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The Legend of Marodu

von

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Ein seltsamer Traum

Ein seltsamer Traum
 

Jans Eltern waren im Ausland. Sie brauchten Urlaub, hatten sie behauptet. Sicher, Jan war nicht unbedingt der Pflegeleichteste, aber dass sie gleich sagten, sie bräuchten Urlaub, ist etwas übertrieben. Na ja, Jan war es egal. So hatte er wenigstens mehr Zeit für sich und seine Schule.

Er brauchte viel Zeit zum lernen, denn die Abiturabschlussklausuren wurden langsam fällig. Die einzige, die ab und zu störte, war seine Schwester Samantha. Sie kam immer in den ungelegensten Momenten in sein Zimmer gestürmt. Mittlerweile hatte er sich angewöhnt, gleich wenn er nach Hause kommt, das Essen für Sam zu machen und sich dann in seinem Zimmer einzuschließen.

Allerdings brachte das auch nicht sehr viel mehr, denn wenn sie etwas von ihm wollte, klopfte sie so lange gegen die Tür, bis Jan der Geduldsfaden riss und er wutentbrannt die Tür aufriss.

"Was willst du?", schrie er seine Schwester an.

"D - Da ist jemand für dich am Telefon. Ich wollte dich ja nicht stören, aber er sagte es sei sehr wichtig.", ziemlich eingeschüchtert gab sie Jan zitternd den Hörer und machte sich aus dem Staub.

"Oh, sorry.", rief Jan ihr noch hinterher. Dann nahm er den Hörer ans Ohr.

"Ja? Wer ist denn da?", doch am anderen Ende der Leitung tat sich nichts.

"Hallo? Ist denn da niemand? Hallo! Antworte mir!", doch nicht.

"Also, wenn Sie mir nicht antworten, leg ich wieder auf.", Jan wurde so langsam so richtig sauer. "Auf so einen Scherz lasse ich mich nämlich nicht ein. Also?", Jan wartete noch einige Sekunden.

"Okay, da Sie mir wohl eh nichts sagen wollen, lege ich jetzt auf." Damit legte er auf.

Jetzt war Jan so richtig sauer. Für so einen dummen Streich hatte man ihn vom lernen abgehalten? Dabei arbeitete er gerade an Geschichte. An seinem Lieblingsthema: das Mittelalter. Die schönen Gewänder, die alten Bauweisen, die Bräuche, alles an diesem Thema faszinierte ihn. Als kleiner Junge wollte er immer ein Ritter sein. Gegen Drachen kämpfen und hübsche Prinzessinnen retten. Ja, das war immer sein Traum gewesen, doch mit der Zeit hat er gelernt, dass dieser Traum niemals in Erfüllung gehen kann. Jan setzte sich wieder an seine Arbeit, bis tief in die Nacht hinein.
 

"Jan! Ich hab den Tisch gedeckt. Komm essen!", Sam hatte ihn gerufen. Es war bereits acht Uhr. Eigentlich war Samantha für das Abendessen zuständig, aber meistens machte sie auch das Frühstück. Sie konnte ruhig auch helfen, hatte sich Jan gedacht. Schließlich war sie schon neun Jahr alt.

"Guten Morgen, Jan!", strahlte Samantha ihrem Bruder freudig entgegen.

"Morgen.", gähnte Jan zurück. Er war noch ziemlich müde, da er erst gegen halb zwei ins Bett gegangen war.

"Du solltest früher schlafen gehen. Du siehst echt nicht gut aus.", Samantha sah etwas besorgt aus.

"Ich hab irgendwas Komisches geträumt, darum hab ich sehr schlecht geschlafen. Ich kann mich aber nicht mehr erinnern, was es war. Außerdem war das Kapitel über die Zeremonien nun mal so spannend.", Jan sah plötzlich viel frischer aus. Morgens war es nie langweilig am Tisch mit Samantha und Jan.

"Ach, es ist immer das gleiche mit dir!", Samantha sah ihn scharf an. "Warum interessierst du dich nur für so was Komisches? Ich meine Schule ist doch allgemein langweilig und dann auch noch Geschichte! Du enttäuschst mich, Jan. Echt! Schon allein die Lehrer."

Samantha lies sich immer ungemein gern über ihre Lehrer aus und regte sich jeden morgen über die gleichen Fächer auf, die sie an den Tagen hatte. Dieses Verhalten erinnerte Jan dann immer an ihn selbst, als er morgens immer seiner Mutter von den Lehrern erzählt hatte, die er nicht mochte.

"Und dann hat dieser Blödmann Miriam auch noch ins Klassenbuch eingetragen. Kannst du das glauben? Das ist doch nicht fair oder? Die doofen Jungs haben sie so sehr geärgert!", Miriam war Sams beste Freundin. Sie waren jeden Tag zusammen, machten Hausaufgaben und spielten herum. Allerdings wusste Jan, dass Miriam nicht gerade ein Unschuldslamm gewesen war und von daher konnte er den Lehrer durchaus verstehen.

"Aber du musst doch auch den Lehrer verstehen.", versuchte Jan sie zu beschwichtigen. "Ich weiß ja, dass du ihn nicht leiden kannst, aber er hat sie bestimmt nicht nur eingetragen, weil er sie nicht leiden kann. Ich denke, sie war auch nicht ganz unschuldig oder?"

"Nun ja. Sie hat ihn nur. Na ja. Sie hat Dominik getreten und dann ist er sauer geworden.", sagte Samantha etwas verlegen. "Ich hasse es wenn du Recht hast!"

Dann aßen sie ohne ein Wort weiter. Jan wunderte sich, dass Samantha nur sehr wenig aß. Sonst war sie immer ganz gut bei der Sache gewesen, wenn es ums Essen ging und man musste sie richtig stoppen, damit sie nicht platzte. Doch heute hat sie fast gar nichts gegessen.

"Sag mal, machst du ne Diät oder warum isst du fast nichts?", Jan sah sie verwundert an.

"Ich weiß auch nicht. Ich fühl mich nicht besonders.", Samantha sagte nie sofort, wenn es ihr schlecht ging. Sie wollte nie, dass man sie für einen Schwächling hält. Dafür bewundert sie Jan auf einer Seite sehr.

"Willst du denn lieber zu Hause bleiben?", Jan war etwas besorgt. Wenn Samantha schon freiwillig zugab, dass es ihr nicht gut ging, dann musste sie schon ziemlich angeschlagen sein.

"Oh, nein. Nein, ich bleib doch nicht zu Hause, nur weil mir etwas schlecht ist!", Sam war empört. Jan wusste sofort, dass sie so reagieren würde. Samantha hatte noch niemals einen Tag in der Schule gefehlt. Außer einmal, aber da hatte es sie wirklich sehr schlimm erwischt.

"Ja, ja. Ist ja gut! Du kannst ja zur Schule gehen. Soll ich dich mitnehmen oder gehst du mit Miriam?"

"Ach, kannst du uns denn nicht beiden mitnehmen?", Samantha sah ihn mit ihren großen blauen Augen an. Sie legte sich halb über den Tisch und faltete die Hände, als wolle sie beten. "Bitte nimm uns doch beide mit!"

"Ja, ist ja gut. Du brauchst mich doch nur zu fragen. Müssen wir sie zu Hause abholen, oder kommt sie hier her?" Jan hoffte, er müsse sie nicht von zu Hause abholen. "Du weißt doch, ich mag ihre Eltern nicht."

"Nein, sie holt mich ab. Dann hab ich ja heute mehr Zeit.", sagte sie und wollte gerade aus der Küche rennen.

"Wozu brauchst du denn mehr Zeit?", fragte Jan verdutzt und sah sie an. "Außerdem sag mal, was soll denn heißen "heute"? Ich fahre dich doch fast immer zur Schule!"

"Ja, weiß ich doch. Sollte nur ein kleiner Scherz sein. Du musst den Tisch abräumen.", sagte sie und ging aus der Küche. Im Flur rief sie noch: "Ich hab ihn gedeckt!"

Jan deckte den Tisch ab und ging nah oben in sein Zimmer. Dort zog er erst einmal das Rollo hoch und sofort wurde sein Zimmer von Licht durchflutet. Jan kniff die Augen zusammen. Dann packte er seine Tasche und machte sich fertig. Es läutete und Samantha machte die Haustür auf. Wahrscheinlich war es Miriam.

Jetzt war es bereits viertel vor ach. Jan rief die Mädchen und zusammen fuhren sie zur Schule. Zum Glück war Samantha auf der gleichen Schule wie Jan gegangen.
 

In der achten Stunde hatte Jan Mathematik. Es war sterbenslangweilig und Jan war so unendlich müde. Er wünschte sich, dass die Stunde schnell vorüber sein sollte, er wollte nur noch nach Hause und schlafen. Er konnte sich nicht einmal auf den Unterricht konzentrieren und plötzlich fielen ihm die Augen zu. Das war ihm noch nie passiert, er war noch niemals im Unterricht eingeschlafen. Er öffnete seine Augen wieder und fühlte sich vollkommen ausgeruht. Doch dann fühlte er, dass er sich bewegte. Er entfernte sich immer weiter aus dem Klassenraum. Was war hier los? Jan verstand die Welt nicht mehr. Er konnte den Klassenraum schon fast gar nicht mehr sehen.

Plötzlich war alles um Jan herum dunkel, er wollte schreien, doch die Leere um ihn herum schien seine Schreie aufzusaugen und die Kälte fror stechend seine Stimme ein. Alles um Jan herum war still, von seiner Familie oder dem Mann war keine Spur. Jan drehte sich einmal im Kreis, doch er sah nichts als Schwärze. Dann bemerkte er, dass er nicht einmal auf festem Boden stand, sondern einfach im Nichts schwebte.

Doch plötzlich ertönte eine traurige, flehende Stimme, "Jan? ...du musst uns helfen, hörst du? Bitte!... Nur du kannst uns befreien... bitte hilf uns...", sie schien ihm klar und vertraut, aber weder seine Mutter noch seine Schwester hörten sich so an, das wusste Jan. Auch keine seiner Klassenkameradinnen hatte eine solche Stimme. Die Stimme war leise und doch stark und kam von einem blendend weißen Punkt direkt vor ihm in der Dunkelheit. Der Punkt kam näher und näher und je näher der Punkt kam, desto größer wurde er. Auch die Stimme wurde lauter und wiederholte immer und immer die gleichen Worte: "Du musst uns helfen, bitte... nur du kannst uns befreien... bitte hilf uns..."

Der Punkt veränderte allmählich seine Form und es sah so aus, als ob eine Person auf ihn zulaufen und mit ihm sprechen würde. Es war eine Frau - nein, ein Mädchen. Von dem Mädchen ging ein Licht aus, und es strahlte so hell und so viel Wärme aus, dass Jan sofort keine Angst mehr hatte. Das Licht war sogar heller als die Sonne und doch schien von ihm nicht nur Wärme auszugehen. Um noch die Augen auf halten zu können musste er sie mit der Hand bedecken, denn das Licht blendete sehr. Sein Gegenüber strahlte eine Traurigkeit aus, die gut zu seinen Worten passte, und obwohl das Licht noch immer heller war als die Sonne, schien es irgendwie immer blasser zu werden.

Das Mädchen stand nun bloß noch fünfzig Meter von ihm entfernt. Doch es lief nicht mehr, sondern blieb einfach stehen. Jetzt, wo es sich nicht mehr bewegte, konnte Jan es etwas besser erkennen. Das Mädchen trug ein weißes Tuch als Gewand. Das muss ein Engel sein, dachte er gespannt. Er versuchte das Gesicht zu erkennen, aber er war einfach noch zu weit entfernt. Nachdem er aufgehört hatte darüber nachzudenken, bemerkte er erst, dass das Mädchen schon lange aufgehört hatte zu sprechen. Sie sah ihn nur noch an, als erwarte sie, dass er etwas sagen würde. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, doch fiel ihm nichts ein und er schloss ihn gleich wieder.
 

Plötzlich dröhnte eine neue Stimme in seinem Kopf.

"Jan? Jan! Jan, können Sie diese Aufgabe lösen? So, wie ich es Ihnen gerade erklärt habe? Jan!"

Jemand stieß ihm schmerzhaft in die Seite. Jan wachte auf und fand sich kurzer Hand in seinem Klassenzimmer wieder. Sein Banknachbar Sebastian hatte ihn angestoßen, damit er aufwachte.

Er war doch noch nie im Unterricht eingeschlafen. Warum ausgerechnet bei diesem Lehrer, in diesem Fach? So müde war er doch gar nicht gewesen. Es war ein seltsames Gefühl, irgendwie komisch und doch wieder nicht, aber beschreiben konnte man es nicht richtig. Im Moment hatte er auch ganz andere Sorgen, denn die ganze Klasse sah gespannt zu ihm hinüber. Auch der Lehrer starrte ihn finster an, sein Gesicht war schon alt und faltig, wie das eines alten Mannes. Dabei wusste Jan, dass er noch gar nicht so alt war. Sein langes weißes Haar lies ihn aussehen, wie einen alten schwachen Mann oder wie einen mächtigen, bösen, alten Zauberer.

