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Dämonenseelen

von

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Inuyashas Tod

Dämonenseelen

von mariko999
 


 

Hallo, ihr alle, das ist meine erste Fanfic. Ich bin mir zwar nicht ganz sicher, ob der Name, den ich ihr gegeben habe, zutreffend ist, aber auch egal. So, ich will nicht lang um den heißen Brei herumreden. Jetzt erst mal viel Spaß mit dem ersten Kapitel!!!!
 

1. Kapitel: Inuyashas Tod
 

"NEEEIIIIN!"

Kagome hielt schützend ihre Hände vors Gesicht, als der Youkai, der sie und ihre Freunde vor ein paar Minuten angegriffen hatte, nun mit einem fürchterlichen Gebrüll auf das Mädchen zuraste. Er hob seine mächtigen Klauen, um sie erbarmungslos in Kagomes Fleisch zu graben. Das Mädchen hatte schon mit ihrem Leben abgeschlossen, als plötzlich wie aus dem Nichts eine Gestalt zwischen Kagome und dem Youkai erschien. Sie wagte es nicht, die Hände, die noch immer ihr Gesicht schützten, wegzunehmen, denn das, was sich nun vor ihr abspielte, würde sie ihr ganzes Leben lang nie wieder vergessen können. Sie hörte, wie sich riesige Klauen in wehrloses Fleisch gruben, das Knacken von Knochen und dann einen dumpfen Knall, wie das Aufschlagen eines Körpers auf harten Boden. Das einzige, was sie danach noch vernahm, waren die sich entfernenden Schritte des Youkais. Darauf folgte Totenstille. Erst als Kagome die erschrockenen Schreie von Miroku, Sango und Shippo, die das Geschehen machtlos verfolgt hatten, vernahm, lösten sich ihre Hände langsam von ihrem Gesicht. Ihre Augen wanderten über ihren Körper und erschrocken stellte sie fest, dass ihre Kleidung an mehreren Stellen mit Blut besudelt war. Doch es war nicht ihr Blut, sondern..... ihre Augen weiteten sich vor Schrecken...... SEINS?! Kagome sah, wie ihre Freunde auf einen Körper zuliefen, der reglos auf der Lichtung lag. Ein Körper? Doch nicht etwa...... Inuyasha?! Doch das Mädchen wusste die Antwort bereits. Natürlich war es der ihr so vertraute Hanyou gewesen, der sich in letzter Sekunde zwischen sie und den Youkai geworfen hatte, um ihr damit, wie schon so oft, das Leben zu retten. Auf einmal drehte sich Miroku zu ihr. Ihre Blicke trafen sich und als sie das Entsetzen auf seinem Gesicht erkennen konnte, löste sich auf einmal die Starre, die ihren Körper umgab. Irgendetwas Schreckliches musste mit Inuyasha geschehen sein. Und doch wollte sie es nicht wahrhaben, wollte nicht daran glauben, dass er vielleicht ...... nein, sie mochte nicht einmal daran denken. Torkelnd kam sie auf die Beine und stakste wie im Traum auf die kleine Gruppe zu, die verzweifelt um ihren Freund herumstand. Als Kagome näher kam, bemerkte sie Tränen auf Sangos Gesicht. Auch Shippo weinte. Und Miroku sah so aus, als würde er beten. Aber wieso? Stand es denn so schlimm um den Hanyou? Das Mädchen wagte es kaum weiterzugehen, aus Angst, was sie dann erblicken würde. Die letzten Schritte, die sie in Richtung ihrer Freunde machte, kamen ihr vor wie eine halbe Ewigkeit. Als sie neben Miroku ankam, fiel ihr Blick sofort auf den am Boden liegenden Inuyasha. Ihr stockte vor Entsetzen der Atem. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Herz für einen Moment, bei dem Anblick, der sich ihr bot, aufhören zu schlagen. Das Gewand des Hanyous war komplett zerfetzt worden und er blutete stark aus mehreren tiefen Wunden. Er lag in einer immer größer werdenden Lache aus Blut. Kagome sank mit einem erstickten Schrei vor Inuyasha auf die Knie. Verzweifelt versuchte sie mit ihren bloßen Händen die Blutung zu stillen. Wieso taten die anderen denn nichts? Warum standen sie nur so herum als wäre er schon......? NEIN! Tränen rannen ihr über die Wangen und tropften auf seinen leblosen Körper. Wieso atmete er nicht mehr? Er konnte doch nicht.....? Nein, nein! Nicht Inuyasha! Plötzlich spürte sie Sangos Hand auf der ihren. Kagome hob langsam den Kopf und sah die Dämonenjägerin aus verweinten Augen an. "Kagome", begann Sango, "es ist zu spät. Inuyasha ist....." Sie sah zur Seite und senkte den Kopf, als sie bemerkte, dass ihr Gegenüber begann, hemmungslos zu weinen. Auch Sango traten wieder Tränen in die Augen. "Nein, nein", stammelte Kagome. "Das kann doch alles nicht wahr sein. Bitte nicht." Miroku legte seine Hand auf ihre Schulter, um sie zu beruhigen. Auch Shippo, der die ganze Zeit wie erstarrt dagestanden hatte, kam nun zu Kagome, vergrub sein Gesicht in ihrer Kleidung und krallte sich an ihr fest. Die Hände des Mädchens legten sich auf das Gesicht des Hanyous und streichelten zärtlich über seine Wangen. "Bitte", flehte Kagome, "bitte Inuyasha, mach doch deine Augen wieder auf! Laß mich nicht allein!" Miroku zeriss der Anblick der beiden fast das Herz. Er ließ sich neben Kagome auf die Knie nieder und packte sie fest an den Schultern, so dass sie ihn ansehen musste. Ihr ganzer Körper wurde immer wieder von heftigen Weinkrämpfen geschüttelt. "Inuyasha ist tot, Kagome." Mirokus Worte trafen sie wie ein Schlag. Sie wiederholten sich ständig in ihrem Kopf, waren für immer und ewig eingebrannt. Inuyasha ist tot, ist tot, TOT! Kagome öffnete ihren Mund. Sie wollte schreien, all ihren Schmerz herausschreien, doch es kam nur ein kummervoller Laut über ihre Lippen. Dann wurde ihr schwarz vor Augen. Erschrocken fing Miroku sie auf und hielt sie fest in seinen Armen. Er sah zu Sango hinüber und nickte ihr zu. Sie verstand sofort. Mit einem Wink gab sie Kirara, ihrer Dämonenkatze, den Befehl sich zu verwandeln. Zusammen legten sie dann erst Kagome und danach Inuyashas Körper auf Kiraras Rücken. Shippo sprang in Sangos Arme und kuschelte sich an sie. Ein paar Minuten lang hörte man ihn noch leise weinen. Dann schlief er ein. "Wir sollten in Kaedes Dorf gehen und sie aufsuchen." Mirokus Worte durchbrachen die bedrückende Stille. "Dort kann sich Kagome erst mal erholen und ich denke, wir sollten dasselbe tun." Sango nickte zustimmend. Danach schaute sie bedrückt zu Boden. Der Tod Inuyashas hatte sie mehr mitgenommen, als sie anfangs zugegeben hätte. Miroku hielt plötzlich an, als er ein Schluchzen vernahm. Er drehte sich um und sah Tränen auf Sangos Wangen glitzern. Der junge Mönch legte ihr eine Hand auf die Schulter und strich ihr sanft einige Tränen aus dem Gesicht. Die Dämonenjägerin hob den Kopf und sah direkt in seine Augen. Von ihnen allen war er der einzige gewesen, der die ganze Zeit über sehr gefasst gewirkt hatte. Doch seine Augen verrieten, dass er ebenso darunter litt wie Sango. Er hatte sich nur besser unter Kontrolle. Sie würden beide einige Zeit brauchen, um darüber hinwegzukommen, aber Kagome..... . Für sie würde es am schwersten werden. Das Mädchen nickte Miroku dankbar zu und gemeinsam setzten sie ihren Weg zu Kaedes Dorf fort. Neben ihnen ging Kirara ganz vorsichtig, die Kagome und Inuyasha auf ihrem Rücken trug. Mirokus Blick fiel auf den Hanyou. Als er starb, war gerade die Sonne untergegangen. Seine Augen wanderten zum Himmel. Mittlerweile war es Nacht geworden. Es war sternenklar, jedoch stand kein Mond am Himmel. Also musste es Neumond sein. "Inuyasha hätte sich heute nacht in einen Menschen verwandelt", dachte Miroku. Doch das würde er jetzt nie wieder tun. Nie wieder...
 

Ende Kapitel 1
 

So, das war erst mal der Anfang. Für alle, die jetzt denken, dass Inuyasha nie wieder in meiner Story erscheint und deswegen auf die Barrikaden gehen, können beruhigt sein und aufatmen. Aber mehr sag ich auch gar nicht, will euch doch wenigstens ein bisschen auf die Folter spannen (grins). Natürlich erwarte ich auch ein paar Kommis von euch, bin gespannt, wie es euch gefallen hat.
 

Dann bis zum nächsten Mal

Eure mariko999 J

Sesshomarus Gedanken

Tara, da bin ich wieder! Und bring das 2. Kapitel gleich mit. Ist zwar nicht so spektakulär wie das 1., aber man will ja auch mal in Ruhe durchatmen. Außerdem wäre sonst diese FF nach 3 Kapiteln zu Ende und ihr und ich wärt unzufrieden.
 

Hab jetzt kürzlich die letzte Folge von Inuyasha gesehen und wenn ich ganz ehrlich bin.....ich glaub nicht, dass das die letzte Folge für immer gewesen sein wird! Vielleicht geht's ja im 4. Kinofilm weiter mit der Story (bitte!!!!!!!!)
 

Naja, aber jetzt plapper ich hier wieder sinnlos drauflos, dabei wollt ihr doch ganz bestimmt wissen, wie es weitergeht.
 

Aber vorher noch vielen, vielen Dank für die lieben Kommis!

Und jetzt......(Spannung, Trommelwirbel)...........das nächste Kapitel:
 

2. Kapitel: Sesshomarus Gedanken
 

"Jaken-sama!"

Eine fröhliche Kinderstimme hallte über die Lichtung, die von der untergehenden Sonne in ein wunderschönes Licht getaucht wurde. Ein kleines Mädchen lief lachend hinter einer froschähnlichen Kreatur her, von der gelegentlich ein lautes Fluchen zu hören war, aber die Kleine störte sich nicht daran. Sie wusste ja wie er war und dass er es nicht so ernst meinte, was er da von sich gab. "Autsch!" Jaken hatte mal wieder den Boden geküsst, während Rin sich leise von hinten anschlich und ihn mit einem vergnügten Glucksen antippte. "Hab dich! Du bist dran, Jaken-sama!" Lachend lief sie davon.

Jaken sah ihr kopfschüttelnd hinterher und kratzte sich nachdenklich am Kopf. "Allmählich werde ich, glaube ich, zu alt dafür," dachte er. Manchmal nervte es ihn schon, so eine kleine Kröte bei sich zu haben, die Meister darin war, ständig in Schwierigkeiten zu geraten. Andererseits hatte er sie aber auch ins Herz geschlossen, selbst wenn er das niemals zugeben würde, und er freute sich insgeheim darüber, wenn sie glücklich war, auch wenn das bedeutete, dass er mit ihr ständig diese für ihn vollkommen überflüssigen albernen Spiele spielen musste.

"Jaken-sama! Wo bleibst du denn? Du musst mich fangen!" Rins Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. "Ja, ja, immer mit der Ruhe! Hoffentlich hast du dir auch gut überlegt, mit wem du dich da angelegt hast! Hier kommt Jaken, der Fürchterliche!"

Mühsam rappelte er sich hoch, klopfte den Dreck von seiner Kleidung und lief mit einem Brüllen, das, wie er hoffte, furchterregend genug klang, hinter dem kleinen Mädchen her, das kreischend und juchzend in Richtung seines Herrn lief.

"Sesshomaru-sama, bitte helft mir! Rettet mich vor diesem schrecklichen Monster!" Schreiend lief Rin um den kleinen Felsen herum, auf dem Sesshomaru sich niedergelassen hatte, während Jaken sie brüllend verfolgte. "Uaaahh! Ich kenne keine Gnade! Ich fresse dich mit Haut und Haaren!" "Waaahhhh!! Sesshomaru-sama! Hilfe! Er will mich fressen!" Quietschend vor Vergnügen rannte sie noch immer wie eine Wilde um den Felsen herum. So ging das auch noch eine ganze Weile, bis Jaken, der schon ziemlich aus der Puste war, erschöpft innehielt. Rin bekam davon allerdings nichts mit. Und so kam es dann, dass die Kleine mit voller Wucht in Jaken hineinlief und beide zu Boden purzelten, wobei das Mädchen die besseren Karten hatte, da sie weich auf ihrem Aufpasser landete. Um Jakens Kopf tanzten viele kleine Jakens herum, die immer wieder auf die Nase fielen. Rin rieb sich den Kopf und stand noch etwas benommen wieder auf. Als sie sah, auf wen sie da gefallen war, beugte sie sich schnell hinunter, um ihm aufzuhelfen.

"Tschuldige, Jaken-sama. Ich hab nicht mitbekommen, dass du..." "Ist schon gut, Rin. Ist ja nichts weiter passiert," fiel ihr Jaken ins Wort und prüfte dabei, ob seine Nase noch dran war. "Beim nächsten Mal mach aber bitte die Augen auf, wenn du durch die Gegend rennst." Die Kleine lächelte ihn zerknirscht an. Dann fiel ihr Blick auf Sesshomaru.

Der mächtige Youkai saß schon eine ganze Weile regungslos auf dem Felsen, um den Jaken und Rin geflitzt waren, und starrte in die Ferne. Auch Jaken sah nun zu Sesshomaru hinüber. Erst jetzt bemerkte er, dass sein Herr schon die ganze Zeit über, die sie hier waren, so schweigsam und in sich gekehrt dort verharrte. Jaken folgte seinem Blick, der auf die untergehende Sonne gerichtet war. Es wurde nun schon merklich dunkler und kühler. Man konnte bereits einige Sterne als schwach leuchtende Lichtpunkte am Firmament ausmachen. Ein leichter Wind kam auf, der sanft durch Sesshomarus langes Haar strich, Rin aber frösteln ließ. Jaken wandte sich daraufhin an seinen Herrn.

"Sesshomaru-sama, ich denke, es wäre besser, wir machen uns bald auf die Suche nach einem geeigneten Platz für die Nacht." Der Youkai rührte sich nicht. "Äh, Sesshomaru-sama, ähm...habt ihr mich gehört?" Jaken war etwas verwirrt. Er wusste zwar, dass sein Herr nicht gerade der Gesprächigste war, aber normalerweise reagierte er immer, wenn ihn jemand ansprach, auch wenn er nicht gleich darauf antwortete, dennoch gab er einem aber zu verstehen, dass er zuhörte. Doch jetzt..., es war, als würde er durch seinen Diener hindurchsehen, als wären er und Rin gar nicht da. "Jaken-sama, mir ist kalt. Warum suchen wir uns keinen Unterschlupf für die Nacht? Und... was ist mit Sesshomaru-sama los? Wieso antwortet er nicht?" Rin konnte ebenfalls nicht verstehen, warum der Youkai nicht reagierte. Er war doch sonst immer so besorgt um sie. Das Mädchen schaute traurig zu Boden. Ihr war kalt und sie hatte Hunger. Sie legte eine Hand auf ihren knurrenden Magen. "Sesshomaru-sama, bitte, können wir weitergehen?" Immer noch keine Reaktion. Rin drehte ihren Kopf zur Seite und sah fragend zu Jaken, der nur ratlos mit den Schultern zuckte.

Sesshomaru war so tief in Gedanken versunken, dass er tatsächlich nicht mitbekam, was sich um ihn herum abspielte. Den ganzen Tag über plagte ihn schon ein seltsames Gefühl, dass gegen Abend immer mehr zunahm. Deswegen hatte er sich auf den Felsen zurückgezogen, um herauszufinden, was ihn so beschäftigte. Vor einer Stunde hatte es dann begonnen schlimmer zu werden. Es breitete sich wie eine dunkle gewaltige Wolke in seinem Körper aus und legte sich wie ein Geschwür um sein Herz. Und dann spürte er die Bedrohung. Zuerst nur ganz wenig, dann immer mehr, bis... ja, bis er sich fast Jaken und Rin geschnappt hätte, um mit ihnen schnellstmöglichst das Weite zu suchen. Aber er konnte sich nicht rühren. Wie gelähmt saß er auf dem Felsen und war dieser geistigen Bedrohung schutzlos ausgeliefert. Dieses Gefühl, das schon fast in Angst ausartete und ihn ohne Vorwarnung übermannt hatte, war ihm zuvor erst einmal begegnet. Er erinnerte sich noch ganz genau daran. Es war einmal wieder einer dieser Tage gewesen, an denen er sich wie schon so oft einen dieser sinnlosen Kämpfe mit seinem jüngeren Bruder Inuyasha geliefert hatte. Grundsätzlich verliefen diese brüderlichen Auseinandersetzungen immer so, dass er dem Hanyou von Anfang an überlegen war und ihm am Ende seine Freunde aus der Patsche helfen mussten. Doch bei diesem Male, so erinnerte sich Sesshomaru, wäre es fast anders ausgegangen. Gerade als er seinem Bruder den Gnadenstoß versetzten wollte, hatte er bemerkt, dass etwas nicht stimmte. Das Blut Inuyashas roch nicht mehr wie das eines Hanyous, sondern..., er konnte es damals selbst nicht einmal glauben, ...wie das eines Youkais! Und zum ersten Mal in seinem Leben verspürte Sesshomaru Angst, ein Gefühl, dass ihm bis dahin völlig fremd gewesen war und dem er in dem Moment total verwirrt gegenüber stand. Den Grund für Inuyashas Verwandlung erfuhr er erst später. Ein Abkömmling Narakus, Goshinki, hatte Tessaiga, das Schwert seines Bruders, bei einem Kampf in zwei Teile zerbissen. Die Klinge war also zerstört. Als Folge dessen verwandelte sich der Hanyou zu etwas, was einem Youkai schon sehr nahe kam. Allerdings in ein Wesen ohne Verstand und Skrupel, dass sogar nicht davor zurückschrecken würde, seine Freunde zu töten. Tessaiga diente Inuyasha also nicht nur als Beschützerschwert, sondern auch als Siegel, dass sein dämonisches Blut in Zaum halten sollte. Glücklicherweise konnte das Schwert mit Hilfe eines Zahnes von Inuyasha neu geschmiedet werden, allerdings war es nun schwerer und der Hanyou musste erst einmal lernen, damit umzugehen. Sesshomaru erinnerte sich, dass er seinem Bruder während des Kampfes Tessaiga aus der Hand geschlagen hatte. Aufgrund seiner Verletzungen und der Tatsache, dass er sich damals in höchster Gefahr befand, verwandelte sich der Hanyou wieder in diese skrupellose Kreatur. Sein Körper reagierte darauf wie mit einem Schutzmechanismus und da er Tessaiga nicht in seiner Hand hielt, konnte niemand die Verwandlung stoppen. Das alles lag aber nun schon eine Weile zurück und es erinnerte sich auch keiner gerne daran. Für Sesshomaru fühlte es sich jedoch so an, als wäre es erst gestern gewesen.

In der Ferne flogen plötzlich ein paar Vögel laut kreischend auf. Der Himmel verdunkelte sich mit einmal schlagartig und verdrängte die letzten wärmenden Sonnenstrahlen von der Lichtung. Die Vögel, die im nahen Wald Schutz vor der Nacht gesucht hatten, verließen mit angstvollem Gezwitscher ihre Schlafplätze in den Bäumen. Auch die anderen Tiere des Waldes suchten fluchtartig das Weite. "Als ob sie es auch spüren," dachte Sesshomaru. Durch dieses ungewöhnliche Schauspiel, daß sich ihnen nun bot, war er endlich aus seiner Starre erwacht. Er wollte sich gerade erheben, um mit Jaken und Rin, die ihn erleichtert ansahen, diesen Ort schnellstens zu verlassen, als er wie vom Blitz getroffen zusammenzuckte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er ungläubig auf die Stelle, an der die Sonne vor einigen Augenblicken verschwunden war, um der Nacht ihren Auftritt zu gewähren. Seine Hand wanderte hoch in Höhe des Herzens und krallte sich dort so stark in seiner Kleidung fest, dass die Fingerknöchel weiß hervortraten. Der Youkai fühlte sich, als wäre gerade ein Teil von ihm selbst gestorben. "Sesshomaru-sama, ist alles in Ordnung mit euch?" Jaken sah seinen Herrn besorgt an. "Inuyasha......." flüsterte dieser nur tonlos.

Schlechte Nachrichten

Hallo allerseits! Melde mich zurück mit dem 3. Kapitel! Aber bevor es losgeht, muß ich mich noch bei Euch für die lieben Kommis bedanken, hätte ja echt nicht gedacht, dass die FF Euch gefällt (sich vor allen verbeug). Viele liebe Grüße vor allem an Drusillar, Sweet Kathrin 2808, Itono und May.

Na ja, was soll ich sonst noch so sagen? Ich hoffe natürlich, dass ihr mir weiterhin treu bleibt und schön fleißig Kommis schreibt und wenn mal irgendein Kapitel nicht so gut geworden ist, dann sagt mir das bitte.

Ach ja, und wenn einer von Euch auch ne Inu-Fanfic geschrieben hat, dann lasst mich das bitte wissen, lese doch auch furchtbar gerne von anderen die FF's zu Inu.

So, jetzt genug gequasselt, I proudly present the next chapter!
 

Hanyou: Halbdämon

Youkai: Vollwertiger Dämon

Miko: kann man wohl mit "Priesterin" übersetzen

Kitsune: Dat ist der Shippo (die Bezeichnung habe ich in anderen Fanfics gelesen, wenn ich richtig liege ist das wohl der Name für Fuchsdämonen, wenn ich falsch liege, dann möge man mich korrigieren)
 

3. Kapitel: Schlechte Nachrichten
 

Es war schon weit nach Mitternacht, als die kleine Gruppe sich langsam dem Dorf der alten Miko Kaede näherte. Shippo saß mittlerweile auf Mirokus Schulter. Seit er vor einer Stunde aufgewacht war, herrschte ein bedrückendes Schweigen zwischen dem kleinen Kitsune, dem jungen Mönch und der hübschen Dämonenjägerin. Miroku, der zusammen mit Shippo den Kopf der Gruppe bildete, hatte sich schon mehrmals umgedreht und versucht mit Sango ein Gespräch zu beginnen, was sich jedoch als schwierig erwies, denn das Mädchen ging mit hängenden Schultern und ausdruckslosem Blick schweigend neben Kirara her, die die bewusstlose Kagome und den leblosen Körper Inuyashas trug. Ihre Augen wanderten immer wieder unstet zwischen dem Mädchen und dem Hanyou hin und her.

Miroku vernahm mit einem Male besorgt ein Schluchzen hinter sich. Als er stehenblieb und sich umdrehte sah er, wie Sango ihr Gesicht in Kiraras weichem Fell vergraben hatte und bitterlich weinte. Sofort lief er zu ihr, setzte Shippo auf den Boden und berührte die Dämonenjägerin vorsichtig an der Schulter. Doch sie schüttelte seine Hand ab und weinte nur noch mehr. Vollkommen hilflos stand er nun neben ihr und wusste weder ein noch aus. "Sango... ." Verzweifelt sah Miroku zu Shippo hinunter, der mit einem Satz wieder auf seiner Schulter sprang und ihm etwas ins Ohr flüsterte: "Nimm sie in den Arm, sie braucht dich jetzt mehr denn je."

Der junge Mönch war erstaunt, das aus dem Mund eines noch nicht mal dem Kindesalter entwachsenden kleinen Kitsune zu hören. Doch er wusste, dass der Kleine recht hatte. Noch einmal unternahm er den Versuch Sango herumzudrehen. Diesmal sträubte sich das Mädchen nicht so sehr dagegen. Als sie sich dann gegenüberstanden, fiel sie wie von allein in seine Arme. Überrascht hielt er sie ganz fest und strich ihr beruhigend durch das Haar, während ihr ganzer Körper vom Weinen bebte.

"Wieso", schluchzte sie, "wieso musste das geschehen? Wieso konnten wir ihm nicht helfen? Und Kagome... . Wieso, Miroku, wieso nur?!" Völlig aufgelöst lag sie in seinen Armen und weinte sich den Schmerz von der Seele.

"Auf das wieso oder warum kann dir niemand eine Antwort geben, Sango. Das obliegt einer höheren Macht. Aber...", er löste sich von ihr und legte seine Hände auf ihre Schultern, "wenn Kagome wieder aufwacht, dann müssen wir für sie da sein. Hörst du, Sango? Wir müssen versuchen stark zu sein. Für Kagome."

Sango sah ihn aus rot unterlaufenden Augen an. Sie schniefte noch einmal hörbar, bis sie mit einem eindeutigen Nicken zustimmte. Miroku lächelte ihr aufmunternd zu. Sie versuchte sein Lächeln zu erwidern, doch es sah mehr nach einer Grimasse aus. Sich dessen bewusst, senkte sie traurig den Blick. Doch nicht für lange. Plötzlich spürte sie einen Finger unter ihrem Kinn. Sie hob den Kopf und sah in das Gesicht des jungen Mönches.

"Sango, denk immer daran, gemeinsam sind wir stark und gemeinsam überstehen wir auch schlimme Zeiten wie diese hier. Wir dürfen uns nicht zu sehr von der Traurigkeit überwältigen lassen. Dann sind wir Kagome keine große Hilfe." Sango nickte.

"Und ich werde auch, so gut es geht, Kagome beistehen." Erstaunt drehten sich Miroku und Sango um. Shippo stand vor ihnen, keck die Hände in die Hüften gestemmt und zu ihnen heraufsehend. Miroku kniete sich vor ihm nieder und wuschelte ihm durchs Haar.

"Du hast recht, kleiner Freund. Wir werden uns alle um Kagome kümmern. Sie wird jeden von uns brauchen. Auch dich." Der kleine Kitsune sprang wieder auf seine Schulter und lächelte dankbar.

"Was wohl Kaede sagen wird....?" Sango machte sich schon wieder Gedanken. Miroku legte ihr einen Arm über die Schultern und seufzte.

"Das wird auch noch mal schwer werden, ihr zu erzählen, was alles geschehen ist. Wenn du möchtest, übernehme ich das, damit du dich etwas ausruhen kannst." Das Mädchen schüttelte den Kopf.

"Nein, nein, ich will dabei sein. Du hast gesagt, wir müssen jetzt stark sein. Dann sollte doch einer von uns mit gutem Beispiel vorangehen." Miroku sah sie erstaunt an. Ja, das war seine Sango! Er streckte ihr seine Hand hin. Sie nahm sie dankbar an und zusammen betraten sie das Dorf.

Da es schon sehr spät war, ließ es sich natürlich nicht vermeiden, einen der Dorfbewohner zu wecken, der Kaede über ihr Eintreffen in Kenntnis setzen sollte. Miroku ging auf eine der Hütten, die in der Mitte des Dorfes standen, zu und klopfte an die Tür. Es dauerte einige Zeit bis man ein Poltern vernahm, gefolgt von einem leisen Fluchen und einer ängstlichen Frauenstimme, die fragte, wer denn das so spät noch sein könnte. Miroku straffte sich, als die Tür aufflog und ein älterer Mann mit einem Holzknüppel in der Hand unter dem Türrahmen erschien. Als er den jungen Mönch erblickte, verschwand der verärgerte Ausdruck auf seinem Gesicht und machte der Erleichterung Platz.

"Houshi-sama?! Ihr seid das?! Was ist der Grund Eures späten Besuches? Ist irgendetwas geschehen?" Er trat aus der Tür heraus und blickte neugierig nach links und rechts. Dann bemerkte er Sango und Kirara hinter Miroku. Als er das blutverschmierte Fell der großen Dämonenkatze sah, wurde er leichenblass. Erschrocken stolperte der Mann ein paar Schritte zurück. Im selben Moment kam seine Frau ebenfalls aus der Tür, um nachzusehen, weswegen man sie zu so später Stunde aus dem Schlaf gerissen hatte. Prompt stieß sie mit ihrem Mann zusammen und wollte schon losschimpfen, als er sie am Arm packte und auf das aufmerksam machte, warum man sie geweckt hatte. Ihr Blick wanderte zu Inuyasha, Kagome und das viele Blut. Geschockt schlug sie die Hände vors Gesicht und schüttelte ungläubig den Kopf.

"Um Himmels willen, was..... was ist mit den beiden passiert? Sie sind doch nicht etwa.....? Die Frau wagte es gar nicht weiterzusprechen. Miroku schloß die Augen und senkte den Blick. Er wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als auf einmal Sango das Wort ergriff. "Wir wurden von einem Youkai überrascht, der sofort auf Kagome losging. Ihr ist nichts geschehen, aber Inuyasha ist bei dem Versuch sie zu retten, ge.....", sie hielt inne und schluckte schwer, "getötet worden." Der Mann und seine Frau sogen erschrocken die Luft ein. "Der arme Junge.....", murmelte der Mann.

"Bitte, habt die Güte und weckt Kaede und informiert sie über unser Kommen. Sie muß dringend darüber unterrichtet werden, was sich zugetragen hat." Miroku hatte sich wieder dem alten Mann zugewandt.

"Ich werde sofort gehen und sie holen, Houshi-sama." Mit diesen Worten drehte er sich um und lief los. Nach einigen Minuten kam er bereits mit der alten Miko im Schlepptau zurück. Während dieser kurzen Zeitspanne hatten sich bereits noch mehr der Dorfbewohner draußen vor ihren Hütten versammelt, denn das Geschehene war nicht unbemerkt geblieben. So standen sie nun leise miteinander redend in der Kälte der Nacht. Die schlechte Nachricht hatte sich natürlich schnell herumgesprochen und jedermann reagierte geschockt und überrascht darauf. Viele von ihnen bedauerten den frühzeitigen Tod des jungen Hanyous, denn in der letzten Zeit war er ihnen doch mehr durch gute Taten im Gedächtnis geblieben.

"Kaede-sama...." Miroku wollte gerade auf die alte Miko zugehen, als deren Blick an dem jungen Mönch vorbeiging und auf die beiden leblosen Körper, die noch immer auf Kiraras Rücken ruhten, fiel. Schlagartig wich alle Farbe aus ihrem Gesicht. Dann stürzte sie an Miroku vorbei auf Kirara zu.

"Schnell", sie winkte zwei Männer zu sich heran, "bringt sie zu meiner Hütte, damit ich ihre Wunden versorgen kann, bevor es zu spät ist." Doch Miroku war schneller. Er gab den beiden Männern zu verstehen, einen Moment zu warten und wandte sich der Miko zu.

"Kaede-sama", begann er, "es ist bereits zu spät. Jedenfalls......für Inuyasha." Fassungslos sah die alte Frau ihn an. Das konnte doch nicht sein, dachte sie. War das alles hier nur ein böser Traum, oder...? Nein, sie wusste, dass sie nicht träumte, obwohl sie in diesem Moment wünschte, es wäre so. Betroffenheit zeigte sich auf ihrem Gesicht.

"Was ist.....mit dem Mädchen?" fragte sie zögerlich.

"Sie hat das Bewusstsein verloren, als sie erkannt hat, dass Inuyasha tot ist. Ich befürchte, sie hat einen Schock erlitten. Ansonsten ist sie unverletzt." Miroku sah die Miko verzweifelt an. "Kaede-sama, was sollen wir jetzt tun? Ohne Inuyasha...." Er sprach nicht weiter. Kaede ging zu dem jungen Mönch und legte ihm mitfühlend eine Hand auf die Schulter.

"Ihr dürft jetzt nicht aufgeben. Inuyashas Tod soll doch nicht umsonst gewesen sein. Er hat genau gewusst, was er tat, als er Kagome mit seinem Leben beschützte. Und ich glaube nicht, dass er gewollt hätte, dass ihr den Kampf gegen Naraku aufgebt." Sie sah die jungen Leute ernst an. In Sangos Augen bildeten sich erneut Tränen. Die Worte Kaedes hatten sie berührt und den Willen, Naraku zu vernichten und ihren jüngeren Bruder Kohaku zu retten, gestärkt. Auch Shippo war fest entschlossen weiterzukämpfen und nickte eifrig. Nur Miroku hatte da noch so seine Zweifel, dass sie es ohne den Hanyou, der immer die Stärke der Gruppe gewesen war, mit Naraku aufnehmen konnten. Andererseits, dachte er, hatten sie Kagome an ihrer Seite, deren Mikokräfte von Tag zu Tag zunahmen. Vielleicht bestand ja doch noch ein wenig Hoffnung. Er wandte sich Kaede zu und nickte ebenfalls kurz. Die alte Miko seufzte erleichtert. Dann drehte sie sich zu den Dorfbewohnern um und rief zwei der Männer herbei. "Bringt den Jungen in den Tempel. Gebt den Frauen dort bitte Bescheid, dass sie ihn waschen und herrichten mögen. Ihm soll die Ehre zuteil werden, die einem gebührt, der sein Leben für das eines anderen Menschen hergegeben hat." Die umstehenden Menschen stimmten ihr mit leisem Gemurmel zu. Miroku, Sango und Shippo staunten nicht schlecht. Einen Halbdämon in einem Tempel für Menschen bis zu seiner Beisetzung aufzubahren käme schon fast einem Sakrileg gleich. Aber Kaede war nun mal die Miko dieses Dorfes und dessen Bewohner hatten ebenfalls nichts dagegen. Derweil kamen die beiden Männer mit einer provisorischen Bahre zurück und legten Inuyashas Körper vorsichtig darauf. Dann setzten sie sich langsam in Bewegung.

"Sango", die Miko sah zu der jungen Dämonenjägerin hinüber, "bring Kagome mit Hilfe von Kirara zu meiner Hütte. Ich werde dir jemanden hinterherschicken, der dir beim Hineintragen des Mädchens behilflich ist. Und du Miroku, du begleitest mich zum Tempel." Mit diesen Worten ging sie den beiden Männern hinterher und der junge Mönch folgte ihr. Die Dorfbewohner hatten eine Gasse für sie gebildet. Als Inuyasha an ihnen vorübergetragen wurde, senkten sie stumm den Kopf und sprachen ein stilles Gebet. Am Tempel angekommen, gingen Sango und Shippo zusammen mit Kirara, die Kagome auf ihrem Rücken trug, in Richtung Kaedes Hütte weiter.

Kaede und Miroku wiederum blieben vor dem Tempel stehen, während die Männer den Hanyou hineintrugen. Eine Weile verharrten die alte Miko und der junge Mönch dort schweigend, bis die Frau ihn darauf aufmerksam machte, ihr zu folgen. Auf dem Weg zu ihrer Hütte erzählte Miroku in ein paar knappen Sätzen, was sich zugetragen hatte. Nach ein paar Minuten erreichten sie auch schon ihr Ziel. Kagome lag bereits drinnen zugedeckt auf einer Matte, während Sango bereits ein kleines aber wärmendes Feuer entfacht hatte. Shippo, der neben ihr lag, war bereits eingeschlafen. Nach einem besorgten Blick auf Kagome ließen sich Miroku und Kaede ebenfalls am Feuer nieder. Eine Zeit lang herrschte eine bedrückende Stille zwischen den Anwesenden.

"Ob sie es je verkraften wird, was geschehen ist?" Sango war die erste, die das Schweigen brach.

"Ich weiß es nicht." Die alte Miko seufzte hörbar und sah ins Feuer. "Sie ist stark, aber ist sie auch so stark, dass sie den Tod desjenigen, den sie ge.....", sie wurde merklich leiser und sah Miroku und Sango abwechselnd ins Gesicht, " den sie....geliebt hat, überwinden kann?".

Die beiden jungen Leute bekamen große Augen und sahen sich verdutzt an. Also lagen sie doch nicht ganz so falsch mit ihrer Vermutung, dass Inuyasha und Kagome trotz der vielen Streitigkeiten und Sitz-Attacken etwas füreinander empfunden hatten.

Kaede kroch zu einem kleinen Schränkchen, holte dort etwas kleines funkelndes aus der Schublade heraus und legte dies in Mirokus Hand. Der junge Mann sah sie erstaunt und gleichzeitig fragend an. Die Miko hatte ihm eine goldene Halskette mit einem ebenso goldenen Anhänger in Form eines Herzens gegeben. Sango schaute ihm neugierig über die Schulter.

"Äh, hmmh....., was soll ich damit?" Er hielt Kaede die Kette vor die Nase. Sie allerdings nahm seine andere Hand und ließ die Kette in diese wieder hineinplumpsen.

"Öffne das Herz und sieh hinein." Kaede zeigte auf den kleinen Anhänger.

"Öffnen? Aber wie....?" Doch dann fand Miroku einen winzigkleinen Mechanismus an der Seite des Herzens und drückte darauf. Sofort sprang die eine Hälfte auf und gab die Sicht auf das Innere frei. Und aus dem Inneren des Herzens sah ihnen ein gut gelaunter Inuyasha strahlend entgegen. Der junge Mönch runzelte die Stirn, während die Dämonenjägerin an seiner Seite traurig wegsah.

"Was hat das zu bedeuten, Kaede-sama? Wieso zeigt ihr uns das?"

Die alte Miko rückte ein bisschen näher ans Feuer und räusperte sich hörbar.

"Vor etwa zehn Tagen, kurz bevor ihr wieder aufbrechen wolltet, kam Inuyasha zu mir und gab mir das", sie zeigte auf die Kette, die noch immer in Mirokus Hand ruhte, "mit der Bitte, sie bis zu Kagomes Geburtstag aufzubewahren, weil er Angst hatte, sie unterwegs zu verlieren."

"Wo hat er sie überhaupt her?" Sango fing nun auch an, sich dafür zu interessieren., was es mit der Kette auf sich hatte.

"Er ist in der letzten Zeit immer mal wieder in Kagomes Zeit verschwunden. Dort hat er zusammen mit ihrer Mutter die Halskette besorgt. Da Inuyasha ja nun kein Geld besaß, hat er sich bei Kagomes Familie immer dann, wenn sie mal Hilfe brauchten, nützlich gemacht. Zur Vollendung kam dann noch das Bild in den Anhänger, was man in der Zukunft ein Foto nennt."

Sie machte eine kleine Pause und schaute weiter gedankenverloren ins Feuer.

"An dem Tag, wo er mir die Kette überreichte, habe ich ihn zum letzen Mal lebend gesehen." Sango und Miroku konnten deutlich die Trauer aus den Worten der alten Frau heraushören. "Ich habe ihn noch nie so glücklich und ausgeglichen wie an diesem Tag erlebt. Als er allerdings meine Hütte verlassen wollte, um zu euch zu stoßen, drehte er sich noch einmal zu mir um und sagte etwas sehr Beunruhigendes." Die Miko sah bedrückt auf den Fußboden.

"Was?! Was hat Inuyasha gesagt, Kaede-sama?!"

Die alte Frau schaute den beiden jungen Leuten, die auch noch ihr ganzes Leben vor sich hatten, in die Augen.

"Er sagte zu mir folgendes: < Falls mir aber etwas zustoßen sollte, Kaede, etwas Schlimmes, etwas, wonach ich Kagome niemals wiedersehen werde, dann gib ihr die Halskette trotzdem, damit ich weiterhin bei ihr bin und auf sie aufpassen kann. > Mit diesen Worten ist er dann gegangen."

Miroku und Sango sahen die Miko fassungslos an. Konnte es etwa sein, dass der Hanyou bereits geahnt hatte, das etwas mit ihm geschehen würde?
 


 


 

So, Ende von Kapitel 3.

Hoffe, dass es euch wieder gefallen hat. Habe mir extra dafür so manche Nacht um die Ohren geschlagen. Und weil ihr alle so liebe Kommis geschrieben habt, gibt's jetzt extra für euch noch ne kleine Vorschau aufs nächste Kapitel, das den Namen "Schuldgefühle" trägt: Also, Kagome wird von schrecklichen Alpträumen geplagt, in denen sie immer wieder den Tod Inuyashas erlebt. Noch schlimmer: Der verstorbene Hanyou erscheint ihr im Traum und gibt ihr die Schuld an seinem Tod. Auch Sango, Miroku und Shippo sind in ihren Träumen auf einmal gegen sie und wenden sich von ihr ab. Höchste Zeit wieder zu erwachen!

So, soviel dazu, mehr verrate ich nicht (bin gemein, ich weiß).

Bis denne
 

Eure Mariko-chan

Schuldgefühle

Da bin ich wieder! Das nun folgende Kapitel ist ziemlich lang geworden, das ist auch der Grund, weswegen Ihr solange warten musstet.

Ich möchte mich also noch mal bei allen Kommi-Schreibern bedanken, die mir so viele liebe Sachen geschrieben haben. Auf die Frage hin, wann denn die nächsten Kapitel immer so erscheinen, kann ich nur sagen, daß es einmal im Monat ein Kapitel von mir geben wird, mehr schaffe ich leider zur Zeit nicht. Dafür werden sie aber schön lang, das verspreche ich.

Okay und nun.........
 

4. Kapitel: Schuldgefühle
 

Dunkelheit umgab sie, eine formlose, alles verschlingende Dunkelheit. Wo war sie? In einem Traum oder in der Realität? Unschlüssig sah sie sich um, wünschte sich, dass die Finsternis dem Lichte wich und alles wieder so war wie vorher. Doch ihre Hoffnung verlor sich in den Schatten des Nichts, dass sich weit bis über die Grenzen des Vorstellbaren in ihren Gedanken eingenistet hatte.

Vorsichtig ging das Mädchen ein paar Schritte und sah sich dabei immer wieder unsicher um. Wieso war es hier so dunkel? War sie etwa ganz allein? Ihr kam das alles doch sehr eigenartig vor. Gedankenverloren sah sie zu Boden, das heißt, wenn es hier so etwas wie einen Boden gegeben hätte. Erschrocken schrie sie auf. Da war kein Boden, kein Grund auf dem man stehen konnte. Das, was sich unter ihren Füßen, und nicht nur da, sondern über ihr und um sie herum befand, war das absolute Nichts!

Panik kroch in dem Mädchen hoch. Was war denn nur geschehen? Wo waren ihre Freunde? Was sollte das hier alles? Sie wollte am liebsten laut losschreien, doch die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Ihre Knie begannen unkontrolliert zu zittern und sie fühlte, wie sich Tränen in ihren Augenwinkeln bildeten. Zu gerne hätte sie sich jetzt irgendwo verkrochen und gewartet, dass sie irgendjemand hier herausholte.

Nein. Nicht irgendjemand. Er.

Er war immer gekommen, um sie zu retten, ihr zu helfen, wenn sie in Not war.

Ein schwacher Hoffnungsschimmer machte sich in ihrem Herzen breit. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und ging zögernd einen Schritt vorwärts in die Dunkelheit hinein.

"Er wird kommen, das weiß ich genau", dachte sie. "Er hat mich noch nie im Stich gelassen."

Ein schüchternes Lächeln spiegelte sich auf ihren Lippen wieder und ihr Gang wurde sicherer, schneller schritt sie nun voran.

"Und wenn er dann hier ist, werde ich ihm endlich sagen, was ich wirklich für ihn empfinde."

Ihr Lächeln wurde breiter und ein zartes Rot bildete sich auf ihren Wangen. Fast hätte sie laut losgekichert.

"Reiß dich mal zusammen", rief sie sich in Gedanken zur Ordnung. Aber andererseits konnte sie es jetzt wirklich nicht mehr erwarten, ihn zu sehen. Das Mädchen rannte schon fast, so war sie mit einem Mal von Vorfreude auf ihn erfüllt.

Nach einer Weile, sie war schon ziemlich aus der Puste, entdeckte sie weiter weg eine Gestalt, die sich plötzlich aus dem Nichts herauskristallisiert hatte. Automatisch wurde sie langsamer. Wer konnte das sein? War noch jemand außer ihr hier drin gefangen?

Misstrauisch blieb sie stehen und versuchte aus der Ferne zur erkennen, wer oder was dort stand, aber es war einfach zu weit entfernt und näher traute sie sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht heran.

"Vielleicht.......sollte ich........einfach mal......rufen", dachte sie.

"Ach quatsch", schalt sie sich jedoch sofort, "was ist, wenn dir dieser Jemand nicht freundlich gesonnen ist?"

Ratlos stand sie nun da, trat immer wieder unsicher von einem Fuß auf den anderen. Was nun? Sie konnte doch nicht bis in alle Ewigkeit hier herumstehen und darauf warten, dass der andere den ersten Schritt in ihre Richtung tat. So nahm sie all ihren Mut zusammen, atmete tief durch und ging langsam los, den Blick immer auf die ihr unbekannte Gestalt gerichtet. Den Konturen zufolge schien es sich um einen Menschen zu handeln. Ihre anfängliche Unsicherheit schlug langsam in Erleichterung um, Erleichterung darüber, dass sie nun nicht mehr allein war und dass dieser Jemand ihr vielleicht dabei behilflich sein könnte, einen Weg hier heraus zu finden. Das Mädchen ging schneller, zu groß war mit einem Male der Wunsch, sich jemandem mitzuteilen und diesen unheimlichen Ort möglichst schnell zu verlassen. Sie wollte endlich wieder zu ihren Freunden und vor allem...........zu ihm.

Nun rannte sie schon wie vom Teufel gehetzt auf die geheimnisvolle Gestalt zu, die noch immer vollkommen reglos in der Dunkelheit stand. Sie war schon kurz davor, dem Fremden etwas zuzurufen, aus Angst, er könnte sich einfach umdrehen und verschwinden, als sie plötzlich wie vom Blitz getroffen stehen blieb.

Der Fremde wandte ihr den Rücken zu. Er trug ein rotes weites Gewand, allerdings kein Schuhwerk dazu und besaß anstatt normaler Hände Klauen. Sein langes weiß-silbernes Haar fiel ihm bis auf den Rücken.

"Inu.....yasha", stammelte das Mädchen verblüfft.

Nun gut, sie hatte sich aus tiefstem Herzen gewünscht, dass er zu ihrer Rettung kam, aber dass das wirklich geschehen würde, daran hatte sie eben noch gezweifelt. Aber jetzt, jetzt, wo er da war, jetzt war sie unendlich glücklich und furchtbar erleichtert.

Mit ausgebreiteten Armen und Tränen der Erleichterung in den Augen lief sie auf ihn zu.

"Inuyashaaaaaaaa!"

Das Mädchen hatte ihn fast erreicht, als der Hanyou sich abrupt umdrehte, und sie das zweite Mal binnen weniger Minuten geschockt stehen blieb. Fassungslos starrte sie ihn an. Was war nur mit ihm geschehen? Sein rotes Gewand war an vielen Stellen zerrissen und blutgetränkt. Das sonst so wunderschöne weiß-silbrig glänzende Haar hing ihm wirr und schmutzig ins Gesicht. Am schlimmsten aber waren seine Augen, die kalt und leblos das Mädchen musterten und den warmen bernsteinfarbenen Glanz wohl für immer verloren hatten. Sie fühlte, wie eine Träne ihre Wange hinunterlief und im Nichts verschwand. Langsam näherte sie sich ihm, eine Hand ausgestreckt.

"Inuyasha", wisperte sie, "wer hat dir das angetan?"

Sie wollte ihm gerade über die Wange streicheln, ihm Trost spenden, als er die niederschmetternde Antwort auf ihre soeben gestellte Frage aussprach.

"Das warst du, Kagome."

Ihre Hand, die fast sein Gesicht berührt hatte, zuckte unwillkürlich zurück. Was? Was hatte er da gerade gesagt?

"Ich.......verstehe nicht ganz. Was......was soll das bedeuten?" Ihre Stimme klang unsicher.

"Das, was ich gesagt habe. Du trägst die Schuld an meinem Tod." Sein Tonfall hingegen war vorwurfsvoll und hart.

Tod?!? Wieso......warum......? Er war doch nicht......tot?!? Kagome verstand die Welt nicht mehr. In ihrem Kopf drehte sich alles. Hilfesuchend streckte sie ihre Hand zu Inuyasha aus, doch der sah nur verächtlich weg.

"Warum bist du so gemein? Wieso behauptest du so etwas? Das würde ich niemals tun!" Sie weinte fast vor Verzweiflung, erntete jedoch nur einen kalten Blick dafür.

"Glaube es oder verschwinde von hier." Seine Stimme war schneidend wie die Kälte, die sich nun langsam und bedrohlich in ihrem Herzen ausbreitete. Kagome war wie erstarrt. Das konnte doch alles nicht sein! Stand hier wirklich ihr Inuyasha, der Junge, für den sie mehr empfand, als für andere Jungen ihres Alters, der Junge, der seine gut behüteten Gefühle ihr und nur ihr anvertraut hatte, der Junge, der sogar sein eigenes Leben dafür geben würde, um sie zu beschützen.........?!

"Oh Gott", dachte sie auf einmal. Eine grausame Bilderflut, bestehend aus lauter Erinnerungen, attackierte ihr Gehirn. Mit einem schmerzvollem Keuchen sank sie auf die Knie. Längst vergangene Dinge schossen durch ihren Kopf, schöne wie auch schreckliche und sie erlebte die letzten Stunden des vorigen Tages noch einmal.
 

-FLASHBACK-

Kagome sah sich selbst zusammen mit ihren Freunden durch einen Wald gehen, wie immer auf der Suche nach den Splittern des Shikon no tama. Sie alle waren mehr oder weniger gut gelaunt. Kagome unterhielt sich angeregt mit Sango und schielte dabei ab und zu in Richtung Inuyasha, dem gerade Shippo furchtbar auf die Nerven ging und es daraufhin erst mal Kopfnüsse für den kleinen Kitsune hagelte und das, obwohl der Fuchsdämon dem Hanyou nur etwas über den richtigen Umgang mit dem weiblichen Geschlecht hatte beibringen wollen. Während der Halbdämon nun so vor sich hingrummelte, erwachten in Miroku mal wieder lüsterne Gedanken. Der junge Mönch fragte sich ernsthaft, wann und wo sich die Chance ergeben würde, um Sangos Po etwas genauer in Augenschein zu nehmen, ohne sich dabei eine schmerzhafte Ohrfeige einzufangen.

Da in diesem Moment alle so beschäftigt mit sich selbst oder etwas anderem waren, bemerkte auch keiner von ihnen die herannahende Gefahr. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen brach plötzlich ein mächtiger Youkai durch das Unterholz, trennte Kagome von ihren Freunden, indem er diese einfach mit einem Prankenhieb außer Gefecht setzte und machte sich nun an die Verfolgung des Mädchens, die nach einem besorgten Blick auf ihre Gefährten und dem Zuruf Sangos, sie solle so schnell wie möglich verschwinden, ihr Heil in der Flucht gesucht hatte.

Es war allerdings nur eine Frage der Zeit, bis der Youkai sie eingeholt hatte und sich nun drohend vor ihr aufbaute. Er setzte gerade zum Angriff an, als ein roter Blitz auf ihn zusauste und sich irgendetwas metallisch-glänzendes in sein Fleisch bohrte. Der Youkai schrie auf, jedoch mehr aus lauter Überraschung als vor Schmerz, suchte nach dem Grund der Störung und fegte diesen mit einem brutalen Prankenhieb davon.

Da er für diesen Moment abgelenkt war, nutzte Kagome das zu ihren Gunsten aus und lief weiter, bloß weg von diesem Ungetüm, bis sie auf eine große Lichtung kam. Gehetzt sah sie sich um.

"Verdammt", dachte sie. Hier waren kaum Bäume, die Schutz boten. Andererseits, dachte sie, der Dämon würde eh jeden Baum umnieten, bis er sie gefunden hatte. Da waren die uralten Giganten des Waldes jetzt genauso nutzlos wie ein Kühlschrank in dieser Situation. Doch viel Zeit zum Überlegen blieb ihr nicht, denn schon vernahm sie das laute Krachen von Ästen und umherfliegenden Bäumen hinter sich, daß der Youkai bei ihrer Verfolgung erzeugte. Das Mädchen sah sich panisch um und wollte wieder zurück in den Wald laufen, als sie einen Stein übersah, stolperte und dabei der Länge nach hinfiel. Mühevoll rappelte sie sich wieder auf, um wegzulaufen, doch es war schon zu spät. Der Youkai hatte sich bereits wieder vor ihr aufgebaut und ihr damit jegliche Fluchtmöglichkeit verbaut. Seine furchterregenden Klauen blitzten im Licht der bereits untergehenden Sonne bedrohlich auf, während die großen Augen das Mädchen unablässig fixierten.

Kagome war starr vor Angst. Sie wusste, wenn ihr jetzt keiner zur Hilfe eilte, dann war alles aus. Insgeheim machte sie das ein wenig wütend. Ständig musste ihr jemand aus der Patsche helfen. Niemals würde sie solch eine Situation auch mal alleine bestreiten können.

Das Erzittern des Erdbodens ließ sie aus ihren Gedanken hochschrecken. Ungläubig starrte sie auf das Bild, was sich ihr bot. Irgendjemand hatte den mächtigen Youkai niedergestreckt, welcher nun scheinbar geschlagen zu ihren Füßen lag. Kagome wollte gerade einen Freudenschrei ausstoßen, als der Youkai sich regte und Anstalten machte, wieder auf die Beine zu kommen. Der Jubel blieb ihr buchstäblich im Halse stecken. Vorsichtig, immer den Dämon im Auge behaltend, ging sie ein paar Schritte zurück, tastete mit den Händen hinter ihrem Rücken die Ungebung ab und stellte enttäuscht fest, daß sich dort nur eng aneinander stehende Bäume und Büsche befanden, die ihr keinen Durchlass gewährten. Ihr Blick fiel auf die Beine des Youkais. In einem steckte ein riesiger Bumerang - Sangos Hiraikotsu! Kagomes Herz machte vor Freude einen Hüpfer. Ihren Freuden ging es gut und sie waren ganz in der Nähe. Sie würden dieses fiese Biest schon besiegen!

Das Knurren des Youkais holte sie in die Realität zurück. Dieser war gerade damit beschäftigt, sein Bein von Sangos Hiraikotsu zu befreien und sich nach dem Übeltäter umzusehen.

"Er ist abgelenkt, jetzt oder nie", spekulierte Kagome und wollte just in diesem Moment lossprinten, als sie bemerkte, wie sich die Wunde am Bein des Dämons, die das Hiraikotsu verursacht hatte, in Windeseile wieder schloss.

"Oh nein", dachte das Mädchen. "Jetzt ist alles aus."

Währenddessen hatte der Youkai den Knochenbumerang in seine Pranken genommen und schleuderte ihn nun ohne ein erkennbares Ziel in Richtung der Bäume. Ein Schrei ertönte aus den Schatten des Waldes, Kagome erkannte, daß es sich um Mirokus Stimme handelte, und richtig, der junge Mönch sprang aus der sicheren Deckung der Bäume hervor und rief dabei Sangos Namen. Nun erkannte das Mädchen auch, warum. Die Dämonenjägerin hatte sich ebenfalls im Wald versteckt gehalten, doch ihre Tarnung war nun aufgeflogen, denn ihr Hiraikotsu kam direkt auf sie zu!

Unfähig vor Schreck eine Bewegung auszuführen, starrte sie ihre Waffe, die nun gegen sie gerichtet wurde, an und bereitete sich innerlich auf den schmerzhaften Zusammenprall vor, als sich plötzlich ein Arm um ihre Taille legte, um sie aus der Gefahrenzone zu reißen. Sie und ihr Retter gingen zu Boden, während sich ihr Bumerang nur um Haaresbreite neben ihnen in die Erde bohrte. Als die junge Frau den ersten Schrecken überwunden hatte und den Kopf drehte, um zu sehen, wer da so furchtlos dem Schicksal entgegen getreten war, blickte sie direkt in Mirokus Augen. Der Mönch hatte mit seinem Stab den Knochenbumerang abgewehrt und sie mit sich zu Boden gerissen. Allerdings nicht ohne Konsequenzen. Der Arm, mit dem er noch immer den Stab hielt, ausgerechnet der Arm mit seinem Kazanaa, war taub vor Schmerz und nicht mehr einsatzfähig. Sango war am Verzweifeln. Wer konnte Kagome jetzt noch retten? Dieses Monster hatte Inuyasha bewusstlos geschlagen, ihre eigene Waffe gegen sie eingesetzt und Miroku kampfunfähig gemacht. Blieb nur noch......

"Oh nein, bitte nicht", dachte Sango. Sie drehte sich um und sah, wie eine kleine Gestalt sich von hinten an den riesigen Youkai heranschlich.

"Shippo! Nein! Das ist zu gefährlich!"

Die Dämonenjägerin wusste, daß der kleine Kitsune nur helfen wollte, aber das hier war auf jeden Fall ein paar Nummern zu groß für ihn.

Auf den Warnruf der jungen Frau hin war jedoch nicht nur der Fuchsdämon, sondern auch der Youkai aufmerksam geworden. Langsam drehte er sich zu seinem nächsten Opfer um. Shippo bereute in diesem Moment seine etwas schief geratene Rettungsaktion mehr als alles andere in seinem Leben. Er bemerkte, daß sein ganzer Körper unkontrolliert zu zittern begann, als der Youkai ihm direkt in seine großen unschuldigen Augen blickte. Verzweifelt versuchte Shippo zu fliehen, aber seine Füße waren wie festgenagelt.

Und dann........fühlte er es. Sein Blick begann sich in den riesigen Augen des Dämons zu verlieren. Die Welt im ihn herum wurde unwirklich, die Farben verschwanden, alles war.... verschwommen. Etwas krallte sich um sein junges Herz, versuchte, es herauszureißen. Er fühlte, wie das Leben langsam aus ihm verschwand. Gleichgültigkeit machte sich in seinem kleinen Körper breit, die Gleichgültigkeit, die man empfand, wenn man starb.

Doch dann war mit einem Male alles vorbei, denn irgendjemand hatte ihn von den Füßen gerissen und zur Seite geschleudert. Als er seine Augen wieder öffnete und gegen die drohende Bewusstlosigkeit ankämpfte, sah er in Inuyashas besorgtes Gesicht. Dessen Augen waren vor Entsetzen geweitet.

"Shippo.....", seine Stimme zitterte hörbar, sowie auch sein ganzer Körper vor Schrecken bebte. Der kleine Kitsune blickte ihn erstaunt an. Was war denn los gewesen? Er konnte sich gar nicht so recht daran erinnern, nur, daß der Youkai ihm in die Augen geblickt hatte und dann war da dieses seltsam leere Gefühl gewesen..... . Er schüttelte verwirrt den Kopf, um wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Dann vernahm er Inuyashas Stimme, sie klang allerdings so furchtbar weit weg......

"Shippo, geht es dir gut? Bist du verletzt? Nun sag schon was!"

Inuyasha bekam es langsam mit der Angst zu tun. Der Fuchsdämon stand vor ihm, ohne eine Regung zu zeigen und seine Augen waren so seltsam leer. Kurzentschlossen packte er ihn an den Schultern und schüttelte ihn kräftig, während er immer wieder seinen Namen rief.

"Shippoooooo! Wach auf! Hörst du mich?! Du musst aufwachen! Shippooooooo!"

Der Kitsune stand mutterseelenallein in der Dunkelheit, nirgendwo war jemand von seinen Freunden zu sehen. Was war das denn jetzt? Vor wenigen Augenblicken hatte er doch noch Inuyasha gegenüber gestanden. Jetzt konnte er nur die Stimme des Halbdämons hören, jedoch war sie so weit weg, daß seine feinen Dämonenohren sie gerade noch wahrnahmen.

"Inuyasha?"

Sein feines Stimmchen wurde sofort von der Dunkelheit verschluckt. Wieder hörte er seinen Freund nach ihm rufen, es klang verzweifelt.

"Inuyasha, bitte hilf mir! Ich hab Angst!"

Shippo begann zu laufen. Er wollte nur weg von hier, so schnell wie möglich. Er lief einfach in die Richtung, aus der die Rufe Inuyashas kamen, in der Hoffnung, so einen Weg hier heraus zu finden. Und tatsächlich, die Stimme wurde lauter.

"Inuyasha! Hier bin ich! Hier!"

Und da erschien der Hanyou vor ihm, eine Hand ausgestreckt. Shippo ergriff sie und Inuyasha zog den Kleinen zu sich. Keine Sekunde zu früh.

Als der Kitsune wieder zu sich kam, lag er in den Armen des Halbdämons, der ihn erleichtert anlächelte.

"Na, alles wieder okay?"

"Mmmhhh", machte Shippo. Ihm war die ganze Sache noch ziemlich unheimlich.

Vorsichtig stellte Inuyasha den Fuchsdämon wieder auf die Beine und hielt ihn fest, als er drohte, hinzufallen. Shippo hielt sich noch kurz an Inuyashas Arm fest. Dann machte er schon Anstalten dem Hanyou zu danken, als er ihn sich genauer besah und erschrak.

Der Youkai schien ihm bei seiner zweiten Attacke noch mehr zugesetzt zu haben, als bei der ersten. Die riesigen Krallen hatten dem Halbdämon einige stark blutende Wunden zugefügt. Auf seiner Stirn bildete sich bereits blutiger Schorf, wo vorher eine Platzwunde gewesen war. Alles in allem sah er schon jetzt sehr mitgenommen aus.

"Inuyasha!" Sangos Stimme ließ die beiden aufblicken.

"Ist mit dir und Shippo alles in Ordnung?"

Inuyasha stand langsam auf, allerdings nicht ohne schmerzhaft das Gesicht zu verziehen. Shippo sah besorgt zu ihm hoch. Er hatte ihm das Leben gerettet, obwohl er selbst verletzt war und eigentlich Hilfe benötigte. Der Hanyou wandte den Kopf in Richtung der Dämonenjägerin.

"Uns ist nichts geschehen! Was ist mit dir und Miroku?"

Sango atmete auf. Zum Glück ging es ihnen gut.

"Nur ein paar Kratzer und blaue Flecken! Nichts Lebensbedrohliches!" Sie sah hinunter zu Miroku, der sich noch immer seinen schmerzenden Arm hielt und sie gequält anlächelte.

"Inuyasha! Du musst Kagome-chan helfen! Wir sind für dieses Ungeheuer nur Spielbälle! Er hat es auf sie abgesehen!"

Die junge Frau hoffte, daß der Hanyou einen Weg finden konnte, den Dämon wenigstens aufzuhalten. Bis jetzt waren sie alle an diesem Youkai gescheitert. Sie, Miroku und Shippo konnten nichts ausrichten. Jetzt lag ihre Hoffnung allein bei Inuyasha. Dieser zog Tessaiga aus der Scheide und wandte sich nun dem Youkai zu, der ihm keck den Rücken zukehrte. Als er jedoch die Schritte des Hanyous vernahm, drehte er sich langsam um und ließ seine Klauen sprechen. Inuyasha stolperte mit einem gemurmeltem Fluch auf den Lippen zurück und fiel hin. Irgendetwas stimmte doch nicht mit ihm. So leicht war er doch nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen. Als er seine Aufmerksamkeit dem Dämon wieder zuwandte, sträubten sich ihm vor Schreck die Nackenhaare. Der Mistkerl hatte sich in der Zwischenzeit Kagome geschnappt, die nun leblos in seiner Pranke hing.

"Kagome!"

Was hatte er mit Ihr gemacht? Er hatte sie doch hoffentlich nicht...........? Nein, das konnte nicht sein!

Ein drohendes Knurren entrang seiner Kehle.

"Wage es ja nicht, sie weiter mit deinen dreckigen Klauen zu berühren, sonst bekommst du Tessaigas wahre Macht zu spüren, du Bastard!"

Hoffentlich zeigte das etwas Wirkung, denn in Wirklichkeit konnte er das "Kaze no kizu" gar nicht einsetzen. Die Klauen des Youkais hatten ihm nicht nur tiefe Wunden zugefügt, die ihn normalerweise nicht so sehr belasteten, sondern auch seiner Kraft und Reaktionsfähigkeit beraubt. Der Hanyou fühlte, wie er zunehmend schwächer wurde. Auch die Umgebung verschwamm vor seinen Augen zusehends. Er rammte Tessaiga in die Erde, um sich an seinem Schwert festzuhalten, denn der Boden begann unter seinen Füßen zu wanken wie ein Schiff auf hoher See. Dabei war er es selbst, der bedrohlich wankte und nicht der Boden, da der Schwindel in seinem Kopf auch immer stärker wurde.

"Halt durch, Kagome", flehte er. "Ich werde schon irgendeinen Weg finden, dich zu retten."

Plötzlich erscholl ein grauenvolles Lachen über der Lichtung, so laut und grässlich, daß sich die Freunde allesamt die Ohren zuhielten.

Der Youkai hatte sich dazu herabgelassen, ein paar Worte an sie zu richten. Seine gewaltige Stimme grollte über sie hinweg wie ein Unwetter, daß nicht enden wollte.

"Ihr Würmer! Denkt ihr wirklich, ihr könntet mich mit euren primitiven Waffen besiegen?! Und du.....", dabei sah er Inuyasha an, "Hanyou, glaubst du im Ernst, dein Spielzeugschwert könnte mir irgendwelchen Schaden zufügen?"

Mit diesen Worten machten sich seine Krallen an Kagomes Hals zu schaffen und Inuyasha sah dort etwas Kleines aufblitzen. Die Juwelensplitter!

"Natürlich", dachte der Halbdämon. Was sollte er auch sonst wollen? Aber wie konnte er Kagome aus den Klauen dieses Ungeheuers befreien? Okay, andererseits, wenn der Dämon die Juwelensplitter in seinen Händen hielt, würde er das Mädchen vielleicht freilassen und von dannen ziehen. Aber was, wenn nicht? Inuyasha mochte gar nicht daran denken, was der Youkai dann mit ihnen allen tun würde. Unglücklicherweise war er im Moment einfach körperlich nicht in der Verfassung einen vernichtenden Schlag auszuführen. Er brauchte so etwas wie ein Ablenkungsmanöver, irgendetwas in der Richtung, so daß er genug Zeit hatte, um Kagome zu retten. Hilflos starrte er zu allen Seiten, in der Hoffnung, daß ihm etwas Sinnvolles einfiel.

Der Youkai bemerkte seine Ratlosigkeit und grinste hämisch. Er hielt dem Hanyou seine Klaue, in der Kagome noch immer ohne ein Lebenszeichen hing, provozierend vor die Nase.

"Sie bedeutet dir viel, diese Kleine, hab ich recht?"

Inuyasha rümpfte verächtlich die Nase.

"Keh, sie bedeutet mir überhaupt nichts! Sie ist doch nur ein Mensch!"

Aber tief im Inneren tat ihm diese Behauptung schon wieder leid, wusste er doch, daß es eine Lüge war. Der Youkai beugte sich zu ihm hinunter.

"Du sprichst nicht die Wahrheit. Dein Gesichtsausdruck verrät dich. Für dieses Mädchen empfindest du soviel, daß du sogar dein eigenes Leben für das ihre hingeben würdest, habe ich nicht recht?"

Das Grinsen auf seinem Gesicht wurde immer breiter.

"Und wenn es so wäre?"

"Dann würde ich sagen, daß du ziemlich dumm bist!"

Jetzt reichte es aber! Inuyasha platzte gleich der Kragen. Was ging den denn sein Gefühlsleben an? Er wollte gerade losstürmen, um diesem protzigen Oberhammel einen gehörigen Denkzettel zu verpassen, als Sangos Hiraikotsu zum zweiten Male wie aus dem Nichts herangestürmt kam und den verblüfften Youkai direkt an der Pranke, mit der er Kagome festhielt, traf. Vor lauter Überraschung ließ er das Mädchen fallen. Inuyasha war mit einem Satz zur Stelle, fing sie sanft auf und brachte sie in Sicherheit. Auf seiner Flucht blickte er noch einmal über seine Schulter zurück und sah Sango etwas weiter weg stehen, in der einen Hand ihr Hiraikotsu haltend blinzelte sie ihm verschmitzt zu. Danach verschmolz sie wieder mit dem Wald, um nicht, wie schon einmal, zur Zielscheibe des Dämons zu werden.

"Danke, Sango", dachte Inuyasha und lächelte.

Er trug Kagome an den Rande des Waldes und lehnte sie dort vorsichtig an einen Baum. Erleichtert stellte der Hanyou fest, daß sie ganz ruhig und gleichmäßig atmete. Sie war wohl vor Schreck nur in Ohnmacht gefallen.

"Kagome, hey Kagome!"

Liebevoll streichelte er ihre Wange. Als sie keine Regung zeigte, stand er langsam auf, um sich dem Youkai wieder anzunehmen, denn er hörte schon das Zornesgebrüll von weitem. Leider bereiteten ihm seine Wunden immer noch Probleme, denn mit dem ersten Schritt, den er tat, fühlte er, wie der Schmerz und die Benommenheit zunahmen. Vorsichtig drückte er den Stoff seines Gewandes an den Stellen auseinander, wo ihn der Youkai mit seinen Krallen erwischt hatte und runzelte nachdenklich die Stirn. Es waren vier lange Striemen auf seiner Brust zu sehen und an keiner der Verletzungen hatte bis jetzt der Heilungsprozess eingesetzt, was ihm genug Anlass zum Nachdenken gab. Sie bluteten noch immer stark. Die Wundränder waren gerötet und sahen entzündet aus. Ihm blieb trotzdem keine andere Wahl. Er musste sich dem Youkai stellen, koste es was es wolle. Entschlossen stützte er sich auf Tessaiga, welches er bereits gezogen hatte und wollte gerade den nächsten Schritt tun, als eine Hand die seine umfasste und ihn somit zurückhielt. Erstaunt drehte er sich um.

"Kagome......"

Das Mädchen kniete vor ihm, immer noch seine Hand haltend. Tränen standen in ihren Augen, suchten sich den Weg über ihre Wangen und tropften zu Boden. Der Hanyou wusste nicht, was er sagen sollte. Sie weinte. Doch nicht etwa.......wegen ihm? Plötzlich fühlte er sich so hilflos. Er mochte es nicht, wenn Mädchen weinten und schon gar nicht, wenn Kagome es tat. Noch schlimmer fand er es aber, wenn er selbst der Grund für die Tränen war. Er versuchte vorsichtig, seine Hand aus der ihren zu lösen, doch es gelang ihm nicht.

"Inuyasha......", schluchzte sie verzweifelt.

Er kniff die Augen zusammen. Es tat ihm jedes Mal in der Seele weh, sie so zu sehen.

"Bitte.......geh nicht. Setz nicht dein Leben aufs Spiel."

Verwundert öffnete der Halbdämon seine Augen und begegnete dem Blick Kagomes. Flehend sah sie ihn an.

"Aber wenn ich nicht gehe, wird er euch alle töten."

Er wusste, daß ihr diese Begründung nicht reichte.

"Wenn du gehst, wird er DICH töten! Sieh dich an, Inuyasha. Er hat dich schwer verletzt! Einer weiteren Begegnung mit ihm kannst du nicht standhalten!"

Sie war aufgestanden, hielt nun seinen Arm fest umklammert und sah ihn aus geröteten Augen an.

"Was sollen wir denn machen, Kagome? Fliehen?!"

Auf ihr eifriges Nicken hin schüttelte er entnervt den Kopf.

"Wie stellst du dir das vor? Ich kann mich kaum auf den Beinen halten, geschweige denn weit rennen. Wie soll ich da vor dem Dämon fliehen und dich dabei noch auf meinem Rücken tragen? Kagome, er wird nicht eher ruhen, bis er die Juwelensplitter hat und wer weiß, was er dann mit uns anstellt!"

Inuyasha rang nach Luft. Selbst das Sprechen bereitete ihm schon Schwierigkeiten. Kagome sah in beunruhigt an.

"Dann lass mich dir helfen!"

"Nein!"

Seine Antwort kam prompt. Sie hatte gewusst, daß er das sagen würde.

"Aber......"

"Nichts aber!"

"Ich kann dich doch nicht alleine kämpfen lassen mit solchen Verletzungen! Du hast selbst gesagt, daß deine Chancen zu gewinnen, schlecht stehen!"

Sie ließ nicht locker.

"Das habe ich so nicht gesagt! Aber darum geht es hier jetzt auch nicht. Kagome, bitte hör einmal auf mich und bleib hier. Ich kann besser kämpfen, wenn ich dich in Sicherheit weiß."

Ohne Vorwarnung fiel sie ihm in die Arme. Er konnte hören, daß sie noch immer weinte und fühlte, wie die Tränen langsam sein Gewand durchweichten. Schüchtern legte er die Arme um sie.

"Ich will dich aber nicht verlieren, Inuyasha! Kannst du das nicht verstehen?"

Ohne es zu wollen wurde er leicht rot, als sie diese beiden Sätze ausgesprochen hatte. Er räusperte sich hörbar, um zu einer Antwort anzusetzen, als sie beide mit Schrecken feststellten, wie der Youkai rasend schnell näher kam. Dabei hatte er auf der Suche nach dem Hanyou und dem Mädchen schon den halben Wald auseinander genommen.

"Seltsam", dachte Inuyasha. Konnte dieser Dämon trotz seiner überdimensionalen Augen nicht gut sehen? Er hätte ansonsten einfach nur der Blutspur des Hanyous folgen müssen. Vielleicht konnte er das ja zu seinem Vorteil ausnutzen. Behutsam löste er sich aus Kagomes Umarmung und drückte ihr, zur Verwunderung des Mädchens, einen sanften Kuss auf die Stirn. Ein leichter Wind kam auf, der Kagome frösteln ließ.

"Inuyasha........bitte pass auf dich auf, ja?"

Der Hanyou hielt inne und drehte sich noch einmal zu ihr um. Der Wind spielte mit seinem langen Haar und zerrte an seinem Gewand. Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. So unbeschwert wie es ging, sagte er:

"Keine Angst, ich komm schon klar."

Dann sprintete er los, Tessaiga zum Angriff erhoben. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, daß sie ihn so lächeln sah. Wortlos blickte sie ihm hinterher.

Inuyasha sammelte all seine Kraft, die ihm noch geblieben war, um sie in diesen Angriff zu stecken. Der Youkai sah ihn bereits auf sich zukommen, aber das war dem Hanyou egal. Er hatte bereits einen Plan. So täuschte er eine Attacke nach rechts vor, auf die der Dämon sofort reagierte und nach ihm schlug, doch Inuyasha sprang schnell wie der Blitz nach links und erwischte ihn mit seinem Schwert an der Schulter. Wütend vor Schmerz schrie der Youkai auf und sah sein Gegenüber vernichtend an. Der betrachtete zufrieden sein Werk und klopfte sich innerlich auf die Schulter, daß er mit seiner Vermutung, die Augen des Dämons wären nicht die besten, richtig gelegen hatte. Doch seine Freude währte nicht lange, denn die Wunde des Youkais schloss sich zu seinem Entsetzen bereits wieder. Sein grässliches Lachen verursachte bei ihm Kopfschmerzen.

"Ich hätte nicht gedacht, daß du so dumm bist, denselben Fehler ein zweites Mal zu begehen! Und jetzt geh zur Seite, damit ich mir das Mädchen holen kann!"

Was meinte er damit? Kagome war doch sicher versteckt oder etwa nicht? Mit einer bösen Vorahnung wandte er sich um und schrak zusammen, als das Mädchen direkt hinter ihm stand, mit Pfeil und Bogen auf den Youkai zielend.

"Kagome........"

Mehr brachte er nicht über seine Lippen. Konnte sie nicht einmal das tun, was man ihr sagte? Musste sie sich ständig in Gefahr bringen?

"Nun", begann der Youkai, "wenn ihr gemeinsam sterben wollt, erfülle ich euch diesen Wunsch gerne."

Kagome spannte den Bogen stärker.

"Wenn hier einer stirbt, dann bist du das!"

Mit diesen Worten ließ sie den Pfeil fliegen, der sofort von einem geheimnisvollen Leuchten umgeben war. Beide hielten vor Spannung den Atem an. Was würde wohl geschehen, wenn der Pfeil traf?

Das ohrenbetäubende Geschrei des Youkais gab ihnen die Antwort. Es schien tatsächlich Wirkung zu zeigen. Kagome wollte gerade erleichtert aufatmen, als sie bemerkte, wie der Dämon einfach ihren Pfeil aus seinem Körper zog und ihn zerbrach. Fassungslos starrte sie den Youkai an, der bereits wieder eine seiner Pranken erhoben hatte. Seine Augen sprühten Funken vor Zorn. Dann sauste die Pranke hinunter. Sie fühlte wie sich zwei starke Arme um ihren Körper legten und hörte gleichzeitig Inuyasha vor Schmerzen aufschreien. Dann schlug sie auf dem Boden auf. Kagome bemerkte, daß der Hanyou auf ihr lag. Er hatte sie mit seinem Körper beschützt. Entsetzt erkannte sie, daß der Dämon ihn dieses Mal am Rücken erwischt hatte. Blutige Striemen zogen sich von einer Seite zur anderen. Bloße Angst kroch in ihr hoch, Angst, ihn nun wirklich zu verlieren.

"Inuyasha.......hörst du mich?"

Vorsichtig richtete sie sich auf und hielt ihn dabei in den Armen. Dadurch wurde er wach. Vor Schmerz kniff er allerdings die Augen sofort wieder zusammen. Sanft strich sie ihm die Haare aus der Stirn.

"Ich hab schon befürchtet, du wärst......." Nein, das konnte sie nicht aussprechen!

Er stöhnte auf, als er versuchte, aufzustehen.

"Da hätte auch nicht mehr viel gefehlt."

Ernst sah er ihr in die Augen.

"Kannst du nicht einmal das tun, was ich von dir verlange? Ist das so schwer für dich?"

Sie sah schuldbewusst zu Boden.

"Ja, das ist es. Wenn es bedeutet, dich dabei im Stich zu lassen."

Himmel, sie war stur wie ein Esel!

"So, jetzt reicht es aber! Meine Geduld ist am Ende! Schluss mit dem Techtelmechtel!"

Ein riesiger Schatten, der durch die untergehende Sonne noch größer wirkte, fiel auf den Hanyou und das Mädchen. Der Youkai schnippte Inuyasha wie eine lästige Fliege davon, um sich sogleich wieder Kagome zuzuwenden.

