic. ^-^ Würde mich über mehr von dir freuen.
Von: abgemeldet
2005-10-31T11:08:05+00:00 31.10.2005 12:08
Na diesmal ging's ja schnell^^ Dafür ist es zwar kurz, aber da es ja ein Epilog ist XD

Dass Ayako jetzt doch gestorben ist, finde ich richtig schade, ich hatte noch darauf gehofft, dass sie gerettet wird. Aber sollte wohl nicht sein^^ Ein Sad-end ist auch mal eine Abwechslung, why not? Ist aber ein seeehr trauriges Ende*schnüff*
Ich finde es aber sehr gut, dass du ihre Beziehung zu Yurie nicht als einzigen Grund für ihre Entscheidung genannt hast. Weil, um ehrlich zu sein, finde ich's schon fast lächerlich, wenn man sich wegen einem anderen Menschen, sei die Liebe/Freundschaft etc. noch so tragisch und unglücklich, umbringen will. Daher war ich richtig froh darüber, dass ihre Vergangenheit da auch eine große Rolle gespielt hat, das machte das ganze...na ja, "nachvollziehbarer" ^^
Aber eine Kritik hätte ich da noch. Kann auch sein, dass es mir nur so vorkam, aber irgendwas unterscheidet dieses Kapitel von den restlichen. Da fehlt was. Beim Lesen der vorigen Kapitel hatte ich zumindest immer das Gefühl für den Moment, wo ganz anders zu sein, also ich konnte mich immer in das Geschehen hineinversetzen, aber hier war es eher so, dass ich es als Oberflächlich empfand(Oh Gott, hört sich das bescheuert an...verzeih^^) Es hat mich nicht so "gefesselt" wie die anderen.
Ich hoffe mal, du kannst so ansatzweise verstehen was ich meine. Der Epilog war nicht schlecht, nein keineswegs, nur kommt es auch an die anderen Kapitel nicht ran...irgendwie^^
Vielleicht lag es auch daran, dass man hier fast absolut keinen Zugang zu den Gefühlen der Protagonisten hatte.

Naja, ansonsten bin ich schon etwas traurig, dass es hier endet, das war mal eine richtig gute Geschichte. Aber solange noch Weiteres von dir in diesem Genre kommt (^.~)
Ich hoffe, du nimmst mir die Kritik nicht übel? Ist nicht böse gemeint^^
Von: abgemeldet
2005-10-22T23:13:34+00:00 23.10.2005 01:13
ich fasse mich kurz und hoffe mit folgender aussage erklären zu können wie mir diese geschichte gefällt:

ich kann es kaum erwarten bis es weiter geht!

:)


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