Er durchbohrte Jan mit seinen finsteren, dunkelbraunen Augen wie mit einem Messer. Jan hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass dieser Lehrer ihn nicht ausstehen konnte. Unsicher sah er zur Tafel hinüber und das, was er dort sah bereitete ihm Kopfschmerzen. Es war eine ganz normale Matheaufgabe. Er war gut in Mathe gewesen, bis der neue Lehrer an seine Schule kam. Jan war nicht besonders gut auf ihn zu sprechen, denn er hatte immer etwas an Jan auszusetzen gehabt. Doch Jan wusste, dass jeder Lehrer seine Lieblinge hatte und welche, die er nicht leiden konnte.

"Tut... tut mir leid, Herr Gerlönger. Aber... nein ich kann diese Aufgabe nicht lösen.", murmelte Jan, schon in der Befürchtung, dass Gerlönger ihn wieder mit einer Strafarbeit zum Schuldirektor schicken würde, doch es geschah nichts dergleichen. Sein Blick jedoch hatte sich bei seinen Worten schlagartig geändert, doch nicht in den eines normalen Lehrers, der einen normalen Schüler ansieht und versteht, dass die Aufgabe zu schwer ist. Nein, sein Blick war Hohn und Spott, Jan glaubte sogar eine Art Triumph darin aufflackern zu sehen.

"Ja, das dachte ich mir schon. Sie sind zwar jetzt schon neunzehn Jahre alt, aber von einem Faulpelz wie Ihnen kann man ja auch nichts anderes erwarten, nicht war?", seine Klassenkameraden lachten, aber Jan achtete nicht auf sie. In der Stimme seines Lehrers war deutlich seine Abneigung gegenüber Jan und sein Triumph über die Unfähigkeit Jans zu hören. Endlich läutete es.

"Ihre Hausaufgabe ist es, diese Aufgabe zu lösen. Und wer sie morgen nicht hat muss eine Stunde länger bleiben.", fügte er nach einem flüchtigen Blick auf Jan hinzu.

Jan ging nicht wie sonst nach der Schule noch zu Trinkhalle um sich ein Eis zu holen, obwohl es heute ganz schön warm für einen Herbsttag war. Er fühlte sich nicht besonders, denn er hatte die ganze Stunde geschlafen und nichts von den Erklärungen seines Lehrers mitbekommen. So konnte er diese neue Aufgabe nicht lösen und wenn er Mitschüler fragen, musste kam er sich immer ziemlich blöde vor, denn eigentlich war er mal einer der besten Schüler in Mathe gewesen.

Jan war zwar etwas groß für sein Alter, aber er hatte ein großes Herz und war ein sehr guter "Vor-sich-hin-Träumer", denn mit seiner immensen Vorstellkraft und seiner kindlichen Fantasie, war er mit einem Kindergartenkind gut zu vergleichen.

Natürlich gab es immer jemanden, der einen nicht leiden konnte. In Jans Fall waren dies Sascha und Isabelle, die größten Angeber aus seiner Klasse. Sascha war groß und dick, und wenn jemand nicht aufpasste und genau überlegte, was er sagte, konnte es leicht passieren, dass Sascha ganz schön ausrastet und jemanden Krankenhausreif schlägt. Isabelle dagegen war klein und dünn. Sie stand nur in Saschas Schatten und fühlte sich oberwichtig. Jan drehte sich nicht um, er wusste, sie würden ihn bloß ärgern wollen und darauf ließ er sich nicht ein. Stattdessen sprach er ohne sich umzudrehen: "Ich lasse mich nicht auf euer Niveau herab. Also geht und nervt jemand anderen. Ich hab nämlich keine Zeit für eure Albernheiten. Okay?"

"Du hast ja süß ausgesehen, als du geschlafen hast. Aber du bist so schnell hochgeschreckt, hattest du einen Alptraum? Kannst du denn jetzt die Matheaufgabe lösen, so ganz ohne Erklärung, wie es geht?". Isabelle war an seine Seite getreten und sah ihn spöttisch und mit großen ungläubigen Augen an.

"Nein, hatte ich nicht.", sagte Jan ohne sie eines Blickes zu würdigen. "Und natürlich kann ich diese Aufgabe lösen, ist doch ganz leicht, dazu brauche ich keine Erklärung von so einem Lehrer."

"Ach so", schaltete sich Sascha sofort wieder ein. "Du bist also zu gut für seinen Unterricht, ja? Wozu kommst du denn dann zur Schule, wenn du dir noch nicht einmal den Unterricht anhörst?"

"Das habe ich nicht gesagt", sagte Jan beherrscht, ballte seine Hände und starrte zu Boden. "Natürlich muss auch ich zur Schule um zu lernen. Allerdings brauche ich keinen Unterricht, um diese Aufgabe zu erledigen."

Dann legte Sascha seinen Arm freundschaftlich um Jans Schulter, aber Jan streifte ihn gleich wieder ab.

"Was willst du denn von mir? Lass mich!", doch kaum war er von Saschas Arm befreit, schon klammerte sich auch schon Isabelle an ihn.

"Warum?", sagte sie und sah ihn hinterlistig lächelnd an. "Was hast du denn, magst du uns denn nicht mehr?"

"Nicht mehr?", und damit zog er seinen Arm aus ihrem Klammergriff. "Ich konnte euch noch nie leiden und jetzt lass mich los. Ich will jetzt nach Hause."

Damit machten die beiden sich aus dem Staub und auch Jan machte sich auf den Weg nach Hause.

Endlich zu Hause ging er nicht erst in die Küche um zu Essen, sondern ging sofort in sein Zimmer und legte sich schlecht gelaunt und niedergeschlagen in sein Bett. Wütend über seinen Lehrer starrte er zur Decke und stellte sich vor, wie er ihn heute wieder zur Weißglut brachte. Diese Idioten schaffen es auch immer wieder, mich fast zum Überkochen zu bringen!, dachte sich Jan aufgebracht. Dann wurde seine Zimmertür geöffnet.

"Jan?", seine Schwester war in sein Zimmer gekommen um sich zu erkundigen was mit ihm los war. "Hast du keinen Hunger? War heute irgendetwas in der Schule los? Du siehst niedergeschlagen aus.", erkundigte sie sich nervös, nachdem er ihr keine Antwort auf ihre Frage gegeben hatte. Sie setzte sich neben ihn aufs Bett, "Komm schon, mir kannst du es doch sagen, ich bin doch deine Schwester und zum Kummer loswerden da.", sie lächelte ihn an. Er sah ihr ins Gesicht, es war so beruhigend und angenehm. Jan lächelte zurück und legte seine Hand auf ihre. Obwohl sie sich so oft stritten und Sam immer sehr stur und zickig ist, ist sie doch immer noch Jans kleine Schwester. Er liebte sie und sie liebte ihn. So ist das nun mal unter Geschwistern. Auch wenn sie es nicht zugeben. Jeder ist immer für den anderen da und sie lieben sich. Das liebt bei Geschwistern in der Natur.

"Nein, es war nichts in der Schule.", er fühlte sich nun besser und stand auf "aber Hunger hab ich schon, komm ich mach uns was zu essen und dann lerne ich."

"Schön! Ich hab nämlich ganz schön riesigen Hunger und ich kann doch nicht Kochen.", Sam sah echt froh aus als Jan sagte, dass es endlich Essen gibt. Sie gingen in die Küche und Jan machte ihnen einen Reisgemüsepfanne.

"Die Schule war heute wieder in Ordnung, bis auf manche Stunden. Aber daran kann ich ja eh nichts ändern, oder?", erklärte Jan beim Essen.

"Und hat der Gerli dich heute wieder geärgert?", erkundigte sich Sam.

"Nein", log Jan, "heute nicht, denn ich hab nichts gemacht, wofür er mich hätte ärgern können.", sagte er, mit einem flüchtigen Blick von seinem Teller in ihr Gesicht.

"Ach ja? Das glaube ich dir nicht!", sagte Sam mißtrauisch. "Seit wann braucht der denn einen Grund um dich zu ärgern?"

"Ja da hast du auch wieder recht.", gab Jan zu. "Aber ist ja auch egal. Soll er doch versuchen mich zu ärgern! Ich stör mich da einfach nicht dran."

"Genau so will ich dich hören!", Sam war aufgesprungen, ballte ihre Fäuste und boxte in die Luft, als wolle sie einen Unsichtbaren Gegner K.O. schlagen. "Richtig so. So schaffst du ihn! Ich weiß, dass du es schaffst. Du schaffst doch alles! Du bist doch 'Superjan'!"

"Du bist echt die größte, wenn es ums Aufmuntern geht!", sagte Jan mit einem breiten Grinsen. "Sag mal, hast du heute irgendwas besonderes vor?"

"Nein. Ich wollte den ganzen Tag Fernsehn gucken. Warum?", Samanthas fragendes Gesicht wandelte sich schnell in ein hämisches Grinsen um. "Ach so. Du hast eine neue Freundin und willst ungestört sein! Versteh schon, soll ich dann zu einer Freundin gehen?"

"Was soll das denn - hust - jetzt?", vor schreck hatte sich Jan an seinem Essen verschluckt. "Nein, es kommt heute kein Mädchen vorbei!"

"Ach so ist das. Okay versteh schon. Wenn das so ist. Ich geh zu Miriam."

"Was? Wie? Man! Was willst du damit sagen?", Jan war jetzt sichtlich aus der Fassung.

"Nun ja also ich hab schon verstanden. Du hast einen Freund, der heute vorbei kommt. Also gehe -"

"Was? Ich soll ... Moment mal, wie kommst du denn darauf?"

"Ach Mensch Jan! Du musst dich doch nicht verstellen! Das ist vollkommen okay! Ich sags auch keinem weiter. Ich schwöre.", Samantha legte ihre Hand aufs Herz und setzte z m Schwur an, doch bevor sie etwas sagen konnte wurde sie auch sogleich wieder von Jan unterbrochen: "Wie kommst du denn auf so was, bitte? Du bist erst neun! Ich meine ... man heute kommt niemand vorbei okay? Ich wollte lediglich ein neues PC-Spiel spielen, dass mir ein Freund geliehen hat!"

"Ach so! Ich dachte schon. Da bin ich aber beruhigt. Dann kann ich ja doch den ganzen Tag Fernsehn gucken.", sagte Samantha und räumte ihren Teller in die Spülmaschine.
 

"Jan! Abendessen.", Sam rief aus der Küche. Jan war seit Stunden in seinem Zimmer und spielte ein neues Computerspiel, das ihm ein Freund aus der Schule ausgeliehen hatte. Jan fand es zwar eher langweilig, aber zum abreagieren war es gar nicht so schlecht. Als Sam rief fuhr er den Computer herunter und ging in die Küche, um seiner Schwester beim Tischdecken zu helfen. Sam hatte schon begonnen das Besteck aus der Schublade zu kramen und gerade Tee aufgesetzt, als er die Küche betrat.

Er hatte gerade begonnen die Tassen aus dem Schrank zu holen, als Sam plötzlich schrill aufschrie.

"Uaah! JAN! Da ist ein ganz ekeliges Vieh!"

"Ach was, wo denn?", Jan war zu ihr zur Schublade mit dem Besteck gegangen. "Was denn wegen eines ganz normalen kleinen Käfer hast du so geschrien? Also ehrlich, Sam! Schäm dich!"

"Schäm du dich doch, dass du so was auch noch süss finden kannst! Los, töte diesen ekligen Käfer!", Sam hatte einen Ausreichenden Mindestabstand zur Schublade eingenommen.

"Also wirklich, Sam! Das ist ja wohl ein verstoß gegen die zehn Gebote Gottes! Darauf steht Höchststrafe und man kommt nicht in den Himmel!"

"Das stimmt ja gar nicht!", Samantha machte ein angewidertes Gesicht. "In den zehn geboten heißt es, man darf keine Menschen töten! Käfer sind keine Menschen."

"Nein, aber Lebewesen, wie du und ich.", entgegnete Jan streng. Jan mochte es nicht, Käfer oder andere Tiere zu töten, nur weil man Angst vor ihnen hat. "Sag mir, Sam, was würdest du davon halten, wenn Gott dich als Strafe für deine Denkensweise in deinem nächsten Leben als Käfer auferstehen lässt und du dann auch von einem kleinen Mädchen, oder meinetwegen dessen Bruder, zerquetscht wirst, nur weil du etwas Hunger hattest?"

Doch Sam gab keine Antwort. Als Jan sich nach ihr umsah, sah er, dass sie stumm weinte.

"Oh ... hey, Sam, was hast du denn auf einmal?", Jan ging zu ihr und nahm sie in den Arm, jetzt begann Samantha laut zu schluchzen und zu weinen.

"Ich - will - nicht - zerquetscht - werden!", Samantha schluchzte, hatte Schluckauf bekommen und war einfach nicht mehr zu beruhigen. Es kam Jan dann doch ziemlich hart vor, was er gesagt hatte.

"Hey, du siehst doch jetzt ein, dass kein Geschöpf einfach so getötet werden darf, darum glaube ich, dass Gott dir bereits vergeben hat und dich niemals zerquetschen lassen würde."

"Ganz sicher? Hicks.", Samantha sah Jan mit ihren großen, geröteten Augen an. "Ich werde - niemals zerquetscht? Hicks. Versprochen?"