"Na, meine Kleine. Du hast da etwas, was ich haben will. Und diesmal werde ich nicht erst warten, bis du in Ohnmacht fällst. Nein, dieses Mal werde ich dich vorher töten, damit du auch schön still hältst!"

Kagome gefror vor Schreck das Blut. Sie sah alles wie im Zeitraffer ablaufen. Wie der Dämon auf sie zugerast kam, mit ausgefahrenen Krallen und einem furchterregenden Gebrüll und wie sich just in dem Moment, als er zuschlug, jemand dazwischen warf, jemand, den sie mehr liebte, als alles andere auf der Welt und der genau das tat, was sie immer befürchtet hatte: Sein Leben für das ihre hinzugeben!
 

FLASHBACK ENDE
 

Das einzige, was man in der weiten Einöde der Finsternis vernahm, war ein leises herzzerreißendes Schluchzen.

"Sieht so aus, als ob du die Erinnerung an das, woran du die Schuld trägst, wiedererlangt hast."

Die kalte Stimme des Hanyous zerschnitt die drückende Stille.

"Das.......habe ich.........doch nie.........im Leben.......gewollt."

Kagome hatte ihre Arme um die angezogenen Beine geschlungen und den Kopf auf die Knie gelegt. Ihre langen Haare verdeckten ihr Gesicht. Sie wagte es nicht, aufzusehen.

"Es ist aber nun mal geschehen und wenn du nicht so töricht gewesen wärst, dann...."

"Dann was?!"

Kagome fiel ihm ins Wort. Was sollte das? Inuyasha tat doch tatsächlich so, als wäre sie schuld daran! Wieso war er davon so überzeugt? Das konnte doch nicht sein!

"Dann was?" wiederholte sie. "Glaubst du, es wäre dann anders ausgegangen?! Glaubst du das wirklich?!"

Sie fühlte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Langsam hob sie den Kopf.

"Denkst du tatsächlich im Ernst, ich habe gewollt, daß das geschieht?! Nie im Leben!"

Mit tränenüberströmtem Gesicht sah sie den Hanyou an, der immer noch keine Miene verzog.

"Wenn du es nicht gewollt hast, wieso hast du dann nicht auf mich gehört?"

Das Mädchen wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ihr diese jedoch im Halse stecken blieb. Ja, wieso hatte sie eigentlich nicht auf ihn gehört? Weil sie ihm zeigen wollte, was in ihr steckt? Weil sie ihm beweisen wollte, daß sie kein kleines Mädchen mehr war, auf das man ständig Acht geben musste? Weil.........sie schluckte hart........, weil sie ihm nicht....vertraut..... hatte, daß er den Dämon auch alleine hätte besiegen können.

Prompt fasste Inuyasha ihre Gedanken in Worte.

"Du hast mir nicht vertraut, hab ich recht?"

Noch immer war keine Gefühlsregung zu sehen, geschweige denn in seiner Stimme zu hören.

"Doch, hab ich. Ich wollte.......ich wollte dir doch nur helfen!"

Kagome gingen so allmählich die Argumente aus. Sie fühlte sich mittlerweile nun wirklich schon fast schuldig an der ganzen Situation, obwohl sie vor einigen Minuten noch so selbstsicher gewesen war. Lag das an diesem seltsamen Ort, oder war sie tatsächlich an seinem Tod mitschuldig?

"Wobei helfen? Einen schnelleren Weg ins Jenseits zu finden?"

Das Mädchen erschrak. Das war nicht Inuyashas Stimme! Und doch glaubte sie, sie zu kennen. Langsam wandte sie den Kopf zur Seite und erbleichte. Ein paar Schritte weiter weg war ein junger Mann aus der Finsternis getreten. Er trug einen Stab in der einen Hand und hatte sein schwarzes Haar im Nacken zu einem kleinen Zopf zusammengebunden. Sein langes schwarz-violettes Gewand sah den Kleidern eines Mönchs ähnlich. Das konnte doch nicht sein! Das war doch.........

"Miroku.....", entfuhr es ihr ungläubig.

Der junge Mönch musterte sie kalt.

"Dir ist klar, daß du mit deinem unüberlegten Verhalten unsere Mission zum Scheitern verurteilt hast?"

Kagome dachte, sie hätte sich verhört.

"Was.......soll das? Wieso sagt ihr beide solche Dinge?"

"Weil sie Recht damit haben!"

Kagome zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Nicht auch noch.......

"Sango.....", erwiderte sie tonlos. "Du etwa auch?"

Die Dämonenjägerin tauchte neben Miroku auf und strafte sie mit einem kaltherzigen Blick.

"Ich habe einmal gedacht, wir wären Freundinnen, Kagome. Aber ich scheine mich in dir getäuscht zu haben, denn nun hast du die letzte Hoffnung, die mir noch geblieben ist, zerstört! Mit dem Tod Inuyashas ist die Chance, Naraku zu besiegen und somit meinen Bruder Kohaku zu retten, auf ein Minimum gesunken."

Kagome konnte einfach nicht glauben, was sie da hörte. Waren denn alle gegen sie? Stand niemand hinter ihr? Konnte es noch schlimmer kommen, als es ohnehin schon war?

"Du bist schuld daran, daß Inuyasha tot ist!"

Oh ja, es konnte. Die vorlaute Kinderstimme gehörte zu niemand anderem als zu Shippo, dem kleinen Kitsune. Das Mädchen fühlte, wie die Finsternis, die sie noch immer umgab, nun unaufhaltsam in ihr Herz strömte. Die bösen Anschuldigungen ihrer Freunde hatten ihr schon wehgetan, aber das, was sie am meisten gefürchtet hatte auch noch aus dem Mund des kleinen Fuchsdämons zu hören, das war nun eindeutig zu viel für sie gewesen. Geschockt stand sie da. Unfähig, irgendetwas zu sagen, starrte sie nur sprachlos ihre Freunde an. Waren das überhaupt noch ihre Freunde? Taten Freunde so etwas Gemeines?

"Du bist schuld, Kagome."

"Genau, besser hätte ich es nicht ausdrücken können."

"Was hast du dir nur wieder dabei gedacht, Kagome?"

"Immer muß man auf dich aufpassen, immer! Wir sind doch nicht deine Kindermädchen!"

Mit diesen Worten gingen die Vier langsam auf sie zu, kreisten sie von allen Seiten ein. Fassungslos starrte Kagome sie an. Was sollte sie jetzt tun? Weglaufen? Sie versuchte es, kam jedoch nicht weit, da Sango sie am Arm festhielt und in den Kreis zurückstieß, den die Vier gebildet hatten. Durch den derben Stoß fiel das Mädchen hin. Sofort umschlang sie, um sich selbst zu schützen, mit ihren Armen die hastig angewinkelten Beine und legte den Kopf in ihren Schoß. Zitternd saß sie da, mit Schrecken darauf wartend, was nun folgte. Zunächst blieb alles ganz still und sie zog es schon in Betracht, daß vielleicht die ganze Geschichte nur ein böser Traum gewesen war und sie jeden Moment aufwachen würde. Doch was das betraf, wurde sie eines Besseren belehrt, denn ihre vermeintlichen Freunde begannen an ihr herumzuzupfen und zu zerren. Ängstlich hielt sie noch immer ihre Beine umklammert, schlug nur ab und zu die Hände der anderen beiseite. Dann mit einem Male war alles vorbei, bis......, ja, bis sie einen warmen Atem in ihrem Nacken spürte und eine ihr nur zu wohlbekannte Stimme ins Ohr flüsterte:

"Du bist schuld daran, daß ich tot bin, Kagome."

Erschrocken riß sie die Augen auf. Inuyasha kniete neben ihr, der Blick seiner kalten toten Augen drangen bis zu ihrer Seele vor und sie spürte, wie irgendetwas in ihr drin zerbrach.

"Nein.........", stammelte sie hilflos.

"Richtig, wenn du nicht gewesen wärst......."

"Immer stehst du uns nur im Weg herum!"

"Genau, was kannst du schon, außer uns in Schwierigkeiten zu bringen?!

Strafend sahen die Vier sie an, zeigten anklagend mit dem Finger auf sie.

"Nein, nein, lasst mich!"

Sie wollte weg von hier, möglichst schnell.

"Leugnen ist zwecklos, wir haben alles gesehen!"

"Richtig. Du bist schuld!"

"Schuld!"

"Schuldig!"

Kagome hielt sich die Ohren zu. Trotzdem hörte sie es. Immer wieder und wieder. Sie hatte sich zu einer kleinen Kugel zusammengerollt, die nun hilflos auf dem Boden lag.

"Nein, nein! Bitte, hört auf! Laßt mich in Ruhe! Nein, nein, NEEEEEEEEIIIIIINN!!!!!!!!!!"
 

Kapitel Ende
 

Puha, das war's erst mal wieder von mir. Nun habt ihr die Antwort, warum es so lange mit diesem Kapitel gedauert hat. Ich konnte einfach nicht aufhören zu schreiben. Naja, dafür habe ich, glaube ich jetzt für das nächste halbe Jahr ausgesorgt (kleiner Scherz, bin schon beim nächsten Kapitel dabei). Und natürlich gibt's dafür auch wieder ne kleine Vorschau:

Nachdem Kagome aufgewacht ist, erkennen ihre Freunde sie nicht mehr wieder. Das Mädchen ist total verstört und scheint genau das Gegenteil von dem zu verstehen, was man ihr sagt. Als Folge dessen rennt sie weg. Sie läuft ziellos durch den Wald und findet sich plötzlich auf einer Lichtung wieder, die sie nur zu gut kennt. Die Lichtung, auf der sie Inuyasha zum ersten Mal begegnet ist....... (mehr dazu dann im neuen Kapitel).
 

Das nächste Kapitel trägt den Namen: Misstrauen und Versöhnung

Misstrauen und Versöhnung

Hallo, Ihr alle! Endlich hab ich es geschafft, das neue Kapitel ist fertig.

Vielen Dank noch mal für Eure lieben Kommis (war'n nur nen bisschen wenig, fand ich).

Aber ich fand's trotzdem toll, daß ihr mir treu geblieben seid.

Und da es solange gedauert hat, ist das nächste Kapitel auch wieder schön lang.

So, und jetzt viel Spaß beim Lesen!
 

5. Kapitel: Misstrauen und Versöhnung
 

Mit einem Schrei auf den Lippen erwachte Kagome. Sie spürte, wie Tränen ihre Wangen hinunterrannen und auf ihre Zudecke tropften, die sie fest mit den Händen umklammert hielt. Durch den markerschütternden Schrei des Mädchens waren auch ihre Freunde aus dem Schlaf hochgeschreckt. Besorgt und zugleich erschrocken sahen sie ihre Gefährtin an, die zitternd auf ihrem Lager saß und alle misstrauisch musterte. Sango war die erste, die sich ein Herz fasste und zu Kagome hinüberkrabbelte, um sie zu beruhigen. Sie berührte ihre Freundin vorsichtig an der Schulter, doch diese schlug ihre Hand sofort beiseite.

"Lass mich......lass mich gefälligst in Ruhe!" keuchte sie.

Die Dämonenjägerin starrte ungläubig auf ihre Hand und dann zu Kagome. Diese funkelte sie hasserfüllt an.

"Kagome", stammelte Sango. "Was ist mit dir?"

Sie rutschte etwas näher an das Mädchen heran, doch diese hob abermals die Hand.

"Nein, das tust du nicht, Kagome. Dafür kennen wir uns zu gut", sagte Sango, allerdings nicht sehr überzeugt davon, sondern mehr, um sich selbst Mut zu machen. Doch eh sie sich versah, rauschte Kagomes Hand herunter und traf sie mit voller Wucht im Gesicht. Mehr vor Überraschung als vor Schmerz aufschreiend, fiel die junge Frau nach hinten. Sie fing ihren Sturz jedoch gekonnt mit einer Hand ab und blickte direkt in die bestürzten Gesichter ihrer Freunde.

Kagome hatte sich derweil erhoben und stand nun wie ein drohender Schatten direkt vor Sango, die sie geschockt anstarrte und sich die schmerzende Stelle im Gesicht hielt.

"Das........das habt.......ihr euch selbst zuzuschreiben! Es ist nicht meine Schuld, was gerade geschehen ist. Sie hat mich dazu gezwungen!"

Dabei zeigte sie mit ihrem Finger auf die junge Dämonenjägerin, die noch immer sprachlos auf dem Boden saß. Dann machte das Mädchen mit einem Male Anstalten, die Hütte zu verlassen. Miroku, der bis jetzt noch nicht eingegriffen hatte, sprang nun auf, um Kagome den Weg zu versperren. Er hielt sie am Arm fest, innerlich darauf vorbereitet, daß sie auch jeden Moment nach im schlug, hatte er seinen Stab schützend erhoben. Doch der befürchtete Wiederstand blieb aus. Stattdessen drehte Kagome sich zu dem jungen Mönch um und sah ihm in die Augen, was bewirkte, daß er ihren Arm vor Schreck losließ.

"Ihr Gesicht.........ihre Augen........", dachte Miroku verwirrt und geschockt.

"Was ist nur mit ihr? Das ist doch......nicht mehr......unsere Kagome."

Mit vor Hass verzerrtem Gesicht stand sie nun vor ihm. Zögernd machte er einen Schritt auf sie zu, doch sie wich sofort zurück, die Hände zur Abwehr erhoben.

"Komm ja nicht näher! Ihr wollt mir ja nur wieder alle wehtun!"

Zum ersten Mal zeigte sich auf ihrem Gesicht wieder eine Spur von Angst, aber auch Traurigkeit. Sango erhob sich und trat an Mirokus Seite.

"Wir würden dir doch niemals wehtun, Kagome-chan. Freunde tun so etwas nicht. Das musst du mir glauben."

"Aaaahhh! Neeeeeiiin!!!!!

Erschrocken zuckten alle zusammen. Das Mädchen schüttelte immer wieder den Kopf und hielt sich die Ohren zu.

"Hört auf damit! Hört auf! Alles Lüge! Ihr sagt, ich sei Schuld an allem! Ihr sagt, ich sei zu nichts zu gebrauchen! Nun gut, wenn ihr meint! Ihr seid die längste Zeit meine Freunde gewesen!"

Mit diesen Worten wirbelte sie herum und stürmte aus der Hütte ins Freie hinaus.

Im ersten Moment wussten die jungen Leute und die alte Miko gar nicht, wie sie darauf reagieren sollten. Fassungslos starrten sie dem jungen Mädchen, daß kopflos Richtung Wald lief, hinterher; unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, sahen sie sich alle ratlos an. Doch mit einem Male quietschte Shippo besorgt auf, rief verzweifelt Kagomes Namen und sprang ihr hinterher. Auch Sango hatte sich nun wieder gefangen, nahm ihre Hand von der schmerzenden Stelle ihres Gesichtes und folgte dem kleinen Kitsune. Kirara, die treu an ihrer Seite lief, verwandelte sich und ließ ihre Freundin aufsitzen. Die Dämonenjägerin packte sich den verdutzten Shippo und setzte ihn auf seinen Stammplatz: Kiraras Kopf. Diese wollte sich gerade in die Lüfte erheben, als sie Kaedes Stimme vernahmen.

"Halt! Kommt zurück! Bleibt hier!"

Shippo und Sango sahen sich fragend an. Wieso sollten sie den zurückkehren? Jemand musste doch Kagome hinterher. Kirara fauchte fragend. Sango strich ihr beruhigend durchs Fell und bedeutete ihr, stehen zubleiben.

"Aber Kaede-sama! Was ist mit Kagome?!"

Die alte Miko hob den Arm und winkte einladend in Richtung ihrer Hütte.

"Kommt erst einmal zurück! Ich werde es euch in Ruhe erklären!"

Stirnrunzelnd stieg die Dämonenjägerin ab, nahm den kleinen Kitsune auf den Arm, während sich Kirara zurückverwandelte und lief zu Kaede und Miroku, die sich bereits in der Hütte niedergelassen hatten.

"Seltsam", dachte Sango, als sie das Heim der alten Miko betrat, "weshalb sehen die beiden die Situation so gelassen?"

Sie sprach ihre Gedanken auch sofort aus, doch Kaede bedeutete ihr, erst einmal Platz zu nehmen. So ließ sie sich neben dem jungen Mönch nieder, der sie ernst ansah. Shippo sprang auf ihren Schoß und musterte die Erwachsenen fragend. Als Kaede bemerkte, daß sie alle aufnahmebereit waren, räusperte sie sich hörbar und begann.

"Euch ist ja mit Sicherheit nicht entgangen, wie seltsam sich Kagome verhalten hat, kurz nachdem sie aufgewacht ist."

Miroku und Sango warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Seltsam war ja noch reichlich untertrieben!

"Nun ja", setzte Kaede ihre Erklärung für das mysteriöse Verhalten des Mädchens fort, "natürlich habt ihr es bemerkt. Wer hätte das nicht?"

"Und du hast eine Vermutung, weswegen sie so.....", Sango suchte nach dem richtigen Wort, "ausgerastet ist? Sie scheint uns gar nicht erkannt zu haben."

Die alte Miko schüttelte den Kopf und seufzte.

"Nein Sango, sie hat uns erkannt, da bin ich mir ganz sicher. Nur ich befürchte, daß irgendetwas, was auch immer es gewesen sein möge, Kagomes Sinne getäuscht hat."

"Du meinst also", begann Miroku, "daß sie das genaue Gegenteil von dem, was wir gesagt und getan haben, vernommen hat?"

Kaede nickte zustimmend.

"Richtig. Das würde auch ihr Verhalten uns gegenüber erklären."

Dann sah sie betreten zur Seite.

"Was ist los, Kaede-sama?"

Sango legte besorgt ihre Hand auf die der Miko.

"Ach Kinder, ich glaube, es ist ein bisschen meine Schuld, das es soweit gekommen ist."

Die Dämonenjägerin zog erstaunt die Augenbrauen hoch, während der Mönch an ihrer Seite verwirrt die Stirn in Falten legte. Shippo hingegen verstand nur Bahnhof.

"Was soll das heißen?"

Die jungen Leute sahen sie eindringlich an.

"Als ihr noch am Schlafen wart, habe ich über Kagome gewacht. Dabei fiel mir auf, daß sie im Schlaf redete, was ja in vielen Fällen nicht ungewöhnlich ist, aber als ich hörte, was sie da von sich gab, bekam ich es mit der Angst zu tun. Ach, hätte ich sie doch nur rechtzeitig geweckt, dann wäre sie vielleicht nicht fortgelaufen."

Sango betrachtete die alte Frau mitfühlend.

"Aber Kaede-sama, woher hättest du das denn wissen sollen? Mach dir bitte keine Vorwürfe deswegen."

Die Miko lächelte Sango dankbar an.

"Oma Kaede", meldete sich nun Shippo neugierig zu Wort, "was hat Kagome denn gesagt, was dir solche Angst einjagte?"

Traurig blickte die Angesprochene zu ihm hinüber.

"Ich befürchte, sie hat während ihrer Bewusstlosigkeit den ganzen Hergang des Unglücks noch einmal durchlebt und irgendjemand oder irgendetwas hat sie davon überzeugt, daß sie die Schuld am Tode Inuyashas trägt, da sie es mehrmals hintereinander laut aussprach."

Miroku, Sango und Shippo sahen sich fassungslos an.

"Aber", stammelte die junge Frau, "wieso denkt sie so etwas? Es war doch ganz allein Inuyashas Entscheidung so zu handeln. Warum.....?"

Sie hielt inne, als sie Mirokus Hand auf ihrer Schulter spürte.

"Wie würdest du dich denn fühlen, wenn ich mich für dich opfern würde? Wärst du nicht genauso verzweifelt und traurig und von Schuldgefühlen zerfressen?"

Sango wurde etwas rot, als Miroku ihr diese Frage stellte.

"Nun ja, ......ich......äh.......", stotterte sie verlegen, "klar wäre ich traurig, .....aber........nun, was ich.......damit sagen will ist........"

Der junge Mönch musterte sie amüsiert, während sie sich immer weiter verhaspelte und ihr Gesicht dabei die Farbe einer Tomate annahm. Kaede kam ihr zu Hilfe.

"Das Problem bei Kagome ist, daß sie denkt, ihr hasst sie für das, was geschehen ist."

"Oh", Sangos Gesicht hatte wieder die Normalfarbe angenommen, "ich verstehe. Und was machen wir jetzt? Hier herumsitzen und nichts tun und derweil irrt Kagome allein und verzweifelt durch den Wald?"

Die alte Miko musste wieder Willen schmunzeln. Es war schön zu hören, daß sich trotz der messerscharfen Attacken Kagomes nichts an der tiefen Freundschaft der Vier geändert hatte.

"Natürlich sitzen wir hier nicht untätig herum und warten, was geschieht. Aber ich denke, wir sollten Kagome etwas alleine lassen, damit sie wieder einen klaren Gedanken fassen kann."

Die jungen Leute nickten ihr zustimmend zu.

"Aber wenn sie in einer Stunde nicht zurück ist, dann gehen wir los und suchen sie!"

Shippo war aufgestanden und sah Kaede, Sango und Miroku flehend an. Der junge Mönch erhob sich und stupste ihn mit dem Finger in den Bauch, so daß der kleine Kitsune kichernd zusammenzuckte.

"Ja, das werden wir!" sagten sie alle wie im Chor.
 

Besagtes Mädchen, um das sich alle sorgten, lief noch immer ziellos durch den Wald. Die Tränen rannen ihr dabei pausenlos über die Wangen und tropften unaufhaltsam auf den Waldboden, wo sie mit dem Morgentau eins wurden. Sie wollte nur weg von hier, weg von allen, die sie hier kannte, weit weg von dem, was geschehen war, nur nach Hause in ihr Zimmer. Ohne auf den Weg zu achten, rannte sie kreuz und quer durch das Unterholz. Kleine Zweige und Dornen hinterließen blutige Kratzer auf ihrem Gesicht, den Armen und den Beinen, aber das war ihr einerlei. Kagomes Gedanken hielten noch immer an der schrecklichen Szene mit ihren Freunden fest. Hatte sich das wirklich abgespielt oder war alles nur Einbildung gewesen? Sie sah noch alles genau vor ihren Augen: Sango, die mit hasserfülltem Gesicht auf sie zukam, nachdem sie aufgewacht war, Miroku, der drohend seinen Stab gegen sie erhoben hatte, die alte Miko Kaede, die mit finsterem Blick in der Ecke ihrer Hütte saß und Shippo, der alles mit scheinbarer Gleichgültigkeit zu verfolgen schien. Sie schüttelte den Kopf, um diese schrecklichen Erinnerungen loszuwerden, doch es funktionierte nicht. Immer wieder zogen die vergangenen Ereignisse an ihr vorbei, quälten ihre ohnehin schon gepeinigte Seele. Was sollte jetzt werden? Sie würde durch den Brunnen nach Hause zurückkehren und dieser Zeit den Rücken zuwenden, da hier nichts und niemand mehr war, der auf sie wartete und sich auf ihre Wiederkehr freute. Wo war nur dieser verflixte Brunnen? Verzweifelt kämpfte sie sich durch einen Busch hindurch, als sie plötzlich stolperte und der Länge nach hinfiel. Schluchzend blieb sie liegen, ihre Verzweiflung schlug mit einem Male in Wut um, Wut über das, was geschehen war. Wie von Sinnen schlug sie mit ihren Fäusten auf den unschuldigen Waldboden ein und schrie sich den Kummer von der Seele.

"Wieso, Inuyasha?! Wieso hast du das getan?! Ich habe dich nicht darum gebeten! Wieso?!!"

Sie weinte hemmungslos und die Tiere des Waldes verstummten angesichts dieser kummervollen menschlichen Laute. Nach einer Weile schlief Kagome vor lauter Erschöpfung ein. Erst als ihre Nase von den ersten Sonnenstrahlen des anbrechenden Tages gekitzelt wurde, erwachte sie langsam. Erstaunt stellte sie fest, daß sie sich auf einer Lichtung befand, die sie nur allzu gut kannte. Die Sonne erhellte den gesamten Platz, aber ganz besonders schien sie sich auf den uralten Baum in der Mitte zu konzentrieren. Der Tau, der noch immer träge an den Blättern hing, leuchtete wie ein Heer von Diamanten und blendete Kagome. Müde rieb sie sich die Augen und stand auf. Der Goshinboku stand mächtig und erhaben vor ihr.

Inuyashas Baum.

Auf ihn hatte er sich jedes Mal zurückgezogen, um nachzudenken oder wenn der Kummer ihn überwältigte, dort hatten er und Kagome sich zum ersten Mal getroffen. Zögernd ging sie auf den Baum zu. Ein leichter Wind kam auf und fuhr sanft durch die Äste des Riesen, die sich rhythmisch hin- und herzuwiegen begannen. Die Blätter raschelten und der Wind flüsterte leise Kagomes Namen. Fasziniert von der Stille und Friedlichkeit, die dieser Ort ausstrahlte, ließ sie sich am Fuße seines Stammes nieder. Entspannt lauschte sie den Klängen des Waldes und verstand nun gut, warum Inuyasha sich oft hierher zurückgezogen hatte. Hier konnte man seine Sorgen, seinen Zorn oder seine Traurigkeit hinter sich lassen. Vielleicht war er nach einem Streit mit ihr deswegen immer wieder an diesen Ort zurückgekehrt, um wieder Herr seiner Gefühle zu werden. Aber trotz allem sie sich hier so wohl fühlte, ließen sich die schrecklichen Erinnerungen nicht aus ihrem Kopf vertreiben. Inuyashas zerschmetterter Körper tauchte abermals in ihren Gedanken auf, sie sah die verzweifelten Gesichter ihrer Freunde, dann die schrecklichen Anschuldigungen ihr gegenüber, aber am schlimmsten war es für sie, daß der Hanyou ihr die Schuld an allem gab, die Schuld an seinem Tod. Erst hatte sie alles nur für einen bösen Traum gehalten, aber ein Traum konnte nicht so intensiv und real sein, wie das, was sie erlebt hatte. Und nachdem es seit ihrem Erwachen so weitergangen war, brauchte sie keinen weiteren Beweis dafür, das es stimmte. Langsam stand sie auf und ließ den Wind durch ihr langes Haar streichen. Traurig blickte sie über ihre Schulter zurück auf den Weg, den sie gekommen war. Ja, zurück konnte sie nun nicht mehr. Sie kam sich vor wie eine Geächtete, die wegen eines Verbrechens gesucht wurde und sich nun feige hier versteckt hielt. Kagome wandte sich dem Goshinboku zu, ihre Hand berührte sehnsuchtsvoll die Stelle, an der sie Inuyasha damals schlafend vorgefunden hatte, gebannt von einem Pfeil, abgeschossen von der Frau, die ihn einst geliebt hatte, die Miko Kikyo. Mit einem flüchtigen Lächeln auf den Lippen erinnerte sie sich an den Tag, der von da an ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen sollte. In dem Hanyou, dem Mönch, der Dämonenjägerin und dem kleinen Kitsune hatte sie treue Gefährten gefunden, die einem, wenn es nötig gewesen wäre, sogar bis in die Hölle gefolgt wären. Und sie, Kagome, war der Grund dafür, daß das niemals wieder so werden würde. Wegen ihr würde Naraku nun das Juwel der vier Seelen irgendwann zusammensetzen und wer weiß was damit anstellen. Ihre Augen füllten sich erneut mit Tränen.

"Oh, Inuyasha. Hätten wir uns doch nie getroffen. Glaub mir, es wäre besser so gewesen."

Kraftlos sank sie zu Boden und ließ ihrem wohl nie enden wollendem Kummer freien Lauf. Sie wusste später nicht mehr, wie lange sie dort so ausgeharrt hatte, bis sie eine ihr wohlbekannte Stimme vernahm.

"Kagome-sama!"

Ein kleiner schwarzer Punkt sprang sie freudig an und machte sich nun genüsslich an ihrem Hals zu schaffen. Mit einem "Klatsch" unterbrach Kagome das kleine Wesen bei seiner Nahrungsaufnahme. Es fiel unsanft in ihre ausgestreckte Hand und rappelte sich langsam auf.

"Myoga-jiji....", entfuhr es dem Mädchen überrascht.

Mit jedem hätte sie gerechnet, aber am wenigsten mit dem kleinen Flohgeist. Der sah sie etwas entrüstet an, was wohl an dem schmerzhaften Willkommensklatscher liegen musste, aber als er Kagomes rot verquollene Augen bemerkte, schlug sein Gesichtsausdruck in Besorgnis um.

"Kagome-sama", begann er vorsichtig, "ist etwas geschehen? Habt ihr euch wieder mit Inuyasha-sama gestritten? Wo ist er überhaupt? Ich kann ihn gar nicht riechen."

Kagome begann wieder zu schluchzen. Was sollte sie dem Flohgeist nur sagen?

"Oh, bitte nicht weinen", sagte Myoga bestürzt., "war er dieses Mal etwa ganz besonders ungehalten zu euch? Na, ich glaube, ich muß mit diesem jungen Rabauken mal ein ernstes Wort reden."

Er ballte entschlossen seine kleine Faust und lächelte Kagome aufmunternd an. Die wiederum weinte nur noch mehr.

"Oh je", dachte der kleine Flohgeist, "was hat er nur zu ihr gesagt, daß sie so verzweifelt ist?"

Mitfühlend tätschelte er mit seiner kleinen Hand ihre Handfläche.

"Das bringen wir schon wieder ins Lot. Man kann ja über alles reden, ihr werdet schon sehen."

Kagome schüttelte den Kopf.

"Nein, Myoga, du verstehst nicht! Es wird nie wieder so wie früher sein! Inuyasha ist.......er ist........ist.......tot!"

Der Flohgeist bekam große Augen, dann fiel er, geschockt von Kagomes Nachricht, unsanft auf sein Hinterteil. Dem Mädchen kullerten unterdessen große dicke Tränen über die Wangen.

"Ist..........das wirklich wahr?"

Kagome nickte stumm.

"Deswegen konnte ich sein Blut nicht riechen. Er hielt sich sonst immer in eurer Nähe auf, aus Angst, es könnte euch was geschehen."

Das Mädchen sah den Flohgeist aus verweinten Augen erstaunt an. Stimmte das? War er ihr wirklich jedes Mal gefolgt, wenn sie nach einem Streit mit ihm das Weite gesucht hatte? Ihr war es niemals aufgefallen.

"Wie ist es passiert?"

Myogas Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie schluckte hart, bevor sie antwortete.

"Er ist von einem mächtigen Youkai, gegen den wir alle keine Chance hatten, getötet worden. Und.......das alles nur, weil.......er mich..........beschützen wollte! Es ist alles meine Schuld!"

Sie schlug die Hände vors Gesicht, weil sie nicht wollte, daß Myoga sie so sah. Der hüpfte erschrocken von ihrer Hand auf das Knie des Mädchens, um nicht als Flohmus zu enden. Bestürzt betrachtete er sie. Was hatte sie gesagt? Sie sei schuld daran? Unmöglich! Kagome weinte bittere Tränen. Der Flohgeist starrte hilflos zu Boden. Was sollte er jetzt tun? Schlimm genug, daß sein junger Herr einen grausamen Tod gefunden hatte und er, Myoga, den Schwur, den er einst vor seinem damaligen Herrn ablegen musste, nicht hatte einhalten können. Nun kniete dieses Mädchen vor ihm und machte sich die schlimmsten Vorwürfe. Er sprang auf eine ihrer Hände, die noch immer das Gesicht bedeckt hielten und berührte zaghaft ihre Nasenspitze, damit sie auf ihn aufmerksam wurde.

"Kagome-sama, ich weiß zwar nicht, wie sich das Unglück ereignet hat, aber was ich mit Bestimmtheit zum Ausdruck bringen kann ist, daß ihr nicht die Schuld daran tragt, daß Inuyasha-sama viel zu früh seinem ehrenwerten Herrn Vater gefolgt ist."

Bestimmt sah er das Mädchen an, die kleinen Ärmchen ineinander verschränkt und stolz seine Nase emporreckend.

"Nein, .......ich.........kann nicht.......zurück. Sie.......hassen mich alle. Sie haben mich sogar fortgejagt. Mir bleibt nur noch eine Möglichkeit. Ich verlasse diese Zeit und versuche alles zu vergessen."

Kagome wollte aufstehen und fortgehen, doch Myoga zwickte ihr in die Hand, so daß sie innehielt.

"Was soll das bedeuten, sie haben euch fortgejagt? Von wem sprecht ihr?"

Bedrückt senkte das Mädchen den Kopf, als sie dem alten Flohgeist von den Ereignissen der vergangenen Stunden berichtete. Dabei wurden Myogas Augen ständig größer und er schüttelte mehrmals ungläubig den Kopf. Als sie ihren Bericht beendet hatte, ergriff er das Wort.

"Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Das würden sie niemals tun. Irgendetwas stimmt da doch nicht."

Kagome schaute mit leeren Augen durch ihn hindurch.

"Es ist aber so", beharrte sie auf ihrer Aussage, "glaubst du mir etwa nicht?"

Der Flohgeist wollte sie gerade weiterhin davon überzeugen, daß dem nicht so wäre, als er plötzlich erschrocken zusammenzuckte. Bevor er das Mädchen hier gefunden hatte, war ihm die Präsenz eines Dämons aufgefallen. Diese Feststellung war allerdings komplett seinen Gedanken entflohen, als er der schrecklichen Nachricht Kagomes gelauscht hatte. Jetzt konnte er das fremde Youki umso stärker spüren. Und es bestand kein Zweifel daran, das war so sicher wie das Amen in der Kirche, daß es kein Dämon, sondern Kagome war, die es aussandte! Geschockt starrte er sie an. Wie war das möglich? Doch dann kam ihm ein Gedanke. Konnte es etwa sein, daß...?

"Kagome-sama, seit wann ist euch das seltsame Verhalten eurer Freunde aufgefallen?"

Er wusste, daß es nicht die anderen waren, die sich auffällig verhielten, sondern Kagome, aber er musste hundertprozentig sicher sein, was seine Vermutung betraf.

"Ich weiß nicht genau, alles woran ich mich erinnern kann, ist, daß mir schwarz vor Augen wurde, dann kam lange Zeit gar nichts. Irgendwann bin ich in dieser seltsamen Welt aufgewacht, ich wusste nicht, wo ich war und habe Angst bekommen. Ich bin gelaufen und dann nach einer Weile, .......da habe ich......ihn getroffen. Er......sah so schlimm aus," sie hielt inne und kämpfte erneut dagegen an zu weinen, "ich wollte ihm helfen, doch er hat so schreckliche Dinge gesagt und dann......und dann tauchten Miroku, Sango und Shippo auf und.....und......"

Kagome brach ab. Still und lautlos flossen die Tränen ihre Wangen hinab und suchten sich ihren Weg, bis sie in den Waldboden sickerten. Ihre Stimme zitterte, als sie weitersprach.

"Nachdem ich aufwachte, nahm dieser Alptraum noch immer kein Ende. Die anderen machten mir die schlimmsten Vorwürfe und beschimpften mich aufs Übelste. Anschließend.....haben sie......mich fortgejagt."

Myoga musterte das Mädchen nachdenklich. Scheinbar hatte er wirklich recht mit dem, was er dachte.

"Eine Frage muss ich euch noch stellen. Was denkt ihr von mir? Wie verhalte ich mich euch gegenüber?"

Verdutzt runzelte Kagome die Stirn. Was für eine seltsame Frage. Aber sie antwortete ihm wahrheitsgemäß.

"Anfangs habe ich dir misstraut, ich wusste nicht auf wessen Seite du stehst. Allerdings wird mir jetzt immer mehr bewusst, daß du mir nur helfen und mich trösten willst. Es ist eigenartig, ich fühle mich, als würde eine dunkle Wolke, die meine Sicht getrübt hat, sich langsam auflösen."

Der Flohgeist atmete erleichtert auf. Er spürte, daß das Youki nun auch deutlich schwächer war als noch zuvor.

"Warum fragst du mich all diese Dinge, Myoga?"

Das Mädchen hatte sich wieder etwas beruhigt uns sah ihn fragend an.

"Nun, es ist so", der alte Flohgeist räusperte sich, "bevor ich auf euch hier traf, fühlte ich, daß sich ein Youkai in der Nähe befand. Ich konnte ganz deutlich seine Macht spüren. Nachdem ich euch dann an diesem Ort vorfand, bemerkte ich im ersten Moment gar nicht, daß diese gewaltige Macht des Dämons von euch ausging."

Kagome riss erstaunt die Augen auf.

"WAS?!"

Ungläubig sah sie ihn an.

"Also, ich denke, es lässt sich so erklären: Als der Youkai angriff, sagtet ihr, hatte er es auf euch abgesehen wegen der Juwelensplitter. Ich befürchte, daß er eine Art Bann über eure Sinne gelegt hat, damit ihr euch von euren Freunden abwendet und ihm somit schutzlos ausgeliefert seid."

Trotz der Feststellung Myogas, daß sie sich noch immer in Gefahr befand, hellte sich das Gesicht des Mädchens ein wenig auf.

"Du meinst also, all diese schrecklichen Dinge, die ich erlebt habe, sind in Wirklichkeit nicht geschehen? Miroku, Sango und Shippo sind gar nicht böse auf mich? Und Inuyasha......?"

Myoga lächelte geheimnisvoll.

"Wieso fragst du sie nicht selber?"

Erstaunt schweifte ihr Blick über ihre Handfläche, auf der der kleine Flohgeist Platz genommen hatte. Auf dem Weg hierher? Was.....? Doch dann vernahm sie Stimmen. Besorgt riefen sie ihren Namen, immer wieder und wieder. Kagome wollte am liebsten aufspringen, ihnen entgegen eilen und sie alle in die Arme schließen. Dennoch zögerte sie, hatte Angst vor der Reaktion ihrer Freunde. Was würden sie wohl sagen, wenn sie aufeinander trafen? Würden sie ihr das seltsame Verhalten, was sie an den Tag gelegt hatte, verzeihen? Würde sie Sango noch in die Augen sehen können, nachdem, was sie getan hatte? Unsicher begann sie sich immer mehr und mehr in ihr Schneckenhaus zurückzuziehen, wo ihr keiner wehtun konnte. Myoga betrachtete das Ganze etwas besorgt.

"Kagome-sama", begann er vorsichtig, "das sind eure Freunde. Habt Vertrauen. Wenn ihr für sie nicht wichtig wärt, hätten sie sich dann auf die Suche nach euch gemacht?"

Das Mädchen hob leicht den Kopf und blinzelte ihn durch ihre Haare, die ihr Gesicht bedeckten, an. Ihre Gedanken und Gefühle führten Krieg miteinander. Einerseits fürchtete sie die Konfrontation, andererseits plagte sie die Angst vor dem Alleinsein. Was sollte sie also tun?

Myoga stellte unterdessen erfreut fest, daß das fremde Youki, was Kagomes Seele schwer belastet hatte, mehr und mehr schwand.

"Ich will nicht allein sein!" schoss es plötzlich durch Kagomes Gedanken. Langsam hob sie den Kopf und blickte in die Ferne.

"Ich bin hier........," flüsterte das Mädchen, "hier, hier bin ich."

Zaghaft wurde sie lauter, aber immer noch nicht laut genug, damit ihre Freunde sie hören konnten. So saß sie da, an den Stamm des Goshinboku gelehnt, mit schwacher Stimme nach denen rufend, die ihr so viel bedeuteten und deren Stimmen sich hörbar immer weiter entfernten. Erneut traten Tränen in ihre Augen. Ihr eigenes Verhalten stimmte sie wütend.

"Verdammt", dachte sie, "verdammt Kagome! Was ist nur aus dir geworden?! Hast du dich so von Trugbildern einschüchtern lassen, daß du nicht mal mehr den Mut aufbringst, deinen Freunden entgegen zu treten?! Verdammt! Wenn Inuyasha dich so sehen würde........"

Erschrocken hielt sie inne. Daß sie jetzt an ihn denken musste...... . Inuyasha......... . Wieder sah sie ihn vor sich, doch nicht wie in ihren schrecklichen Alpträumen, wo er sie mit seinen kalten leeren Augen gemustert hatte, sondern nun lächelte er sie an, so, wie er gelächelt hatte, kurz bevor er sich dem Youkai stellte. Der Hanyou streckte ihr seine Hand entgegen und nickte ihr aufmunternd zu. Kagome zögerte. Sollte sie zugreifen? Wenn ja, würde dann alles so wie früher werden? Oder...... . Schon wieder begann sie zweifeln. Doch dann vernahm sie Inuyashas Stimme.

"Vertraust du mir etwa nicht?"

Ihre Augen weiteten sich. Voller Schrecken dachte sie an den Moment, in dem er diese Frage schon einmal gestellt hatte und obwohl sie wusste, daß das vor ein paar Stunden nicht die Realität gewesen war, wollte sie denselben Fehler nicht noch einmal begehen. Zwar war das hier auch nicht echt, denn Myoga blickte ständig verwirrt hin und her, doch sie verspürte dieses Mal keine Angst.

"Doch", wisperte sie, "ich vertraue dir."

Sein Lächeln wurde wärmer.

"Dann nimm meine Hand und komm zurück in die Wirklichkeit!"

Zum ersten Mal zeigte sich wieder ein flüchtiges Lächeln auf ihrem Lippen. Sie legte ihre Hand in die seine und er zog sie mit aller Kraft zu sich. Er strich ihr vorsichtig die Haare aus dem Gesicht und streichelte ihre Wange.

"Ich will nicht, daß du leidest, Kagome, hörst du? Ich will nicht, daß es dir so ergeht, wie es mit damals ergangen ist. Geh zu ihnen, dich trifft keine Schuld. Es war allein meine Entscheidung."

"Inuyasha...... ."

"Ich werde immer bei dir sein, Kagome. Vergiss das bitte nicht."

Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand.

"Inu......yasha...... . Warte! Inuyasha!"

Traurig sah sie auf die Stelle, wo er verschwunden war. Myoga musterte sie nachdenklich. Mit wem hatte sie denn bloß gesprochen? Kagomes Hand wanderte an die Stelle, wo der Hanyou sie berührt hatte. Sie war angenehm warm. War er etwa doch.......hier gewesen?

"Egal", dachte sie, "er hat mir geholfen. Und nun will ich das tun, was ich versprochen habe."

Mit diesen Gedanken im Kopf holte sie tief Luft und schrie so laut wie sie konnte.

"ICH BIN HIIIIIIIIIEEEEER!!!"

Myoga fiel vor Schreck von ihrer Handfläche. Als er sich anschließend wieder aufrappelte, bemerkte er erfreut, daß das fremde Youki, was von Kagomes Seele Besitz ergriffen hatte, komplett verschwunden war! Die dunkle Aura schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

Etwa zur selben Zeit drehten sich drei Gestalten in dieselbe Richtung, als sie eine Stimme vernahmen. Prompt blieben sie stehen und verharrten lauschend. Miroku sah seine beiden Gefährten hoffnungsvoll an.

"Habt ihr das auch gehört?"

"Ja!" Sangos Gesicht hellte sich mit einem Schlag auf.

"Das war Kagome!" jubelte der kleine Kitsune und sprang auf Sangos Arm, die Seite an Seite mit Miroku loslief, immer der Stimme hinterher. Als sie auf der Lichtung ankamen und Kagome erblickten, die noch immer am Stamm des Goshinboku lehnte, blieben sie wie angewurzelt stehen. War sie jetzt wieder sie selbst, oder.......?

"Miroku, Sango, Shippo. Ich bin so froh euch zu sehen."

Kagome weinte, doch diesmal waren es Tränen der Erleichterung und Freude. Nachdem sie diese Worte ausgesprochen hatte, löste sich auch die Angespanntheit ihrer Freunde. Sango war die erste, die zu Kagome lief, vor ihr auf die Knie sank und sie überglücklich umarmte.

"Oh, Kagome! Ich bin ja so froh, daß wir dich nicht verloren haben! Ich hatte solche Angst!"

Kagome streichelte ihr beruhigend über den Rücken. Bestürzt stellte sie fest, daß ihre Freundin ebenfalls weinte. Sie löste sich sanft aus ihrer Umarmung und wischte ihr vorsichtig ein paar Tränen aus dem Gesicht.

"Sango, hör zu. Es......es tut mir so leid, was ich getan habe, daß ich dich......", sie schluckte, " geschlagen habe. Das wollte ich nicht. Irgendetwas ist da mit mir geschehen und es hatte was mit dem Youkai zu tun, aber......"

"Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, Kagome", unterbrach sie Sango, "Kaede hat uns alles erklärt, aber auch, wenn wir es nicht gewusst hätten, wir wären dich trotzdem suchen gegangen. Schließlich sind wir doch Freunde, oder nicht?"

Verschmitzt zwinkerte sie ihr zu.

"Sango......"

Allein dieser eine Satz hatte genügt, um aus Kagome wieder das Mädchen zu machen, daß sie vorher gewesen war.

"Kagomeeeee!"

Shippo hüpfte freudestrahlend auf sie zu, während Myoga fluchend auf Mirokus Hand sprang, um nicht von den Kitsunefüßen zermatscht zu werden. Der junge Mönch hatte sich nun ebenfalls dazugesellt. Kagome drückte den kleinen Kitsune glücklich an sich und zwickte ihn aus Spaß in die Nase. Sango und Miroku betrachteten voller Freude die Szene, bis sich der Mönch neugierig an den Flohgeist wandte.

"Sag mal, Myoga, was machst du eigentlich hier?"

Der Flohgeist kratzte sich verlegen am Kopf.

"Öhm, na ja, ich bin rein zufällig hier vorbeigekommen. Und jetzt muss ich auch schon wieder weiter. Machts gut!"

Er wollte gerade das Weite suchen, als sich Kagome einmischte.

"Keine falsche Bescheidenheit, Myoga. Ohne dich wäre ich im Brunnen verschwunden und wir alle hätten uns niemals wieder gesehen."

Erstaunt musterten Miroku, Sango und Shippo den alten Flohgeist, der schon ganz rot im Gesicht angelaufen war.

"Ist das wahr?"

Nervös trippelte er von einem Fuß auf den anderen. Wieso war ihm das bloß so unangenehm?

"Nun ja, .....ja, ich hab da wohl ein bisschen geholfen, aber nicht viel, weil eigentlich......"

Doch die jungen Leute ließen ihn gar nicht ausreden.

"Wow, Myoga! Dann bist du ja so was wie ein Held!"

"Ich wusste doch, daß du auch mal an andere denkst und nicht immer nur an dich!"

"Und dir ist es zu verdanken, daß Kagome wieder Kagome ist, stimmt's?"

Sie alle plapperten fröhlich durcheinander, nur Kagome und Myoga sahen sich ernst an.

"Nein", begann der Flohgeist, "ich habe zwar etwas geholfen, aber ich bin nicht derjenige, der Kagome endgültig in die Wirklichkeit zurückgebracht hat, habe ich recht?"

Die letzten Worte richtete er direkt an das Mädchen, die vor Schreck die Augen aufriss. Ihre Freunde sahen sie an.

"Was meint er, Kagome?" fragte Sango. "Wer hat dir geholfen?"

Das Mädchen senkte betrübt den Kopf.

"Es war.......Inuyasha."

Die anderen wechselten erstaunte Blicke.

"Aber wie ist das möglich? Inuyasha ist doch......."

Miroku brach ab. Auch er konnte sich mit der jetzigen Situation noch immer nicht abfinden. "Ich weiß", erwiderte Kagome, "aber tief hier drin", sie zeigte auf ihr Herz, "ist er bei mir. Auf immer und ewig."

Der junge Mönch lächelte ihr zu. Gedankenverloren sah er zum Himmel und bemerkte, daß die Sonne schon sehr hoch stand.

"Wir sollten langsam zurückgehen. Kaede-sama macht sich mit Sicherheit schon Sorgen."

Kagome stand mit Hilfe von Sango auf. Durch das lange Sitzen waren ihre Beine ganz steif geworden.

"Und sie ist auch nicht böse auf mich? Ich meine, nachdem, was ich getan habe?"

Ihre Freunde sahen sie verständnisvoll an.

"Ach was, nein. Sie könnte gar nicht böse auf dich sein. Ich glaube, sie weiß nicht einmal, was das Wort bedeutet."

Auf die Worte Sangos hin mussten sie alle unwillkürlich lachen.

"Na, dann sollten wir gehen. Kommst du auch mit, Myoga-jiji?"

Kagome blickte zu dem Flohgeist hinüber, der es sich auf Mirokus Hand bequem gemacht hatte.

"Ja, ich werde mit euch gehen. Das bin ich Inuyasha-sama schuldig."

Schlagartig waren alle still. Jeder von ihnen fühlte sich wieder an den Moment erinnert, als der Hanyou für sie alle sein Leben gelassen hatte. Schweigend gingen sie los.

Nach einer Weile durchbrach Kagomes Stimme die Stille.

"Ist.......ist er.......im Dorf?"

Fragend schaute sie zu Miroku hinüber.

"Ja. Wir haben ihn in den Tempel gebracht. Dort wurde er aufgebahrt bis zum Tage seines Abschiedes."

Das Mädchen war sprachlos. Sie hatten ihn im Tempel aufgebahrt? Wie einen richtigen Helden...... . Aber das war er ja auch zweifelsohne. Nur......., musste man dafür erst sterben, um einer zu werden? Nein, für sie war er auch schon zu Lebzeiten zu einem geworden, das stand fest.

"Darf ich......ihn noch einmal......sehen?"

Sango legte den Arm um sie.

"Natürlich, Kagome. Schließlich.......hattest du ja noch nicht die Gelegenheit, ihm......lebe wohl zu sagen."

Der Dämonenjägerin fiel es sichtlich schwer, darüber zu reden. Auch der kleine Kitsune hatte sein fröhliches Lächeln nun wieder gegen einen traurigen Blick eingetauscht.

"Du hast ihnen allen viel bedeutet, Inuyasha", dachte Kagome, "doch mir wirst du am meisten fehlen."
 

Das war's auch schon wieder. Kagomes Leiden hat nun auch erst mal ein Ende gefunden. Für diejenigen, denen das etwas zu heftig war, frage ich, wie würdet ihr euch denn fühlen, wenn euch der beste Freund genommen wird? Nicht etwa genauso? Und außerdem ist das ja hier keine Komödie, sondern ein Drama und da geht's ja nicht ständig lustig zu. So, das musste ich mal kurz sagen.

Das nächste Kapitel heißt: Abschied für immer?

Darin geht es um Inuyashas letzten Weg und die Gefühle seiner Freunde. Nach seiner Beisetzung entscheiden sie sich, weiter nach den Juwelensplittern zu suchen. Sesshomaru macht derweil eine unglaubliche Entdeckung. Was das wohl sein könnte?
 

Bis zum nächsten Mal
 

Eure Mariko-chan*

Abschied für immer?

Erst mal ein riesengroßes Sorry an alle, dass es solange gedauert hat. Aber wenn ihr anfangt zu lesen, dann seht ihr warum, ist ziemlich viel geworden, mein längstes Kapitel seit dem Anfang. Natürlich möchte ich mich wieder bei den ganzen Kommischreibern bedanken, und komme natürlich gleich der Aufforderung nach, bei diesem Mal ein paar Taschentücher beizulegen, denn einmal werdet ihr sie noch brauchen. So und jetzt überlass ich euch das Feld, muss meine Finger kühlen, sind die nächsten Tage erst mal gebrauchsunfähig (stöhn).
 

6. Kapitel: Abschied für immer?
 

Seit fast zwei Stunden harrte die alte Kaede nun schon vor ihrer Hütte aus und wartete geduldig auf die Rückkehr derer, die sie zur Suche Kagomes in den Wald geschickt hatte. Aus dem Inneren ihres Heimes vernahm man das aufgeregte Blubbern einer Suppe, die sie für die jungen Leute zubereitete, denn sie würden mit Sicherheit sehr hungrig sein, wenn sie sich alle hier wieder eingefunden hatten. Wenn alle kamen ... .

Die alte Frau seufzte und verschränkte nachdenklich die Hände hinter dem Rücken. Niemals hätte sie eine solche Situation, in der sie sich nun alle befanden, für möglich gehalten. Über dem Dorf lag eine gespenstische Stille, die ihr reichlich Anlass zum Nachdenken gab. Jeder, der an ihrer Hütte vorbeikam, erkundigte sich nach Kagomes Befinden. Kaede unterrichtete daraufhin jeden von ihnen, daß es dem Mädchen den Umständen entsprechend gut ginge. Sie konnte ja schließlich schlecht mit der Wahrheit ans Licht treten. So nickte sie den fragenden Dorfbewohnern nur höflich zu, gab Antwort und wünschte noch einen guten Tag. Nach einer Weile fiel der alten Miko auf, daß es nicht nur die Stille war, die sie bedrückte, sondern auch das ganze Umfeld, was ihr Sorgen bereitete. Sonst tollten zu dieser Zeit die Kinder durch das Dorf, die Frauen unterhielten sich angeregt über den neuesten Klatsch vor ihren Hütten und die Männer machten sich auf den Weg zu den Feldern, um zu arbeiten. Doch heute konnte man davon nichts sehen geschweige denn hören. Diejenigen, die den Weg vor ihre Hütte gefunden hatten, schlurften mit hängenden Schultern durch das Dorf, blieben ab und zu stehen und musterten Kaedes Hütte oder fanden sich vor dem Tempel ein, um ein stilles Gebet für jemanden zu sprechen, den sie erst jetzt nach dessen Tod zu schätzen gelernt hatten. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man annehmen, daß mit dem Tod des Hanyous auch das Leben aus diesem Dorf gewichen war.

Gedankenverloren sah Kaede zum Himmel und stellte fest, daß es schon fast Mittag sein musste. Wo blieben sie nur solange?

"Hoffentlich", so dachte die alte Frau, "ist Kagome wohlauf."

Sie würde es sich niemals verzeihen können, wenn dem Mädchen etwas zugestoßen wäre. Vielleicht hätte sie Sango und Shippo doch gewähren lassen sollen, als sie Kagome folgen wollten. Die Stimme einer jungen Frau riss sie aus ihren Gedanken.

"Kaede-sama, ich hoffe, ich habe euch nicht erschreckt."

Ihrem Gegenüber war es nicht entgangen, daß sie zusammengezuckt war. Die alte Frau lächelte beschwichtigend und winkte ab.

"Nein, nein, mein Kind. Ich habe nur gerade über etwas nachgedacht und dich nicht kommen hören. Aber sprich, was kann ich für dich tun?"

Die Blicke der beiden trafen sich für den Bruchteil einer Sekunde, doch die junge Frau senkte schnell den Kopf. Als sie antwortete, klang ihren Stimme traurig.

"Ich ... soll euch darüber unterrichten, daß der .... Junge für seinen bevorstehenden Abschied hergerichtet wurde. Die Frauen des Tempels warten auf eure weiteren Anweisungen."

Kaede verstand. Es war also schon soweit. Aber es ging noch nicht. Sie musste Kagomes Rückkehr abwarten. So wandte sie sich erneut an die junge Frau.

"Gib den Frauen im Tempel Bescheid, daß ich gleich bei ihnen sein werde und mit ihnen dann alles weitere bespreche."

Die junge Frau nickte gehorsam und machte sich auf den Weg.

Das fröhliche Blubbern der Suppe ließ Kaede aufhorchen. Eilig betrat sie ihre Hütte und nahm den kleinen Kessel vom Feuer, bevor ihr vorbereitetes Mahl anbrannte, denn es würde etwas dauern, bis sie sich wieder hier einfand und eine angebrannte Suppe wollte sie ihren jungen Schützlingen nun wirklich nicht vorsetzen. Die alte Miko stellte den Kessel beiseite und löschte das Feuer. Dann erhob sie sich langsam, um den Weg zum Tempel einzuschlagen. Während sie durch ihr Heimatdorf schritt, fühlte sie, wie sich mehrere Augenpaare an sie hefteten. Das Geflüster der Leute drang an ihre Ohren, denn obwohl sie schon eine alte Frau war, besaß sie ein Gehör, daß einer Katze gleichkam. Und so verstand sie auch jedes einzelne Wort, was sie sprachen, ließ sich jedoch nichts anmerken. Nicht, daß die Menschen dieses Dorfes etwas Schlechtes hinter ihrem Rücken redeten, nein, sie hatten immer hinter den Entscheidungen der Miko gestanden, es wunderte Kaede nur, was sie sagten.

"Der arme Junge, hoffentlich hat er nicht zu sehr gelitten, als er starb. Um das Mädchen tut es mir auch leid, soweit ich weiß, haben die beiden sich sehr nahe gestanden. Und jetzt das."

"Richtig, das hat er nicht verdient, auch wenn er ein Halbblut ist und die Schuld am Tod unserer damaligen Miko trägt."

Kaede zuckte unwillkürlich zusammen. Was sagten sie da? Er trug die Schuld am Tod ihrer Schwester? Wussten sie denn nicht, daß ...? Nein, natürlich nicht! Sie konnten es ja nicht wissen. Der Name Narakus war ihnen fremd, nie hatten die Dorfbewohner etwas von ihm gehört, also kannten sie auch nicht die andere Seite der Medaille, die Wahrheit über den Tod Kikyos. Auch sie hatte jahrelang nicht gewusst, was sich damals wirklich zugetragen hatte, bis Kagome auftauchte und den Stein ins Rollen brachte.

Den Blick nach vorne gerichtet, betrat sie schweigend den Tempel. Die beiden Tempelwächter, die sie schon erwartet hatten, verneigten sich vor ihr und wiesen ihr den Weg. Kaede folgten ihnen durch die abgedunkelten Gänge, die nur ab und zu von Kerzen erhellt wurden, die in Haltern an der Wand steckten. Die Schatten, die durch das flackernde Licht an die Wände geworfen wurden, erschienen der Miko riesig und irgendwie unwirklich. Sie hielt sich nicht gerne in diesem Gebäude auf. Warum wusste sie nicht. Aber ..., vielleicht doch. Vielleicht, weil hier alle Dinge ihren Anfang und ihr Ende hatten. In diesem Tempel wurde ihre Schwester zur Priesterin geweiht, das Juwel der vier Seelen wurde hier verwahrt, bis zu jenem Tage an dem Inuyasha es entwendet hatte, hier wurde sie nach dem Tode Kikyos zur Priesterin ernannt und hier ..., ja, hier lag nun der Junge, den ihre Schwester geliebt hatte, aufgebahrt und bereit seinen letzten Weg anzutreten. Ihre Schwester ... . Kaede konnte sich noch gut an den Tag erinnern, als Kikyo und der Hanyou sich zum ersten Mal näher gekommen waren. Ihre Schwester war wie ausgewechselt gewesen, hatte mit Kaede gescherzt und gelacht. Obwohl sie damals keine Ahnung davon gehabt hatte, weswegen Kikyo so fröhlich gewesen war, freute sie sich doch mit ihrer Schwester, denn es war das erste Mal seit langem, daß sich auf ihrem Gesicht ein zufriedener und glücklicher Ausdruck zeigte. Nach dem viel zu frühen Tod ihrer Eltern stand es damals um die Schwestern nicht gerade gut. Erst als Kikyo die Ernennung zur Priesterin aufgrund ihrer außergewöhnlichen Fähigkeiten hinter sich gebracht hatte, ging es bergauf für die beiden Mädchen. Allerdings musste ihre ältere Schwester damals aufgrund ihrer Bestimmung und Position auf all die Dinge, von der eine junge Frau ihres Alters träumt, verzichten. Die Treffen mit Inuyasha verliefen daher immer heimlich. Wie gut hatte sie es vor Kaede geheim gehalten. Niemand wusste etwas von ihrer jungen Liebe. Und das war auch gut so, denn wenn es ans Licht gekommen wäre, hätte man Kikyo mit Schimpf und Schande aus dem Dorf verjagt und Kaede gleich dazu. Eine Miko und ein Hanyou. Das war schier unmöglich. Einer Hüterin des Lichts war es strengstens untersagt, sich mit den Wesen der Schatten einzulassen und dann auch noch mit einem Halbblut.

Eine Hand legte sich plötzlich auf die Schulter der alten Frau, um sie auf etwas vor ihr aufmerksam zu machen. Ihre Erinnerungen verblassten in dem Moment wie das Licht eines sich dem Ende zuneigenden Tages. Sie befand sich direkt vor einem Raum, dessen Türe noch verschlossen war. Die Tempelwächter bauten sich rechts und links von ihr auf und sorgten für den Einlass der Miko. Danach verneigten sie sich respektvoll vor ihr, bevor sie den Blick ins Innere freigaben und sich langsam entfernten. Mit angehaltenem Atem trat Kaede ein. Ihr Augenmerk fiel sofort auf den in der Mitte des Raumes aufgebahrten Jungen. Die Frauen des Tempels hatten ihn gewaschen, seine Wunden versorgt und ihn in ein schneeweißes Gewand gekleidet. Das warme Licht der Kerzen, die man um seinen leblosen Körper herum aufgestellt hatte, spiegelte sich auf seinem blassen Gesicht wieder. Die alte Frau spürte, wie sich ein dicker Kloß in ihrem Hals bildete. Nur mit Mühe konnte sie die Tränen zurückhalten. Was war das? Sie hatte zum letzten Mal geweint, als ihre Schwester gestorben war. Und nun ... . Dabei hatte sie den Hanyou jahrelang gehasst, war sie doch felsenfest davon überzeugt gewesen, daß er die Schuld am Tod ihrer Schwester trug. Den Beweis dafür hatte sie erhalten, als sie Zeuge des kurzen Dialoges zwischen Kikyo und Inuyasha gewesen war, nachdem ihre Schwester den Hanyou an den heiligen Baum gebannt hatte. Anschließend war sie schwer verletzt zusammengebrochen und mit dem Wunsch auf den Lippen, sie zusammen mit dem Juwel der vier Seelen zu verbrennen, gestorben. Doch viele Jahre später war Kaede von dem Halbdämon eines besseren belehrt worden, beteuerte er ihr gegenüber doch, daß er Kikyo niemals ein Leid hätte zufügen können, selbst in dem Moment, als die falsche Kikyo auf ihn geschossen hatte, wäre er niemals auf den Gedanken gekommen, ihr etwas anzutun. Deswegen hatte er sich auf seine eigene Art und Weise an ihr gerächt, in dem er das Juwel der vier Seelen an sich nahm. Allerdings waren Inuyasha und Kaede später zu der richtigen Vermutung gelangt, daß er und ihre Schwester die Opfer einer gemeinen Intrige Narakus geworden waren. Und nun lag er hier und würde sich für das, was ihm damals widerfahren war, nicht einmal mehr rächen können.

Kaede schluckte schwer und trat näher an den jungen Hanyou heran. Sie musste unbedingt etwas überprüfen. Die alte Miko konnte sich gut daran erinnern, daß der Junge schon viel schwerer verletzt zu ihr gebracht worden war, als es jetzt den Anschein hatte. Deswegen musste sie sich sicher sein. Vorsichtig drückte sie sein Gewand auseinander, so daß sein Oberkörper frei lag. Behutsam löste sie seine Verbände, die man ihm angelegt hatte. Als sie den letzten zur Seite legte, zog sie scharf die Luft ein. Wie sie vermutet hatte ... . Plötzlich vernahm sie Geräusche außerhalb des Raumes, in dem sie sich befand. Vom Gang her näherten sich rasch Schritte. Aufgeregte Stimmen drangen an ihr Ohr. Hastig legte sie dem Hanyou die Verbände wieder an und verschloss sein Gewand. Sie hörte, wie die Tempelwächter demjenigen, der den Gang entlanggestürmt war, den Zutritt zu ihr verwehrten.

"Hab Respekt! Das hier ist ein geheiligter Ort, an dem gebetet und der Toten gedacht wird. Wir können dich unmöglich einlassen!"

"Aber, ... ich muss sofort die Miko Kaede sprechen! Es ist furchtbar wichtig! Es geht um das junge Mädchen, was mit dem Hanyou ... ."

Weiter kam er nicht. Die Tür wurde schwungvoll zur Seite geschoben und Kaede erschien unter dem Türbogen. Die Tempelwächter verneigten sich sogleich respektvoll vor ihr und deuteten auf den Mann, der sie so sehr zu sprechen wünschte.

"Verzeiht, Kaede-sama. Wir konnten ihn nicht davon abbringen, bis hierher vorzudringen. Er besteht unbedingt darauf, euch zu ... ."

Kaede unterbrach die beiden ungeduldig mit einer Handbewegung.

"Es ist schon in Ordnung. Ich werde ihm Gehör schenken. Allerdings nicht hier, da muss ich euch Recht geben." Sie wandte sich dem Mann zu. "Komm. Wir gehen in den Vorraum des Tempels. Dort stören wir die Ruhe der Toten nicht und auch nicht die der Betenden."

Auf ihren Wink hin folgte er ihr mit einem schüchternen Blick in Richtung der Tempelwächter, die wieder ihren Platz eingenommen hatten. Als sie den Vorraum erreicht hatten, richtete sie sofort ihre Frage an ihn, die ihr seit seinem Eintreffen auf den Lippen brannte.

"Also, was ist so wichtig, daß du mich bei meiner Toten-Andacht störst?"

Der Mann schreckte etwas unter ihrem Tonfall zusammen, bevor er stockend antwortete.

"Die ... die ... jungen Leute wünschen euch ...schnell- ... schnellstens zu sprechen. Sie haben sich vor eurer Hütte eingefunden."

Kaede spürte, wie ihr Herz vor Aufregung schneller schlug.

"Wer? Wer ist alles dort?! Schnell, sag es mir!"

Erstaunt über die Reaktion der Miko antwortete der Mann rasch.

"Sie sind alle dort. Der Mönch, die Dämonenjägerin, der kleine Fuchsyoukai und das junge Mädchen in der seltsamen Kleidung, Kagome heißt sie doch, glaube ich, oder, Kaede-sama?"

Der alten Frau fiel ein Stein in der Größe eines Kirchturms vom Herzen. Kagome. Sie hatten sie gefunden und wieder hergebracht.

"Ist sie wohlauf? Unverletzt? Was hat sie für einen Eindruck auf dich gemacht?"

Sie musste es sofort wissen. Der Mann sah sie allerdings mit wachsender Verwirrung an.

"Natürlich ist sie wohlauf. Warum auch nicht? Sie erfreuen sich alle bester Gesundheit. Aber ich verstehe nicht ganz, Kaede-sama. Ich dachte, das Mädchen wäre die ganze Zeit über in eurer Hütte gewesen, um sich von dem Schock zu erholen."

Die Miko zog ertappt die Augenbrauen hoch. Natürlich hatte diese Tatsache den Mann stutzig gemacht und das mit Sicherheit nicht nur ihn. Aber für lange Erklärungen war jetzt keine Zeit.

"Den Grund dafür werde ich dir und den anderen Leuten ein anderes Mal erklären. Ich muss jetzt schnellstens zu ihnen."

Mit diesen Worten wandte sie sich von ihm ab, um aus dem Tempel zu eilen, als eine aufgeregte Frauenstimme sie zurückhielt.

"Kaede-sama! Ich habe schon überall nach euch gesucht! Die Tempelwächter sagten mir, daß ich euch hier finden könnte. Wir müssen doch noch über die bevorstehende Zeremonie sprechen!"

Kaede hätte sich am liebsten geohrfeigt. Natürlich, das war doch eigentlich auch der Grund gewesen, weswegen sie den Weg hierher eingeschlagen hatte. Etwas zerknirscht wandte sie sich der jungen Frau zu.

"Es tut mir leid, wir werden es wohl später besprechen müssen. Jemand wartet vor meiner Hütte auf mich."

Damit drehte sie den beiden nun endgültig den Rücken zu und verließ eiligen Schrittes den Tempel. Zurück blieben zwei reichlich verdutzte Menschen, die nur ratlos mit den Schultern zuckten und der Miko kopfschüttelnd hinterher sahen.

Diese rannte, so schnell sie ihre alten Füße trugen, in Richtung ihres Heimes.

Dort wurde sie schon ungeduldig von ihren jungen Freunden erwartet, die sich derweil die Zeit mit irgendwelchen Kindereien vertrieben. Zur Abwechslung ärgerte Miroku mal Shippo, Sango stand schimpfend und mit erhobenem Zeigefinger daneben und Kagome musste wider Willen über dieses allzu komische Bild lachen. Der junge Mönch und die Dämonenjägerin starrten sie verblüfft an, während der kleine Kitsune den Moment der Ablenkung nutzte, um sich den Apfel wiederzuholen, den Miroku ihm weggenommen hatte. Kagomes heiteres Lachen erstarb, als sie in die Gesichter ihrer Freunde blickte.

"Wa- ... was habt ihr denn?"

Sango fand als Erstes die Sprache wieder.

"Kagome-chan, du ... du hast ja gelacht."

Nun war es an dem Mädchen aus der Zukunft ihre Freunde seltsam zu mustern.

"Ja, und ... war da was falsch dran?"

Sango trat einen Schritt auf sie zu und schüttelte den Kopf.

"Nein, nein, überhaupt nicht., wir hatten nur die Befürchtung, daß wir das bei dir lange Zeit nicht mehr sehen werden, deswegen."

Kagome verstand. Die Drei hatten sich Sorgen darüber gemacht, daß sie nach Inuyashas Tod in eine Art Lethargie verfallen würde.

"Nein", dachte sie. "Er hat gesagt, es ist nicht meine Schuld und ich weiß, daß er immer bei mir sein wird. Er würde nicht wollen, wenn ich für den Rest meines Lebens traurig wäre."

Sie wandte sich lächelnd wieder ihren Freunden zu.

"Macht euch keine Sorgen, mit mir ist alles in Ordnung. Mich hat eure kleine Auseinandersetzung von eben nur an etwas erinnert. Deswegen musste ich lachen."

Miroku, Sango und Shippo wussten, was sie meinte. Wie oft hatte Inuyasha den kleinen Kitsune aus irgendeinem Grund geärgert, wie oft hatte Kagome ihn dafür mit einem "Osuwari" zu Boden geschickt, wie oft hatten Sango und Miroku darüber geschmunzelt ... .

Sie wussten alle, daß die große Lücke, die nach seinem Tod entstanden war, kein anderer füllen konnte.

Plötzlich vernahmen sie eilige Schritte und das dazugehörige Schnauben und Prusten einer alten Frau, die eigentlich in ihrem Alter lieber nicht mehr so schnell laufen sollte.

Ob sie ihr wohl verzeihen würde? Kagome sah der Miko zweifelnd entgegen, die vernünftigerweise ihre Schritte verlangsamt hatte und den Rest des Weges gehend und nicht laufend zurücklegte. Miroku versetzte Kagome einen sanften Stoß in den Rücken, so daß sie der alten Miko ungeschickt entgegen stolperte. Um einen drohenden Zusammenstoß mit Kaede zu vermeiden, fing sich das Mädchen in allerletzter Sekunde ab und sah der Frau schuldbewusst in die Augen. Zuerst konnte sie die Gefühle der Priesterin nicht deuten, doch dann bildete sich ein freundliches Lächeln in dem von Falten zerfurchten Gesicht. All die Sorgen und Ängste verschwanden mit einem Male aus dem Herzen des Mädchens wie ein dunkler Schatten, der von den ersten Sonnenstrahlen des Tages getilgt wurde. Ohne Vorwarnung fiel sie der verdutzten Kaede in die Arme und stammelte schluchzend eine Entschuldigung nach der anderen, bis die alte Frau sich vorsichtig aus der Umarmung löste und ihr beruhigend über die Wange strich, auf der sich noch ein paar Tränen der Erleichterung ihren Weg suchten.

"Aber, aber, Kagome. Mein Kind, niemand macht dir einen Vorwurf. Egal, was du gesagt oder getan hast, das warst in diesen Momenten nicht du selbst. Etwas hat von dir Besitz ergriffen und dich vollkommen in seine Gewalt gebracht. Es hat dir Dinge vorgegaukelt, die gar nicht geschehen sind, hat dich Sachen glauben lassen, die nicht der Wahrheit entsprachen. Warum sollte ich dir böse sein? Ich bin eher diesem Dämon böse, der dir das angetan hat."

Kagome blinzelte ein paar Tränen weg und lächelte zur Antwort schüchtern. Sie wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Es war wirklich schön zu wissen, daß Kaede und ihre Freunde ihr so vorbehaltlos vertrauten.

Sango hatte während dieser rührenden Szene Mirokus Hand genommen und sie zusammen mit der ihren fest an ihre Brust gedrückt. Der kleine Kitsune musterte die beiden komplett verdattert, vor allem, weil die junge Dämonenjägerin wohl gar nicht mitbekam, was sie da gerade tat. Miroku aber umso mehr. Seine Hand wanderte derweil langsam aber stetig in Richtung des Körperteils, welches ihn bei Sango am meisten reizte: ihren Po. Shippo schüttelte warnend den Kopf, doch umsonst. Der Mönch schwebte auf Wolke Sieben und schon war es geschehen. Kaum daß seine Hand ihren Po berührt hatte, bekam er auch sofort die Konsequenzen seines unüberlegten Verhaltens zu spüren. Eine ihm wohlbekannte zarte Hand flog heran und nur einen Sekundenbruchteil später zierte mal wieder ein unverkennbarer Handabdruck seine Wange. Verwirrt sah er zu ihr hinüber, doch sie starrte ihn nur wütend und aufgebracht an.

"Houshi-sama! Was denkst du dir dabei?!"

Hilfesuchend sah er zu Shippo hinunter, der die kleinen Ärmchen vor dem Körper verschränkt hatte und ihn mit einem "Ich hab dich doch gewarnt" Blick musterte.

"Ich ... äh ... ich hab gedacht, daß du es wolltest, weil du meine Hand ... ."

Sie fuhr ihm wie ein Sturm über die Lippen.

"Das ist doch noch lange kein Grund zu denken, daß ..., aaaahhhhhhh! Ich werde einfach nicht schlau aus dir!"

Sie fuchtelte aufgeregt mit den Armen vor seinem Gesicht herum, während er zerknirscht versuchte, sie zu beruhigen, doch dadurch machte er sie nur noch wütender. Kagome und Kaede, die ein paar Schritte von ihnen entfernt standen, beobachteten die Szene amüsiert und mussten lachen. Daraufhin hielten Sango und Miroku in ihrer kleinen Auseinandersetzung inne und starrten sie peinlich berührt an.

"Ihr Zwei werdet euch auch nie ändern", bemerkte die alte Miko und ging zusammen mit Kagome auf ihre Behausung zu.

"So, und jetzt will ich von euch alles genau wissen, was sich zugetragen hat. Und da es sich mit leerem Magen schlecht erzählen lässt, erwartet euch in meinem bescheidenen Heim eine leckere Stärkung."

Das ließ sich von ihnen natürlich keiner ein zweites Mal sagen, zudem sie jetzt alle ihren Hunger bemerkten und so folgten sie Kaede einer nach dem anderen in ihre Hütte. Nur Kirara hielt vor dem Heim der Miko noch kurz inne, um sich zu kratzen und dann genüsslich zu strecken. Mit einem zufriedenen Miauen trippelte sie nun den Menschen hinterher, da sie verständlicherweise nicht leer ausgehen wollte. Nur einen hatte sie dabei draußen vergessen. Myoga war bei der Kratzattacke der kleinen Dämonenkatze im hohen Bogen von ihrem schützenden Fell ins hohe Gras befördert worden, wo er sich benommen wieder aufrappelte. Er bekam gerade noch mit, wie das Mädchen, welches seinem verstorbenen Herrn das Wichtigste auf dieser Welt gewesen war, in der Hütte der Miko Kaede verschwand. Mit einem protestierenden "Kagome-sama" sprang er hinterher und landete sicher an ihrem Kragen, wo er sich in den weichen Stoff kuschelte und sofort einschlief.
 

Genau das tat auch ein kleines Mädchen meilenweit entfernt von ihnen, allerdings unter den wachsamen Augen eines mächtiges Dämons und seines kleinen, eher mürrisch dreinblickenden Dieners, der sich im Gras niedergelassen hatte. Die Kleine selbst lag unter einem großen, schattenspendenden Baum und döste friedlich vor sich hin. Ihr großer Beschützer musterte sie einen Moment nachdenklich und wandte sich anschließend wieder den Dingen zu, die ihm seit dem vorigen Abend keine Ruhe mehr gönnten. Jaken spürte die Angespanntheit seines Herrn und machte sich langsam Sorgen. Was war nur geschehen, daß ihn so aus der Fassung gebracht hatte? Sesshomaru wusste es selbst nicht einmal genau. Nur was eins betraf, war er sich vollkommen sicher. Mit Inuyasha musste irgendetwas geschehen sein. Und zwar nichts Gutes. Diesen Schmerz, den er in den gestrigen Abendstunden verspürt hatte, war das Schlimmste gewesen, woran er sich erinnern konnte. Er kannte zwar körperlichen Schmerz, dem man sich nach Verletzungen entgegenstellen musste, so etwas war für ihn eine der leichtesten Übungen als Youkai. Doch das ..., das war etwas vollkommen Neues und Erschreckendes gewesen. Seine Gedanken schweiften zu jener Nacht zurück, in der er seinen Vater das letzte Mal gesehen und gesprochen hatte. Der damalige Youkai-Lord war in dieser schicksalsträchtigen Nacht aufgebrochen, um seine Frau und den gemeinsamen neugeborenen Sohn zu retten. Doch vorher musste er seinen Erstgeborenen Sesshomaru noch in wichtige Dinge einweihen, die das Überleben seines kleinen Sohnes sichern sollten. Sesshomaru erinnerte sich noch genau an die Worte. Was damals mit grausamer Sicherheit schnell ans Tageslicht kam, war, daß jenes das letzte Mal gewesen sein sollte, daß sein Vater so vor ihm stand. Die Worte hallten noch lange in seinem Kopf wieder, auch noch, als sein Vater sich schon längst in seiner wahren Form auf den Weg gemacht hatte.