"Ja, versprochen, du wirst niemals zerquetscht! Und jetzt hör auf zu weinen, sonst fang ich auch noch an! Und mich bekommt man nicht so leicht wieder aufgemuntert!"

"Okay.", Samantha zog noch einmal die Nase hoch und hickste noch ein Paar mal, während sie zu Abend aßen.
 

Jan ging an diesem Abend früh ins Bett - die Matheaufgabe hatte er fertig und musste noch nicht einmal einen Mitschüler fragen, wie sie zu lösen war - er wollte es nicht riskieren noch einmal im Unterricht einzuschlafen. Jan war zwar schnell eingeschlafen, aber er hatte keinen ruhigen Schlaf, denn immer wieder hatte er diesen komischen Traum und er konnte sich nicht erklären, wer das Mädchen war, dem er helfen sollte.

Mitten in der Nacht erwachte Jan schweißgebadet. Er ging in die Küche und machte sich eine Tasse heißen Kakao. Er erinnerte sich, dass seine Mutter dies früher immer getan hatte, wenn er mitten in der Nacht aufwachte und nicht wieder einschlafen konnte, oder einen Alptraum gehabt hatte. Er trank einen Schluck und dann plötzlich traf ihn ein Gedanke wie ein Blitz. Heute war etwas anders an dem Traum gewesen. Er wusste nur nicht mehr genau was, aber er wusste, dass etwas anders gewesen war. Mit einem Schlag war er sehr beunruhigt und es dauerte eine Weile bis er den Traum von heute Nacht, mit den anderen verglichen hatte. Erst das Ende des Traums entpuppte sich als anders. Sonst war das Mädchen immer stehen geblieben oder verschwunden. Aber diesmal stand sie genau vor Jan. Er erinnerte sich auch an ihr Gesicht. Es war ein freundliches, mitleidiges und zugleich trauriges Gesicht. Es war blass, ihre Haut war blass, sie schien fast weiß zu sein, wie Porzellan, dachte Jan. Sie war mindestens einen Kopf kleiner als er und hatte sehr langes, weißblondes Haar, das ihr weit bis über die Schultern hinunter reichte. Aber ihre Augen waren besonders komisch, dachte er, sie waren graublau und strahlten trotz der tiefen Trauer auch irgendwie Wärme und Geborgenheit aus. Sie trug wieder das leicht transparent weiße Gewand und zu ihren Seiten flatterte es, wie die Flügel eines Vogels. Ihr Anblick erinnerte ihn an einen Engel. Aber warum sollte ein Engel gerade ihn um Hilfe bitten?

Jan hatte mittlerweile seinen Kakao ausgetrunken und war gerade dabei gewesen die Tasse in das Spülbecken zu stellen, als ihm versehentlich der Löffel auf den Fußboden fiel. Er schrak zusammen, denn der Löffel schepperte mit einem lauten Klirren zu Boden. Als er auf den Weg in sein Zimmer war fiel ihm auf, dass Samantha nicht aufgestanden war um zu sehen was passiert war. Sonst stand sie schon bei dem kleinsten Laut in seiner Zimmertür, und die Küche ist näher am Schlafzimmer der Eltern, als sein eigenes Zimmer. Er entschloss sich in das Zimmer von Samantha zu gehen und nachzusehen, ob alles in Ordnung war, obwohl er sich dabei ziemlich blöd vorkam, schließlich war er es ja, der einen Alptraum. Jan schlich sich zur Tür des Zimmers und öffnete sie einen Spalt breit.

Dann ging er näher an das Bett und tippte seine Schwester an. Nichts geschah. Er tippte sie ein zweites Mal an. Wieder nichts. Langsam, aber sicher, wuchs in ihm der Verdacht, dass mit ihr etwas nicht in Ordnung war. Ein Schwindelgefühl breitete sich in Jan aus.
 

Schweißgebadet erwachte Jan, als am nächsten Morgen der Wecker klingelte. Er atmete ein Paar Mal tief durch und beruhigte sich wieder. Alles war nur ein Traum gewesen. Nur ein Traum, sonst nichts. Aber es war alles so... so real, erinnerte sich Jan. Er konnte nicht anders, er musste nachsehen, ob es seiner Schwester gut ging, oder nicht.

Er schlich sich ans Zimmer seiner Schwester. Beim Öffnen machte die Tür ein so lautes, knarrendes Geräusch, dass Jan dachte Samantha würde jeden Moment aufwachen und ihn fragen, warum er nicht in der Küche war, um sich Frühstück zu machen. Er rührte sich nicht, sein Herz pochte wie nie zuvor und in seinen Ohren rauschte das Blut so schnell, dass er es sogar hören konnte. So stand er bestimmt zehn Minuten da und rührte sich nicht einen Zentimeter. Doch Samantha schlief einfach weiter.

Plötzlich zerriss das Klingeln eines Weckers die Stille und Jan erschrak so sehr, dass er einen Schritt zurückgehen wollte, aber über seine eigenen Füße stolperte und dann auf dem Teppich saß. Es war der Wecker von Samantha. Als Jan sich endlich von seinem Schreck beruhigt hatte, bemerkte er, dass der Wecker noch immer klingelte. Wieder spähte Jan ins Schlafzimmer und doch sah er nicht die kleinste Bewegung seiner Schwester. Jan entschloss sich den allmählich immer lauter werdenden Wecker abzustellen und seine Schwester selbst zu wecken. Aber alles rütteln und schütteln half nichts gegen den tiefen Schlaf seiner Schwester. Auch mit ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht kam er nicht weiter. Jan entschloss sich ein ganzes Glas Wasser in Samanthas Gesicht zu schütten. Wenn sie aufwachte, würde sie ihm nicht böse sein, schließlich wollte Jan ihr ja nur helfen. Also ging Jan ins Bad, nahm ein Glas und füllte es halb mit Wasser. Dann ging er zurück und goss seiner Schwester nach und nach das Glas Wasser ins Gesicht, doch Samantha weigerte sich aufzuwachen.

"Hey, Sam!, wach doch bitte auf. Ich kaufe dir auch deine Lieblingsbonbons, ja?", er hatte Tränen in den Augen. Er war verzweifelt. "Aber du musst erst aufwachen hörst du? Bitte ich gebe es dir sogar schriftlich und mit Unterschrift. Aber wach doch endlich auf.", flehte er, langsam wurde Jan lauter und begann sogar zu schreien, "Sam! Jetzt wach endlich auf! Los mach schon! Wach auf. Oder ich werde dir nie wieder einen Gefallen tun. Bitte. SAMANTHA."

Er verstand es einfach nicht. Er hatte ihr sogar versprochen Süßigkeiten für sie zu kaufen, wobei sie sonst auch immer wach, oder wenigstens aufmerksam, wurde, aber auch das half nichts.

Nun gab es nur noch die eine Lösung: der Arzt muss her, dachte Jan. Also beschloss Jan einen Krankenwagen zu rufen. Er ging hinunter in den Flur zum Telefon.

"Hallo? Sie müssen mir helfen. Meine Schwester will nicht aufwachen.", Jan klang am Telefon etwas hysterisch.

"Ja, hast du denn auch schon versucht sie zu wecken? Wachrütteln oder so etwas?"

"Ja. Natürlich.", Jan dachte bei der Antwort der Frau am anderen Ende der Leitung, dass sie ihn für dumm verkaufen wollte. "Ich hab es auch schon mit Wasser versucht. Aber sie wacht nicht auf. Bitte, sie müssen mir unbedingt helfen. Schicken sie einen Arzt, der sie untersuchen kann.", Jan wurde allmählich nervös und dachte schon, sie würde niemanden mehr schicken, als sie plötzlich nichts mehr sagte.

"Aber Junger Mann,", sagte sie in einem ruhigen Ton, "es ist noch früh und du hörst dich nicht besonders wach an. Vielleicht hast du das ja nur geträumt."

"NEIN!", langsam verlor Jan die Geduld, glaubte die Frau etwa er mache nur einen Scherz mit ihr? Es war doch wichtig. Und wenn er jetzt nicht aufwachen würde und seine Mutter anrufen würde, dann würde sofort ein Wagen mit Arzt los geschickt, "Es war kein Traum! Und ich bin auch schon länger wach, ja? Schicken sie jetzt jemanden oder muss ich erst heute Nachmittag anrufen, damit jemand kommt, der mir glaubt? Muss man denn erst dreißig oder vierzig Jahre alt werden, damit man einem glaubt?"

"Nein", sagte die Frau und fügte widerwillig hinzu, "wir werden jemanden schicken. Wie ist deine Adresse, Junge?"

Jan schilderte ihr genau wo er wohnte und fragte zum Abschluss: "Wie lange braucht der Wagen bis hier her?"

"Höchstens zehn Minuten.", dann legte sie auf.

Knapp zehn Minuten später, für Jan waren es die längsten zehn Minuten seines Lebens, hörte er die Sirenen eines Krankenwagens und er rannte durch den Flur zur Haustür. Als Jan gerade die Tür geöffnet hatte, kam ein Krankenwagen um die Ecke in seine Straße gebogen und hielt vor seinem Haus an. Ein alter Mann in einem weißen Anzug und weißem Haar stieg aus und ging auf Jan zu. Der Arzt sah Jan prüfend aus seinen kleinen, grauen Augen hinter der großen, runden Brille an.

"Na junger Mann, wo ist denn die Patientin?", der Mann war Jan gleich sympathisch und er führte ihn geradewegs in das Zimmer seiner Schwester. Der Arzt versuchte sein bestes, er lies Jan sogar einmal vor der Tür stehen und warten. Aber nach fast einer Stunde kam er mit enttäuschter Miene heraus.

Er untersuchte sie und wand sich wieder Jan zu.

"Wie ist es denn dazu gekommen, weißt du etwas davon, junger Mann?", er sah Jan mit einem erwartungsvollem Gesichtsausdruck an.

"Ich weiß es leider nicht. Ich bin heut morgen nur aufgestanden und hab sie dann so vorgefunden."

"Es tut mir ja leid, junger Mann. Aber auch ich kann leider nichts für deine Schwester tun.", sagte der Arzt mit enttäuschter Miene, "Aber ich würde sie gerne mit ins Krankenhaus nehmen, um sie zu Überwachen. Nur mit deinem Einverständnis, versteht sich."

"Natürlich", sagte Jan mit großer Erleichterung in der Stimme, "Wenn Sie ihr damit helfen können, will ich ihnen nicht im Weg stehen. Kann ich sie denn auch besuchen, oder kommt sie auf so eine Station, wo kein Besuch erlaubt ist?"

"Ja, auf so eine Station wird sie wohl untergebracht werden, aber ich werde dafür Sorgen, dass du zu ihr darfst. Du musst mir nur deinen Namen sagen, dann kann ich den Ärzten und Schwestern sagen, dass du meine Erlaubnis hast. Ich bin übrigens Doktor Jakobs.", stellte sich der Arzt bei Jan vor.

"Ich bin Jan Brauer. Hier Ich hab Ihnen auch direkt meine Telefonnummer aufgeschrieben.", gab Jan zurück und gab dem Arzt den Zettel auf den er gerade noch leserlich seine Telefonnummer und Namen gekritzelt hatte. Auch der Arzt gab ihm einen Zettel, eine Visitenkarte um genau zu sein.

Jan musste sich beeilen um nicht zu spät zur Schule zu kommen. Alle seine Klassenkameraden, die in seiner nähe wohnten, fragten ihn nach dem Krankenwagen und wo er hingefahren sei.

"Keine Ahnung.", log Jan. "War da heute ein Krankenwagen? Also ich hab nichts gehört. Hm ... vielleicht hab ich da ja noch geschlafen."

"Das ist aber komisch, der kam erst, als ich aus dem Haus ging und das war schon ganz schön spät.", diese Bemerkung kam von Dennis. Er war auf der ganzen Schule dafür bekannt, dass er immer zu spät zur Schule kam.

"Na du musst es ja wissen, Dennis. Du kommst ja eh immer zu spät.", sagte ein Junge mit kurzen schwarzen Haaren und die Umstehenden lachten.

"Ja, äh, also. Das war so. Mein Wecker hat nicht geklingelt und da hab ich verschlafen.", Jan war es etwas peinlich, seine eigenen Freunde zu belügen, doch was sollte er machen, er hatte einfach keine andere Wahl. Sie würden ihn auslachen, wenn er ihnen sagen würde, dass seine Schwester sich weigert aufzuwachen.

"Ach ja? Komisch, der Krankenwagen ist genau in deine Straße abgebogen und ich bin sogar in der Nähe gewesen. Ich hab gesehen, wie er kurz vor deinem Haus angehalten hat. Du musst aber nen lauten Wecker haben, wenn du noch nicht mal von einer Krankenwagensirene wach wirst.", unterbrach sie Sascha, der gerade dazu gestoßen war.

"Kann ja gar nicht, also da musst du dich geirrt haben. U - und außerdem war ich gestern sehr lange noch wach, weil ich noch lernen musste.", begann Jan nervös. Doch dann fiel ihm etwas auf. "Moment mal. Woher weist du überhaupt wo ich wohne?"

"Nun du kannst mich ja für doof halten, aber da unterschätzt du mich etwas, muss ich sagen."

Doch dann läutete es und sie mussten sie in die Klassen.
 

"Achtung, eine Durchsage: Der Oberstufen Schüler Jan Brauer wird gebeten sich sofort zum Oberstufenleiter zu begeben! Ich wiederhole: Jan Brauer bitte begeben Sie sich sofort zum Oberstufenleiter! Danke. Ende der Durchsage."

Es war in der sechsten Stunde als die Durchsage durch alle Klassen schallte. Jan wurde zum ersten Mal in seinem Leben zum Direktor gerufen und dann hört er die Durchsage nicht einmal. Wie kann er auch, wenn er immer in Gedanken bei seiner Schwester ist.

"Hey! Hey, Jan!", Sebastian hatte ihn wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt. "Du wurdest gerade aufgerufen!"

"Was?", Jan war immer noch nicht ganz da. "Wie aufgerufen?"

"Na vom Direktor!", sagte Sebastian. "Hast du das etwa nicht gehört? Geh jetzt endlich!"

In eine neuen Welt

In eine neue Welt
 

"Herein!"

Jan öffnete die Tür des Büros und trat ein. Der Oberstufenleiter war gerade in irgendwelche Akten vertieft und sah gerade nicht auf. Jan stand noch neben der Tür. Als Jan die Tür schloss, sah der Oberstufenleiter auf.

"Setzten Sie sich, Jan.", mit einer Handbewegung weiß er Jan seinen Platz an.

"Sie brauchen mich doch nicht zu siezen, Herr Scholl. Sie kennen mich doch schon so lange,", begann Jan, denn sie kannten sich wirklich schon sehr lange. Seit der siebten Klasse um genau zu sein. "und das ist mir etwas unangenehm."

"Na schön, wenn es dir unangenehm ist, werde ich deinem Wunsch nachkommen. Besonders, da jetzt schwere Zeiten auf dich zukommen werden.", Herr Scholl war bereits aufgestanden und um seinen Tisch herum zu Jan gegangen. "Nun es wird dich vielleicht schockieren, aber ich habe eine Nachricht von deinen Eltern erhalten. Sie halten sich doch zu Zeit im Ausland auf nicht wahr?"

"Ähm ... j - ja, in Ägypten. Warum? Was ist denn? Warum haben sie mich nicht benachrichtigt?", Jan war langsam etwa beunruhigt. Es kann doch jetzt nicht auch noch etwas mit seinen Eltern passiert sein! Es reichte ihm vollkommen, was mit Sam passiert ist.

"Wo soll ich anfangen? Ich denke ich beginne mit der schlechten Nachricht, da die bessere daraus folgt.", auch Herr Scholl wirkte etwas beunruhigt. Er konnte sein Anliegen eigentlich immer sehr gut in Worte fassen, doch heute schien er irgendwie sehr nervös zu sein. "Nicht deine Eltern selbst haben mich benachrichtigt, verstehst du?"

"Nein, ich verstehe nicht. Was genau wollen Sie mir damit sagen? Wer hat Sie benachrichtigt?"

"Nun es war die Polizei.", antwortete Scholl trocken. "Sie haben -"

"Die Polizei?", Jan musste ihn einfach unterbrechen, auch wenn es falsch war. "Warum denn die Polizei? Was haben sie denn? Ist was passiert?"

"Nun beruhige dich, die Polizei wurde benachrichtigt, weil deine Eltern im Koma liegen. Sie erlitten im Urlaub einen schweren Autounfall.", berichtete Scholl.

"Was? Einen Unfall? Das soll mich beruhigen? Und warum wurde ich nicht zuerst benachrichtigt?", Jan war nun ebenfalls auf den Beinen. Er wollte jetzt, da auch seinen Eltern ein schlimmes Schicksal ereilte, unbedingt zu Samantha. Doch als Scholl ihn zurückhalten wollte, stieß Jan ihn beiseite und ging zur Tür. "Lassen Sie mich bitte, es ist sehr wichtig. Ich muss jetzt gehen."

"Aber wo willst du denn hin? Ich bin noch nicht fertig.", Jan blieb wie angewurzelt stehen. "Du wurdest nicht zuerst benachrichtigt, weil die Polizei in Ägypten zuerst die hiesige benachrichtigte. Und unsere Polizei hielt es für das beste, wenn du es von etwas vertrauteren Personen erfährst. So, bleibst du jetzt hier, oder willst du immer noch weg?", da Jan nicht antwortete und sich nicht zu Scholl herumdrehte, fuhr er fort: "Die gute, na ja, sagen wir mal, die bessere Nachricht ist, dass deine Eltern schon bald zurückgeflogen werden. Vielleicht kommen sie schon morgen an. Wie findest du das? Jan?"

"Sind Sie fertig?", begann Jan ohne sich herumzudrehen. Er konnte seine Tränen doch keinem Lehrer zeigen. Jan hoffte, Scholl bemerkte nicht, dass Jan weint. Aber viel wichtiger war ihm jetzt, dass er so schnell wie möglich zu Samantha kam, denn alles, was Jan jetzt wollte, war nur bei seiner Schwester sein zu können. "Darf ich jetzt bitte gehen? Oder haben Sie noch etwas hinzuzufügen?"

"Nein. Ich meinte ja, ich bin fertig. Du kannst jetzt gehen.", Scholl klang etwas enttäuscht. Vielleicht, weil Jan ihm sonst alles anvertraut. Jan hatte wirklich ein unbeschreiblich gutes Verhältnis zu Scholl, doch diesmal konnte Jan ihm nicht sagen, was in ihm vor sich ging. Jan wusste ja nicht einmal selbst, was dieses Gefühlschaos in ihm zu bedeuten hatte.

Es war bereits Pause und Jan musste sowieso in der Schule bleiben, da bald die Abschlussprüfungen fällig waren. Also hatte Jan beschlossen auch den restlichen Tag in der Schule zu verbringen, was er sich im Nachhinein auch hätte sparen können. Jans Körper war zwar anwesend, doch ohne seinen Geist bringt das auch nicht gerade sehr viel.

Jan war froh, als der Gong nach der letzten Stunde endlich das Ende der Schule ankündigte. Den ganzen Tag lang hatte er auf diesen Moment gewartet, damit er endlich zu Samantha konnte, denn er war sehr besorgt.

Ohne erst nach Hause zu gehen, machte er sich sofort auf den Weg zum Krankenhaus. Er konnte es schon nach ein paar Stunden nicht aushalten, Samantha wiederzusehen. Dabei waren seine Eltern mit ihr schon so oft ohne ihn weggefahren. Übers Wochenende zu Verwandten oder in den Urlaub. Doch diesmal war sie vielleicht krank und Jan wollte nur wissen , was mit ihr los war.

"Mist!", fluchte Jan, als er vor dem Krankenhaus stand und die automatische Schiebetüren aus Glas sich vor ihm öffnete. "Ich weiß doch gar nicht, auf welcher Station sie jetzt ist. Egal ich müsste ja sowieso fragen, da sie auf einer speziellen Station liegt."

"Hallo.", Jan war zur Information gegangen und hatte die Schwester angesp
 

rochen, die hinter der Glasscheibe auf einem Stuhl saß. "Können sie mir sagen, ob heute Morgen ein kleines Mädchen eingeliefert wurde? Das war meine kleine Schwester, Samantha Brauer. Ich würde sie sehr gerne besuchen, wenn es geht."

Die Schwester sah ihn prüfend durch ihre Brille an, "Wie heißen Sie denn, Junger Mann?"

"Jan.", antwortete er ganz durcheinander, er hatte eine andere Frage, wie: Hast du einer Erlaubnis dazu, oder etwas ähnliches, erwartet.

"Ja, natürlich." Die Schwester lächelte ihn freundlich an.

"Du bist Jan Brauer, nicht war? Wir haben dich schon erwartet, der Herr Doktor Jakobs hat uns schon gesagt, dass du vermutlich heute kommst und uns allen Bescheid gesagt. Warte eben ich rufe jemanden, der dich zu ihm bringt."

Sie lehnte sich nach links und hielt sich einen Telefonhörer ans Ohr.

"Hallo, Nicole. Kannst du mal eben vorbei kommen? Hier ist der Besuch, der umgehen zum Doktor gebracht werden muss.", sie machte eine kurze Pause. Anscheinend sprach gerade die andere Schwester. "Was? In zwei Minuten? OK, das geht in Ordnung. Er wird in der Empfangshalle auf dich warten."

Sie legte auf und wandte sich gleich wieder an Jan.

"Also du hast es gehört. Eine Schwester bringt dich gleich zu deiner Schwester. Warte nur noch einen Augenblick hier."

Jan musste nicht lange warten bis eine junge, hübsche Schwester um eine Ecke in den Raum kam, auf ihn zulief und ihn direkt ansprach.

"Bist du Jan Brauer?"

"Eh, Ja. Der bin ich.", entgegnete Jan. Die Schwester lächelte und nickte, wobei ihr dunkles, gelocktes Haar mitwippte.

"Freut mich, ich bin Nicole und bringe dich zu deiner Schwester. Wenn du mir also folgen willst.", sie wies mit ihrer Hand auf eine Tür aus Milchglas, auf der Eintritt Verboten stand, und ging durch diese hindurch.

Jan hatte zwar ein mulmiges Gefühl dabei, doch er folgte der jungen Schwester und gelang in einen langen Korridor, den am Ende eine Linkskurve unterbrach. Aber der Korridor war vollkommen leer. Jan hatte sich zwar erst überwinden müssen, durch die Tür zu gehen, aber selbst, wenn die Schwester gerannt wäre, wäre sie gerade mal höchstens in der Mitte des Ganges gewesen, so lang war dieser. Sie musste also in einem der Räume sein. Jan entschloss sich zu warten, bis sie wiederkam. Während er wartete sah er sich den Gang noch einmal genauer an.

Er war sehr breit und hoch. Die Wände waren halb weiß und halb beige gestrichen. Die Türen waren aus Milchglas, man konnte die verschwommenen Konturen derer, die in diesen Räumen waren, erkennen. Alles war beleuchtet, doch nicht so hell, wie in den anderen Teilen des Gebäudes. Nur ganz am Ende des Korridors war ein Fenster, auch aus den Zimmern kam nur wenig brennendes Licht. Es waren bestimmt dreißig Zimmer auf dem Gang, doch bloß aus vier oder fünf schien Licht auf den Gang. Jan entschied sich weiter in die Mitte des Korridors zu gehen. Er sah immer wieder auf die Uhr, zählte die Sekunden und Minuten.

Als er sich dort fast vierzehn Minuten die Beine in den Bauch gestanden hatte, hörte er, wie sich hinter ihm eine Tür öffnete. Er drehte sich um und sah, wie die Schwester mit den dunklen Locken leise aus einem Zimmer schlich und die Tür so vorsichtig schloss, als wäre sie sehr zerbrechlich. Als Jan den Mund zum sprechen öffnete, hob sie die rechte Hand und presste den Zeigefinger auf ihre Lippen. Sofort schloss Jan den Mund wieder. Mit einer Handbewegung wies sie ihn an ihr zu folgen. Sie gingen um die Ecke, in einen weiteren Korridor. Dann mussten sie eine Treppe hinaufsteigen. Als sie einen weiteren Gang entlang gingen und Jan sich allmählich zu fragen begann, ob sie überhaupt noch ankommen, blieb die Schwester so abrupt vor einem Zimmer stehen, dass Jan gegen sie lief und zurückstolperte. Sie wandte sich um und lächelte ihn liebevoll an. Jan wurde rot und drehte sich schnell um. Kichernd öffnete die Schwester die Tür ganz leise.

"Warte kurz. Es dauert nicht lange.", nach wenigen Minuten kam sie wieder aus dem Zimmer.

"Du darfst jetzt hinein. Der Doktor erwartet dich.", sagte sie und zwinkerte ihm zu.

"Der Doktor ist auch da? Ist sie denn jetzt endlich aufgewacht?", Jan war so verwirrt, dass er nicht mehr wusste, was er überhaupt sagen wollte. Um nicht noch einmal rot zu werden, ging er schnell ins Zimmer.

Es war dunkel, die Jalousien waren heruntergelassen, so dass nur einige Streifen Sonnenlicht hinein strömten. Es waren drei Betten in dem Zimmer, auf dem letzten lag Samantha, die anderen waren leer. Über dem letzten Bett war ein Mann gebeugt. Als Jan die Tür ins Schloss fallen lies, richtete der Mann sich auf und drehte sich herum. Er lächelte Jan an, doch Jan sah in seinen Augen traurige Ratlosigkeit und tiefe Verzweiflung. Dennoch lächelte er zurück.

"Es tut mir leid junger Mann, aber ich konnte noch nicht feststellen, was deine Schwester davon abhält aufzuwachen,", der Arzt schien schier verzweifelt.

"Geht-", Jan wollte gerade zum sprechen anheben, doch durch eine Handbewegung der Doktors wurde er sogleich wieder unterbrochen.

"Nein, leider verschlechtert sich auch ihr Zustand mit jeder Minute.", es kostete den Doktor sehr viel Mühe diese Situation so simpel und einfach, wie möglich zu erklären.