"Sesshomaru, du und dein Halbbruder, ihr teilt etwas ganz Besonderes. Ihr seid durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden. Solange er noch klein ist und sich nicht selbst verteidigen kann, spürst du es, sobald er sich in Gefahr befindet. Ich erwarte natürlich dann von dir, daß du ihm zur Hilfe eilst. Er ist und bleibt dein Bruder, auch wenn er in deinen Augen nur ein "Bastard" ist, so fließt doch in euren Adern dasselbe Blut, mein Blut. Wenn er alt genug ist, um zu kämpfen, bleibt das unsichtbare Band zwischen euch noch immer bestehen. Sollte einer von euch getötet werden, spürt der andere es sofort und kann sich auf die bevorstehende Rache vorbereiten. Der Tod eines Hundeyoukai bleibt niemals ungesühnt, merk dir das, Sesshomaru. Du besitzt als einziger das Recht, deinen Bruder zu töten und umgekehrt. Leb wohl, Sohn."

Danach war Sesshomaru noch lange nachdenklich an dieser Stelle verharrt, bis Myoga mit der Nachricht vom Tod seines Vaters eintraf und mit der Bitte an ihn, die nächste Zeit ein Auge auf das Menschenweib und den kleinen Bastard zu haben, was er widerwillig tat.

"Sesshomaru-sama!"

Die Stimme seines Dieners riss ihn buchstäblich aus seinen Gedanken. Fragend sah er sich um und registrierte schockiert, daß sie schon seit einiger Zeit wieder unterwegs sein mussten. Wieso hatte er das nicht bemerkt? Jaken zeigte mit seinem Stab auf das schlafende Mädchen, daß es sich auf Ah-Un bequem gemacht hatte, nun aber langsam Gefahr lief vom Rücken des zweiköpfigen Drachen herunterzurutschen. Sesshomaru war zutiefst bestürzt. Seit dem letzten Sonnenuntergang war er nicht mehr derselbe, bekam kaum noch richtig mit, was um ihn herum geschah. Dieses Gefühl hatte ihn in tiefste Verwirrung gestürzt. Wenn sein Vater wirklich Recht hatte und daran zweifelte er keineswegs, dann ... . Er musste unbedingt herausfinden, was geschehen war. Er musste wissen, ob sein Bruder tatsächlich den Tod gefunden hatte und zwar schnell, sonst würde er noch den Verstand verlieren, wenn das so weitergehen sollte.

"Jaken?!"

Sein froschgesichtiger Diener äugte vorsichtig zu ihm hinüber.

"Ja, Herr?"

"Wir werden einen anderen Weg einschlagen. Unser Ziel ist das Dorf, in dem die Miko Kikyo gelebt hat."

"Ja- ... Jawohl, Herr", stammelte Jaken und ging zu Rin hinüber, um das kleine Mädchen zu wecken, damit sie nicht am Ende doch noch vom Rücken des Drachens rutschte. Langsam setzte sie sich auf und rieb sich verschlafen die Augen.

"Sesshomaru-sama, wohin gehen wir?"

Der Youkai sah hinauf zur Sonne, die nun schon hoch am Himmel stand.

"An einen Ort, an dem die Wahrheit ruht."
 

An genau diesem Ort bereitete die Miko Kaede ihre jungen Freunde, insbesondere Kagome, behutsam auf die bevorstehende Beisetzung des Hanyous vor. Nachdem alles soweit besprochen war und sie gespeist hatten, legten sich Miroku, Sango und Shippo noch etwas zur Ruhe. Die alte Frau bedeutete Kagome mit vor ihre Hütte zu kommen. Sie wusste, für das Mädchen würde dieser Tag wohl einer der schwersten ihres noch so jungen Lebens werden. Draußen angekommen zögerte sie nicht lange mit dem, was ihr Gemüt belastete.

"Kagome ... wenn du ... ihn noch mal sehen möchtest, dann wäre jetzt der richtige Zeitpunkt dafür."

Die Angesprochene fühlte, wie sich bei Kaedes Worten schon wieder Tränen in ihren Augenwinkeln bildeten. Zu groß war noch der Schmerz und er würde ihr Herz wahrscheinlich nie wieder gänzlich verlassen. Trotzdem nickte sie und gab der Miko so zu verstehen, daß sie bereit war. Kaede sah an ihr vorbei in Richtung des Tempels.

"Gut. Dann folge mir."

Unbemerkt von beiden hielt sich Myoga unter Kagomes Kragen versteckt. Selbstverständlich wollte er sich ebenfalls von seinem jungen Herrn verabschieden. Darüber nachgedacht, daß das Mädchen mit dem Hanyou vielleicht lieber allein sein wollte, hatte er nicht.

Während des Ganges zum Tempel überlegte Kagome, wie sie Inuyasha wohl vorfinden mochte. Friedlich schlafend, wie sie ihn schon einmal gesehen hatte, oder etwa genau das Gegenteil von dem? Sie schüttelte den Kopf, um den schrecklichen Gedanken zu vertreiben. Aber dann fiel ihr wieder ein, was ihr Opa ihrer Mutter vor einiger Zeit erzählt hatte. Nur zufällig war sie Zeuge dieses Gespräches geworden. Ihr Opa berichtete, daß Menschen, nachdem sie entschlafen sind, manchmal wunderschön aussehen, so, als sei der Tod eine Art Erlösung für sie gewesen und andere wiederum sähen sehr schlimm aus, als hätten sie während des Todeskampfes noch furchtbare Qualen erleiden müssen. Ihr kleiner Bruder Souta war in dem Moment dazu gekommen und ihre Mutter hatte Opa schnell die Hand vor den Mund gehalten und ihm verboten vor dem Jungen weiterzusprechen. Aber daß Kagome alles hinter der Tür mit angehört hatte, das wussten sie nicht.

Das Mädchen war sich nun gar nicht mehr so sicher, ob sie ihren Hanyou wirklich noch mal sehen wollte, andererseits, hätte Kaede es sonst befürwortet? Und ... schließlich hatte sie ihm noch soviel zu sagen.

Kurz bevor sie den Tempel erreichten, hielt Kaede mit einem Male inne und zwar so abrupt, daß Kagome, die hinter ihr ging, fast in sie hineingelaufen wäre. Fragend sah sie der alten Miko, die sich nun zu ihr gewandt hatte, ins Gesicht. Die seufzte tief und ergriff Kagomes Hand. Das Mädchen fühlte, wie die Frau etwas in ihre Hand legte und ihr dann mit einem Blick darauf zunickte. Neugierig betrachtete sie das Objekt und bekam große Augen. Es war ein vergoldetes Amulett mit dazugehöriger Kette, was Kaede ihr da gegeben hatte. Stirnrunzelnd hielt sie die Kette vor ihr eigenes Gesicht und besah sich nachdenklich den herzförmigen Anhänger.

"Was ... für wen ist das? Warum ...?"

Kaede zeigte auf das Amulett, welches von Kagomes Hand baumelte.

"Es ist deins. Mach es auf."

Kagome verstand nun gar nichts mehr. Sie wollte doch zum Tempel, zu Inuyasha. Und jetzt gab die alte Priesterin ihr auf einmal diese Kette, dessen goldenes Herzamulett sie nun öffnen sollte? Aber bis jetzt hatte ja alles immer einen Sinn ergeben, worum die Miko sie gebeten hatte. Nun gut, sie würde es öffnen.

"Seltsam", dachte Kagome, als sie das Amulett und den Öffnungsmechanismus an der Seite genauer untersuchte, "das ist doch Schmuck aus meiner Epoche. So etwas wie das hier gab es doch damals noch gar nicht."

Mit einem leisen Klick sprang das Herz auf und Kagome blieb fast das Herz stehen, als sie hineinsah. Im Inneren war ein kleines Foto eingebettet und auf diesem Foto ..., das ... das ... war doch ... Inuyasha? Das Mädchen aus der Zukunft spürte, wie ein paar Tränen ihre Wangen hinunterliefen. So schön wie auf diesem Bild hatte sie ihn noch nie lächeln sehen. Es musste ein freudiger Anlass gewesen sein, zu dem er dieses Amulett samt Kette erworben hatte. Unwillkürlich erwiderte sie sein Lächeln. Tränen tropften auf das Bild.

"Er wollte es dir zum Geburtstag schenken, Kagome."

Kaede war neben sie getreten und musterte das Amulett in Kagomes Hand.

"Er bat mich darum, die Halskette bis zu deinem Ehrentag aufzubewahren, aus Angst, er könne sie verlieren. Sollte ihm allerdings etwas zustoßen, so sagte er mir, sollte ich sie dir trotzdem geben, auf das du sie in der Nähe deines Herzens tragen kannst. So wird er immer bei dir sein. Das war seine letzte Bitte an mich."

Die soeben gesprochenen Worte Kaedes gingen in Kagomes nicht enden wollenden Schluchzern unter, denn nun konnte sie ihre Trauer nicht länger zurückhalten. Sie hätte nie daran gedacht, daß er ihr etwas zum Geburtstag schenken wollte. Hatte sie sich denn so in ihm getäuscht? Nun verstand sie auch, warum er so grantig zu ihr gewesen war, als sie ihm eröffnet hatte, daß sie wegen ihres Geburtstages für ein paar Tage in ihre Zeit wollte. Und wie hatte sie es ihm gedankt, daß er sie aufhalten wollte, um ihr das Geschenk pünktlich an jenem Tag zu überreichen, der nun in drei Wochen sein sollte? Mit unendlich vielen "Osuwari"-Wutausbrüchen. Ein wenig fühlte sie sich schon schuldig, daß sie ihm kein Gehör hatte schenken wollen, weswegen er sie hier behalten wollte. Obwohl man ja so ein Geschenk auch nachträglich überreichen konnte ... . Oder wähnte er sich da in solcher Ungewissheit, daß es danach nicht mehr dasselbe sein könnte? Nein, dachte sie. Unsinnig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Andere Zeiten, andere Sitten. Vielleicht war es in dieser Epoche so üblich, Geschenke nur direkt am Geburtstag eines Menschen zu überreichen, weil es sich danach nicht mehr gehörte. Unbeholfen wischte sie sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.

"Meinst du, du schaffst das, Kagome? Ich hätte Verständnis dafür, wenn du es nicht könntest."

Doch das Mädchen trat entschlossen an ihre Seite.

"Ich will ihn sehen, Kaede. Jetzt noch mehr als vorhin. Das bin ich ihm schuldig. Wenigstens das möchte ich noch für ihn tun."

Die Priesterin lächelte ihr angesichts dieser Worte aufmunternd zu.

"Nun gut. So sei es. Nur noch ein paar Schritte, dann sind wir da."

Sie deutete mit dem Finger auf ein Gebäude, das nur wenige Meter vor ihnen aufragte. Kagomes Kopf fuhr hoch. Aufmerksam betrachtete sie den Tempel, an dessen Tor zwei Männer postiert waren, die eine eigenartige Mischung aus Priestergewand und Rüstung trugen. In ihren schlichten Gürteln steckten reich verzierte Kurzschwerter, die sie wahrscheinlich auch einsetzen würden, wenn nötig.

"Die Tempelwächter werden dich bis zu Inuyasha begleiten. Ich warte hier solange."

Die alte Miko nickte den beiden Wächtern zu, die sich gehorsam verneigten und dann das Mädchen in ihre Mitte nahmen. Gemäßigten Schrittes durchquerten sie den Innenhof des Tempels, bis sie den Eingang erreichten. Schlagartig schwand das Licht, als sie das Gebäude betraten, nur die Kerzen in dem endlosen Gang sorgten für etwas Helligkeit. Schweigend folgte Kagome den beiden Männern, die nun voran gingen und ihr den Weg wiesen. Nervös umklammerte sie ihr Amulett, daß ihr nun am Hals baumelte. Der Kloß, der sich langsam in ihrem Hals bildete, wurde allmählich unerträglich. Angestrengt versuchte sie zu schlucken. Es tat höllisch weh. Die Tempelwächter horchten auf. Ihnen war nicht entgangen, wie Kagome sich fühlte. Einer von ihnen wandte sich aus diesem Grunde an das Mädchen.

"Geht es euch gut, Kagome-sama?" Sie behandelten sie mit dem gleichen Respekt wie Kaede, schließlich war auch sie eine Priesterin.

Die Angesprochene nickte hastig.

"J- ... Ja. Mit ist nur etwas komisch zumute."

Der Wächter sah sie verständnisvoll an.

"Das können wir gut nachvollziehen. Es ist ja auch kein leichter Gang, den ihr hier tut. Wir sind allerdings auch gleich da."

Er zeigte auf eine Tür am Ende des Ganges, vor der links und rechts je eine Kerze stand. Unsicher bleib sie davor stehen und knetete nervös mit der einen Hand die andere. Sie wusste, was hinter dieser Tür auf sie wartete und gleichzeitig wusste sie es aber auch nicht. Ihre Hände begannen unkontrolliert zu zittern, als sie die Tür beiseite schieben wollte. Einer der Tempelwächter trat an ihre Seite, um für sie den Durchgang zu öffnen. Anschließend verneigten sich die beiden vor ihr und bezogen schweigend ihre Position. Nachdem Kagome eingetreten war, hörte sie, wie die Tür hinter ihr zugeschoben wurde. Ihre Augen wanderten sofort zu dem Hanyou, der vor ihr aufgebahrt lag, sein Körper erhellt vom Schein der Kerzen. Als sie an ihn herantrat, begannen sie bedrohlich zu flackern. Es schien nicht mehr lange zu dauern, bis sie endgültig ausgingen. Dann, so hatte Kaede es ihr erklärt, sei es an der Zeit seinen Körper dem Feuer und der Erde zu übergeben. So war es für jeden Dahingeschiedenen bestimmt, erlischt das Licht der Kerzen, so ist es an der Zeit, den letzten Weg anzutreten. Und für Inuyasha schien es jetzt bald soweit zu sein. Kagome hatte sich fest vorgenommen, nicht zu weinen, doch sie fühlte, daß sie dieses Versprechen ihr selbst gegenüber nicht einhalten konnte. Eine Träne tropfte auf Inuyashas blasses Gesicht. Vorsichtig wischte sie die Träne weg und erschrak. Er war kalt, so schrecklich kalt. Die Wärme hatte seinen Körper gänzlich verlassen. Ansonsten sah er wunderschön aus. Wie ein Engel, dachte Kagome. Das schneeweiße Gewand verstärkte noch den Eindruck. Sanft strich sie ihm die Haare aus dem Gesicht.

"Inuyasha", wisperte sie, "wieso hast du das bloß gemacht?"

Noch mehr Tränen fielen auf das Gesicht des Hanyous.

"Du denkst, du hast mein Leben gerettet, doch das stimmt nicht. Du hast es mitgenommen an einem mir unbekannten Ort."

Bei diesen Worten begannen die Kerzen erneut gefährlich zu flackern. Kagome sah erschrocken zu ihnen hinüber. Heute Abend, dachte sie, heute Abend wird es soweit sein. Dann kommen sie dich holen und ich sehe dich nie ... nie wieder.

Ein Geräusch ließ sie plötzlich herumfahren. Es klang sehr nah an ihrem Ohr, doch sie konnte rundherum nichts entdecken, was das Geräusch verursacht haben könnte. Sie lauschte angestrengt in die Stille der Raumes hinein, doch da war nichts. Hatte sie es sich nur eingebildet? Schweigend wandte sie sich wieder dem Hanyou zu und nahm seine Hand in die ihre. Sie fühlte sich genauso eiskalt an wie sein Gesicht. Sorgsam streichelte Kagome Inuyashas Hand, fast so, als wolle sie wieder Leben in den reglosen Körper bringen. Soviel hatte sie ihn noch fragen wollen, sowenig wusste sie über ihn. Er hingegen hatte ihre Familie kennen gelernt, ihr Zuhause und ihre Art zu leben. Gut, seinem älteren Halbbruder waren sie des öfteren begegnet, doch diese Treffen waren nicht so harmonisch verlaufen wie Familienfeiern. Im Gegenteil. Auch über seine verstorbenen Eltern wusste sie nicht viel, nur das bisschen, was sie aus Inuyasha herausbekommen hatte. In dieser Hinsicht war er nicht gerade redselig gewesen, obwohl sie das natürlich bestens verstehen konnte. Schließlich hatte er seinen Vater niemals kennen gelernt, seine Mutter war früh von ihm gegangen und sein Leben danach war nicht gerade einfach verlaufen. Nur Kikyo hatte ihm etwas von der Liebe, die er davor nur von seiner Mutter erfahren hatte, wiedergegeben. Kikyo ... . Wie sie wohl reagieren würde, wenn sie vom Tode Inuyashas erfuhr? Kagome wollte es gar nicht wissen. Im Moment zählte für sie nur der Augenblick. Vorsichtig führte sie mit ihrer Hand die seine an ihr Gesicht und drückte sie an sich. Wie gern hätte sie es noch einmal gespürt, wie er ihr über die Wange strich, wie gern hätte sie noch einmal in seine bernsteinfarbenen Augen geblickt, in denen sich Freude, Wut, aber auch oft Traurigkeit wiedergespiegelt hatten. Erst jetzt wurde ihr all das auf grausame Art und Weise bewusst. Diese Endgültigkeit, die der Tod mit sich brachte, war einfach schlichtweg niederschmetternd. Am liebsten würde sie die Zeit anhalten, um so noch länger neben ihm zu verweilen. Erneut fiel ihr Blick auf die Kerzen. Nur ein jämmerlicher Rest von ihnen thronte noch auf den Haltern. Nicht einmal eine Stunde gab sie ihnen noch.

"So schnell, das geht mir alles viel zu schnell. Ich kann mich doch nicht so von jemandem verabschieden, der mir", ihre Gedanken gerieten ins Stocken, "soviel bedeutet hat."

Ein Schluchzen direkt neben ihrem Ohr vertrieb ihre Gedanken so wie der Wind im Spätherbst die Blätter von den Bäumen.

"Inuyasha-sama", wimmerte ein Stimmchen, das von ihrer Schulter her zu kommen schien. Vorsichtig wanderte ihre Hand zu der Stelle hinauf, von der sie das Stimmchen vernommen hatte. Sie fühlte, wie etwas Kleines in ihre Handfläche hineinsprang und dort verharrte, Langsam bewegte sie ihre Hand wieder hinunter und sah einen kleinen schwarzen Punkt auf Inuyashas Körper zuspringen.

"Myoga-jiji", entfuhr es ihr erstaunt, "was ... was machst du hier?"

Doch der kleine Flohgeist war kaum in der Lage zu antworten. Dicke Tränen kullerten ununterbrochen seine Wangen hinunter und tropften auf das Gewand des Hanyous, während sein Mund pausenlos irgendwelche Sätze formte, die für Kagome keinen Sinn ergaben. Es tat ihr fast in der Seele weh, ihn so zu sehen.

"Myoga-jiji", begann sie behutsam, "ich ... ."

Ja, was sollte sie sagen? Daß es sie genauso schmerzte, ihren geliebten Hanyou hier so liegen zu sehen? Als ob das was bringen würde, dachte sie. Doch Myoga schien dieses Mal ihre Stimme vernommen zu haben, denn er sah aus tränenverschleierten Augen zu ihr hoch.

"Es ist alles meine Schuld", schluchzte er, "wenn ich nicht so feige gewesen wäre und ihn nicht ständig im Stich gelassen hätte, dann ... , dann ... ."

Seine Stimme versagte. Traurig blickte er zu seinem jungen Herrn hinüber, der bald nur noch als Erinnerung in den Herzen derer, die ihn gekannt und geliebt hatten, existieren würde.

"Vielleicht", so begann er erneut und diesmal mit etwas festerer Stimme, "vielleicht hätte ich noch etwas tun können, wenn ich bei ihm gewesen wäre, ich hätte ihn warnen können, oder was auch immer. So habe ich nun meinen Schwur gegenüber seinem Vater gebrochen. Diese Schande wird mich bis an mein Lebensende verfolgen."

Mit einem Schniefen unterstrich er die ausweglose Situation.

"Schwur?" Kagome hatte davon noch nie etwas gehört.

Myogas Augen begannen sonderbar zu leuchten, als Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten wieder wach wurden.

"Inuyasha-samas werter Vater, der mächtige Youkai-Lord des Westens, Inu no Taishou, hatte mich mit der ehrenvollen Aufgabe vertraut gemacht, nach seinem Ableben ein Auge auf seinen jüngsten Sohn zu haben", er nickte in Richtung des Hanyous, bevor sein Blick wieder fest wurde und er fortfuhr. "Auf dem Weg zur Rettung von Inuyasha-sama und seiner Mutter bat er mich darum und ich habe sein Vertrauen in mich enttäuscht. Was wird er nur von mir halten, wenn er das im Reich der Toten erfährt?"

Kopfschüttelnd und noch immer schniefend wanderte er auf Inuyashas Brust hin und her.

Kagome sah ihn verblüfft an. Konnte es tatsächlich sein, daß Inuyashas Vater gewusst hatte, daß seine Frau einen Jungen erwartete? Nun gut, musste er wohl, dachte sie, sonst hätte er Myoga den Befehl nicht in dem soeben genannten Wortlaut erteilen können. Und was Hundeyoukai betraf, so versetzten diese Wesen sie doch immer wieder in Erstaunen. Sie wollte Myoga gerade eine Frage diesbezüglich stellen, als das Licht in dem Raum endgültig erlosch.

Der Schrei eines Mädchens ließ die beiden Tempelwächter, die draußen vor dem Raum der ewigen Ruhe warteten, aufhorchen. Alarmiert sahen sie sich an, schoben ohne zu zögern die Tür auf und griffen nach ihren Schwertern, ließen sie allerdings sofort wieder sinken, als sie bemerkten, daß im Inneren des Raumes vollkommende Dunkelheit herrschte. Einer von ihnen griff nach der Kerze, die draußen vor der Tür gestanden hatte und leuchtete hinein.

"Kagome-sama?! Ist euch etwas geschehen?"

Er sah, wie das Mädchen mit vor Schreck geweiteten Augen vor dem Hanyou kniete und sich vor lauter Angst an seinem Gewand festkrallte.

"M- m- mir geht es gut. Ich ... habe mich nur so erschrocken, als die Kerzen ausgingen."

Die Kerzen! Oh nein! War es denn schon soweit? Noch einmal wollte sie ihm wenigstens ins Gesicht sehen, ihm lebe wohl sagen und ... . Langsam beugte sich ihr Oberkörper hinunter zu ihm. Myoga, der noch immer auf Inuyashas Brust hockte, bekam untertassengroße Augen. Ihr langes Haar fiel auf sein Gesicht; diese ebenmäßig feinen Züge, die sie so liebte. Immer näher kamen ihre Lippen den seinen, bis sie miteinander verschmolzen. Sie waren ebenfalls kalt wie die Nacht, doch das war Kagome egal. Myogas Gesichtsfarbe hatte angesichts dieses einzigartigen Momentes einen leichten Rot-Ton angenommen, genauso wie die Wangen der Tempelwächter, die sich peinlich berührt wegdrehten. Die Sicherheit in ihren Stimmen war etwas verflogen, als sie das Mädchen darauf aufmerksam machten, daß der Moment gekommen sei.

"Äh, Kagome-sama, wenn ihr nun bereit seid? Wir müssen die Tempeldienerinnen informieren, damit sie alles vorbereiten."

Zögernd stand Kagome auf und wartete darauf, daß Myoga ihr folgte. Doch der Flohgeist rührte sich kein bisschen, sondern saß reglos da und starrte in das leblose Antlitz seines Herrn. So kniete das Mädchen sich wieder hin und sprach ihn an.

"Myoga, wir müssen jetzt gehen. Es ist Zeit."

Doch der tat so, als würde er sie nicht hören. Er verschränkte sogar noch provozierend seine kleinen Ärmchen ineinander, um ihr nachhaltig zu verdeutlichen, daß er nichts von ihrem Vorschlag hielt. Verdutzt sah das Mädchen ihn an.

"Myoga, was soll das?" wisperte sie. Wieder keine Reaktion. Die Tempelwächter musterten Kagome etwas irritiert. Mit wem redete sie da?

"Nun gut", seufzte sie, "wenn es auf diese Art nicht klappt, dann muss ich wohl handgreiflich werden."

Myogas Kopf ruckte zur Seite, als er bemerkte, wie eine von Kagomes Händen sich ihm näherte. Mit einem Satz sprang er nach vorne, doch sie erwischte ihn noch hinten an seinem Wams. Aus lauter Protest schrie er auf und ruderte wie wild mit seinen vielen Ärmchen. Er bekam Inuyashas Gewand zu fassen und krallte sich daran fest, um es am besten nie wieder los zu lassen.

"Nein, nein, nein", schrie er, " lasst mich ... lasst mich los, Kagome-sama! Ich will bei ihm bleiben! Ich will mit ihm ins Jenseits gehen, um meine Schuld zu tilgen!"

Die Tempelwächter fuhren erschrocken zusammen. Da war ja doch jemand ... .

"Red keinen Blödsinn, Myoga. Du wirst nicht mit ihm gehen, sondern mit mir."

Der alte Flohgeist hörte auf, sich wie ein Wilder zu gebären und drehte sich erstaunt zu ihr um.

"Wie ... wie meint ihr das, Kagome-sama?"

Das Mädchen schenkte ihm ein warmes Lächeln.

"Na, ganz einfach und zwar, daß du von nun an ein Auge auf mich haben wirst. Das hätte Inuyasha mit Sicherheit auch so gewollt."

Das Gesicht des kleinen Flohgeistes hellte sich schlagartig auf. Mit einem fröhlichen "Kagome-sama" auf den Lippen sprang er auf ihre Nase und - batsch - segelte er auch sofort weiter in ihre aufgehaltene Hand.

"Ich habe gesagt ein Auge auf mich haben und nichts anderes, verstanden?"

Die Vögelchen, die um seinen Kopf herumschwebten, verscheuchend, rappelte er sich auf und brabbelte etwas Unverständliches, was sich mit ganz viel Fantasie so anhörte wie ein "Ja, Kagome-sama".

"Na gut, dann verstehen wir uns ja bestens."

Mit einem Ruck stand sie auf und begab sich zu den Tempelwächtern, die noch immer an der Tür auf sie warteten.

"Es ist alles in Ordnung. Ihr könnt nun mit den Vorbereitungen beginnen. Ich habe nur einen Wunsch, der mir sehr am Herzen liegt. Ich bitte euch, es zu veranlassen, daß die Prozession am Goshinboku, dem heiligen Baum, an den Inuyasha fünfzig Jahre lang gebannt war, endet. Ich möchte, daß dort die Beisetzung stattfindet."

Die Tempelwächter verneigten sich gehorsam vor ihr.

"Wie ihr wünscht, Kagome-sama. Ihr habt ihm am nächsten gestanden, so trefft ihr auch die Entscheidung darüber, was das angeht. Folgt uns nun."

Sie wandten sich um und verließen den Raum. Bevor Kagome es ihnen gleichtat, drehte sie sich noch einmal zu Inuyasha um, dessen Körper nun nur noch von einem schwachen Lichtschein außerhalb des Raumes erleuchtet wurde.

"Lebe wohl", hauchte sie ihm zu. "Auf das es dir dort, wo du jetzt bist, besser ergeht als hier und du keine Schmerzen mehr erleiden musst."

Mit diesen Worten wandte sie sich ebenfalls um und folgte den Tempelwächtern nach draußen, die schon den Tempeldienerinnen Bescheid gegeben hatten. Hektisch liefen die Frauen an ihr vorbei in Richtung des Raumes, in dem Inuyashas Körper ruhte. Sie durchquerte eilig den Innenhof des Tempels und traf auf Kaede, die geduldig draußen vor dem Torbogen gewartet hatte. Auf ihren fragenden Blick hin schüttelte Kagome nur abwehrend den Kopf. Die alte Priesterin verstand. Das Mädchen brauchte etwas Zeit und Ruhe, um die soeben erlebten Dinge zu verarbeiten. So nickte sie ihr nur verständnisvoll zu und begleitete sie zurück zu ihrer Hütte. Dort angekommen erwarteten ihre Freunde sie schon ungeduldig. Freudig sprang ihr der kleine Kitsune in die Arme, doch Kagome lächelte ihn nur traurig an, setzte ihn wieder ab und ging zur Rückseite der Hütte. Fragend sah Shippo ihr hinterher, doch Miroku und Sango hielten ihn davon ab, ihr zu folgen. Sie hatten Kaedes Kopfschütteln aufgefangen und egal, was Kagome in dem Tempel widerfahren war, sie brauchte Zeit, um darüber hinwegzukommen.

Kagome lehnte sich mit einem Seufzen an die hölzerne Wand von Kaedes Behausung und sah hoch zum Himmel. Er war noch immer tiefblau, aber die Sonne stand längst nicht mehr so hoch wie am Mittag, es musste bereits später Nachmittag sein. Sie war sich gar nicht im Klaren darüber gewesen, wie lange sie neben seinem leblosen Körper gekniet hatte. Gedankenverloren hörte sie den Vögeln bei ihren Liedchen zu und in ihrem Kopf entstand ein Text zu der traurigen Melodie.....
 

I don't care anymore if I let you down

I believe that I need to be free

I'm so used to my life with you around

I don't know anymore the real me
 

And I thought that I found myself today

And I thought that I had control

All the change in my life just fell away

For a moment I didn't need you
 

All these tears that I've cried you

Must be tired of taking care of me but

It's what you do best and I'm a liar

Cuz really it's what I need
 

And I thought that I found myself today

And I thought that I had control

All the change in my life just fell away

For a moment I didn't need you
 

Someone like you

Someone like me

Maybe it's change

That sets you free

Free
 

And I thought that I found myself today

And I thought that I had control

All the change in my life just fell away

For a moment I didn't need you
 

(Finding myself - Smile empty soul)
 

Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie merkte, wie jemand an sie herantrat. Ein Räuspern veranlasste sie, sich umzudrehen. Es war Miroku. Sein Blick verriet ihr, daß es wohl soweit sein musste.

"Kagome-sama", begann er, " die Prozession hat bereits begonnen. Sie kommen in den nächsten Augenblicken hier an Kaedes Hütte vorbei. Wir werden uns ihnen dann anschließen. Was ist mit dir? Hast du die Kraft uns zu begleiten?"

Die Stimme des Mönches verriet, daß er sich Sorgen um den Gefühlszustand des Mädchens machte. Trotzdem irritierte sie seine Frage. Hatten sie wirklich alle angenommen, sie würde hier bleiben? Nach allem, was passiert war?

"Natürlich werde ich dabei sein", ihre Stimme klang fest. "Hast du etwa daran gezweifelt?"

Miroku lächelte. Nein, dachte er, habe ich nicht. Er war erleichtert. Kagome hatte trotz allem nichts von ihrer inneren Stärke verloren. So schüttelte er ihr gegenüber verneinend den Kopf und machte einen einladende Geste mit seiner Hand.

"Dann folge mir."

Mit einem Ruck stieß sie sich von der Holzwand ab und folgte ihm. Miroku hatte nicht übertrieben. Vor der Hütte der alten Miko warteten bereits ihre Freunde auf sie. Wie auf Befehl drehten sie alle gleichzeitig ihre Köpfe in Richtung des Mädchens und des jungen Mönches, als die beiden erschienen. Keiner sagte etwas. Sango und Kaede nickten Kagome nur aufmunternd zu und lächelten, während Shippo ihr vor die Füße sprang und ihr fragend ins Gesicht sah.

"Na, komm schon her, du kleiner Racker."

Kagome breitete einladend ihre Arme aus und der kleine Kitsune sprang mit einem vergnügten Kiekser hinein. Zufrieden kuschelte er sich an sie. Miroku atmete auf. Man konnte förmlich spüren, wie die Anspannung, die noch eben auf der ganzen Gruppe lastete, nun von allen abfiel. Einen Augenblick später ergriff Kaede das Wort und richtete es an ihre jungen Freunde, vor allem Kagome sah sie dabei an.

"Nun, gleich wird es soweit sein, daß wir uns von jemandem verabschieden müssen, den wir in der letzten Zeit mehr als schätzen gelernt haben."

Alle senkten ergriffen die Köpfe, als sie ihrer kleinen Rede lauschten. Nach einer kleinen Pause sprach sie weiter.

"Der Trauerzug wird jeden Moment hier vorbeikommen. Nachdem wir uns ihm dann angeschlossen haben, zieht er weiter in Richtung des Goshinboku, des heiligen Baumes, so, wie du es gewünscht hast, Kagome, wird Inuyasha dort den Flammen übergeben und begraben. Sollte jemand von euch dann dort noch etwas sagen wollen, so möge er es tun."

Ihr Blick wanderte von einem zum anderen.

"Seid ihr dann bereit?"

Ihre jungen Freunde nickten bedrückt und sahen zu Boden, außer Kagome, die plötzlich den Kopf hob, da sie hörte, wie langsam etwas näher kam. Auch die anderen vernahmen mit einem Mal Laute, die ihnen so seltsam fremd und doch auf bizarre Weise vertraut erschienen. An- und abschwellende Gesänge mit Wehklagen vermischt ließen sie in die Richtung sehen, aus der die Prozession sich gemächlich auf sie zu bewegte. Viele der Männer und Frauen, die sich angeschlossen hatten, hielten Fackeln in den Händen. Kagome lief ein Schauer nach dem anderen über den Rücken, als sie die für sie noch immer kaum zu begreifende Szenerie beobachtete. In ihrem Magen bildete sich ein widerliches Gefühl, daß sie sonst nur vor Klassenarbeiten verspürte. Der kleine Fuchsdämon, den sie in ihren Armen hielt, sah besorgt zu ihr auf. Er spürte die Anspannung des Mädchens und wie unruhig ihr Herz schlug. Als er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Prozession richtete, wusste er auch warum. Kagome hatte Inuyasha inmitten der Männer und Frauen entdeckt. Er lag in demselben weißen Gewand, in das man ihn während der Verweildauer im Tempel gekleidet hatte, auf einer großen Bahre in einem Meer aus Kirschblüten, getragen von vier Männern des Dorfes, die ihre Traglast in Schulterhöhe hochgestemmt hatten. Durch den gleichmäßigen Gang der Männer bewegte sich sein Körper leicht hin und her. Der allmählich aufkommende Abendwind fuhr ihm sanft durch das helle Haar und wirbelte einige der Kirschblüten durch die milde Frühlingsluft. Kagome hätte sich am liebsten von all dem abgewandt, aber sie konnte es nicht. Der Anblick, der sich ihr bot, war wunderschön und schrecklich zugleich. Miroku und Sango hatten bemerkt, wie der Blick des Mädchens an dem Hanyou festhielt. Es schmerzte die beiden selbst ungemein, ihren Freund so zu sehen, aber für Kagome musste es kaum auszuhalten sein. So nahmen sie ihre Freundin mitfühlend in die Mitte und schlossen sich dem Trauerzug an, der nun langsam an Kaedes Hütte vorbeizog. Die Miko hatte sich bereits an die Spitze gesetzt und führte die Menschen an den Ort der Bestattung. Auf dem Weg dorthin schossen Kagome tausend Dinge durch den Kopf. Sie war noch nie auf einer richtigen Beerdigung gewesen; wie verhielt man sich dort? Und was kam danach? Wie ging es dann weiter? Wie würde ihre Familie darauf reagieren, wenn sie erfuhr, was mit Inuyasha geschehen war? Was würde ihr kleiner Bruder Souta sagen, wenn sie ihm erzählte, daß sein geliebter Inu-onii-chan sie nie wieder besuchen würde? Er hatte sich immer einen großen Bruder gewünscht und hatte in dem Hanyou genau das gesehen. Und jetzt ... jetzt was das alles vorbei. Eine einzige Sekunde hatte über das Leben des Halbdämons entschieden und das Schicksal den Tod gewählt. Kagome fühlte sich so hilflos. Wie hätte sie auch ahnen können, daß der Beistand, den sie Inuyasha in dem Kampf leisten wollte, zu so einem schrecklichen Ende führen konnte. Und das alles nur, weil er sie hatte beschützen wollen. Mit einem Male fuhr sie vor Schreck zusammen. Eine Hand hatte sich unbemerkt auf ihre Schulter gelegt. Als Kagome sich umsah, bemerkte sie, daß sie ihr Ziel bereits erreicht hatten. Der Goshinboku, der heilige Götterbaum, ragte als stummer Zeuge der Trauergesellschaft stolz und mächtig vor ihnen auf. Die untergehende Sonne schickte ihre letzten Strahlen durch die massiven und in alle Himmelsrichtungen gewachsenen Äste. Der Wind, der durch die unzähligen Blätter des Baumes fuhr, sang ein stilles Lied der Trauer. An einer Stelle auf der Lichtung hatten die Dorfbewohner bereits Holz zusammengetragen und dies zu einem großen Haufen aufgeschichtet. Genau darauf betteten die Träger die Bahre, auf welcher der Körper des Hanyous ruhte. Schweigend bildeten alle Anwesenden einen Halbkreis um den zu Betrauernden, nur Kaede löste sich aus der Menge und trat an Inuyashas Seite. Während sie die typischen Worte einer Beerdigung an ihre Mitmenschen richtete, fühlte Kagome, wie die Verzweiflung in ihrem Herzen wuchs und es mit Dunkelheit füllte. Nein, dachte sie, ich muss dagegen ankämpfen. Ich darf nicht zulassen, daß es mich beherrscht. Sie schloss die Augen, ballte ihre Hände zu Fäusten und kämpfte mit den Tränen. Verbissen zwang sie sich an Dinge zu erinnern, die sie fröhlich gestimmt hatten, Dinge, die sie mit Inuyasha erlebt hatte, glückliche Momente, von denen es zwar nicht so viele gab, die sie aber jedoch für immer in ihrem Herzen trug. Sie dachte an den Tag zurück, an dem er ihr zum ersten Mal den Grund genannt hatte, weswegen er es so hasste, wenn sie durch den Brunnen in ihre Zeit ging, ganz einfach, weil er sie brauchte, nicht als Juwelendetektor, nein, sondern weil er sich in ihrer Gegenwart wohl fühlte. Es war eines der schönsten Dinge gewesen, die er Kagome jemals anvertraut hatte. Und an dieser wunderschönen Erinnerung hielt sie fest, schloss diese in ihre Gedanken ein, auf daß es sie niemals wieder verlassen würde. Und gleichzeitig spürte sie, wie der Schatten, der ihr Herz zu verschlingen drohte, langsam verschwand. Ein erleichtertes Aufatmen ging durch ihren Körper. Als sie die Augen wieder öffnete, stand Kaede plötzlich vor ihr und musterte sie fragend. Dann seufzte die alte Miko, schüttelte den Kopf und sah Kagome mitfühlend an.

"Du hättest doch nicht mitkommen sollen, mein Kind. Du quälst dich doch nur."

Kagome machte den Mund auf und wollte etwas darauf erwidern, doch sie wusste nicht was. Die Priesterin hatte ja auf irgendeine Art und Weise recht, doch sie wollte wenigstens dabei sein, wenn der Hanyou seine letzte Reise antrat. Myoga, der die ganze Zeit über auf Kaedes Schulter gesessen hatte und nun wieder einigermaßen gefasst wirkte, ergriff nun das Wort.

"Wenn einer von euch noch einige Dinge an Inuyasha-sama richten möchte, so möge er das jetzt tun, bevor die Fackel erhoben wird."

Ohne lange zu zögern machte Miroku den Anfang und trat an den Hanyou heran. Mit geschlossenen Augen und einem gemurmelten Gebet auf den Lippen verweilte er einen Moment neben ihm. Bevor er sich umwandte, um wieder zu gehen, drückte er fest Inuyashas Hand und sagte: "Danke, daß du mich dabei unterstützt hast, Naraku zu suchen, damit ich diesen Fluch endlich loswerde." Als er wieder zu seinen Freunden zurückkehrte, glaubte Sango, die sich als nächstes verabschieden wollte, Tränen in den Augen des jungen Mönches glitzern zu sehen. Sie hatte ihn während der ganzen Zeit nie weinen sehen, aber nun merkte sie, daß auch er seine Trauer nicht mehr zurückhalten konnte, was sie durchaus verstehen konnte. Die letzten vierundzwanzig Stunden war er für sie da gewesen hatte sie getröstet, ihr Mut zugesprochen und sie in den Arm genommen. Nun schien es so, als bräuchte er jetzt jemanden, an dessen Schulter er sich lehnen konnte.

Nachdem sich Miroku wieder in den Halbkreis neben Sango eingereiht hatte, senkte er den Kopf und sah zur Seite. Auf keinen Fall sollte sie sehen, daß die Tränen, die ungewollt hervorgetreten waren, sich nun ihren Weg über seine Wangen bahnten und unaufhaltsam zu Boden tropften.

"Houshi-sama", sagte die junge Dämonenjägerin betroffen.

Doch der erhob nur die Hand und winkte ab.

"Ist schon gut. Geh du nun. Es wird schon dunkel. Wir dürfen nicht zuviel Zeit verstreichen lassen."

Ihre Augen wanderten gen Himmel, an dem sich schon die ersten Sterne zeigten. Die Sonne hatte sich schon fast vom Abendhimmel verabschiedet, nur ein paar wärmende Strahlen schienen ihr noch ins Gesicht und warfen lange Schatten auf den Waldboden. Zögernd ging sie auf Inuyasha zu. Sie hatte schon viele Tote gesehen, sie betrauert und bestattet, doch es fiel ihr jedes Mal unendlich schwer, jemanden zu Grabe zu tragen, der ihr nahegestanden hatte. Ungewollt erinnerte sie all das an ihre Familie und an die Leute ihres Dorfes. Damals hatte sie sich gewünscht, so etwas nie wieder erleben zu müssen. Doch aussuchen konnte man sich so etwas nun mal nicht. Solche Dinge würden, das war ihr bewusst, sie noch öfter in ihrem Leben begleiten, als ihr lieb war. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf die des Hanyous. Sie erinnerte sich an jenen schicksalhaften Moment, in dem er sie davor bewahrt hatte, ihren eigenen Bruder zu töten. Wäre er nicht gewesen ... , sie mochte sich gar nicht ausmalen, was dann geschehen wäre.

"Du warst zwar oft ein sturer Hitzkopf und hast meist ohne zu überlegen gehandelt, doch ... du hast ... immer auf dein Herz gehört. Und du hast mit der Überzeugung gelebt, daß es eine Möglichkeit gibt, Kohaku zu retten. Dafür danke ich dir."

Sie stockte.

"Du ... wirst mir fehlen."

Der Wind trug die gesprochenen Worte zu ihren Freunden hinüber, die erstaunt und zugleich bewegt aufsahen. Kagome hätte von Sango so etwas gar nicht erwartet, doch konnte sie gut verstehen, warum ihre Freundin so fühlte. Sie alle stellen eine Art Familienersatz für Sango dar und nun drohte diese Familie auseinander zu brechen. Unweigerlich musste Kagome an Shippo denken, den sie noch immer im Arm hielt. Ob es ihm wohl genauso ging wie der Dämonenjägerin? Nein, daß alle ihrer Wege gingen, kam überhaupt nicht in Frage, dachte sie. Gerade jetzt war es wichtig, daß sie zusammenhielten. Allein konnte niemand von ihnen Naraku besiegen. Nur als Gemeinschaft waren sie stark. Kirara maunzte traurig und sprang Sango in die Arme, als diese zurückkam. Schnurrend kuschelte sie sich an ihre Freundin, um ihr etwas Trost zu spenden. Die Dämonenjägerin streichelte gedankenverloren das weiche Fell der Katze und drückte sie fest an sich.

"Kagome-sama?"

Der kleine Flohgeist war auf ihre Schulter gehüpft und wartete auf eine Reaktion ihrerseits. Sie verstand sofort, was er von ihr wollte. Nur sie war noch übrig. Schweigend bückte sie sich, um den kleinen Kitsune abzusetzen, doch der wehrte sich protestierend dagegen und krallte sich an ihrer Bluse fest. Verblüfft sah Kagome den Kleinen an.

"Ich will doch auch mitkommen", bettelte Shippo, als er den fragenden Ausdruck im Gesicht des Mädchens bemerkte.

"Nimm ihn ruhig mit, Kagome-sama", flüsterte ihr Miroku zu, als sie sich wieder aufgerichtet hatte, "er verkraftet das schon. Schließlich hat er bereits mehr gesehen und erlebt als andere Kinder seines Alters."

Da musste Kagome ihm wohl Recht geben. So seufzte sie zur Antwort und hob den kleinen Fuchsdämon wieder hoch in ihre Arme. Er lächelte ihr dankbar zu und versprach auch ganz tapfer zu sein. Allerdings merkte sie dann mit jedem Schritt, den sie in Richtung ihres geliebten Hanyous machte, daß ihm das wohl doch nicht so leicht fiel, denn seine kleinen Händchen klammerten sich immer fester an ihre Kleidung. Ob das eine so gute Idee war, dachte sie. Der Kitsune schluckte erst einmal schwer, als sie vor Inuyasha standen. Nur die Fackeln der Dorfleute, die ringsherum versammelt standen, erhellten noch seinen Körper. Die Nacht hatte sich bereits wie eine schwere schwarze Decke über das Land gelegt und alles Licht der Sonne getilgt. Shippo betrachtete den Hanyou, der so aussah, als würde er nur schlafen. In diesem Moment wünschte er sich nichts sehnlicher, als das Inuyasha aufstehen würde und ihm erst mal ein paar vernünftige Kopfnüsse verpasste. Warum konnte nicht alles wieder wie früher sein? Wieso musste dieser dämliche Youkai gerade ihren Weg kreuzen und nicht den eines anderen? Wieso?! Zornig ballte er seine kleinen Fäustchen und weinte still und heimlich ein paar Tränen, die von Kagome jedoch nicht ganz unbemerkt blieben, da sie auf ihre Arme tropften. Beruhigend strich sie ihm über den Kopf. Dann beugte sie sich leicht vor und hauchte Inuyasha einen sanften Kuss auf die Stirn. Noch einmal strich sie durch sein langes weiches Haar, ein letztes Mal. Myoga, der noch immer auf ihrer Schulter saß, sah schweigend zu. Er hatte nun eine wichtige Aufgabe zu erfüllen: Kagome-sama zu beschützen, um seine Schuld zu begleichen und seine Ehre wieder zu erlangen. Kagome fiel es derweil unendlich schwer, sich von dem Hanyou zu trennen, doch ihr war bewusst, daß es nun wirklich an der Zeit war, zurückzutreten, damit die Bestattung fortgeführt werden konnte. Nachdem sie Inuyasha den Rücken zugekehrt hatte und zu ihren Freunden zurückging, hörte sie bereits das Knacken und Knistern der Flammen, die sich langsam aber sicher in Richtung des Hanyous hoch fraßen. Alles in ihr schrie danach, sich umzudrehen und den Körper ihres Freundes dort hinunterzureißen und ihn in ihre schützenden Arme zu schließen. Nur mit Mühe konnte sie sich beherrschen, es nicht zu tun. Lautlos tropften die Tränen, die sie nun wirklich nicht mehr zurückhalten konnte, auf den Kopf des kleinen Kitsune, der traurig vor sich hinstarrte. Sango lief ihnen entgegen. Weinend fielen sich die beiden Mädchen in die Arme. Mit versteinerter Miene starrte der junge Mönch in das hochlodernde Feuer, welches den Körper des Hanyous nun schon komplett eingehüllt hatte. Der Flammenschein erhellte die Dunkelheit, die sie nun alle umgab und ließ die Luft vor Hitze flirren. Ein paar ältere Frauen des Dorfes, welche die Prozession begleitet hatten, stimmten ein Klagelied an, das erst wieder ein Ende fand, bis von den scheinbar bis zum Himmel lodernden Flammen nur noch ein schwaches Glimmen der Glut übrig geblieben war. Zwei Männer traten aus der Trauergemeinschaft vor. Einer von ihnen trug eine Urne, die er vor das niedergebrannte Feuer stellte. Schweigend verfolgten die Freunde, wie die Männer das Gefäß mit der Asche Inuyashas füllten. Nachdem sie ihre Arbeit getan hatten, erhoben sie sich und gingen zu Kaede, die sich sogleich an Kagome wandte.

"Mein Kind., du sollst nun entscheiden, wo er seine Ruhe finden darf."

Kagomes Blick wanderte zu dem Ort hinüber, an dem sie und Inuyasha sich zum ersten Mal trafen. Sie hob den Arm und zeigte mit dem Finger auf den uralten Baum.

"Ich möchte, daß er dort begraben wird. Mit diesem Platz verbinde ich etwas ganz Besonderes", sie sah hoch zu der mächtigen Baumkrone des Goshinboku, durch dessen üppiges Blattwerk die Sterne funkelten, " an diesen Baum wurde er gebannt, hier wurde er wiedererweckt und das hier soll nun auch seine letzte Ruhestätte werden. Der Götterbaum existiert auch noch in meiner Epoche. Vielleicht sind wir so auf immer miteinander verbunden."

Automatisch griff ihre Hand nach dem Amulett an ihrem Hals. Eine angenehme Wärme durchströmte ihren Körper, als sie es fest mit der Linken umschloss. Du hast einen Teil deiner Liebe in dieses Amulett gesteckt, das spüre ich, Inuyasha, dachte sie.

Man hatte bereits ein Loch an der vorgegeben Stelle gegraben, in das man nun die Urne hinunterließ. Als das Erdreich über dem gefüllten Loch wieder geglättet wurde, zauberte Sango mit einem Male ein Holzkreuz hinter ihrem Rücken hervor. Kagome riss erstaunt die Augen auf.

"Wo ... wo hast du denn das her?" stammelte sie.

Die Dämonenjägerin überreichte ihrer Freundin das schlichte Kreuz, in dessen Holz kunstvoll der Name des Hanyous eingeritzt war.

"Ich habe es vorhin angefertigt, als du bei Inuyasha im Tempel warst. Mir fiel ein, daß wir doch noch gar keins für ihn hatten und ohne Kreuz ist es doch keine richtige Begräbnisstätte."

Kagome nahm es dankbar an und nahm die junge Frau dafür in den Arm.

"Danke, Sango-chan, danke", flüsterte sie, "ihr seid wirklich die besten Freunde, die man sich wünschen kann."

Anschließend nahm sie das Kreuz und steckte es ins lockere Erdreich genau über die Urne. Einige der Frauen legten Blumen auf das Grab, verharrten einen Moment und beteten, bevor sie sich vor Kagome verbeugten und den Weg zurück ins Dorf antraten. Das Mädchen verbeugte sich ebenfalls, zollte sie den Dorfleuten doch eine Menge Dankbarkeit. Sie hatten ihn in ihrem Tempel aufbahren lassen, ihn für die Zeremonie hergerichtet, an ihr teilgehabt und sich sogar von ihm verabschiedet. Das hatte es wohl noch nie gegeben, daß Menschen einem Hanyou ein so ehrenvolles Begräbnis bereiteten. Immer mehr der Dorbewohner entfernten sich nun vom Ort der Trauer.

"Ich denke, wir sollten auch langsam aufbrechen."

Miroku musterte seine beiden Begleiterinnen, die schon sichtlich erschöpft wirkten. Ein Knurren ließ sie alle herumfahren. Shippo, der etwas rot angelaufen war, hielt sich seinen knurrenden Magen.

"Ich hab Hunger", maulte er.

Ein extra langes Aufstöhnen ging durch die Gruppe, um den kleinen Kitsune zu ärgern und sie alle taten so, als würden sie ihn nicht beachten. Der begann zu schimpfen wie ein Rohrspatz und fing an, vor ihren Nasen auf und ab zu hüpfen. Kagome zeigte irgendwann Erbarmen und kramte aus ihrem Rocktasche einen Lutscher hervor.

"Hier, nimm den. Das sollte erst mal reichen, bis wir im Dorf angelangt sind."

Mit einem Juchzer sprang der Fuchsdämon an ihr hoch und nahm die Süßigkeit in Empfang.

"Juhu! Lecker, danke! Du bist die Beste, Kagome!"

Die Angesprochene lächelte und wuschelte ihm zärtlich durchs Haar. Dann sah sie sich um. Es war schon stockfinster.

"Ich gebe Miroku recht. Wir sollten jetzt wirklich machen, daß wir zurück ins Dorf kommen. Kaede ist auch schon vorgegangen. Los, kommt! Sonst macht sie sich noch unnötig Sorgen."

Ihre Freunde nickten zustimmend.

"Wo ist eigentlich Myoga?" Sango sah sich suchend um.

Grinsend deutete Kagome auf ihre Schulter, von der ein leises Schnarchen erklang. Miroku legte einen Finger an die Lippen und gab den anderen ein Zeichen, ihm zu folgen. Kagomes Blick fiel noch einmal auf das Grab Inuyashas.

"Ich werde dich niemals vergessen und auch nicht all die Dinge, die du für mich getan hast. Du sollst nicht umsonst gestorben sein. Deswegen werden wir unseren Kampf um die Shikon-Splitter fortsetzen, das verspreche ich dir."

Ein paar Tränen fielen zu Boden, als sie sich umwandte und ihren Freunden folgte. Nur Shippo blieb unbemerkt von allen zurück. Seine großen traurigen Fuchsaugen fixierten das Holzkreuz vor ihm. Plötzlich nahm er den Lutscher aus seinem Mund und steckte ihn in die frische Erde des Grabes direkt vor das Kreuz.

"Der ist für dich. Damit du da, wo du jetzt bist, was Leckeres hast. Wir ... haben uns ja immer etwas schwer damit getan, was das Teilen betraf."

Eine Eule schrie in der Dunkelheit. Schippo schauderte. Unsicher sah er sich um. Seine Freunde waren schon ein gutes Stück gegangen. Scheinbar hatten sie noch gar nicht bemerkt, daß er fehlte. Noch einmal wandte er sich dem Grab des Hanyous zu und versuchte das, was er fühlte, in Worte zu fassen.

"Inuyasha, ich weiß, wir hatten uns oft in der Wolle und ich hab dir auch ne Menge Kopfnüsse zu verdanken, aber ... , aber wenn es drauf ankam, dann hast du mir immer geholfen. Weißt du, ... ich hab mir immer einen großen Bruder gewünscht und ... und wenn ich ehrlich sein soll, dann hätte er sein müssen wie du ... onii-chan."

Die Blätter des Goshinboku raschelten über ihm zur Antwort im Wind.

"Shippo! Wo bleibst du denn?!" erschall es von weiter weg.

Sein Kopf fuhr herum. Kagome war stehen geblieben und winkte ihm von weitem zu.

"Na dann, ... mach's gut", und zu seinen Freunden gewandt, " Wartet! Ich komme ja schon!"

Schnell flitzte er hinter ihnen her und sprang in Kagomes Arme. Das Mädchen musterte ihren kleinen Freund etwas besorgt.

"Ist alles in Ordnung?"

Der Kitsune zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, um sie zu beruhigen. Dann kuschelte er sich wie zur Bestätigung an sie und sah über ihre Schulter hinweg in Richtung des Grabes, das in der Ferne immer kleiner wurde, bis es gänzlich verschwand.
 

Früh am nächsten Morgen fand sich eine bunt gewürfelte kleine Reisegruppe an der Begräbnisstätte ein: Ein hochgewachsener junger, stattlich aussehender Mann, an dem das lange weiße Haar, die Rüstung und die Schwerter, die er trug, doch mehr an einen hochrangigen Youkai denken ließen, als an einen Menschen, ein kleinwüchsiger Kröterich mit einem seltsam aussehenden Stab in der Hand, auf dessen Spitze zwei Köpfe, einer männlich und einer weiblich, thronten, ein kleines aufgewecktes Mädchen, was kein Youkai zu sein schien und ein zweiköpfiger Drache, der ein Reitgeschirr trug. Jeder, der in diesem Moment vorbeigekommen wäre, hätte sich wahrscheinlich ungläubig die Augen gerieben und geschworen, in der nächsten Zeit etwas mehr Abstand vom Sake zu nehmen.

Sesshomaru beäugte nun schon seit zehn Minuten das schlichte Holzkreuz, welches vor seinen Füßen stand, ohne dabei auch nur ein einziges Wort zu sagen. Jaken, sein froschgesichtiger Diener, stand etwas ratlos dreinblickend neben ihm und seufzte. Dafür fing er sich in der nächsten Sekunde einen bitterbösen Blick seines Herrn ein, der ihn vor Schreck erstarren ließ. Als ob das nicht schon genug wäre, krabbelte Rin plötzlich durch die Beine des Youkais hindurch und musterte neugierig den seltsamen Stiel mit dem bunten, süßlich riechenden Kügelchen obendrauf, der vor dem Kreuz in der Erde steckte. Schon grabschten ihre kleinen Händchen danach, um es genauer zu untersuchen, als Jaken, der es erst jetzt bemerkt hatte, mit einem erschrockenen Quieken herumfuhr und das Mädchen an den Beinen zurückzog. Verwirrt richtete das Menschenkind sich auf und musterte den Youkai fragend.

"Bist du verrückt geworden, Rin?" zischte er sie an. "Du kannst doch nicht einfach das Grab des Bruders Sesshomaru-samas entweihen!"

Sich ihrer Schuld bewusst spielte die Kleine unbeholfen mit ein paar Strähnen ihrer Haare und sah zu Boden.

"Entschuldige", murmelte sie, "ich wollte nur wissen, was das ist. Ich habe so etwas noch nie gesehen und deswegen ... ."

Jaken rümpfte die Nase, so, wie er es immer tat, wenn ihm etwas nicht gefiel.

"Ungezogenes Ding", schimpfte er, "hab gefälligst etwas mehr Respekt vor den Toten! Das, was du da gerade an dich nehmen wolltest, ist als Geschenk an den Verstorbenen gedacht, was auch immer es sein mag. Also, lass gefälligst deine Finger davon!"

Rin schniefte. So gemein war Jaken doch sonst nicht zu ihr. Er hatte vielleicht Recht damit, was er sagte, aber ... . Hilfesuchend sah sie hoch zu ihrem Sesshomaru-sama, doch der schien von der kleinen Standpauke nichts mitbekommen zu haben. Etwas enttäuscht ließ sie sich auf den vom Morgentau noch feuchten Waldboden plumpsen und zog die Beine an. Schweigend wartete sie darauf, was weiter geschehen würde. Seit dem vorletzten Abend, dass war ihr aufgefallen, benahm sich der mächtige Youkai irgendwie eigenartig. Er schien seitdem in seiner eigenen Welt zu leben und nahm äußere Einflüsse kaum noch wahr. Und Jaken war auch nicht besser gestimmt. Egal, was sie auch tat, er reagierte ständig überreizt und genervt. Aber vielleicht, so dachte sie, macht ihm das seltsame Verhalten Sesshomaru-samas genauso zu schaffen wie mir. Und nun hatten sie sich hier alle vor diesem Grab eingefunden, von dem sie nicht einmal wusste, wer dort begraben lag. Das hieß ... doch, sie wusste es. Jetzt fiel es ihr wieder ein. Hatte Jaken nicht gesagt, es wäre das Grab von Sesshomaru-samas Bruder? Benahm er sich deswegen so eigenartig? Trauerte er etwa? Aber ..., sie hatte immer gedacht, dass er seinen jüngeren Bruder nicht ausstehen konnte. Was war nur geschehen? Ihre Gedanken begannen sich allmählich zu überschlagen. Ganz ruhig, dachte sie, einer von uns muss ja noch klar im Kopf bleiben, sonst passiert noch etwas Schlimmes. So blieb sie sitzen und wartete einfach ab. Sesshomaru starrte derweil noch immer mit unbewegtem Blick den kunstvollen Schriftzug an, der in das Kreuz eingearbeitet war. Hunderte Male hatte er ihn bis jetzt gelesen und noch immer konnte er es nicht wirklich glauben, geschweige denn akzeptieren. Wieder und wieder fuhren ihm die Worte durch den Kopf bis zu seinem Herzen und richteten dort ein Chaos an, was man nicht beschreiben konnte.

"Hier ruht Inuyasha. In Liebe, deine Freunde."

Sein Bruder war tatsächlich tot. Nun hatte er die Gewissheit, die er sich hatte verschaffen wollen, doch besser ging es ihm dadurch auch nicht. Irgendwie fühlte er sich schuldig, warum, wusste er auch nicht. Inuyasha war alt genug gewesen, um auf sich selbst aufzupassen. Es waren vielmehr die Worte seines Vaters, die ihm seit dem verhängnisvollen Abend nicht mehr aus dem Kopf gingen.

"Pass auf ihn auf. Er ist trotz allem dein Bruder. Hilf ihm, wenn er in Schwierigkeiten steckt."

Und noch etwas war da. Etwas, was ihm keine Ruhe mehr gönnte und der Grund für sein eigenartiges Verhalten war. Er hatte im Moment des Todes die Seele seines jüngeren Bruders aufschreien hören ... und sie hatte nach ihm, nach Sesshomaru geschrieen.
 

Ein Tag verging. Am darauffolgenden Morgen saßen drei junge Leute und ein kleiner Fuchsdämon in Kaedes Hütte und stocherten lustlos in ihrem Frühstück herum. Als die alte Miko, die gerade von ihrem Morgenspaziergang zurückkehrte, eintrat und sich ihr dieses Bild bot, seufzte sie erst einmal laut auf. Wie lange sollte das denn noch so weitergehen? Den ganzen Tag über hockten die Vier in ihrer Hütte und schwiegen sich an. Sicher, es war noch nicht lange her, dass sie Inuyasha zu Grabe getragen hatten, aber so langsam sollten sich die jungen Leute mal Gedanken darüber machen, wie es in Zukunft weiterging. Sie räusperte sich hörbar. Acht Augenpaare blickten plötzlich in ihre Richtung.

"Kinder", begann sie, "ich weiß, was ihr fühlt und respektiere das auch, aber ich finde, ihr solltet euch so bald wie nur irgendwie möglich zusammensetzten und beraten, wie es weitergeht."

Eine Welle von Hilflosigkeit schlug ihr nach diesen gutgemeinten Worten entgegen. Sango hob den Kopf und sah der Miko in die Augen.

"Uns ist bewusst, dass es an der Zeit ist, was zu tun, Kaede. Aber es fällt uns so wahnsinnig schwer. Das Loch, das innerhalb unserer Gruppe entstanden ist, ist zu groß, um es einfach wieder zusammen zu flicken."

Miroku nickte der Dämonenjägerin zustimmend zu.

"Wir wissen nicht, ob wir genug Kraft besitzen, um bis zum Ende durchzuhalten. Zu Fünft war es schon schwer genug gegen Naraku zu bestehen, jetzt sind wir nur zu Viert."

Kagome, die bis jetzt nur schweigend zugehört hatte, stand mit einem Male so hastig auf, dass Shippo vor Schreck von ihrem Schoß purzelte.

"Dann müssen wir es eben versuchen! Woher sollen wir wissen, ob wir es schaffen oder nicht, wenn wir es nicht wenigstens probieren?"

Miroku und Sango sahen das Mädchen erstaunt an. Kaede lächelte geheimnisvoll. Sie hatte gewusst, dass Kagome das nicht einfach so auf sich beruhen lassen würde.

"Ich habe Inuyasha geschworen, dass wir weiterkämpfen werden. Und ich gehöre nicht zu den Menschen, die ihren Schwur so mir nichts dir nichts wieder brechen!"

Herausfordernd sah sie ihre Freunde an. In Sango erwachte langsam wieder der Kampfgeist. Sie gesellte sich an die Seite ihrer Freundin und legte den Arm um sie.

"Du hast recht, Kagome. Wie konnte ich nur so dumm sein? Wir tun Inuyasha keinen Gefallen damit, wenn wir hier herumsitzen und Trübsal blasen. Also, was ist?"

Damit meinte sie Miroku und Shippo, die noch immer etwas verklärt auf dem Boden saßen. Doch für den kleinen Fuchsdämon war sofort klar, was er wollte. Mit einem Satz klebte er an Kagomes Bein und schaute zu ihr hinauf.

"Ich geh dahin, wo Kagome hingeht. Mit mir könnt ihr rechnen. Wann soll's denn losgehen?"

Die beiden Mädchen konnten sich ein Lachen nicht verkneifen, woraufhin der kleine Kitsune sie giftig anstarrte. Nun erhob sich auch Miroku und ging zu Kagome und Sango hinüber.

"Hach ja, nun, ich kann ja zwei so hübsche Geschöpfe wie euch nicht alleine auf diese gefährliche Reise schicken."

Dabei wanderte seine Hand mal wieder an eine Stelle, von der er besser die Finger hätte lassen wollen. Sangos Gesicht wurde schlagartig puterrot und sie ließ ihr Hiraikotsu für sich sprechen. Die anderen kniffen die Augen zusammen, als sie es heruntersausen ließ und Kaede hoffte inständig, dass gerade niemand an ihrer Hütte vorbei kam und die Schmerzenslaute des Mönches falsch deutete. Als sie ihre Augen wieder öffneten, lag dieser etwas mehr als nur verbeult am Boden. Die Dämonenjägerin stand zufrieden daneben und klopfte sich die Hände an ihrer Kleidung ab.

"So, wo waren wir stehen geblieben?"
 

Dreimal war die Sonne wieder auf- und untergegangen, seit Sesshomaru das Grab seines Bruders entdeckt hatte. Solange wanderten er, Jaken und Rin nun auch schon ziellos in der Gegend umher. Sein Diener hatte ihn seitdem mehrmals angesprochen, doch Sesshomaru war nicht zum Reden zumute. Er wusste auch nicht, wohin ihn seine Füße trugen, er hatte kein Ziel vor Augen, er wollte einfach nur weiterlaufen, egal wohin, denn solange er etwas tat, konnte er wenigstens dieses grausame Gefühl verdrängen, was ihn so sehr belastete. So gelangten sie gegen Abend an den Rand eines Dorfes, von dem sie aber soviel Abstand nahmen, dass sie den Menschen dort nicht auffielen. Jaken ließ sich seufzend ins Gras plumpsen, während Rin einem bunten Schmetterling hinterher jagte. Sesshomaru hing seinen Gedanken nach, bis er seinen Diener plötzlich laut aufschreien hörte.

"Rin! Wo ist Rin?! Verdammt, sie ist doch gerade noch hier gewesen!"

Panisch lief er dabei die ganze Zeit im Kreis herum und brabbelte dabei in seinen nicht vorhandenen Bart, was Sesshomaru wohl nun mit ihm anstellen würde, wenn er das erführe. Doch dieser stand bereits vor ihm und sah ihn drohend an.

"Was soll das heißen, sie ist nicht mehr hier?!"

Vor Schreck fiel Jaken auf den Hintern, aber mehr, weil Sesshomaru seine Stimme wiedergefunden hatte, als vor lauter Angst, was ihn nun erwarten würde.

"Ich ... , sie ist ... ."

Rumms, plong, bäng!!!

" ... da lang gelaufen, Sesshomaru-sama. Danke, dass ich euch helfen konnte."

Etwas demoliert sank er zu Boden und zeigte in die Richtung, in die Rin verschwunden war. Sesshomaru lief kopfschüttelnd den vorgegeben Weg entlang.

"Alles muss man hier selber machen."

Nach einer Weile entdeckte er das Mädchen, welches hinter ein paar Büschen in Deckung gegangen war und etwas vergnügt verfolgte. Er wollte sie gerade zurechtweisen, als er ihrem etwas sehnsüchtigen Blick folgte. Ein paar Kinder tollten auf den Feldern vor dem Dorf ausgelassen durch das hohe Gras. Rin betrachtete das mit einem glücklichen und zugleich auch traurigem Ausdruck im Gesicht. Zu gerne würde sie dort mitspielen. Aber das würde heißen, dass sie Sesshomaru-sama allein lassen musste und das wollte sie auch nicht. Plötzlich vernahmen die beiden einen Schrei und schreckten zusammen. Die Kinder begannen zu kreischen und suchten fluchtartig das Weite. Sesshomarus Hand wanderte alarmiert an den Schwertgriff Tokijins, während Rin zu seiner Verwunderung begeistert in die Hände klatschte. Die untergehende Sonne warf mit einem Male eines riesigen Schatten auf den Hügel, vor dem die Kinder vor wenigen Augenblicken noch sorglos gespielt hatten. Irgendetwas Bedrohliches kam den Hang hinaufgelaufen. Sesshomarus Körper spannte sich. Zu Verteidigung bereit umschloss seine Hand nun vollkommen den Griff Tokijins. Wenn dieses Etwas, was da auf sie zukam, die Kinder angriff, würde es mit Sicherheit auch nicht vor ihm, Rin und Jaken halt machen, der sich nun zu ihnen gesellt hatte und die Szenerie angespannt beobachtete. Das Mädchen an ihrer Seite starrte den Youkai sichtlich irritiert an. Was ihn ebenfalls wunderte, war die Tatsache, dass er keinerlei dämonische Aura spürte, die von dem Wesen, dessen Schatten immer weiter wuchs, doch eigentlich hätte ausgehen müssen. Allerdings war er sich nun auch nicht mehr so sicher, ob es sich um einen Youkai handelte. Verdammt, dachte er, hat mich das denn alles so verwirrt, dass ich nicht einmal mehr das spüren kann? Dann ertönte wieder ein Schrei, nun sehr viel näher und lauter als zuvor.

"Uaaaah! Wartet nur, bis ich euch habe! Dann fress ich euch mit Haut und Haaren!"

Die Gestalt, die zu der Stimme gehörte, stürmte nun behände den Hügel hinauf. Und Sesshomaru erstarrte. Es war ein Junge. Der aufkommende Wind zerrte agressiv an seinem roten Gewand und auch an den langen nachtschwarzen Haaren, die ihm bis zu den Hüften reichten. Er rannte brüllend und wild mit den Armen wedelnd auf die Kinder zu, die vergnügt quietschend und kreischend wie eine Schafherde auseinander stoben. Rin sah sehnsüchtig zu ihnen hinüber. Wie gerne wäre sie dabei gewesen. Jaken trat an die Seite seines Herrn, da ihm aufgefallen war, dass der Youkai irgendetwas intensiv in der Ferne betrachtete. Als er seinem Blick folgte, fiel ihm vor lauter Fassungslosigkeit die Kinnlade herunter.

"Das ..., das ist doch ...", stammelte er ungläubig.

Sein Herr beendete den Satz.

"Inuyasha ...", kam es tonlos über dessen Lippen.

Der Junge, der dort so ausgelassen und sorglos mit den Kindern spielte, war niemand anderes als sein Bruder!
 

Tjaha, da staunt ihr, was? Nun, ich hoffe, ich habe euch jetzt einiges beantwortet, womit ihr mir vorher Löcher in den Bauch gefragt habt, aber auch gleichzeitig wieder neue Fragen aufgeworfen. Wenn ihr weiter am Ball bleibt, werdet ihr natürlich Antworten darauf finden, wenn nicht, na ja, der ist selbst Schuld. Und weil ihr alle so lieb seid, gibt es wieder eine kleine Vorschau für das nächste Mal:

Sesshomaru informiert Kagome und Co über seine Entdeckung. Wie werden sie darauf reagieren? Und was ist mit Inuyasha los? Vermisst er seine Freunde gar nicht?

All das beim nächsten Mal!

Hab euch alle lieb.

Eure Mariko

Unverhofftes Wiedersehen

Hallo, Ihr Lieben!

Da bin ich wieder nach langer Abwesenheit. Erstmal gomen nasai, dass es so furchtbar lange gedauert hat, ich hoffe, es hat noch keiner gedacht, ich mach nicht mehr weiter, aber keine Sorge, diese FF wird nicht abgebrochen, auch wenn ich nebenbei zur Zeit ne Menge zu tun habe.

Ganz besonders hab ich mich natürlich wieder über Eure total lieben Kommis gefreut und weil ihr alle so lieb seid, hab ich euch gleich ne ganze Menge Lesestoff mitgebracht. Ich hoffe nur, dass es nicht zu abschreckend wirkt, es ist leider ziemlich viel geworden, mehr als das vorige Kapitel, aber wenn ich einmal loslege, dann kriegt mich keiner so schnell wieder von der Tastatur weg.

Bevor es losgeht, muss ich aber noch ein paar Grüße loswerden:
 

Lina-san: Meine kleine Schwester, obwohl ich ja sagen müsste, meine jüngere Schwester, die Lütte bin ja leider ich. Wir sehen uns im September wieder!!! Dann machen wir den Norden unsicher! HDGDL!!!
 

Hotepneith: Wann zum Kuckuck schreibst Du eigentlich Deine FF´s? Ich dachte schon, ich habe zu wenig Zeit dazu, aber wie machst Du das nur? Auf jeden Fall ganz liebe Grüße von mir und schreib noch schöne viele andere für uns, damit wir immer was Tolles zum Lesen haben.
 

Halbdaemonin: Dich kann ich ja auch schon fast als meine kleine Schwester bezeichnen, soviel, wie wir manchmal quatschen. Hab Dich ganz doll lieb und ich wünsche Dir noch erholsame Ferien!
 

Himmel77: Eine der Ersten, die ich bei Animexx kennengelernt habe und ich hab´s bis heute nicht bereut, hihi! Meld Dich mal wieder, wenn die Stressphase vorbei ist.
 

Lizard: Deine Storys sind einfach nur genial, ich verschlinge sie wie eine Tüte Chips und dass, obwohl ich ein Genießer bin. Ich hoffe, Dein Urlaub war schön und Du konntest Dich ein wenig erholen.
 

Mondvogel: Die Neue im Club der genialen Schreiberlinge. An alle, die ihre FF noch nicht kennen: Sofort lesen! Aber dalli! So, jetzt hab ich mal nen bisschen Werbung für Dich gemacht, hoffentlich war das okay. HDL ^-^
 

Kiara16: Freue mich schon, wenn Du wieder zu Hause bist. Wegen Dir muss ich jetzt mein 6. Kapitel überarbeiten *grummel*. Nein, mal ehrlich, gut, dass es Dir aufgefallen ist und Du mich gleich darauf aufmerksam gemacht hast. Das war echt nett von Dir.
 

KenYasha: Hab mich echt total über Deinen langen Mails gefreut. Würde auch gerne weiterhin mit Dir in Kontakt bleiben, das Quatschen macht echt Spaß mit Dir. Ganz liebe Grüße.
 

So, genug gegrüßt, jetzt geht´s los:
 

7. Kapitel: Unverhofftes Wiedersehen
 

"Haben wir alles?"

Kagome sah über ihre Schulter hinweg zu ihren Freunden, die eifrig damit beschäftigt waren, sich für den geplanten Aufbruch vorzubereiten. Shippo überprüfte zum wahrscheinlich hundersten Male die Vollständigkeit seines Inventars an Gegenständen wie Kreisel, Pilze oder auch Eicheln, die allerdings zu seiner großen Enttäuschung nicht wirklich viel gegen Naraku ausrichten konnten, sich aber in anderen Situationen als durchaus nützlich erweisen könnten. Sango, die neben ihm stand und ihn dabei beobachtete, musste schmunzeln. Jeder wollte seinen Beitrag leisten, selbst der Kleinste unter ihnen, war er noch so schwach. Der Fuchsdämon würde noch viele Niederlagen in seinem Leben einstecken müssen, bis er zu jemandem herangereift war, der sich selbst und andere schützen konnte. Seufzend streifte sich die Dämonenjägerin ihr Hiraikotsu über die Schulter und ließ ihr Schwert mit einem hörbaren Klicken in die Scheide gleiten. Ihr Blick wanderte zu Miroku hinüber, der schon seit einigen Minuten geduldig dastand und darauf wartete, bis seine Freunde soweit waren. Er hatte keine Klinge zu schärfen oder Pfeile zu ordnen, um sie danach in den dazugehörigen Köcher wandern zu lassen. Das schwarze Loch in seiner rechten Hand bedurfte keiner sorgfältigen Pflege. Und als Mönch konnte er immer noch auf seine Bannzettel und seinen Stab, der ihn auf jeder Reise begleitete, vertrauen.

Kagome nahm gerade von Kaede noch einen neuen Bogen entgegen, als Kiraras plötzliches Fauchen und Knurren sie alle alarmiert herumfahren ließ. Die Dämonenkatze hatte sich ohne Vorwarnung in ihr großes, mit riesigen Fangzähnen bestücktes Ich verwandelt und gebärdete sich wie wild.

"Kirara, was ist los? Was hast du?"

Eilig war Sango an ihre Seite getreten und streichelte beruhigend über das Nackenfell der treuen Gefährtin. Sie konnte förmlich spüren, wie angespannt der Körper der Dämonenkatze war. Ihre Augen schweiften suchend umher, um einen Grund für das eigenartige Verhalten Kiraras zu finden. Auch Kagome, Miroku und Shippo sahen sich unsicher um, wurde ihnen doch langsam bewusst, daß ihnen von irgendwem Gefahr drohte, denn der Instinkt der Dämonenkatze hatte sich noch nie getäuscht. Sangos Hand wanderte langsam zu ihrem Hiraikotsu, während Mirokus linke Hand sich auf die Gebetskette an seiner Rechten legte. Kagome holte vorsorglich einen Pfeil aus ihrem Köcher, legte ihn an und spannte den Bogen, um vorbereitet zu sein. Und Shippo, tja, der hielt sich lieber hinter Kagomes Bein versteckt, nur für alle Fälle. Kaede war einige Schritte rückwärts in Richtung ihrer Hütte zurückgewichen und hielt sich ebenfalls bereit. Plötzlich vernahmen ihre Ohren aufgeregte Schreie, die aus dem Zentrum des Dorfes zu kommen schienen. Ihren jungen Freunden war es auch aufgefallen und so ruckten ihre Köpfe fast gleichzeitig in dieselbe Richtung. Es dauerte nicht lange, bis ein Mann aus dem Dorf gelaufen kam und Atem ringend vor Kaede Halt machte. Die Miko musterte ihn fragend, woraufhin er sofort berichtete.

"Kaede-sama", brachte er aufgeregt hervor, "ihr werdet nicht glauben, wer gerade das Dorf betreten hat!"

Zögernd sah er Kagome, Miroku, Sango und Shippo an und hielt es dann für besser, Kaede die Nachricht lieber ins Ohr zu flüstern, was bei den Freunden ein deutliches Stirnrunzeln auslöste. Kagome stellte mit Entsetzen fest, daß die alte Frau immer blasser wurde, als der Mann ihr mitteilte, wer ihre Gastfreundschaft da gerade ausnutzte. Die Miko sah ihn ungläubig an, doch er unterstrich nur mit einem eiligen Nicken seinen Bericht, bevor er verzweifelt die Schultern hängen ließ.

"Was sollen wir jetzt machen, Kaede-sama? Was will er von uns?"

Doch die schüttelte hilflos den Kopf und blickte ihren jungen Freunden in die Augen, die sich gegenseitig ratlos fragten, wer denn das Dorf betreten haben könnte, der einen solchen Respekt hinterließ und gleichzeitig Furcht unter ihnen auslöste.

"Wenn ich nur wüsste, was er will. Ich dachte, es wäre ihm egal."

Als Kaede diese Worte aussprach, kroch in Kagome ein schrecklicher Verdacht hoch. Konnte es etwa sein, daß er ...?

Jaken bezweifelte noch immer, daß es eine gute Idee gewesen war, an der Seite seines Herrn dieses Dorf zu betreten, um Inuyashas Freunde aufzusuchen. Die Dorfbewohner waren ängstlich vor ihnen zurückgewichen, manche hatten sogar schreiend das Weite gesucht, bis auf ein paar ganz Mutige unter ihnen, die sich den beiden Youkai mit gezückten Mistgabeln entgegenstellten, die aber, nachdem Sesshomarus Blicke sie regelrecht aufzuspießen drohten, dann doch ihre Heil in der Flucht suchten. Sesshomaru sah ihnen verächtlich hinterher und setzte anschließend unbeirrbar seinen Weg fort. Rin hatten sie lieber am Rande des Dorfes zusammen mit Ah-Un zurückgelassen. Erstens hätte es wahrscheinlich eine Massenpanik unter den Menschen hier ausgelöst, wenn der zweiköpfige Drachen gemütlich ins Dorf hereinspaziert wäre und zweitens hätte dieses furchtbar neugierige Gör wieder eine Menge unnutzer Fragen gestellt. Nein, das, was sie hierher geführt hatte, musste in Ruhe besprochen werden. Sesshomaru hielt es für wichtig, die Freunde seines Bruders darüber zu informieren, was er gesehen hatte. Er wollte, daß sie Nachforschungen für ihn anstellten, was nun wirklich geschehen war. An diesem schicksalhaften Abend vor ein paar Tagen hatte er deutlich gespürt, wie Inuyashas Lebenslicht noch einmal mit aller Kraft aufgeflammt war, um dann für immer zu erlöschen. Er hatte sein Grab mit eigenen Augen gesehen und gestern in der Abenddämmerung lief sein Bruder nur wenige Meter an ihm vorbei, allerdings in seiner menschlichen Gestalt. Wie war das möglich? Sesshomarus Gedanken überschlugen sich förmlich angesichts dieser Sache. Seit gestern Abend zermarterte ihm diese Frage das Hirn. Und wieso kehrte er nicht zu seinen Freunden zurück, wenn er doch lebte? Fragen über Fragen, die regelrecht nach logischen Antworten schrieen. Jaken sah besorgt zu seinem Herrn hoch. Er spürte, wie dieser mit seinen Gedanken wieder ganz woanders war. Konnte es etwa sein, daß er für dieses verfluchte Halbblut doch geschwisterliche Gefühle hegte? Kopfschüttelnd vertrieb Jaken diese überaus absurde Vermutung. Blödsinn, dachte er. Seit wann scherte sich sein Herr um das Schicksal anderer? Er zog eher die Möglichkeit in Betracht, daß er herausfinden wollte, ob das, was seinem Bruder Schaden zugefügt hatte, auch ihm gefährlich werden konnte. Schließlich war irgendetwas mit dem Hanyou geschehen, was sie sich nicht erklären konnten. Jaken machte mit einem Male ein paar unfreiwillige Hopser voran, da sein Herr ohne Vorwarnung seinen Gang beschleunigte und er Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Der Grund für diese plötzliche Eile lag in Sesshomarus Nase. Er witterte dieses Menschenmädchen, welches ständig mit Inuyasha zusammengewesen war. Ganz in der Nähe musste sie sich aufhalten, ihr Geruch war unverkennbar. Doch wo genau das war, konnte er nicht ausmachen. Irgendetwas verwirrte seine Sinne, störte seine Wahrnehmung. Es schien so, als würde das Mädchen mit aller Macht von Jemandem geschützt werden, jemand, der nicht wollte, daß sie in Gefahr geriet. Der Youkai legte nachdenklich die Stirn in Falten. Wer besaß die Macht, die Witterung eines Dämons, wie er einer war, zu täuschen? Doch nach einigen Augenblicken des Überlegens fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Natürlich, dachte er, die halbvertrocknete Miko dieses Dorfes, wer sonst? Also musste schleunigst jemand her, der ihn zu dem Aufenthaltsort des Mädchens führte.

"Du", die Hand seines ihm noch verbliebenen rechten Armes hob sich und er deutete mit dem Zeigefinger auf das Antlitz eines Mannes, der vor Schreck erbleichte, als er den kühlen Blick des mächtigen Youkais auf sich ruhen sah. Die Stimme des Mannes zitterte, als er antwortete.

"J-ja, Herr?"

Sesshomaru machte einen Schritt in seine Richtung, was zur Folge hatte, daß die anderen Dorfbewohner, die noch vor wenigen Augenblicken neben dem Angesprochenen gestanden hatten, fluchtartig das Weite suchten. Der Mann begann am ganzen Körper zu schlottern, als er bemerkte, daß er seitens der Seinen nun auf keine Unterstützung mehr bauen konnte. Die Stimme des Youkais klang hart und schneidend, als er seinen Wunsch äußerte.

"Du wirst mich zu diesem Mädchen namens Kagome führen."

Sein Gegenüber schluckte hart aufgrund dieser Aufforderung. Nervös sah er zu allen Seiten, doch die anderen Leute wichen seinen hilfesuchenden Blicken beschämt aus. Sesshomaru wartete. Wieso dauerte denn das solange? Entweder war es außerordentlich mutig oder ziemlich dumm von diesem Menschen seine Geduld so unverschämt auf die Probe zu stellen. So tat er einen weiteren Schritt in dessen Richtung, worauf dieser wie nach einem Blitzschlag zusammenfuhr. Verwundert zog Sesshomaru die Augenbrauen hoch. Ging denn von seiner bloßen Erscheinung soviel Angst und Schrecken aus, daß der Mann so reagierte? Er hatte niemandem von ihnen angegriffen und verletzt, geschweige denn dieses Dorf zerlegt und doch gaben ihm diese Leute hier das Gefühl, genau das getan zu haben. Scheinbar hatten sie mit allem, was den Namen "Dämon" trug, schlechte Erfahrungen gemacht, außer mit seinem missratenen Halbbruder. Wo wir doch wieder beim Thema wären, dachte Sesshomaru. Eine letzte Chance sollte es für den Mann noch geben, wenn dann nichts geschah, würde er sich wahrscheinlich wirklich vergessen.

"Ich scheine mich beim ersten Mal nicht klar genug ausgedrückt zu haben. Ich befinde mich auf der Suche nach dem Mädchen Kagome und ich bin mir sicher, daß du weißt, wo sie sich aufhält. Also führe mich zu ihr, denn meine Geduld ist nun langsam am Ende."

Der Mann schien unter dem vernichtenden Blick des Youkais regelrecht zusammen zu schrumpfen. In stark verkrümmter Haltung stand er da, wand sich wie unter Schmerzen und erweckte den Eindruck, als würde ihn die Antwort, die ihm auf den Lippen lag, all den Mut kosten, den er noch aufbringen konnte.

"Ich ... äh, ich ...kann euch nicht ... sagen, wo sie ist. Ich weiß es nicht."

Kurz nachdem der Mann diesen Satz beendet hatte, wusste Sesshomaru, daß er log. Da konnte ihm kein normaler Sterblicher etwas vormachen. Außerdem verriet der Mann sich allein schon durch sein auffälliges Verhalten. Und Sesshomaru roch es. Seinem Gegenüber lief der Schweiß in Strömen über den Rücken hinunter und das war nicht allein ein lästiges Übel der Angst, die seinen Körper umklammert hielt. Jaken, der sich die ganze Zeit über im Hintergrund gehalten hatte, fuhr diesen für ihn unverschämten Menschen empört an.

"Was erlaubst du dir eigentlich, Sesshomaru-sama etwas vorzumachen?! Wenn dir dein Leben lieb ist, dann sag gefälligst die Wahrheit!"

Mit einem wütenden Schnauben unterstrich er seine Forderung, die keinen Aufschub duldete. Der Mann blickte nun abwechselnd den kleinen Krötenyoukai, der sich vor ihm aufgebaut hatte und wütend mit einem seltsamen Stab vor seiner Nase herumwedelte, und seinen Herrn an, dessen eiskalter Blick einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er befand sich eindeutig in einer Zwickmühle, aus der kein Weg mehr herausführte.

Sesshomaru kam nach einer Weile zu dem Schluss, daß das hier jetzt die wirklich allerletzte Chance war, die er diesem törichten Menschen geben würde. Sollte er dann noch immer keine passende Antwort parat haben, dann würde er sich die Information nach dem Aufenthaltsort des Mädchens auf eine ganz andere Art und Weise erzwingen.

"Hör zu, ich habe nicht wirklich viel Zeit und mir liegt auch nicht viel daran, mir von dir diese kostbare Zeit stehlen zu lassen. Also, wenn du mir nicht bald verrätst, wo dieses Mädchen ist, dann werde ich ein wenig nachhelfen, damit dir die Antwort auf meine dringende Frage schleunigst einfällt."

Provozierend ließ er seine Klaue knacken und wechselte mit Jaken einen vielsagenden Blick, den sein Diener sofort richtig deutete.

"Genau", warf dieser ein, um die missliche Lage, in der sich der Mann ohne Zweifel befand, noch ein wenig zu verstärken, "ich an deiner Stelle würde lieber den Mund aufmachen und singen. Ich habe am eigenen Leibe zu spüren bekommen, was geschieht, wenn man sich seinen Befehlen widersetzt."

Er seufzte tief, was den Mann natürlich dazu veranlasste, ihn fragend und gleichzeitig flehend anzusehen, worauf der Krötenyoukai zufrieden darüber, daß sein Plan aufging, fortfuhr.

"Bevor ich auf Sesshomaru-sama traf", mit einem Nicken deutete er in seine Richtung, "war ich ein stolzer und stattlicher Youkai, der Herr über meine Sippschaft und nicht das hier", er blickte an sich herab, "was du jetzt vor dir siehst. Ich beging eine furchtbare Dummheit und zwar dieselbe, die du im Begriff bist zu tun. Trotzig, wie ich damals in jungen Jahren war, ging ich auf seine an mich gestellten Forderungen nicht ein und das, obwohl er der Ranghöhere von uns beiden war und mein Verstand mir schon hätte sagen müssen, daß das der verkehrte Weg war. Prompt machte er zur Strafe aus mir das, was nun vor dir steht. Mein Leben war dadurch verwirkt. Ich musste meine Sippe im Stich lassen, die soviel Hoffnung in mich und die Zukunft, die ich ihnen bringen sollte, gesetzt hatte. Doch in dieser Stunde der Not zeigte Sesshomaru-sama Barmherzigkeit. Er bot mir an, ihn bis zu seinem Lebensende, möge das noch Äonen entfernt sein, als Diener zu begleiten. So war ich wenigstens in seiner Gesellschaft vor Schimpf und Schande der anderen Dämonen geschützt. Wie gesagt, du bekommst noch die eine Chance, die mir verwährt wurde, um dein mickriges Leben zu retten. Ich an deiner Stelle würde sie nutzen."

Mit einem Nicken in dessen Richtung und verschränkten Armen stand er da, auf eine Reaktion wartend. Sesshomaru war indes das erste Mal in seinem schon lange währendem Leben wirklich über alle Maßen erstaunt. Daß Jaken sich solch eine Geschichte aus den Ärmeln schütteln würde, hätte er niemals für möglich gehalten. Und sie schien auch zu fruchten, denn der Mann fiel plötzlich vor ihm auf die Knie und bettelte um sein Leben.

"Bitte", flehte er, " tut mit nichts. Verwandelt mich nicht in ein Monster wie den da."

Er zeigte mit dem Finger auf Jaken, der ihm einen alles vernichtenden Blick zuwarf. Dann fuhr er fort.

"Ich werde euch zu ihr führen, aber ich bitte euch, tut ihr nichts, bitte."

Ihr was tun?, dachte Sesshomaru verwirrt, auf die Idee bin ich eigentlich nicht gekommen. Außerdem bin ich deswegen nicht hier. Tot ist sie nicht mehr von Nutzen. Wie soll ich dann herausbekommen, was wirklich mit meinem vertrottelten Halbbruder geschehen ist?

So wandte er sich wieder dem Mann zu, der nun schon zu schluchzen begonnen hatte, weil er das Schlimmste befürchtete. Verächtlich verzog der Youkai die Lippen, bevor er antwortete.

"Ich will ihr nichts antun. Ich bin lediglich hierher gekommen, um Informationen von ihr zu erlangen, das ist alles."

Dem Mann schienen angesichts dieser Antwort vor Erstaunen die Augen aus den Höhlen hervorzuquellen. Und dafür hatte er sich so vor diesen beiden Youkai erniedrigt? Ein grimmiges Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. Nun gut, sie hatten nur ein Spiel mit ihm gespielt und er war darauf hereingefallen, wie wahrscheinlich jeder andere auch, wäre er nicht der Unglückliche gewesen. Trotzdem schämte er sich vor seinen Mitmenschen, die noch immer sprachlos und ängstlich vor ihren Hütten standen und die Szenerie aus sicherer Entfernung beobachteten. Nachdem er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, wandte er sich den Youkai zu, die schon ungeduldig zu werden schienen. Der Kleinere von ihnen scharrte unruhig mit diesem seltsamen Stab auf dem trockenen Boden herum, während die dunkle Aura, die den großen Youkai mit den langen schneeweißen Haaren umgab, noch an Intensität zuzunehmen schien. Er sollte sich also schleunigst beeilen, sonst würden sie es sich vielleicht noch anders überlegen.

"Folgt mir bitte. Das Mädchen befindet sich zusammen mit ihren Freunden bei unserer Miko."

So setzte er sich langsam in Bewegung und überzeugte sich mit einem flüchtigen Blick über seine Schulter davon, daß die beiden ihm auch wirklich folgten. Der Größere schritt einer Feder gleich sofort neben ihm her, was den Mann zuerst einmal erschreckte. Er fing sich jedoch sogleich wieder, atmete tief durch und konzentrierte sich lieber auf den Weg, den er einschlug. Jaken hielt den für ihn typischen respektvollen Abstand, während er hinter seinem Herrn und dem Menschen hertapste.
 

"Jetzt sag uns endlich, Kaede, wer ist auf dem Weg hierher?"

Kagome wurde langsam ungeduldig. Sie wollte doch nur Gewissheit haben, ob sie mit ihrer Vermutung richtig lag. Derweil konnte Sango ihre große fauchende Gefährtin kaum noch in Zaum halten; Kirara war in den letzten Minuten so unruhig geworden, daß es die Freunde mittlerweile mit der Angst bekamen. In der Zwischenzeit hatte Shippo vorsorglich auf Mirokus Schulter Schutz gesucht, wo er zitternd abwartete, was nun geschehen würde. Genauso wie die große Dämonenkatze fühlte auch er, wie das Youki von Minute zu Minute an Intensität zunahm. Plötzlich spürte er, wie der Mönch unter ihm zusammenzuckte. Mirokus Augen waren vor Schreck geweitet, als er zu der Dämonenjägerin hinübersah, die ihn ebenfalls ungläubig anstarrte. Ihre Hand war automatisch an den Griff des Schwertes, welches sich an ihrer Hüfte befand, gewandert. Kagome stand wie erstarrt da. Also stimmte es. Sie hatte sich tatsächlich nicht getäuscht. Dieses Youki konnte nur einem gehören. Und dessen Besitzer kam geradewegs auf sie zumarschiert.

Sesshomaru betrachtete die Szenerie von weitem mit leichtem Erstaunen. Irgendjemand schien sein Kommen angekündigt zu haben, denn der lästige Anhang seines Halbbruders stand vorgewarnt in Gefechtsstellung da und erwartete ihn nervös. Einige Meter von ihnen entfernt blieb er stehen und musterte sie mit seinem gewohnt kühlen Blick. Sein Diener bezog vorsorglich neben ihm Position, seinen Stab vor sich haltend wartete er geduldig ab. Die Geräusche der Natur waren mit einem Schlag verstummt, nachdem die beiden Youkai das Feld betreten hatten. Es war so, als hielte alles den Atem an, um zu verfolgen, was nun geschah. Nur das immer agressiver werdende Fauchen und Knurren Kiraras war zu hören. Der Mann, der Sesshomaru und Jaken hierher geführt hatte, drehte sich vorsichtig zusammen mit dem Boten aus dem Dorf um und ergriff gemeinsam mit ihm die Flucht.

Diese Feiglinge, dachte Kaede, während sie ihnen hinterher sah. Dann konzentrierte sich ihre Aufmerksamkeit auf Kagome und es gefiel ihr gar nicht, was sie da sah. Hoffentlich nahm sich das Mädchen zusammen, sonst würde sie eine mittelschwere Katastrophe heraufbeschwören. Doch Kagome dachte kein bisschen daran. Mit geballten Fäusten stand sie vor Wut schäumend da. Ein falsches Wort, nein, vielleicht auch nur ein Wimpernzucken von diesem herzlosen Youkai und sie würde sich vergessen. Wie konnte er nur? Wie konnte er nur jetzt hier auftauchen, nach allem, was geschehen war? Was wollte er? Sich an ihrer Trauer ergötzen oder etwa ... sich Tessaiga holen? Jetzt, wo sein Halbbruder nicht mehr lebte, stand ihm kein ebenbürtiger Gegner mehr ihm Wege, um ihn daran zu hindern, es an sich zu nehmen. Aber das würde nicht so einfach werden, denn zuerst musste er an ihr vorbei.

Der mächtige Youkai musterte in der Zwischenzeit abfällig die sich noch immer wie wild gebärdende Dämonenkatze. Sein kalter Blick streifte Sango, die sich schützend vor ihre große Freundin stellte.

"Ich rate dir, dein zu groß geratenes Schmusekätzchen lieber zu beruhigen, wenn du nicht möchtest, daß ich es püriere."

Dieser Satz troff nur so vor lauter Sarkasmus und jeder von ihnen wusste, daß das halt seine Art war, darum zu bitten, Kirara zurückzupfeifen, aber bei Kagome brannten in diesem Moment sämtliche Sicherungen durch. Was bildete der sich eigentlich ein? Spielte sich hier auf, als wäre er der Oberbefehlshaber höchstpersönlich oder so. Wutentbrannt marschierte sie mit weit raumgreifenden Schritten auf ihn zu, was ihre Freunde mit wachsendem Entsetzen verfolgten. Sango, die in unmittelbarer Nähe Kagomes gestanden hatte, stieß einen erstickten Schrei aus und machte einen Satz in ihre Richtung, um die Freundin somit vor einer großen Torheit und vielleicht sogar vor ihrem sofortigen Tod zu bewahren, doch zu spät. Kagome pflügte wie ein Schnellzug in Richtung Sesshomaru, die Fäuste wie ein Profiboxer erhoben und wild entschlossen, sie im Notfall auch einzusetzen. Sie wollte Antworten von ihm und zwar stichhaltige. Unter ihre grenzenlose Wut mischte sich ohne Vorwarnung plötzlich wieder Trauer, die sich in den letzten Tagen eigentlich in der hintersten Ecke ihrer Seele verborgen hatte. Das unerwartete Auftauchen Sesshomarus hatte die gerade einigermaßen verheilte Wunde wieder aufgerissen. Tränen verschleierten ihre Sicht und mit einem Male stieß sie auf etwas, was ihr den Weg versperrte. Ohne nachzudenken, begann sie mit den Fäusten wie wild dagegen zu trommeln. Warmes Blut lief über ihre Finger und gerann an ihrer Kleidung. Ihre Freunde hatten vor Schreck den Atem angehalten, als Kagome damit begonnen hatte, auf den Youkai einzuschlagen. Sie rechneten jeden Moment mit einer Gegenwehr seinerseits und bereiteten sich darauf vor, ihre Gefährtin bis aufs Blut zu verteidigen, doch nichts dergleichen geschah. Sesshomaru stand unbeweglich wie eine Statue da und ließ das Mädchen gewähren. Selbst Jaken, der seinen Herrn ja schon viele Jahre kannte und wusste, daß er das, was sich ihm hier bot, eigentlich mit dem Tode bestrafen würde, war die Kinnlade heruntergefallen. Fassungslos wanderte sein Blick immer wieder zwischen dem mächtigen Youkai und dem verzweifelt schluchzenden Mädchen hin und her. Doch auch die herausragende Beherrschung eines DaiYoukai kannte ihre Grenzen. Denn für ihn bedeutete diese sinnlose Aktion des Mädchens eine herbe Erniedrigung. Hätte er sich aus anderen Gründen hier eingefunden, wäre sie einen schnellen, aber schmerzlosen Tod gestorben. Aber besondere Umstände erforderten nun mal besondere Maßnahmen. Mit einer für das Menschenauge kaum wahrnehmbaren Bewegung umgriff er ihre Handgelenke und gebot ihr somit Einhalt. Behutsam drückte er ihre Arme hinunter.

"Sieh mich an", befahl er ihr mit ruhiger Stimme, denn Kagome hielt den Kopf gesenkt. Sie fühlte, daß sie dem Youkai natürlich haushoch unterlegen war und schämte sich für ihr unüberlegtes Verhalten. Kopflos hatte sie sich ins Geschehen gestürzt und die Beherrschung verloren, während er ein solches Maß daran besaß, daß es ihr fast unheimlich erschien. Eigentlich sah ihr so etwas gar nicht ähnlich, doch die Ereignisse der vergangenen Tage hatten nun ihren Tribut gefordert. Niemand konnte das so einfach wegstecken, als wäre nichts geschehen. Langsam hob sie den Kopf und blickte in zwei gefühllose gold-gelbe Augen, die denen Inuyashas gar nicht so unähnlich waren. Doch an den Augen des Hanyous hatte sie stets seine Gefühlslage ablesen können, ob er traurig oder glücklich war, wütend oder beleidigt, enttäuscht oder auch mal nachdenklich. Hier erkannte sie rein gar nichts, nur eine bodenlose abgrundtiefe Kälte, die sie erschauern ließ. Aber in dem Moment, als sich ihre Blicke endgültig trafen, spürte sie eine leichte Erschütterung in seiner Aura. Auch in seinen Augen nahm sie ein kurzzeitige Veränderung wahr. Etwas wie Bestürzung zeigte sich darin, jedoch nur für einen kurzen Moment, dann hatte er sich wieder unter Kontrolle.

Sesshomaru war verwirrt. Was war da gerade mit ihm geschehen? Als das Mädchen ihn mit seinen vor Tränen schimmernden Augen angesehen hatte, war irgendetwas ihn ihm drin zerbrochen. Es konnte doch nicht sein, daß er langsam aber sicher gefühlsduselig wurde. An diesem verfluchten Abend vor ein paar Tagen schien sich wohl seine berühmte Kaltblütigkeit für immer von ihm verabschiedet zu haben. Oder lag es an etwas anderem? War das Schicksal seines Halbbruders und das Seine enger miteinander verknüpft, als er dachte? Die Geschichte seines Vaters schien immer mehr Form anzunehmen. Er hatte damals dieser Tatsache keinen Glauben geschenkt, daß er und Inuyasha durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden sein sollten. Allerdings hielt er das nun gar nicht mehr für so abwegig. Vielleicht war ja das alles der Grund für diese eigenartigen Stimmungsschwankungen. Egal, jedenfalls musste er schleunigst herausfinden, was geschehen war, was seinem Halbbruder den Lebensatem ausgehaucht hatte und wieso er in den gestrigen Abendstunden nur wenige Meter an ihm vorbeigelaufen war, wo er doch am Vortag sein Grab aufgesucht hatte, um sich zu überzeugen, daß er wirklich tot war. Er kannte keine Macht, die so etwas zustande bringen konnte. Plötzlich riss ihn das Mädchen aus den Gedanken, dessen Handgelenke er längst losgelassen hatte. Dafür krallten sich nun ihre Finger in den weiten Stoff seiner Ärmel, während sie immer wieder dieselbe Frage an ihn richtete.

"Wo bist du gewesen, als er dich gebraucht hat?"

Es war das erste Mal in seinem Leben, daß ihn eine Frage wie diese vollkommen aus dem Konzept brachte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er sie an, unfähig, etwas darauf zu erwidern.

"Nur dieses eine Mal hätte er dich gebraucht, nur dieses eine Mal und du warst nicht da."

Tränen rannen über ihre geröteten Wangen. Ihre Freunde, die alles bestürzt verfolgt hatten, sahen betroffen zu Boden. Wie konnten sie nur so vorschnell sein, um anzunehmen, Kagome hätte schon alles überwunden? Ihre Finger krallten sich noch fester in den wertvollen Stoff, ihre Stimme, die vor einigen Augenblicken noch vor Unsicherheit gezittert hatte, wurde fester und klang schon fast hart, ja vorwurfsvoll. Selbstsicher suchte sie Kontakt zu seinen Augen, wollte ihn wissen lassen, daß er auf jeden Fall eine Teilschuld an Inuyashas Tod trug, wollte ihm wehtun, irgendein Gefühl der Reue und Schuld in ihm wecken. Sie konnte ja nicht ahnen, daß sie genau das schon längst geschafft hatte. Wieder wühlten sich die anklagenden Worte durch seine Gedanken, immer wieder und wieder, bis sie ihn dort trafen, wo es wehtat. Ja, er, der große Sesshomaru, Herr über die westlichen Länder, verspürte etwas noch nie Dagewesenes: Schmerz. Und daran waren nur die Worte eines Menschenweibes schuld. Oder doch nicht? Seit diesem verhängnisvollen Abend hatte sich sein bisheriges Leben vollkommen auf den Kopf gestellt. Was war nur los mit ihm? Noch vor einem Jahr hätte ihn so etwas kalt gelassen, hätte er diese Worte nicht einmal in seiner Gegenwart geduldet, derjenige, der dafür verantwortlich gewesen wäre, hätte diese Dummheit sofort mit seinem Leben bezahlt. Und nun? Lag es vielleicht daran, daß er in Begleitung eines Menschenmädchens durch die Lande zog? Hatte ihn das weich werden lassen? Plötzlich zog ihn etwas nach unten. Verwirrt suchte er den Grund dafür und bemerkte, daß das Mädchen in die Knie gesunken war. Die Kraft, die noch vor kurzem durch ihre Adern geflossen war und ihr den Mut gegeben hatte, dem Youkai entgegenzutreten, war nun verschwunden. Verzweiflung legte sich wieder über ihr Herz und ließ sie aufschluchzen. Sango konnte das nicht länger mit ansehen und wollte zu ihr eilen, doch nur ein flüchtiger Blick Sesshomarus genügte, um ihr Einhalt zu gebieten. Und dann geschah etwas, wobei allen vor lauter Unglauben der Atem stockte. Langsam ging der Youkai vor Kagome auf die Knie hinunter und berührte sie beinahe sanft an der Schulter, was sie aufsehen ließ. Miroku und Sango taten gleichzeitig einen Schritt in Richtung ihrer Freundin, für den Fall, daß die Absichten Sesshomarus nichts Gutes versprachen, um einzugreifen, sollte es von Nöten sein, doch die alte Miko vertrat ihnen rasch den Weg. Mit einer knappen Kopfbewegung in Richtung des Youkais und des Mädchens bedeutete sie ihren jungen Freunden vorerst Ruhe zu bewahren. Hätte er die Absicht gehegt, sie zu töten, dann wäre das schon längst eingetreten. Der Mönch und die junge Frau entspannten sich daraufhin etwas und traten zurück, um abzuwarten, was weiter geschah. Sesshomaru legte derweil seine ganze Überzeugungskraft in den einen Satz, der ihm seit gestern Abend auf den Lippen brannte.

"Inuyasha ist nicht tot."

Zwei weit aufgerissene Augen begegneten den Seinen. Die Lippen des Mädchens formten stumme Worte, die bei dem Youkai ein deutliches Stirnrunzeln verursachten. Auch ihre Freunde standen wie vom Donner gerührt da, nachdem sie seine Botschaft vernommen hatten. Unglauben las er in ihren Gesichtern und er konnte es ihnen nicht einmal verübeln, denn auch für ihn war es selbst jetzt noch immer schwer zu glauben, was er da gesehen hatte und doch ... entsprach es der Wahrheit. Sein Bruder lebte.

"Du ... du Lügner!"

Der Aufschrei Kagomes riss ihn zurück in die Realität. Zornig hatte sie seine Hand beiseite geschlagen und sich aufgerappelt. Ihre Augen hatten sich zu kleinen Schlitzen verengt, aus denen sie ihn wütend anfunkelte.

"Wie kannst du es wagen, so etwas zu behaupten?! Willst du uns noch mehr quälen?!"

Vollkommen aufgelöst stand sie vor ihm, vor Wut zitternd. Diese für sie überaus absurde Behauptung hatte ihr wieder neue Kraft gegeben, sich ihm entgegenzustellen. Wieso sagte er so etwas? Reichte noch nicht aus, was geschehen war? Soeben wollte sie ihren ganzen Unmut darüber kundtun, als sie erschrocken innehielt. Mit Entsetzen stellte sie fest, daß das Youki ihres Gegenübers aufflackerte und mehr und mehr an Intensität zunahm, denn auch die Geduld eines Sesshomaru stieß irgendwann an ihre Grenzen. Das lange weiße Haar des Youkais bewegte sich leicht, obwohl es vollkommen windstill war. Geräuschvoll ließ er seine Klauen knacken, während seine Augenfarbe von einem kühlen Gold-Gelb-Ton in ein beunruhigendes Rot wechselte. Kagome machte verängstigt ein paar Schritte rückwärts. Langsam wurde ihr bewusst, was sie ihm alles an den Kopf geworfen hatte und sie schalt sich in Gedanken dafür, doch die Erkenntnis, das wusste sie, kam ein wenig zu spät. Vielleicht sehe ich dich nun schneller wieder, als mir lieb ist, Inuyasha, dachte sie verzweifelt.

Jaken sah indes seinen Herrn aus schreckgeweiteten Augen an. Er würde sich doch wohl nicht vergessen? Deswegen hatten sie sich doch nicht auf den Weg gemacht, um es so enden zu lassen. Andererseits war ihm jedoch auch bewusst, wie zwecklos es war, sich da einzumischen. Wenn sich sein Herr in diesem Zustand befand, würde der Krötenyoukai sich bestenfalls gevierteilt aus der Affäre ziehen können. So brachte er ebenfalls einige Meter zwischen sich und seinen Herrn, nur für den Fall, der, so hoffte er jedoch, nicht eintreten möge.

Sango und Miroku hatten derweil genug gesehen. Das Verhalten Sesshomarus war nun eindeutig mehr als nur eine Einladung, um einzugreifen. Eiligst riss die junge Dämonenjägerin ihr Hiraikotsu vom Rücken und warf dem Mönch ihr Schwert zu, der es geschickt auffing. Selbst Shippo, der ja solchen Situationen lieber aus dem Weg ging, sprang von Mirokus Schulter und sammelte seine Kräfte, denn wenn es um seine Kagome ging, war Angst ein Fremdwort für ihn. Sie alle waren sich zwar im Klaren darüber, daß die Waffen, die sie besaßen, nichts waren im Vergleich mit den Kräften des Youkais, doch kampflos wollten sie auf keinen Fall aufgeben.

"Kagome!", schrie Sango. "Schnell, komm hier herüber!"

Hektisch winkte sie ihre Freundin herbei, doch bevor diese auch nur reagieren konnte, mischte sich Sesshomaru ein.

"Ihr Narren", knurrte er zornig, "was soll das werden, wenn es fertig ist?"

Mit einer einzigen kraftvollen Handbewegung fegte er ihre Waffen beiseite, die wie von Geisterhand bewegt einige Meter von ihnen entfernt auf dem Boden aufschlugen. Sango sprang mit einem erschrockenen Aufschrei nach hinten, während Shippo quietschend vor Angst doch lieber Schutz hinter der alten Miko suchte, die das Ganze eher mit Erstaunen beobachtete. Mirokus Hand lag bereits auf der Gebetskette an seiner Rechten und er war gerade im Begriff den Bann, der sein schwarzes Loch unter Kontrolle hielt, zu lösen, als der Youkai ihm zuvorkam. Die dämonische Aura, die ihn umgab, wuchs plötzlich auf das Dreifache heran. Sein langes Haar, welches vor wenigen Augenblicken noch eher sanft sein Gesicht umspielt hatte, wirbelte nun wie während eines Sturmes wild hin und her. Eine leichte Druckwelle schien von seinem Körper auszugehen, machte kurz vor den Freunden halt und ließ den feinen Staub des trockenen Bodens und eine Menge kleiner Kieselsteinchen um ihre Ohren wehen.
 

Sehr viel weiter weg hielt genau in diesem Moment ein seltsames Wesen mit einem grotesk anmutenden Körper inne und verharrte eine Weile so. Wie ein Hund sog es schnüffelnd die Luft ein und drehte immer wieder den Kopf in mehrere Richtungen, bis es scheinbar das gefunden hatte, wonach es suchte. Dann setzte es seinen Weg unbeirrbar fort, hungrig nach dem mächtigen Youki, welches es gewittert hatte.
 

Die Stimme Sesshomarus grollte tief und bedrohlich, als er zu einer dementsprechenden Bemerkung ansetzte.

"Was muss ich eigentlich noch alles tun, damit ihr mir zuhört? Euch umbringen? Ich kann mir wirklich nicht erklären, wie mein Halbbruder es so lange mit euch ausgehalten hat! Entweder ihr seid jetzt still und lasst mich reden, oder ich lege euer kleines schnuckeliges Dorf in Schutt und Asche, wozu ich jetzt ernsthaft größte Lust hätte!"

Erbost musterte er das Menschenpack und den kleinen Dämon, der zitternd hinter einem Bein der scheintoten Schrulle hervorlugte und atmete tief durch.

Ganz ruhig, Sesshomaru, dachte er. Raste jetzt bloß nicht aus, daß ist das Letzte, was du heute tun solltest.

Langsam, aber sicher verrauchte seine Wut ein wenig. Sein Youki schrumpfte ebenfalls auf ein Maß des Annehmbaren herab, so daß ein hörbares Aufatmen durch die Reihe ging. Kaede, die sich bisher mehr im Hintergrund gehalten hatte, trat ohne Furcht auf den Youkaifürsten zu und ergriff das Wort.

"Verzeiht, daß wir vorhin so ungehalten waren und euch nicht haben zu Wort kommen lassen."

Respektvoll duldete sie eine leichte Verbeugung an, was Sesshomaru gleich schon etwas milder stimmte.

Wenigstens einer, der hier ein bisschen mehr Benehmen ihm gegenüber zeigte, dachte er.

Mit einer Handbewegung ließ er die Miko fortfahren.

"Wir waren nur ein klein wenig überrascht, nachdem ihr hier aufgetaucht wart. Deswegen nahmen wir an, der Grund dafür wäre kein Guter."

Sie hielt kurz inne, bevor sie erneut ansetzte.

"Doch was ihr soeben berichtet habt, können wir kaum glauben. Wir haben euren Halbbruder vor einigen Tagen zu Grabe getragen. Es ist vollkommen unmöglich, daß er noch lebt."

"Und doch ist es so", brummte Sesshomaru. Wieso musste man Menschen eigentlich alles zweimal unter die Nase reiben? Wäre er jetzt ein Mensch gewesen, hätte er entnervt die Augen verdreht, aber er war nun mal keiner, was gut war und für einen Youkai ziemte sich so etwas nicht. Kagome hatte sich in der Zwischenzeit wieder zu ihren Freunden gesellt und klammerte sich etwas unbeholfen an Sangos Arm fest. Sie fühlte sich nicht gerade wohl in der Gegenwart des Youkai, schon teilweise aus dem Grund, da ihr klargeworden war, was sie ihm alles vorgeworfen hatte. Nur beiläufig nahm sie das Gespräch zwischen Kaede und Sesshomaru wahr, die ganze Zeit über schwebte der eine Satz in ihren Gedanken, den der Youkai ihr gegenüber geäußert hatte: Inuyasha ist nicht tot.

Wie konnte das sein? Sprach er die Wahrheit? Aber wenn sie darüber nachdachte, warum sollte er lügen? Wenn er log, was versprach er sich dann davon?

In der Zwischenzeit hatten sich die Miko und der Youkai auf den staubigen Boden niedergelassen und diskutierten eifrig über dessen unglaubliche Entdeckung. Es war schon eigenartig, mit anzusehen, wie sie dort saßen und sich unterhielten wie zwei alte Bekannte, die sich lange nicht gesehen hatten. Zu wissen, daß es nicht so war, machte die ganze Angelegenheit noch seltsamer, als sie es ohnehin schon war. Wie es schien, wollte der Youkai ihre Hilfe in Anspruch nehmen, um aufzuklären, was wirklich vor einigen Tagen mit seinem Halbbruder geschehen war. Gebannt beobachteten die Freunde die Szenerie und warteten höchst interessiert auf ihren Ausgang. Sogar Shippo hatte sich wieder aus seinem Versteck hervorgewagt und hopste nun in Kagomes Arme, die den Kleinen sofort fest an sich drückte. Sie konnte noch immer nicht glauben, daß der Youkai sie trotz allem, was sie getan hatte, verschonte und nur hier erschienen war, um mit ihnen über Inuyasha zu sprechen.

Nach einer Weile erhoben sich Sesshomaru und Kaede. Während der Youkai an seinem Platz verharrte, gesellte sich Kaede wieder zu ihren jungen Freunden. Sie sah alle nacheinander an, um sicherzugehen, daß auch jeder von ihnen aufnahmebereit war. Doch sie hätten ihr auch so ohne zu zögern ihre volle Aufmerksamkeit geschenkt, waren sie doch alle furchtbar neugierig, was die alte Frau zu berichten hatte. Nachdem diese mit einem leichten Schmunzeln das aufgeregte Funkeln in den Augen der jungen Leute bemerkt hatte, begann sie zu erzählen. Sie berichtete davon, wie Sesshomaru den Tod des Hanyous gespürt hatte, dann vom Aufsuchen seines Grabes und natürlich von der unglaublichen Entdeckung. Die Augen ihrer Schützlinge wurden dabei immer größer und sie diskutierten heftigst darüber, wenn Kaede zwischendurch eine kleine Pause einlegte. Nur Kagome hielt sich währenddessen zurück. Die ganze Zeit über war ihr Blick auf den Youkai gerichtet, der die Situation aus einigen Metern Entfernung missmutig beobachtete. Ihm war ebenfalls nicht entgangen, daß das Mädchen ihn schon eine Weile anstarrte und zwar seit die alte Schachtel mit ihrem Bericht begonnen hatte. Normalerweise war ihm so etwas nicht unangenehm, aber jetzt fühlte er sich von ihren stechenden Blicken regelrecht aufgespießt. Leicht nervös scharrte er mit den Füßen über den trockenen Boden und sah ungeduldig zum Wald hinüber. Hoffentlich würden sie sich bald einig darüber werden, ob sie nun aufbrachen oder nicht. Diese Gefühle, die ihn seit Inuyashas mysteriösem Tod ständig übermannten, waren ihm fremd und äußerst unangenehm. Auch wenn es ihm schwer fiel, sich so etwas einzugestehen, er benötigte die Hilfe dieser Menschen, um all die eigenartigen Dinge, die geschehen waren, aufzuklären. Schließlich konnte er schlecht in dieses Dorf marschieren, um Inuyasha aufzusuchen, gar nicht auszudenken, was dann geschehen würde. Laute Stimmen ließen ihn herumfahren. Die hitzige Debatte um seine Entdeckung hatte ihren Höhepunkt erreicht. Man brauchte kein Youkai zu sein, um herauszuhören, daß sie ihm diese Geschichte nicht abkauften. Die erregte Stimme des Mönches drang an sein Ohr.

"Kaede-sama, ihr glaubt ihm das doch nicht, oder? Das ist vollkommen unmöglich!"

Miroku versuchte Fassung zu bewahren, aber er war einfach zu aufgebracht und es fiel ihm dadurch schwer, sich zurückzuhalten. Sango erging es nicht anders. Sie konnte dieser haarsträubenden Sache einfach keinen Glauben schenken und brachte das auch zum Ausdruck. Shippo zeigte gegenüber Sesshomaru ebenfalls kein Vertrauen und hüpfte aufgeregt zwischen seinen Freunden auf und ab. Einzig und allein Kaede war davon überzeugt, daß es der Wahrheit entsprach, was der Youkai ihr erzählt hatte und versuchte das ihren Schützlingen glaubhaft zu machen. Inmitten ihrer hitzigen Debatte merkten sie deswegen gar nicht, daß Kagome aufgestanden war und sich langsam Sesshomaru näherte, dessen Augen sich wieder dem Wald zugewandt hatten. Umso überraschter war er dann, als er plötzlich ihren Geruch wahrnahm und sich mit einem Ruck umwandte. Ihre Blicke trafen sich erneut und Sesshomaru stellte mit leichtem Erstaunen und vielleicht auch ein wenig Bewunderung fest, daß sie seinem kalten Blick mühelos standhielt. Allmählich begann er zu verstehen, was sein Halbbruder an diesem Menschenweib so faszinierend fand. Der Ausdruck in ihren Augen hatte sich verändert, wo vorher noch alles verzehrender Hass gewütet hatte, spiegelte sich nun so etwas wie Verständnis wieder. Vollkommen ruhig stand sie vor ihm; mit ihren Lippen formte sie die Frage, auf die er selbst noch keine richtige Antwort wusste.

"Wenn Inuyasha wirklich noch lebt und du ihn gesehen hast, wieso kommst du dann zu uns, um uns das zu erzählen? Ich dachte, es wäre dir egal, was mit ihm geschieht?"

Bemüht darum, sich nicht anmerken zu lassen, wie durcheinander ihn ihre Frage gebracht hatte, dachte er nach. Ja, warum war er eigentlich hierher gekommen? Sicher, eigentlich könnte es ihm egal sein, was mit seinem Bruder weiter geschehen würde. Aber dem war nicht so. Das erste Mal in seinem Leben machte er sich Gedanken um ihn. Warum das so war, konnte selbst er nicht einmal sagen. Vielleicht ein angeborener Instinkt der Hundedämonen? Was auch immer es sein mochte, ließ sich im Moment nicht beantworten. Doch dieses Mädchen vor ihm wartete auf eine Stellungnahme seinerseits. Er entschied sich erst einmal für das Einfachste, was ihm vielleicht auch ein wenig Zeit verschaffte: Auf stur stellen.

"Meine Angelegenheiten gehen dich rein gar nichts an.", erwiderte er kühl. Natürlich wusste er, das sie sich mit so einer Aussage nicht abspeisen ließ, doch er hatte weder die Zeit, noch die Lust auf einen Nachmittagsplausch mit Menschen. Sollte sie sich doch damit zufrieden geben. Außerdem lag ihm überhaupt nichts daran, seine neu entdeckten Gefühlte mit jemand anderem zu teilen. Er hatte wirklich keine Lust darauf, zu erleben, wie irgendwann alle deshalb lachend mit dem Finger auf ihn zeigten. Oh nein, er würde es niemals zulassen, daß das, was in ihm wütete, an die Oberfläche kam.

Kagome seufzte und wandte sich entnervt von dem Youkai ab, der sie dabei eisig musterte. Warum hatte sie sich überhaupt die Mühe gemacht, ihn danach zu fragen? Seine Antwort darauf lag doch eigentlich von Anfang an auf der Hand. Und sie war so dumm gewesen und hatte angenommen, er hätte sich vielleicht ein wenig verändert. Gut, eventuell hatte er seine Gründe dafür, um nicht darüber sprechen zu wollen. Sicher, er war ein stolzer Youkai und für jemanden in seiner Stellung ziemte es sich überhaupt nicht, über so etwas zu reden, doch ihrer Meinung nach war er in dieser Hinsicht etwas zu stolz. Sie hingegen bewunderte Diejenigen, die so einfach aus sich herauskamen und ihre Gefühle offenbarten. Inuyasha hatte sich anfangs auch sehr schwer damit getan, doch irgendwann war es dann wie von selbst gekommen und er hatte sich ihr gegenüber mitgeteilt. Gerade das hatte er seinem Halbbruder voraus. Resigniert wollte sie wieder zu ihren Freunden zurückkehren, die sie schon fragend musterten, als die Stimme des Youkais hinter ihr erklang und sie verblüfft innehielt.

"Ich habe euch aufgesucht, weil ich wissen muss, was Inuyasha wirklich widerfahren ist. An jenem Abend, als das Schicksal seinen Lauf nahm, spürte ich etwas, daß mich sehr beunruhigte. Wie ein gewaltiges Spinnennetz durchzog es meine Gedanken und ließ mich nicht mehr los. Und ich fühle, daß es noch nicht vorbei ist. Diese Bedrohung, von der ich gesprochen habe, ist noch immer zum Greifen nah. Und ich befürchte, daß sie für Inuyasha, für euch und wahrscheinlich auch für mich und für jeden, der sich in seiner oder unserer Nähe aufhält, eine große Gefahr darstellt. Deswegen müssen wir meinen Bruder schnellstens finden."

Große Güte, was hatte ihn denn da geritten? Er bat Menschen um Hilfe? Ungläubig schüttelte er den Kopf. Wenn das so weiterging, konnte er seinen guten Ruf bald abschreiben. Aber andersherum musste er es ihnen ja irgendwie erklären, sonst würden sie ihm noch immer keinen Glauben schenken. Blieb nur zu hoffen, daß sie seine ehrlichen Absichten erkannten und ihm daraufhin folgen würden. Wartend auf eine Reaktion studierte er ihre Gesichter und stellte fest, daß der ungläubige Ausdruck verschwunden war und sich Erstaunen, ja sogar fast Verblüffung darüber gelegt hatte. Die lautstarke Diskussion war seit seiner eindrucksvollen Rede ebenfalls nicht wieder aufgenommen worden. Das Mädchen, welches sich vor einigen Augenblicken zum Gehen von ihm abgewandt hatte, begegnete seinen Blicken mit einem stummen Nicken, doch er sah ihr förmlich an, daß ihrerseits noch eine Menge unbeantworteter Fragen im Raum standen, dennoch hielt sie sich zurück, wissend, daß er weiteres vorerst nicht berichten würde. Und was hätte er auch sonst noch groß dazu sagen können? Er wusste ja selbst keine passende Antwort darauf.

Schweigend betrachtete Kagome den Youkai. Mit einem leichten Hauch von Verwunderung über das, was er von sich gegeben hatte, musste sie sich fast widerwillig eingestehen, daß sich das alles gar nicht so abwegig anhörte. Die Art und Weise, wie er sie und ihre Freunde um Hilfe gebeten hatte, war schon das Äußerste, was man von einem Youkai seines Standes verlangen konnte. Für ihn war so etwas wahrscheinlich schlimmer, als seinen Halbbruder anzuerkennen. Allerdings zweifelte sie daran, daß allein die Genugtuung zu wissen, was sich zugetragen hatte, der Grund war, weswegen er sich so vor ihnen erniedrigt hatte. Und dann diese Vermutung seinerseits, sie befänden sich alle in Gefahr? Ein wenig eigenartig kam ihr das schon vor, aber sie hatte nach seiner offenen und ehrlichen Aussage beschlossen ihm zu glauben, vorerst zumindest. Was sie jedoch von ihm halten sollte, wusste sie noch immer nicht. Die ganze Zeit über hatte sie ihn nur als unsensiblen Eisklotz, der die Gefühle anderer mit Füßen trat, kennen gelernt. Niemals wäre es ihr überhaupt in den Sinn gekommen, daß er imstande war, etwas zu empfinden, doch heute war sie ja nun, was das betraf, eines besseren belehrt worden. In dem Moment, als sich ihre Blicke trafen, hatte er ihr unbewusst einen Einblick in seine Seele gewährt und was sich ihr dort gezeigt hatte, löste tiefste Verwirrung in ihrem Inneren aus. Zweifel, Trauer, ja sogar Angst war ihr in ungleich starken Wellen entgegengeschlagen, Gefühlsregungen, die sie von ihm nicht kannte. Konnte es sein, daß sie sich geirrt hatte und der Youkai, den sie eigentlich so sehr hasste, da er Inuyasha anfangs so viele schlimme Dinge angetan hatte, verbarg in seinem Inneren doch noch so etwas wie Gefühle? Das würde jedenfalls sein seltsames Verhalten erklären. Zwischen seine kühle unberechenbare Eiseskälte mischte sich immer wieder Unsicherheit, als er da so vor ihr stand und versuchte, dabei halbwegs autoritär auszusehen, doch so ganz gelang ihm das dadurch nicht. Kagome hätte es auch niemals für möglich gehalten, daß sich ein Youkai wie er von ihren Worten so hart hätte treffen lassen. Was es damit auf sich hatte, würde sie irgendwann noch herausfinden. Nun mussten sie eine Entscheidung treffen, ob sie ihm nun folgten oder nicht. Langsam schlenderte sie zu ihren Freunden hinüber, gespannt auf deren Reaktionen. Doch ihre Gefährten sahen nicht sehr überzeugt aus, woraufhin Kagome sie sofort darauf ansprach, wissend, daß Sesshomaru alles mitanhörte.

"Was meint ihr? Ich meine, was haltet ihr von seiner Geschichte?"

Nachdenklich kratzte sich der junge Mönch am Hinterkopf, bevor er antwortete.

"Ich weiß nicht", er warf einen flüchtigen Blick in Richtung des Youkais, der unbeweglich wie eine Statue dastand und sie giftig anstarrte, "was ich davon halten soll. Das ist nicht der Sesshomaru, den ich kenne."

"Und außerdem", unterbrach ihn Sango, "wenn Inuyasha wirklich noch am Leben ist, wieso kehrt er dann nicht zu uns zurück? Ich finde, das passt alles nicht zusammen. Wenn ihr mich fragt, ich traue ihm nicht."

Zustimmend hüpfte ihr Shippo in die Arme. Ihm kam diese ganze Sache ebenfalls nicht geheuer vor. Einzig Kaede war noch immer der Meinung, daß Sesshomaru die Wahrheit sprach und tat dies auch kund. Auf die Gefahr hin, daß zwischen den Vieren jeden Moment wieder eine hitzige Debatte entstand, offenbarte Kagome ihnen sofort ihre Meinung darüber.

"Also, ich glaube ihm. Fragt mich nicht warum, ich tue es einfach, denn ich weiß, daß er nicht lügt."

Oh, wie gnädig, spöttelte Sesshomaru in seinen Gedanken herum. Glücklicherweise hatte sie nichts von seinen neu entdeckten Gefühlsregungen erwähnt, denn ihm war aufgefallen, daß sie irgendetwas an ihm, was das betraf, bemerkt haben musste. Nun, sie schien nicht auf den Kopf gefallen zu sein, da sie es für sich behielt, sonst hätte sie sich schon mal nach einem geeigneten Platz auf dem Friedhof erkundigen können. Interessiert sah er nun zu den Menschen und dem kleinen Fuchsyoukai hinüber; neugierig, was nun weiter geschehen würde, verfolgte er ihr Gespräch.

"Und was nun?" Ratlos wandte sich Miroku an Sango und Shippo. "Wir können doch Kagome-sama unmöglich alleine mit diesem", er senkte seine Stimme zu einem Flüstern, "mit diesem rücksichtslosen Rabauken gehen lassen. Mir ist jedenfalls nicht wohl dabei."

Sesshomaru verzog abfällig das Gesicht und erweiterte in Gedanken seine Liste um eine Person mehr, der er mal gehörig die Meinung sagen musste, wenn das hier alles vorbei war.

"Ich denke", warf Kaede ein, " es bleibt euch nichts anderes übrig, als Kagomes Entscheidung zu akzeptieren und sie zu begleiten, wenn ihr sicher gehen wollt, daß ihr nichts geschieht. Ich hingegen kann ihr Vorhaben nur gutheißen, denn sie weiß, was sie tut. Im Gegensatz zu euch hört sie öfter darauf, was ihr Herz ihr sagt."

Gewitzt zwinkerte die alte Miko dem jungen Mädchen zu, welches ihr mit einem dankbaren Lächeln antwortete.

"Ihr versucht wohl, uns mit allen Mitteln davon zu überzeugen, daß Kagome-chan das Richtige tut, oder habe ich nicht recht, Kaede-sama?", konterte Sango schmunzelnd. "Ihr wisst doch ganz genau, daß wir sie niemals alleine in ihr Verderben rennen lassen würden und wenn das dann nun der Weg ist, den sie bereit ist, einzuschlagen, so werde ich mich ihr anschließen, denn wahre Freunde lassen einander nicht im Stich."

Verschmitzt grinste sie ihre Freundin an, der ein Stein vom Herzen fiel.

"Jaaaaaaaa!", erschall es aus den Armen der jungen Dämonenjägerin. "Lasst uns gehen und Inuyasha suchen! Wenn wir ihn dann finden, wird alles wieder so wie früher und keiner muss mehr traurig sein!"

Der kleine Kitsune konnte es scheinbar gar nicht mehr erwarten, aufzubrechen. Unruhig zappelte er hin und her, bis es Sango zu bunt wurde und sie ihn fallen ließ. Mit einem erschrockenen Quietschen landete er auf dem Boden und rannte aufgeregt quasselnd um seine Freunde herum, denen er durch sein putziges Verhalten einige Lacher entlockte, bis Kagome sich zu ihm hinunter beugte und er in ihre Arme sprang, um sich sofort liebevoll an sie zu kuscheln. Zärtlich strich sie ihm durchs Haar und wandte sich Miroku zu.

"Und? Was ist mit dir? Wirst du dich uns anschließen? Ich zwinge niemanden dazu, mir zu folgen, musst du wissen. Es ist deine Entscheidung."

Ihr entging das hinterlistige Grinsen des Mönchs, als er zu einer Antwort ansetzte.

"Ich kann doch zwei so hübsche und wehrlose ... ."

"... Frauen wie uns nicht alleine ziehen lassen, ja ja, ich glaube, das hatten wir schon einmal.", unterbrach ihn Sango leicht angesäuert und zog ihm gehörig eins mit ihrem Hiraikotsu über den Schädel, als sie seine Hand an ihrem Po fühlte.

"Du lernst es wirklich nicht mehr, Houshi-sama.", sagte sie kopfschüttelnd, während sie neben ihm kniete und prüfend seine Beule betrachtete, die von Sekunde zu Sekunde noch an Größe zuzunehmen schien.

"Also ist es beschlossene Sache.", bemerkte Kagome. "Wir brechen gemeinsam auf, um Inuyasha zu finden." Den letzten Satz hatte sie mehr an ihre Freunde als an Sesshomaru gerichtet, obwohl sie sich sicher war, daß er bei seinem feinen und ausgeprägten Gehör eh alles mitbekommen hatte, was sie beschlossen hatten.

Gelangweilt stieß der weißhaarige Youkai seinen kleinen Diener an, der im Stehen neben ihm eingenickt war. Der gähnte erst einmal herzhaft und streckte sich, bevor er erschrocken zusammenfuhr, nachdem er bemerkt hatte, daß er wohl die ganze Zeit über geschlafen haben musste.

"Jaken!" Die Stimme seines Herrn fuhr ihm durch Mark und Bein. Er war mit Sicherheit sehr wütend darüber, daß er, Jaken, so unachtsam gewesen war.

"J-ja, Herr?"

"Wir brechen auf. Geh und hol Rin. Wir treffen uns dann am Rand des Waldes."

Ungläubig glotzte der Krötenyoukai seinen Herrn an. Keine Strafe? Es wurde wirklich Zeit, daß sie herausfanden, was geschehen war. Nicht, daß er es vorzog, bestraft zu werden, nur langsam kam ihm diese Wesensveränderung Sesshomarus wirklich eigenartig vor.

"Jaken! Worauf wartest du noch?"

"Äh, ja sofort, Herr. Ich gehe schon. Verzeiht, daß ich ... uaaah!"

Vor lauter Eile war der Krötenyoukai mal wieder über seine eigenen Füße gestolpert und der Länge nach hingefallen. Eiligst stand er wieder auf, strich sein Gewand glatt und ging mit gesenktem Haupt unter dem Gelächter des Menschenpacks an seinem Herrn vorbei. Für einen kurzen Moment riskierte er einen entschuldigenden Blick in seine Richtung und erstarrte. In das sonst so ausdruckslose Gesicht Sesshomarus hatte sich etwas gemischt , was er noch nie an dem Youkai-Fürsten bemerkt hatte. War es ein leichter Anflug von Amüsiertheit, die da über seine starren Züge huschte?

"Jaken ... ." In der Stimme Sesshomarus schwang ein leicht ärgerlicher Unterton mit. Sollte heute etwa alles und jeder seine Geduld auf die Probe stellen?

Der kleine Krötenyoukai fuhr wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Erst jetzt war ihm aufgefallen, wie lange er seinen Herrn schon so anstarrte. Peinlich berührt verbeugte er sich tief vor Sesshomaru und lief dann eiligen Schrittes in Richtung des kleines Mädchens davon, welches wahrscheinlich während der langen Zeit des Wartens schon wieder unendlich viele Lieder für ihren Sesshomaru-sama komponiert hatte und diese mit Sicherheit doch irgendjemandem erst einmal zur Probe vortragen wollte. Jaken bekam jetzt schon Kopfschmerzen, wenn er daran dachte. Leider übersah er dabei den kleinen Stein, der sich ihm als gemeine Stolperfalle in den Weg gestellt hatte. Binnen weniger Minuten fiel er nun schon zum zweiten Mal auf die Nase. Kagome und ihre Freunde konnten sich auch diesmal nicht zurückhalten und mussten herzhaft über das Missgeschick des kleinen Youkais lachen, der verärgert vor sich hin grummelte und langsam wieder aufstand. Doch dann hielt er verblüfft inne, genauso wie die Menschen, denen das Lachen vor Unglauben über das, was sich ihnen nun bot, im Halse stecken blieb. Sprachlos starrten sie alle Sesshomaru an. Der große Youkai lachte! Er hatte die Augen geschlossen, aus denen schon kleine Tränchen kullerten, den Kopf in den Nacken gelegt und lachte unbefangen dem blauen Himmel entgegen. So stand er eine ganze Weile da, bis er bemerkte, dass die Welt um ihn herum verstummt war. Langsam öffnete er die Augen und blickte in die Gesichter von Youkai und Menschen, die ihn so verblüfft anstarrten, als hätte er gerade zugegeben, dass er Inuyasha liebte. Erst jetzt wurde ihm mit Schrecken bewusst, was er da soeben getan hatte. Seine neu entdeckten Gefühle so ungezwungen zu offenbaren, war nicht wirklich das gewesen, was er bezweckt hatte. Um wieder etwas Haltung zu gewinnen, räusperte er sich geräuschvoll, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und belegte sein Gesicht wieder mit dem gewohnt kühlen und gefühllosen Ausdruck, der ihn zu dem machte, der er eigentlich auch war; ein hochrangiger Youkai-Lord, Herrscher über die westlichen Länder und nicht jemand, der sich über die peinlichen Missgeschicke seines trotteligen Dieners amüsierte. Obwohl, dass musste er schon zugeben, es hatte auf eine sehr erfrischende Art und Weise befreiend gewirkt, so unbefangen seine Gefühle preiszugeben und mal so richtig loszulachen ...

Nein, nein, halt! Was dachte er sich dabei nur? Was war nur in ihn gefahren? Diese Gefühlsduselei wurde ihm allmählich zu viel. Lachen! Pah! So etwas war doch durch und durch menschlich und alles was menschlich war, war in seinen Augen schwach! So weit käme es noch, dass er sich menschlichen Gefühlsneigungen hingeben würde! Niemals!

Er fühlte, wie die bösartige und dunkle Energie in sein Herz strömte und sein Youki erneut ansteigen ließ. Jaken, der nur zwei, drei Schritte von ihm entfernt stand, stolperte hastig etwas zurück, aller bemerkte, dass sein Herr sich wieder unter Kontrolle hatte und fiel untergeben auf die Knie.

"Und jetzt geh und führe das aus, was ich dir aufgetragen habe, Jaken."

Die tiefe Stimme des Youkais grollte über die Köpfe der Anwesenden hinweg, während sein anschwellendes Youki dafür sorgte, dass allen ein grausiger Schauer über den Rücken wanderte. Der Krötenyoukai machte sich währenddessen schnellstens auf den Weg zu dem kleinen Mädchen, welches schon ungeduldig am Waldrand wartete.

Langsam drehte Sesshomaru den Kopf in Richtung der Freunde seines Bruders und musterte sie mit einem Blick, der sie alle vor Schreck ein paar Schritte zurücktreten ließ. Ängstlich quietschend vergrub Shippo sein Gesicht in Kagomes Shirt, um nicht länger diesen grausamen Augen ausgeliefert sein zu müssen. Sango ergriff unsicher Mirokus Hand und klammerte sich daran fest, während der Mönch sie leicht verdutzt anstarrte, ihren Griff aber erwiderte, da ihm diese Situation ebenfalls nicht gerade ungefährlich erschien. Kirara hatte sich zur Vorsicht wieder in ihre dämonische Gestalt verwandelt und stellte sich nun schützend vor ihre Freunde. Die alte Miko legte eine Hand auf Kagomes Schulter, die gerade versuchte, den kleinen Kitsune etwas zu beruhigen.

"Was meinst du, Kagome, was hat er vor?"

"Ich weiß es nicht genau, aber ... wir haben etwas gesehen, was unseren Augen lieber hätte verwährt bleiben sollen. So bleibt ihm eigentlich nur eine Möglichkeit - die Zeugen schnellstens zu beseitigen, so dass niemals jemand davon erfährt."

Mit einem schnellen Seitenblick zu Shippo, der sie entgeistert anstarrte, fügte sie jedoch schnell hinzu: "Ich glaube allerdings nicht, dass er so etwas tut, schließlich ist er doch auf unsere Hilfe angewiesen."

Ein erleichtertes einvernehmendes Seufzen war zu hören, es kam jedoch nicht nur von dem Kitsune, der sich erstaunt umsah, sondern auch von einem jungen Mann, der die Hand einer hübschen Frau ganz fest hielt und sich beruhigt den Angstschweiß von der Stirn wischte.

"So ein Glück", war von ihm zu hören, während er Sangos Hand vorsichtig losließ, "ich dachte schon, ich könnte dies hier nie wieder tun."

Mit diesen Worten erkundete seine Hand fachmännisch Sangos Rundungen, während die junge Dämonenjägerin vor Wut kurz vorm Platzen war. Ihre Freunde zogen vorsorglich lieber schon einmal die Köpfe ein.

"Houshi-sama!", donnerte es über den Platz hinweg, gefolgt von einem lauten Krachen und einem protestierenden "Auuuuuuu! Was denn?! Was hab ich denn getan?!" Während die beiden ihr heißgeliebtes Thema mal wieder zum wahrscheinlich hundersten Mal lautstark diskutierten, reagierten Kagome, Kaede und Shippo nur mit einem resignierten Seufzen darauf. Sango und Miroku waren derweil so in ihr Streitgespräch vertieft, dass sie alles um sich herum vergessen hatten. Umso erschrockener reagierten sie darauf, als Sesshomaru wütend seine Stimme erhob, um dem kindischen Treiben somit ein Ende zu setzen. Sofort hielten sie inne und schämten sich für ihr Verhalten angesichts der ernsten Situation, in der sie sich befanden.

"Nun gut, was das andere betrifft", der Youkai machte eine Pause und sah jeden von ihnen durchdringend an, "zu keinem ein Wort, sonst werde ich selbst dafür sorgen, dass ihr für immer schweigt."

Zitternd krallte sich der kleine Kitsune erneut an Kagome Shirt fest, als ihn der harte Blick Sesshomarus noch einmal streifte, so, als wollte der Youkai damit seine Worte nachträglich unterstreichen. Beruhigend strich das Mädchen dem Kleinen über den Kopf.

"Mach dir keine Sorgen.", flüsterte sie ihm zu. "Wir sind voneinander abhängig - er und wir. Schon gerade deswegen kann er uns nichts antun, bis wir alle unser Ziel erreicht haben. Wir wollen von ihm wissen, wo sich Inuyasha aufhält und er möchte über uns herausfinden, was mit seinem Bruder geschehen ist. Also, hab keine Angst."

Shippo hoffte, dass seine große Freundin Recht behielt, andernfalls konnten sie sich alle warm anziehen.

"Seid ihr aufbruchbereit?" Sesshomarus Stimme durchbrach die Gedankengänge des Fuchsyoukais, in denen ein großer weißer Hund mir blutroten Augen gerade ganze Dörfer zerstörte.

"Ja, das sind wir. Geh bitte voran, wir werden dir folgen." Absichtlich ließ Kagome dabei die respektvolle Anrede weg, die eines Youkai-Fürsten würdig war, aber das schien ihn kaum zu stören. Von ihrer Seite gab es da einfach noch zu viele Dinge bezüglich Inuyasha, die sie dem Youkai nicht verzeihen konnte. Schweigend nahm sie ihren Bogen, befestigte den Köcher mit den Pfeilen auf ihrem Rücken und sah zu ihren Freunden hinüber. Sango hatte ihr gesamtes Waffenarsenal, welches sie noch vor wenigen Minuten erfolgreich gegen Miroku eingesetzt hatte, wieder eingesammelt und half dem jungen Mönch dabei, den restlichen Reiseproviant einzupacken. Miroku lud sich anschließend den großen gelbfarbenen Rucksack von Kagome auf die Schultern und nickte ihnen zu. Nacheinander verabschiedeten sie sich alle von Kaede, wobei die beiden Mädchen die alte Frau noch einmal herzlich an sich drückten. Während der Abschiedsszenerie hörte man ständig einen kleinen Kitsune jammern, er wolle lieber hier bleiben, er hätte viel zu viel Angst vor der Rache eines gewissen Hunde-Youkais, doch Miroku verpasste ihm eine ordentliche Kopfnuss und sagte: "Nichts da, du kommst mit uns. Mitgefangen, mitgehangen", worauf der Kleine erwiderte: "Och menno, du bist schon genauso gemein wie Inuyasha".

Langsam, nachdem sie noch ein paar Mal Kaede zum Abschied zu gewunken hatten und sie ihnen eingeimpft hatte, auch ja mit Inuyasha zurückzukommen, bewegte sich die bunt zusammengewürfelte Truppe durch das Dorf auf den Wald zu. Kagome musste unwillkürlich grinsen, als die Dorfleute ihnen mit kuchentellergroßen Augen hinterher sahen. Sesshomaru dagegen wollte so schnell wie möglich hier heraus. Es reichte schon, wenn man mit einem kleinen Menschenmädchen und einem stets nervenden Krötenyoukai durch die Lande zog, aber jetzt hatte er noch drei Menschen mehr auf dem Hals; die ziemlich vorlaute und freche Freundin seines Bruders, einen durchtriebenen Mönch, der seine Hände nicht bei sich behalten konnte und seine überaus schlagkräftige Freundin. Und dann noch dieser Jammerlappen von einem Kitsune, der gleich anfing zu heulen, wenn man ihn nur ansah. Ob er sich das wirklich gut überlegt hatte?

Als sie sich dem Wald näherten, vernahm man plötzlich eine fröhliche Kinderstimme.

"Sesshomaru-sama! Sesshomaru-sama!"

Ein kleines schwarzhaariges Mädchen in einem bunten Kimono kam auf sie zugelaufen. Gleichzeitig erhoben sich zwei Köpfe, die zu einem Drachenkörper gehörten, aus dem hohen Gras. Gemütlich kauend sahen vier Augenpaare dem Mädchen hinterher. Jaken saß etwas desinteressiert auf einem Stein und starrte Löcher in die Luft.

"Sesshomaru-sama, ich bin so froh, dass ihr wieder da seid! Und mit soviel Besuch ... ."

Neugierig sah sie an dem großen Youkai vorbei auf seine Begleitung.

"Hallo, Rin-chan. Wie geht es dir?"

Kagome hatte sich auf die Knie hinuntergelassen, um die Kleine zu begrüßen.

"Kagome-sama! Du bist auch da!"

Vergnügt fiel sie dem großen Mädchen in die Arme.

"Wir sollten hier jetzt nicht zuviel Zeit verstreichen lassen.", unterbrach sie Sesshomaru unwirsch und zeigte auf den zweiköpfigen Drachen.

"Rin, steig auf. Jaken, du auch."

Der Krötenyoukai plumpste mehr von seinem Stein, als dass er hinunterstieg und folgte dem Mädchen, welches gehorsam in Richtung des Drachens hopste, dessen Köpfe sie schon neugierig musterten. Sesshomaru wandte sich nun an seine anderen Begleiter und begann zu erklären.

"Das Dorf befindet sich drei Tagesmärsche entfernt von hier. Per Luftlinie sparen wir uns allerdings die Hälfte."

Wie der Youkai zu Luft reiste, mussten sie nicht fragen, sie alle wussten, dass er fliegen konnte. Blieb nur die Frage offen, wer jetzt bei wem mitreiste. Kirara war nicht imstande, Kagome, Sango und Miroku den langen Weg ohne Pause zu tragen, das würde die Dämonenkatze nicht schaffen, zwei ausgewachsene Personen schon, aber drei? Deswegen überlegte Kagome gar nicht lange und ging hinüber zu Rin und Jaken, die schon auf dem Rücken des Drachen Platz genommen hatten. Die beiden waren Fliegengewichte, wenn sie noch dazu kam, würde das diesem ungewöhnlichen Reittier wohl kaum allzu große Probleme bereiten. Die beiden Köpfe beschnupperten sie interessiert, während Rin vor Begeisterung in die Hände klatschte, als sie erfuhr, dass Kagome bei ihnen mitfliegen wollte. Jaken dagegen sah nicht wirklich begeistert aus, was das Mädchen aus der Zukunft nicht sonderlich wunderte. Shippo schaute indes etwas traurig zu seiner großen Freundin hinüber und sprang dann zu Sango in die Arme, die bereits auf Kirara Platz genommen hatte und Miroku, der hinter ihr saß, einimpfte, wenn sich noch einmal seine Hände an eine bestimmte Stelle verirren sollten, er einen kostenlosen Freiflug über das Land gewinnen würde - seinen letzten. Gerade, als man gemeinsam aufbrechen wollte, vernahmen alle ein leises Stimmchen, dass sie innehalten ließ.

"Wartet auf mich! Ich will auch mitkommen!" Ein kleiner schwarzer Punkt hüpfte durch die Luft, sprang auf Kagomes Nase und machte sich genüsslich an ihrem jugendlichen Blut zu schaffen, was das Mädchen jedoch mit einer eindeutigen Handbewegung unterbrach. Der Flohgeist segelte stöhnend in die ausgestreckte Hand Kagomes und rappelte sich etwas verstimmt wieder auf.

"Myoga-jiji, was verschafft uns die Ehre?", neckte sie ihn.

Entrüstet stemmte der Angesprochene seine kleinen Händchen in die Hüften.

"Ich muss doch darauf Acht geben, dass Kagome-sama nicht Böses widerfährt. Das habe ich doch versprochen und was Myoga verspricht, dass hält er. Außerdem möchte ich auch Inuyasha-sama wiedersehen, so kann ich ihn selbst um Vergebung bitten."

"Nun gut, ich dachte nur, du gehst den Schwierigkeiten lieber aus dem Weg, als dass du hoch erhobenen Hauptes auf sie zurennst. Keiner weiß, was uns erwartet." Erstaunt über seine Entscheidung sah sie ihn an.

"Das ist mir gleich. Nach so einer Schande kann ich mich nie im Jenseits sehen lassen, deswegen will ich euch begleiten, um alles wieder gut zu machen. So kann ich wenigstens beweisen, dass ich doch zu etwas zu gebrauchen bin. Schließlich habe ich damals einen Eid geschworen und den will ich auch erfüllen."

Kagome lächelte. "Gut, du sollst mit uns kommen, aber vergiss nicht, was du in unser aller Angesicht geschworen hast. Wenn du wieder davon läufst, wenn es brenzlig wird, wird es dir niemals wieder jemand verzeihen. Und noch etwas ... keine Reisesnacks!"

"Nein, nein, Kagome-sama, ich werde mich hüten, von eurem frischen, jungen, delikaten Blut zu kosten, obwohl ich ja zu gerne, hach, wie lecker und diese erfrischende rote Farbe, ich glaube, ich kann mich doch nicht beherrschen ... -BONG, PLATSCH- ... aua ... ."

"Ich glaube, wir hatten ein Abkommen, Myoga-jiji.", erwiderte Kagome, nachdem sie den Flohgeist platt wie eine Flunder geschlagen hatte.

"Ja, ich weiß, ich entschuldige mich in aller Form für mein schändliches Vergehen, nur euer Blut ist so unverbraucht und rein, so etwas schmackhaftes bekommt man heutzutage nicht mehr wirklich.", erwähnte er mit einem schelmischen Seitenblick in Richtung des jungen Mönches, der sich mal wieder an Sangos Hintern zu schaffen machte, sich dann aber doch aufgrund der stichelnden Bemerkung des Flohgeistes sehr angesprochen fühlte und beleidigt seine Hand wegnahm, was ihm vielleicht das Leben rettete.

Sesshomaru hatte währenddessen diese für ihn doch sehr makabre Situation leicht belustigt und auch sehr ungeduldig beobachtet, aber in einem musste er dem alten Flohgeist Recht geben - er könnte wirklich noch von Nutzen sein, schließlich war sein Wissen manchmal nicht fehl am Platz.

Nachdem man alle Unstimmigkeiten geklärt hatte und alle bereit waren, erhob sich der mächtige Youkai in die Lüfte, um ihnen den Weg zu weisen. Kirara und Ah-Un flogen gehorsam hinterher und so ließen sie das Dorf der Priesterin Kaede bereits weit hinter sich. Kagome fieberte dem Treffen mit Inuyasha jetzt schon entgegen, ungeduldig kauerte sie hinter Rin und konnte an nichts anderes mehr denken. Jaken hatte es sich vor Rin am Hals des Drachens bequem gemacht und tat so, als existierten die Mädchen für ihn gar nicht. Er war eh froh, wenn sie an ihrem Ziel angekommen waren und er wieder festen Boden unter den Füßen hatte, zum einen, weil das Fliegen einfach nichts für ihn war, seiner Meinung nach gehörten Youkai wie er nicht in die Lüfte, zum anderen, weil er dann die Anwesenheit der beiden Menschenmädchen nicht mehr ertragen musste. Er hoffte inständig, dass Rin nicht wieder eines ihrer Lieder zum besten gab, doch seine Hoffnung sollte sich nicht erfüllen, denn die Kleine drehte sich bereits euphorisch zu Kagome um und riss sie so aus ihren Gedanken.

"Kagome-sama, soll ich dir vielleicht ein Lied vorsingen? Passend zur Reise?"

"Äh ....", bevor die Angesprochene überhaupt richtig darauf antworten konnte, legte das Mädchen auch schon los. Genervt hielt sich Jaken die Ohren zu, während Kagome nur vergnügt darüber schmunzelte. Myoga fand es sogar richtig toll und tanzte auf Kagomes Schulter ausgelassen hin und her, während er die Kleine dazu aufmunterte, doch weiterzusingen, da sie jedes Mal aufhörte, wenn sie in die Richtung des Krötenyoukais blickte. Irgendwann zerrte der immer wiederkehrende Gesang jedoch auch an Kagomes Nerven und so forderte sie das kleine Mädchen nach einer Weile auf, doch ein wenig von sich zu erzählen. Erfreut über soviel Interesse legte sie auch gleich los. Sie berichtete von ihrer eigentlich unbeschwerten Kindheit, wie glücklich sie gewesen war und stolz zu ihrem älteren Bruder aufgesehen hatte. Doch irgendwann wurde das heitere Stimmchen durch Traurigkeit getrübt, denn ihre Erzählung rückte näher zu dem Tag, an dem das Glück der kleinen Familie zerstört wurde, der Tag, an dem alle außer ihr von Banditen getötet wurden und sie sich fortan alleine durchschlagen musste. Aber spätestens bei dem Wort "Sesshomaru-sama" lächelte sie wieder über das ganze Gesicht und erzählte mit glänzenden Augen, wie sie ihn kennen gelernt hatte und was er für sie getan hatte. Kagome hörte erstaunt zu. Das hätte sie dem Youkai niemals zugetraut, dass er sein doch eigentlich verhasstes Schwert Tensaiga für ein kleines, ihm damals völlig unbekanntes Mädchen einsetzen würde. Jaken sah entsetzt zu seinem Herrn, der noch immer als Erstes voran flog und machte sich Gedanken darüber, wie er wohl darauf reagieren würde, was Rin hier so ausschweifend erzählte. Doch der Hunde-Youkai zeigte keinerlei Interesse an dem Gespräch der zwei Mädchen und flog unbeirrbar weiter.

Na und, dachte er derweil. Ich habe dem Mädchen damals das Leben geschenkt, aber eigentlich habe ich es nur getan, weil Tensaiga es mir befohlen hat ... . Aber nach den ganzen Ereignissen der letzten Tage war er sich nicht mehr so ganz sicher, was das betraf. Hatte er es wirklich nur getan, weil das Schwert es ihm befohlen hatte oder steckte da noch mehr dahinter? Als er das tote Kind damals in seinen Armen gehalten hatte, war ihm wieder etwas bewusst geworden, was er längst in die hinterste Ecke seiner Seele verbannt hatte. Schon einmal war ihm so etwas widerfahren und prompt kamen ihm erneut die Worte seines Vaters in den Sinn. "Beschütze deinen Bruder, wenn nötig, dann sogar mit deinem eigenen Leben!"

Er seufzte lautlos in sich hinein. Prüfend sah er zum Himmel hinauf. In ein paar Stunden würden sie rasten müssen, er wusste, dass die beiden Reittiere und auch ihre Passagiere des nachts eine Pause benötigten, bevor sie weiterfliegen konnten.