Der Doktor redete weiter, doch Jan hörte ihm nicht mehr zu. Er ging zum Bett von Samantha, am Abend zuvor hatte er ihr gesagt, dass sie von Gott in einen Käfer verwandelt und von jemandem zerquetscht wird. Er wollte zurücknehmen was er gesagt hat. Auch wenn er sich schon dafür entschuldigt hat. Es tat ihm wirklich weh zu sehen, wie sich ihr Zustand zunehmend verschlechterte. Jan fühlte sich mies und auf einmal wurde ihm aus irgendeinem Grund schlecht. Er wollte sich entschuldigen, doch Samantha konnte ihm doch gar nicht antworten, sie lag nur da und schlief, dieser Anblick war für Jan das schlimmste, was er jemals erlebt hatte. Und wenn er sie jetzt da so liegen sah, hilflos dem Tod ausgeliefert, schlafend, wollte er einfach nur schreien. Erst jetzt wurde ihm wirklich klar, wie sehr er sie brauchte und wie sehr er sie liebte.

"Es tut mir leid, aber irgendwann geht für jeden Besucher die Zeit vorüber.", zerriss die Stimme von Doktor Jakobs Jans grübeln.

"Oh, ja natürlich.", Jan lies Samanthas Hand, die er über die ganze Zeit die er an ihrem Bett hockte gehalten und gedrückt hatte, auf das Laken zurück sinken. Gleichzeitig spürte er einen sanften Händedruck auf seiner Schulter. Jan drehte den Kopf und sah in des Doktors graue, nachdenkliche Augen. Er begleitete Jan noch bis zur Eingangspforte der Krankenhauses.

"Dann bis Morgen, Jan. Tschüss."

"Ja. Sagen Sie mal, könnten Sie mir einen Gefallen tun?", Jan wirkte etwas verlegen.

"Natürlich mein Junge, um was geht es denn?"

"Ich würde gerne am Wochenende über Nacht bleiben, meinen Sie, das geht in Ordnung?"

"Jan, bestimmt. Ich muss allerdings erst ganz "Oben" fragen. Ich sage dir dann Morgen bescheid, ja?"

"Oh ja, danke. Vielen Dank.", Jan ging auf direktem Weg nach Hause. Weil er den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte, knurrte Jans Magen ohne Ende. Am liebsten hätte er jetzt irgendetwas zusammen mit Samantha gekocht, dann zusammen gegessen und festgestellt, dass es schrecklich schmeckte. Doch nun musste er sich ganz allein etwas machen. Darum kochte er sich bloss ein Paar Nudeln mit Soße, na ja eigentlich waren es Nudeln mit Ketchup. Zum essen setzte er sich ins Wohnzimmer und sah dabei Fern. Nach einigen spannenden Filmen, die ihn von seinen Eltern und Samantha ablenken sollten, schlief er dann endlich ein.

Endlich kam das Wochenende. In der Schule hatte Jan nicht besonders gut mitgearbeitet und sogar die Lehrer haben sich Sorgen um ihn gemacht. Jan hatte keinem von der mysteriösen Krankheit seiner Schwester erzählt. Und jeden Tag nach der Schule ging er sofort ins Krankenhaus zu Samantha. Auch seine Eltern wurden mittlerweile in dieses Krankenhaus verlegt. Man lud wegen Samantha sogar schon viele Weltweite Spezialisten ein, doch keiner konnte das Geheimnis um ihre Krankheit lösen. Ihre Symptome konnten keiner bekannten Krankheit zugeordnet werden. Sie schlief die ganze Zeit. Auf ihrer Haut bildeten sich seltsame rote Flecken, die sich niemand erklären konnte und ihre Lippen liefen immer blau an, sobald die Zimmertemperatur unter fünfundzwanzig Grad fiel.

Jan hatte seine Tasche gepackt, denn Doktor Jakobs hatte wie versprochen ein Zimmer für ihn besorgt. Jan war gerade dabei das Haus zu inspizieren, ob noch irgendwo ein Fenster offen stand, oder Licht brannte, als plötzlich das Telefon klingelte. Jan rannte, oder viel mehr stolperte und sprang, die Treppe hinunter, in den Flur und nahm den Hörer ab. Bevor Jan etwas sagen konnte, ertönte am anderen Ende eine sehr hektische und schnell sprechende Stimme.

"Jan? Hör mir gut zu: es ist etwas schreckliches passiert. Der Zustand deiner Schwester hat sich dramatisch verschlechtert. Sie muss auf die Intensivstation. Der Herr Doktor ist bereits bei ihr, er hat gesagt ich soll dich benachrichtigen. Du musst so schnell wie möglich herkommen. Es geht ihr wirklich sehr schlecht. Bis gleich und beeil dich bitte.", es war Nicole, die Krankenschwester, aber noch bevor Jan etwas sagen konnte, hatte sie schon wieder aufgelegt. Jan sah sich so schnell er konnte im Haus um und machte sich auf den Weg zum Krankenhaus.

Jan rannte, was das Zeug hielt. Selbst bei roten Ampeln hüpfte er von einem aufs andere Bein. Sobald eine Lücke zwischen den Autos groß genug war, dass er ohne angefahren zu werden auf die andere Straßenseite rennen konnte spurtete er los.

Er war nach zwanzig Minuten dort angekommen. Das war Rekordzeit, denn ein Krankenwagen braucht normalerweise um die zehn Minuten und Jan hat sogar einen schweren Rucksack auf dem Rücken gehabt. Er stürmte durch Gänge und Hallen, er war schon so oft diesen Weg gegangen und kannte ihn schon auswendig. Jan nahm nichts um sich herum wahr, er konzentrierte sich einzig und allein auf den Weg zu Samantha. Nicht einmal den Gruß von Nicole. Nur noch die eine Kurve, dachte er sich. Bloß noch um eine Ecke und ich bin da. Endlich kam er vor der Tür des Zimmers, indem seine Eltern und Samantha lagen. Er war so schnell, dass er sogar etwas weiter schlitterte und auf dem glatten Boden beinahe ausgerutscht wäre. Völlig außer Atem riss er die Tür auf.

Nichts. Nicht die kleinste Spur seiner Schwester. Nur Jans Eltern waren in diesem Raum, auch Doktor Jakobs stand nicht wie sonst am Fenster und erwartete ihn mit einem Lächeln. Erschrocken sah sich Jan im Zimmer um. Eine Nachricht, einen Zettel oder ähnliches suchend, doch so sehr er auch suchte, er fand nichts. Plötzlich flog die Tür hinter ihm auf. Es war die Schwester mit der Brille.

"Hey, sag mal hörst du mich denn gar nicht? Auf den Fluren im Krankenhaus ist es nicht gestattet zu rennen. Außerdem soll ich dir von Doktor Jakobs noch ausrichten, dass er dich auf der Intensivstation erwartet.", Jan hatte mehrmals versucht, sie zu unterbrechen, aber er sie hob immer wieder die Hand und er verstummte. Als sie geendet hatte, wollte er nur noch eins wissen: "Wo ist denn diese blöde Intensivstation? Kannst du mich dahin bringen, Nicole?"

"Komm mit, ich bringe dich hin. Allerdings darfst du nicht wieder durch die Flure rennen.", letzteres hatte sie streng und in einem befehlartigen Ton gesagt, aber dann zwinkerte sie ihm zu, "Sonst bekomme ich nämlich Ärger von der Oberschwester."

Jan folgte Nicole aus dem Zimmer, jedoch nicht ohne noch einen traurigen Blick auf seine Eltern zu werfen. Sie gingen den Weg zurück zur Milchglastür und hinauf in den vierten Stock, dann waren sie plötzlich vor einer noch größeren Glastür mit einem Schild, auf dem Intensivstation stand. Jan hatte sich den Weg nicht merken können, wenn man ihn gefragt hätte, wie er hierher gekommen war, hätte er lügen müssen, um eine Antwort zu geben. Seine Gedanken lagen einzig und allein bei Samanthas momentanen Zustand. Sie gingen hindurch und blieben vor einer weiteren Tür, auf der eine große, rote zwei geschrieben war, stehen, die Schwester wies Jan an zu warten und ging zurück durch die Tür. Jan sah sich flüchtig um und setzte sich auf einen Stuhl, der gegenüber der Tür an der Wand stand. Er war nervös, es war ein schreckliches Gefühl, er saß da und konnte nichts tun, um seiner Schwester zu helfen. Noch nie in seinem Leben fühlte er sich so hilflos, wie jetzt. Er saß da, um in herum war es so still, wie nie. Auf dem Gang war keine einzige Person. Dies war bis jetzt die schlimmste Woche seines ganzen Lebens. Jan fühlte sich nicht wohl auf diesem Gang, in den anderen Gängen des Krankenhauses waren überall an den Wänden Bilder, doch in diesem waren die Wände bloß ausdruckslos weiß, bis auf die großen, roten Zahlen an den Türen. Es war ein grausamer Ort. Jan wollte nicht länger bleiben, aber er entschied sich, seiner Schwester zu liebe, zu warten, vielleicht konnte er sich auf diese Weise bei ihr bedanken. Aus den Sekunden, die er wartete, wurden Minuten und aus den Minuten wurde eine Stunde. Diese zog sich und bald wartete er vier Stunden in diesem Gang, ohne, dass jemand herauskam um ihm zu sagen, dass es seiner Schwester besser ging. Jan hatte sich nie vorstellen können, wie schwer es die Leute hatten, die um ihre Angehörigen bangen mussten, ehe ihnen ein Arzt sagte, wie es um sie steht. Jetzt war ihm dieses Gefühl allzu bekannt und er wünschte es wirklich keinem. Es war schlimmer als sich bloßstellen zu lassen, schlimmer, als das schlimmste, was man sich vorstellen kann. Jan empfand sogar schlimmer als zu sterben. Ganz im Gegenteil, der Tod wäre die Erlösung dieser Qual, man würde an nichts mehr denken, alles vergessen, die Qualen, die Peinigungen, einfach sterben und alles vergessen. Er war dabei innerlich zu sterben. Im Moment fühlte er nichts als endlose Leere. Die Leere war dabei ihn von Innen aufzufressen. Nicht einmal Angst fühlte er.

"Der Zustand deiner Schwester stabilisiert sich langsam wieder, aber sie ist noch lange nicht außer Gefahr.", Jan war so in Gedanken vertieft, dass er nicht hörte, dass die Tür aufgegangen und der Doktor herausgekommen war. Jan hatte sich so sehr erschrocken, als er ihn ansprach, dass er vom Stuhl gefallen wäre, wenn der Doktor ihn nicht rechtzeitig festgehalten hätte.

"Oh, Entschuldigung ... ich habe ... ich wollte."

"Ja, ja, ist schon gut. Du warst in Gedanken, nicht war? Die meisten Leute, die hier warten sind in ihre Gedanken vertieft.", Doktor Jakobs lächelte ihn an.

"Wo ist denn meine Schwester? Ist sie noch da drin? Ich möchte sie gerne sehen.", Jan hatte sich mittlerweile wieder gefangen, "Können Sie mich zu ihr bringen?"

"Ja, natürlich. Komm nur mit. Es ist nicht sehr weit weg.", Doktor Jakobs ging voraus und Jan folgte ihm. Anders, als er vor ein paar Stunden mit Nicole in diesen Gang gegangen war, freute er sich diesmal auf dem Weg zu Samantha, denn er wusste, dass es ihr besser ging. Wenn auch nur geringfügig. Sie gingen zurück durch die Glastür und bogen links in einen Gang. Es war wirklich nicht besonders weit, denn schon in diesem Gang war Samanthas Zimmer.

"So hier ist es.", der Doktor blieb vor dem viertem Zimmer in diesem Gang stehen. "Du darfst allerdings noch nicht zu ihr. Es tut mir leid. Aber wir sind sicher, dass sie ihre Umgebung mitbekommt. Darum kann es zu riskant sein, wenn wir dich schon jetzt zu ihr lassen."

"Aber warum haben sich mich dann hierher gebracht? Wenn ich gar nicht zu meiner Schwester darf", Jan war außer sich. Erst sollte er so schnell wie möglich her kommen, dann sollte er unendlich lange warten und jetzt durfte er noch immer nicht zu seiner Schwester.

"Aus dem Grund, dass du es weißt, wann du deine Schwester besuchen kannst.", Jakobs klang jedoch nicht so recht einleuchtend, doch Jan verstand es. "Aber du darfst hier bleiben. Wir benachrichtigen dich dann sofort, wenn sich etwas bei deiner Schwester verändert, ja? Aber jetzt zeige ich dir erst einmal dein Zimmer."

In der Nacht wurde Samantha wieder verlegt, Jan durfte zwar nicht zu ihr, aber sie wurde in ein Zimmer gebracht, an dem an einer Seite der Wand eine Scheibe angebracht war und Jan seine Schwester durch diese Scheibe sehen konnte, ohne zu ihr ins Zimmer gehen zu müssen. Er stand über zwei Stunden vor der Scheibe, in dieser Nacht.