Miroku versuchte in der Zwischenzeit, sich bei Sango zu entschuldigen, aber die Dämonenjägerin wollte kein Wort mehr von ihm hören, zu enttäuscht war sie von ihm, dass er diese plumpe Anmache an diesem Tag schon mehrmals zum besten gegeben hatte. Lieber hätte sie es auch gesehen, wenn er anstatt Kagome auf dem zweiköpfigen Drachen gesessen hätte. So wäre sie wenigstens mal nicht in seiner Reichweite gewesen und hätte sich in Ruhe gedanklich abreagieren können. Aber da er nun mal hinter ihr saß und ständig diese verzweifelten und langsam peinlichen Versuche machte, sich bei ihr zu entschuldigen, wurde alles nur noch schlimmer. Sie spürte schon, wie ihre Wut im Bauch immer weiter wuchs, sie dehnte sich aus, wie die Lava eines Vulkans, bereit, auszubrechen. Als es ihr dann irgendwann zu bunt wurde, drehte sie sich um und fuhr ihm unwirsch über den Mund.

"Houshi-sama, es bringt nichts, sich für etwas zu entschuldigen, was eh wieder und wieder passieren wird. Denk darüber mal nach, bevor du erneut mit deiner Hand auf Reisen gehst."

Vollkommen perplex starrte er seine Gefährtin an. Sie hatte ja irgendwie Recht, aber was konnte er denn dazu? Er war nun mal ein Mann und sie eine hübsche junge Frau mit besonderen Reizen, grundsätzlich gesehen war es doch eigentlich die Frau, die den Mann mit ihren weiblichen Reizen schwach werden ließ, oder nicht? Und eigentlich müsste sie sich doch geehrt fühlen, dass er sie so begehrte. Er musste unbedingt mal mit einem anderen Mann seines Alters das Gespräch darüber suchen, vielleicht war es gar nicht mal so schlecht, sich mit jemandem auszutauschen, der sich damit auskannte. Er konnte es gar nicht mehr abwarten, bis er hinter das Geheimnis der Frauen gelangte, was sie nun wirklich wollten und was nicht.

Leicht genervt drehte sich Shippo zu Sango und Miroku um. Er hatte sich während des Streitgesprächs auf Kiraras Kopf verzogen, die auch schon ab und zu die Augen verdrehte. Die beiden benahmen sich aber auch wie kleine Kinder, dachte der Kitsune und sah zu Kagome hinüber, die mit der kleinen Rin scherzte. Wie gerne wäre er bei ihnen mitgeflogen, dann hätte er sich diese für ihn vollkommen sinnlosen Gespräche nicht mitanhören müssen. Er hoffte, dass sie bald Rast machten, damit er wieder in Kagomes Arme hüpfen konnte.

Genauso wie dem kleinen Fuchsdämon ging es auch dem vorausfliegenden Youkai, er wünschte sich nichts sehnlicheres, als dass diese verdammte Sonne endlich unterging, damit sie landen konnten, aber nicht etwa, weil er irgendjemandem in die Arme springen wollte, sondern damit er etwas Abstand von seinem ihm langsam lästig werdenden Anhang gewinnen konnte. Er fragte sich erneut verwundert, wie sein Halbbruder es mit diesen Individuen so lange ausgehalten hatte, ohne den Verstand zu verlieren, er jedenfalls stand kurz davor, dass ihm solcher abhanden kam. Rins Lieder kannte er ja nun schon zur Genüge, aber musste dieser missratene Floh sie auch noch dazu ermuntern, immer weiterzusingen? Und dann dieser Mönch! Das Wort Beherrschung schien dieser noch niemals vernommen zu haben. Sie alle konnten wirklich von Glück sagen, dass er eine Art Waffenstillstand mit ihnen abgeschlossen hatte, sonst hätte er sich an diesem Tag wirklich schon mehrmals vergessen. Ungeduldig suchte er den Boden nach einem Platz ab, an dem sie die Nacht verbringen konnten. Nach einer Weile weiterer peinlicher Geschichten, die wie ein Wasserfall aus Rins Mund sprudelten (Jaken hing schon halb ohnmächtig am Hals des Drachens, da er sich bereits ausmalen konnte, was sein Herr mit ihm anstellen würde, da er die Kleine nicht aufhielt) und eines fast platzenden Kitsune, der die Nörgeleien seiner Freunde nicht mehr aushielt und am liebsten das Weite gesucht hätte, gab Sesshomaru auf einmal das Zeichen zur Landung an. Ein erleichtertes Seufzen ging durch die ganze Gruppe und man folgte dem Youkai zum Boden. Kaum gelandet, sprang Shippo eiligst von Kiraras Rücken und drehte Sango und Miroku, die mal wieder in ein Gespräch über das unerlaubte Anfassen von bestimmten Körperteilen verwickelt waren, mit einem giftigen Blick den Rücken zu. Einmal und nie wieder, dachte er. Wenn die so drauf sind, dann möchte ich nicht in ihrer Nähe sein.

Ähnlich ging es Kagome. Nachdem sie nun zum wahrscheinlich hundersten Mal vernommen hatte, wie toll und heldenhaft doch Sesshomaru-sama war, wollte sie eigentlich nur eines, RUHE. Myoga schienen diese Geschichten jedoch sehr zu gefallen, er besprach sich schon mit ihr, während der Rast doch einfach noch ein paar Sachen zum besten zu geben. Das war für Kagome eindeutig zu viel. Mit einem Handgriff, der so schnell war, dass der alte Flohgeist ihn gar nicht bemerkte, hatte sie ihn gepackt und ihn kurzerhand in die Seitentasche ihrer Schuluniform verfrachtet. Auf den fragenden Blick Rins hin erklärte sie, dass er von der anstrengenden Reise doch sehr erschöpft sei und jetzt dringend Schlaf benötigte. Die protestierenden Schreie Myogas ignorierend, klopfte sie ein paar Mal bestätigend auf den Stoff ihrer Seitentasche, bis man nur noch ein leises Stöhnen hörte und er Ruhe gab.

"Komm", sagte sie dann zu Rin, "für so kleine Mädchen wie dich ist es auch längst Zeit, schlafen zu gehen. Die Sonne geht jedenfalls auch schon zu Bett."

Doch so leicht sollte es die Kleine ihr nicht machen.

"Och nö, bei Sesshomaru-sama darf ich immer so lange aufbleiben, bis ich müde werde und das ist jetzt noch nicht so." Verschmitzt strahlte sie Kagome an, die sich schon am Feuer sitzen sah und den immer wieder kehrenden Liedern und Geschichten Rins lauschen musste. Doch eine wohlbekannte Stimme kam ihr zu Hilfe.

"Rin, du tust, was sie dir sagt." Der Youkai hatte bereits begonnen, sich etwas von ihnen allen zu entfernen, war jedoch noch Zeuge des Gespräches zwischen den beiden Menschenmädchen geworden.

"Solange ich nicht hier bin, hörst du auf sie."

Fragend sah Rin ihm in die Augen, die das Mädchen kalt musterten.

"Aber ..., wohin geht ihr denn, Sesshomaru-sama? Bleibt ihr nicht bei uns?"

Immer diese lästigen und überflüssigen Fragen. Ruhig bleiben, bloß nicht ausrasten.

"Ich gehe nicht weit weg." Mit diesen Worten verschwand er in den zunehmenden Schatten des Waldes, in dem sie gelandet waren. Etwas enttäuscht sah ihm seine kleine Begleiterin hinterher, aber sie gehorchte ihm und griff nach Kagomes Hand. Das Mädchen aus der Zukunft holte ihren Schlafsack aus dem Rucksack, den Miroku bereits abgestellt hatte und wickelte ihn für Rin auseinander. Die Kleine kroch dankbar hinein, quengelte zwar erst noch eine Weile, da sie noch nicht schlafen wollte, fügte sich aber dann den Worten Kagomes, da sie es Sesshomaru ja versprochen hatte. Nach ein paar Minuten fühlte sie erst, wie müde sie eigentlich war und schlief irgendwann friedlich ein. Lächelnd strich Kagome ihr noch einmal durchs Haar, bis sie aufstand und sich zu ihren Freunden gesellte, die schon ein kleines Feuer entfacht hatten. Seufzend ließ sie sich neben Shippo nieder, der gleich auf ihren Schoß krabbelte und wieder rundum zufrieden aussah. Miroku und Sango würdigten sich keinen Blickes, was Kagome ein wenig ärgerlich machte. Schließlich war das hier kein Sonntagsausflug und die ewigen Kabbeleien der zwei gingen selbst ihr langsam auf die Nerven. Deswegen sprach sie es auch gleich an.

"Ich finde, ihr solltet eure Streitigkeiten mal etwas aussen vor lassen und darüber nachdenken, weswegen wir eigentlich unterwegs sind."

Verblüfft sahen die beiden ihre Freundin an.

"Aber er hat doch angefangen!", rief Sango aus und zeigte auf den jungen Mönch, der vorsichtshalber in Deckung ging.

"Was kann ich dafür, wenn du so reizend aussiehst?", warf er dagegen ein und grinste übers ganze Gesicht. Schon hatten die zwei Streithähne sich wieder in der Wolle und Kagome schüttelte resigniert den Kopf, während Shippos zufriedenes Gesicht sich zu einer Grimasse verzog. Entrüstet sprang er von Kagomes Schoß und baute sich vor den beiden auf.

"Ihr seid echt das Letzte!", schrie er sie wütend an. "Was ist nur mit euch los? Seit Inuyasha nicht mehr bei uns ist, führt ihr euch auf wie kleine Kinder! Da kann ich mich ja besser benehmen!" Kleine Tränchen funkelten in seinen Augen, die er verstohlen wegwischte.

Kagome war richtig zusammengefahren, als der kleine Kitsune das Wort ergriffen hatte, doch er sprach genau das aus, was sie schon die ganze Zeit über gedacht hatte.

Die Dämonenjägerin und der junge Mönch wirkten jedoch etwas geschockt, was die Worte des Kleinen betraf und sahen betreten zu Boden. Es dauerte ein Weilchen, bis einer von ihnen das eisige Schweigen brach, was sich nach dem Gefühlsausbruch Shippos über die Freunde gelegt hatte.

"Wir ... es tut uns leid, dass wir uns so ... blöd benommen haben.", gab Sango kleinlaut zu und sah zu Miroku hinüber, der leicht beschämt nickte. "Wenn ich recht überlege, kann ich mir auch nicht richtig erklären, wie es dazu kommen konnte, dass wir so oft ... ."

"Aber ich kann es."

Alle blickten erstaunt in das Gesicht des Fuchsdämons, der noch immer vor Sango und Miroku stand.

"Du weißt, warum wir ...?" Miroku sprach nicht weiter.

"Ja, ich kann es mir jedenfalls denken. Seit Inuyasha nicht mehr hier bei uns ist, spielt jedermann von euch auf seine Art und Weise verrückt. Du Miroku", er zeigte mit seinen kleinen Fingern auf den Mönch, "du weißt dich ansonsten einigermaßen zu benehmen, wenn´s drauf ankommt. Wir sind es zwar von dir gewohnt, dass du manchmal etwas über die Strenge schlägst, was diese Dinge betrifft, aber seit dem Abend, an dem alles begann, erkenne ich dich gar nicht wieder. Nach Inuyashas Beisetzung fing es an, überhand zu nehmen."

"Ja, das stimmt. Das kann ich nicht abstreiten.", gab der junge Mann reuevoll zu.

"Und du, Kagome", Shippo drehte sich zu seiner großen Freundin um, "dich kenne ich meistens immer als sehr beherrscht. Du warst immer der Ruhepol in unserer Gruppe und hast erst nachgedacht, bevor du gehandelt hast. Aber was da mit Sesshomaru geschehen ist ..., wenn ich ehrlich sein soll, habe ich in diesem Moment ein bisschen Angst vor dir bekommen. Du rastest doch sonst nicht so schnell aus. Mit dieser sinnlosen Aktion hast du uns alle in große Gefahr gebracht. Wir hatten Glück, dass er nicht mit der Absicht zu uns kam, um uns zu töten, sondern weil er unsere Hilfe brauchte. Sonst wären wir wahrscheinlich jetzt alle tot. Der versteht nämlich keinen Spaß."

Kagome sah den Kleinen mit großen Augen an. Sie war über alle Maßen erstaunt, dass das aus dem Mund eines Kindes kam, in dessen Alter man sich über so etwas noch keine Gedanken machte. Andererseits musste man bei Shippo bedenken, dass er schon einiges hinter sich hatte und so schon erwachsener wirkte, als er es eigentlich war.

"Und was ist mit mir?", meldete sich eine Stimme kleinlaut zu Wort. "Habe ich gar nichts angestellt?" Sango fühlte sich wohl übergangen bei der ganzen Sache.

Shippo lächelte. "Du bist die einzige von uns, die auf dem Teppich geblieben ist."

Sie grinste ihn verschmitzt an. "Na, da kann ich mir ja jetzt was drauf einbilden, nicht wahr?"

Ein befreiendes Lachen löste sich aus dem Mund der Jägerin, woraufhin ihre Freunde sofort mit einfielen.

"Irgendwie fühle ich mich jetzt besser, was ist mit euch?"

"Ja", pflichtete Kagome ihrer Freundin bei, "mir geht es genauso. Ich habe auch verstanden, was Shippo eigentlich mit seiner Aussage bezwecken wollte."

"Was denn?", wollte Miroku neugierig wissen.

"Ganz einfach. Mit Inuyasha waren wir eine Einheit und haben immer unser Ziel verfolgt; Naraku zu vernichten und anderen zu helfen. Seit diesem Vorfall ist das alles in Vergessenheit geraten. Natürlich haben wir auch alle unter diesem Verlust gelitten, ich wahrscheinlich am meisten und ich befürchte, ich habe euch dadurch auch eine Menge Schwierigkeiten eingebrockt. Fakt ist aber, dass uns dieses ganze Chaos mit ihm wohl nicht geschehen wäre. Auch wenn er oft unüberlegt gehandelt hat, so war er doch derjenige, der uns immer zusammengehalten hat. Wenn er wüsste, dass ich auf seinen Bruder eingeprügelt habe, dann ... na, ich weiß auch nicht, aber ich glaube, er hätte mich gefragt, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. Versteht ihr, was ich damit meine? Wenn man jemanden verliert, der einem viel bedeutet hat, dann geschehen oft Dinge, die man hinterher wieder bereut. Jeder versucht auf seine Art und Weise, die Trauer zu bekämpfen, manche auf vorteilhafte Weise", sie nickte Sango und Shippo zu, "oder auf unvorteilhafte Weise", sie sah zu Miroku hinüber und zeigte gleichzeitig auf sich selbst.

"Ja, ich verstehe, Kagome.", erwiderte der Mönch. "Dieser Verlust hat ein großes Loch in unsere Mitte gerissen und einige von uns verzweifeln lassen. Tja, und bei manchen geht das soweit, dass sie", er schmunzelte, "ziemlich dumme Sachen machen und andere damit verärgern." Entschuldigend sah er Sango in die Augen, die etwas errötete.

"Äh, schon gut, ich ... naja, aber beim nächsten Mal bin ich nicht mehr so nachsichtig."

"Nachsichtig?!" Miroku rieb sich den Kopf. "Das sollte wohl ein Witz sein, was?"

"Nein, Houshi-sama. Glaubst du etwa allen Ernstes, ich hätte mit meiner ganzen Kraft zugeschlagen? Nein, das war noch auf die sanfte Tour."

Unwillkürlich fing Kagome wieder an zu lachen, als sie bemerkte, dass die beiden erneut anfingen, sich zu kabbeln, dieses Mal allerdings nicht ernst gemeint, sondern nur zum Spaß. Sofort hielten die beiden inne und grinsten sich an. Shippo strahlte und hopste in Kagomes Schoß, die den Kleinen an sich drückte. Plötzlich vernahm man ein Murren aus der Tasche des Mädchens und einige Augenblicke später krabbelte ein arg mitgenommener und übel gelaunter Flohgeist aus Kagomes Shirt.

Ups, bemerkte diese in Gedanken, den habe ich ja total vergessen.

"Äh, hallo Myoga-jiji. Schon ausgeschlafen?" Etwas zerknirscht sah sie ihn an.

"Wer zum ...!" wollte er schon loswettern, doch da kam Miroku ihr überraschend zu Hilfe.

"Ich denke, es ist wohl besser, wir legen uns alle noch ein paar Stunden hin, bevor wir wieder aufbrechen. Jedenfalls könnte ich ein wenig Schlaf gebrauchen, ich weiß ja nicht, wie es euch geht."

Leise vor sich hin schimpfend, dass ihn hier ja keiner ernst nahm, kroch der Flohgeist zurück in Kagomes Tasche, wo man ihn noch einige Zeit lang grummeln hörte.

Dankbar lächelte Kagome dem jungen Mönch zu, wer weiß, wie lange Myoga ihnen jetzt eine Standpauke gehalten hätte, wäre ihm Miroku nicht über den Mund gefahren.

Leise kroch sie zu Rin hinüber und legte sich neben sie in den Schlafsack, so klein und dünn wie das Mädchen war, passten sie beide hinein.

Shippo stand etwas beleidigt daneben, doch dann schnellte die Hand Kagomes plötzlich aus dem Schlafsack hervor, packte den verdutzten Kitsune und steckte ihn zwischen sich und Rin. Die Kleine kicherte im Schlaf, als sie das Haar des Fuchsdämons im Gesicht kitzelte. Vorsichtig, um sie nicht zu wecken, drehte sich Shippo zu Kagome um und kuschelte sich an sie. Jaken schlief schon eine Weile laut schnarchend neben dem zweiköpfigen Drachen, aus dessem Mäulern abwechselnd mal ein kleines Flämmchen schoss, dass aber noch lange nicht für das Auslösen eines Waldbrandes reichte. Wenigstens, so dachte Kagome erleichtert, schnarcht der nicht auch noch.

Miroku und Sango lehnten sich an die große Dämonenkatze, die schon seit einiger Zeit unter einem großen Baum saß. Das dichte und warme Fell des Tieres kam den beiden in den noch kühlen Nächten nur gelegen. Kirara legte sanft ihre großen buschigen Schwänze auf den Körper ihrer Freundin und schnurrte zufrieden, als man sie aus Dankbarkeit kraulte.

"Und was ist mit mir?", fragte eine Stimme neben Sango.

"Wie?", erwiderte die Dämonenjägerin. "Willst du auch gekrault werden?"

"Nein.", maulte der Mönch. "Aber mir ist vielleicht auch kalt."

"Ach, nur vielleicht?" Sango grinste.

"Nein, ganz bestimmt." Zur Bestätigung rieb er sich mit den Händen über die Arme, damit ihm wärmer wurde.

"Na, dann komm her, du Eisklotz." Sie hob den Schwanz der großen Katze etwas an und winkte ihn zu sich. "Warum wirst du denn jetzt so rot um die Nase? Ich dachte, dir wäre kalt?"

Peinlich berührt krabbelte er zu ihr hinüber und lehnte sich ebenfalls an den Körper Kiraras, die vergnügt maunzte und den Mönch gleich mit einem ihrer Schwänze zudeckte.

"Ja, dann gute Nacht, Sango." Er sah der jungen Frau tief in die Augen, so dass auch ihr die Röte ins Gesicht stieg.

"Äh ja, dir auch ... schlaf gut, Houshi-sama." Hektisch drehte sie den Kopf weg, um nicht mehr in seine Augen sehen zu müssen, obwohl sie diese doch so sehr liebte. Diese großen sanften Augen ... . Innerlich musste sie lächeln. Vielleicht war er doch kein so schlimmer Lüstling, wie sie dachte. Immerhin hatte er bis jetzt ihren Po außer Acht gelassen. Irgendwann fiel ihr Kopf langsam zur Seite, was verriet, dass sie eingeschlafen war.

Miroku sah sie noch lange an, wie lange, wusste er hinterher auch nicht mehr. Irgendwie tat es ihm leid, dass er sie in den letzten Stunden so traktiert hatte. Er nahm sich fest vor, ihren wunderschönen und wohlgeformten Po ... er sah ihn vor sich, zum Greifen nah und doch ... nein, er hatte es versprochen und schließlich glaubte sie doch an ihn, er würde sich halt beherrschen müssen. Shippo hatte schließlich recht damit gehabt, dass sie sich wie kleine Kinder benommen hatten. Er holte tief Luft und riss seine Augen von dem herrlichen Anblick los. Es dauerte nicht lange, bis auch er in einen tiefen Schlaf gefallen war.

Kagome und Shippo hatten das Gespräch der Dämonenjägerin und des Mönches kichernd verfolgt, doch bei den beiden machte sich jetzt auch der lange und anstrengende Tag bemerkbar. Das Mädchen schloß die Arme um den kleinen Kitsune und wartete, bis er schlief. Dann schweiften ihre Gedanken wieder zu jenem Jungen hinüber, für den sie diesen einzigartigen Pakt mit Sesshomaru geschlossen hatten, um ihn zu finden.

Was er wohl gerade machte? Ob es ihm wohl soweit gut ging? Als sie ihn das letzte Mal lebend gesehen hatte, lag er gerade im Sterben, den Körper zerschmettert von einem grausamen Youkai. Wie war es möglich, dass er lebte, obwohl sie ihn selbst zu Grabe getragen hatte? So viele Fragen geisterten durch ihren Kopf. Warum hatte er nun seine menschliche Form angenommen? Und wieso war er nicht zu ihnen zurückgekehrt? Lange lag sie deswegen noch wach und machte sich Gedanken. Was sie nicht wusste, war, dass genau zu gleichen Zeit gar nicht weit entfernt von ihr sich jemand ebenfalls darüber den Kopf zerbrach. Eine große helle Gestalt stand auf einem grasbewachsenen Hügel und betrachtete die Gegend um sich herum gedankenverloren. Sein langes weißes Haar wurde vom kühlen Nachtwind immer wieder etwas durcheinander gewirbelt. Die goldenen Augen bemerkten jede kleinste Bewegung, die sich in der Nähe abspielte und doch war die Person, zu der sie gehörten, mit den Gedanken ganz woanders. Ähnlich wie Kagome stellte sich Sesshomaru immer und immer wieder die eine selbe Frage, wieso kam sein Bruder nicht zurück, wieso ließ er alle in dem Glauben, er sei tot? Und was hatte das alles mit ihm zu tun? Es zermarterte ihm noch das Hirn. Egal, wie er es drehte und wendete, eine logische Antwort wurde ihm leider nicht serviert. Nachdenklich betrachtete er den Mond, der zur Hälfte am Himmel stand und die Gegend um ihn herum in ein angenehmes Licht tauchte. Eigentlich hätten sie bei der guten Sicht des nachts weiterfliegen können, doch er hatte gespürt, dass die Kräfte der Dämonenkatze und auch des zweiköpfigen Drachens nachgelassen hatten. So gesehen war es besser gewesen zu rasten, um dafür bei Anbruch des Tages weiterzureisen, damit sie am folgenden Abend besagtes Dorf erreichten. Er wollte sich gerade auch ein wenig zurückziehen, als er bestürzt innehielt. Ein ähnliches Gefühl wie an dem Abend, kurz bevor sein Bruder gestorben war, machte sich in seinem Herzen breit und klammerte sich dort mit einer Hartnäckigkeit fest, die ihn verwunderte. Eisige Kälte umfing ihn und er musste sich auf dem Rückweg zu der kleinen Reisegruppe mehrmals an einem Baum abstützen, um Luft zu holen. Ihm war so, als drückte irgendetwas erbarmungslos auf seine Luftröhre, um sie eiskalt zusammen zu quetschen. Kurz bevor er sein Ziel erreichte, brach er geschwächt in die Knie, immer noch ratlos, was mit ihm geschah. Was war das nur? Wieso war es jetzt noch viel schlimmer als noch vor ein paar Tagen, wo ihn eigentlich nur die nackte Angst gepackt hatte? Er zog Tokijin aus der Scheide und rammte das mächtige Schwert in den Boden, um sich daran hochzuziehen. Durch das Geräusch wurde Rin wach, die den Youkai erstaunt musterte.

"Sesshomaru-sama! Ist etwas geschehen? Ihr seht nicht gut aus!" Besorgt krabbelte sie aus dem Schlafsack und lief auf ihn zu. Durch den Lärm, den sie dabei machte, wachten auch die anderen auf. Kagome blinzelte verschlafen und rieb sich die Augen. Auch Shippo brauchte einen Moment, um richtig wach zu werden. Schließlich hatten sie alle noch nicht einmal eine Stunde geschlafen.

"Was ist denn los?" Miroku gähnte herzhaft und kratzte sich am Rücken, während Sango alarmiert ihr Hiraikotsu in die Hand nahm.

"Was ist passiert? Ist etwas in der Nähe, dass uns bedroht?" Die Dämonenjägerin wollte lieber auf Nummer Sicher gehen, denn der Youkai sah wirklich irgendwie angeschlagen aus, fast so, als hätte er einen schweren Kampf ausgefochten.

Natürlich, dachte derweil Sesshomaru, nachdem er die Worte des Menschenweibes vernommen hatte. Wieso bin ich da nicht selbst drauf gekommen? Es ist kein Zustand, der das bei mir verursacht, sondern ein Ding, ein Wesen, was sogar mir gefährlich werden könnte. Und es treibt sich hier ganz in der Nähe herum, jetzt, wo dieses Gefühl nachlässt, spüre ich sein Youki. Und es ist stark, sehr stark, zu stark sogar für mich?

Ihm war gar nicht wohl bei dem Gedanken, er wollte es auch nicht unbedingt herausfinden. Die ganze Mission stand auf dem Spiel. Sie mussten sofort von hier verschwinden, wer weiß, was sonst geschehen würde.

"Wir brechen auf, jetzt sofort. Packt eure Sachen schnell zusammen und steigt auf." Rin lief sofort zu Ah-Un, um ihn zu wecken, wobei Jaken, der an dem Drachen lehnte, erst einmal ein paar Meter weit weg geschleudert wurde, als das Tier aufstand. Schimpfend kam er wieder auf die Beine und ließ seinen Ärger an dem kleinen Mädchen aus. Dafür hatten sie jedoch jetzt keine Zeit. Ungeduldig fuhr Sesshomaru darauf seinen Diener an.

"Jaken, mach, dass du aufsteigst, wenn dir dein Leben lieb ist!"

Der Krötendämon wurde leichenblass und deutete diesen Wutausbruch seines Herrn natürlich völlig verkehrt. Doch die anderen verstanden dafür um so besser. Kagome und Shippo sprangen mehr aus dem Schlafsack, als dass sie hinauskrochen, verstauten alles in Windeseile in ihrem Rucksack, während Sango und Miroku auf die Dämonenkatze sprangen, die mit einem Male angefangen hatte, sich wie wild zu gebären und beruhigt werden musste, damit sie sich nicht gleich sofort in die Lüfte erhob. Auch der kleine Kitsune spürte mit einem Male, dass etwas nicht stimmte, es erinnerte ihn an das Gefühl, als sie gegen diesen seltsam aussehenden Dämon gekämpft hatten, der Inuyasha auf dem Gewissen hatte. Diese Augen ..., er würde sie niemals vergessen können. Deswegen lief er flink zu seinen Freunden hinüber und sprang ebenfalls auf Kiraras Rücken, die nun nicht mehr zu halten war. Gegen Sangos Befehl sprang sie in die Höhe und verschwand mit den zwei Menschen und dem kleinen Fuchsdämon am Horizont.

Kagome hatte das alles mit wachsendem Schrecken verfolgt. Was war auf dem Weg hierher, was sogar Sesshomaru Angst bereitete? Sie klammerte sich an Rin fest, als Ah-Un mit ihnen und Jaken ebenfalls den Boden verließ. Der Youkai schwang sich als letztes in die Luft, keine Sekunde zu spät, wie es schien, denn kurz nachdem er den scheinbar sicheren Boden verlassen hatte, hörte er, wie die ersten Bäume fielen und Büsche ausgerissen wurden. Was war das nur für ein Wesen? Er riskierte lieber keinen Blick zurück, sondern folgte seinen Gefährten, die er ja nun schon als solche ansehen musste. Die vier Menschen und zwei kleinen Youkai verfolgten von oben entsetzt das Szenario, welches sich unter ihnen abspielte. An der Stelle, wo sie vor wenigen Minuten noch friedlich geschlafen hatten, herrschte nun ein unvorstellbares Chaos. Hundert Jahre alte Bäume lagen umgeknickt wie Zahnstocher überall verstreut herum, die Erde des Waldbodens war an manchen Stellen aufgebrochen, hier und da lagen sogar ein paar verendete Tiere, die ihr Heil in der Flucht gesucht hatten und das mit dem Leben bezahlen mussten, da sie ihrem Verderben genau in die Arme gelaufen waren. Doch das Wesen, was diesen Akt der Zerstörung verantwortet hatte, war nirgends zu sehen. Genauso schnell, wie es aufgetaucht war, war es auch schon wieder verschwunden. Zurückgelassen hatte es nur Tod und Zerstörung und eine ziemlich verwirrte und ängstliche Gruppe von Menschen und Youkai, die froh waren, noch einmal davon gekommen zu sein. Kirara hatte sich nun auch wieder etwas beruhigt und wartete auf den Rest der Truppe. Sesshomaru setzte sich anschließend erneut an die Spitze und führte die Freunde seines Bruders mitsamt Rin und Jaken weiter an. Das beklemmende Gefühl in seinem Herzen verschwand mit jeder Sekunde, die verstrich, etwas mehr aus seinen Gedanken. Er war eigentlich heilfroh, dass er keinen Blick auf das Wesen hatte erhaschen können, nachdem er gesehen hatte, zu was es fähig war. Schweigsam sah er nach Osten, wo man schon die ersten Anzeichen des anbrechenden Tages erahnen konnte. Mit jeder Meile, die sie sich von diesem Wald entfernten, fühlte er sich wieder sicherer.

Kagome hatte sich die ganze Zeit über an dem kleinen Mädchen, welches vor ihr saß, festgeklammert, da die Kleine vor Angst zitterte, doch der Älteren ging es auch nicht besser, nachdem, was sich ihr dort geboten hatte. Zu sehr erinnerte sie das Ganze an den Tag, als Inuyasha starb, an das Ungetüm, welches ihr die Splitter entreissen wollte und dabei vor nichts zurückschreckte. Keiner von ihnen hatte diesem Monstrum die Stirn bieten können, nicht einmal der Hanyou mit Tessaiga. Sollte es etwa dieser Dämon gewesen sein, der ihnen eben den Garaus machen wollte? Sie hoffte, das dem nicht so war, zu schrecklich waren die Erinnerungen an jenen Tag. Jaken brabbelte die ganze Zeit etwas vor sich hin, dass sich anhörte wie "irgendso ein Vieh ohne Hirn" sollte wohl für diese Zerstörung verantwortlich sein, doch dem Mädchen kam es eher so vor, als hätte der Youkai eher aus Wut darüber, dass ihm seine Opfer entkommen waren, so gehandelt. Sie sah hinüber zu ihren Freunden, die nun neben dem Drachen flogen; auch ihnen stand der Schrecken im Gesicht geschrieben. Shippo klebte wie eine Klette an Sango und wollte sie vor lauter Angst gar nicht wieder loslassen, während Kirara wieder die Ruhe selbst war.

"Sagt mal, Kagome-sama, was war denn das gerade eben?" Eine Stimme ließ sie an ihrer Kleidung herabsehen. Der Kopf des Flohgeistes guckte aus ihrer Tasche, er sah etwas mitgenommen aus. Scheinbar hatte er sich bei der Flucht mehrmals den Kopf angeschlagen, während Kagome auf den Drachen gesprungen war.

"Wenn ich das wüsste ... .", seufzte sie. Auf keinen Fall wollte sie ihre Vermutung äußern, es könne sich um denselben Youkai handeln, dem sie schon vor ein paar Tagen begegnet waren.

"Naja, jedenfalls bin ich froh, dass wir uns nicht mehr da unten befinden.", entgegnete Myoga erleichtert.

"Ich auch.", entgegnete Kagome. "Ein paar Sekunden später und wir wären alle ... ." Sie mochte es gar nicht aussprechen. Dann wandte sie sich an das kleine Mädchen, welches noch immer ziemlich geschockt vor ihr saß.

"Versuch ein wenig zu schlafen, Rin. Lehn dich ruhig bei mir an, ich werde dich festhalten, keine Sorge." Die Kleine tat ohne zu murren, wie ihr geheißen. Es dauerte nur etwas, bis sie in einen einigermaßen ruhigen Schlaf fiel. Kagome strich ihr liebevoll ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Hoffentlich dauert es nicht mehr so lange, bis wir das Dorf erreicht haben, dachte sie. Selbst hier oben fühlte sie sich nicht wirklich sicher vor dem Monstrum, dem sie nur um Haaresbreite entkommen waren. Erst wenn sie sich selbst meilenweit entfernt von ihm wusste, würde sie wieder etwas zur Ruhe kommen. Durch das hell scheinende Mondlicht konnte sie schon die zu überfliegende Gebirgskette erkennen. Danach sollten noch einige Wälder und Felder folgen, so hatte Sesshomaru es ihnen erklärt. Dann sehe ich dich endlich wieder, Inuyasha, dachte sie.

Mehrere Meilen entfernt schrak plötzlich ein Junge mit einem erschrockenen Schrei aus seinem unruhigen Schlaf hoch. Sein langes schwarzes Haar klebte nass in seinem Gesicht. Große dunkle Augen sahen sich gehetzt um. Sofort kniete eine ältere Frau neben ihm nieder und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter und sprach beruhigend auf ihn ein. Langsam beruhigte sich sein unregelmäßiger Atem wieder.

"Wieder derselbe Traum?" Der Junge nickte.

"Ja, jede Nacht das Gleiche, seit ich bei dir bin, Manami-baba." Er sah sie erschöpft an. Warum nahmen ihn diese Träume nur immer so mit? Und wieso konnte er die Gesichter derer, die in ihnen vorkamen, nie erkennen? Aber was ihn am meisten beschäftigte, war die Tatsache, dass in seinen Träumen ein seltsam aussehender weißhaariger Junge herumspukte und er sich ihm irgendwie nah und doch gleichzeitig so fern fühlte. Was hatte das nur zu bedeuten? Wer war dieser Junge, der aussah wie ein Youkai? Hatte der vielleicht etwas mit seinem Zustand zu tun? Er hoffte inständig, dass eines Tages jemand käme und seine Fragen beantworten würde; wer er war, wo er herkam und vor allem, warum er sein Gedächtnis verloren hatte.
 

Kagome mussten irgendwann auch die Augen zugefallen sein, denn sie wurde von einem unsanften Stupser in die Seite geweckt. Schnell packten ihre Hände vor sich und ertasteten das Mädchen, welches noch immer schlief. Ein Glück, dachte sie. Ich muss mich mehr zusammenreißen, damit das nicht noch einmal geschieht.

Plötzlich sah sie in zwei krötenähnliche Augen, die sie böse musterten. Jaken hatte sich zu ihr umgedreht und fuchtelte wütend mit seinem Stab vor ihrer Nase hin und her.

"Bis du verrückt geworden?!", schalt er sie. "Gar nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn ich dich nicht geweckt hätte."

Nun wusste sie auch, wem sie den blauen Fleck zu verdanken hatte.

"Wenn Rin hinuntergefallen wäre, dann hätte Sesshomaru-sama dich und mich ohne zu zögern getötet. Du scheinst in letzter Zeit sowieso ziemlich lebensmüde zu sein, was das betrifft. Ich jedenfalls hänge noch an meinem Leben, also, pass besser auf." Mit diesen Worten drehte er sich wieder um und gab ihr somit keinerlei Gelegenheit, sich zu verteidigen. Anders gesehen ergab sich aber leider auch nichts, was sie ihm entgegensetzen konnte. Er hatte ja recht. Sie hatte sich ihrer Müdigkeit hingegeben und somit ihrer aller Leben aufs Spiel gesetzt, denn sie wusste, dass der Youkai für das kleine Mädchen alles tun würde - sogar ihren Tod rächen. So zwang sie sich nun, wach zu bleiben, damit es nicht noch einmal geschah. Am Horizont konnte sie schon die langsam aufgehende Sonne erkennen, ihre ersten Strahlen erhellten das noch schlafende Land. Unter ihr glitzerte der Schnee auf der unendlich erscheinenden Gebirgskette, zu dieser Jahreszeit war es hier oben noch zu kalt, es würden noch einige Wochen ins Land ziehen, bis das reine Weiß verschwand und den dann knospenden Bergpflanzen Platz machte. Hoffentlich hatten sie diese Berge bald hinter sich gelassen, dachte sie. Ihr war verdammt kalt. Gedankenverloren sah sie hinüber zu ihren Freunden und musste über den Anblick, der sich ihr bot, schmunzeln. Miroku schnarchte angelehnt an Sangos Rücken mit dem kleinen Kitsune um die Wette, der es sich auf Kiraras Kopf bequem gemacht hatte. Die Dämonenjägerin lächelte etwas gequält, als sie dem Blick ihrer Freundin begegnete. So wie es schien, teilten sie sich das gleiche Schicksal. Sango sah genauso aus, wie Kagome sich fühlte - unendlich müde. Sie klammerte sich an den Gedanken, dass sie Inuyasha bald wiedersehen würde, nur das allein gab ihr die Kraft, wach zu bleiben. So verschwand nach einer Weile die gebirgige Schneelandschaft unter ihnen und machte dem frühlingshaften Grün der Waldbäume Platz, von denen einige noch ihre Blütenpracht trugen. Nun war es bald geschafft, nicht mehr lange und sie würde ihn in ihre Arme schließen können.

Tief unter ihr und noch etliche Meilen entfernt gab sich derweil ein Wesen die größte Mühe sein Youki vor seinen zukünftigen Opfern zu verbergen. Noch einmal würde es nicht so leichtsinnig sein, es so offenkundig zu präsentieren. Woher hätte es auch wissen sollen, wer diese dümmlichen Menschen und diese schwachen Youkai begleitete. Ihm war diese starke Energie gleich so bekannt vorgekommen, als es sie zum ersten Mal wahrgenommen hatte. Vor etlichen Jahrhunderten hatte es schon einmal einem Youkai dieser Größenordnung gegenüber gestanden und dieser Youkai, es erinnerte sich schwach, es war ein Hundeyoukai gewesen, angeblich der Herr über diese erbärmlichen Ländereien, dieser niederträchtige Bastard hatte dafür gesorgt, dass es seinen Schlaf vorzeitig hatte antreten müssen. Sofort nach seinem Erwachen war es auf diesen Youkai gestoßen, dessen Youki alles, was es bisher erlebt hatte, noch bei weitem übertraf. Und dann ... seine Zähne knirschten vor Wut, als es diese Szene erneut erlebte ..., dann hatte dieser Bastard ihn mit einem Schlag erledigt. Mit nur einem Schwertstreich hatte er ihn fast getötet. Nur ein erneuter langer Schlaf rettete ihm damals das Leben. Und nun ... dieses Youki, dessen Witterung es aufgenommen hatte, es erinnerte ihn stark an den damaligen Youkai, dem es begegnet war. Könnte es etwa sein, dass die beiden miteinander verwandt waren? Das würde die ganze Sache natürlich noch interessanter machen, als sie es ohnehin schon war. Endlich würde es seine langersehnte Rache bekommen. Aber ... , dieser kleine Hanyou-Bastard, der ihm vor ein paar Tagen über den Weg gerannt war ... , jetzt wurde ihm langsam einiges klar! Das Schwert, was er bei sich getragen hatte, dieses verdammte Schwert hatte ihm unerträgliche Schmerzen zugefügt. Das selbe Schwert trug doch auch dieser Youkai vor etlichen hundert Jahren bei sich. Wie hatte er es genannt? Tessaiga? Genau wie der kleine widerliche Hanyou! Konnte es etwa sein, dass er auch ...? Wie passend, dachte das Wesen. Rotte ich doch einfach seine komplette Familie aus, das wird Spaß machen und mich lange am Leben erhalten. Dieses kleine Halbblut war nur der Anfang, obwohl seine Seele mir schon viel Kraft zurückgegeben hat und sehr schmackhaft war, aber dieser Youkai ..., seine Seele wird mich lange zufrieden stellen. Dann hole ich mir noch die Splitter des Shikon no tama, die dieses Mädchen bei sich aufbewahrt und dann ... es seufzte genussvoll, ... dann kann ich auf ewig auf dieser Welt verweilen.

Die großen unheimlichen Augen wieder zum Himmel gewandt, stapfte es unbeirrbar dem Geruch des Youkai hinterher, der ahnungslos das kleine Grüppchen über die frühlingsgrünen Wälder führte.

Kagome wusste später nicht mehr, wie viel Zeit wirklich vergangen war, aber irgendwann, als die Sonne langsam begann, ihre unsichtbaren Treppchen zur Nacht hinabzusteigen, hallte eine Stimme an ihr Ohr und rüttelte sie unsanft aus ihren monotonen Gedanken. Sie kniff ein paar Mal die Augen fest zusammen und schüttelte leicht den Kopf, um die Schleier zu vertreiben, die wie Geister in ihrer Seele ihr Unwesen getrieben hatten. Die letzten Stunden hatte sie nur an ihn gedacht, die ganze Zeit über war er durch ihre Gedanken gespukt. Verwirrt sah sie sich um. Sie spürte etwas auf ihren Schoß springen und richtete ihren Blick dorthin. Der kleine Kitsune saß auf ihren Beinen und musterte sie besorgt.

"Ist alles in Ordnung, Kagome? Du siehst so aus, als wärst du ganz weit weg."

Das Mädchen atmete einmal tief durch. Das tat gut. Nun lichteten sich auch die letzten störenden Nebelschwaden und es sah alles wieder normal aus. Was war das nur gewesen? War sie in eine Art Dämmerschlaf gefallen? Es schien zumindest so. Fragend sah sie zu Miroku und Sango hinüber, die ebenfalls etwas besorgt dreinschauten.

"Wir dachten schon, mit dir würde wieder dasselbe geschehen wie kurz nach Inuyashas Tod. Und auch deine Augen hatten denselben Ausdruck wie vor ein paar Tagen angenommen, doch Sesshomaru war da anderer Meinung. Er sagte uns, es läge daran, dass du einiges mitmachen musstest und noch ziemlich erschöpft wärest." Sango war neben ihre Freundin getreten, um ihr davon zu berichten. Diese zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Sesshomaru hatte das gesagt? Seit wann war er denn so menschenkundig?

"Wir sind übrigens am Ziel angekommen." Miroku gesellte sich zu den beiden jungen Frauen. Kirara hatte sich wieder in ihr kleines ungefährlich aussehendes Ich verwandelt und strich schnurrend um Sangos Beine.

"Wir sind da?" Kagome fiel fast vor Schreck von dem zweiköpfigen Drachen, auf dem sie noch immer saß. Dann bemerkte sie, dass Rin nicht mehr da war.

"Wo ...?" Sie sah sich suchend um. Miroku klärte sie auf.

"Die Kleine liegt nicht weit entfernt von hier unter einem Baum und schläft noch. Sesshomaru und Jaken sind bei ihr. Ah-Un hier", er deutete auf den Drachen, der alle freundlich anblinzelte, "wird ihnen folgen, sobald du abgestiegen bist. Sie wollten dich nicht einfach hinunterwerfen."

Kagome runzelte die Stirn. Ach, wie nett, dachte sie. Anscheinend bin ich noch wichtig für ihn, was das Finden Inuyashas angeht.

"Und wo befindet sich das Dorf nun genau? Und vor allem, wie geht es dann weiter, wenn wir dort angekommen sind?"

"Genau hinter diesem Hügel", Miroku zeigte mit seinem Stab auf die grasbewachsene Anhöhe, " liegt das Dorf. Wir sollen Inuyasha dort ausfindig machen und Sesshomaru sozusagen Bericht erstatten, was mit seinem Bruder nun genau geschehen ist. Er bleibt hier außerhalb des Dorfes, um nicht aufzufallen. Wir können ihn hier jederzeit aufsuchen, sollten wir irgendetwas Neues wissen."

"Ah, verstehe. Wir sind sozusagen die Botschafter und Berichterstatter. Naja, dann mal los. Bin gespannt, was uns dort erwartet." Mit diesen Worten sprang Kagome vom Rücken des Drachen hinunter, der daraufhin gemütlich wegzuckelte. Shippo hüpfte quietschend von ihrem Schoß, um nicht unsanft auf dem Boden zu landen. Dann sah er etwas verwundert dem Mädchen aus der Zukunft hinterher, die bereits ihren Weg angetreten hatte. Schnell hüpfte er behände auf Mirokus Schulter, der zusammen mit Sango ihrer Freundin folgte.

"Mach dir nichts drauss, Shippo.", entgegnete die Dämomenjägerin, die bemerkt hatte, dass den kleinen Kitsune etwas beschäftigte. "Sie hat dich nicht absichtlich von ihrem Schoß bugsiert, ich glaube, seit ein paar Stunden kann sie nur noch an eines denken, weißt du? Deswegen ist sie so abwesend. Es wird Zeit, dass sie ihn wiedersieht. Dann wird sie auch wieder die Alte werden. Denn sie mag sich noch so gut verstellen und ihre Gefühle verstecken, seit Inuyasha nicht mehr da ist, hat sie sich verändert, ob sie es nun zugeben will oder nicht."

Miroku nickte zustimmend. Sango hatte genau das ausgesprochen, was er die ganze Zeit über gedacht hatte.

Das Dorf erstreckte sich tatsächlich gleich hinter dem sanften Grün des Hügels bis zur Waldlichtung auf der anderen Seite. Die Freunde betraten es gemeinsam und sahen sich aufmerksam um. Doch nirgendwo war ein Junge, der Inuyasha ähnelte, zu sehen. Einige der Dorfbewohner begannen bereits, sie misstrauisch zu mustern. Scheinbar hatte man hier mit Fremden keine guten Erfahrungen gesammelt. Miroku fiel plötzlich etwas Merkwürdiges auf. Am Rand des Waldes standen die verbrannten Überreste einer Hütte, um die sich scheinbar niemand gekümmert hatte. Keiner hier im Dorf schien es für nötig zu halten, etwas daran zu verändern. Grasflechten und Moos hatten sich bereits ihren Platz auf den verkohlten Holzbrettern gesucht und hier und da wuchsen sogar ein paar Wildblumen in dem einstigen Heim. Und doch ..., irgendetwas störte den jungen Mönch an dem eigentlich idyllischen Bild, denn es schien hier etwas geschehen zu sein, was die Dorfbewohner in die hinterste Ecke ihrer Erinnerungen verdrängt hatten. Sie hatten buchstäblich Gras über die Sache wachsen lassen. Er spürte die Trauer und unendliche Angst zweier Wesen, die die Opfer des Unglücks gewesen sein mochten. Ihm ging dieser Gedanke nur schwer aus dem Kopf, während er Kagome und Sango folgte. Dem kleinen Kitsune auf seiner Schulter war aufgefallen, dass sein großer Freund verbissen über etwas grübelte und schlussfolgerte gleich richtig, dass es mit der verbrannten Hütte am Waldbrand zu tun haben musste. Auch er hatte an dieser Stelle etwas gefühlt, was tiefste Beunruhigung in seinem kleinen Herzen auslöste. Deswegen war er froh, als der Mönch sich zum Weitergehen entschloss. Kagome wurde indess schon unruhig, nirgendwo war ein Junge, der Inuyasha glich, zu sehen. Was, wenn Sesshomaru sich geirrt hatte? Was, wenn das gar nicht ihr Inuyasha gewesen war, den er gesehen hatte?

"Sesshomaru hat sich bestimmt nicht geirrt." Sangos Stimme ließ sie herumfahren. Ihre Augen weiteten sich ungläubig.

"Woher ...?"

Die Dämonenjägerin schmunzelte.

"Man sieht es dir an der Nasenspitze an, dass du an nichts anderes denkst, was ich natürlich verstehen kann, davon mal abgesehen. Außerdem würde sich ein Youkai wie Sesshomaru in dem Punkt nicht irren. Er kennt seinen Bruder, auch wenn er ihn nicht besonders schätzt."

Kagome war noch immer erstaunt über Sangos Scharfsinnigkeit. War sie denn so leicht zu durchschauen? Aber sie musste ihrer Freundin Recht geben. Natürlich wusste der Youkai, wen er da gesehen hatte, da bestand wohl gar kein Zweifel dran. Sie hatte nur furchtbare Angst, ihn nicht zu finden, deswegen erfand man dann diese eigentlich unsinnigen Dinge.

"Vielleicht sollten wir hier mal jemanden fragen, ob in den letzten Tagen ein Junge in ihrem Dorf aufgetaucht ist, irgendjemand wird uns doch etwas sagen können, meinst du nicht?"

Hoffnungsvoll sah Kagome ihre Freundin an. Die nickte sofort zustimmend.

"Du hast Recht, das spart uns auch eine Menge an Zeit."

Das Mädchen aus der Zukunft wandte sich sogleich an eine ältere Frau, die sie schon neugierig musterte. Als Kagome sie ansprach, lächelte sie das Mädchen warmherzig an.

"Ein Junge? Ja, hier ist in Junge in den letzten Tagen bei uns aufgetaucht, das ist richtig. Kannst du mir ihn denn beschreiben, damit ich auch weiß, dass ihr zu ihm gehört?"

Kagomes Herz machte einen freudigen Hüpfer. Das war mit Sicherheit Inuyasha.

"Sicher kann ich das, o-baa-san. Er ist etwas größer als ich, hat hüftlanges schwarzes Haar, dunkle Augen und trägt ein rotes Gewand. Meine Freunde und ich sind schon auf der Suche nach ihm gewesen." Sie zeigte auf Miroku, Sango und Shippo hinter sich. Die Frau sah sie interessiert an.

"Ihr seid mir ja ein seltsamer Haufen. Ein junges Mädchen in seltsamer Kleidung, eine Dämonenjägerin, ein Mönch ... und was bist du?" Fragend zeigte sie auf Shippo, der sich hinter Miroku versteckte.

"Ich ... ich ... .", stotterte der kleine Kitsune unsicher. Miroku kam ihm zur Hilfe.

"Er ist ein Fuchsdämon, aber keine Sorge, o-baa-san," sagte er, als die Frau große Augen bekam, "er ist harmlos und unser treuer Gefährte. Sein Name ist Shippo." Schüchtern sah der Kleine in ihre Richtung. Unwillkürlich musste diese lachen, als sie dem Blick des Kitsune begegnete.

"Nein, nein, keine Sorge. Ich hatte keine Angst vor ihm. Es kommt hier nur in letzter Zeit selten vor, dass uns Dämonen freundlich gesonnen sind, so wie euer kleiner Freund da. Ehrlich gesagt haben wir seit einigen Wochen häufig Schwierigkeiten mit bösartigen Youkai, sie überfallen zwar nicht unser Dorf, das wagen sie aus irgendeinem Grund nicht, aber sie treiben ringsherum ihr Unwesen. Deswegen achtet euer Freund, den ihr gesucht habt, auf die Kinder des Dorfes, wenn sie am Rand des Waldes spielen. Er hat allen damit einen großen Dienst erwiesen. Wartet mal gerade einen kleinen Moment."

Sie drehte sich um und legte ihre Hände an den Mund, um einen Trichter zu formen.

"Hiroshi! Komm her, Hiroshi!"

Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis plötzlich ein kleiner Junge auf sie zugelaufen kam. Ausser Atem blieb er vor ihnen stehen. Einige Strähnen seines schwarzen Haares fielen ungebändigt in seine Stirn.

"Was ist, o-baa-chan?"

Die Frau lächelte erneut, als sie dem Kleinen durch das Haar wuschelte.

"Das ist mein Enkel Hiroshi.", stellte sie ihn vor. "Er ist auch meistens bei den Kindern dabei, auf die euer Freund achtet." Dann wandte sie sich an ihren Enkel. "Geh bitte und hol unseren Neuankömmling, das hier sind seine Freunde, er wird sich freuen, endlich jemanden zu sehen, der ihn kennt."

Miroku runzelte verblüfft die Stirn, als er das hörte. Was meinte sie damit, er würde sich freuen, jemanden zu sehen, der ihn kennt?

Hiroshi hatte sich indess schon zum Gehen umgewandt, als ihm seine Großmutter noch etwas leise ins Ohr flüsterte.

"Lass dir Zeit dabei, ihn zu holen. Ich muss ihnen erst noch einiges erklären. Außerdem will ich wissen, was mit ihm geschehen ist, in Ordnung?" Der Junge nickte kaum merklich und die alte Frau tat so, als hätte sie ihm einen Schmatzer auf die Wange gegeben, bevor er loslief. Dann schlug sie sich auf einmal mit der Handfläche gegen die Stirn.

"Wie unhöflich von mir! Wir reden schon so lange miteinander und ich habe mich noch gar nicht vorgestellt!" So verbeugte sie sich höflich vor den Freunden, die es sofort erwiderten.

"Mein Name ist Manami. Und mit wem habe ich das Vergnügen?"

Kagome übernahm die Aufgabe, sie alle vorzustellen. " Ich heiße Kagome. Das hier sind Sango und Miroku. Und den Namen des Kleinen hier", sie zeigte auf Shippo, der ihr schüchtern zuwinkte, "kennt ihr ja schon, Manami-san."

"Oh bitte.", winkte sie ab. "Lasst doch diese förmliche Anrede. Es reicht, wenn ihr Manami-baba sagt, das ist mir lieber. Und nun folgt mir. Ihr seid sicher hungrig. In dem Haus meiner Familie könnt ihr mir alles in Ruhe erzählen, bis euer Freund eintrifft."

Die Freunde folgten der alten Frau gemeinsam, sie alle waren froh, Inuyasha in den nächsten Minuten gesund und munter wiederzusehen. Nur einer von ihnen hatte da so seine Bedenken. Miroku spürte, dass Manami-san ihnen etwas Wichtiges verschwieg. Ihm war wohl als einzigem aufgefallen, dass sie ihrem Enkel etwas zugeflüstert hatte, bevor der sich auf den Weg gemacht hatte, um Inuyasha zu holen. Was das war, würde er schon noch herausfinden. Die beiden Mädchen und der Fuchsdämon bemerkten gar nicht, dass den Mönch etwas beschäftigte. Kagome war so von Vorfreude erfüllt, dass sie nur an eines denken konnte und Sango und Shippo freuten sich natürlich mit ihrer Freundin. Als sie jedoch das Haus, in dem Manami mit ihrer Familie lebte, erreichten, blieben alle erst einmal erstaunt stehen. Sie hatten ein normales kleines Haus erwartet, vielleicht etwas vornehmer und besser als die kleinen Hütten, die sonst alle im Dorf verteilt standen; stattdessen bot sich ihnen dort ein halber Palast, wie es Shippo mit einem bewunderten Pfiff durch die Zähne bemerkte. Neben dem großen Haupthaus mit der prunkvollen Veranda, in dessen Holz kunstvolle Schnitzereien eingearbeitet worden waren, standen noch mehrere kleinere Nebenhäuser und Ställe dort, aus denen die Köpfe reinrassiger Pferde schauten. Aus einem der Nebenhäuser kam ein verlockender Duft, der die Mägen der Freunde zum Knurren brachte. Peinlich berührt hielten sie sich alle den Bauch, während Manami begann zu lachen.

"Oh je, ihr hört euch ja wirklich hungrig an. Das wollen wir doch mal schnell ändern. Kommt, ich geleite euch hinein." Mit einer einladenden Geste forderte sie die jungen Leute auf, ihr zu folgen.

"Ähm, Manami-san, ich will nicht unhöflich sein, aber hier wohnt ihr?", wollte Miroku wissen. "Seid ihr hier eine wichtige Persönlichkeit oder so etwas, ich meine, verzeiht, wenn ich so etwas sage, aber in solch einem Haus wohnen doch sonst nur Adlige."

Die alte Frau lächelte ihn an.

"Ihr habt vollkommen recht, Houshi-sama. So ein Haus ist eigentlich nur Adligen vorbestimmt. Ich will euch auch nicht lange im Ungewissen lassen. Meine Familie entstammt einem alten adligen Geschlecht, einem Fürstentum. Doch leider wurde sie vor einigen hundert Jahren gezwungen, ins Exil zu ziehen. Auf der Suche nach einer neuen Bleibe trafen sie und die gesamte Dienerschaft auf diesen Ort hier. Sie verliebten sich sofort in diese Gegend und beschlossen, sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Seitdem lebt meine Familie an diesem Ort, die Dorfbewohner sind größtenteils alle Nachfahren der Dienerschaft, deswegen ist rundherum dieses Dorf entstanden. Meine Tochter hat vor neun Jahren sogar einen jungen Fürsten geheiratet, der nun ebenfalls in diesem Haus lebt. Hiroshi, der Kleine, den ihr eben gesehen habt, ist ihr Sohn. Er wird eines Tages der Erbe sein. Aber nun genug erzählt, jetzt sollt ihr erst einmal etwas zu speisen bekommen."

Das ließen sich die jungen Leute nicht zweimal sagen. Über die Geschichte Manamis waren sie jedoch über alle Maßen erstaunt, das hätten sie nicht gedacht, dass die alte Dame aus einem vornehmen Adelsgeschlecht stammte. Generell benahmen sich diese Personen gegenüber Fremden nicht so offen und freundlich, wie sie es tat.

Manami führte sie durch den wunderschön angelegten Garten vor dem Haus, der jetzt im Frühling in seiner vollen Pracht stand. Staunend sahen sich sie beiden Mädchen um und Shippo kam nicht daran vorbei, doch auch mal an der einen oder anderen Blume zu schnuppern, da ihn diese einzigartigen Farben so sehr faszinierten. Nur Miroku blieb noch immer etwas auf Distanz, diese Andeutung Manamis Inuyasha betreffend ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er nahm sich vor, die alte Frau darauf anzusprechen, sobald sie das Essen beendet hatten. Als sie das Haus betraten, verneigten sich sofort zwei junge Dienerinnen vor ihrer Herrin, die darum bat, reichlich Essen zu bringen, damit sich ihre Gäste stärken konnten. Die beiden Frauen führten die Bitte sofort aus und eilten rasch in Richtung der Küche davon. Manami winkte die Freunde in einen großen Raum, in dem mehrere Sitzkissen aus kostbarer Seide genäht um einen großen nachtschwarzen Tisch verteilt lagen.

"Macht es euch doch schon bitte bequem, ich sage nur schnell meinem Schwiegersohn Bescheid, dass er uns nicht stören soll, da ich ja noch einiges mit euch zu besprechen habe."

Flinken Schrittes verließ sie den Speiseraum und eilte den Flur entlang.

Stille herrschte unter den Gefährten. Sie alle wussten natürlich, dass Manami erfahren wollte, warum Inuyasha von ihnen getrennt hier in der Nähe dieses Dorfes aufgetaucht war. Doch was sollten sie ihr berichten? Die Wahrheit? Kagome und Sango waren entschieden dagegen. Sie kannten die alte Dame doch kaum. Wenn sie ihr erzählen würden, wer Inuyasha wirklich war, was würde sie dann von ihnen halten? Womöglich würde sie jeden von ihnen für verrückt erklären. Das beste, so entschieden die beiden Mädchen, wäre Inuyasha, sobald er bei ihnen auftauchte, einfach in Schlepptau zu nehmen, sich für das Mahl zu bedanken und anschließend zusammen auf dem schnellstem Wege das Dorf zu verlassen. Das war zwar nicht gerade die höfliche Art und Weise, aber so vermieden sie vielleicht doch einige unangenehme Fragen. Shippo hingegen war das alles so ziemlich egal, hauptsache, Inuyasha lebte und sie konnten bald wieder verschwinden - nach dem Essen, verstand sich. Miroku hielt sich mit seiner Meinung zurück, er wollte zunächst erfahren, was Manami-san zu berichten hatte, erst dann würde er sich entscheiden, was zu tun war. Das köstlich duftende Essen, welches aufgetragen wurde, liess sie jedoch plötzlich alle Bedenken vergessen. Mit einem Male fühlten sie wieder alle, wie hungrig sie eigentlich waren. Jeder von ihnen tat sich großzügig auf, bedankte sich allerdings vorher höflich bei der Dienerschaft, die sich hingegen respektvoll vor dem Besuch der Herrin verbeugte.

Kagome dachte plötzlich an Rin, die ja zusammen mit Sesshomaru und Jaken vor dem Dorf in sicherer Entfernung wartete. Die Kleine hatte mit Sicherheit auch großen Hunger. Sie beschloss, ein wenig Essen in einem Tuch eingewickelt mitzunehmen, um es ihr später zu bringen. Nachdem sie alle gesättigt waren, trat Manami wieder ein. Sie ließ sich gegenüber der Freunde an dem langen Tisch nieder und betrachtete ihre jungen Gäste neugierig.

"Nun, da ihr jetzt gegessen habt und euer Hunger hoffentlich gestillt ist, möchte ich nun zu gerne von euch wissen, was mit eurem Freund geschehen ist. Ihr werdet sicher verstehen, dass ich, was das betrifft, schon eine Erklärung haben möchte." Ernst sah sie jeden von ihnen an und wartete. Kagome wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als ihr Miroku zuvor kam.

"Unser Freund wurde bei einem Kampf gegen einen übermächtigen Dämon schwer verletzt. Das war vor ungefähr einer Woche." Der junge Mönch kam gleich zum Punkt und fackelte nicht lange. Sango und Kagome sahen sich entsetzt an. Was tat er denn da? Wollte er alles kaputtmachen, was sie sich zurecht gelegt hatten? Sango stieß ihn leicht mit dem Ellenbogen an.

"Was soll das, Houshi-sama?", zischte sie ihn an. "Du willst ihr doch nicht etwa die Wahrheit erzählen, oder doch?"

Doch der Mönch ignorierte sie vollkommen und konzentrierte sich ganz auf die Reaktionen der alten Frau. Die saß noch immer mit unbewegter Miene da und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, weiter zu erzählen. So setzte er seinen Bericht über die Vorkomnisse fort.

"Doch leider erlag er seinen Verletzungen schon wenig später." Leicht überrascht zog Manami eine Augenbraue hoch, unterbrach ihn aber nicht. "Geschockt über seinen frühzeitigen Tod trugen wir ihn gemeinsam zu Grabe. Tage später berichtete uns sein Halbbruder jedoch, dass er noch am Leben sei, mehrere Tagesreisen von hier entfernt habe er ihn gesehen. Zusammen mit ihm machten wir uns auf den Weg hierher, um unseren Freund wiederzusehen."

Manami räusperte sich geräuschvoll.

"Seid ihr euch sicher, dass es sich bei diesem Jungen wirklich um euren Freund handelt? Schließlich sagtet ihr, ihr hättet ihn eigenhändig bestattet, das passt doch irgendwie nicht zusammen. Ich muss leider feststellen, dass es in eurer Geschichte ein paar Ungereimtheiten gibt."

Kagome, Sango und Shippo hielten den Atem an. Irgendetwas würde gleich geschehen und sie beschlich irgendwie alle das Gefühl, dass das nichts Gutes war. Myoga bekam von dem allen mal wieder nichts mit. Er war nach diesem Festmahl vollkommen überfressen auf einem großen Reisball eingeschlafen. Miroku setzte unterdessen zu einer Aufklärung der Tatsachen an.

"Das liegt daran, dass es sich bei unserem Freund nicht um einen gewöhnlichen Menschen handelt, genauer gesagt ist er nicht einmal ein Mensch."

Nein, dachte Kagome nur. Sag es ihr nicht, bitte, tu es nicht, Miroku.

Manamis neugieriger Blick begegnete dem gelassenen des Mönches.

"Er ist ein Hanyou, ein Halbdämon."

Er hat´s getan. Jetzt wird sie uns rauswerfen, hochkantig. Wahrscheinlich werden wir nun mit Schimpf und Schande aus dem Dorf verjagt oder wer weiß, was sie mit uns vorhaben. Und das alles, weil unser werter Herr Mönch mal einmal in seinem Leben die Wahrheit sagen wollte und damit jetzt tierisch auf die Nase fallen wird. Kagomes Befürchtugen, was nun ihrer aller Schicksal betraf, nahmen von Sekunde zu Sekunde an Intensität zu. Doch die befürchtete Reaktion der alten Frau blieb aus.

"Ein Hanyou?", erkundigte sie sich ganz sachlich. "Was ich da im Wald gefunden habe, sah aber gar nicht danach aus. Eher wie ein ganz normaler Junge."

"Nun ja, das ist seine menschliche Gestalt. Wir wissen ja selbst nicht, was mit ihm geschehen ist, deswegen sind wir ja hierher gekommen, um es heraus zu finden und ihn wieder mit nach Hause zu nehmen. Außerdem sind wir uns vollkommen sicher, dass es unser Freund ist, den ihr gefunden habt, denn sein Halbbruder würde sich niemals irren.", warf Miroku zuversichtlich ein.

"Sein Halbbruder?", fragte die alte Frau vorsichtig. "Wenn er ein Hanyou ist, ist dann sein Halbbruder etwa ...?"

"Ja, ganz genau", mischte sich plötzlich Kagome ein, "sein Halbbruder ist ein Youkai, ein vollwertiger Dämon, ein DaiYoukai sogar, er und unser Freund sind die Söhne des Herrn der Hunde, des Inu no Taishou."

Ihre Bemerkung löste bei Manami eine gar nicht gesunde Reaktion aus. Sie reagierte zwar anders, als alle erwartet hatten, aber die Erwähnung Inu Taishous hatte ihr wirklich jegliche Farbe aus dem Gesicht getrieben. Leichenblass und leicht zitternd starrte sie die jungen Leute vor sich an, die sich langsam ernste Sorgen um die alte Dame machten.

"Sagtet ihr Inu no Taishou? Wie heißen seine Söhne? Und wo ist der Youkai, der euch begleitet hat?"

Kagome entschloss sich, die Fragen zu beantworten.

"Nun, Sesshomaru, sein älterer Sohn, der uns auch bis hierher begleitet hat, wartet draußen vor eurem Dorf im Schutz des Waldes auf uns. Und der jüngste Sohn Inu Taishous, der, den ihr bei euch aufgenommen habt, trägt den Namen Inuyasha."

Fragend sah das Mädchen zu ihren Freunden hinüber, die sie ebenfalls unsicher ansahen. Kaufte ihnen Manami-baba das etwa alles ab? Jeder andere wäre lachend hinausgelaufen, um seinen Freunden zu erzählen, was für Trottel bei einem am Tisch saßen und Märchen zum besten gaben. Irgendwie war sie ja beruhigt, dass die Frau genau das oder ähnliches nicht getan hatte, aber diese Reaktion machte ihr ebenfalls ein wenig Sorgen.

"Inuyasha ... .", murmelte diese in der Zwischenzeit immer wieder vor sich hin. "Diesen Namen habe ich schon einmal gehört, vor langer Zeit, wenn ich mich recht erinnere."

Die Freunde horchten auf. Was hatte sie da gesagt? Manami bemerkte die fragenden Gesichter und setzte sofort zu einer Erklärung an.

"In meiner Kindheit hat mir meine Mutter eine Geschichte erzählt, die sich vor vielen, vielen Jahren einmal in unserem Dorf zugetragen hat. Sie wiederum hat es von ihrer Mutter erzählt bekommen und die von ihrer und so weiter. Bevor ich euch jedoch nähere Einzelheiten davon berichte, halte ich es für besser, euch einiges über den Zustand eures Freundes ...", sie zögerte merklich, " ... Inuyasha zu erzählen."

Die jungen Leute horchten besorgt auf. Über den Zustand Inuyashas? War er denn krank oder etwas ähnliches? Manami hielt es für besser, sie nicht länger auf die Folter zu spannen.

"Ich fand ihn vor ungefähr einer Woche in dem Wald vor unserem Dorf. Er war vollkommen verwirrt und es gab nicht eine Stelle an seinem Körper, die von Verletzungen verschont geblieben war. Glücklicherweise handelte es sich jedoch um nichts Ernstes. Ich nahm ihn mit in unser Dorf und pflegte ihn. Als er wieder einigermaßen bei Kräften war, fragte ich ihn, was passiert sei und wo er herkäme." Sie machte ein Pause und seufzte tief. Ihr Blick traf den des jungen Mädchens in der seltsamen Kleidung und er verriet tiefste Besorgnis. Umso schwerer fiel es ihr daher, den nächsten Satz auszusprechen.

"Er konnte sich an nichts erinnern. An nichts. Nicht einmal an seinen Namen."

Miroku und Sango atmeten hörbar ein. Shippo sah besorgt zu Kagome hinüber, die mit fassungsloser Miene die alte Frau musterte.

"Inuyasha ... hat sein ... Gedächtnis verloren?", fragte sie stockend.

Die alte Frau nickte schwerfällig. Gerne hätte sie ihnen etwas anderes erzählt. Anfangs konnte sie der unglaublichen Geschichte des Mönches kaum Glauben schenken, doch nun ergab irgendwie alles einen Sinn. Nachdem das junge Mädchen die Namen der Halbbrüder, der Söhne des Herrn der Hunde, ausgesprochen hatte, wurde ihr langsam einiges klar. Mit dem Namen Inuyashas war ihr diese alte Geschichte wieder eingefallen und schließlich konnte es doch nur diesen einen Hanyou mit diesem Namen geben. Und warum sollten sich eine Handvoll Menschen und ein kleiner Youkai mit einem Hanyou abgeben, wenn sie nicht wirklich befreundet waren? Langsam kam ihr da auch noch eine andere Sache wieder in den Sinn. Ein Reisender hatte erzählt, dass ein Hanyou, ein Mönch, eine Dämonenjägerin, eine Miko und ein kleiner Fuchsdämon zusammen auf der Suche nach dem Shikon no tama waren und ihm auf ihrer Reise sogar das Leben gerettet hatten. Einige der Dorfbewohner hatten sich über ihn lustig gemacht und ihn einen Lügner geschimpft, aber nun hatte Manami Gewissheit, dass es doch der Wahrheit entsprach, was der Reisende berichtet hatte. Der Beweis saß ihr genau gegenüber. Doch die Miko ... . Konnte es sein, dass das Mädchen in der seltsamen Kleidung etwa ... ? Die Stimme Kagomes rüttelte sie aus ihren Gedanken.

"Heisst das, ... er kann sich nicht einmal ... an uns ... erinnnern?"

Die alte Frau schüttelte betroffen den Kopf.

"Leider ist es so, ja. Ich habe ihn oft nach Familie und Freunden gefragt, aber da kam nichts. Ich hege noch die Hoffnung, dass ihm vielleicht wieder etwas einfällt, wenn er mit Menschen in Kontakt kommt, die er kennt, so wie euch."

Das hoffe ich auch, dachte Kagome bei sich. Bitte Inuyasha, du musst dich wieder erinnern.

"Ihr sagtet vorhin, es gäbe da noch eine alte Geschichte, von der ihr uns berichten wolltet, Manami-san.", erinnerte Miroku die alte Frau.

"Oh ja, richtig.", erwiderte sie. "Der Name Inuyashas ist mir nämlich nicht neu, genauso wenig wie der Inu no Taishous."

Und so begann sie zu erzählen, von einer Geschichte, die sich vor über 200 Jahren in diesem Dorf, in dem sich die Freunde nun befanden, zugetragen hatte.

"Meine Ur-ur-ur-urgroßmutter war damals noch ein Kind. Sie hat es von Generation zu Generation weitergegeben. Ich kann mich noch genau erinnern, wie meine Mutter es mir als Kind erzählte." Sie rückte ihr Kissen zurecht, um sich einigermaßen bequem hinzusetzen.

"In einer mondlosen Nacht klopfte es plötzlich an der Tür meiner Familie. Als die Diener öffneten, stand dort eine junge Frau mit einem kleinen Jungen an der Hand. Sie bat um Unterschlupf für die Nacht und versprach, am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang wieder verschwunden zu sein. Doch sie und das Kind mussten so erschöpft gewesen sein, dass sie Stunden nach Tagesanbruch immer noch nicht erwacht waren. Als die Diener dem Hausherren, also meinem Vorfahren, von den Gästen berichteten, zögerte er nicht lange und nahm sich vor, selbst nach der Frau und dem Kind zu sehen. Als er jedoch in das Zimmer eintrat, glaubte er, seinen Augen nicht zu trauen. Die Diener hatten ihm von einem kleinen Jungen mit langem schwarzem Haar berichtet, doch in den Armen der Mutter schlummerte ein kleines Wesen mit weiß-silbrigen Haaren und Hundeohren auf dem Kopf. Geschockt stolperte er ein paar Schritte zurück, was die Mutter und ihren kleinen Sohn aus dem Schlaf riss. Unter Tränen bat sie ihn, gehen zu dürfen und dem Kleinen nichts anzutun. Schließlich konnte er doch nichts dafür, was er war, beteuerte sie. Und als dann mein, wie viel "Ur" auch immer er hat, Großvater den kleinen Halbdämon genauer betrachtete, kam auch er zu dem Schluss, dass er niemandem etwas zuleide tun würde. So bat er die junge Frau, doch noch ihr Gast in seinem Haus zu bleiben. Der Rest unserer Familie war erst nicht sonderlich begeistert von dieser Entscheidung, doch mit der Zeit änderten auch sie ihre Meinung. Vor allem meine Ur-ur-ur-urgroßmutter schloss den Kleinen sofort ins Herz, der auf den Namen Inuyasha hörte."

Die Freunde horchten auf.

"Na, jetzt versteht ihr, warum mir dieser Name so bekannt vorkam."

"Also hat Inuyasha mit seiner Mutter einige Zeit in diesem Dorf gelebt? Das ist ja kaum zu glauben.", äußerte sich Sango erstaunt.

"Oh ja und wer hätte gedacht, dass gerade ich diesem Jungen von damals begegne?" Manami musste das erst einmal alles verdauen. Miroku, Sango und Shippo redeten aufgeregt durcheinander, nur Myoga schlief noch immer, zu groß war wohl sein Appetit gewesen und dementsprechend erschöpft fühlte sich der kleine Flohgeist. Auch Kagome blieb auffallend still. Auf die Frage Sangos hin, ob den auch alles in Ordnung sei, lächelte sie nur und bejahte dies leise. In Wirklichkeit sah es in ihr drin jedoch ganz anders aus. Sie machte sich die größten Gedanken über Inuyashas Gedächtnisverlust. Die anderen schienen ja noch ganz optimistisch zu sein, was das betraf, aber sie sah das ganz anders. Was, wenn er sie nicht erkannte? Was, wenn er sich weigerte, mit ihnen zu gehen? Wenn er lieber hier bleiben wollte? Und dann ... . Wie sollten sie ihm denn erklären, wer, oder eher gesagt, was er wirklich war? Wie würde er darauf reagieren? Fragen über Fragen, die in ihrem Kopf umhergeisterten und die Angst, die langsam in ihr hochkroch, nur noch mehr schürten. Laute Stimmen und Gepolter auf dem Flur des Hauses ließen sie aufsehen. Dann erkannte sie Inuyashas Stimme darunter und ihr lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Auch ihre Freunde hielten plötzlich inne. Ein seltsames Gefühl überkam sie alle. Sie hörten die Stimme von jemandem, den sie vor ein paar Tagen noch für tot gehalten hatten. Unwillkürlich traten Kagome einige Tränen in die Augen, die sie unbeholfen wegwischte. Sango bemerkte es und legte fürsorglich einen Arm um ihre Freundin.

"Keine Sorge.", flüsterte sie. "Es wird schon alles gut."

Auch Miroku nickte ihr aufmunternd zu. Dann wurde mit einem Ruck die Tür zur Seite geschoben und ein Junge mit hüftlangem schwarzem Haar schaute neugierig und mit einem hoffnungsvollen Ausdruck in den Augen herein. Für Kagome schien in diesem Moment die Zeit still zu stehen. Sie bemerkte, wie Inuyasha jeden von ihnen aufmerksam musterte, sie zuletzt. Als sich ihre Blicke trafen, hatte das Mächen das Gefühl, in seinen dunklen Augen zu versinken. Doch es war keine Spur des Erkennens in dem Blick des Jungen zu lesen. Sein Gesicht, dass beim Eintreffen scheinbar vor Freude geglüht hatte, hatte sich nun zu einer enttäuschten Maske verzogen. Kagome senkte den Blick, als sie dies bemerkte. Ihre schlimmste Befürchtung war nun tatsächlich eingetreten. Der Junge sah ein wenig unbeholfen zu Manami hinüber, bevor er etwas sagte.

"Es tut mir leid", begann er, "aber ich kenne euch nicht. Wer seid ihr?"
 

Ende Kapitel 7
 

Jaha, hoffentlich bringt ihr mich jetzt nicht alle um nach dem abrupten Schluss. Ich verspreche hiermit auch hoch und heilig, dass ihr bis zum nächsten Mal nicht wieder so lange warten müsst. Dafür aber noch ein kleiner Vorgeschmack:
 

Kagome und ihre Freunde müssen bestürzt feststellen, dass sich Inuyasha an wirklich nichts mehr erinnert, weder an sein voriges Leben noch an sie. Nun heisst es Geduld haben.
 

Sesshomaru begegnet derweil einem nicht gerade zu unterschätzenden Feind, der ihm das Überleben im Kampf zur Hölle macht. Doch nebenbei erfährt er einige wichtige Informationen über ihn und den Vorfall mit seinem Bruder.
 

Im Dorf geschieht derweil ein tragisches Unglück, dass Inuyasha teilweise doch wünschen lässt, dass die Geschichte, die ihm seine vermeintlichen Freunde erzählt haben, doch wahr wäre. In einer sternenlosen Nacht will er von Kagome alles wissen, doch dann bekommen sie unerwarteten Besuch ...
 

So, mehr wird nicht verraten.
 

Bis dann

Eure Mariko

Der Junge ohne Namen

Tach, ihr Leutchen!
 

Ja ja, mich gibt´s auch noch und ich hab´s verdient, dass ihr mich über´s Knie legt, so lange, wie ich euch habe warten lassen, aber nun habe ich mich dazu durchgerungen, mein Kapitel ein wenig zu cutten, wie es mir die liebe Hotepneith *zu dir rüberschiel* empfohlen hat *grins*

Dafür müsst ihr auf das nächste dieses Mal auch nicht Moooooooonate warten, denn das habe ich dadurch, dass ich mein eigentlich als ziemlich lang angelegtes Kapitel nun ein wenig stückele, schon längst vollendet.

Noa joa, und außerdem arbeite ich ja auch noch an einer anderen FF zusammen mit Lina-san, allerdings zu Full Metal Alchemist, wenn ihr Lust habt, schaut doch da mal rein, es lohnt sich auf jeden Fall, da wir, was das betrifft, schon furchtbar fleißig waren.

Nochmals möchte ich mich bei allen Kommi-Schreibern für eure ehrlichen und stets aufbauenden Meinungen über diese FF bedanken, die mich jedes Mal dazu anspornen, noch längere Kapitel zu zaubern *lach*, um damit so manchen User hier auf die Palme zu treiben.

Aber nun viel Spaß beim Lesen!
 

8. Kapitel: Der Junge ohne Namen
 

Eine gespenstische Stille herrschte nun in dem großen Raum, in dem vorher noch ausgiebig gegessen und gescherzt worden war. Die Freude über das Wiedersehen mit dem langhaarigen Jungen war aus den Gesichtern der jungen Leute gewichen und machte jetzt großer Enttäuschung Platz. Bestürzt sahen sie einander an. Nun konnten sie auch verstehen, weswegen er nicht zu ihnen zurückgekehrt war. Kagome hatte indes schon die ganze Zeit über die Befürchtung gehabt, dass mit Inuyasha etwas nicht stimmte, niemals hätte er sie und die anderen so lange im Ungewissen über sein Schicksal gelassen. Dem wurden die Blicke der für ihn vollkommen Fremden langsam aber sicher unangenehm und er wich ein paar Schritte in Richtung Manami zurück, wobei er ungeschickterweise an den Tisch mit den leckeren Speisen stieß. Von der Erschütterung wachte Myoga auf, der die ganze Zeit lang weich auf einem Reisball gelegen hatte und nun von seinem improvisierten Ruhelager herunterpurzelte. Etwas benommen rappelte er sich wieder auf und blickte interessiert in die Runde, wo er vor lauter Entzücken seinen jungen Herrn entdeckte, der vor den jungen Leuten stand. Mit einem begeisterten „Inuyasha-sama!“ sprang der alte Flohgeist von der Tischkante auf die Nase des Jungen und kostete vor unbändiger Freude sofort das junge unverbrauchte Blut, bis er mit einem empörten Ausruf und einem schmerzhaften Klatschen dabei unterbrochen wurde. Platt wie eine Flunder segelte er in Inuyashas ausgestreckte Hand, der das ihm unbekannte Wesen neugierig betrachtete.

„Wer ist denn diese eigenartige Kreatur und wen hat er mit diesem seltsamen Namen gemeint?“

Mehr an sich selbst als an diese unbekannten Leute richtete der Junge seine Frage. Kagome wollte ihm gerade eine halbwegs ehrliche Antwort geben, die ihn nicht sofort verschreckte, doch da kam ihr der Flohgeist leider zuvor. Entrüstet sprang er in Inuyashas Hand auf und ab.

„Was soll das heißen, Ihr wisst nicht, wer ich bin?! Ich bin Myoga, der ehemalige Diener Eures Vaters, des mächtigen Hundedämons Inu no Taishou und nun der Eurige!“

Wieder sprang er auf seine Nase.

„Was bin ich froh, dass Ihr noch am Leben seid, Inuyasha-sama!“

Liebevoll umarmte er die Nase seines Herrn.

Das Gesicht des Angesprochenen verzog sich zu einer leicht ärgerlichen Miene.

„Wen nennst du hier Inuyasha, du kleines Ding?“

Nun war es an Myoga, ein erstauntes Gesicht zu machen. Verblüfft sah er dem Jungen in die Augen, bevor er unter den warnenden Blicken der anderen anwortete.

„Nun, das ist Euer Name. Euer ehrenwerter Herr Vater gab ihn Euch am Tage Eurer Geburt, als er Eure Mutter, die Menschenprinzessin Izayoi aus größter Gefahr rettete. Aber wieso fragt Ihr mich solche Dinge, Inuyasha-sama? Wisst Ihr das denn alles nicht mehr?“

Fragend sah er hinüber zu den jungen Leuten. Kagome saß mit offenem Mund da, Miroku hatte sich eine Hand vor die Stirn geschlagen und Sango schüttelte resigniert den Kopf. Erst jetzt dämmerte es dem Flohgeist langsam. Konnte es etwa sein, dass sein Herr sich an nichts mehr erinnerte? Leicht zerknirscht sah er ihn an, doch der hatte wohl genug gehört. Bevor Myoga überhaupt reagieren konnte, hatte sich der Junge den kleinen Flohgeist von der Nase gerupft und ihn wütend auf den Boden geknallt, wo dieser mehr bestürzt als benommen liegen blieb. Erschrocken über seine Reaktion waren seine Gefährten zusammengezuckt.

„Was soll das alles?! Wer seid ihr?! Wieso gibt mir dieses Ding so einen seltsamen Namen?!“

Miroku war aufgestanden, um seinen alten Freund zu besänftigen.

„Inuyasha, hör doch mal … .“

Doch der wich unsicher ein paar Schritte vor ihm zurück. Seine Augen bewegten sich unstet zwischen der alten Frau und diesen seltsamen Leuten hin und her.

„Nenn mich nicht so! Das ist nicht mein Name! Das ist nicht mal der Name eines Menschen! Ich bin nicht der, für den ihr mich haltet! Ich … ich bin kein Dämon! Ich bin ein Mensch, das kann man ja wohl sehen!“

Der junge Mönch streckte ihm eine Hand hin.

„Bitte, Inuyasha. Lass uns doch in Ruhe darüber reden.Wir wollen dir doch nichts Böses. Wir sind gekommen, um … .“

Doch der Junge unterbrach ihn unwirsch.

„Nein! Hör auf! Das stimmt alles nicht! Ihr seid nicht meine Freunde! Ihr … ihr … seid alle Lügner!“

Mit diesen Worten drehte er sich hastig um, riss die Schiebetür zur Seite und lief an einem ziemlich verwunderten Hiroshi vorbei, der ihm noch besorgt hinterher rief, ob alles in Ordnung sei. Dann steckte er den Kopf in den Speiseraum und sah dort in ein paar sehr betrübte Gesichter. Sogar ein Blinder hätte in diesem Moment bemerkt, dass etwas nicht stimmte.

„Manami-baba, was ist passiert? Nii-chan … .“

Doch Manami unterbrach ihren Enkel sofort.

„Lass uns alleine, Hiroshi. Unser Besuch und ich haben etwas zu bereden.“

Doch so leicht ließ sich Hiroshi nicht abschütteln.

„Aber … was ist mit Nii-chan? Er ist eben an mir … .“

Erneut fiel ihm Manami ins Wort. Ungeduldig, aber immer noch freundlich wiederholte sie ihre Bitte.

„Hiroshi, du hast doch gehört, was ich gesagt habe. Geh bitte und leg dich zur Ruh. Die Abendstunde ist schon sehr weit fortgeschritten. Kinder in deinem Alter sollten eigentlich schon längst schlafen. Ich werde dir morgen alles erklären, Junge.“

Enttäuscht darüber, keine Antwort bekommen zu haben, senkte Hiroshi gehorsam den Kopf.

„Ja, ich habe verstanden, Mamani-san. Entschuldige meine Ungehorsamkeit.“

Er verbeugte sich leicht vor seiner Großmutter und verließ rasch den Raum. Die alte Frau seufzte tief und wandte sich nun wieder ihren Gästen zu.

„Bitte verzeiht eurem Freund. Ich glaube, dass war alles zuviel für ihn auf einmal. Lasst ihm Zeit, vielleicht findet er dann langsam seine Erinnerungen wieder.“

Betrübt schaute sie das junge Mädchen in der für sie vollkommen fremden Kleidung an. Die Kleine konnte ihre mühsam zurückgehaltenen Tränen nun nicht mehr verbergen. Unaufhaltsam tropften sie zu Boden und trafen dort den noch immer am Boden liegenden Flohgeist, der dadurch langsam wieder zur Besinnung kam. Als er zu Kagome hochsah, wurde ihm bewusst, was er mit seinem unüberlegten Verhalten angerichtet hatte. Betreten senkte er wieder den Kopf, als er zu einer Entschuldigung seinerseits ansetzte.

„Es tut mir furchtbar leid, was ich da angerichtet habe. Hätte ich gewusst, dass Inuyasha-sama seine Erinnerungen an alles und sogar an uns verloren hat, dann … .“

Er sprach nicht weiter. Kagome rieb sich unbeholfen die Tränen aus dem Gesicht und schenkte dem kleinen Flohgeist ein verständnisvolles Lächeln, dass wieder etwas Wärme in ihr hübsches Gesicht zauberte.

„Ist schon gut, Myoga-jijii. Du kannst nichts dafür. Ich bin dir nicht böse deswegen.“

Sie versuchte stark zu sein, Haltung zu bewahren vor ihren Freunden, sie wollte nicht als schwach angesehen werden, gerade jetzt war das wichtig - für Inuyasha. Nichts sehnlicher wünschte sie sich, dass er sich wieder an alles erinnerte und wieder alles so wurde wie früher, doch tief in ihrem Inneren wurde ihr langsam bewusst, dass nichts mehr so werden würde wie zuvor, dass sich durch dieses Ereignis ihr aller Leben für immer verändert hatte. Ein dunkler Schatten huschte über ihr Gesicht und ließ es wieder betrübt aussehen, erneut fielen kleine Tränen zu Boden, wo ein noch immer niedergeschlagener Flohgeist hockte, der wusste, wieviel diesem Mädchen sein Herr bedeutete. Sango legte ihrer Freundin mitfühlend eine Hand auf die Schulter und drückte die Weinende tröstend an sich.

„Nicht weinen, Kagome. Das wird schon wieder. Vielleicht behält Manami-san ja recht und er braucht noch ein wenig Zeit, bis er sich an uns erinnert.“ Sie sah sich um. „Wo ist sie eigentlich? Sie war doch eben noch hier.“

„Sie ist Inuyasha hinterher gegangen. Ich nehme an, sie will mit ihm reden.“, erwiderte Miroku. „Die alte Fürstin ist wohl die einzige Person, die er in dieser Situation an sich ranlässt, wir werden uns da erst einmal gedulden müssen, befürchte ich. Kopf hoch, Kagome-sama, ich kann mir nicht vorstellen, dass Inuyasha alles vergessen hat. Vielleicht ist er durch diesen schlimmen Zwischenfall traumatisiert und kann sich deswegen zur Zeit an nichts mehr erinnern. Auch wenn es anfangs hart werden wird, wir werden ihm erst einmal aus dem Weg gehen müssen. Er muss sich langsam an uns gewöhnen, vielleicht gewinnt er dann auch das Vertrauen in uns zurück. Ich habe jedenfalls die Hoffnung noch nicht aufgegeben und ihr solltet das auch nicht.“

Bestimmt musterte er seine Freunde, die ihm bewundernd zugehört hatten.

„Du hast recht, Miroku.“, gab Kagome zu. „Danke.“

Mehr brauchte sie nicht zu sagen, der junge Mönch verstand schon.
 

Am Rande des Dorfes verstand jemand allerdings rein gar nichts mehr. Das rote Gewand des verwirrten Jungen flatterte im langsam aufkommenden Nachtwind unruhig hin und her. Leicht fröstelnd schlug er die Arme um seinen Körper und sah nachdenklich von seinem Geheimplatz auf das schon schlafende Dorf hinab. Er wusste nicht, was ihn jedes Mal, wenn er Kummer hatte, hierher zog, aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund fühlte er sich an diesem Ort wohl. Gedankenverloren rupfte er ein paar Blüten von den Ästen des alten Baumes, auf den er sich zurückgezogen hatte. Sein Blick streifte die abgebrannte Hütte, die genau vor seinem Versteck einmal gestanden haben musste. Warum wohl niemand die Überreste entfernt hatte? Schon des öfteren war ihm aufgefallen, dass die Dorfleute diesen Platz hier mieden, hatte er sich ihn deswegen als Zufluchtsort gewählt? Oder steckte ein ganz anderer Grund dahinter?

>Ach egal<, dachte er. >Wieso zerbreche ich mir jetzt gerade darüber den Kopf? Eigentlich mache ich mir doch über etwas ganz anderes Gedanken … .<

Eine Stimme ließ ihn plötzlich aufhorchen.

„Junge, wie lange willst du dort noch sitzen und dich verstecken?“

Mamani war unbemerkt an ihn herangetreten und sah nun zu ihm hinauf, doch kaum dass sich ihre Blicke trafen, drehte er sofort den Kopf zur Seite.

„Solange, wie es nötig ist“, brummte er vom Ast herunter.

Die alte Frau seufzte. Wie sollte sie es ihm nur begreiflich machen, dass die jungen Leute, die sie freundlicherweise in ihrem Haus als Gäste aufgenommen hatte, wirklich die waren, für die sie sich ausgaben?

„Ich werde nicht mit ihnen mitgehen, damit das klar ist“, äußerte er sich weiter. „Das sind nicht meine Freunde, das sind irgendwelche dahergelaufenen Betrüger, nichts anderes. Und außerdem, ich bin doch kein Dämon, das würde man ja wohl an mir sehen, oder nicht?“ Prüfend sah er Manami ins Gesicht, die nicht wirklich wusste, was sie darauf antworten sollte. Und genau diese Reaktion deutete der Junge falsch.

„Aha, dein Schweigen verrät dich.“

Bestürzt sah sie ihn an, doch er zeigte ihr noch immer die kalte Schulter.

„Hatte ich also doch recht mit meiner Vermutung. Ich falle dir wohl langsam zur Last, da sprichst du einfach irgendwelche Dahergelaufenen an, die sich eine wirklich abenteuerliche Geschichte, was mich betrifft, ausdenken. Und denkst, ich gehe anschließend mit ihnen mit. Nein, so dumm bin ich auch wieder nicht. Irgendwann wird meine Familie kommen und mich holen und wenn nicht, dann werde ich mich auf die Suche nach ihr machen.“

Die alte Frau seufzte innerlich. Sie konnte ihn ja verstehen. Wenn ihr jemand diese eigentlich überaus haarsträubende Sache erzählt hätte, würde sie sich auch über den Wahrheitsgehalt dessen so ihre Gedanken machen. Aber in diesem Fall bestand kein Zweifel. Es konnte nicht mehrere Halbdämonen namens Inuyasha geben. Dieser Junge hier war der Hanyou aus den Geschichten ihrer Mutter, sie war sich mehr als nur sicher, dass es sich bei ihm um das Kind aus den Erzählungen der Vergangenheit handelte. Sie musste versuchen ihn zu überzeugen. Wenn sie ihn weiter im Ungewissen lassen würde, würde eines Tages sein Herz daran zerbrechen, sollte er irgendwann festellen, dass seine Familie nur noch aus einem älteren Halbbruder, der ihn nicht so respektierte, wie er war, bestand.

„Inuyasha …“, begann sie behutsam.

„Sei still!“, herrschte er sie an.

Manami hielt erschrocken inne. Der Junge war plötzlich auf seinem Ast aufgesprungen und hatte die Fingernägel seiner linken Hand in den mächtigen Stamm des Baumes gerammt. Einzelne Blutstropfen fielen leise platschend auf den Waldboden.

„Nenn mich nie wieder so! Hörst du?! Nie wieder!“

Abrupt drehte er seinen Kopf in ihre Richtung und fixierte sie fest mit seinem Blick. Sein langes schwarzes Haar wehte wie ein unbändiger Sturm zwischen den Ästen des Baumes hin und her. Wütend funkelten seine Augen in dem vor Entrüstung verzogenen Gesicht.

„Nie wieder … .“

Seine Stimme zitterte. Inuyasha … . Dieser Name … aus dem das Wort Dämon nur so herausschrie … das war nicht sein Name, nie und nimmer! Dämonen waren Wesen der Finsternis, grausame Geschöpfe, die gar nicht existieren dürften, die wahllos und aus Spaß am Geschehen mordeten … und er sollte ebenfalls zur Hälfte einer sein? Niemals! Das war doch alles nur eine Lüge! Und Manami glaubte das alles! Er hatte dieser Frau vertraut, als er in ihrem Haus aufgewacht war. Sie hatte sich um ihn gekümmert, ihm vorerst ein Heim gegeben und jetzt? Warum tat sie das?

„Wa- …warum glaubst du ihnen? Wieso fällst du auf ihr Gerede herein? Ich bin kein Halbdämon!“

Während des letzten Satzes sprang er vom Ast des Baumes direkt vor ihre Füße und wartete auf eine Antwort. Doch was sollte Manami darauf erwidern? Egal, was sie sagen würde, er würde alldem zu diesem Zeitpunkt eh keinen Glauben schenken.

„Ich kann es dir nur so beantworten wie bisher. Du bist ein Hanyou namens Inuyasha und diese jungen Leute sind deine Freunde. Den Grund meines Wissens kann ich dir noch nicht verraten, du würdest es nicht verstehen. Du sollst nur soviel wissen: Ich meine es gut mit dir, Junge. Ich will dich nicht einfach loswerden, im Gegenteil, in der kurzen Zeit, die du bei mir bist, habe ich dich genauso lieb gewonnen wie meinen Enkel Hiroshi. Also, lass uns wieder zu den … .“

„Nein, nein! Halt den Mund! Ich will das nicht hören!“

Verzweifelt hielt er sich die Ohren zu und schüttelte immer wieder verneinend den Kopf. Der alten Frau tat es weh, ihn so zu sehen und trat einen Schritt auf ihn zu, die Hand ausgestreckt, um ihn zu beruhigen, doch er sprang sofort zurück und sah sie an wie ein verwundetes Tier, das sich auf der Flucht vor seinem Peiniger befand.

„Nein, lass mich! Ich will … ich kann … ich will das nicht glauben!“

Panisch schlug er ihre Hand beiseite und lief ohne ein weiteres Wort davon Richtung Wald. Entsetzt über den drastischen Ausgang des gutgemeinten Gespräches sah die alte Frau ihm hinterher und rieb sich ihre Hand. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass er so darauf reagieren würde, sicher war sie davon überzeugt gewesen, dass er die Tatsache, wer er war, nicht einfach so akzeptieren würde, aber das … .

>Er hat wirklich ein ungestümes Temperament, der Junge<, dachte sie. Dann fiel ihr das Gesicht des jungen Mädchens, die in die seltsamen Gewänder gekleidet war, wieder ein. Er musste der Kleinen sehr viel bedeuten. Manami seufzte schwer. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern, schon einmal in ihrem Leben soviel in den letzten vierundzwanzig Stunden geseufzt zu haben. Hoffentlich stellte der Junge nun keinen Unsinn an, nachdem er weggerannt war. Im angrenzenden Wald wimmelte es nur so vor lauter Dämonen und als Mensch besaß er nun nicht die Kräfte, sich zu verteidigen, sollte es hart auf hart kommen.

So schlug sie schweren Herzens wieder den Weg zu ihrem Haus ein, in der Hoffnung, dass dem Jungen nichts geschah, während er sich des Nachts im Wald herumtrieb. Dort angekommen sahen die jungen Leute sie sogleich erwartungsvoll an, doch das betrübte Gesicht der Frau verriet ihnen sofort, dass das Gespräch mit ihrem Freund alles andere als gut verlaufen war. Kurz und knapp berichtete sie ihnen das Geschehene und stellte dabei besorgt fest, wie die Miene des Mädchens namens Kagome immer trauriger wurde. Die junge Dämonenjägerin, die sich neben ihr niedergelassen hatte, bemerkte dies und nahm sie tröstend in die Arme. Aufmunternd sprach sie ihr zu, doch auch sie konnte es nicht verhindern, dass sich ein, zwei Tränen ihren Weg suchten. Der junge Mönch und der Fuchsdämon saßen betreten daneben und sahen zu Boden. Ein paar Minuten lang herrschte Stille in dem Speisesaal, aus dem sonst immer fröhliche Laute erklangen, wenn Besuch das Haus ehrte.

Nach einer Weile durchbrach Mirokus Stimme die Stille.

„Was sollen wir jetzt machen, Manami-san?“

Hoffnungsvoll richteten sich sogleich vier Augenpaare auf die alte Dame, die erstaunt ihre Blicke erwiderte.

„Nun ja …“, erwiderte sie zögernd. „Ich halte es für das Beste, wenn wir nun erst einmal alle versuchen ein wenig Schlaf zu finden. Ihr müsst doch sehr erschöpft von eurer langen Reise sein. Und über das hier …“, sie machte eine Pause und sah noch einmal alle scharf an, da zwei der jungen Leute schon protestieren wollten, „ … reden wir morgen weiter. Heute Nacht sehe ich keinen Sinn mehr darin, dass wir uns alle darüber den Kopf zerbrechen. Wir werden in den kommenden Tagen alles an Kraft aufbringen müssen, was wir davon besitzen, deswegen ist es nun umso wichtiger, dass wir durch genügend Schlaf diese Kraft auch sammeln können. Ich kann eure Sorge um Inuyasha sehr gut verstehen, allerdings glaube ich nicht, dass er so dumm sein wird und nicht mehr hierher zurückkehrt, nachdem er weggelaufen ist. Er hat niemanden sonst, zu dem er gehen kann und ich denke, tief in seinem Inneren weiß er, dass es keiner von uns böse mit ihm meint. Ich werde ihn mir morgen mal vorknöpfen; wenn er sich wieder soweit abgeregt hat, lässt es sich vielleicht auch besser mit ihm reden.“

>Wenn du wüsstest<, dachte Shippo da so bei sich. >Na dann viel Glück dabei.<

Nachdem sich die Freunde damit abgefunden hatten, in dieser ereignisreichen Nacht nichts mehr ausrichten zu können, wünschte ihnen die Herrin des Hauses einen erholsamen und guten Schlaf und befahl den Dienern, ihren jungen Gästen die Schlafgelegenheiten zu zeigen. Nachdem man sie in das großzügig angelegte Gästezimmer geführt hatte, ließen sich Sango und Miroku erschöpft auf ihre Futons fallen. Shippo krabbelte sofort zu Kagome hinüber, die gerade dabei war, ihren Schlafsack auseinander zu rollen. Immer noch etwas geknickt über den dummen Vorfall mit seinem Herrn hatte sich Myoga in eine dunkle Ecke des Raumes zurückgezogen und machte sich im Stillen üble Vorwürfe. Irgendwie hatte er sich das Zusammentreffen mit Inuyasha doch etwas anders vorgestellt. Betrübt sah er Kagome hinterher, die nach einer Weile zusammen mit Sango in einem kleinen Nebenraum verschwand, um sich für die Nacht fertigzumachen. Kaum dass die beiden Mädchen das Zimmer verlassen hatten, krallte sich Miroku den kleinen Flohgeist und winkte den Kitsune zu sich heran. Die Stimme zu einem Flüstern herabgesenkt wandte er sich zuerst an den kleinen Gast zwischen seinen Fingern, der schon nervös zu zappeln begonnen hatte, fühlte er sich doch in dieser Situtation nicht wirklich wohl.

„Wenn du das nächste Mal das Wort an Inuyasha richtest, dann sei bitte etwas bedachter in der Wortwahl. Du hast uns jetzt um wahrscheinlich hundert Jahre zurückgeworfen, was den Erfolg des Überzeugens von Inuyasha betrifft.“

„Hätte ich vorher gewusst, was mit ihm los ist, hätte ich mich zurückgehalten“, antwortete Myoga kleinlaut auf den Vorfwurf des jungen Mönches. „Ich habe mich im ersten Moment, als ich ihn sah, nur so furchtbar gefreut, dass er doch noch am Leben ist, da konnte ich mich einfach nicht mehr zurückhalten.“

Mit großen Kulleraugen sah er ihn entschuldigend an.

Nun mischte sich auch Shippo in das Gespräch der Erwachsenen ein.

„Lass ihn doch, Miroku. Ich glaube, für ihn ist es schon Strafe genug, was alles danach passiert ist, da wäre es falsch, wenn wir nun auch noch auf ihm herumhacken.“

Erstaunt über dessen Worte ließ Miroku den kleinen Flohgeist los, der sich sofort in Sicherheit brachte. Der Kitsune verblüffte ihn in letzter Zeit immer öfter. Es schien fast so, als wäre er ihm manchmal in Dingen überlegen, die eigentlich doch mehr den Erwachsenen vorbehalten sein sollten und nicht den Kindern. Aber vielleicht lag es auch an den ganzen Extremsituationen, in denen sie ständig steckten. So etwas ließ einen schneller erwachsen werden, als einem lieb war. Liebevoll wuschelte er dem Kleinen durchs Haar und sah ihn freundlich lächelnd an.

„Du hast ja recht, Shippo“, seufzte er. „Ich mache mir nur Gedanken darüber, wie es jetzt weitergehen soll. Es scheint so, als müssten wir nun unser ganzes Vertrauen in Manami-san setzen, sie ist vielleicht die Einzige, die Inuyasha jetzt noch an sich heran lässt.“

Müde sank er auf seinen Futon zurück und starrte an die Decke. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie Shippo in den Schlafsack Kagomes kroch und sich in den warmen Stoff kuschelte. Kurz darauf betraten die beiden Mädchen das Zimmer und legten sich schweigend zur Ruhe. Kagome schob Shippo sanft beiseite, um ihm nicht weh zu tun, der Kleine war binnen Sekunden eingeschlafen. Sango betrachtete nachdenklich das Antlitz des jungen Mönches, selten sah man ihn so über etwas grübeln, weswegen sie ihn auch sofort darauf ansprach, was ihn beschäftigte. Seine Antwort gab auch ihr Anlass zum Nachdenken.

Was die Freunde nicht wussten, war, dass gerade zu diesem Zeitpunkt ein ziemlich aufgewühlter Junge aus den Tiefen des Waldes zurückgekehrt war. Leise schlich er sich über die Flure seines Heimes – war es das überhaupt noch oder wurde er hier mehr oder weniger geduldet, weil er eigentlich gar kein Heim besaß? Nach diesem Vorfall hatten Zweifel und Misstrauen sein Herz zerfressen, wem konnte er noch trauen? War er hier überhaupt noch willkommen? Ein wenig tat ihm dieser arge Wortwechsel mit Manami schon wieder leid. Die alte Frau hatte es wahrscheinlich nur gut mit ihm gemeint und er hatte sie auf übelste Weise verdächtigt und beschimpft. Er hielt es für das Beste, sich in der Frühe bei ihr in aller Form zu entschuldigen, aber ihr auch gleich klar zu machen, dass er mit diesen Fremden auf keinen Fall mitgehen würde. Solange er nicht ein klein wenig seiner Erinnerungen zurückerlangt hatte, würde er nichts Unüberlegtes tun. Bei seinem Zimmer angekommen, schob er vorsichtig die Tür beseite und huschte hinein. Dort angekommen atmete er mehrmals erleichtert durch. Keiner schien sein Eintreffen bemerkt zu haben. Das letzte, was er sich in dieser Nacht wünschte, war, irgendjemanden Rede und Antwort zu seinem Verschwinden zu stehen. Nachdem er sich schnell umgezogen hatte, schlüpfte er unter die Decke seines Futons und versuchte zu schlafen. Doch das war leichter gesagt als getan. Er war einfach noch viel zu aufgewühlt von den Geschehnissen des vergangenen Tages und warf sich mehrmals unruhig hin und her, bis ihm plötzlich bekannte Stimmen ans Ohr drangen. Sofort setzte er sich auf und lauschte. Es waren die Stimmen dieser Fremden, die am Abend angekommen waren und sich als seine Freunde vorgestellt hatten. Befanden sie sich etwa im Zimmer nebenan? Neugierig legte er ein Ohr an die Wand, um zu verstehen, über was sie sich unterhielten.

„Ich mache mir ernsthafte Sorgen um Inuyasha“, sagte dieser Mönch. „Wie wird er reagieren, wenn er die Wahrheit über seinen jetzigen Zustand erfährt?“

„Wenn er es überhaupt hören will“, warf die Stimme einer jungen Frau ein. Es schien die Dämonenjägerin zu sein. „Er lässt keinen von uns an sich ran. Wie sollen wir da mit ihm reden?“

>Natürlich lasse ich keinen von euch an mich ran<, dachte er sich dabei. >Lügnern traue ich nicht über den Weg.<

Aber was meinte dieser Mönch mit seinem Zustand? Es war doch alles in Ordnung mit ihm, oder nicht?

>Ach verdammt<, dachte er. >Jetzt fange ich auch noch an, ihnen ihre Geschichten abzukaufen! Ich sollte lieber schlafen gehen.<

Wütend über sich selbst zog er sich die Decke über den Kopf und versuchte an etwas anderes zu denken. Doch die Neugierde in ihm war stärker. Automatisch spitzte er die Ohren und hörte zu.

„Was ist mit Sesshomaru?“, fragte Sango. „Ich denke, wir sollten ihn über die Lage informieren. Schließlich wartet er im Wald vor dem Dorf.“

Moment mal! Wer wartete vor dem Dorf? War da etwa noch einer? Der Junge war plötzlich hellwach. Leise kroch er bis zur Wand und hielt den Atem an.

„Richtig. Sesshomaru muss erfahren, was los ist“, erwiderte Miroku. „Ich denke, wir sollten Myoga zusammen mit Kirara losschicken, dann kann er seinen Fehler wieder gutmachen, nicht wahr, Myoga?“

Erschrocken fuhr der Flohgeist zusammen. Er sollte Sesshomaru-sama diese Nachricht überbringen, dass sein jüngerer Bruder sich an nichts mehr erinnerte und sich selbst für einen Menschen hielt?

>Der wird mich bei so einer Nachricht in der Luft zerreissen und das wahrscheinlich quälend langsam<, dachte er panisch.

Vor Angst zitternd wollte er sich gerade aus dem Staub machen, als über ihm zwei blitzende Augenpaare auftauchten und ihn an seinen Schwur erinnerten, den er vor langer Zeit einmal geleistet hatte.

„Ja ja, nun gut, ich werde gehen und ihn darüber unterrichten. Wann soll ich aufbrechen?“

„Jetzt noch nicht. Gib uns noch zwei Tage Zeit, vielleicht erinnnert er sich ja doch an etwas, dann kannst du Sesshomaru wenigstens etwas Erfreuliches berichten.“

Sango lächelte ihn aufmunternd an, sie musste wohl in seinen Gedanken gelesen haben, was ihn belastete.

„Hoffentlich geht es Sesshomaru gut.“

Der Junge zuckte beim Klang dieser Stimme automatisch zusammen. Sie gehörte doch diesem Mädchen in der eigenartigen Kleidung.

Kagome sah in die verblüfften Gesichter ihrer Freunde. Hatte sie etwas Falsches gesagt?

„Du ... du machst dir ... Sorgen um Sesshomaru?“

Sangos Stimme troff nur so vor Unglauben.

„Na ja, ich meine, da ist ja nun immer noch dieser Youkai draußen, dem wir in der ersten Nacht nach unserem Aufbruch begegnet sind. Und wenn ich mich nicht irre, sind wir alle, einschließlich Sesshomaru, vor ihm geflüchtet. Wenn er sich einem Gegner nicht stellt, dann will das schon was heißen. Inuyasha hat mir mal vor einiger Zeit erzählt, dass sein Bruder vor keinem Gegner davonläuft. Diese Blöße würde er sich niemals geben. Aber in dieser Nacht ... war es ganz anders. Ich glaube, ich habe zum ersten Mal, seit ich ihn kenne, die Angst in ihm gespürt.“

Einen Moment lang waren alle still. Dann räusperte sich Miroku geräuschvoll und teilte seinen Gefährten mit, was er davon hielt.

„Ich glaube, du brauchst dir da keine Sorgen zu machen, Kagome. Er ist doch selbst ein Youkai und dazu nicht nur irgendeiner, sondern der erstgeborene Sohn des Hundefürsten.“

Den Rest des Gespräches bekam der Junge mit dem langen schwarzen Haar nicht mehr mit. Mit schreckgeweiteten Augen musste er erst einmal das soeben Gehörte verdauen. Ein Youkai? An den Grenzen des Dorfes? Was sollte das bedeuten? Angestrengt dachte er nach. Was hatten diese Fremden vor? Hatten sie sich etwa mit einem Youkai verbündet? Wieso? Zu welchem Zweck? Dann fiel ihm plötzlich wieder ein, dass dieser kleine Fuchsjunge ebenfalls der dämonischen Rasse angehörte. Und was war mit diesem nervigen Floh? So etwas wie den hatte er noch nie zu Gesicht bekommen. Was, wenn das alles hier nur eine Falle war? Natürlich! Jetzt war doch alles klar! Zufrieden über seine richtige Vermutung schlug er mit der Faust in die offene Hand. Diese Leute waren gekommen, um das Vertrauen von Manami zu gewinnen. Dafür hatten sie sich eine recht abenteuerliche Geschichte zurecht gelegt, die man ihnen seltsamerweise auch noch abgenommen hatte. So hatte man sich wenigstens schon einmal das Vertrauen der Dorfältesten erschlichen. Jetzt musste nur noch der Kontaktmann benachrichtigt werden und einem Angriff stand nichts mehr im Weg. Genauso mussten sie es geplant haben. Schon wollte er aufspringen und Manami-baba benachrichtigen, doch dann hielt er resigniert inne. Die alte Dame würde ihm nach seiner tollen Vorstellung heute Nacht kein Gehör mehr schenken. Aber in ein paar Stunden ... . Noch würde es nicht zu spät sein. Erst in zwei Tagen sollte der Bote diesem Youkai irgendeine Nachricht überbringen. Was war denn das noch einmal für eine Nachricht gewesen? Ach egal, wahrscheinlich, wie viel bewaffnete Männer das Dorf besaß und noch andere wichtige Sachen, die man vor einem geplanten Angriff auskundschaften musste. Mit einem Male fielen ihm wieder die Erzählungen von Manami-babas Kriegern ein. In umliegenden Dörfern hatten Menschen zusammen mit Youkai die Dorfbewohner überfallen und viele getötet, bevor sie dann die Dörfer plünderten. Es lief wohl immer nach demselben Schema ab, die Menschen erschlichen sich das Vertrauen der Dorfbewohner, spionierten ihre Stärken und Schwächen aus und gaben das an ihre dämonischen Komplizen weiter. Er würde es zu verhindern wissen, dass genau das in diesem Dorf geschah. Froh über diese Erkenntnis, aber nun auch reichlich erschöpft von den Ereignissen des Tages sank er auf sein Lager zurück und war binnen von Sekunden eingeschlafen. Hätte er weiterhin aufmerksam den Gesprächen der jungen Leute gelauscht, hätte er seine wild dahergeholten Vermutungen sofort wieder verworfen.

Kagome lag noch lange wach, nachdem sie ihr Gespräch über Inuyasha beendet hatten. Ihr kleiner Fuchsfreund schlief hingegen schon seit über einer Stunde tief und fest. Auch von dem Mönch und der Dämonenjägerin hörte man keinen Mucks mehr, nur das ruhige regelmäßige Ein- und Ausatmen verriet, dass sie überhaupt noch anwesend waren, ansonsten fühlte sich das Mädchen, als wäre es vollkommen alleine in diesem Raum. Ganz in Gedanken versunken ließ sie das soeben Besprochene Revue passieren. Sie und ihre Freunde mussten in den nächsten Tagen alles an Geduld aufbringen, was ihnen zur Verfügung stand. Sollte Inuyasha seine Erinnerung nicht schleunigst wiedererlangen, würden sie ihn behutsam Schritt für Schritt an das heranführen müssen, wovor es dem Jungen tief im Inneren ängstigte. Man konnte seine Vergangenheit im großen und ganzen schließlich nicht als gerade schön bezeichnen. Er wusste nichts vom Tod seiner Eltern, nichts davon, dass er seinen Vater gar nicht kennengelernt hatte, dass seine Mutter schon früh von ihm gegangen war und dass er danach größtenteils auf sich allein gestellt war. Nichts von seinem älteren Halbbruder, der ihn wohl niemals als einen würdigen Teil der Familie anerkennen würde. Nichts von seiner ersten großen Liebe Kikyo, von der er auf so hinterhältige Art und Weise getrennt worden war. Wenn Kagome sich all dies so durch den Kopf gehen ließ, konnte sie schon irgendwie verstehen, warum Inuyasha all das vergessen hatte – vielleicht wollte er sich auch gar nicht mehr an diese Dinge erinnern. Sie seufzte leise. Shippo murmelte irgendetwas Unverständliches im Schlaf und grinste dabei über das ganze Gesicht. Unwillkürlich musste das Mädchen schmunzeln. Gleichzeitig war sie unendlich dankbar dafür, dass ihre Freunde ihr nach Inuyashas vermeintlichem Tod nicht den Rücken gekehrt, sondern sie in der Hoffnung bestärkt hatten, dass ihre Freundschaft untereinander so stark war, dass er sich einfach irgendwann an sie alle erinnern musste. Richtig, sie durfte nicht aufhören zu hoffen, solange sie und ihre Freunde Hoffnung im Herzen trugen, solange war noch nichts verloren. Müde rieb sie sich die Augen. Ja, sie würde stark sein, sie wollte vor ihm nicht als Schwächling dastehen. Gestärkt in ihrem Vorhaben kroch sie tiefer in den Schlafsack hinein, erst jetzt spürte sie die Kälte der Nacht, die sich unaufhaltsam ihren Weg in das Innere des Gebäudes gesucht hatte. Vorsichtig kuschelte sie sich an den Körper des Kitsune, der mit seinen kleinen Ärmchen im Schlaf versuchte, sie zu umarmen und dabei kaum verständlich „Mama“ nuschelte. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen schloss das Mädchen die Augen, um in den nächsten Minuten in das Reich der Träume hinüberzugleiten.

Das aber sollte ihr jedoch nicht so schnell vergönnt sein, denn plötzlich erscholl aus dem Nebenzimmer eine ihr nur zu gut bekannte Stimme.

Und diese Stimme formte Sätze, die in ihren Gedanken Bestürzung und Angst auslösten.
 

Ende Kapitel 8
 

So, jetzt werde ich wahrscheinlich wieder verhauen, weil ich an solch einer Stelle aufhöre, aber keine Sorge, wenn ihr viele, viele Kommis schreibt (mal ein wenig bestechen, hehe), dann werde ich das nächste Kapitel flink hochladen.
 

Und für alle, die es nicht erwarten können, eine kleine Vorschau:
 

Inuyasha hat wieder denselben Traum, doch er scheint von Nacht zu Nacht klarer zu werden. Und irgendetwas scheint nicht mit ihm zu stimmen. Diese Überreste der Hütte am Rande des Dorfes ... was hat es mit ihnen auf sich? Warum entfernt sie niemand? Und wieso geht auf einmal alles in Flammen auf? Und da ... eine Frau läuft aus dem lodernden Feuer heraus direkt auf ihn zu, im Arm einen kleinen weißhaarigen Jungen mit putzigen Hundeohren auf dem Kopf ... .

Die Schatten hinter der Wahrheit

Danke für eure lieben Kommentare, das spornt einen gleich wieder an. Als Belohnung gibt es dafür auch sofort das nächste Kapitel, welches mal wieder ein wenig länger als sein Vorgänger ist.

Allerdings hat mich an manchen Stellen wohl Stephen King geküsst, was, so hoffe ich zumindest, bei euch nicht übel aufstösst. Es kann allerdings aber auch daran liegen, dass mein Mann in dieser Zeit zu viele Survival-Horrorspiele à la Silent Hill gespielt hat, das färbt irgendwie ab, in diesem Sinne hoffentlich positiv.

Aber ich habe hier und da auch ein paar amüsante Stellen eingefügt, will ja nicht, dass ihr euch wieder meinetwegen die Augen ausheulen müsst, hehe.
 

Aber jetzt wünsche ich euch erst einmal viel Spaß beim Lesen und mal sehen, vielleicht werden ja nun auch einige Fragen eurerseits beantwortet.
 


 


 

9. Kapitel: Die Schatten hinter der Wahrheit
 

Wo war er? Was geschah da?

>Oh nein<, dachte er, >nicht schon wieder dieser Traum.<

Jede Nacht war es dasselbe, jede Nacht dieselben Bilder, jedes Mal wachte er danach schreiend auf. Er sah eine kleine Gruppe junger Leute, die fröhlich schwatzend durch einen Wald wanderten, ein junges Mädchen mit seltsamer Kleidung, die ein noch seltsameres Gefährt neben sich herführte, ein Mönch, ebenfalls noch sehr jung, der sich mit einer Hand versuchte, an das hübsche Hinterteil seiner ebenfalls nicht zu verachtenen Begleiterin heranzumachen, die wie eine Dämonenjägerin gekleidet war und einen großen Bumerang aus Knochen auf dem Rücken trug. Auf ihrer Schulter saß eine kleine zweischwänzige Katze, die alles interessiert beobachtete. In diesem eigenartigen Metallgestell, welches scheinbar diesem jungen Mädchen zu gehören schien, saß zudem noch ein kleiner Junge mit einem Fuchsschwanz. Und hinter den jungen Leuten ging ... ein Junge mit langem weiß-silbrigen Haar. Er trug eine rote auffällige Robe und an seiner Seite hing ein Schwert. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen schien ihn irgendetwas ziemlich zu ärgern. Sein Blick wanderte immer wieder zu dem Mädchen in der eigenartigen Kleidung und verfinsterte sich dabei immer mehr. Dann plötzlich veränderte sich die fröhliche Stimmung schlagartig. Aus dem Dickicht brach mit einem Male ein riesiges Ungetüm brüllend hervor und trennte die Freunde voneinander. Der Junge mit dem langen schneeweißen Haar sprang zurück und zog in einer Bewegung dabei sein Schwert, um seine Gefährten vor dem unbekannten Feind zu verteidigen, doch der schlug ihn mit seinen gewaltigen Klauen beiseite. Dann wandte sich diese zum Leben erwachte Alptraumkreatur dem jungen Mädchen zu, welches vor lauter Angst sein metallenes Gefährt beiseite warf und ihr Heil in der Flucht suchte. Der Junge, welcher sich von dem Schlag des Youkais wieder einigermaßen erholt zu haben schien, lief mit gezücktem Schwert dem Mädchen hinterher. Anschließend ging alles sehr schnell. Nach ein paar Schlagabtauschen mit dem mächtigen Gegner, welcher durch die Verletzungen, die ihm der rotgekleidete Junge zugefügt hatte, immer wütender wurde, wollte das Mädchen ihrem Freund helfen, in dem es Pfeil und Bogen zog und auf die Stirn des Dämons richtete. Leider zeigte der Pfeil, der erfolgreich sein Ziel traf, keinerlei Wirkung und ihr Gegner rannte wutschnaubend auf die beiden zu. Was dann geschah, veranlasste den noch schlafenden Jungen jedes Mal zum Aufwachen. Er sah, wie das Mädchen schützend die Arme vor ihr Gesicht hielt, wie der Youkai seine mit Krallen bewaffnete, mächtige Pranke hob und wie dann in letzter Sekunde etwas Rotes dazwischen sprang.

Mit einem lauten Schrei fuhr er von seinem Nachtlager hoch und sah in zwei große dunkle Augen, die ihn besorgt musterten, jedoch erkannte er, dass es sich dabei nicht um die Augen der alten Frau handelte, die sonst immer zu ihm geeilt war, wenn er wieder diesen Traum durchlebt hatte. Überrascht stellte er fest, dass ein Mädchen neben ihm kniete und seine linke Hand festhielt. Dieses Mädchen ..., sicher, sie gehörte doch zu diesen Leuten, die behaupteten seine Freunde zu sein. Schon wollte er sie wütend anfahren, was ihr überhaupt einfiele, einfach so in sein Zimmer zu kommen, als ihm plötzlich auffiel, wie angenehm und vertraut ihm doch ihr Geruch erschien. Auch ihre Hand in der seinen war ihm alles andere als unangenehm, ein leichter Schauer lief ihm den Rücken hinunter, als er wieder in ihre doch eigentlich wunderschönen Augen sah. Langsam fing er an, sich über seine eigenartigen Gedanken zu wundern.

Kagomes Puls begann schneller zu schlagen, als sie fühlte, wie ihr Gegenüber ihre Hand fester drückte. Sie glaubte sogar etwas Vertrautes in seinen Augen zu erkennen, sein Blick wurde weicher und wärmer. Ein sanftes Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie ihn so ansah.

>Wie schön sie aussieht, wenn sie lächelt ... .<

Verträumt stierte er sie an und legte wie ein junger Hund den Kopf schief. Ihm gefiel es viel besser, wenn sie fröhlich war, er hasste es, wenn Mädchen weinten, so war es schon immer gewesen. Moment mal ..., schon immer gewesen? Woher wusste er das denn? Er kannte sie doch gar nicht. Plötzlich begannen Bilder wie Blitze durch seine Gedanken zu zucken, Bilder, die er nicht einordnen konnte. Erschrocken ließ er ihre Hand los und hielt sich seinen Kopf, der mit einem Male zu schmerzen begonnen hatte. Das Mädchen sah ihn geschockt an und beugte sich erneut zu ihm herab, doch er stieß sie vollkommen durcheinander von sich weg.

„Lass ... lass mich bitte in Frieden ...“, stammelte er. „Geh ... .“ Wie ein geprügeltes Tier hatte er sich in eine Ecke seines Zimmers zurückgezogen und sah sie aus schreckgeweiteten Augen an.

Das Mädchen aus der Zukunft war hingefallen, als ihr alter Freund sie weggestoßen hatte. Verstört blickte sie ihn an und konnte nicht glauben, was sich ihr dort zeigte. Noch vor einer Minute hatte sie das alte Leuchten in seinen Augen erkannt, hatte sie geglaubt so etwas wie Vertrauen aufflackern zu sehen und dann ... . Eine Träne tropfte hinab auf den Fußboden und als er sie bemerkte, hielt er sich erneut gequält den Kopf.

„Bitte ... geh“, hörte sie ihn sagen. In seinem Gesicht stand die pure Angst geschrieben und sein Körper zitterte wie Espenlaub. Langsam stand sie auf und bewegte sich rückwärts zur Tür. Lautlos schob sie diese auf und huschte hinaus auf den Flur, wo sie einige Minuten hinter der danach geschlossenen Türe stehen blieb.

>Warum hat er nur so reagiert?<, überlegte sie. >Mir war so, als würde er sich wieder erinnern, doch dann ... .< Ratlos schüttelte sie ihren Kopf und schlich sich wieder zurück in ihr Schlafgemach und das ihrer Freunde. Dort wurde sie jedoch gleich mit einer Frage Sangos konfrontiert, die ihr etwas verschlafen entgegensah.

„Ist irgendetwas passiert, Kagome-chan? Mir war so, als hätte ich etwas gehört. Und wieso warst du draußen?“

So viele Fragen auf einmal. Das Mädchen belog zwar ihre Freunde nicht gerne, aber das, was sich gerade zwischen ihr und Inuyasha abgespielt hatte, wollte sie doch erst einmal für sich behalten.

„Ähm, ich musste mal gerade wohin. Entschuldige, wenn ich dich dabei wachgemacht habe, ich war wohl etwas zu laut.“

Mit einem verschmitzten Grinsen in Richtung ihrer Freundin schlüpfte sie wieder in ihren Schlafsack und wandte ihr Gesicht ab. Nach einigen Minuten verriet ihr das gleichmäßige Atmen der Dämonenjägerin, dass diese bereits wieder schlief. Kagome seufzte tief, drehte sich auf den Rücken und verschränkte ihre Hände unter dem Kopf. Ihr gingen die Worte nicht mehr aus den Gedanken, die sie mitangehört hatte, als sich Inuyasha unruhig hin und her gewälzt hatte. Klar und deutlich hatte er ihren Namen gerufen, wieder und wieder. Sogar ganze Sätze hatte er während seines Alptraumes gestammelt, die ihr einen Schrecken nach dem anderen eingejagt hatten. Scheinbar, so kam es ihr vor, durchlebte er ständig die Ereignisse, die sich kurz vor seinem Tod abgespielt hatten, jede Nacht aufs Neue. Und nach seinem Erwachen hatte wohl noch ein kleiner Teil seiner Erinnerung an ihm geklebt, daher das plötzliche Vertrauen zu ihr. Doch dann musste irgendetwas mit ihm geschehen sein, dieser Ausdruck in seinen Augen ..., so schnell würde sie das nicht mehr vergessen können.
 

Mit einem herzhaften Gähnen streckte sich Inuyasha genüsslich der Sonne entgegen, die ihn mit einem frechen Kitzeln aus seinen Schlaf geweckt hatte. Auf allen Vieren krabbelte er zur Türe, die nach draußen führte und schob sie langsam auf. Müde mit den Augen zwinkernd sah er hinaus auf den wunderschönen Garten seines neuen Heimes, dessen Blumen in der aufgehenden Frühlingssonne bereits ihre volle Pracht enfalteten. Tief einatmend zog er ihren betörenden Duft ein und blieb so einige Zeit sitzen. Ein anderer Geruch schlich sich plötzlich in sein Riechorgan und ließ ihn verwirrt dreinblicken. Er kam aus dem Haus, genauer gesagt aus seinem Zimmer. Vorsichtig umschmeichelte er seine Nase, er roch angenehm süßlich und frisch, fast so wie die Blumen im Garten, nur noch viel schöner, so … wie das Mädchen. Das Mädchen?! Seine Pupillen weiteten sich vor Schreck. Letzte Nacht … der Traum … und dann … diese Augen … von ihr … über seinem Nachtlager … und ihr Duft … . Vollkommen durcheinander schüttelte er den Kopf. Dann … war der Rest doch kein Traum gewesen, sie hatte wirklich hier vor seinem Futon gekniet. Ihr Duft war noch immer präsent, er schwebte in der Luft wie die weißen Wolken am Morgenhimmel. Die letzten Schatten der Erinnerung an die vorige Nacht legten sich langsam, nun wusste er wieder alles. Aus irgendeinem ihm vollkommen unerfindlichen Grund war sie ihm mit einem Male so vertraut gewesen, obwohl er sie doch eigentlich gar nicht kannte, … oder? Aber dann … war etwas geschehen, Bilder waren durch seinen Kopf geschossen, wenn er sich doch nur daran erinnern könnte. Angestrengt dachte er nach, wollte das Gesehene vergangener Nacht mit aller Macht erzwingen, wollte wissen, was ihn so erschreckt und geängstigt hatte, doch plötzlich stöhnte er gequält auf. Sengendheiße Blitze schossen durch seinen Kopf, tausendmal greller als die Sonne selbst und hinderten ihn stoisch daran, weiter darüber nachzudenken. Langsam schien es ihm, als wollte ihn etwas daran hindern, seine Erinnerungen wiederzuerlangen. Jedes Mal, wenn er versuchte, sich zu erinnern, drohte ihm der Kopf zu platzen.

Seufzend stand er auf und verließ sein Zimmer. Gedankenverloren schob er die Tür zum Flur auf und rannte direkt in Jemanden hinein. Stotternd begann er sich sofort zu entschuldigen, als er bemerkte, wen er da gerade umgepflügt hatte. Das Mädchen … . Sie sah ihn traurig aus ihren braunen Rehaugen an und sagte kein Wort, genau wie er. In den Händen hatte sie Waschzeug gehalten, was nun auf dem Boden verstreut herumlag. Sein Atem ging schneller. Was nun tun? Eine Seite in ihm befahl ihm, ihr zu helfen, doch die andere Seite drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand eiligen Schrittes nach draußen. Kagome blickte ihm betrübt hinterher, während sie ihre Sachen wieder aufsammelte und sich anschließend ebenfalls nach draußen begab, um sich am Brunnen etwas frisch zu machen. Als sie gerade das Haus verlassen wollte, blieb sie plötzlich mit offenem Mund unter dem Türrahmen stehen. Ihre Zahnbürste, Seife und Waschlappen purzelten aus ihren Händen, die sie unwillkürlich geöffnet hatte und verteilten sich ungeniert vor ihren Füßen. Vor ihr stand Inuyasha, der sein Oberteil ausgezogen hatte und sich bibbernd kaltes Wasser vom Brunnen ins Gesicht spritzte. Das kühle Nass glitzerte auf seinem Oberkörper in der Sonne und ließ es wie Silber aussehen. Erfrischt schüttelte er den Kopf, so dass sein langes schwarzes Haar wild umherflog. Ohne Vorwarnung wandte er sich in Richtung des Mädchens und warf dabei sein Haar nach hinten. Überrascht zog er die Augenbrauen nach oben, als er sie erblickte. Eine zarte Röte zeichnete sich auf ihren sonst eher blassen Wangen ab und er bemerkte, wie sie immer nervöser wurde, umso länger sein Blick auf ihr ruhte. Beschämt sah sie nach unten, drehte sich ruckartig um und lief ins Haus zurück. Ein Grinsen verzog sein ernstes Gesicht, er strich sich mit einer Hand die Strähnen aus der Stirn und setzte seine Waschaktion fort. Als seine Hände seine Wangen berührten, hielt er erstaunt inne. Sie waren glühend heiß. Er war doch wohl nicht auch …?

>Wie peinlich>, dachte er. Unbeholfen band er sein Haar im Nacken locker zusammen, damit es nicht pitschnass wurde.

Sango wollte ihren Augen nicht trauen, als eine leicht durcheinander erscheinende Kagome mit hochrotem Kopf an ihr vorbei lief. Die Dämonenjägerin ergriff sie am Arm.

„Kagome-chan, ist irgendetwas passiert?“

Ihr schien wohl etwas äußerst unangenehm zu sein.

„Ich … äh … nein … ähm … bitte, ich … .“

Geschickt wandte sie sich aus Sangos Umklammerung und rannte weiter. Diese zog erstaunt die Stirn kraus, blickte ihrer Freundin nachdenklich hinterher und setzte ihren Weg nach draußen fort. Dort angekommen blieb sie amüsiert stehen. Ihr halbdämonischer Freund ließ einen Eimer kalten Wassers über seinen Oberkörper gleiten und schüttelte sich prustend aufgrund der erfrischenden Kälte. Grinsend lehnte sie sich gegen den Türrahmen und beobachtete ihn.

>Jetzt verstehe ich, warum Kagome so durcheinander war, obwohl das ja eher kein Grund ist, durcheinander zu sein<, dachte sie belustigt.

„Kein schlechter Anblick“, entfuhr es ihr plötzlich laut und sie hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. Doch er schien es nicht gehört zu haben, unbeeindruckt fuhr er fort. Jemand anders hatte ihre Aussage jedoch schon vernommen.

„Was ist kein schlechter Anblick?“, hörte sie die Stimme des Mönches sagen, der sich an ihr nach draußen vorbei schob.

„Oh.“

Verblüfft blieb er stehen, dann drehte er sich lüstern grinsend zu ihr um.

„Wenn du möchtest, kann ich dir so etwas auch gern präsentieren.“

Provozierend begann er bereits an seinem Gewand herumzufummeln, als sie ihm Kagomes Zahnputzutensilien, auf die sie fast draufgetreten war, an den Kopf pfefferte.

„Aua! Sango, sei doch nicht immer so brutal zu mir!“

Beleidigt zog er eine Schnute, weswegen sie herzhaft zu lachen begann und wieder im Haus verschwand.

„Hey, Sango! Warte doch!“

Eiligen Schrittes folgte er ihr, sammelte jedoch zunächst Kagomes Sachen wieder ein und sprang ebenfalls durch die Tür ins Haus zurück. Von drinnen hörte man leise ihre Stimmen verhallen.

„Sango, wenn du möchtest, kann ich dir ja gleich den Rücken waschen, oder vielleicht noch mehr?“

Eiserne Stille folgte dieser Aufforderung und dann nach endlosen Sekunden ein schmerzhaftes Klatschen.

„Aua! Was hab ich denn gesagt? Was? Sango!“

Draußen schüttelte nur jemand seufzend den Kopf.
 

Bibbernd schlüpfte Inuyasha in seine wärmende Kleidung und rieb sich die Hände, um die Durchblutung anzuregen. Seine Finger wanderten noch leicht taub von der Kälte des heranbrechenden Tages an die Stelle seines Haares, wo er es zusammengebunden hatte. Angestrengt versuchte er das Band, was sie zusammenhielt, zu lösen, doch seine Finger waren noch immer taub und so gab er es nach einigen Minuten resigniert auf. Sollten sie halt so bleiben, so störten sie ihn wenigstens nicht. Sein knurrender Magen unterbrach seine Gedankengänge und ließ ihn den Weg zurück zum Haus einschlagen. Rasch schlüpfte er in die Küche, um nachzusehen, ob er was helfen könnte. Doch nach einigen Minuten warfen die Bediensteten ihn entnervt raus, da er ständig hier und da naschte. Auf dem Flur wurde er gleich von Manami am Arm in ihr Zimmer gezerrt. Viel zu verdutzt, um etwas dagegen zu erwidern, starrte er sie nur fragend an. Und dann legte die alte Dame los. Die nächste halbe Stunde musste er sich eine Standpauke anhören, die es wirklich in sich hatte. Anfangs versuchte er noch, sich dagegen zur Wehr zu setzen, doch sie fuhr ihm immer wieder mit ihren scharfen Worten über den Mund, wenn er etwas sagen wollte, so dass er von Minute zu Minute kleiner wurde. Als er ihr dann auch noch die haarsträubende Geschichte mit dem Dämon vor dem Dorf, der mit den Neuankömmlingen unter einer Decke stecken sollte und angeblich einen Angriff auf die unschuldigen Leute hier plante, erzählte, war ihre Geduld mit ihm erloschen wie das Feuer in der Küche für das geplante Frühstück.

„Schämst du dich denn gar nicht dafür, was du hier behauptest? Sie sind nicht deine Feinde!“

„Aber auch nicht meine Freunde“, erwiderte er knurrend. „Ich kenne sie nicht einmal und du auch nicht. Und du … vertraust ihnen einfach. Ich weiß doch, was ich gehört habe und es ist die Wahrheit, sie haben einen dämonischen Komplizen vor dem Dorf!“

Verwirrt hielt er inne, als die alte Frau zu lachen begann.

„Wa- … was ist daran so komisch?“, fauchte er wütend und stemmte seine Fäuste in die Hüften. Die Augen der Hausherrin funkelten geheimnisvoll und auf ihren Lippen bildete sich ein Lächeln, welches ihn noch mehr verunsicherte.

„Dieser Dämon vor dem Dorf … dieser Hundedämon“, begann sie und Inuyasha erschrak bei ihren Worten, „ er steht dir näher, als dir jetzt vielleicht lieb ist.“

Verwirrt musterte der schwarzhaarige Junge sie und begann plötzlich unwillkürlich am ganzen Leib zu zittern.

„Was meinst du damit?“, fragte er mit belegter Stimme, Angst kroch in ihm hoch, Angst vor der Antwort, vielleicht sogar vor der Wahrheit? Als Manami den Mund öffnete, um es ihm mitzuteilen, war er sich gar nicht mehr so sicher, ob er es überhaupt hören wollte.

„Dieser Youkai … ist dein älterer Bruder, mein Junge.“

Allein dieser Satz reichte aus, um alles, woran er bis jetzt geglaubt hatte, zusammenstürzen zu lassen, so dass ihm nur ein Haufen Scherben blieb.

„Nein“, flüsterte er tonlos. „Das ist nicht wahr. Ich bin ein Mensch. Ich habe mit Dämonen nichts am Hut. Ich hasse sie sogar!“

Den letzten Satz schrie er hinaus in die Welt, sollte doch jeder hören, was er dachte. Im gleichen Augenblick versuchte er, Bilder aus der Vergangenheit aus seinem Gehirn abzurufen, er wollte Bestätigung für das, was er gesagt hatte. Doch kaum, dass er sich an etwas Vertrautes klammern konnte, machten ihm die grausamen Kopfschmerzen erneut einen Strich durch die Rechnung. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt er sich den Kopf und fiel auf die Knie. Manami war sofort bei ihm und ließ sich vor ihm nieder, ihre Hand legte sich auf seine Schulter. Er hörte ihre Worte, doch sie erschienen ihm so unendlich weit weg, verzerrt drangen sie an sein Ohr und ergaben keinen Sinn. In ihren freundlichen Zügen lag ein Ausdruck von Sorge um ihn, aber plötzlich verzerrte sich ihr liebevolles Gesicht zu einer grausamen Fratze, die ihn erbost anstarrte. Schreiend riss er sich von ihr los, taumelte zur Tür und rannte hinaus, fort von diesen Dingen, die er nicht hören wollte, die ihm mehr Kummer als Freude bereiteten und ihn ängstigten.

Erschrocken sah ihm die alte Frau nach. Große Sorge legte sich um ihr Herz, Tränen benetzten ihre vom Alter eingefallenen Wangen, die sie leicht überrascht weg wischte. Wie lange war es her, dass sie wegen etwas geweint hatte? Als man ihren Mann und ihren Sohn begraben hatte, erinnerte sie sich. Und nun saß sie hier und beweinte das Schicksal eines Jungen, dessen Vergangenheit sie besser kannte als er selbst.
 

Inuyasha lief kopflos durch das Dorf, rempelte immer wieder an ihm vorbeigehende Menschen an, die ihm leicht ärgerlich hinterher starrten. Er wollte allein sein, nachdenken über all das, was ihm in den letzen Stunden widerfahren war. Und das ging nur an einem Ort. Dort angekommen sprang er flink auf den untersten Ast des uralten Baumes, der als stiller Beobachter am Rand des Dorfes stand und zog sich mit einigen geschickten Bewegungen bis zur Baumkrone hinauf. Sich an den mächtigen Stamm des Baumes lehnend atmete er ein paar Mal kräftig durch, so dass sich ein paar der Blüten von den Ästen lösten und still davon schwebten. Nachdenklich massierte er seine noch immer schmerzenden Schläfen und ließ den Blick über seine neue Heimat schweifen. Plötzlich schlug er ohne Vorwarnung die Faust gegen den massiven Stamm, dass seine Haut an den Knöcheln aufplatzte und Blut auf die weißen Blüten unter ihm tropfte.

>So, wenn ich ein Dämon wäre, würde sich diese Wunde von jetzt auf gleich schließen, aber das tut sie nicht. Beweis genug für mich, dass ich ein Mensch bin<, dachte er trotzig. Langsam wusste er nicht mehr, wem er eigentlich vertrauen konnte. Diesen fremden Leuten auf keinen Fall, aber was war mit Manami? Steckte sie neuerdings unter einer Decke mit ihnen? Oder … das bezweifelte er allerdings, sagte sie die Wahrheit?

Vollkommen verwirrt über diese Entwicklungen kamen ihm wieder die Bilder seines Traumes, der ihn jede Nacht aufs Neue heimsuchte, in den Sinn. Zum ersten Mal fielen ihm plötzlich Dinge auf, die er niemals bemerkt hatte, was aber auch daran liegen könnte, dass die Erinnerung an diesen Traum so schnell verschwand, wie sie über ihn hergefallen war. Erstaunt stellte er fest, dass der weißhaarige Junge dasselbe Gewand trug wie er selbst und diese Leute, die seine Freunde zu sein schienen … sie sahen genauso aus wie die Fremden, die behaupteten, ihn zu kennen! Und dieses Mädchen … , das war doch … . Ein Schrei entwich seiner Kehle und ließ die Menschen im Dorf vor Schreck zusammenzucken. Bilder zuckten durch seine Gedanken wie grelle Blitze, Bilder, die ihm vollkommen fremd und doch irgendwie vertraut erschienen, Bilder, die ihn in tiefste Verwirrung stürzten und ihn gleichzeitig an längst vergessene Tage erinnerten. Sein Kopf lief Gefahr, jeden Moment aufgrund der nicht enden wollenden Informationsflut zu platzen, Tränen stiegen ihm unwillkürlich vor lauter Panik in die Augen. Als sich der erbarmunglose Schmerz schon fast ins Unerträgliche hineingesteigert hatte, verschwand er so plötzlich, wie er gekommen war. Mit verschleiertem Blick hob er erschöpft den Kopf und erstarrte mitten in der Bewegung. Sein gesamtes Umfeld hatte sich auf erschreckende Art und Weise verändert.

Flammen leckten direkt vor seiner Nase in die Höhe hinauf zum Sternenhimmel, von dem der Mond als unbeteiligter Zeuge hinabschien. Verwirrt sah er sich um. Was war hier los? Er hörte die Schreie eines Kindes, sie kamen direkt aus der brennenden Hütte, die vor seinem Baum stand. Brennende Hütte? Sie stand genau auf der Stelle, an dem sich auch die verbrannten Überreste eines Heimes befanden. Sah er hier etwa, was sich damas zugetragen hatte? Schockiert beobachtete er, wie eine junge Frau mit einem Kind auf dem Arm aus der brennenden Hütte gelaufen kam und es einem hochgewachsenem Mann mit silbernen Haaren, der am Rand des Waldes stand, in die Arme drückte und nach einigen Momenten allein in Richtung ihres Heimes zurücklief und darin verschwand. Inuyasha wollte gerade einen Warnruf ausstoßen, als das Dach krachend über ihr zusammenstürzte und sie unter sich begrub. Das Kind in den Armen des Mannes begann zu schreien und zu weinen und wehrte sich heftigst gegen seinen festen Griff. Als Inuyasha zu ihnen hinüber sah, blieb ihm vor Schreck fast die Luft weg. Der Kleine hatte dieselben silbrig-weißen Haare wie der junge Mann und er trug ein rotes Gewand, dass dem seinen verblüffend ähnlich war. Unheimlicherweise sah er aus wie eine kleinere Ausgabe des Jungen aus seinem Traum. Verzweifelt wandte sich der Kleine im Arm des Mannes und schrie weinend auf. Und im selben Moment verließen Inuyashas Mund die selben Worte.

„Kaa-san!“ >Kaa-san???<

Die Welt verschwamm gefährlich vor seinen Augen, er hörte noch immer, wie die Flammen erbarmunglos das trockene Holz der Hütte zerfraßen, roch das Verbrannte und hörte die Menschen um ihn herum schreien. Er fühlte die Hitze des Feuers, es war ihm gefährlich nah und doch wusste er aus irgendeinem Grund, dass sein Gewand ihn vor den herannahenden Flammen schützen würde.

>Sie ist meine ... Mutter???<

Noch bevor ihm das Bewusstsein schwand und er fühlte, wie sein Körper vom Baum stürzte, bemerkte er, wie die Frau, die er so genannt hatte, mit Tränen in den Augen auf ihn zulief. Doch bevor er hart auf den Boden aufschlug, klärte sich sein Blick für einen Moment und ließ ihn die Wahrheit erkennen.

„Kagome ...“, murmelte er schwach und Schwärze umfing ihn.

Das Mädchen schrie erschrocken auf, als Inuyashas Körper durch die Baumkrone brach und dumpf auf dem Boden aufschlug. Regungslos blieb er liegen, als sie auf ihn zurannte und sich neben ihn kniete. Tränen fielen auf sein vor Schreck blass gewordenes Gesicht. Behutsam nahm Kagome seine Wangen zwischen ihre Hände und stellte entsetzt fest, dass sie eiskalt waren. Vorsichtig schlang sie ihre Arme um seinen Oberkörper und drückte ihn weinend an sich.

Vor einigen Minuten noch war sie durch das Haus gewandert und hatte ihre Freunde gesucht, als sie das leise Schluchzen einer Frau innehalten ließ. Nachforschungen anstellend, um wen es sich dabei handeln könnte, war sie auf die Hausherrin selbst gestoßen, die verzweifelt neben dem Altar ihres Zimmers kniete und eine alte zerrupfte Puppe in den Händen hielt. Auf ihre Nachfrage hin, was denn geschehen sei, hatte die alte Frau nur ein Wort gestammelt: Inuyasha … . Dann hatte ein markerschütternder Schrei die beiden Frauen zusammenfahren lassen und Kagome war losgerannt. Aus irgendeinem ihr völlig unerklärlichem Grund waren ihr die verbrannten Überreste der Hütte am Rande des Dorfes in den Sinn gekommen und so hatte sie den Weg dorthin eingeschlagen, in der Hoffnung, ihn an jenem Ort zu finden. Fast dort angekommen, hatte sie seine verzweifelte Stimme durch die Blätter der Bäume schallen hören: Kaa-san … . Was hatte das zu bedeuten? Traurig strich sie ihm durch das lange Haar, welches sich bei dem Sturz aus dem Zopf gelöst hatte. Plötzlich fühlte sie eine Hand an ihrer Schulter und fuhr zusammen. Schnell drehte sie den Kopf zur Seite und blickte in die vom Alter trüb gewordenen Augen Manamis.

„Was ist geschehen?“

Um sie herum versammelten sich bereits einige der Dorfleute, die durch den Schrei des Jungen ebenfallls herbeigelaufen waren.

„I-ich weiß es nicht genau.“

Kagome schüttelte verwirrt den Kopf, während sie ihm sanft die Haarsträhnen aus der Stirn strich. „Ich hörte einen furchtbaren Schrei und bin losgerannt. Warum ich allerdings gleich hierher gelaufen bin, weiß ich nicht.“

Stirnrunzelnd betrachtete Manami sie. Dieses Mädchen war doch erstaunlich, die alte Frau hatte angenommen, dass der Kleinen bewusst gewesen war, wo der Junge sich aufgehalten hatte.

„Er hat in den letzen Tagen oft diesen Ort hier aufgesucht.Wenn ich ihn suchte, saß er im Wipfel dieses Baumes“, sie zeigte auf den mächtigen und stolz wirkenden Riesen, „und schien über etwas zu grübeln.“

Kagome musste lächeln.

„Er mag Bäume“, erklärte sie der alten Frau. „Seltsam, nicht wahr?“ Dann änderte sich ihr Tonfall abrupt, Sorge schwang in ihrer hellen Stimme mit. „Kurz bevor er aus den Ästen fiel, da rief er etwas, was ich mir nicht erklären kann.“

„Was, Kind? Was hat er gerufen?“

„Er rief ´Kaa-san`. Ich habe es laut und deutlich gehört, da besteht kein Zweifel.“

Überrascht spürte sie, wie sich die Hand der alten Frau von ihrer Schulter löste und sie diese erschrocken vor den Mund schlug. Tiefe Sorgenfalten legten sich um ihren Mund und ließen sie mit einem Male noch älter erscheinen.

„Kaa-san …“, murmelte sie geistesabwesend. „Das gibt es doch nicht … .“

„Manami-baba? Was ist los mit Euch? Wisst Ihr vielleicht, was das zu bedeuten hat?“ Ungeduldig hakte Kagome nach, die alte Dame schien irgendetwas zu wissen. Diese war plötzlich ganz blass um die Nase geworden und murmelte ständig das Wort, welches Inuyasha geschrieen hatte. Erschrocken fuhr sie zusammen, als Kagome erneut nachfragte.

„Ich? Nein … ähm, ich weiß leider auch nicht, was das bedeuten soll, vor allem, in welchem Zusammenhang es stehen mag.“

Unzufrieden spürte das Mädchen, dass man sie anlog, aber sie wusste auch, dass es in diesem Moment ungünstig war, weiter nachzuhaken.

„Wir sollten ihn ins Haus bringen“, unterbrach sie die Stimme Manamis in ihren Gedanken. Zwei der Dorfleute boten sich an, Inuyasha hineinzutragen. Vorsichtig hoben sie ihn an und gingen hinter den beiden Frauen her. Kagome hielt es derweil für besser, schon einmal vorzulaufen und Sango, Miroku und Shippo Bescheid zu geben, damit sie keinen Schreck bekamen, doch diese Entscheidung wurde ihr leider abgenommen.

„Kagome!“, hörte man von weiter weg die Stimme der Dämonenjägerin. Neben dieser stand der junge Mönch und winkte ihr schmunzelnd zu. Shippo hing auf seiner Schulter und kaute genüsslich an einem Lutscher herum, den Kagome aus ihrer Zeit für ihn mitgebracht hatte. Die Drei setzten sich in Bewegung und kamen auf die kleine Gruppe zu. Sango war die erste, die bemerkte, dass irgendetwas nicht stimmte. Bestürzt bemerkte sie, dass zwei der Männer, die Kagome und Manami begleiteten, jemanden trugen. Mit ein paar schnellen Schritten war sie bei ihrer Freundin. Ihre Augen weiteten sich vor Schrecken, als sie denjenigen erkannte, dessen Körper auf den Händen der Männer weilte.

„Aber das ... Inuyasha!“ Sofort wandte sie sich an ihre Freundin. „Kagome! Was ist geschehen?!“

Traurig sah diese sie an.

„Ich weiß es selbst nicht genau. Ich ...“, erschöpft winkte sie ab. „Lass uns ihn erst einmal hineintragen. Ich erzähle euch alles später.“

Kagome war zusammen mit Sango stehengeblieben, während Manami und die Männer, die den schwarzhaarigen Jungen trugen, an ihnen vorbei gingen. Erschrocken fiel Sango auf, wie blass er war, als er an ihr vorübergetragen wurde. Miroku und Shippo starrten entsetzt auf ihren Freund, bevor man ihn ins Haus trug, eiligen Schrittes waren sie bei den beiden jungen Frauen.

„Was ...?“, begann der junge Mönch, aber Sango hielt ihm mit einer schnellen Bewegung den Mund zu und deutete auf Kagome. „Ach so ...“, flüsterte er. „Ich verstehe.“

„Gehen wir doch erst einmal rein und erkundigen uns nach seinem Befinden“, schlug die junge Dämonenjägerin vor. Kagome nickte zustimmend und zusammen folgten sie Manami und den Männern ins Innere des Gebäudes. Auf dem endlosen Flur kam ihnen sofort die Hausherrin entgegen und scheuchte sie mit einer eiligen Handbewegung hinaus in den Garten. Mit fragenden Blicken nahmen die jungen Leute, nachdem sich die alte Dame gesetzt hatte, auf den Holzdielen im Blumengarten Platz und warteten auf eine Erklärung. Um sie herum schwirrten emsig einige Insekten, die mit dem Sammeln von Nektar beschäftigt waren. Auf Shippos Nase landete ein bunter Schmetterling und lenkte den kleinen Kitsune vollkommen ab. Manami räusperte sich, bevor sie begann, so dass Shippo erschrocken in ihre Richtung sah und der Schmetterling schnell das Weite suchte.

„Eurem Freund geht es soweit gut. Als er vom Baum gestürzt ist, hat er sich lediglich ein paar Schrammen und blaue Flecke zugezogen. Was mich beunruhigt, ist, dass er noch nicht zu sich gekommen ist.“

Ihr ernster Blick streifte Kagome, die langsam und zögerlich zu erzählen begann. Nachdem sie ihre Erzählung beendet hatte, merkte sie, wie es in den Köpfen ihrer Freunde arbeitete.

„Kaa-san ...“, murmelte Miroku nachdenklich. „Das verstehe ich nicht. Wieso hat er das gerufen? Er kann sich doch an gar nichts erinnern, geschweige denn dann an seine Mutter.“

„Richtig“, pflichtete Sango ihm bei. „Das will mir auch nicht so wirklich in den Kopf.“ Shippo war noch immer vollkommen auf seinen Lutscher konzentriert, so dass er nur ein schmatzendes „Ja, genau“ herausbrachte. Eine Zeit herrschte Stille unter ihnen, jeder schien darüber zu grübeln, was geschehen sein könnte. Kagome war es, die das unangenehme Schweigen brach.

„Ich habe da so eine Vermutung ...“, begann sie leise und sofort waren alle Blicke auf sie gerichtet, so dass sie leicht erschrocken zurückwich. Ihre Freunde nickten ihr aufmunternd zu und so begann sie zu erzählen.

„Was, wenn er sich an etwas aus seiner Vergangenheit erinnnert hat, ich meine, an etwas, was schon sehr lange zurückliegt? Lange, bevor er auf uns traf, etwas aus seiner Kindheit.“

Sie ließ die Worte einen Moment auf ihre Freunde und die alte Frau wirken, bevor sie mit ihren Überlegungen fortfuhr, doch Sango kam ihr zuvor.

„Es muss etwas Schreckliches gewesen sein“, murmelte die junge Frau. „Das würde auf jeden Fall seinen Zustand erklären.“

„Da gebe ich dir recht, Sango“, bestätigte der Mönch ihre Version. „Irgendetwas, dass sich so stark in seinem Unterbewusstsein verankert hat, etwas, dass ihn nicht einmal jetzt nach seinem Gedächtnisverlust mehr in Ruhe lässt.“

Keiner der Freunde bemerkte, dass die alte Frau in ihrer Runde immer stiller wurde und sich vollkommen aus den Vermutungen der jungen Leute heraushielt. Nach ein paar Minuten des Zuhörens stand sie schweigend auf und ließ die Vier allein. Gedankenverloren strich sie durch die in voller Blüte stehenden Blumenbeete, kniete sich vor ein paar besonders farbenfrohen Exemplaren nieder und beobachtete geistesabwesend die wunderschönen Schmetterlinge, die in ihrer Farbenpracht den Blumen in nichts nachstanden. Einer von ihnen landete auf ihrer vom Alter gekennzeichneten Hand, tastete mit seinem Rüssel neugierig über ihre runzelige Haut und ließ sich, indem er die Flügel abwechselnd öffnete und schloß, von der Sonne genüsslich wärmen. Mit leuchtenden Augen betrachtete sich das kleine Geschöpf und beneidete es im selben Augenblick um seine Sorglosigkeit.

>Wenn ihr wüsstet, Kinder, dass ihr mit eurem Verdacht gar nicht so falsch liegt<, schoss es ihr durch den Kopf. >Aber der Zeitpunkt, Dinge aus der Vergangenheit aufzurollen, ist noch nicht gekommen. Doch irgendwann … muss ich es ihnen sagen. Sie haben ein Recht darauf, es zu erfahren, allen voran der Junge.<
 

Leise ließ sich Kagome neben Inuyashas Ruhelager auf die Knie sinken und betrachtete besorgt den reglosen Körper des Jungen. Nachdem sie den halben Tag mit ihren Freunden an der frischen Luft verbracht hatte, um sich etwas abzulenken und den Schlafenden nicht zu stören, war sie nun, die Wangen vor Vorfreude gerötet, unbemerkt in sein Zimmer geschlichen, um nach ihm zu sehen. Enttäuscht hatte sie dabei feststellen müssen, dass er noch immer nicht aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war. Sanft nahm sie seine Hand zwischen ihre Handflächen und versuchte, seine eisigkalte Haut warm zu reiben. Nach einer Weile gab sie es jedoch auf und legte seine Hand zurück auf den Futon, schrie aber mit einem Male erschrocken auf, als sie sich ohne Vorwarnung um die ihre schloss und fest zudrückte.