Samantha lag da, hilflos, in einem riesigen, weißen Krankenbett. Die vielen Kabel und Schläuche, die von verschiedenen Flaschen und Geräten zu ihrem Körper führten, waren ein einziges Durcheinander. Sie führten zu ihren Armen, die auf der großen weißen Decke lagen. Zu ihrem Mund und ihrer Nase. Jan sah durch die Scheibe ihr kleines blasses Gesicht an, er verstand es nicht. Warum seine Schwester? Warum das kleine, neun Jahre junge Mädchen? Konnte nicht er mit ihr den Platz tauschen? Sie war noch viel zu klein und zu jung, um dort gefangen zu sein - in ihrem Traum, ihrem Schlaf - und nicht fähig aufwachen zu können. Aber es ging nicht, er konnte nicht mit ihr tauschen, sosehr er es sich auch wünschte.

"Ich kann dir nicht helfen Sam... es tut mir leid. Es tut mir ja so unendlich leid.", flüsterte Jan verzweifelt zur Glasscheibe, die ihn und seine Schwester trennte. Jan versank gerade zu in seinen Selbstanschuldigungen, bis ihn die süsse Stimme eines Mädchens in die Wirklichkeit zurückholte.

"Du kannst ihr helfen, wenn du nur willst."

Jan erschrak. Er kannte diese Stimme nur allzu gut. Er drehte sich vor erstaunen um. Hinter ihm stand jemand. Es war das Mädchen aus seinen Träumen und diesmal schlief er nicht, da war er sich wenigstens halbwegs sicher.

"Du, du bist doch das Mädchen ... da - das Mädchen aus meinem Traum.", stotterte Jan.

"Ja, Jan. Ich bin das Mädchen aus deinem Traum und ich bin gekommen, um dich um Hilfe zu bitten, denn jetzt bist du der einzige, der uns noch retten kann.", das Mädchen sah ihn lächelnd und voller Zuversicht an, doch Jan hatte im Moment andere Sorgen.

"Aber das kann ich nicht, ich kann meine Familie doch nicht einfach so verlassen um dir dafür zu helfen. Ich muss ihnen zuerst helfen. Denn meine Familie steht bei mir an aller erster Stelle, vor allem anderen. Verstanden?"

"Ja ich verstehe dich, aber auch ihre Bedrohung hängt mit der Bedrohung unserer Welt zusammen.", der Geschichtsausdruck des Mädchens hatte sich schlagartig in ein sehr besorgtes und verängstigtes Gesicht verwandelt. "Darum bitte ich dich, höre mein Flehen und meine Bitte aufmerksam an, denn du musst den Schattenmagier bezwingen. Er allein besitzt ein Serum gegen diese unheilbare, tödliche Krankheit deiner Schwester. Doch dies bekommt man ausschließlich in seinem Reich. Er ist eine große Bedrohung und nicht nur für unsere Welt. Darum musst du-"

"Nein, ich will und kann auch gar nicht. Außerdem was denn für eine Welt? Was bist du überhaupt? Ne Außerirdische oder was?", Jan war vollkommen durcheinander.

"Sieh doch,", sie drehte sich einmal im Kreis und sah ihm dann hoffnungsvoll in die Augen, "du müsstest es eigentlich wissen, was ich bin. Denn du bist der einzige Mensch, der kein Kind mehr ist, aber trotzdem an Wesen wie mich glaubt."

"Dann, dann bist du ein Engel? Aber Engel haben doch Flügel, oder?", Jan war dabei sich für verrückt zu erklären, vielleicht schlief er ja doch und all das ist gar nicht wahr, er liegt noch im Bett und weder seinen Eltern noch seiner Schwester ist etwas geschehen.

"Nein, ein Engel bin ich wahrlich nicht,", sie kicherte etwas leise und sah ihn dann wieder ernst an, "Los doch, rate weiter. Du weißt es!"

"Du bist also kein Engel ... ", Jan fasste sich an den Kopf, dann ans Kinn und musterte das Mädchen von oben bis unten. "Du bist doch auch kein normales Mädchen, oder? Und nur ich glaube an dich? ", sie nickte.

"Das versteh ich nicht. Sag mir doch einfach wer und was du bist."

"Na schön. Wie du ja schon erwähntest, bin ich kein normales Mädchen. Allerdings auch kein Engel, das hatte ich dir ja bereits gesagt. Ich bin eine Göttin, die dazu geboren wurde die Wächterin eines sehr wichtigen Erbstücks der alten Zivilisation unserer Welt zu sein. Ich bin eine Elfe und gleichzeitig eine Art Gottheit für die Menschen in unserer Welt. Ich habe vor sehr kurzer Zeit Kontakt zu einem Elbenmädchen aufgenommen und sie gebeten mit dem Schattenmagier zu verhandeln. Sonero ist ihr Name, sie hat einen starken Geist und sie hat sich auch physisch als eine der stärksten ihres Volkes erwiesen, sie kann es leicht mit zehn Schattenkriegern aufnehmen, doch es müssen Hunderte gewesen sein. Denn sie wurde wahrscheinlich von ihnen gefangen genommen, da ich nicht mehr in der Lage bin, mit ihr zu kommunizieren.", fügte sie erklärend hinzu, als Jan sie mit einem ahnungslosen Blick ansah. "Mein Name ist Amina."

"Wie ich heiße, weist du ja sowieso und ich bin ein Mensch. Aber wo kommst du überhaupt her?", Jan sah sie verwundert an.

"Höre mir jetzt bitte gut zu, ich werde dir alles genau erklären. Dann wirst du verstehen, warum deine Hilfe so unersetzbar für uns sein wird.

Ich stamme aus der Welt der Magie und Zauberei und du musst uns helfen, den Schattenmagier zu besiegen.

Schon seit der Entstehung unserer Welt, existiert der Schattenmagier. Der Schattenmagier ist sehr mächtig und noch nicht einmal unsere stärksten Zauberer könnten ihn bezwingen.

Viele Jahre waren unsere großen Weisen weitaus mächtiger als er. Jeden seiner Versuche unsere Welt zu beherrschen und deren Bewohner zu unterwerfen, konnten wir glücklicher Weise zunichte machen. Nun bis jetzt jedenfalls, denn mit jeder Schlacht wurde er stärker und stärker, und er erschuf sich langsam in seiner Verbannung eine große Armee. Wir konnten ihn nicht mehr gleich in jeder ersten Schlacht bezwingen, manchmal brauchten wir schon zwei oder drei, bis er sich endlich zurückzog. Doch mit der Zeit breitete sich auch sein Reich immer weiter aus und wir verloren immer mehr Ländereien und deren Bewohner, er macht sie zu Sklaven, die willenlos bereit sind für ihn in die Schlacht zu ziehen. Mit anderen Worten, er unterzog sie einer Art Gehirnwäsche.

Unsere Welt Guildor ist nicht nur die Welt des Zaubers und der Magie ist, sondern auch die Traumwelt der Menschen, deshalb haben wir ein Gesetz erlassen, das besagt, dass es jedem Wesen, sei es Mensch, Tier oder ein magisches Wesen, verboten ist andere Geschöpfe aus Lust am morden zu töten oder Krieg zu führen. Egal durch welche Umstände dieser entstanden sein mag. Doch der Schattenmagier hielt sich nicht an dieses Gesetzt, er schickte seine Untergebenen los, damit sie unsere Welt angriffen und zerstörten. Dabei machten sie weder halt vor Greisen, noch vor Kindern oder Tieren. Sie zerstörten Dörfer und überfielen Höfe. Zu dieser Zeit wurde das Gesetz außer Kraft gesetzt und das Kämpfen und Krieg führen wurde sogar gelehrt. Somit begann eine neue Zeit.

Seit Anbeginn der neuen Zeit führen wir Kriege, doch seit wenigen Jahrtausenden wurde es immer schwerer die Armeen des Schattenmagiers zu bezwingen. Bald gewann der Schattenmagier jedoch einige der Schlachten. Auch wenn wir mehr Krieger zu Verfügung hatten, wenn wir uns mit allen Stämmen unserer Welt vereint hätten, seine Truppen schienen unaufhörlich. Immer wieder kamen neue Monster und Menschen, die von ihm benutzt wurden. Zu dieser Zeit begann der große Krieg, der nun schon seit über vierzig menschlichen Generationen andauert.

Es existiert eine uralte Legende, in der von dir die Rede ist. Wortwörtlich heißt es in der Legende: "Und kommen wird er, zu befreien das Land, welchem großes Leid und tiefe Trauer widerfuhr. Stark und mit höchster Willenskraft den Feind zu vernichten wird er kommen aus einer weit entfernten Welt, da er selbst auf der Suche ist nach Heilung."

Dieser Held bist du, denn du kommst aus einer anderen Welt und bist auf der Suche nach Heilung für deine Schwester. Es passt alles einfach so gut zusammen und die Völker Guildars glauben fest an diese Legende. Sie alle vertrauen, dass du kommst und sie rettest.

Hast du nun endlich verstanden? Wir brauchen dich wirklich sehr und noch dazu kannst du nur so deine Schwester retten. Sie wird immer schwächer, auch wenn der Arzt dir gesagt hat, dass ihr Zustand sich leicht verbessert, retten kannst du sie nur, wenn du das Heilmittel vom Schattenmagier holst. Bitte lasse dir nicht allzu viel Zeit mit deiner Entscheidung.", fügte sie noch hinzu, als sie endlich geendet hatte, doch Jans Antwort stand bereits fest.

"Ja", sagte er, "ich werde mit dir kommen. Ich will doch nich dafür verantwortlich sein, dass kein Mensch auf dieser Welt jemals wieder träumen kann, oder eine ganze Welt nur meinetwegen ausgelöscht wird. Schließlich will ich ja auch meine Schwester retten. Ach ja, wie soll ich denn überhaupt an das Heilmittel für meine Schwester heran kommen, wenn es doch bei diesem Schattenmagier ist?"

"Nun. Wenn wir ihn besiegt haben, dann werden wir sein Schloss absuchen und du kannst dann mit dem Heilmittel in deine Welt zurückkehren."

"Das ist schön. Dann macht Sam endlich wider ihre Augen auf ... Aber eine Frage hätte ich da doch noch. Es ist mir etwas peinlich, aber wie komme ich denn überhaupt in deine Welt?"

"Ach, das ist eigentlich ganz einfach.", Amina streckte ihm ihre kleine, weiße Hand entgegen. Jan aber zögerte. "Los, nimm meine Hand, nur so kannst du in meine Welt gelangen."

"Was soll ich denn machen, wenn ich in Guildor bin? Ich kenn mich dort doch gar nicht aus.", Jan zögerte zurecht, schließlich sollte er in den Krieg gehen und dann auch noch in einer Welt umherirren, die er noch nicht einmal kannte.

"Nun du musst als allererstes Sonero finden. Das ist erst einmal das wichtigste, denn sie ist ein wichtiger Teil unseres Plans. Sie kann ausgezeichnet kämpfen und sie ist eine gute Strategin.", Amina streckte Jan immer noch ihre Hand entgegen. "Ohne sie können wir nicht kämpfen. Wenn du sie gefunden hast, dann musst du mit ihr zusammen zur Hauptstadt gehen. Sie weiß schon, wie ihr dahin kommt. Also los, nun nimm schon endlich meine Hand."

"Einen Moment noch, ich muss nur schnell meine Sachen holen.", Jan rannte zu seinem Zimmer. Zum Glück war es nur einen Flur weiter. Er steckte schnell ein Foto von Samantha und seinen Eltern ein, dass er sich extra hat mitgenommen, zog sich eben an und rannte zurück zu Amina, die noch immer ihre Hand ausgestreckt hatte.

Jan nahm ihre Hand und drückte sie fest zusammen. Amina schloss ihre Augen und Jan fühlte sich plötzlich ganz leicht, als wenn er schweben würde. Auch er schloss seine Augen.

Ein langer Weg

Als Jan erwachte, fand er sich auf dem Boden in einer für sich fremden Umgebung wieder. Er erinnerte sich an das Gespräch mit der Wächterin. Amina.

"Es ist so dunkel hier, ich dachte sie hätte gesagt, ihre Welt wäre die der Träume und der Magie.", Jan war vollkommen verwirrt, doch plötzlich kam ihm ein fürchterlicher Gedanke. "Aber ich weiß ja gar nicht, wie viel Zeit vergangen ist, seit dem sie ihre Welt verlassen hat. Was ist, wenn dieser, dieser Schattenmagier diese Welt schon vernichtet und eingenommen hat."

Vorsichtig richtete er sich auf und sah sich um. Er war in einem Wald, wenn man das Gebiet Wald nennen konnte, dachte sich Jan. Überall waren vertrocknete und abgestorbene Bäume. Jan stand auf und ging einfach los, in der Hoffnung irgendwo jemanden zu treffen, der ihm weiterhelfen und alles erklären konnte.

Nachdem er fast den ganzen Tag marschiert war und hier und da vor ein paar sehr verdächtigen Wesen, die manchmal lange Klauen an den Händen und Füßen hatten oder von oben bis unten mit kleinen giftig aussehenden Stacheln bedeckt waren, fliehen musste, war die Nacht schon hereingebrochen. Als auch seine Hoffnung auf Leben in irgendeiner menschlichen oder wenigstens freundlichen Art, allmählich immer mehr nachgelassen hatte, sah er in weiter Ferne auf einem Hügel ein großes Haus.