„Kagome“, murmelte eine schwache Stimme neben ihr. „Bitte ... geh nicht ... fort.“

Mit weit aufgerissenen Augen starrte das Mädchen ihren doch scheinbar schlafenden Gefährten an, schaute verwirrt auf seine Hand, die ihre sehnsüchtig festhielt.

„I-Inuyasha?“

Verlegen spürte sie, wie ihr abwechselnd heiß und kalt unter seiner Berührung wurde.

„Bi-Bist du wach?“

Vorsichtig beugte sie sich ein wenig nach vorne, um in sein Gesicht sehen zu können, welches er von ihr weggedreht hatte. Mit der freien Hand strich sie ihm behutsam einige Strähnen von den Augen, die er zu ihrer Verwunderung jedoch immer noch geschlossen hatte. Seine Lider flatterten leicht, er schien zu träumen, während sich sein Brustkorb ruhig und gleichmäßig hob und senkte. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen und vertrieb ein wenig die sorgenvollen Züge aus ihrem hübschen Gesicht.

>Er träumt ... von mir?!<

Ungläubig schlug sie sich die freie Hand vor den Mund und spürte, wie sich die sanfte Röte in ihrem Gesicht wie ein Lauffeuer ausbreitete und an Intensität zunahm.

>Wenn er sich in seinen Träumen an mich erinnert ... heißt das, dass er wieder alles weiß? Was auch immer dies hier ausgelöst hat, vielleicht hat es dazu beigetragen, seinen Gedächtnisverlust zu besiegen.<

Zärtlich berührte sie seine blassen Wangen, die, wie sie mit gerunzelter Stirn feststellte, ebenso kalt wie seine Hände waren. Er fror, aber warum? Etwas umständlich, da sie ja nicht aufstehen konnte, klemmten sich ihre Füße um eine Decke, die an der Seite lag und holten diese mit einer akrobatischen Höchstleistung herbei. Keuchend vor Anstrengung ließ sie die warme Wolldecke neben Inuyasha fallen, um wieder zu Atem zu kommen. Wie lange hatte sie schon nicht mehr am Sportunterricht, gerade an den Gymnastikübungen, teilgenommen? >Viel zu lang<, befand sie mit einem schmerzhaften Ziehen in den Beinen. Dehnübungen und dieser ganze andere Verbiegekram waren nicht so ihr Fall. In Gedanken daran legte sie dem Jungen fürsorglich die weiche, warme Decke über den Körper und stellte erfreut fest, wie sich sein leicht angespanntes Gesicht ein wenig glättete und nun wieder vollkommen friedlich wirkte. So friedlich ... friedlich ... wie ... im Tempel ... im Tempel! Mit einem Male wurde sie kalkweiß, ihre Pupillen verengten sich, als sie an diesen Tag, der noch gar nicht lange zurück lag, denken musste. Ein klagender Laut quälte sich über ihre Lippen, salzige Tränen rannen ohne Vorwarnung ihre blassen Wangen hinunter und tropften auf das rote Gewand Inuyashas, der plötzlich angstvoll aufschrie und sich mit einem Ruck aufsetzte.

„KAGOME!“

Die Angesprochene starrte ihn mit tränenüberströmten Wangen entsetzt an; seine Augen waren weit aufgerissen, jedoch irgendwie glasig, als würde er sein Umfeld nicht wirklich wahrnehmen. Das Gesicht schmerzverzerrt, stand in seinen dunklen Augen eine solche Pein geschrieben, die das Mädchen kummervoll aufschluchzen ließ. Seine Hand hielt die ihre so fest umklammert, dass sie spürte, wie an manchen Stellen das Fleisch aufriss und eine warme Flüssigkeit an ihrem Handgelenk hinunterlief, doch dies ignorierte sie tapfer. Weinend rutschte sie näher an ihn heran und legte ihren Kopf gegen seine Brust. Hektisch klopfte sein Herz gegen die Rippen, als wollte es jeden Moment zerspringen. Zitternd vor Angst legte sie ihre Arme um seinen bebenden Körper und drückte ihn beruhigend an sich.

„Ich bin hier, Inuyasha, ich bin hier. Es ... es tut mir so leid, was ich getan habe. Hätte ich doch nur dieses eine Mal auf dich gehört, vielleicht wäre dir dann nichts geschehen. Wieso bin ich nur so ein sturer Dickkopf?“

Schluchzend vergrub sie ihr Gesicht in seinem angenehm nach ihm riechenden Gewand. Plötzlich spürte sie, wie sich seine langen schwarzen Haare wie eine Decke auf ihren Kopf legten und jeder Muskel in seinem Körper langsam erschlaffte. Mit einem Male wurde er viel zu schwer für sie, so dass sie Mühe hatte, ihn vorsichtig auf den Futon zurückgleiten zu lassen. Mit einem Ächzen richtete sie sich wieder auf und stellte beruhigt fest, dass sich seine Lider ebenfalls wieder geschlossen hatten. Verstohlen wischte sich das Mädchen die kleinen Tränchen aus den Augen und zuckte leicht zusammen, als sich die Verletzungen an ihrer Hand bemerkbar machten. Inuyasha hielt sie noch immer fest, jedoch nun eher sanft und liebevoll. Seine Gesichtszüge, die eher noch denen eines Jungen, als schon denen eines heranwachsenden Mannes ähnelten, entspannten sich wieder und ließen Kagome beruhigt aufseufzen. Mit einem erschöpften Keuchen lehnte sie sich gegen die angenehm kalte Wand und schloß für einen Moment ihre Augen.

Mit einem Schmunzeln hörte sie die vergnügten Schreie des kleinen Kitsune, der sich sofort mit dem Enkel Manamis angefreundet hatte und mit ihm über die grünen Wiesen, die direkt am Dorf angrenzten, tollte. Ein lautes Klatschen ließ sie kurz zusammenzucken, darauf folgte ein protestierendes Zetern; der Stimme nach ein junger Mann, der es scheinbar niemals lernen würde, wann er seine Hände bei sich zu behalten hatte. Kagome musste unwillkürlich grinsen, als sie an den empörten Gesichtsausdruck der hübschen Dämonenjägerin dachte. Dabei hatte ihr Miroku doch hoch und heilig versprochen, dass er so schnell nicht wieder „Hand anlegen“ würde.

>Fast alles so wie früher<, dachte sie sehnsüchtig. >Fehlt nur noch, dass Inuyasha mich wieder eine „dumme Kuh“ nennt, dieses Mal wäre ich ihm wirklich dankbar dafür.< Vorsichtig hob sie wieder die Augenlider und blinzelte leicht schläfrig; schließlich hatte sie in der vorigen Nacht nach Inuyashas eigenartigem Traum kaum mehr als zwei Stunden am Stück geschlafen.

Mirokus leicht bedröppeltes Gesicht erschien plötzlich vor dem kleinen Fenster; der Handabdruck einer gewissen jungen Frau mitten auf seiner Wange war unverkennbar. Keck winkte er ihr zu und verdrehte die Augen, als sie neckend auf die rote Stelle in seinem Gesicht zeigte. Gedankenverloren strich er darüber und sah in die Richtung der Ursache für den schmerzenden Fleck. Es hatte fast den Anschein, dass der Himmel über Sangos Kopf bedrohlicher und dunkler wirkte, eine düstere Aura schien von ihr auszugehen und ließ Mirokus Herz in die Hose rutschen, als er zaghaft eine Hand hob, um ihr entschuldigend zuzuwinken. Mit einem etwas missglückten Grinsen drehte er sich wieder zurück zum Fenster, deutete auf den schlafenden Jungen und zog fragend eine Augenbraue hoch. Doch Kagome konnte ihm leider nur ein verneinendes Kopfschütteln bieten, worauf er sie leicht besorgt musterte. Mit einem erneuten Schütteln versuchte sie ihm zu signalisieren, dass alles in Ordnung sei, doch er wusste es besser. Die grauen Schatten unter ihren trüben Augen sagten alles aus. Sie machte sich unendliche Sorgen um den Halbdämon, der zurzeit keinesfalls wie einer aussah.

Ertappt bemerkte Kagome das misstrauische Stirnrunzeln des jungen Mönchs und schaute traurig zur Seite. Sie mochte es gar nicht, wenn sich ihre Freunde Sorgen um sie machten, gerade in den letzten Tagen war das leider mehr als oft aufgetreten. Mit einem, so hoffte sie jedenfalls, überzeugendem Lächeln strahlte sie Miroku geradezu übertrieben an, von dessen Gesicht sich nur ein ziemlich missratenes Grinsen stahl, als er ihren Versuch, sorglos auszusehen, bemerkte. Plötzlich packte eine Hand nach der seinen und zog ihn mit einem kräftigen Ruck von dem Fenster fort. Verblüfft starrte er auf Sangos entzückenden Rücken, die ihn hinter sich herschleifte, hob noch schnell die andere Hand und winkte Kagome zu, die den beiden leicht amüsiert nachstarrte.

Als die deftige Standpauke, welche die junge Dämonenjägerin vom Stapel ließ, langsam verklungen war, spürte Kagome, wie schwer es ihr fiel, wach zu bleiben. Bedacht darauf, ihren schlafenden Freund nicht zu wecken, obwohl sie sich sehr darüber freuen würde, wenn er endlich das Bewusstsein wiedererlangte, löste sie vorsichtig ihre schmerzende Hand aus der seinen. Die Wand in ihrem Rücken fühlte sich plötzlich so furchtbar verlockend an, länger daran zu verweilen; die strahlende Mittagssonne schien ihr angenehm wärmend ins Gesicht, so dass sie immer schläfriger wurde. Schon ertappte sie sich dabei, dass ihr die Augenlider zufielen und sie Gefahr lief, sich der bleiernden Müdigkeit, die sie mit offenen Armen empfing, hinzugeben. Kraftlos stemmte sie sich dagegen, zwang sich eisern, nicht einzuschlafen, doch ihre Glieder wurden immer schwerer, stärker wurde der Ruf ihres Körpers nach Ruhe. Das Zimmer verschwamm gefährlich hinter einem schon fast undurchsichtigen Schleier, der sich schonungslos auf ihre vor Müdigkeit brennenden Augen gelegt hatte.

>Nein<, dachte sie trotzig. >Nein, ich muss wach bleiben, bis er seine Augen wieder aufschlägt! Ich muss!<

Verbissen presste sie die Lippen aufeinander, drückte die Fäuste zusammen und zischte laut auf, als sich ihre verletzte Hand dabei unangenehm meldete. Prüfend betrachtete sie diese, an den Seiten hatte sich die Haut teilweise dunkelrot und bläulich verfärbt, hier und da war das bloße Fleisch zu sehen, aus dem immer noch etwas Blut tropfte. Geschickt fingerte sie ein Taschentuch aus ihrer Rocktasche, wickelte es um ihre Hand und legte diese in ihren Schoß. Ein herzhaftes Gähnen entwich ihrem Mund; schläfrig suchte sie sich irgendetwas im Raum, dass sie ablenkte und wachhielt, aber vergeblich. Die ganzen Anstrengungen und Sorgen der vergangenen Tage machten sich nun bemerkbar, sie fühlte sich erschöpft und ausgebrannt und sehnte sich nur noch nach einem – Ruhe. Als die Lider ihr nun erneut vermehrt zufielen und ihre Augen immer seltener das angenehme Licht der Sonne empfingen, lehnte sie sich nicht mehr dagegen auf, sondern gab sich ganz der drohenden, aber einladenen Schwärze hin, die ihr Denken mehr und mehr beanspruchte. So dauerte es gar nicht mehr lange, bis ihr Kopf mit einem Male nach vorne sackte und sie eingeschlafen war. Nur das fröhliche, ab und zu aufgeregte Zwitschern der umherfliegenden Vögel, die im Garten des Anwesens ihren Unfug trieben, erfüllte das kleine Zimmer, in dem nun nicht nur der Junge, sondern auch das Mädchen tief und fest schlief.

Plötzlich rümpfte der Schwarzhaarige die Nase, sein Arm begann nervös zu zucken und mit einem Schlag riss er die Augen auf. Sein Oberkörper schnellte hoch, etwas zu schnell, wie er schmerzerfüllt befand. Mit den Zähnen knirschend hielt er sich die pochenden Schläfen und sah sich, wie ein scheues Reh, vorsichtig im Raum um. Sofort hefteten sich seine Augen mit einem überaus überraschtem Ausdruck an den schlafenden Körper des jungen Mädchens, welches ihm scheinbar während seiner geistigen Abwesenheit Gesellschaft geleistet hatte. Eine Spur von Mitleid keimte in seinem Herzen auf, als er die dunklen Schatten unter ihren Augen bemerkte. Ihr Gesicht wirkte eingefallen und blaß, sie kam ihm viel zu dünn für ihre Größe vor. Gedankenverloren strich er sich über seinen schmerzenden Kopf, hielt aber mit einem Male alarmiert inne und sog prüfend die Luft mit der Nase ein. Ein leicht kupferhaltiger Geruch kroch ihm in sein Riechorgan, es roch fast so wie … Blut! Erschrocken sah er sich um. Wo kam das bloß her? War irgendetwas geschehen? Mit ihm? Mit ihr? Eine ihm unbegreifliche Sorge um die Schlafende befiel seine gequälte Seele. Flink suchten seine Augen den Körper des Mädchens ab und weiteten sich erschrocken, als er das schon leicht blutgetränkte Taschentuch, welches um ihre Hand gewickelt war, bemerkte. Ein schrecklicher Verdacht begann in seinem Kopf zu wachsen, wie ein Baum durchbrach er die Oberfläche und streckte seine Äste in alle Richtungen aus, bis er mit den Wolken des unendlichen Himmels verschmolz. Zögernd hob er beide Hände, besah sich erst die Handrücken, bis er sie umdrehte und seine Handflächen genauer beäugte. Entsetzt sog er zischend die Luft ein, als er die eingetrockneten Blutflecken auf seiner Haut bemerkte. Ein Zittern durchlief seinen Körper, ungläubig starrte er das Blut an, welches sich über seine ganze Handfläche verteilt hatte – ihr Blut! Was hatte er nur getan?

Krampfhaft versuchte er sich zu erinnern, immer wieder durchlief er die Geschehnisse der letzten Stunden, an die er sich noch entsann – er wusste noch ganz genau, dass er fortgelaufen war, nachdem Manami ihm diese seltsamen Dinge erzählt hatte, hinauf auf den Baum war er gesprungen, um nachzudenken … aber dann? Fordernd kniff er die Augen zusammen, bis sie schmerzten, aber da war nichts, nichts, was ihm einen Hinweis auf all das geben konnte. Nur eines. Ihm fiel mit einem Male wieder ein, dass er auf die Überreste der Hütte, die sich am Rande des Dorfes befand, gestarrt hatte. Richtig, genau so war es gewesen und dann … . Was war weiter geschehen? Angestrengt zwang er sich dazu, die vergessenen Bilder in seinem Gedächtnis abzurufen, aber ihm war plötzlich so, als führe eine Hand dazwischen und verwischte das Geschehene, wirbelte alles durcheinander, so wie der Wind die Blätter im Herbst, so dass es mit einem Male keinen Sinn mehr ergab, was er sah. Alles war schwarz und leer, unheimliche Stimmen wisperten in seinem Kopf unzusammenhängende Dinge, sie begannen, ihn zu verspotten, lachten höhnisch auf und als er versuchte, dieses Chaos zu durchbrechen, loderte der grausame Schmerz in seinem Schädel wie ein nie endener Waldbrand erneut auf.

Stöhnend hielt er sich seine brennende Stirn, wie glühende Nadeln stach die Wirklichkeit zu und peinigte ihn mit immer wieder neu aufbrandenen Wellen. Seine Ohren rauschten wie das Wasser am Meer, obwohl er dieses noch niemals gesehen hatte. Die Welt um ihn herum verschwamm, das schlafende Gesicht des Mädchens verzerrte sich zu einer widerlichen Fratze, die ihn hämisch anstarrte. Geifer lief aus ihrem Mund und an der Stelle, wo eigentlich ihre Augen hätten sein sollen, befanden sich stattdessen nur noch schwarze leere Höhlen, aus denen schleimige, ekelerregend riechende Würmer krochen. Grinsend starrte ihn die widerwärtige Kreatur an und leckte sich die verfaulenden Lippen, hinter denen man die gelblich verfärbten Zahnstümpfe aufblitzen sah. Mit abgehackt wirkenden Bewegungen taumelte dieses Alptraumwesen auf ihn zu, die Hände zu Klauen ausgestreckt und gierig nach ihm greifend. Aus Inuyashas Kehle entrang sich ein gellender Schrei, als er versuchte, den gefährlich aussehenden Krallen zu entrinnen. Unsanft fiel er nach vorne auf den Bauch, spürte plötzlich, wie sich eine Hand auf seine Schulter legte und versuchte, ihn umzudrehen. Vor lauter Panik begann er mit den Füßen zu strampeln, als die knochigen Finger wie ein Schraubstock zudrückten und seine Haut aufrissen. Er fühlte, wie sein eigenes warmes Blut den Arm hinunterlief und in sein Gewand sickerte. Mit einem verzweifelten Aufschrei warf er sich herum, riss die Arme schützend in die Höhe und schlug wild um sich. Mit einer Hand traf er eine weiche, faulig riechende Masse, seine Finger bohrten sich in kaltes, totes Fleisch, welches matschig aufgluckste. Angewidert zog er seine Hand zurück und starrte direkt in das Antlitz eines Wesens, von dem er sich wünschte, es niemals gesehen zu haben. Augäpfel, rot wie Blut, stierten bis auf die hinterste, geschützte Ecke seiner Seele hinab und schienen etwas von dort zu entreißen, als er sich mit einem hoffnungslosen Keuchen versuchte, dem zu entziehen. Bilder krochen plötzlich in ihm hoch, Dinge, an die er sich nicht erinnern konnte … schreckliche große Augen, die ihn fast aufzusagen schienen … er versuchte, sich daran zu klammern, sich daran zu entsinnen, aber … zwecklos. Genauso schnell, wie diese Bilder über ihn hergefallen waren, verschwanden sie auch wieder und nahmen jedes kleine Bisschen auf Hoffnung mit fort. Schlaff ließ er sich fallen, vergaß fast die Kreatur, die sich, glucksende Geräusche ausstoßend, bedrohlich über ihn beugte.

Eine kochendheiße Zunge, besetzt mit unzähligen wuchernden und eitrig aufplatzenden Warzen, tastete ungeduldig nach seinem jungen Fleisch, begierig, es zu kosten und zu verschlingen. Glibberiger Speichel tropfte von ihr herunter auf seine Haut und verätzte diese mit einem bösartigen Zischen. Vor Angst und Schmerzen wimmernd wich der schwarzhaarige Junge vor dieser Ausgeburt der Hölle zurück, diese öffnete ihr mit rasiermesserscharfen Zähnen bestücktes Maul, in dessen Kiefer auf einer Seite ein großes Loch klaffte, in dem sich schon dicke weiße Maden eingenistet hatten, und stieß ein eigenartig klingendes Gebell und Gejaule mit trommelfellzerspringenden Kreischtönen aus. Entsetzt hielt sich Inuyasha die Ohren zu und kroch anschließend flink zur Tür, um vor diesen Angst und Schrecken einflößenden Kreaturen zu flüchten, doch kaum, dass er diese aufgeschoben hatte, kamen ihm drei noch grausamere Wesen entgegen. Ungläubig starrte er sie an, es waren zwei große und ein kleines, das ihn ganz besonders garstig musterte und seine kleinen, aber furchterregend aussehenden Klauen provozierend knacken ließ. Die beiden großen fielen sofort über ihn her, zerrissen mit ihren Krallen seine Kleidung und weideten sich mit ihrem Geheul an seiner Pein. Tränen der Verzweiflung traten aus seinen Augen, während er versuchte, wenigstens seinen Kopf vor ihren erbarmungslosen Angriffen zu schützen.

>Jetzt ist es passiert<, dachte er traurig. >Nun fallen sie über das Dorf her, diese Leute haben sie mitgebracht, die Dämonen. Und die alte sture Frau wollte es mir nicht glauben. Wahrscheinlich muss sie diesen Unglauben mit ihrem Leben bezahlen, wir alle müssen das jetzt wohl … .<

Als er spürte, wie sie ihm den Bauch aufrissen, vernahm er plötzlich ein leises Weinen. Seine Pupillen weiteten sich vor Entsetzen, als er es erkannte. Das schlafende Mädchen! Aber … gehörte sie denn nicht auch zu diesen Monstern, die ihm gerade den Garaus machten? Das mitleiderregende Schluchzen wurde immer lauter und zeriss dem Jungen fast das Herz. Er hasste es, wenn Mädchen weinten, wieso weinte sie? Doch nicht … wegen ihm? Mit einem Male ließ der Schmerz in seinem Bauch nach, der Griff der Klauen wurde lockerer und das grausame Geschrei dieser Alptraumwesen ebbte ab. Was war nun? Flüchteten sie etwa? War irgendjemand dem Dorf zur Hilfe geeilt und schlug sie nun in die Flucht? Gehetzt sah er sich um, schaute nach oben, um den widerlichen Gesichtern der Kreaturen zu begegnen, doch diese waren zu seinem Erstaunen verschwunden. Stattdessen kniete sich eine verschwommene Gestalt über ihn, rüttelte ihn leicht an beiden Schultern und rief irgendetwas, das er nicht verstehen konnte. Müde sah er sich im Raum um und bemerkte, dass sich noch mehr Gestalten hier eingefunden hatten, die er ebenfalls nicht erkennen konnte. Angestrengt kniff er die Augen zusammen, seine Glieder zuckten, als er plötzlich jemanden seinen Namen rufen hörte. Ganz klar und deutlich hallte es durch das Zimmer, prallte von den Wänden ab und berührte sanft seine zerrüttete Seele.

>Kagome<, dachte er noch sehnsüchtig, als ihn die dunklen Schwingen der Bewusstlosigkeit gnädig umfingen.

„Inuyasha! Inuyasha, wach auf!“

Manamis Stimme klang besorgt, als sie das blasse Gesicht des Jungen musterte, der leblos in ihren Armen hing. Neben ihr standen Miroku und Sango, die Züge der jungen Dämonenjägerin waren vor Schreck verzerrt, als sie ihren Gefährten ansah. Der Mönch drückte fürsorglich ihre Hand, versuchte, sie ein wenig damit zu beruhigen. Vor wenigen Augenblicken waren sie noch draußen gewesen, Sango hatte ihn dafür strammstehen lassen, was er sich wieder erlaubt hatte, als sie die furchtbaren Schreie vernommen hatten. Ohne lange nachzudenken waren sie hineingelaufen, hatten inständig gehofft, dass nichts geschehen war. Und dann … . Der junge Mann mochte gar nicht daran denken, was sich ihnen, als sie hastig die Tür aufgeschoben hatten, gezeigt hatte. Die Frau des Hauses hatte auf dem Boden gekniet, mit aller Kraft, die in ihr innewohnte, hatte sie versucht, Inuyasha, der sich wie wild gebärdete, zu beruhigen. Kratzspuren zierten sein Gesicht, seine rechte Schulter war aufgerissen und blutete heftig, sowie auch eine Wunde am Bauch.

>Woher hat er bloß diese Verletzungen?<, dachte Miroku misstrauisch.

Niemand außer Inuyasha und Kagome waren in diesem Raum gewesen, auch zeugte nichts hier von den Spuren eines Kammpfes.

>Woher also bloß? Hat er sich die etwa …?<, entsetzt hielt er inne und sog zischend die Luft ein, > … selbst zugefügt???<

Ungläubig starrte er in das entsetzlich blasse Gesicht seines Freundes.

>Aber warum sollte er?<

Fragen über Fragen, auf die er keine Antwort wusste. Besorgt sah er zu Kagome hinüber. Das Mädchen kauerte zitternd am Boden und weinte bittere Tränen. Shippo stand neben ihr, streichelte liebevoll ihr Gesicht und versuchte, sie zu trösten, doch dem Kleinen liefen selbst Tränen über die Wangen, als er bemerkte, dass dies seiner großen Freundin nicht wirklich half.

„Was ist denn nur passiert?“, wimmerte der Kitsune und sah mit tränengefüllten Augen zu Inuyasha, der sich noch immer nicht rührte. Manami, die ihre kühle Hand auf seine heiße Stirn gelegt hatte, schüttelte ratlos den Kopf, so dass sich ihr grau-weißes Haar aus dem losen Zopf, den sie sich gebunden hatte, löste und sich weich auf ihre vom Alter gebeugten Schultern legte.

„Ich weiß es auch nicht, Shippo, ich weiß es auch nicht.“

Vorsichtig bettete sie den Körper des Jungen mit Hilfe von Miroku zurück auf seinen Futon, den Sango vorher wieder geglättet hatte. Mit gerunzelter Stirn beobachtete sie Kagome, die nun zusammengekauert an der Wand saß und noch immer weinte. Leise schluchzend hielt sie Shippo im Arm, der sich liebebedürftig an sie gekuschelt hatte. Mit Grauen dachte die alte Frau an den Moment zurück, als sie das Zimmer betreten hatte. Inuyasha war gerade dabei gewesen, sich halb selbst zu zerfetzen, während Kagome starr vor Schreck an der Wand lehnte und entsetzt das Geschehene verfolgte. Mit vor Schmerzen verzerrtem Gesicht hielt sie sich ihren linken Arm, ihr Ärmel war aufgerissen und man sah ganz deutlich, wie sich die zarte Haut darunter bereits bläulich verfärbte. Manami hatte daraufhin versucht, den Jungen zu beruhigen, doch auch sie war von seinem eigenartigen Anfall der Tobsucht nicht ganz verschont geblieben. Mit voller Wucht hatte er sie ins Gesicht geschlagen, ihr rechtes Auge schwoll bereits zu; gleichzeitig nahm ihre rechte Gesichtshälfte eine blau-grüne Färbung an und schmerzte fürchterlich. Doch das war nicht einmal das Schlimmste, die Schmerzen schluckte sie tapfer hinunter. Am meisten hatte die alte Frau der Anblick des Jungen getroffen. Grauen erfüllte sie, als sie an seine Augen dachte. Wie tot hatten diese gewirkt, keinerlei Leben floss mehr durch seine dunklen Pupillen, als sie ihn versucht hatte, festzuhalten. In ihrer Todesangst hatte sie befürchtet, er wäre schon zur Hälfte auf die andere Seite gegangen und im Begriff, diese Welt zu verlassen. Deswegen hatte sie ihn geschüttelt und angeschrieen, um ihn den Klauen der Unterwelt zu entreißen. Seufzend strich sie sich über ihr schmerzendes Gesicht und wandte sich an die jungen Leute; Sango hatte sich zu Kagome hinunter gebeugt und sie tröstend in den Arm genommen.

„Ich denke, es ist besser, wir lassen ihn nun allein.“

Als Kagome protestieren wollte, fuhr sie ihr forsch über den Mund.

„Wir gehen, auch du, Mädchen.“

Es klang verärgert, weswegen die Schwarzhaarige leicht zusammenzuckte. Sofort wurde die Stimme Manamis wieder weich, als sie dies bemerkte.

„Ich wollte ja nur damit ausdrücken, das es besser so ist, wenn er ein wenig alleine bleibt. Wer weiß, was sonst noch geschieht“, erwiderte sie mit einem prüfenden Blick auf Kagomes Verletzungen. >Ich weiß nicht einmal, ob er wieder er selbst sein wird, wenn er aufwacht<, fügte sie in Gedanken hinzu.

Schweren Herzens rappelte sich Kagome auf und fügte sich der Bitte der alten Frau. Mit einem letzten sehnsüchtigen Blick in Richtung des schlafenden Jungen war sie gerade im Begriff das Zimmer zu verlassen, als ein gequältes Stöhnen alle erschrocken herumfahren ließ. Alarmiert stellte sich Miroku vor die beiden Mädchen und legte, zu allem bereit, seine linke Hand an die Gebetskette seiner Rechten, die sein schwarzes Loch versiegelte. Die junge Dämonenjägerin an seiner Seite atmete hörbar ein, als sie dies bemerkte. Erschrocken suchten ihre Augen die ihrer Freundin, die nicht minder entsetzt auf die zitternde Hand des Mönches starrte. Scheinbar wollte er kein Risiko eingehen, sollte es zum Schlimmsten kommen, woran keiner von ihnen denken mochte, würde er seine Freunde und die alte Frau bis zum letzten Blutstropfen verteidigen.

Langsam näherte sich Manami ihrem Schützling, der sich unruhig hin und her warf. Ächzend kniete sie sich neben ihn, strich ihm die schweißnassen Haare aus der glühenden Stirn und betrachtete ihn eingehend. Prüfend legte sie ihre kühle Hand auf die kochendheißen Wangen und erschrak ein wenig. Warum dieses plötzlich aufgetretene Fieber? Hatte das mit seinem eigenartigen und erschreckenden Verhalten zu tun?

Ein leises Seufzen schrak sie aus ihren Gedanken. Mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen bemerkte sie, dass sich die angespannten Gesichtszüge des Jungen glätteten, scheinbar erschien ihm ihre kalte Hand auf seinen Wangen als äußerst angenehm. Mit einem Male begannen seine Glieder zu zucken, er verzog den Mund ein wenig und hob schwach die Augenlider. Sofort veränderte sich der fragende Ausdruck in seinen Augen, seine Pupillen wurden schmal gleich denen einer Katze und ein klagender Laut entrang sich seiner Kehle. Entsetzen erfüllte das Herz der alten Frau, als sie den Jungen so sah. Ohne lange zu überlegen, drückte sie ihn fest an sich, strich beruhigend über seinen Kopf, der heftig hin und her zuckte und flüsterte eingehend seinen Namen. Hinter der alten Frau hatte Sango erschrocken ihre Hand in Mirokus Arm gekrallt, der das mehr als nur genoss, während Shippo in Kagomes Arme gesprungen war und wimmernd seinen Kopf an ihren Hals gelegt hatte. Dem Mädchen war jedoch gerade selbst danach, dass sie jemand schützend in den Arm nahm, sie spürte mit wachsendem Schrecken, wie wackelig sie auf den Beinen stand und diese drohten, unter ihr wegzuknicken. Miroku schob die Mädchen langsam zur Tür, als er einen protestierenden Laut hinter sich vernahm.

„Nein, ich will hier bei ihm bleiben, bitte“, wisperte Kagome ihm zu, begegnte jedoch einem ernsten und strengen Blick.

„Ich glaube nicht, dass das gut für dich ist. Manami-san hat recht, wir sollten gehen.“ Fordernd schob er sie weiter, doch Kagome begann sich zu wehren. Verbissen kämpfte sie dafür, hier zu bleiben.

„Nein, Miroku-sama, bitte!“

Flehend sah sie ihn an, doch er blieb hart. Unbarmherzig schüttelte er den Kopf und bugsierte sie leicht grob zur Tür, so dass sie aufquietschte, als ihr verletzter Arm sich daran stieß. Nun meldete sich Sango leicht entrüstet zu Wort und fuhr den ihr so vertrauten Mönch barsch an.

„Sag mal, Houshi-sama, was tust du da? Pass doch gefälligst ein wenig auf!“

Zerknirscht sah der junge Mann zu Boden, als er die wütende Stimme seiner doch sonst so süßen Dämonenjägerin vernahm.

„Ich ... äh ... das habe ich doch gar nicht gewollt, tut mir leid, Kagome-sama. Ist dein Arm okay?“

Sofort machten sich seine Hände an ihrer seidigen Haut zu schaffen und strichen prüfend über die verletze Stelle.

„Du Lüstling!!!“

Mit einem lauten Krachen machte Sangos Hiraikotsu wieder einmal Bekanntschaft mit dem allmählich Schmerzen gewohntem Kopf des jungen Mannes, der mit einem stöhnenden „Was habe ich denn jetzt schon wieder getan“ in die Knie ging. Kagome glotzte ihre Freunde fassungslos an und wusste nicht so recht, ob sie jetzt lachen oder weinen sollte, während sich Shippos Lippen zu einem mehr oder minder gequälten Grinsen verzogen.

Leise lachend betrachtete Manami die kleine Gruppe und schüttelte den Kopf. Beruhigt stellte sie fest, dass sich der verkrampfte Körper Inuyashas langsam entspannte. Behutsam löste sie den Griff um seinen Oberkörper und wollte ihn vorsichtig auf sein Lager zurücklegen, als sie erstaunt innehielt. Seine dunklen Augen musterten sie angstvoll und zogen sich schmerzerfüllt zusammen, als sie die verletzten Stellen in ihrem Gesicht bemerkten. Eine verschwitzte, überwärmte Hand legte sich an ihre blauverfärbte Wange und strich sorgsam darüber. Als sich diese ihrem zugeschwollenen Auge näherte, zuckten seine Finger erschrocken zurück.

„Manami-baba ... .“

Seine zitternde Stimme ließ ihr leidgeprüftes Herz fast in tausend Stücke zerspringen, aus seinen Augenwinkeln traten plötzlich ernst gemeinte Tränen, die sie beinahe selber aufschluchzen ließen.

„Das ... bin ich ... gewesen, nicht wahr?“

Wie eine Mutter, die ihr Kind beschützen wollte, schloss sie ihn erneut in die Arme, um zu verhindern, dass er weiterhin ihre verletzten Stellen im Gesicht anstarrte. Sein schlanker, drahtiger Körper bebte an ihrem Leib, sie fühlte, dass er den Kopf hob und in eine bestimmte Richtung sah. Als sie es bemerkte, war es bereits zu spät.

„D-das .. war ich auch, oder?“, stammelte er, während er mit seinem Finger auf Kagomes linken Arm zeigte. Die Freunde hatten innegehalten, nachdem ihnen zum ersten Mal nach diesem schrecklichen Ereignis die Stimme ihres Gefährten zu Ohren gekommen war. Bestürzt sahen sie ihn an; Miroku hatte seine Hand von der Gebetskette genommen und hielt Sango in seinen Armen, die haltlos zu schluchzen begonnen hatte. Sein Freund schien zu wissen, was geschehen war, was er getan hatte und litt nun Höllenqualen. Der Kopf des jungen Mönches ruckte zu Kagome hinüber, die zur Salzsäule erstarrt an der Tür lehnte. Stumm liefen dem Mädchen einige Tränen über die blass gewordenen Wangen; der kleine Fuchsdämon, der mittlerweile auf ihrer Schulter Platz genommen hatte, da er sonst während des vorangegangenden Gerangels erdrückt worden wäre, betrachtete seine große Freundin traurig. Inuyashas Schicksal schien ihr sehr nahe zu gehen, doch sie musste auf sich Acht geben, sonst würde sie irgendwann an der unendlichen Traurigkeit, die seit seinem mysteriösen Ableben ihre Seele betrübte, wie eine heruntergefallene Vase zerbrechen.

„Wa-was hab … ich nur getan?“

Seine geschockte Stimme brach sich an den Wänden und hinterließ bei jedem Anwesenden einen eisigen Schauer auf dem Rücken. Hilflos schmiegte sich der schwarzhaarige Junge an die alte Frau und vergrub sein tränenüberströmtes Gesicht in ihrer Kleidung.

„Psst, ist ja gut“, versuchte sie ihn zu beruhigen und strich ihm sanft über seinen bebenden Rücken. „Es ist ja nichts Ernsthaftes passiert, wie du siehst. Kannst du dich daran erinnern, was geschehen ist? Warum … .“ Sie suchte nach den richtigen Worten, fand aber keine passenden. „ … das geschehen ist?“

Behutsam drückte sie ihn ein wenig von sich weg und sah ihn fragend an. Aus glasigen Augen blickte er ängstlich umher, sein Blick traf den der alten Frau und streifte die jungen Leute, die sich keinen Zentimeter von der Tür wegbewegt hatten. Als er in die Augen des jungen Mädchens mit der seltsamen Kleidung sah, wurde sein glasiger Blick mit einem Male klar wie manche Vollmondnächte im Sommer. Stotternd begann er zu berichten.

„Ich … da waren plötzlich … grauenerregende Kreaturen in meinem Zimmer. Sie wollten mich angreifen, da … da … habe ich mich gewehrt, aber … es waren gar keine … Monster, nicht wahr? Das … das … ward … ihr, oder?“

Verwirrt griff er sich an den Kopf, alles drehte sich. Kagome spürte einen bitteren Kloß im Hals, als sie ihn beobachtete. Zu gerne würde sie jetzt zu ihm eilen und ihn tröstend in die Arme schließen, doch sie wusste, dass dies nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Mit zitternder Stimme fuhr er fort.

„Die Verletzungen … das bin … doch ich gewesen, oder? Das … das habe ich … nicht ge-gewollt. Wie-wieso … ist das nur … passiert?“

Erneut begann sein ganzer Körper zu zucken, wie ein gejagtes Tier sah er sich um, die Gesichter der Personen in diesem Raum begannen sich bereits wieder unheimlich zu verändern und angsterfüllt schrie er auf.

„Nein, NEIN! Bitte … nicht schon wieder! Geht fort! Lasst mich in Ruhe!“

Aus lauter Verzweiflung begann er mit den Armen um sich zu schlagen, doch Manami reagierte schneller, als man es einer Frau in ihrem Alter zugetraut hatte. Sofort hatten sich ihre von Arthritis befallenen Hände um die schlanken Handgelenke Inuyashas gelegt und hielten diese wie eine Zange umklammert. Erschrocken hob dieser den Kopf und blickte in das von Falten zerfurchte Antlitz der alten Dame. Ihre Stimme klang sanft und liebevoll, als sie zu ihm sprach.

„Junge, ich bin keines der Monster, das du siehst. Ich bin´s, deine Manami-baba.“ Langsam, als sie merkte, dass sein Widerstand etwas brach, ließ sie seine Handgelenke los. „Weißt du noch“, fuhr sie fort, „als ich dich gefunden habe? Du warst ganz alleine dort draußen im Wald, konntest dich an nichts erinnern, nicht einmal an deinen Namen. Da habe ich dich mitgenommen in mein Dorf und dir versprochen, dass du solange bei mir bleiben kannst, bis du dich wieder daran erinnerst, wer du bist und wo du herkommst.“ Ein paar Tränen tropften auf sein fiebriges Gesicht, als sie weitererzählte. „Und ich werde dich auch nicht fortjagen, obwohl du dir mit einer alten Frau einen wirklich nicht schlechten Kampf geliefert hast. Und das Mädchen dort“, sie zeigte auf Kagome, auf deren Gesicht sich ein weiches Lächeln zeigte, „auch sie wird dich nicht dafür verurteilen, was geschehen ist, mein Junge. Also, komm wieder zurück zu uns, es gibt keine Monster, die dir etwas Böses wollen. Hier sind nur die, die dich lieben.“

Mit großen Augen starrte er sie an, sein Mund öffnete sich und wollte etwas sagen, brachte aber nur ein mitleiderregendes Krächzen hervor und er schaute etwas dumm aus der Wäsche, als sich ein runzeliger Finger auf seine Lippen legte.

„Schon gut, du brauchst nichts darauf zu erwidern. Ich möchte nur, dass du dich hier sicher fühlst und uns nicht als deine Feinde betrachtest.“

Verständnisvoll lächelnd strich sie ihm durch das lange Haar und drehte sich verwundert um, als sie plötzlich ein herzergreifendes Schniefen hinter sich vernahm.

Kagome und Sango glaubten ihren Augen nicht zu trauen, als sie über alle Maßen überrascht verfolgten, wie sich der junge Mönch, der noch vor einigen Minuten ihren mutigen Beschützer gespielt hatte, nun schluchzend die kleinen Tränchen aus den Augenwinkeln wischte. Leicht belustigt starrten sich die Freundinnen an und kamen nicht daran vorbei, ein hämisches Grinsen über ihre hübschen Lippen huschen zu lassen.

„Ach, ist das nicht schön?“, schniefte Miroku vor ihnen und pustete kräftig in ein viel zu großes Taschentuch, welches er geschickt aus seinem Gewand gefingert hatte. „Wenn sie jetzt noch ein paar Jahre jünger wäre, würde ich gerne mit Inuyasha tauschen.“

Ein riesiger Schatten erschien nach diesen Worten über seinem Haupt und senkte sich mit überirdischer Schnelligkeit und Zielsicherheit. Ein leicht hohl klingendes Geräusch war zu hören, bevor der junge Geistliche mit einem Stöhnen auf die Knie sank und um seinen Kopf eine ganze Armee von wütenden Sangos tanzte.

„Ich habe das doch gar nicht so gemeint …“, quälte es sich aus seinem Mund, doch die hübsche Dämonenjägerin wollte davon nichts mehr hören und zeigte ihm provozierend erneut ihren Knochenbumerang, der schlagbereit in ihren Händen lag.

„Oh nein, bitte nicht“, jammerte er unterwürfig. „Du bist doch die einzige Frau, die ich wirklich begeh …aua.“

Mit einem „Warum nur immer ich“ fiel er mit dem Gesicht voran zu Boden und blieb dort reglos liegen.

„Der lernt das, glaub ich, nie.“

Verständnislos mit dem Kopf schüttelnd betrachtete Shippo den Mönch von Kagomes Schulter aus.

„Entschuldigt bitte, Manami-san, Inuyasha, aber ich musste hier eben erst einmal meinen Standpunkt klären.“

Höflich verbeugte sich Sango vor der alten Dame und ihrem Schützling, der alle etwas verwirrt musterte. Manami erwiderte ihre Verbeugung mit einem leichten Kopfnicken.

„Du brauchst dich dafür nicht zu entschuldigen, Sango-chan. Manchen Männern kann man es halt nur auf eine Art und Weise klarmachen und bei euch scheint es leider die schmerzvolle zu sein.“ An alle gewandt fuhr sie fort: „Ich möchte euch bitten, mich nun mit Inuyasha alleine zu lassen. Geht und lasst euch von meinen Dienern etwas zu Essen bringen.“

Wirklich glücklich fühlte sich Kagome nicht, als sie die Bitte der alten Frau vernahm, doch Sango schob sie bereits bestimmt Richtung Flur und Shippos Magen knurrte recht laut neben ihrem Ohr, als der Kleine das Wort „Essen“ vernommen hatte.

„Komm, Kagome. Es ist besser, wir lassen sie jetzt wirklich alleine. Es wird nichts mehr geschehen, Manami hat alles unter Kontrolle. Und außerdem sollten wir uns mal deinen Arm ansehen und …“, sie zögerte und sah nach unten, „ … vielleicht auch Houshi-samas Kopf. Ich glaube, ich war etwas zu grob zu ihm.“

Zerknirscht sah sie auf den schwarzhaarigen Schopf des Mönches, der wie ein gefällter Baum der Länge nach auf dem Boden lag. Mit beiden Händen packte sie ihn hinten am Kragen und zog ihn keuchend aus dem Raum hinter sich her.

„Na, komm schon, mach dich nicht so schwer“, ächzte sie, als sie ihn über den Boden schleifte und den Bediensteten, die für die Reinigung des Hauses zuständig waren, somit das Fegen des Flures abnahm. Kagome folgte den beiden mit gemischten Gefühlen, sie wäre lieber bei Inuyasha geblieben, um zu erfahren, was ihn so heftig hatte reagieren lassen. Ihr war wirklich Angst und bange geworden, als der Junge scheinbar vollkommen die Kontrolle über sich verloren hatte und sie mit voller Wucht an die Wand gestoßen hatte. In Gedanken verfluchte sie den Tag, an dem sie auf den Dämon getroffen waren, der ihr aller Leben komplett durcheinander gewirbelt hatte.

Manami seufzte schwer, nachdem die jungen Leute, vor allem Kagome, etwas widerwillig den Raum verlassen hatten. Sie brauchte ein wenig Zeit mit dem Jungen alleine, zu sehr brannten ihr einige Fragen auf den Lippen, auf die sie Antworten benötigte. Erschöpft saß ihr Schützling neben ihr, sein ungeklärter Panikausbruch hatte ihm einiges an Kraft gekostet. Schlaff hingen seinen Schulter herab, die Hände lagen nutzlos in seinem Schoß. Betrübt starrte er noch immer auf die Tür, durch die vor wenigen Augenblicken das Mädchen gegangen war, welches er am Arm verletzt hatte. Obwohl er sie nach seiner festen Überzeugung nicht kannte, schmerzte ihn die Tatsache, dass er der Übeltäter dieser unschönen Angelegenheit war, sehr. Ihre Augen hatten so unendlich traurig gewirkt, als sie ihm noch einen letzten Blick zugeworfen hatte, bevor sie das Zimmer verließ.

„Inuyasha … .“

Die vertraute Stimme Manamis wirbelte seine Gedanken durcheinander und ließ ihn den Kopf heben. Trotz allem er diesen seltsamen Namen nicht als sein eigen betrachtete, reagierte er darauf, als hätte er diese Anrede nun akzeptiert.

>Gut so<, dachte die alte Frau. Wenigstens ein Anfang. Erwartungsvoll sah er sie an, wartete auf den Grund, weswegen sie die jungen Leute herausgeschickt hatte.

„Was ist da draußen geschehen, Junge?“, kam sie gleich, ohne Umschweife, zur Sache. Erstaunt zog er die Stirn kraus, hatte er doch angenommen, sie würde ihm verraten, was denn so geheim wäre, das sie es ihm alleine sagen wollte und nun so eine seltsame Frage.

„Ich … wie meinst du das?“

Nun war es an ihr, überrascht zu reagieren. Konnte er sich etwa an nichts mehr erinnern?

„Du weißt doch bestimmt noch, wie ich dir versucht habe zu erklären, wer dieser Youkai außerhalb unseres Dorfes ist.“

Absichtlich machte sie eine längere Pause, um zu prüfen, ob sich der Junge daran entsinnen konnte.

Inuyasha wusste noch alle Details dieses Gespräches, dieser Youkai sollte angeblich mit ihm verwandt sein? So ein Blödsinn! Aber er wollte sich hier und jetzt nicht auf einen Streit mit der alten Hausherrin einlassen, er spürte, dass sie etwas ganz anderes bezweckte. So beließ er es nur bei einem stummen Nicken und forderte sie damit auf, weiter zu berichten. Manami faltete die Hände vor dem Bauch und holte tief Luft.

„Nun gut, danach bist du weggelaufen, wohin direkt weiß ich nicht. Kagome hat dich später unter diesem alten Baum am Rande des Dorfes gefunden, bewusstlos.“

Nachdem Manami diesen Namen ausgesprochen hatte, zuckte der Schwarzhaarige kaum merklich zusammen. Aufs Äußerste konzentriert ballte er die Fäuste, versuchte sich krampfhaft daran zu erinnern, was sich zugetragen hatte, im Anschluß an sein fast fluchtgleiches Verschwinden. Doch jedes Mal, wenn die in sich verstrickten Bilder ein Ganzes zu bilden versuchten, huschte etwas, gleich einem Windhauch, durch sie hindurch und wirbelte alles wild durcheinander, so dass es für den Jungen keinen Sinn ergab, was sich vor seinem gedanklichen Auge auftat.

Gespannt verfolgte die alte Frau seine Anstrengung, die scheinbar verlorenen Erinnerungen aus seinem Gedächtnis abzurufen. Ihr schauderte ein wenig, als sie daran dachte, dass er nun schon Dinge vergaß, die sich unlängst ereignet hatten. Sie hoffte, dass seine Form von Gedächtnisverlust sich nicht noch über die normalen Grenzen hinweg ausbreitete.

Doch so schnell wollte sich Inuyasha nicht geschlagen geben. Es reichte ihm schon, dass er sich an seine Vergangenheit nicht mehr erinnern konnte und nun verlor er bereits die Verbindung zu Ereignissen, die noch nicht einmal einen Tag alt waren. Verbissen ließ er die Geschehnisse der letzten Stunden revue passieren. Da war der lautstarke Streit mit seiner Mamami-baba, der ihm irgendwie schon wieder leid tat, aber die Geschichte mit dem Youkai würde er ihr niemals abkaufen, egal, wie sehr er sie auch liebte und achtete.

Dann der Weg raus aus dem Dorf, an den Rand, wo schon fast die Felder begannen. Dort stand sein Baum, stark wie ein Fels in der Brandung, unerschütterlich, uralt. Seine weit ausgreifenden Äste waren für Inuyasha wie tröstende Arme, die einen, wenn man Kummer litt, mitfühlend in Empfang nahmen. Ob das der Grund war, weswegen er diesen Ort so häufig aufsuchte? Wenn er auf den starken, beschützenden Ästen des Giganten saß, breitete sich ein nie gekannter Frieden über seiner Seele aus. Konzentriert ließ er in Gedanken seine Augen umherwandern, blickte von oben auf das Dorf herab, in dem ein geschäftiges Treiben herrschte; ein Bauer hatte sein Kämpfen mit seinem Rind, welches störrisch am Strick zog, als ob es die ihm drohende Schlachtung ahnte, Kinder spielten zwischen den Häusern, tollten schreiend umher, spielten Fangen und Verstecken, miteinander tuschelnde Frauen standen an ihren Hauseingängen und wurden vor Verlegenheit rot, als ein gutaussehender junger Mann keck winkend an ihnen vorbeiging.

Alles war still und friedlich, was sollte also geschehen sein, was ihn in solch einen Schockzustand versetzt hatte? Plötzlich blieb sein Blick an den verkohlten Überresten der Hütte hängen, die sich direkt vor seinem Versteck befanden und wie ein drohender Schatten aus dem behüteten Leben dieses Ortes herausstachen. Er fühlte, wie sein Herz begann, schneller zu schlagen, umso länger er sich damit beschäftigte. Scheinbar war diese Hütte nicht wirklich groß gewesen, ärmlich musste sie ausgesehen haben, bevor man sie niedergebrannt hatte. Niedergebrannt hatte ... . Niedergebrannt hatte?! Vor Schreck riss er die Augen auf, so plötzlich, dass die alte Frau, die noch immer neben ihm saß und ihn die ganze Zeit über beobachtet hatte, erschrocken zusammenzuckte. Ihre besorgt klingende Frage, ob alles in Ordnung sei, nahm er überhaupt nicht mehr wahr, so sehr war er von dieser grausamen Erkenntnis gefangen genommen worden. Geschockt nahm er mit einem Male den Geruch von Verbranntem war, hörte angsterfüllte Schreie und das Zischen und Knistern der Flammen, welche nur die Zerstörung kannten. Bilder zuckten durch seinen Kopf, immer mehr und immer schneller schossen sie durch seine Gedanken, doch immer, wenn er davon überzeugt war, etwas darauf zu erkennen können, zerfielen sie zu Staub und rieselten durch seine hilflos ausgestreckten Hände. Ihm war so, als stände er vor einer verschlossenen Tür, hinter der die Antwort auf alle seine Fragen lag und so sehr er auch an ihrem Griff rüttelte, würde sie nicht die Barmherzigkeit besitzen, sich zu öffnen. Resigniert wollte er schon aufgeben, als er plötzlich die weinende Stimme einer jungen Frau vernahm. Seine Augen ruckten zu der vor wenigen Augenblicken noch verschlossenen Tür, die nun zu seinem Erstaunen sperrangelweit aufstand und ein Bild des Grauens zeigte. Eisige Schauer liefen ihm über den Rücken, als er die wütende Flammenhölle hinter der schlichten Holztüre entdeckte. Seine Pupillen weiteten sich vor Entsetzen, als eine fast durchsichtige Hand zwischen den am Rahmen leckenden Feuerzungen sichtbar wurde, die sich hilfesuchend vorantastete. Kaum hörbar vernahm er wieder diese Stimme, sie rief verzweifelt etwas, dass er jedoch nicht verstehen konnte. Angestrengt spitzte er die Ohren, doch die leisen Schreie verloren sich in dem hämischen Zischen der Flammen, die ihm heiß und unangenehm auf dem Gesicht brannten. Schutz suchend stolperte er einige Schritte nach hinten und hielt sich den Arm vors Gesicht, als die Stimme plötzlich an Stärke zunahm. Und was sie sagte, ließ den Jungen vor Grauen erstarrten.

„Inuyasha .... mein Kleiner ...“

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Hallo, Ihr Lieben!
 

Ohne große Worte hier nun das nächste Kapitel zu "Dämonenseelen", bin gerade total im Renovierungsstress und habe mir gedacht, jetzt lädtst du es schnell hoch, bevor mein PC für einige Tage durch das Neustreichen der Wände abgebaut werden muss.

Ein fettes Dankeschön wieder an meine treuen Leser *knutsch*, Ihr seid echt die Besten und ich freue mich jedes Mal über Eure lieben Kommis.

Tja, der arme Inuyasha muss noch ein wenig weiterleiden, bevor ... nein, das wird hier noch nicht verraten ^-^

Viel Spaß beim Heulen, äh, Lesen wünscht Euch Eure Mariko!
 

10. Kapitel: Die Hoffnung stirbt zuletzt
 

Mit wachsendem Schrecken stellte er fest, dass sich zwischen der an Intensität zunehmenden Flammenhölle eine junge, wunderschöne Frau befand. Ihr durchsichtiges langes, schwarzes Haar wirbelte wie in einem tobenden Sturm auf und nieder, während ihr blasses, tränenüberströmtes Gesicht ihn flehend ansah.

„Flieh, mein Junge ... geh ... und ... lebe ...“ Sie streckte beide Arme aus, als wolle sie ihn an sich drücken und nie wieder loslassen. Inuyasha blickte sie entsetzt an und fühlte, wie ihm selbst Tränen über die Wangen liefen, Tränen, die er sich nicht erklären konnte. Ein Lächeln huschte plötzlich über ihre Lippen, welches sie noch schöner erscheinen ließ, als sie es ohnehin schon war.

„Geh mit ihm, mein Sohn. Er wird dich beschützen, immer. Ich kann es nun nicht mehr.“

Ihre letzten Worte wurden fast durch das aggressive Fauchen und Kreischen des Feuers verschluckt, doch Inuyasha hatte alles vernommen, was sie ihm hatte anvertrauen wollen. Am ganzen Körper zitternd streckte auch er nun beide Hände aus, näherte sich ohne Angst dem lodernden Inferno und griff mit einem schmerzerfüllten Laut in die nach ihm leckenden Feuerzungen hinein. Das Gesicht der jungen Frau verzog sich vor Entsetzen, als sie bemerkte, was er vorhatte.

„Nein, tu das nicht! Folge mir nicht dahin, von wo du nicht mehr zurückkehren kannst!“ Panisch verfolgte sie, wie das Feuer nach dem Jungen griff, um ihn, genau wie sie, zu besitzen. Mit Tränen in den Augen begann sie, sich aufzulösen. Inuyasha stieß einen gequälten Schrei aus, als er dies bemerkte. Sofort streckte er seine Hände nach den ihren aus und versuchte sie festzuhalten. Worte verließen seinen Mund, deren Herkunft er sich nicht erklären konnte.

„Kaa-san!!! Geh nicht fort! Lass mich nicht schon wieder alleine!!!“

Immer wieder griff er nach ihren Händen, doch die seinen rutschten einfach durch die ihren hindurch, wie eine Truggestalt begann sie, sich aufzulösen. Mit einem verständnisvollen Lächeln blickte sie ihn an.

„Du bist nicht allein, mein Junge, du hast deine Freunde. Sie werden immer für dich da sein, auch jetzt.“

Ihre Worte waren nicht mehr als ein Windhauch, der kühl über sein überhitztes Gesicht hinwegstrich. Verzweiflung umklammerte sein Herz, als sie vor ihm in den tobenden Flammen verschwand.

„Nein! Kaa-san! KAA-SAN!!!“

Entschlossen versuchte er, ihr zu folgen, doch plötzlich schoss ein Schmerz, gleich einem alles vernichtenden Blitz durch seinen Kopf und ließ ihn schmerzerfüllt aufstöhnen. Ein kräftiger Stoß traf seinen gepeinigten Körper und beförderte ihn hinaus aus der Flammenhölle. Keuchend kniete er vor der Tür, die mit einem Male laut knallend ins Schloß fiel. Sofort quälte er sich auf die Beine und hämmerte wie ein Wilder gegen das spröde Holz, welches sich unnatürlich kalt unter seinen geballten Fäusten anfühlte, hatte sich doch gerade genau dahinter ein loderndes Inferno abgespielt. Mit allen ihm noch verbliebenden Kräften rüttelte er an dem Griff, doch es war zwecklos, diese Tür blieb für alle Zeiten verschlossen. Schluchzend sank er daran hinab, versuchte, das Antlitz der Frau in seinen Erinnerungen zu verschließen, damit es ihm nicht erneut abhanden kam, doch er spürte entsetzt, wie ihr wunderschönes Gesicht bereits zu bröckeln begann.

„Nein, nein“, wimmerte er. „Nimm sie mir nicht schon wieder.“

Weinend vergrub er sein rußgeschwärztes Gesicht in denen von Brandwunden übersäten Händen, welche die ihren nicht mehr hatten erreichen können. Umso mehr er versuchte, sich an ihre Erscheinung zu erinnern, umso stärker schlugen die erbarmungslosen Kopfschmerzen zu, die seine Gedanken nun vollkommen ausfüllten und keinen Platz mehr für das eben Erlebte ließen. Stöhnend fiel er zur Seite und hielt sich die schmerzen Schläfen. Wie aus einem grauen, undurchdringlichen Nebel drang plötzlich eine vertraute Stimme an sein Ohr, die ihn aufblicken ließ. Alles um ihn herum verschwand und machte einer anderen Umgebung Platz, aus der ihn zwei kastanienbraune Augen sorgenvoll musterten.

Manami hatte mit wachsendem Erstaunen Inuyashas verzweifelten Versuch, sich zu erinnern, verfolgt. Doch irgendwann hatte sein Gesicht einen seltsam starren Ausdruck angenommen; fast schien es ihr so, als hätte er einen kleinen Ausflug zurück zu den letzten vergangenen Stunden unternommen. Geduldig hatte sie abgewartet, was geschah, vielleicht würde er sich wieder erinnern, war ihr Hoffnung gewesen. Aber dann war etwas passiert, was sie vor Schreck hatte erstarren lassen. Der Junge hatte sich quer durch das Zimmer bewegt, dabei Dinge gesagt und geschrieen, die sie aufs Höchste entsetzt hatten. Jedoch war das nicht einmal das Schlimmste gewesen, was sich genau vor ihren Augen abgespielt hatte. Ungläubig hatte sie verfolgt, wie das lange Haar ihres Schützlings plötzlich durch ein unsichtbares Feuer angesengt wurde, seine Hände ebenfalls Verletzungen aufwiesen, die nach Brandwunden aussahen und sein Gesicht durch unzählige Rußflecken gekennzeichnet war. Taumelnd war er zusammengebrochen und hing nun vor Schmerzen stöhnend in ihren rechtzeitig ausgestreckten Armen. Behutsam strich sie ihm die schweißnassen Haare aus der kochendheißen Stirn, seine Haut brannte unter der ihren wie ein unbändiges Feuer. Doch es war kein Fieber, welches in ihm tobte, es war ein Kampf, ein Kampf um sein wahres Leben, sein wahres Ich.

„Kaa-san … .“

Seine krächzende Stimme brach, als er den Kopf hob und in das liebevolle Gesicht der alten Frau blickte. Er fühlte ihre angenehm kühlen Hände auf seiner brennenden Haut und schloss stöhnend für einen Moment die Augen.

Obwohl in seinem Inneren ein Inferno loderte, zitterte der Junge am ganzen Körper, wie Manami mit einem besorgten Stirnrunzeln feststellte. Liebevoll wiegte sie ihn wie ein kleines Kind hin und her, flüsterte sanft beruhigende Worte in sein Ohr und wartete ab, bis sich seine Muskeln entspannten. Lächelnd musste sie dabei an ihre schon längst erwachsene Tochter denken, wie gerne hatte sie diese stundenlang im Arm gehalten und furchtbar ungern an die Ammen abgegeben, die sich größtenteils um das damalige kleine Mädchen gekümmert hatten. Seit sie den Jungen im angrenzenden Wald gefunden hatte, verwirrt und hilflos wie ein neugeborenes scheues Reh, war sie aufgeblüht wie eine Rose, die das Leben spendende Licht nun zum ersten Mal seit langem genossen hatte. Er hatte ihr das zurückgegeben, was ihr selbst als kleines Kind und auch lange noch als erwachsene Frau verwehrt worden war – Liebe. Voller mütterlicher Zuneigung drückte sie ihm einen lieb gemeinten Kuss auf die nasse Stirn, wobei er spitzbübisch die Nase kraus zog. Seine Augenlider begannen zu flattern und schon wurde sie aus zwei verwundert dreinblickenden onyxfarbenden Sehorganen angestarrt. Verwirrt sah er sich im Raum um, bis seine Augen wieder die ihren trafen.

„Manami-baba … was ist passiert?“ Erschrocken besah er sich seine mit blutenden und nässenden Wunden überzogenen Hände, fühlte die enorme Hitze, die sein Körper abstrahlte.

„Wieso …?“ Hilflos suchte er nach einer Antwort auf seine drängende Frage, aber da war nichts, rein gar nichts. Sein Kopf war leer, wie die Bäume im Spätherbst, kahl gefegt vom strengen Nordwind. Plötzlich huschte das Antlitz eines Mädchens durch seine Gedanken.

„Wo ist Kagome?“, fragte er hastig. „Geht es ihr gut?“

Manamis Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, so dass die feingliedrigen Falten tiefe Furchen in ihrem Gesicht bildeten, als sie den Namen des Mädchens aus seinem Mund erklingen hörte.

„Sie ist ganz in der Nähe und keine Sorge, ihr geht es gut. Ich kann sie holen lassen, wenn du es möchtest.“ Sein eifriges Kopfnicken ließ sie schmunzeln, doch sofort wurde sie wieder ernst.

„Du kannst dich an nichts erinnern?“, fragte sie fast beiläufig, als sie sich langsam erhob und auf die Tür zuging.

„Nein“, erwiderte er nach einen kleinen Pause tonlos. „Jedes Mal, wenn ich es versuche, fühlt es sich so an, als würde mir jeden Moment der Kopf platzen.“ Traurig senkte er sein Haupt und sah betrübt zu Boden.

„Was ist los mit mir? Wieso verschwinden bestimmte Dinge sofort aus meinen Erinnerungen? Möchte es jemand nicht, dass ich mich an alles wieder entsinne?“ Seine jugendlich geschnittenen feinen Züge strahlten Bitterkeit aus, seine Hoffnung auf sein vorheriges Leben schwand mit jeder Enttäuschung, die er durchmachen musste. Sofort eilte sie zu ihm, legte ihre von Arthrose geplagten Hände auf seine starken Schultern und drückte ihn nach einem Moment des Schweigens an sich. Ihre ruhige, leicht raue Stimme klang wohltuend in seinen Ohren, als sie das Wort ergriff.

„Ich weiß es selbst nicht, mein Junge, ich weiß es selbst nicht. Aber du darfst die Hoffnung nicht aufgeben, ich tue es auch nicht. Jeden Tag bete ich dafür, dass du dich wieder an alles erinnerst, an deine Familie, an dein Leben und auch an deine Freunde.“

Sein Mund öffnete sich, um etwas dagegen zu sagen, doch sie ließ ihn absichtlich nicht zu Wort kommen.

„Mir ist bewusst, dass du ihnen nicht traust und sie nicht als deine Freunde ansiehst, aber bitte, sei nicht mehr so hart zu ihnen. Akzeptiere sie an deiner Seite, irgendwann wird sich dir die Wahrheit über sie offenbaren.“

Ein kaum merkliches Kopfnicken seinerseits entspannte die Lage ein wenig. Vorsichtig drückte sie ihn von sich weg und stand auf.

„Manami-baba?“

„Ja?“

Verlegen druckste Inuyasha herum, bevor er seine Bitte vortrug.

„Kannst du sie alle hierher holen? Ich habe ihnen etwas zu sagen.“

Ein erleichtertes Lächeln entspannte ihre Besorgnis ausdrückenden Gesichtszüge und ließ sie gleich um mehrere Jahre jünger erscheinen.

„Das werde ich gerne tun.“
 

„Autsch!“ Ein schmerzerfülltes Zischen huschte durch die zusammengepressten Lippen Kagomes, als Sango ihr einen Verband, den sie vorher in eine Heilkräutertinktur getaucht hatte, um den linken Arm und ihre Hand wickelte. Entschuldigend lächelte die junge Dämonenjägerin ihre Freundin an und befestigte den Verband mit einem kleinen Knoten. Anschließend betrachtete sie ihr Werk kritisch, in dem sie einen Schritt zurücktrat und dabei den Kopf ein wenig schief legte.

„Tut mir leid, Kagome. Aber er muss schließlich halten und die Tinktur kann dadurch besser einziehen, wenn der Verband etwas straffer ist.“ Sorgsam wischte sie ihre Hände, an denen das nicht gerade angenehm riechende Zeug klebte, an einem Tuch ab, rümpfte leicht angewidert die Nase und warf es vorsorglich in eine Ecke.

„Ist schon gut, Sango-chan. Ich bin ja froh, dass du mich verarztet hast, die Tinktur brennt nur ziemlich, das ist alles“, erwiderte Kagome, während sie sich vorsichtig den Ärmel über ihren frisch gewickelten Arm zog. Shippo, der vor kurzem noch halb teilnahmslos am Fenster gesessen hatte, huschte flink auf ihren Schoß und drückte sich liebebedürftig an sie. Lächelnd legte das Mädchen ihre andere Hand auf seinen rotbraunen Schopf und kraulte ihn hingebungsvoll, so dass nach einger Zeit ein zufriedenes Schnurren von ihm zu hören war. Grinsend beobachtete Sango die beiden, als Kirara plötzlich miauend um ihre Beine strich und abwechselnd mit ihren großen Augen das Mädchen mit dem Fuchsdämon und ihre erstaunt dreinblickende Herrin fixierte. Sango musste lachen, als sie die verzweifelten Bemühungen der kleinen Katze beobachtete, auch ein wenig Liebe von der jungen Frau zu erhaschen.

„Was ist denn das?“, fragte sie, als sie ihre treue Gefährtin in die Luft hob und sich diese gleich an ihren warmen Körper kuschelte. „Sind wir heute alle schmusebedürftig?“ Sanft kraulte sie die Dämonenkatze unter dem Kinn, welche sofort genussvoll die Augen schloss und ein tiefes Schnurren durch ihre Stimmbänder erklingen ließ.

„Ich will auch ...“, erklang eine markante Stimme hinter ihnen und ein schmerzerfülltes Stöhnen folgte, als sich die zugehörige Person mit einem Ruck aus der Rückenlage aufsetzte und halb wieder zurücksank, als Dutzende bunter Sterne vor ihren Augen explodierten.

Die Köpfe der Mädchen ruckten herum und ihre teils bersorgten, teils belustigt wirkendenden Blicke lagen auf dem jungen Mönch, der die Zwei mehr und weniger zerknirscht anstarrte und sich mit verzogener Miene den noch immer schmerzenden Hinterkopf hielt. Sango sah ihn warnend an, denn sie hatte seinen Spruch wohl deutlich vernommen, woraufhin er sich ängstlich wie ein unterwürfiger Hund duckte. Aber irgendwie tat er ihr auch ein wenig leid, wie er da so hockte und ihren dunklen Augen ständig auswich, wenn sie ihn ansah. Schließlich war sie es, die sich bei ihm entschuldigte.

„Ich ... entschuldige meine grobe Art, Houshi-sama“, flutschte es aus ihrem Mund; sie deutete eine leichte Verbeugung in seine Richtung an, so dass er mehr als nur erstaunt aufsah.

„Ich hätte nicht so fest zuschlagen sollen, aber ... du hattest es schließlich versprochen und da ... .“

Etwas verlegen hielt sie inne und drehte ihren Kopf zur Seite. Grinsend stellte Kagome fest, dass ihr sonst eher blass wirkendes Gesicht einen leichten Rot-Ton angenommen hatte; sich dafür schämend, versuchte sie ihr Antlitz vor dem jungen Mönch zu verbergen. Ein Schauer lief ihren gazellengleichen Rücken hinunter, als seine ruhige Stimme erklang.

„Sango ... du musst dich dafür nicht entschuldigen, eher bin ich es, der Abbitte leisten sollte.“ Verblüfft ruckte ihr Kopf herum und sie begegnete seinem festen, diesmal ehrlichen Blick.

„Du hast mir vertraut, dass ich dich nicht wieder enttäusche und ich habe es dennoch getan“, gab er reumütig zu. „Ein Mensch wie ich hat es gar nicht verdient, eine so hübsche und mutige junge Frau wie dich zu kennen. Ich trete deine Treue mir gegenüber jedes Mal mit Füßen, wenn ich mich dem weiblichen Geschlecht, welches leider so verlockend auf mich wirkt, hemmungslos hingebe. Jedoch sind auch deine äußeren Reize keineswegs zu verachten und wenn diese meine verwundeten Augen treffen, denke ich an nichts anderes mehr, als dir nahe zu sein und dich zu berühr ... .“

„Äh, danke, ist schon in Ordnung“, fiel ihm Sango ins Wort und fingerte verlegen an ihren langen dunklen Haarsträhnen herum, die sich in leichten Wellen auf ihre schmalen Schultern legten. Kagome betrachtete die beiden interessiert, konnte sich aber ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen. Er würde sich wohl niemals ändern, aber wenigstens hatte er dies nun ehrlich zugegeben, allerdings hatten auch einige Dinge seinen Mund verlassen, welche die junge Dämonenjägerin ziemlich in Verlegenheit gebracht hatten. Mit glänzenden Augen stand sie da und wusste nicht mehr, was sie sagen sollte, hektisch wanderten ihre Pupillen im Raum umher. Als dann wie aus heiterem Himmel und völlig unangekündigt die Tür zu ihrem Zimmer zur Seite geschoben wurde, quiekte sie mehr als nur erschrocken auf und sprang behände nach vorn genau in die Arme des dadurch sehr zufrieden lächelnden Mönches. Einen Augenblick lang verharrten die beiden jungen Leute so; Sangos Blick verfing sich in dem des jungen Mannes wie eine hilflose Fliege in dem Netz einer Spinne, während Kagome und Shippo vor Unglauben die Kinnlade herunterfiel und Kirara mehr als überrascht maunzte. Als dann jedoch die sanfte Stimme ihres unangekündigten Besuchers die erhabene Stille des Raumes, der scheinbar auch die Luft angehalten hatte, zerriss, lösten sich die Zwei peinlich berührt voneinander.

„Ahem“, räusperte sich Manami erneut. „Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen“, äußerte sie sich zu der markanten Situation und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als das Gesicht der hübschen Dämonenjägerin tiefrot anlief.

„Oh, äh, nein, nein“, winkte Kagome ab und schaute hinüber zu ihren beiden Freunden, die ihren Mund noch nicht wiedergefunden hatten.

„Ist etwas passiert“, fragte sie plötzlich, denn ihres Wissens hatte die alte Frau doch vor wenigen Augenblicken darum gebeten, sie mit Inuyasha allein zu lassen.

„Ja und nein“, antwortete Manami mit einem geheimnisvollen Lächeln und blickte die Anwesenden einen nach dem anderen freundlich an.
 

Gedankenverloren zupfte Inuyasha an seinen Verbänden herum, die Manami ihm, bevor sie die jungen Leute holen gegangen war, sorgsam angelegt hatte. Die verletzten Stellen an seinem Körper, die er sich makabererweise selbst zugefügt hatte, puckerten und brannten unangenehm, doch dieser Schmerz war nicht vergleichbar mit dem, der in seiner Seele wie ein Höllenfeuer tobte und ihn innerlich zerstörte. Er konnte nicht verstehen, weswegen er aus heiterem Himmel plötzlich die Kontrolle über seinen Körper verloren hatte und sogar Unbeteiligte mit hineingezogen hatte. Traurig dachte er an das blaue, zugeschwollene Auge Manamis, die ihn selbstlos von seiner Raserei befreit hatte und an das Mädchen. Gequält schloss er die Lider, als der zerfetzte Ärmel und die darunter erscheinende, blau angelaufene Haut vor seinem Antlitz erschien.

>Warum habe ich sie nur als Monster gesehen? Was ist da in mich gefahren?<, grübelte er betrübt über seinen Aussetzer und versuchte hinter das dunkle Geheimnis zu kommen. Was war kurz davor geschehen? Irgendetwas musste doch als Auslöser dafür fungiert haben. Da war er sich vollkommen sicher; niemals würde er auf den Gedanken kommen, den Menschen, denen er vertraute, vorsätzlich Schaden zuzufügen. Betrübt sah er hinaus aus dem Fenster und verfolgte sehnsüchtig die Unbeschwertheit Hiroshis, Manamis kleinem Enkel, der ausgelassen und fröhlich über die frühlingsgrünen Wiesen des Dorfes tollte.

Oder doch? Ein alles verdunkelnder Schatten hüllte sein leidgeprüftes Herz ein. Was, wenn er tatsächlich so war und sein wirkliches Wesen durchzubrechen versuchte? War er in seinem richtigen Leben etwa jähzornig? Unberechenbar? Ein Rüpel höchster Klasse, der sich nicht einmal davor scheute, alte Leute und Frauen zu verprügeln? Und dann noch angeblich ein Halbdämon? Ihn schauderte. Sollte all dies wirklich in ihm schlummern, dann würde er es sich lieber noch einmal überlegen, ob er sein Gedächtnis wiederfinden wollte.

Waren vielleicht deswegen die Dämonenjägerin und der Mönch in dieser ungewöhnlichen Reisegruppe mit von der Partie? Die junge, dafür ausgebildete Frau, falls das dämonische Blut in ihm die Überhand gewann und der Geistliche, um ihn zu bannen? Aber was zum Kuckuck hatten dann das Mädchen und der kleine Fuchsjunge bei ihnen verloren? Das Gesicht unglücklich verziehend sah er ratlos zur Decke. Egal, wie er es drehte und wendete, die Zwei passten da einfach nicht rein.

Zu tief in Grübelei verfallen bemerkte er kaum, wie sich lautlos die Tür aufschob und ein ganzes Kontingent an Füßen hereintrappelte. Als er die vertraute Stimme der Hausherrin hinter sich vernahm, welche für ihn scheinbar wie aus dem Nichts aufgetaucht war, schrak er so heftig zusammen, dass die alte Dame sich besorgt auf ihre Knie herniederließ und ihn beruhigend an den Schultern fasste, die haltlos zu zittern begonnen hatten.

Traurig beobachtete Kagome die liebevolle Geste Manamis, die ihren Schützling mit ein paar sanft geflüsterten Worten sofort die aufkeimende Panik von der Seele genommen hatte. Ihr treuer Weggefährte war nur noch ein Schatten seiner Selbst; keine Spur mehr von dem stolzen Hanyou, der seine Freunde selbstlos bis zum letzten Blutstropfen verteidigt hätte, wenn nötig. Seine Augen, die sonst vor Waghalsigkeit und Abenteuerlust geglüht hatten, suchten nun unruhig und misstrauisch die Umgebung ab; anstatt heldenhaftem Mut stand nur die pure Angst in ihnen geschrieben; Angst vor Dingen, die selbst in ihr ein Unbehagen auslösten, das sie zutiefst erschreckte. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, was er gesehen hatte, als er in diesem Zimmer wie ein Orkan gewütet hatte und nicht nur ihr und Manami, sondern auch sich selbst Schaden zugefügt hatte. Inständig hoffte sie, er möge nicht einmal im Traum daran denken, dass er in Wirklichkeit auch so agieren würde, zum Beispiel gleich einem rüpelhaften, ungehobeltem Vollidioten, der keinerlei Manieren an den Tag bringen konnte und den sie mehrmals am Tag mit ihrem Bannwort an den harten Boden fesseln musste. Wenn er nur wüsste, wie sehr sie sich diesen frechen und äußerst vorlauten Jungen herbei wünschte; sie selbst hätte niemals damit gerechnet, diesen doch sehr eigenartigen Wunsch in ihrem Herzen zu tragen.

„Ich möchte euch gerne etwas sagen“, schwebte mit einem Male die Stimme eben dieses Jungen durch den Raum und ließ sie wie aus einem Traum erwachen. Die Angst in ihm schien verschwunden, seine Augen ruhten ruhig auf ihrem Antlitz und der ihrer Freunde, doch sie bemerkte leicht geschmeichelt und gleichzeitig überrascht, wie sein schüchterner Blick immer wieder zu ihr zurückwanderte, während er zu ihnen allen sprach. Lächelnd schlug sie die Lider nieder, als er ihre gute Beobachtungsgabe bemerkte. Prompt kam er vor Verlegenheit ins Stottern.

„Ich … äh, was ich sagen wollte, war …“, doch dann brach er ab, verunsichert starrte er in ihre Gesichter, sah in ihre Augen, die ihn alle erwartungsvoll musterten, ein Paar davon jedoch mit einer Hingabe, die er sich nicht erklären konnte. Verwundert und doch gleichzeitig verzückt lag sein mahagoniefarbener Blick auf den sanften Rehaugen jenes Mädchens, welches an seinem Lager verweilt hatte, während er schlief. Überrascht spürte er plötzlich, wie sich sein vor wenigen Sekunden noch ruhiger Herzschlag beschleunigte, er wollte etwas sagen, doch hilflos musste er selbst miterleben, dass seine Kehle gleich einem vollen Sack Mehl wie zugeschnürt wirkte.

Manami, die sich etwas weiter entfernt von den jungen Leuten auf dem Fußboden des Zimmers niedergelassen hatte, betrachtete leicht amüsiert die verzweifelten Versuche Inuyashas, die vier Worte, weswegen er sie alle sich hatte hier einfinden lassen, mit einem Rutsch auszusprechen. Natürlich war ihr keineswegs entgangen, dass er mit seinen hektisch klimpernden Augen die ganze Zeit über Kagome anstierte und dabei zunehmend die Fassung verlor. Die alte Dame wusste nicht, in was für einer Beziehung diese Zwei zueinander standen, aber solange sie den Jungen und das Mädchen nun kannte, wuchs in ihr der verzückende Verdacht, dass sie mehr als nur rein freundschaftliche Gefühle füreinander hegten. Und trotz allem er sein Gedächtnis noch nicht wiedererlangt hatte, schien ihm irgendetwas tief in seinem Herzen zu sagen, dass dieses Mädchen ein besonderer Mensch für ihn war, jemand, den man um jeden Preis auf der Welt vor dem Bösen beschützen musste.