"Ich hoffe, da hinten leben Menschen, oder andere Lebewesen, die nett sind, sprechen und mir diese Situation erklären können.", voller Hoffnung ging er auf das Haus zu. Mit jedem Schritt, dem er sich dem Haus näherte sah er, wie verfallen es war. Doch seine Hoffnung blieb bestehen. Es dauerte noch einige Minuten, bis er das Haus erreicht hatte. Mit jedem seiner Schritte wurde es immer dunkler und kälter um ihn herum. Bald war es so dunkel, dass er nicht einmal die eigene Hand vor Augen gesehen hätte, geschweige denn ein Haus. Doch er hatte Glück, einer der hellen, silbernen Lichtstrahlen des Mondes viel auf das dunkle Haus auf der Lichtung. Jan bibberte vor Kälte, als er endlich die Tür des kleinen Hauses erreicht hatte. Er trug ja nur seine Jeans und ein T-Shirt. Es brannte kein Licht, doch Jan gab die Hoffnung nicht auf.

Er klopfte.

Nichts.

Er klopfte noch einmal.

Wieder nichts.

"Hallo!", Jan rief so laut er konnte, "Ist hier jemand? Wohnt hier irgendjemand?"

Nachdem Jan mehrmals versucht hatte jemanden, der geschlafen hätte zu wecken, verlor er langsam den Mut und die Hoffnung auf ein Lebenszeichen. "Bitte, lass hier jemanden wohnen.", flehte Jan zum Himmel. "Bitte." Er war der Verzweiflung nahe und schon heiser vom Schreien und rufen, konnte er nur noch leise rufen. Er hatte sich auf die Knie fallen lassen und saß auf der kalten Steintreppe, die hoch zur Tür des Hauses führte. "Es kann doch nicht sein, dass hier niemand in der Nähe wohnt."

Und dann geschah das, was Jan schon fast für unmöglich gehalten hatte. Knarrend öffnete sich die Tür hinter ihm und ein großer, dunkler Schatten in einer schwarzen, glänzenden Rüstung, die mit einem komischen Zeichen versehen war, stand im Türrahmen.

"Was machst du hier Junge? Diese Gegend ist viel zu gefährlich für dich. Aber tritt doch erst einmal herein.", die Stimme des Mannes klang tief und böse.

Jan konnte seine Augen nicht erkennen, da diese hinter dem Visier des Helms waren und es auch viel zu dunkel war, um irgend etwas als umrisse zu sehen.

Als sich die Tür geöffnet hatte, fühlte sich Jan gerettet, doch jetzt als er diesen Riesen von einem Mann gesehen hatte, hatte er Angst. Vielleicht hat er diese Rüstung ja nur zur Verteidigung gegen die Bösen und war in Wirklichkeit ganz nett, ich weiß ja nicht, was hier passiert ist, als Amina in unserer Welt war, dachte Jan mehr um sich zu beruhigen, als daran zu glauben, denn als er an die Stimme des Mannes dachte lief ihm ein eisiger Schauer über den Rücken. Er hoffte nicht allzu lange bei ihm bleiben zu müssen. Der Krieger war nicht besonders gesprächig, wie Jan sehr schnell feststellte. Denn immer, wenn Jan mit einem Gespräch anfangen wollte, hatte er ihm gesagt er solle still sein.

"Du sprichst zu viel, Junge. Unsere Zeit erlaubt es nicht, sie mit vielem Reden zu vergeuden. Sie ist zu kostbar.", der Mann hatte sich in einen Sessel gesetzt und sprach seit zwei Stunden das erste Mal mit Jan. "Du musst jetzt schlafen. Wir haben Morgen einen langen Weg vor uns."

"Ja, klar, aber - Was? Wo gehen wir denn hin?"

"Nun du willst doch unserem Herren helfen, unsere Welt zu retten.", entgegnete der Alte.

"J - Ja, aber ... woher?", Jan war vollkommen von der Rolle. Er verstand nun überhaupt nichts mehr. Aber da sprach der Mann schon weiter.

"Unser Volk wartet schon lange auf dich, seit dem jemand gesandt worden ist, um dich zu holen. Aber nun musst du ruhen, damit ich dich Morgen zu unserem Herren bringen kann."

"Ja, ist gut." Jan drehte sich herum. Als ihm mit einem Schlag etwas klar wurde, blieb er ruckartig stehen. "Wo soll ich denn schlafen?"

Er stieg aus seinem Sessel, ging mit Jan eine Treppe hinauf und öffnete die erste Tür auf der linken Seite. "Hier ist dein Zimmer. Ach übrigens, mein Name ist Zasch.", stellte er sich nebenbei vor.

Jan ging hinein und hinter ihm schloss sich die Tür. Ihm gefiel sein neues Zimmer. Denn es wurde von der Flamme einer kleinen Kerze erleuchtet, die eine müde und ruhige Atmosphäre verbreitete. Ein großes, einladendes Bett, neben dem ein kleiner Nachttisch aufgestellt war, stand an der rechten Wand. An der Wand gegenüber war ein kleines Fenster, in das die kalte Schwärze der Nacht herein schwebte. Sogar ein kleines Waschbecken mit einem Spiegel war an der linken Wand und direkt daneben stand ein Schrank in dem großen Zimmer. Jan war schon immer sehr neugierig gewesen und heute kam seine Neugier seit langem mal wieder zum Vorschein. Er konnte nicht anders, er musste in den Schrank sehen. Auch wenn er wusste, dass es sich nicht gehörte, in Schränke oder Zimmer von anderen Leuten zu sehen, ohne, dass es erlaubt war. Er bekam ein schlechtes Gewissen und redete sich ein, Zasch hatte ihm dieses Zimmer gegeben und gewusst, er würde neugierig sein und sich alles ansehen wollen. Also ging auf den Schrank zu. Als er vor ihm stand, musterte er den Schrank zuerst ganz genau. Der Schrank war so hoch, dass er die Decke des Zimmers berührte. Er war aus dunkelbraunem Holz geschnitzt und seine Griffe waren Rund und waren aus Gold. Eine Schranktür war zweimal so breit wie er selbst und es war etwas seltsames eingeschnitzt. Ein Zeichen oder Symbol, dachte Jan. Es war ein Schlangenkopf, einer Kobra und im Hintergrund ein Stab, mit einem großen Stein am oberen Ende, irgendwo hatte er den schon mal gesehen. Der bloße Anblick des Symbols lies Jan schaudern und er konnte den Schrank nicht mehr öffnen. Aber nachdem er sich seinen Spruch wieder eingeredet hatte, hob er die Hände, griff nach den runden Knöpfen an den Schranktüren und atmete einmal tief ein. Dann riss er mit einem Ruck die Türen auf.

"Was zum -", er bekam einen solchen Schreck, dass er einen Schritt nach hinten stolperte. Er prallte so hart auf dem Boden auf, dass sogar sein Kopf mit aufprallte.

"Au!", sagte er, während er sich mit einem Schmerz verzerrtem Gesicht an seinen Hinterkopf fasste und versuchte sich wieder aufzurichten. Vor ihm war eine große Wendeltreppe, in dem Schrank. Jan konnte sich so etwas nicht einmal vorstellen und jetzt war es da, genau vor seinen Augen und in Wirklichkeit. Er konnte sich nicht erklären, was das für eine Treppe sein könnte und wo sie hinführte. Von außen war das Haus nicht so groß gewesen, dass eine Treppe von solcher Größe da hinein gepasst hätte und nun hat er eine solche Treppe in einem Schrank gefunden.

"Na toll.", sagte Jan genervt, als das laute Klingeln und Piepen in seinem Kopf verschwand und sein Herz nicht mehr wie wild pochte. "Wo bin ich hier nur gelandet?"

Jan stand auf und rieb sich noch immer den Kopf an der Stelle, mit der er aufgekommen war. Dann ging er langsam auf den Schrank zu und schloss die Schranktüren wieder. Mit noch immer schmerzendem Kopf sah er in den Spiegel um zu sehen, ob mit seinem Kopf alles in Ordnung sei, doch er sah bloß in ein sehr verzerrtes und undeutliches Spiegelbild. Müde und erschöpft legte er sich auf das Bett. Als er den Kopf drehte, um aus dem Fenster sehen zu können, sah er seinen eigenen riesigen Schatten an der Wand, sofort drehte er den Kopf in Richtung Decke. Wie geht es den anderen bloß und was ist mit Amina? Wir wollten uns doch in dieser Welt treffen, dachte Jan besorgt, vielleicht ist ihr etwas passiert. Durch das Fenster hörte er ein leises pfeifen, der Wind wehte sehr stark in dieser Nacht. Jan stand auf und sah noch einmal aus dem Fenster.

"So stark hat der Wind bei uns noch nie geweht.", sagte Jan, er dachte wiederum an seine Familie und sah hinaus. Dort war nichts außer den Bäumen, die im Wind schaukelten. Schwarze Äste ohne ein einziges Blatt, viel von den kleineren waren schon abgebrochen. Dann entdeckte er ein kleines Licht. Es musste eine Laterne oder etwas Ähnliches sein. Daran hing ein winzig kleiner Schatten, der hatte schwer mit dem Sturm zu tun. Zögernd öffnete Jan das Fenster. Eine kleine, aber sehr starke, Böe wirbelte in seinem Zimmer und Jan musste einen großen Sprung machen, damit der Wind seine Decke nicht nach draußen wehte. Jan hatte kein leichtes Spiel, vor allem da es jetzt plötzlich dunkel war. Die Böe hatte die kleine Kerze ausgeblasen.

"Man, was für ein Sturm, so was hab ich ja noch nie gesehen.", ächzte er, nach Luft ringend, da die Decke ihn eingewickelt hatte, musste er nun auch sehr gut aufpassen, dass er nicht selbst mit ihr wegflog. Einmal hatte er sich gefährlich weit über den Fensterrahmen gebeugt, aber er konnte sich noch im allerletzten Moment hochziehen. Nach einer Ewigkeit, so kam es ihm vor, hatte er sich endlich von der Umklammerung seiner Decke befreien können und das Fenster geschlossen. Nun musste er sich schlafen legen, denn die Kerze war aus und er konnte sie nicht wieder anzünden. Jan hatte zwar auch die Treppe im Schrank untersuchen wollen, ehe er am nächsten Morgen mit Zasch zu seinem Herren geht, aber im Dunkeln etwas zu untersuchen, das er nicht kannte, wollte er auch nicht. Was wäre, wenn ein paar Stufen fehlten und er einfach läuft, ohne das Geringste zu sehen. Er könnte auch über etwas stolpern oder mit dem Kopf gegen einen Stein, der von der Decke herab hängt laufen.

"Ich könnte mich in einem Irrgarten aus Treppen verirren und dann wäre alles für die Menschen, die hier leben einfach ...", flüsterte Jan und machte eine kleine Pause. "Aus. Sie glauben schließlich, dass nur ich ihnen helfen kann und das werde ich auch tun."

Es wurde immer später und Jan begann zu dösen, als er plötzlich eine Stimme hörte.

" ... natürlich werde ich ihn morgen zum Meister bringen.", erschrocken fuhr Jan aus dem Bett und sah sich um, als er Zaschs Stimme hörte. Vom Türspalt her floss etwas Licht in sein Zimmer. Sein Bett quietschte, als Jan sich bemühte ganz leise aufzustehen.

"Du bist dir sicher, dass er nichts gemerkt hat?", begann eine andere Stimme, die ihm seltsam bekannt vorkam. Es war die Stimme eines Mädchens, aber er konnte in diesem Augenblick nicht genau sagen woher er sie kannte. "Er ist sicher nicht misstrauisch? Und schläft er denn auch ganz bestimmt?"

"Nein, nein. Es ist alles in Ordnung, keine Gefahr für uns.", entgegnete Zasch.

"Das hoffe ich für dich, du weist was dir blüht, wenn du morgen nicht mit ihm in der Festung aufkreuzt.", entgegnete das Mädchen drohend und ernst.

"J - Ja natürlich, Ihr könnt Euch auf mich verlassen.", Jan hörte deutlich Furcht aus Zaschs Antwort. Dann hörte er die Schritte zweier Fußpaare, sie gingen die Treppe hinunter. Die Haustür öffnete und schloss sich gleich wieder. Jemand kam zurück, den schweren Schritten nach zu urteilen, muss es wohl Zasch gewesen sein. Er ging an Jans Zimmer vorbei und etwas weiter schloss sich leise eine Tür. Jan setzte sich an die Kante seines Bettes. Worüber hatten die beiden geredet? Über ihn selbst? Und was hat das Mädchen mit misstrauisch gemeint? Jan hatte viele Fragen, aber noch konnte er sich nicht Eine beantworten. Ohne ein Geräusch von sich zu geben schlich sich Jan zu Tür, öffnete sie einen Spalt breit und lugte hinaus. Niemand, er hatte richtig gehört. Doch Jan schloss die Tür nicht. Von irgendwo her kam Licht, also spähte er umher. Als er auf die Treppe blickte, sah er eine große brennende Kerze. Einen Augenblick lang zögerte Jan und lauschte angespannt in die Stille, die das Haus umgab. Er hörte nicht das Geringste, bis auf das heulen des Windes, der mit den Ästen der Bäume spielte. Jan ging zurück zu seinem Bett und nahm die kleine Kerze vom kleinen Nachttisch. Dann schlich er sich wieder zur Tür und ging so leise er konnte zu Treppe, um seine Kerze anzuzünden. Dann ging er wieder in sein Zimmer und schloss vorsichtig die Tür. Behutsam stellte Jan die Kerze auf den kleinen Tisch, ging zum Schrank und öffnete ihn. Die Kerze war noch nicht weit heruntergebrannt, wahrscheinlich heute zum ersten Mal angezündet. Also konnte er noch mindestens drei bis vier Stunden damit leuchten, so entschied sich Jan es zu wagen und die Treppe zu erforschen. Jan stellte sich vor den Schrank und sah einmal Treppauf und einmal Treppab. Da beide Wege gleich aussahen, entschied sich Jan nach oben zu gehen.

Es war ein sehr kalter Weg. Die Treppe hatte kein Geländer und nirgends waren Kerzen zum anzünden. Als Jan die Wand berührte, durchfloss ihn ein eisiges Gefühl, sofort zog er seine Hand zurück. Auch von den Steinstufen kroch die Kälte langsam seine Beine hoch und breitete sich in seinem Körper ganz langsam aus. Er hatte das Gefühl, je weiter er lief, desto kälter wurde es. Er wusste nicht, wie lange er schon gelaufen war, und er noch laufen musste, bis die Stufen aufhörten. Aber das alles hält einen Jan nicht auf! Dachte er zumindest.

"Das wär doch gelacht, wenn ich diesen Weg nicht bis ans Ende gehen würde.", während Jan sprach, fror sein Atem und hing als weißer Nebel vor ihm in der Luft. "Ich hab noch nie aufgegeben, und ich werde g - ganz bestimmt nicht jetzt damit anfangen!"

Zitternd und mit abgefrorenen Händen und Füssen stieg er noch weitere Stufen hinauf und wunderte sich, dass ein Haus von der Größe eine solche Treppe im Schrank haben kann. Seit über einer Stunde, so kam es ihm vor, lief er jetzt schon die Treppen hinauf, sie schienen unendlich.

"A - also, langsam ha - hab ich keine Lust mehr. Hört das h - hier denn nie auf?", Jan zitterte und ihm war kalt. "Ich g - geh jetzt w - wieder."

Kaum hatte er den Satz beendet und sich umgedreht, hörte er einen lauten Knall. Erschrocken wandte er sich noch einmal herum, diesmal zitterte er nicht, weil ihm kalt war, sondern, weil sein Herz so schnell und schmerzhaft pochte, dass er dachte, es würde jeden Moment zerspringen. Vor ihm stand plötzlich eine große schwarze Tür. Jan streckte seine Hand nach dem Türgriff aus und öffnete die Tür.
 

Jan schlug die Augen auf, setzte sich aufrecht hin und sah sich hastig um. Er war in dem Zimmer, das ihm Zasch gegeben hatte. Er sah aus dem Fenster, Jan hatte fast gedacht, dass es noch tiefste Nacht war, hätten sich nicht ein Paar Sonnenstrahlen in sein Zimmer verirrt. Er fragte sich, wie er gestern Nacht aus dem Turm kam, doch nicht sehr lange, denn schon öffnete sich die Zimmertür und Zaschs großes, markantes Gesicht erschien im Türrahmen.

"Steh endlich auf, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!", befahl Zasch mit grausamer Stimme. "Du wolltest doch zu unserem Herren, oder? Dann beeil dich gefälligst."

Mit diesen Worten ließ er die Tür hinter sich wieder ins Schloss fallen. In wenigen Minuten war Jan bereit um aufzubrechen, als wiederum die Tür geöffnet wurde. Zasch kam herein und gab ihm ein wenig zu essen, von dem Jan gerade so satt wurde. Es schmeckte nicht besonders, doch Jan aß, als ob er seit Tagen nichts gegessen hätte, den ganzen Teller leer. Schließlich wusste er ja nicht, wann er wieder etwas bekommen würde. Als er fertig war, nahm ihm Zasch den Teller aus den Händen und brachte ihn nach unten in die Küche. Als er wieder kam, hatte Zasch einen dicken Umhang um und ein kleines Bündel trug er unter dem Arm. Er warf Jan das Bündel zu und Jan öffnete es. Eine alte kleine Rüstung - die etwas zu groß für ihn war - und ein kleines Schwert, das ihn eher an ein Messer erinnerte, waren in dem Bündel. Als Jan die Rüstung angelegt und sich den Gurt mit dem Messer daran umgeschnallt hatte ging Zasch zum Schrank und öffnete die Türen.

"Ich schätze, du kennst diesen Geheimweg bereits? Folge mir.", er forderte Jan mit einer Handbewegung auf ihm zu folgen. Jan folgte ihm gehorsam und stieg, wie am vorigen Abend, die Treppen hinauf. Nach einem weiteren endlosen Marsch tauchte die Tür ganz plötzlich vor ihnen auf, doch Jan hatte das Gefühl, dass sie nicht so lange gelaufen waren, wie er in der letzten Nacht. Sie hatten den ganzen Weg bis hierher nicht ein Wort miteinander gesprochen. Jan hatte Zasch auf das Gespräch von gestern Abend ansprechen wollen, doch traute er sich nicht. Ab und zu drehte sich Zasch mit einem seltsamen Gesichtsausdruck zu Jan um, als hätte er Angst vor ihm.

"Komm schon", sagte Zasch gerade aus, ohne sich umzudrehen, "Es ist sehr weit, in die Festung des Herrschers zu gelangen. Es ist eine schwerer und vor allem anstrengender Weg."

"Was? Wo ist denn diese Festung? Haben wir denn Essen für eine so lange Reise dabei? Und wann machen wir mal eine Pause?", entgegnete Jan atemlos. "Wie lange laufen wir denn schon? Ich hab das Gefühl, dass wir schon eine Ewigkeit laufen. Immer nur den gleichen Weg."

"Draußen werden allerhöchstens wenige Minuten - nach der Zeitrechnung der freien Völker von Guildor - vergangen sein.", er lief weiter ohne sich umzudrehen. "Hier allerdings mindestens schon mehrere Stunden."

"Ein, ein Tag? Und was soll das heißen, draußen werden allerhöchstens vier Minuten vergangen sein'?", Jan war vollkommen aus der Fassung. "Das kann doch gar nicht sein! Ich will nicht so lange hier herum laufen, es ist viel zu dunkel, davon könnten meine Augen schaden nehmen und stickig und feucht ist die Luft hier, ich kann kaum mehr atmen in diesem Gang."

"Doch kann es, denn wir sind in einer anderen Zeitdimension. Davon gibt es einige in dieser Welt. Du solltest dich also daran gewöhnen. Und auch an diese Umgebung solltest du langsam deine Sinne einstellen. Es kann gefährlich werden hier in diesem Dunkel. Denn es lebt vieles übel, seit der dunkle Herrscher seinen Thron eingenommen hat. Also nimm dich in acht, denn du willst doch nicht als Fressen irgendeines Wesens werden, nur weil deine Sinne zu leicht zu beeinflussen sind oder?"

Jan nickte, doch wohl war ihm bei dieser Sache nicht ganz. Sie stiegen treppauf und mussten treppab. Manch mal war der Weg so eng, dass Jan noch gemütlich durchlaufen konnte. Zasch dagegen musste sich bücken und ganz klein machen. Einmal war die Treppe sogar so breit, dass Jan dachte hier mussten locker zehn bis fünfzehn Mann von Zasch in einer Reihe durch passen. Wieder schwiegen sie Stunden lang. Manchmal, wenn seltsame Statuen auftauchten oder seltsame Zeichen an den Wänden geschrieben standen, wollte Jan die gedrückte Stimmung auflockern indem er Fragen stellte. Doch er musste immer wieder an das seltsame Gespräch zwischen Zasch und dem Mädchen von gestern Abend denken und dass sie über ihn gesprochen hatten. Irgendwas an dieser Sache war faul, er wusste zwar noch nicht was, aber er wusste, dass es da war.

Diese Sache beschäftigte Jan über mehrere Tage, wenn sie nicht sogar schon mehrere Wochen gelaufen waren, denn seit wie vielen Tagen sie unterwegs waren, hatte er seit dem zehnten nicht mehr gezählt. Und seit dem sind schon viele Tage vergangen.

"Es würde bestimmt Verdacht erwecken, wenn ich ihm zu viele Fragen stelle.", flüsterte er jede Nacht zu sich selbst so leise, dass er seine eigene Stimme fast nicht hörte. "Also frage ich lieber gar nichts."

Jan war so in seine Gedanken vertieft, dass er nicht mitbekam, dass Zasch abrupt stehen blieb. So lief er geradewegs gegen Zasch, der wütend herumfuhr, und ihn anschrie und aus allen Wolken fallen lies: "Kannst du nicht aufpassen? Ich hab dir doch gerade gesagt, dass du deine Sinne schärfen musst! Hörst du denn nie zu, wenn man dir etwas erklärt?"

Bei dem Aufprall warf es Jan so kräftig zurück, dass er nach hinten fiel, über einen Stein stolperte und zu Boden plumpste. Er zuckte vor Schreck zusammen, doch sah er erstaunt auf.

Sie standen in einer riesigen Halle aus Stein. Von der Decke hingen riesige Felsen herunter, wie in einer Tropfsteinhöhle. Die Wände glänzten von dem Schein eines gewaltigen Sees, der sich vor ihnen erstreckte, dessen Ende Jan nicht zu sehen vermochte, doch er war wunderschön. Es war sehr hell, denn das Licht, das von den Fackeln kam, spiegelte sich in dem Wasser wieder und die Steinwände schienen geschliffen zu sein wie Edelsteine, denn auch von dort schien es sich zu spiegeln. Hätte er nicht gewusst, wie ernst die Lage war, hätte er sich wahrscheinlich gefreut, wie ein kleines Kind. Denn er hatte in der Freien Natur nie etwas Größeres gesehen, als den Teich, den sie zu Hause im Garten hatten. Schon immer sehnte er sich nach dem Meer, mit seinem schönen Strand und den großen Wellen. Die Klippen, von denen er schon immer einmal springen wollte, das klare türkiesblaue Wasser und am Abend einen Sonnenuntergang zu sehen, wie die Sonne hinter einem orangeroten Himmel im Meer versinkt.

Doch schnell verdrängte er diese Gedanken, sie erinnerten ihn an seine Familie und an die Gedanken, und dachte an den schrecklichen Geruch der Höhlen, das blasse leuchten der Fackeln und die engen Gänge.

"Wir müssen über den See.", sagte Zasch. Dann zeigte er mit der rechten Hand in Richtung Osten. "Dort hinten sind Boote. Kannst du ein Ruderboot bedienen?"



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Kommentare zu dieser Fanfic (6)

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Von: abgemeldet
2005-02-19T12:34:39+00:00 19.02.2005 13:34
Uaaaaah!!!
Warum lädst du immer so wenig? Das war wieder total gut! Schreib schnell weiter ja? Ich freu mich schon auf die Fortsetzung^^.
Ciaoi Ciaoi Shihna
Von: abgemeldet
2005-02-07T12:40:57+00:00 07.02.2005 13:40
Juhu ich bins wieder. Hab mal weitergelesen. Super! Du hast echt gute Ideen. Schreib bitte schnell weiter ja?
Von: abgemeldet
2005-01-31T14:58:34+00:00 31.01.2005 15:58
Hey gut!
N bisschen kurz zwar aber gut. Schreib weiter ich warte gespannt auf die Fortsetzung^^
Von: abgemeldet
2005-01-27T18:43:49+00:00 27.01.2005 19:43
so ich bins wieder^^
ist echt cool wie das weiter geht und der erzählstil ist echt super
aber eine kleine ungereimtheit ist mir aufgefallen..
die stürzen da einen 1000 meter hohen(!!) wasserfall herunter und dann geht der fluss in eine andere richtung weil zash gegen die strömung ankämpfen muss?? und dann auf den gleichen fluss wieder einen wasserfall rauf?
schon etwas merkwürdig aber ansonsten klasse^^
mach weiter so
Von: abgemeldet
2005-01-24T21:12:34+00:00 24.01.2005 22:12
hallo erstmal
also die geschichte ist echt wahnsinnig gut gefällt mir total. Ich freu mich schon wenn's weiter geht^^
Von: abgemeldet
2005-01-23T19:10:24+00:00 23.01.2005 20:10
Hu Hu Ja-san^^*winkewinke*

So hier hast du einen Kommentar und das zurecht.Du kannst wirklich gut schreiben.Dein Stil gefällt mir.Und du hast tolle Ideen.
Ich versteh dich*verständnisvoll anguck* Ich krieg auch keine Kommis T.T*heul* und das is schon irgendwie n blödes Gefühl wenn man sich schon traut hier was reinzuschreiben und sich die ganze Mühe macht.
Mach weiter so die Story verspricht gut zu werden *anfeuer und auf mehr von dir freu*
Kannst du mir ne ENS schicken,wenn ein neues Kapitel on ist?

Ciaoi deine Shihna^^


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