„Dass es mir leid tut“, presste der schwarzhaarige Junge, welcher schon leicht rot angelaufen auf seinem Futon saß, fast atemlos hervor.

Ein erleichtertes Aufatmen ging durch die Runde, welches ihn zu einem überraschten Stirnrunzeln veranlasste. Die angespannten Gesichtszüge der Anwesenden lösten sich, jeder von ihnen schenkte Inuyasha ein freundschaftliches Lächeln, welches ihm eine angenehme Wärme ins Herz trieb. Und auch ein wenig Mut, um seine Gedanken in die richtigen Worte umzusetzen.

„Ich habe Dinge gesagt und getan, die man vielleicht nie wieder gut machen kann, denn ich kenne euch nicht und habe kein Recht, über euch zu richten. Und dennoch weiß ich nicht, ob ihr mir die Wahrheit über mein wahres Ich berichtet habt und auch über euch.“

Eine kurze Pause trat ein, in der ihn alle schweigend ansahen. Verständlicherweise hatte keiner von ihnen erwarten können, dass ihnen ihr Weggefährte und Freund diese nun wirklich haarsträubenden Geschichten ihrer Abenteuer abkaufen würde und doch war die Hoffnung, die ihre Körper wie ein reißender Fluss durchströmt hatte, nun nicht mehr als ein trockenes Rinnsal, welches nach Leben gurgelnd vor sich hinvegetierte.

„Gebt mir einfach ein wenig Zeit“, hauchte Inuyasha dem sterbenden Rinnsal wieder etwas mehr an Leben ein, woraufhin die gesenkten Köpfe seiner Mitstreiter wieder in die Höhe ruckten.

„Langsam kann ich mir nicht mehr vorstellen, dass ihr mir etwas vorflunkert, denn jeder gemeine Lügner hätte nach meiner…“, er räusperte sich geräuschvoll, „nicht gerade ansehnlichen Aktion von vorhin schon längst das Weite gesucht, oder nicht?“

Ein Grinsen huschte über das fein geschnittene Gesicht des Jungen, welches Kagome so sehr vermisst hatte.

„Ich denke, da hast du recht“, warf Miroku ein und mit einem gespielten Entsetzen in der Stimme wandte er sich an seine beiden weiblichen und den kleinen dämonischen Begleiter: „Ich glaube, wir müssen diesen Ort schleunigst verlassen!“

Einer Kopfnuss von Sango ausweichend, die ihn schelmisch angrinste, sah er zu seinem Freund hinüber, der sehr erleichtert wirkend auf seinem Ruhelager saß. Er schien an irgendetwas Erfreuliches zu denken, denn sein Blick schweifte in die Ferne, während auf seinen Lippen ein friedliches Lächeln erschien. Doch genauso schnell, wie das Licht über ihn gekommen war, kehrten das Chaos und die Zerstörung zurück.

Manami zuckte alarmiert zusammen, als sich ihr Schützling von einer Sekunde auf die andere stöhnend vor Schmerzen den Kopf hielt. Sofort war sie bei ihm; ihre Hände auf die seinen gelegt versuchte sie ihm die Pein, die ihn quälte, zu nehmen.

Bilder waren gleich einem Schwarm von Vögeln durch den Kopf Inuyashas gezogen, Bilder, nach denen er hilfesuchend gegriffen hatte, um Antworten auf seine vielen ungestellten Fragen zu erlangen und Licht in das Dunkel zu bringen, welches seine Gedanken an die Vergangenheit wie einen schützenden Kokon einhüllte. Doch jedes Mal, wenn die schemenhaften Gestalten seiner Erinnerungen den trüben Nebel durchdringen wollten, schossen spitze Pfeile, tausendfach heißer und schmerzhafter als das Licht der Sonne durch seinen Kopf und ließen die ihm vertraut erscheinenden Menschen, welche fast zum Greifen nah waren, wie Seifenblasen zerplatzen. So sehr er es auch versuchte und sich bemühte, irgendetwas schien ihn davon abhalten zu wollen, sein Gedächtnis wiederzuerlangen und doch schützte ihn dieses Unbekannte vor einer noch zerstörerischen Kraft, die sich seines Geistes bemächtigte, sobald er den Griff zur Tür, hinter der die Wahrheit schlummerte, hinunterdrücken wollte. Doch was war der Grund für dieses grausame Versteckspiel? Warum wollte man mit aller Macht verhindern, dass er sich an alles erinnerte? Gab es da etwas, dessen Wissen er nicht besitzen durfte? Oder - ein eisiger Schauer lief wie feinster Morgentau seinen Rücken hinunter - war sein bisheriges Leben nichts weiter als eine Kette von Enttäuschungen, Einsamkeit und unendlicher Traurigkeit gewesen? Wenn dem wirklich so war, sehnte er sich kein bisschen nach seiner Vergangenheit, die nur einen Katzensprung von ihm entfernt schien und doch unerreichbar war.

Etwas unvorbereitet spürte Sango plötzlich den warmen Körper ihrer Freundin an dem ihren. Das jüngere Mädchen lehnte sich mit einem betrübten Ausdruck in den sanften braunen Augen hilfesuchend an die Seite der hübschen Dämonenjägerin, die sofort reagierte und ihren Arm um die schmalen Schultern Kagomes legte und diese mit einem tröstenden Lächeln auf den Lippen an sich drückte.

„Das wird schon wieder“, versuchte sie ihre Freundin aufzumuntern. „Wir müssen ihm nur Zeit lassen und ihn zu nichts drängen.“

Sie hoffte, dass diese Worte dem Mädchen ein wenig Kraft für die kommenden Tage gaben, doch auch sie konnte nicht leugnen, dass ihr der alte Inuyasha fehlte. Schmunzelnd erinnerte sie sich an den oft fluchenden, aber stets lebenslustigen jungen Hanyou, der schon lange nicht mehr der trotzige Kindskopf war, den sie damals kennen gelernt hatte. Der Grund für seine langsame Veränderung stand hier neben ihr; die Gesellschaft Kagomes tat ihm mehr als gut und sie wünschte sich nichts sehnlicher für die Zwei, dass sie auch diesem Inuyasha ohne jegliche Erinnerung an seine Vergangenheit zugute kam.

Sango konnte die Gefühle ihrer Freundin nur zu gut nachvollziehen. Auch sie hatte einen wichtigen Menschen in ihrem Leben verloren und kämpfte mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, darum, ihn wiederzuerlangen. Ähnlich wie bei dem Hanyou besaß auch Kohaku, Sangos jüngerer Bruder keinen Bezug mehr zu seinem vorigen Leben, so dass er sich nicht mehr an seine Schwester erinnern konnte. Das Schlimmste daran war jedoch, dass ihr Erzfeind Naraku den Jungen auf seine Seite gezogen hatte und nun die Geschwister gegeneinander kämpfen ließ. Es brach der jungen Frau jedes Mal das Herz, wenn sie in die ausdrucklosen Augen ihres Bruders sah, sobald sie sich im Kampf gegenüber standen. Einmal hatte sie versucht, ihn zu töten, nachdem er Kagome verletzt hatte, zu sehr hatte sie befürchtet, dass er wieder im Auftrag Narakus morden würde, denn freiwillig führte der Junge auf keinen Fall seine Befehle, die er von ihrem Feind bekam, aus. Sie wollte nicht, dass er sich irgendwann an all die schrecklichen Dinge, die er begangen hatte, erinnerte und wollte ihn kurz und schmerzlos von seinem leidvollen Leben als Marionette erlösen, doch ein gewisser Halbdämon hatte sie beherzt davon abgehalten und ihr versprochen, gemeinsam einen Weg zu finden, den alten Kohaku in ihrem Bruder zu erwecken. Lächelnd strich sie Kagome durchs Haar. Irgendwie wurde sie nicht schlau aus diesem mürrischem Hanyou, den sie über die Monate hin kennen und schätzen gelernt hatte. Mal reichte nur ein Wort aus, um sein ohnehin schon überhitztes Gemüt zum Kochen zu bringen, dann wiederum verließen Weisheiten seinen Mund, die einen vor Neid erblassen ließen. Nicht einmal im Traum hätte sie daran gedacht, diesen brummigen Rüpel eines Tages zu vermissen.

Ein schwerer Kopf legte sich plötzlich auf ihre andere Schulter und glänzende schwarze Haarsträhnen kitzelten ihre Wangen, die leicht erröteten, als sie bemerkte, wer sich ihr da so vertraut genähert hatte. Verträumt wirkende dunkle Augen eines gewissen jungen Mönches klimperten sie verliebt an, während er mit einem Seufzen ihren blumigen Geruch einatmete. Doch schlagartig veränderte sich die für ihn voller rosa Wolken hängende Luft; eine bedrohliche Aura zog direkt vor ihm auf und umnebelte seinen Geist, der den entzückenden Reizen dieser Frau, welche er so sehr begehrte, hoffnungslos erlegen war. Aus der unheilig erscheinenden Schwärze, die jede Alarmglocke in seinem Inneren aufläuten ließ, blitzten ihn ein Paar vor Wut glühende Augen an, während eine eben noch sanft seine Ohren umschmeichelnde Stimme nun boshaft „Houshi-sama“ knurrte.

„Ähm, äh ...“, stotterte der junge Mann verlegen, als ihn die zornigen Blicke seines hübschen Gegenübers fast aufzuspießen drohten.

„Ich glaube, ich sollte jetzt gehen“, offenbarte er ihr mit einem etwas verunglückten Grinsen, welches sie dazu veranlasste, etwas verwirrt die Augenbrauen hochzuziehen.

„Inuyasha sieht so aus, als bräuchte er noch Ruhe und ich will nicht derjenige sein, der ihn davon abhält, also dann ... ich verschwinde dann mal flink und, äh ... halte mal Ausschau nach Myoga, der hat sich doch mit Sicherheit schon wieder abgesetzt und dabei war ihm doch das Schicksal seines Herrn so wichtig ...“, brummelte er in seinen nicht vorhandenen Bart, während er schleunigst in Richtung Tür verschwand und es dabei mit einem Male sehr eilig hatte, einen großzügigen Abstand zwischen sich und einer gewissen Dämonenjägerin zu bringen.

Nachdem seine Schritte leise auf dem Flur verklangen, starrten fünf Augenpaare verwirrt auf die Tür, durch die er soeben verschwunden war.

„Was hatte er denn jetzt?“, wollte Sango von Kagome wissen, die ihre Freundin fragend anstierte.

„Ich wollte ihm doch nur damit klar machen, dass dies nicht wirklich der richtige Moment für so etwas war, mehr nicht.“

Ein schelmisches Grinsen schlich sich auf Kagomes Lippen und hellte ihre betrübte Miene auf, was von einem ganz bestimmten Jungen mit einer gewissen Erleichterung und Freude aufgenommen wurde. Ein leises Lachen stahl sich aus seinem trockenen Hals, als er an die amüsante Szene zwischen dem Mönch und der Dämonenjägerin zurückdenken musste. Natürlich waren ihm die kleinen Liebeleien des jungen Mannes der hübschen Frau gegenüber nicht entgangen, doch jedes Mal wies sie ihn auf eine doch eher brutale Weise zurück. Deswegen konnte er es ihm kaum verdenken, dass der Mönch sich vor wenigen Augenblicken lieber aus dem Staub gemacht hatte, um so einer erneuten schmerzvollen Begegnung mit den zarten Fäusten seiner Angebeteten zu entgehen. Doch scheinbar hatte die langhaarige Schönheit ihn dieses Mal nur zurechtweisen wollen und ihre Schlagkraft eher für wichtigere Dinge aufgespart.

Vergnügt verfolgte Inuyasha, wie das schwarzhaarige Mädchen in der eigenartigen Kleidung vielsagende Blicke mit dem kleinen Fuchsjungen austauschte, der ihr frech zugrinste und dann mit einem kräftigen Satz zunächst auf ihren Arm sprang, um von dort weiter auf ihre Schulter zu gelangen.

„Tja, Sango“, begann der Kleine keck und linste die Dämonenjägerin von der Seite an, „ich glaube, Miroku hat schon soviel Respekt vor dir, dass nur ein schiefer Blick genügt, damit er die Flucht ergreift.“

Ein Seufzen glitt über ihre wohlgeformten Lippen, als sie den Kitsune ansah.

„Leider verschwindet dieser Respekt so schnell wie das schöne Wetter im Winter, wenn er bestimmte Stellen meines Körpers einer genaueren Inspizierung unterzieht.“

Kagome prustete sofort laut lachend hinter vorgehaltener Hand los, sie konnte sich nach dieser es nicht besser treffenden Feststellung Sangos einfach nicht mehr beherrschen, während Shippo pupurrot anlief, denn diese Aussage war auf keinen Fall für seine kindlichen, unschuldigen Ohren bestimmt gewesen. Auch die alte Frau und ihr junger Schützling fielen in das sorglose Lachen des Mädchens mit ein, deren blasse Haut nun einen gesunden rosafarbenen Ton angenommen hatte und sie wie eine wunderschöne Rosenknospe, die sich gerade der ihr unbekannten Welt öffnen wollte, aussehen ließ, wie der langhaarige Junge in seiner roten Robe mit glänzenden Augen bemerkte.

>Ob sie mir wohl in dem Leben, welches ich vorher geführt habe, etwas bedeutet?<, schwirrte es ihm durch den Kopf, als er sie eingehender betrachtete, während sie der Dämonenjägerin freundschaftlich auf die Schulter klopfte, als dieser peinlich berührt aufgefallen war, was sie da von sich gegeben hatte. Er konnte sich nicht erklären, woran es lag, aber nach diesen unbeschwerten Minuten in ihrer Gegenwart schrumpfte das anfängliche Misstrauen seinen angeblichen Freunden gegenüber auf die Größe eines Reiskorns und war nicht mehr von Belang für ihn. Zu gern würde er das Mädchen nach seiner Vergangenheit fragen, doch irgendetwas tief in seinem Inneren verbat ihm dies vehement. Dieser letzte Rest ließ sich einfach nicht vernichten und löste jedes Mal wieder Zweifel an allem aus. Seine Augen verengten sich wütend, er würde es einfach ignorieren, schließlich wollte er eines Tages wieder der sein, der er auch vor diesem Ereignis gewesen war, bevor er seines Gedächtnisses beraubt wurde. Langsam war es ihm egal, was in seiner Vergangenheit vorgefallen war, auch wenn sie nicht das für ihn bereithielt, was er sich wünschte, sie gehörte zu ihm und er würde sich damit abfinden müssen. Seine Augen schimmerten mit einem Male leuchtend klar wie ein Bergsee, ein Selbstbewusstsein, das ihm vollkommen fremd erschien, füllte seine Brust aus und gab ihm Kraft für das, wonach er sich sehnte, es zu erlangen. So schnell würde er nicht aufgeben, niemals. Das war doch gar nicht seine Art, oder?

Nur Sekunden später wusste er nicht mehr, was für eine Entscheidung sein ganzes Denken eben noch beherrscht hatte, so stark und zerstörerisch wütete der Schmerz, der aus dem Nichts wie eine riesige und unbezwingbare Flutwelle über ihn herfiel. Schweißtropfen glitten ihm über das ganze Gesicht, als er angestrengt versuchte, die Qual, welche ihn mit aller Macht drohte zu vernichten, zurückzudrängen. Jeder Muskel seines Körpers begann als Folge dessen unkontrolliert zu zittern, sein Atem kam nun noch stoßweise über die Lippen und er spürte, wie sich sich sein Sichtfeld gefährlich einengte.

>Warum jetzt, warum?<, dachte er verzweifelt, während der bohrende Schmerz in seinem Kopf sich ins Unerträgliche steigerte. >Nur, weil ich versuchte habe, mich zu erin …?<

Ein qualvolles Stöhnen an der Seite Manamis ließ das Lachen, welches zuvor noch ihren vom Alter gebeugten Körper durchgeschüttelt hatte, im Halse stecken bleiben. Bessorgt drehte sie sich zu dem Jungen um, dessen unbeschwertes Lachen, welches vor wenigen Augenblicken noch dieses Zimmer erhellt hatte, abrupt verklungen war und erschrak zutiefst. Gekrümmt saß er auf dem Boden und presste die Finger so stark an die Schläfen, dass sich bereits blutige Abdrücke auf seiner geschundenen Haut abzeichneten, sein Körper zitterte wie der eines Kindes, das man ohne Kleidung an einem eisigen Wintertag ausgesetzt hatte, während er keuchte, als sei er gerade eine ganze Woche ohne Pause wie der Wind gelaufen.

„Inuyasha!“, stieß sie bekümmert aus und versuchte behutsam, seine verkrampften Hände zu lösen, doch ohne Erfolg. Was sie auch tat, sie schien es noch schlimmer zu machen, als es ohnehin schon war.

Kagomes Fröhlichkeit verschwand so schnell, wie sie über sie gekommen war, als ihr Blick zufällig den langhaarigen Jungen streifte. Entsetzt schlug sie sich die Hand vor den Mund, als sie das Blut bemerkte, welches seine Wangen hinunterrann. Sango bemerkte sofort die Veränderung, die mit ihrer Freundin von statten ging.

„Kagome, was ist …?“, doch da hatte sie bereits der kleine Fuchsdämon mit einem weinerlichen leisen Schrei darauf aufmerksam gemacht, dass etwas nicht stimmte. Er zog an ihrem Ärmel und zeigte kummervoll mit seinen winzigen Fingerchen in die Richtung, in der ihr aller Freund saß und das leidgeprüfte Herz der jungen Frau zog sich bei dem Anblick, der sich ihr bot, schmerzerfüllt zusammen.

Noch niemals in seinem Leben hatte sich Inuyasha danach gesehnt, dass sein Leben mit einem Male einfach so enden möge, aber nun schien der Moment gekommen zu sein, wo er den Tod mit offenen Armen empfangen hätte. Er wusste nicht, ob er jemals solche Schmerzen hatte ertragen müssen, aber dies hier würde er nicht einmal seinem ärgsten Feind an den Hals wünschen. Er fühlte nichts anderes mehr; nicht die Kleidung, die sich wie eine zweite Haut an seinen Körper schmiegte, nicht die Wärme der Sonne, die dieses Zimmer mit ihrem Licht erhellte, nicht die sorgsamen Hände Manamis, die auf den seinen ruhten, nicht, dass er auf seinem Futon saß, welcher auf dem Boden lag, nichts, nur den puren Schmerz, der sich wie ein tödliches Gift durch sein Hirn fraß. Er spürte die drohende Dunkelheit, welche sich über seine Seele legte, um dort für immer und ewig zu verweilen und seinen Geist gefügig zu machen. Die Kraft, sich dagegen aufzulehnen, war verschwunden, nichts und niemand würde nun das, was sein wahres Ich vernichten wollte, aufhalten können. Angsterfüllt verfolgte er wie durch einen undurchdringlichen Vorhang, dass seine Willenskraft schwand und die Gleichgültigkeit in seinem Geiste wuchs. Er wollte schreien, doch selbst dazu fehlte ihm die Kraft. Resigniert ließ er sich in das dunkle Loch des Vergessens fallen, bis plötzlich eine leise Stimme seinen Namen rief.

Seinen Namen? Das war nicht sein Name! Niemals!

„Doch“, flüsterte die Stimme, „das ist dein Name und noch viel mehr, das bist du. Wirf deine Identität nicht fort, wehr dich!“

Ein schwaches Licht erschien mit einen Male, es leuchtete ihm angenehm ins Gesicht und wärmte seine zerschundene Seele. Es war schön, wunderschön wie jenes Mädchen, welches die ganze Zeit neben ihm gewacht hatte, während er geschlafen hatte. Wie gerne würde er dorthin gehen, wo es angenehm und warm war, doch genau dort lauerten die nicht auszuhaltenden Schmerzen ihrem wehrlosen Opfer auf, so dass er zunächst zögerte.

„Versprich mir, dass es aufhört“, wisperte er unsicher. „Noch einmal halte ich das nicht durch.“

„Das kann ich nicht“, antwortete die Stimme wahrheitsgemäß. „Aber du musst wissen, dass du nicht allein bist, zusammen schaffen wir, dass es aufhört, vielleicht nicht sofort, aber bald, das kann ich dir versprechen.“

Inuyasha fühlte, wie er fiel, jedoch verspürte er keinerlei Angst dabei, denn er glitt sanft und langsam gleich einer Feder auf das warme Licht zu, welches immer intensiver und heller wurde. Als er so nah war, dass es ihn fast berührte, konnte er plötzlich etwas Weiches und Angenehmes unter seinem Rücken spüren, auch auf seinen Händen ruhte etwas, dass eine enorme Wärme und – irrte er sich, oder war es so etwas wie eine scheue Zuneigung ihm gegenüber – ausstrahlte. Die sein Hirn folternden Schmerzen ebbten gleich eines zuvor wütenden Sturmes langsam ab und er wagte es, die soeben noch zusammengekniffenen Augen zu öffnen und was sich ihm da offenbarte, trieb sofort eine gesunde Röte auf seine leichenblassen Wangen.

Mit Tränen der Freude, die ihr hübsches Gesicht vollkommen überströmten, kniete Kagome vor dem nun liegenden Jungen und löste vorsichtig die sich mäßig entspannenden Hände von seinen Schläfen, was sich ihr beides daraufhin vollkommen blutverschmiert zeigte. Sorgsam tupfte sie mit einem Taschentuch das bereits eingetrocknete Blut von seiner Haut, als sich dabei plötzlich ein erschöpft wirkendes Augenpaar an ihr Antlitz heftete. Ein dankbares Lächeln huschte über seine vor Anspannung verzerrten Züge, die sich jedoch unter der Nähe des Mädchens wie die Wogen eines zuvor aufgewühltes Meeres nach und nach glätteten. Seine Hand umfasste die ihre, als sie noch immer mit ihrem Taschentuch versuchte, die hartnäckigen Blutflecken zu entfernen.

Kagomes Herz begann heftigst zu klopfen, als sich etwas Warmes und Vertrautes um ihre Hand legte. Sanft strich sie mit ihren Fingern über seinen Handrücken und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. Sie war so unendlich glücklich darüber, dass er ihr nun endlich sein Vertrauen geschenkt hatte und bewahrte diesen Moment der zärtlichen Nähe tief in ihrem Herzen auf. Und doch war ihr mit einem bitteren Beigeschmack bewusst, dass dies hier nicht der Junge war, den sie kannte. Inuyasha war und blieb nun mal keine Schmusekatze, Zärtlichkeiten ging er eher aus dem Weg und wenn diese mal zögerlich an die Oberfläche gelangten, dann portionierte er diese so sparsam wie andere das Essen bei einer Diät. Und leider verteilte er diese dann auch eher an seine erste unglücklich beendete Liebe zu der Priesterin Kikyo, mit der er damals sein junges Leben geteilt hatte.

Ein wenig traurig sah sie zur Seite, als sie daran dachte, was keinesfalls unbeobachtet blieb, denn dieser gewisse Junge, der ihr ständig Kopfzerbrechen bereitete, musterte sie fragend und gleichzeitig besorgt, doch Kagome schüttelte rasch ihr hübsches Haupt; das letzte, was sie sich jetzt wünschte, war, dass er sich nun auch noch unnötig Sorgen um sie machte, was jedoch, und das konnte sie einfach nicht leugnen, ihr zunehmend schmeichelte.

Und dann tat sie etwas, was allen Anwesenden vor Überraschung beinahe die Augen aus den Höhlen kullern ließ. Ihr langes Haar zurückhaltend beugte sie sich vorsichtig vor und drückte dem am Boden liegenden Inuyasha einen sanften Kuss auf die heiße Stirn, was zur angenehmen Folge hatte, dass sich das aschfahle Gesicht des Jungen mit einem Male kirschblütenrosa färbte. Für einen Moment vergessend, dass um sie herum staunende Zuschauer standen, richtete sich Kagome langsam wieder auf und strich ihrem Freund liebevoll die verschwitzten Strähnen aus dem Gesicht, welche nass an seiner Stirn geklebt hatten. Mit großen Augen verfolgte er ihre fürsorglichen Gesten; ihm schossen plötzlich tausende von Fragen durch den puckernden Kopf.

Könnte es etwa sein, dass er und sie …? Na ja, sie beide halt … . War sie deswegen so furchtbar traurig? Weil er sich an nichts mehr davon erinnern konnte? Das würde einiges erklären. Dennoch hielt er sich mit weiteren Vermutungen aus seinem Leben zurück, denn sein Denkapparat machte ihm auf unangenehmste Weise klar, was geschehen würde, sollte er sich noch weiter damit befassen. Zähneknirschend kniff er die Augen zusammen und verwandelte seinen verzerrten Gesichtsausdruck in ein halbwegs gekonntes Lächeln, da er fürchtete, das Mädchen könnte bemerken, dass es ihm erneut schlecht ging, doch vor einer konnte er es nicht verbergen.

Manami seufzte lautlos in sich hinein, als sie sah, wie ihr Schützling erneut solch eine Attacke über sich ergehen lassen musste. Die Gesellschaft seiner Freunde tat ihm gut, doch gleichzeitig schien sie jedes Mal schuld an seinen rasenden Kopfschmerzen zu sein, die ihn ohne Vorwarnung überfielen, doch diese Vier waren die einzigen, die das, was in ihm schlummerte, zu neuem Leben erwecken konnten.

Kagome fühlte, wie sie schlagartig puterrot wurde, als Inuyasha sie fast lüstern angrinste, wie es ihr schien, als sie gerade aufstehen wollte und dabei direkt in die staunenden Gesichter ihrer Freunde blickte. Wie jemand, der gerade etwas äußerst Dummes von sich gegeben hatte, hastete sie übereilt an Sango vorbei, auf deren Lippen sich ein breites Grinsen zeigte, als ihre Freundin kopflos an ihr vorbeilief und den Raum wie eine Weltmeistersprinterin verließ.

„Ich denke, wir sollten auch gehen und Inuyasha sich noch ausruhen lassen“, bemerkte Sango höflich, während sie den kleinen Kitsune mit einer Hand am Schlawittchen gepackt hatte, da dieser unauffällig seiner großen Freundin hatte folgen wollen. Zeter und Mordio schreiend wand er sich unter dem festen Griff der Dämonenjägerin und starrte sie beleidigt an; er verstand nicht, warum die junge Frau ihn festhielt. Er wollte zu Kagome, irgendetwas schien doch mit ihr nicht zu stimmen und Sango stand hier herum und tat nichts, außer blöd zu grinsen. Und so etwas schimpfte sich nun Freunde. Missmutig verschränkte er die kleinen Ärmchen vor seinem Körper und ließ sich auf den Po plumpsen.

„Danke, mein Kind, ihr tut gut daran, eurem Freund nun Ruhe zu gönnen“, erwiderte Manami mit einem leichten Nicken in die Richtung der Beiden.

„Ich werde den Dienern ausrichten, euch später das Abendessen auf euer Zimmer bringen zu lassen. Morgen ist ein neuer Tag, dann sehen wir weiter“, fügte sie nach einer kleinen Pause mit einem Seitenblick auf den vor ihr liegenden Jungen hinzu, dessen Lider vor Erschöpfung immer wieder zufielen.

„Habt Dank, Manami-san“, sagte Sango mit einer kleinen Verbeugung und wandte sich zusammen mit dem grummelnden Shippo unter dem Arm zum Gehen um, hielt jedoch überrascht inne, als eine schwache Stimme hinter ihr versuchte, sich Gehör zu verschaffen.

„Gebt mir einfach Zeit“, murmelte Inuyasha schläfrig vom Boden aus. „Irgendwann werde ich mich wieder erinnern ... vor allem für sie“, doch die letzten vier Worte, die schüchtern über seine Lippen kamen, waren nur für ihn selbst bestimmt gewesen, so leise hatte er sie ausgesprochen, dass nicht einmal Manami sie vernommen hatte.

Sango sah über ihre linke Schulter zurück, nachdem sie die Tür schon ein wenig aufgeschoben hatte und ihr Blick war weich und warm, als sie dem Jungen antwortete.

„Du bekommst von uns alle Zeit der Welt, du verbohrter, ungeduldiger und doch liebenswerter Hanyou.“

Dann war sie mit einem äußerst erstaunt dreinblickenden Kitsune im Schlepptau verschwunden, während sich die kleine weißschwarze, zweischwänzige Katze, welche die ganze Zeit über am Fenster in der wärmenden Frühlingssonne gelegen hatte, mit einem quiekenden Gähnen aufrichtete und ihrer Herrin wie auf einen Fingerzeig hin folgte. Flink schlüpfte sie durch den winzigen Spalt, den die junge Frau extra für sie offen gelassen hatte und war mit einem schläfrigen Maunzen verschwunden.

Mit einem nachdenklichen Stirnrunzeln sah Manami ihr hinterher. Es war schon eine eigenartige Gruppe, die sich um den Halbdämon versammelt hatte – ein Mädchen, dessen Kleidung ihr vollkommen unbekannt erschien und in der geheimnisvolle Kräfte schlummerten, ein Mönch, dem es wohl mehr als schwer fiel, in vollkommender Keuschheit zu leben, eine Dämonenjägerin mit solch einem Temperament, welches schon fast hinter Gitter gehörte und zwei kleine Youkai, die so niedlich und harmlos auftraten, dass mit Sicherheit irgendetwas Bedrohliches und Gefährliches hinter ihrem naiven Auftreten lauern musste. Was auch immer sie zusammengeführt hatte, es musste sich um etwas handeln, was ihr aller Schicksal bestimmte und nur gemeinsam würden sie diese Aufgabe bestreiten können. Und doch schien sich aus dieser wohl anfänglichen Zweckgemeinschaft eine wirkliche Vertrautheit und Freundschaft unter ihnen entwickelt zu haben. Schmunzelnd kam ihr in den Sinn, wie dumm doch die anderen Menschen aus der Wäsche schauen mussten, wenn sie auf diese doch recht einzigartige Gruppe trafen. Zu gerne wüsste die alte Dame, was sie alle so sehr zusammengeschweißt hatte, was sie verfolgten, doch sie mochte nicht fragen, da diese Angelegenheit in keinem Falle Vorrang hatte.

„Manami-baba?“, riss sie mit einem Male eine Stimme aus ihren Gedanken. Sofort legte sich ein warmer, liebevoller Schimmer auf ihre Pupillen und sie sah herunter zu der Person, welche sie mit müden Augen betrachtete. Traurig schaute der Junge zur Seite, als sie fragend die Augenbrauen hochzog.

„Was ist los? Worüber machst du dir Gedanken? Und sag jetzt nicht, es wäre alles in Ordnung, eine alte Frau wie mich täuschst du nicht, man sieht es dir an der Nasenspitze an“, sagte sie und kniff ihm liebevoll in die Nase, vor der sie soeben mit ihrem Zeigefinger herumgefuchtelt hatte. Ein leicht entrüstetes Grummeln drang aus Inuyashas Kehle, während seine Hand mit einer Geschwindigkeit hervorschnellte, die er sich selbst nicht einmal zugetraut hätte und mit seinen langen kraftvollen Fingern das verletzliche Handgelenk Manamis umfasste, die ihn überrascht und etwas erschrocken anstarrte. Ein gefährliches Funkeln ließ seine Pupillen gleich einem ganzen Sternschnuppenregen aufblitzen und auf seinem Antlitz zeigte sich ein selbstgefälliger, von sich vollkommen überzeugter Ausdruck. Einen Augenblick lang verharrte er so, musterte die alte Frau misstrauisch, als könne er nicht recht einordnen, ob er sie als Freund oder Feind betrachten sollte. Dann, genauso plötzlich, wie ihn dieses seltsame Verhalten überkommen war, verschwand es im Nichts und hinterließ nur einen verwirrten, hilflosen Jungen, der sich verzweifelt und verschreckt den Kopf hielt, welcher erneut begonnen hatte, ihm einzuimpfen, dass das Tor zu seiner Vergangenheit noch immer verschlossen war. Stöhnend drückte Inuyasha sein Gesicht in den weichen Futon, fast so, als wolle er sich vor den quälenden Schmerzen verstecken, doch diese kannten keine Gnade und schickten eine Zerstörungswelle nach der anderen durch sein gepeinigtes Hirn, welches unter dem emormen Druck fast zu zerspringen drohte.

Lange, viel zu lange dauerte es, bis sich seine zuckenden Glieder wieder beruhigten und er sich unter größter Anstrengung in eine halbwegs angenehme Liegeposition brachte. Erschöpft blinzelte er die blutigen Schleier weg, die wie gierige Raubfische vor seinem Antlitz herumhuschten und mit schnappenden Mäulern versuchten, seine Wahrnehmung zu verschlingen. Ein Schatten beugte sich zu ihm hinunter, der ständig seinen Namen rief. War das Manami? Sie klang wie ein Monster aus einer anderen Welt, ihre Stimme drang tief und verzerrt an seine Ohren und ließ eine Gänsehaut nach der anderen wie hunderte kleiner Ameisen über seinen Rücken laufen. Langsam aber sicher überkam ihn das Gefühl, dass dieser Jemand, dem er dies hier alles zu verdanken hatte, wünschte, dass er gegen Jeden, der ihm etwas Gutes wollte, eine starke Abneigung entwickeln sollte, damit er möglichst keine Kontakte knüpfte und für immer und ewig allein auf dieser Welt wandeln sollte. Aber wieso nur? Was hatte er getan, dass man ihn so hart und erbarmungslos dafür bestrafte?

In Hoffnungslosigkeit versinkend schloss er die Augen, sollte ihn dieses Etwas doch töten, er war es leid, sich ständig dagegen aufzulehnen. Stumm darauf wartend, dass die schmerzfreie und angenehm dunkle Bewusstlosigkeit ihn empfing, lag er da, vielleicht würde er danach nie wieder aufwachen, doch plötzlich verspürte er einen brennenden Schmerz an der linken Wange, der ihn augenblicklich die Lider aufreißen ließ. Die roten Schlieren waren verschwunden, stattdessen blickte er verstört in das vor Angst verzerrte Gesicht der alten Frau, in deren Heim er so freundlich aufgenommen worden war. Ihre Hand, die wie eine bedrohliche Wolke direkt über ihm schwebte, zitterte merklich. Sofort berührte er seine Wange, die noch immer wie Feuer brannte, doch noch viel schlimmer als alles andere war der Schmerz, der sein Herz drohte zu verzehren, als er die Tränen in den Augenwinkeln Manamis schimmern sah.

„Mach das nie wieder, hörst du?“, ihr ganzer Körper bebte vor Entsetzen, als sie auf den Jungen herabsah, der sich fassungslos mit der Hand über die langsam anschwellende Wange strich.

„Du darfst nicht aufgeben, kämpfe dagegen an! Soll all das, was deine Freunde für dich aufgenommen haben, denn umsonst gewesen sein? Und was ist mit dir? Willst du gar nicht wissen, wer dich in diese Lage gebracht hat? Oder ist dir nun alles egal?“

Aufgebracht kniete sie neben ihm, ihr Gesichtsausdruck strotzte vor lauter Unglauben, als sich ihre Blicke trafen und er dem ihren beschämt auswich. Er gab ihr ja Recht, aber ... ihm fehlte die nötige Kraft, das alles durchzustehen.

„Gomen“, flüsterte er, „ich ... dieser Schmerz ... er ist unterträglich ... alles in mir drin hatte sich gegen so ein Leben entschieden und ...“, kaum hörbar fügte er hinzu: „Ich bin nicht stark genug dafür“, es klang verbittert und hilflos. „Vielleicht war ich es einmal in diesem früheren Leben, was ich geführt habe, aber jetzt ... jetzt bin ich nur noch eine Puppe, mit der Irgendwer seine grausamen Spielchen treibt.“

Eine Hand strich fürsorglich über seine Wange, was ihn ein wenig zusammenzucken ließ, denn die alte Dame hatte für ihr beträchtliches Alter eine doch sehr eindrucksvolle und kräftige Linke.

„Du bist keine Puppe“, sagte Manami neben ihm, während sie mit vorsichtigen und angenehmen Bewegungen seine puckernden Schläfen massierte, „du bist ein aufrichtiger und ehrlicher junger Mann, den es ehren sollte, solch treue Freunde an seiner Seite zu haben.“

Verdutzt schaute er sie an, er fühlte, wie er vor Verlegenheit ein wenig rot um die Nase wurde, was sie mit einem schelmischen Grinsen hinnahm. Plötzlich zuckten Bilder durch seinen Geist; hunderte, wenn nicht tausende liefen in einer Geschwindigkeit vor seinem inneren Auge ab, welche das Unmögliche noch bei weitem übertraf. Eine Frau ... ihre wunderschönen langen seidigen Haare wehten im Wind ... ihre Augen waren sanft und liebevoll, doch auch irgendwie traurig ... eine Hütte ... und dann ... .

„Feuer!“, stöhnte der schwarzhaarige Junge mit einem Male gequält, so dass Manami erschrocken ihre Hände von ihm wegriss. Seine onyxfarbenen Augen waren vor Entsetzen weit aufgerissen, die schwarzen Pupillen so stark geweitet, dass die alte Frau es mit der Angst zu tun bekam.

„Inuyasha?“, fragte sie zögerlich und berührte ihn vorsichtig, doch er wand sich darunter, als beständen ihre Hände aus glühenden Kohlen. Mit vor Schrecken verzerrtem Antlitz starrte er zur Decke, als hätte sich gerade von seinem zitternden Körper die alles verschlingende und Dunkel ausspeiende Hölle aufgetan. Verzweifelt knetete sie ihre Finger. Als sie vor wenigen Augenblicken die Schulter des Jungen gestreift hatte, war ihr eine enorme Welle von Hitze entgegengeschlagen, eine Hitze, die nur ein Inferno aus Flammen ausstrahlen konnte und nun geschah das Gleiche erneut.

„Nein ... kaa-san ...“, murmelte er schwach, seine Stimme wurde immer leiser. Manami rückte behutsam näher an ihn heran und spürte mit wachsender Beunruhigung die enorme Wärme, die rund um den Körper des Jungen wie ein Feuer loderte.

„Geh nicht wieder zurück ... das Feuer ...“, er klang verzweifelt und die alte Frau wusste, dass seine Bitte nicht erfüllt werden würde. Betrübt betrachtete sie ihren jungen Schützling, dessen Vergangenheit größtenteils mit Enttäuschungen und Verlusten gespickt war.

„Kaa-san ... nein, lass mich nicht zurück ... wenn, dann gehen wir beide ... wie immer ... wir beide ...“, kam es stockend über seine ausgetrockneten Lippen, die sich wie in Trance bewegten.

Überrascht spürte Manami, wie ihr ein paar Tränen über die von Falten zerfurchten Wangen rannen. Sie konnte nicht wissen, wie sich der Junge fühlte und doch quälte sie sein Anblick so sehr, dass ihr Herz sie mit schmerzvollen Stichen daran erinnerte, dass es in ihrer Brust existierte.

„Kaa-san ... NEIN!“, schrie er ohne Vorwarnung plötzlich aus, während sein Körper sich wie ein junges Pferd aufbäumte, um dann gleich eines Kartenhauses in sich zusammenzufallen. Reglos und mit geschlossenen Augen blieb er liegen, das einzige, was man in dem kleinen, von der Nachmittagssonne durchfluteten Raum vernehmen konnte, war der rasselnde, sich kaum beruhigende Atem Inuyashas und das leise Schluchzen einer Frau, die in einem Dorf mit Menschen zusammenlebte, deren Vorfahren nicht ganz unschuldig an dem Schicksal dieses Halbdämonen waren, den sie beschützend in ihre von Arthrose zerfressenden Arme schloss.
 


 

Jajaja, ich bin ein Sadist (aber nur, was das Schreiben angeht), jedoch bekommt Ihr dieses Mal eine kleine Vorschau auf das nächste Kapitel (welches schon fertig ist):
 

Miroku spricht im Beisein seiner Freunde etwas an, was ihm schon seit Betreten dieses Dorfes auf dem Herzen liegt und ihm keine Ruhe mehr lässt, als plötzlich etwas Eigenartiges geschieht - eine fremde, anfangs bösartige Macht fällt unerwartet über die Freunde her und stürzt sie allesamt in Verwirrung. Was kann das nur sein und was hat es mit den verbrannten Überresten, die einmal eine Hütte gewesen sind, auf sich?

Das und mehr im nächsten Kapitel "Freundschaft"
 

CU Mariko

Freundschaft

Tach Ihr Lieben, leider hat sich das nächste Kapitel etwas verspätet, schuld daran sind unsere Renovierungsarbeiten, bei denen ich jedoch wie ein Fuchs aufgepasst habe, dass mir mein Datenstick mit den aktuellen Worddateien bloß nicht abhanden kommt.
 

Bei diesem Kapitel müsst Ihr auf den armen Inuyasha einmal verzichten, denn dies hier ist einzig und allein seinen Freunden gewidmet.
 

Auch wird der Leidtragende dieser FF jetzt nicht mehr so gequält, also keine Sorge *grins*
 

Das darauffolgende Kapitel hoffe ich, im November fertigstellen zu können, falls es nicht ganz klappt, bitte nicht böse sein, da wir mit dem Renovieren noch nicht fertig sind, Lina-san mir noch ne FF aufgedrückt hat *böse zu ihr rüberschielt*, hihi, und ich mich zurzeit noch um Tausend andere Dinge kümmern muss.
 

Hehe, wo wir gerade bei Lina-san sind, schaut doch mal in ihre neue FF zu Herr der Ringe hinein, sie lohnt sich auf jeden Fall. Ansonsten arbeiten wir an einer Gemeinschafts-FF zu Full Metal Alchemist, wo bereits etliche Kapitel on sind und auf gierige Leseraugen warten, sowie ganz neu an einer Naruto-FF, von der bald das erste Kapitel erscheinen wird, allerdings alle unter Lina-sans Namen.
 

Zum Schluss möchte ich mich noch mal ganz besonders bei meinen lieben Kommi-Schreibern bedanken, ich finde es schön, dass euch diese FF gefällt und freue mich jedes Mal über eure netten Kommis.
 

Und jetzt schlachtet mich von mir aus, weil ich viel zu lange gequatscht habe ...
 

11. Kapitel: Freundschaft
 

Stunden später, nachdem Kagome ziellos in der Gegend umhergelaufen war, um ihre durcheinander geratenen Gefühle zu ordnen und Miroku auf der Flucht vor Sangos zarten Händen durch Zufall Myoga im hohen Gras entdeckt hatte, der gerade im Begriff war, einer viel zu jungen Flohdame den Hof zu machen, saßen sie alle im orangerotfarbenen Dämmerlicht in ihrem Zimmer an einem reich gedeckten Tisch voller Speisen, die ihnen Manami für den heutigen Abend zugesagt hatte. Der Flohgeist, dessen Ausflug in die Liebe ihn wohl äußerst hungrig gestimmt hatte, hüpfte munter von einem lecker duftenden Teller auf den nächsten, hielt jedoch plötzlich mit gespitzten Ohren inne, als der Name seines jungen Herrn fiel, dessen Schicksal er in den letzten Stunden vollkommen aus seinem Geiste verdrängt hatte. Mitten im Flug zur nächsten Schale, in der sich die leckersten Süßspeisen befanden, die jemals ihre Lippen berührt hatten, drehte er den Kopf in Richtung Kagome, die allen ihre Sorge um Inuyasha mitteilte und landete daraufhin mit einem lauten Platsch direkt in der Soße aus gestampften Früchten. Mit erstickenden Blubbergeräuschen verschwand er in der verlockend aussehenden Pampe und wäre wahrscheinlich in etwas, worin sich Genießer gerne begraben lassen würden, ertrunken, hätte ihn nicht die vertraute Hand eines gewissen Mädchens aus der Zukunft wieder an die rettenden Oberfläche befördert.

„Myoga-jijii, geht es dir gut?“, hörte er die leicht besorgte Stimme des Mädchens an seine Ohren klingen, die genau wie sein Mund voll mit klebrigem Süßkram waren. Angewidert das köstliche Zeug ausspeiend nickte er krampfhaft, während sie ihn vorsichtig von dem roten Gelee befreite, welches sich wie eine zweite Haut um seinen winzigen Körper gelegt hatte. Von Süßigkeiten würde er die nächsten Tage, ach was, Wochen, mehr als genug haben. Grummelnd setzte er sich auf sein kleines Hinterteil und wischte sich mit einem Blütenblatt, welches in Massen als Dekoration zwischen all den reich verzierten Essensschalen lag, die Händchen ab, als ihm mit einem Male wieder in den Sinn kam, was der Grund für sein unfreiwilliges Bad in der süßen Masse war, die nun keiner mehr anrührte.

„Wie geht es Inuyasha-sama?“, presste er hervor, sich beschämt an die erste Begegnung mit seinem Herrn nach dessen eigentlichem Tod erinnernd.

Die ausweichenden Gesten der jungen Leute ließen ihn nichts Gutes ahnen, mit sorgenvoller Miene suchte er Kagomes Blick, doch diese besah sich mit hängenden Schultern lieber den Fußboden, anstatt ihm wahrheitsgemäß zu antworten. Bei den anderen erging es ihm nicht besser, Sango begann übertrieben mit ihren langen schwarzen Haarsträhnen zu spielen, wobei ihr Miroku sehr interessiert zusah, während sich auf Shippos Stirn vor lauter Nervosität kleine Schweißtröpfchen bildeten, als der alte Flohgeist ihn fordernd anstarrte.

Genervt und mit beleidigt verschränkten Armen vor dem Körper wandte sich Myoga von ihnen allen ab.

„Also gut, wenn hier niemand mehr mit mir spricht, dann muss ich mich wohl selbst schlau machen“, entschied er und machte Anstalten vom Tisch zu hüpfen, als ihn zierliche Finger umfassten und ihn somit zurückhielten. Erstaunt sah er hoch, als er sich in einer Handfläche wiederfand und begegnete den traurigen Rehaugen jenes Mädchens, welches mit jeder Faser seines Körpers diesen Jungen liebte, aus dem alles Dämonische, was einst in ihm gelebt hatte, gewichen war.

„Was ist mit ihm?“, fragte er nach einer Weile vorsichtig, vorbereitet auf das Schlimmste.

„Du weißt ja, dass er sich an keinerlei Dinge aus seiner Vergangenheit erinnern kann“, begann sie mit belegter Stimme zu berichten, nachdem sie einen prüfenden Blick in die Runde geworfen hatte und ihr alle zustimmend zugenickt hatten. Natürlich hatte der alte Flohgeist ein Recht darauf zu erfahren, was mit seinem jungen Herrn nun los war, schließlich kannte er ihn schon viel länger als sie alle hier zusammen, aber wie würde er auf die Wahrheit, die doch in vielen Fällen einen bitteren Nachgeschmack hinterließ, reagieren?

Nachdem Kagome von den vergangenen Stunden mit Inuyasha berichtet hatte, war es in dem durch die untergehende Sonne erhellten Zimmer plötzlich so still geworden, dass man meinen könnte, selbst das Licht würde angesichts dieser Nachrichten vor Entsetzen verblassen. Einzig und allein ein mitleiderregendes Schniefen war zu hören, was das Mädchen dazu veranlasste, auf ihre Handfläche hinabzublicken, in der Myoga wie ein in sich zusammengefallenes Stück Obst saß und tautropfengroße Tränchen für seinen Herrn verweinte.

„Alles meine Schuld“, konnte man mit Müh und Not aus dem Schniefen und Schluchzen vernehmen, welches der kleine Flohgeist nun nicht mehr zurückhalten konnte.

„Hätte ich doch nur besser auf ihn Acht gegeben, was soll nun sein verehrter Herr Vater von mir denken“, weinte er herzzerreißend, während sich in Kagomes Handfläche eine beträchtliche Pfütze aus Tränen bildete. Verzweifelt sah das Mädchen auf ihn herab; sie wollte nicht, dass er sich wegen etwas Vorwürfe machte, für das sie ebenso mitverantwortlich war.

„Myoga“, begann sie mitfühlend, doch das winzige Wesen jammerte schluchzend weiter, als hätte es sie gar nicht gehört.

„Schande, was für eine Schande“, heulte er plötzlich auf, so dass das Mädchen Hilfe suchend zu ihren Freunden hinübersah, doch diese schüttelten nur bedauernd die Köpfe und sahen betreten zu Boden; zuviel Leid war in den letzten Tagen über sie hereingebrochen, so dass sich mittlerweile ihr Repertoire an tröstenden Worten gefährlich eingeschränkt hatte und sie sich manchmal ebenfalls wünschten, einige aufmunternde Sätze zu hören. So begriff Kagome langsam, dass all dies wieder einmal an hier hängen bleiben sollte. Aber zunächst musste sie es schaffen, dass die vernichtenden Schuldgefühle den Flohgeist nicht von innen zu zerfressen drohten.

„Schande“, wimmerte dieser immer wieder, seine Augen blickten glasig an Kagome vorbei ins Leere, weit in die Vergangenheit wanderte seine Erinnerung zurück, als er schniefend weitersprach, ob er es nun tat, um alle daran Teil haben zu lassen oder um über sich selbst zu richten, mochte keiner von ihnen sagen.

„Was würden meine Vorfahren nur von mir halten, wenn sie davon wüssten?“, fragte er das Nichts hinter Kagome, während seine Augen in einem See von Tränen zu ertrinken drohten.

„Jahrhunderte lang hat meine Familie in den Diensten großer Dämonenfürsten gestanden und ihnen mit Leib und Seele gedient und was tu ich?“ Anklagend schnaubte er vor Wut über sich selbst.

„Ich renne jedes Mal davon, wenn Inuyasha-sama Gefahr droht und bringe mich in Sicherheit. Wäre ich doch nur bei ihm gewesen, als der Youkai ihn angegriffen hat, so wäre ich würdevoll mit ihm in den Tod gegangen.“ Hoffnungslos ließ er sich auf seine vier Buchstaben plumpsen und verzog mit einem Male sein Gesicht zu einem eigenartigen Lächeln.

„Doch was noch nicht ist, kann schleunigst nachgeholt werden“, krochen somit Worte, die Kagome einen Schauer nach dem anderen über den Rücken trieben, aus seinem Munde. Fest entschlossen stand er auf und bewegte sich unsicheren Schrittes auf den Rand seiner Standfläche zu. Mit einem „Verzeiht mir, Inuyasha-sama“, breitete er seine kleinen Ärmchen aus, schloss die Augen und stürzte sich wie ein Fallschirmspringer aus Kagomes Hand mit Kurs auf den harten Fußboden, der seinen immer wiederkehrenden Schuldgefühlen ein rasches Ende setzen sollte.

Mit einem Schrei des Entsetzens ließ sich Kagome in die Hocke fallen und griff hastig nach dem stürzenden Flohgeist, der jedoch genauso schwer wie eine umherschwirrende Fliege zu erhaschen war. Um sich herum hörte sie ihre Freunde aufspringen, genau wie sie selbst konnten diese ebenfalls nicht glauben, was sich ihnen bot. Panisch schloss Kagome die Augen, als ihr bewusst wurde, dass sie den Kleinen nicht mehr auffangen konnte. Warum hatte er das auch nur getan? Er trug doch am wenigsten die Schuld an diesem Unglück, sicher, er war ein Feigling, aber an diesem denkwürdigen Tag hatte er sich doch nicht einmal in der Nähe seines Herrn aufgehalten, wie hätte er da noch etwas tun können? Oder war es sein Ehrgefühl, dass dadurch einen derben Einbruch erhalten hatte? Was auch immer es sein mochte, nun war alles zu spät.

Sie spürte, wie sich heiße Tränen einen Weg an die Oberfläche suchten; auch wenn dieser kleine Flohgeist nicht das gewesen war, was man sich unter einem perfekten Diener und Berater vorgestellt hatte, so war er doch für sie alle ein treuer Freund gewesen, der ihnen mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte, wenn sie seine Hilfe benötigt hatten.

Plötzlich fühlte sie weiches Fell, welches um ihre nackten Beine strich, ein Schnurren erklang aus der Kehle einens Tieres, das wie die Laute einer kleinen Katze klang. Langsam öffnete sie die Augen und sah erstaunt auf Kirara hinunter, deren Vorderpfoten mit einem schnellen Satz ihre Knie berührten und dort verweilten. Zwischen ihren kleinen, aber rasiermesserscharfen Zähnen hing etwas, das wie ein kleiner Stofffetzen wirkte, sich aber von einer Sekunde auf die andere zu bewegen begann.

„Myoga!“, entfuhr es Kagome überrascht und doch gleichzeitig überglücklich, als das kleine Etwas sich in dem warmen Atem der Katze wie ein hilfloses Opfer wand und zahlreiche Beschimpfungen gegen das niedliche Tier ausspie, dessen Augen sich aufgrund dessen ungläubig weiteten und einen ärgerlichen Ausdruck annahmen. Wie ein frecher Spatz schimpfte er und schalt Kirara für ihren überaus noblen Einsatz, ihn davor gerettet zu haben, als platte Flunder zu enden, als ihn ohne Vorwarnung Jemand aus den Fängen der Katze riss und ihn mit einer Wucht schüttelte, so dass alle Organe in seinem Inneren plötzlich am falschen Platz saßen. Nachdem sich sein Blick wieder einigermaßen geklärt hatte, versuchte er entrüstet den Verursacher dieser ihm die Übelkeit in die Speiseröhre treibenden brutalen Aktion zu finden, als er mit einem Male kleinlaut innehielt, denn die Freude, welche Kagome über seine wundersame Rettung noch vor wenigen Augenblicken buchstäblich im Gesicht geschrieben stand, hatte sich wie das Wetter an einem schwülen Sommertag abrupt geändert und zwei zornig funkelnden Pupillen Platz gemacht, die in der düsteren Miene des Mädchens noch am angenehmsten wirkten. Zu allem Übel bemerkte er auch noch, dass er sich zwischen ihren Fingern befand und es absolut keine Möglichkeit gab, ihrem wütenden Wortschwall, der jeden Moment wie eine Herde Wildpferde über ihre Lippen stoben würde, zu entfliehen.

„Wie kannst du es wagen, so etwas zu tun?“, keifte sie ihn an, so dass ihm die Trommelfelle bedrohlich flatterten und schüttelte ihn dabei wieder, als sei er ein Sparschwein voller Münzen, was zur Folge hatte, dass Kirara erschrocken beiseite sprang und sich beherrschen musste, nicht ihren tierischen Instinkten nachzugehen und nach dem kleinen Flohgeist zu schnappen, der munter vor ihrer Nase hin- und herbaumelte. Dieser konnte im Moment nicht zuordnen, was schlimmer für ihn war; der sichere Tod oder Kagomes überschäumende Wut, welche wie die ungebändigte Gischt des Meeres über ihn hereinbrach. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als einfach im Nichts zu verschwinden, doch ihm war bewusst, dass es kein Entrinnen vor dem wütenden Mädchen gab, das erneut tief Luft holte, um ihren Unmut über sein, was er nun auch langsam einsah, überaus dummes Verhalten kund zu tun. So ließ er nur beschämt sein Haupt hängen und wartete geduldig auf die Urteilssprüche seiner Henkerin. Die rang, wild mit den Händen fuchtelnd, wobei ihm erneut übel wurde, mit der Fassung, suchte nach den richtigen Worten, fand sie jedoch nicht sofort, was eine Abfolge von eher wütend gezischten Gedankengängen zu Tage förderte.

„Ich ... ich glaub das einfach nicht ... aaaargh! Wie kann er nur? Ich versteh das nicht! Inuyasha ist doch noch am Leben! Und dann so was! Wirklich unmöglich! Als ob er nicht wichtig für uns sei! So ein verbohrter winziger Zwerg!“

Sich wild die Haare raufend, wobei ihr fast der Floh aus den Fingern glitt, lief sie wie ein Tier auf der Flucht vor seinem Peiniger im Zimmer auf und ab, während Sango und Miroku mit beschwichtigten Handbewegungen versuchten sie zu beruhigen. Shippo und Kirara saßen in einer Ecke auf dem Boden und starrten das Mädchen mit offenen Mündern an; die kleine Dämonenkatze stets sprungbereit, sollte Myoga aufgrund Kagomes wilden Handbewegungen erneut durch die Luft gleiten.

Als Kagome ihre Wut mit Hilfe ärgerlich geknurrter Wörter quer durch den Raum schmiss, horchte der Flohgeist mit einem Male überrascht auf.

>Sie brauchen mich? Das hat noch niemals jemand über mich gesagt.<

Vollkommen gerührt traten ihm Tränen der Freude in die Augenwinkel und sein Gesicht nahm einen fast zufriedenen Ausdruck an, als Kagome ihn wie einen Baseball durch die Luft schwenkte, der kurz vorm Abwurf stand.

Sango und Miroku starrten ihre Freundin etwas entgeistert an, als diese vor ihnen einen Tanz aufführte, als stände in der Mitte dieses Zimmers ein Kochtopf mit einem unglücklichen Myoga im brodelnden Wasser, der sein sicheres Abtreten von dieser Welt bereits vor Augen hatte. Die junge Dämonenjägerin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als sie ihre kleine pelzige Freundin beobachtete, die mit wachsamen Augen den Bewegungen des Flohgeistes folgte, der jeden Augenblick drohte, aus den sicheren Fingern Kagomes zu rutschen. Diese hatte sich noch immer nicht wirklich wieder unter Kontrolle, zu sehr hatte sie der unüberlegte Entschluss Myogas, sein Leben einfach fortzuwerfen, entzürnt und aufgeregt. Erst ein leises, fast schüchternes Stimmchen, welches sehr nahe an ihrer Hand erklang, ließ sie in ihrer aufbrausenden Wut innehalten.

„Kagome-sama?“ Es war nicht viel mehr als ein einsamer Windhauch und doch reichte es aus, um ihren Ärger verrauchen zu lassen. Sachte wie eine weiche Feder ließ sie sich auf die Knie nieder und öffnete vorsichtig ihre rechte Hand, in der sich ein winziges Wesen befand, welches sich noch ein wenig misstrauisch an ihren Zeigefinger klammerte und sie mit einem schuldbewussten Blick aus seinen großen Augen bedachte.

„Es ... ich ... ich bin ein riesengroßer Dummkopf“, platzte es beschämt aus Myoga heraus, während er versuchsweise seinen sicheren Halt an Kagomes Finger aufgab und sich schwerfälligen Schrittes in die Mitte ihrer Handfläche bewegte.

„Ich weiß nicht, was da in mich gefahren ist“, begann er leise sein Verhalten zu erklären. „Vielleicht war es die Verzweiflung über den Zustand meines Herrn, der mich vollkommen aus der Fassung gebracht hat und doch ...“, er zögerte einen Moment und blickte in die sanften Augen des Mädchens, welches seinem jungen Herrn wichtiger erschien als alles andere auf dieser Welt, „und doch wart Ihr es, die mir gezeigt hat, wie dumm meine Entscheidung, nur aufgrund meines verletzten Stolzes aus diesem Leben zu scheiden, gewesen ist. Deswegen habt Dank.“

Höflich verbeugte er sich vor ihr, was ihr Gemüt erfreute, jedoch gleichzeitig aber auch Erstaunen an das Tageslicht förderte.

Mit einer gewissen Freude verfolgte der kleine Flohgeist, wie ein verständnisvolles Lächeln über die hübschen Lippen des Mädchens huschte, doch die Frage, wie sie ihn wieder auf den Weg der Tugend gebracht hatte, schwebte wie ein leise dahingleitendes Herbstblatt zwischen ihnen.

„Ihr sagtet, dass ich wichtig sei“, half er ihr behutsam nach dem Grund seiner Einsicht suchend. „Das weckte in mir wieder die Zuversicht, dass die Hoffnung, Inuyasha-sama eines Tages wieder in seiner gewohnten Gestalt einschließlich seiner Erinnerungen zu sehen, noch nicht verloren ist. Vielleicht weiß ich ja etwas, was Euch weiterhelfen könnte.“

Kagome fiel ein tonnenschweres Gebirge vom Herzen, als sie bemerkte, dass der gewohnte Optimismus des Flohgeistes wieder Einzug in seine Seele genommen hatte. Liebevoll berührte ihr Finger die haarlose Platte des kleinen Wesens, welches sie erwartungsvoll musterte und ein wenig rot wurde. Verschämt sah er nach unten und betrachtete die feinen Linien, die sich durch die Haut ihrer Handfläche zogen.

„Jedes Lebewesen ist wichtig, Myoga-jijii, denn jeder folgt seiner Bestimmung und die deine ist es, deinem Herrn mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, denn in deinem Inneren schlummert ein Wissen, welches er noch nicht besitzt. Außerdem kannst du so deine Schuld ihm gegenüber begleichen.“

Erstaunt sahen alle auf. So etwas aus dem Mund eines fünfzehnjährigen Mädchens zu hören zauberte Verblüffung auf ihre Gesichter.

„Wohl gesprochen, Kagome-sama“, äußerte sich Miroku dazu und nickte zustimmend in ihre Richtung.

„Besser konnte es man nicht ausdrücken“, pflichtete ihm Sango bei und lächelte.

Erleichtert spürte Kagome, wie die Anspannung, welche über den Köpfen ihrer Freunde wie ein drohendes Gewitter geschwebt hatte, gleich einer porösen Mauer bröckelte und auf Nimmerwiedersehen verschwand.

„Das habt Ihr wunderschön gesagt, Kagome-sama“, schniefte eine gerührte Stimme unterhalb ihres Kinns und sie hob ihre Hand ein wenig höher. Seine großen Augen versanken wie zwei überdimensionale Sonnen in einem funkelnden Tränenmeer, als die Worte des Mädchens ihm noch einmal durch den Kopf gingen.

>Wenn Inuyasha-sama doch auch so nett zu mir wäre ..., aber was nicht ist, kann ja noch werden<, machte er sich in Gedanken Hoffnung. Mit einem großen Satz sprang er von Kagomes Handinnenfläche auf den langen Tisch und versank mit einem zufriedenen Seufzer in einer großen Schale voll köstlich duftendem angebratenen Gemüse und Schweinefleisch, was Shippo mit einem neidischen Grunzen quittierte, hatte er doch noch davon essen wollen. Angeekelt verzog er sein Gesicht, als der Flohgeist wie eine dicke Made im Speck sich seinen Weg bahnte und mit glänzenden Augen all den Leckerbissen eigenartige Kosenamen gab, bevor er sie mit einem lauten Schmatzen verschlang. Irgendwie schien das wohl langsam zur Gewohnheit für ihn zu werden.

Ein wenig belustigt sahen die anderen ihm dabei zu, mit Ausnahme eines gewissen kleinen Fuchsdämon, der noch immer wie eine beleidigte Leberwurst dreinschaute und sich im Stillen bereits von dem Gericht, in dem ein nimmersatter Floh seine Runden wie ein Olympiaschwimmer zog, verabschiedet hatte.

Die das Gemüt belastende Atmosphäre hatte sich zur Freude aller wieder etwas entspannt und schmolz rasch dahin wie der letzte Schnee im schwindenden Winter. Fröhlich lachend und schwatzend saßen sie am Tisch, verulkten Myoga, der selbst schon ausschaute wie ein wandelnder Reisball und neckten Shippo, der sich grummelnd in eine Ecke verzogen hatte und den selbst Kiraras mit einem tiefen Schnurren verbundenen Schmusereien nicht seinen Groll gegen Myogas Unersättlichkeit vergessen lassen konnten. Erst ein wunderbar rot leuchtender Lolli von Kagome, den sie vergnügt aus ihrer Tasche zauberte, tröstete ihn über den Verlust seiner Lieblingsspeise, in welcher der Flohgeist noch immer wie in Milch und Honig badete, hinweg. Begeistert sprang der kleine Kitsune auf den Schoß des Mädchens und labte sich, mit einem Male wieder gut gelaunt, an der süßen Köstlichkeit, welche ihre kirschrote Farbe um den ganzen Mund des Fuchsjungen verteilte.

Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen sah Kagome in die fröhliche Runde. Aus jedermanns Herzen schienen die dunklen Schatten für immer vertrieben, Glück und Zufriedenheit stand in den Augen ihrer Freunde geschrieben, fast als wäre – sie hielt inne und seufzte leise – als hätte der oftmals mürrisch gelaunte Hanyou nur für einen kurzen Moment den Raum verlassen, um jeden Augenblick wieder zu ihnen zu stoßen, um mitzuessen. Dass dem nicht so war, wurde dem Mädchen durch diese Situation noch schmerzlicher bewusst, als sie sich gedacht hatte. Mühsam versuchte sie für sich und ihre Freunde ihr Lächeln aufrecht zu erhalten, doch es wurde bald zu einer ihre Seele zerfressenden Qual, so dass sie mehr als dankbar war, als mit einem Male der junge Mönch, welcher ihr direkt gegenüber saß, das fröhliche Gelächter mit nachdenklicher Miene unterbrach. Nachdem er sicher war, dass ihm jeder Gehör schenkte, begann er etwas anzusprechen, was ihm seit ihrer Ankunft in diesem Dorf auf der Seele lag und ihm keine Ruhe mehr gönnte.

„Sagt mal“, begann er und sofort verstummten das Gelächter und die angeregten Gespräche seiner Freunde untereinander, jeder merkte anhand seines ernsten Gesichtsausdruckes und der tiefen ruhigen Stimme, dass er etwas zum Ausdruck bringen wollte, was ihnen allen wahrscheinlich nicht gefallen würde. Genau das dachte sich auch der junge Geistliche und ein wenig schuldbewusst biss er sich auf die Unterlippe, als er in die Gesichter seiner Freunde blickte.

„Entschuldigt, dass ich euch die gute Laune verderbe, aber da ist etwas, was ich euch schon lange fragen wollte“, begründete er das Unterbrechen der vergnügten Runde. Sango und Shippo sahen sich stirnrunzelnd an, während Kagome ihrem Gegenüber aufmunternd zunickte.

„Diese verkohlten Überreste aus Holz am Rand des Dorfes, als wir es betraten, sind euch die auch aufgefallen?“ Interessiert musterte er ihre Mienen und musste leicht enttäuscht feststellen, dass sich die beiden jungen Frauen ratlos dreinblickend und schulternzuckend ansahen. Nur der kleine Kitsune, der noch immer angeregt mit seiner rotfunkelnden Süßigkeit beschäftigt war, hielt plötzlich inne und sah Miroku alarmiert an. Nur zu gut konnte er sich noch an den Moment erinnern, als sie diese Stelle passiert hatten. Ihm war die innere Unruhe des Mönches, auf dessen Schulter er gesessen hatte, nicht entgangen und so hatte auch er seinen Blick auf die abgebrannte Ruine, welche einmal ein liebevoll und ein mit größter Mühe zusammengezimmertes Häuschen gewesen sein musste, gerichtet und es im selben Augenblick sofort wieder bereut. Was auch immer dort einst geschehen sein mochte, hatte ihn in diesem Moment seiner Aufmerksamkeit mit Emotionen überrannt wie eine außer Kontrolle geratene Büffelherde, die ungefragt über seine kindliche Seele hinweggerast war. Mit einem gequälten Stöhnen ließ er seinen Lutscher, der für ihn vor einigen Minuten noch das Wichtigste auf dieser Welt gewesen war, fallen und drückte sich verängstigt und bibbernd in die Arme seiner großen Freundin, welche erstaunt auf den Fuchsdämon hinabsah.

„Aber, aber, Shippo“, bemerkte sie lächelnd und streichelte dem Kleinen beruhigend über den Rücken. „Was ist denn los mit dir? Hast du einen Geist gesehen?“

Sanft versuchte sie ihn von sich wegzudrücken, doch der Kitsune krallte sich so fest an ihre Kleidung, dass sie schon ein leises Krachen der Nähte, welche den Stoff zusammenhielten, vernahm. Nur für einen kurzen Moment gelang es ihr, den kleinen Körper von dem ihren zu lösen und das auch nur, da sich der Junge durch ihr beruhigendes Zureden und die sanften Berührungen ein wenig beruhigt hatte. Doch was sie dann in seiner verängstigten Miene und seinen vor Entsetzen geweiteten Augen las, ließ sie starr vor Schreck werden, so dass der Kleine sein Gesicht erneut leise wimmernd in ihrer Kleidung vergrub.

„Was ist da passiert, Miroku-sama?“, fragte Kagome eigenartig monoton, während der junge Mönch die ganze Zeit über mit gerunzelter Stirn den vor Angst zitternden Kitsune betrachtete. Sogar Myoga hatte aufgrund der plötzlich aufkommenden Stille, welche unter den jungen Leuten aufgekommen war, in seiner Fressorgie inne gehalten und musterte sie alle nacheinander mit unverhohlener Neugier.

„Du hast es auch gefühlt, Shippo, nicht wahr?“, fragte Miroku direkt heraus und unbewusst Kagomes Frage ignorierend den kleinen Kitsune, der sich winselnd wie ein verletztes Hundebaby von dem jungen Mönch wegdrehte.

„Was, Miroku? Was haben du und Shippo bemerkt, was Sango und mir entgangen ist?“, wollte Kagome erneut von dem Mönch erfahren und legte ihre Arme beschützend um den vor Angst schlotternden Fuchsjungen, an dessen Körper sich die Augen Mirokus geheftet hatten als wären sie Reißzwecken. Der wirkte ein wenig enttäuscht, nachdem er von dem kleinen Youkai nicht die Unterstützung in seiner Vermutung, die er vor seinen Freunden jeden Moment kundtun wollte, erhielt.

Mit einer leicht säuerlichen Miene verzog Miroku das Gesicht und verschränkte mit einem leisen, ungehaltenen Grummeln die Arme vor der Brust.

„Ihr könnt mir doch nicht weismachen, dass euch rein gar nichts aufgefallen ist“, murrte er und blickte alle nacheinander forschend an.

„Was ist mit dir, Kagome-sama?“, fragte er das Mädchen vor sich neugierig und beugte sich, die Hände auf die Knie gestützt, leicht nach vorne.

„Mit mir? Wieso mit mir?“, entgegnete die Angesprochene etwas verwirrt. „Was soll mit mir sein?“ Feine Falten zogen sich wie die Furchen eines Ackers über ihre hübsche Stirn und ließen sie einen Augenblick wie eine ältere Version ihres momentanen Ichs aussehen.

„Na, ich meine, du reagierst doch sonst so hochsensibel auf ... auf ... ja, wie soll ich das nennen?“, versuchte Miroku angestrengt zu erklären, was er zum Ausdruck bringen wollte und holte tief Luft, während ihn seine Freunde voller Erwartung anstarrten.

„Auf unnatürliche Dinge von mir aus“, atmete er nach ein paar Sekunden des Schweigens geräuschvoll aus, „da dachte ich halt ...“, doch da wurde er überraschenderweise von Sango unterbrochen.

„Houshi-sama“, begann sie mit einem wissenden Ausdruck in den Augen und ihre Stimme klang plötzlich wie die einer Lehrerin, die ihren Schülern eine schwierige Aufgabe erklären wollte, „wie soll Kagome-chan, als wir das Dorf betraten, denn etwas aufgefallen sein, wenn sich ihre Gedanken die ganze Zeit über nur um Inuyasha gedreht haben?“

Eine eigenartige Stille senkte sich plötzlich über die Anwesenden; Shippo befreite sich mit Augen, riesig wie Kuchenteller, aus den beschützenden Armen seiner großen Freundin und starrte seine Gefährten wissbegierig an; was die Dämonenjägerin damit wohl gemeint hatte?

Der junge Geistliche biss sich in letzter Sekunde auf die Unterlippe und bedeckte rasch, damit niemand die sich zu einem Grinsen wölbenden Wangen entdeckte, mit seiner Hand das Gesicht unterhalb der Nase, die sich belustigt wie die Oberfläche des Wassers kräuselte.

„Hä?“, entfuhr es Kagome und entgeistert starrte sie ihre ältere Freundin, die scheinbar erst jetzt bemerkte, was sie da von sich gegeben hatte, an.

„Wa-wa-was ist mit meinen Gedanken?“ Das junge Mädchen glaubte sich verhört zu haben; natürlich mochte sie Inuyasha und war stets um ihn besorgt, aber ... . >Sie hat ja so recht, natürlich habe ich die ganze Zeit über nur an ihn gedacht, jedoch ... ist es wirklich aufrichtige und ehrliche Liebe, die ich für ihn empfinde? Hätte sie überhaupt eine Zukunft? Er, ein Halbdämon und ich, ein Mädchen aus einer ganz anderen Epoche ... und dann ... gibt es da noch Kikyo, er hegt noch immer Gefühle für sie.<

Vollkommen hin- und hergerissen bemerkte Kagome gar nicht, wie sich Sangos zarte Wangen blütenrosa färbten, als diese in das höchst amüsierte Antlitz des Mönches blickte, der kurz vor einem Lachanfall stand, während der kleine Kitsune ungeduldig auf eine Erklärung über das eigenartige Verhalten seiner Freunde wartete. Auch Myoga, der bald mehr einem wandelnden Reisball als einem kleinen Flohgeist ähnelte, stierte interessiert die jungen Leute an und hatte seine Leidenschaft, die an ihm klebte wie die Pollen verschiedener Pflanzen, zunächst einmal auf Eis gelegt.

„Ich ... äh ...“, stotterte Sango und sah sich nervös um, es missfiel ihr äußerst, dass alle sie anstarrten, als hätte sie keine Kleidung mehr am Leib.

„Ja?“, erwiderte Miroku, stellte seine Ellenbogen auf den Tisch und legte das Kinn in die offenen Handflächen, während er sie süffisant angrinste.

Schnell wandte die junge Frau den Blick ab, sie drohte in den dunklen, onyxfarbenen Augen des gut aussehenden Mönches zu versinken, der dies mit einem triumphierenden Lächeln quittierte.

„Kagome, ich ... äh ...“, begann sie erneut, woraufhin die Angesprochene, noch immer in Gedanken versunken, ein wenig erschrocken zusammen zuckte und verwirrt versuchte, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

„Ich ... gomen na, so direkt wollte ich das nicht sagen, ich meinte ja nur, dass ... dass du deswegen nichts anderes fühlen konntest, denn das, was in dem Moment dein Herz bewegte, ist das stärkste Gefühl, was es auf Erden gibt, nichts anderes hätte es verdrängen können, nicht wahr?“ Verlegen spielten ihre Finger miteinander, als alle sie sprachlos anglotzten, bis jemand das Wort ergriff, von dem sie es eher als allerletztes erwartet hatten.

„Ach, Sango“, schluchzte Myoga ergriffen und wischte sich die für ihn überdimensionalen Reiskörner aus dem Gesicht, „das hast du wunderschön gesagt, treffender kann man es nicht auf den Punkt bringen, was Kagome-sama und Inuyasha-sama betrifft.“

Flink, als hätte er in den letzten Minuten nicht gerade den halben Tisch leer gegessen, sprang er auf Kagomes Schulter und schmiegte sich voller Zuneigung an ihre weiche Wange, während das Mädchen ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter machte. Das, was sie sich als allerletztes wünschte, war über ihre Gefühle zu jenem Halbdämon zu sprechen, mit dem sie von einem Abenteuer ins nächste stürzte, denn sie fürchtete sich vor der Wahrheit, welche tief in ihr schlummerte und wohlig gegen ihre Bauchwand kribbelte gleich junger aufgeregter Vögel, die wild mit ihren gerade ausgewachsenen Flügeln schlugen.

„Kagome, ich hoffe, du bist mir nicht irgendwie böse oder so“, zerschnitt Sangos leicht zerknirscht wirkende Stimme die Gedanken des jungen Mädchens. Erstaunt sah sie ihre Freundin an, die mit schuldbewusster Miene neben ihr saß und äußerst angespannt ihre schlanken Finger knetete. Ein sanftes Lächeln erschien auf den Lippen der Schülerin; beruhigend klopfte sie der Dämonenjägerin aufs Knie und grinste sie versöhnlich an.

„Ach was“, sagte sie freundschaftlich, „es ist nur …“, verlegen hielt sie inne und rückte ein wenig näher an Sango heran, die sie neugierig musterte. Die linke Hand an das Ohr ihrer Freundin legend, in der Hoffnung, dass das nun Gesprochene vor der männlichen Fraktion, auch vor Myoga, der neugierig die Öhrchen spitzte, verborgen bliebe, flüsterte sie der Älteren das ins Ohr, was sie noch nie gewagt hatte, auszusprechen.

„Du hast ja recht“, wisperte es leise an Sangos Seite und die junge Frau begann wissentlich zu schmunzeln, „und es ist noch immer so.“

Sie machte eine kleine Pause, wandte den Kopf zur Seite und begegnete Mirokus höchst wissbegierigem nachtschwarzen Blick. Seine dunklen Pupillen funkelten belustigt, zu gerne wüsste er, was seine beiden hübschen Gefährtinnen da vor ihm, Shippo und Myoga geheim hielten, doch was die beiden kleinen Gesellen betraf, hatten diese schon wieder das Interesse an den Mysterien der Frauen verloren. Enttäuscht rollte er mit den Augen und seufzte tief, während er sich leicht gefrustet aufgrund seines Ausschlusses von dem Gespräch über die schon kalten Essensreste hermachte.

Nachdem der durchtriebene Mönch nun andere Dinge im Kopf hatte, vertraute sich Kagome weiter ihrer Freundin an.

„Seit Inuyashas vermeintlichem Tode ist mir klar geworden, was er für mich bedeutet und ich würde alles dafür in die Wege leiten, damit er wieder der wird, der er war, denn das, was er nun verkörpert, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Schatten seiner selbst.“

Traurig senkte sie den Kopf, bevor sie weitersprach. „Ich habe mir zwar anfangs gewünscht, dass aus ihm eines Tages ein Mensch wird, weil ich mich damals mit dem Gedanken, mit einem Halbdämon durch die Lande zu ziehen, nicht abfinden konnte, aber schon seit längerem denke ich anders darüber. So, wie ich ihn damals kennenlernte, so möchte ich ihn erneut kennenlernen, denn das ist der wahre Inuyasha, der, nach der sich jede Faser meines Körpers sehnt.“

Winzige, im dämmrigen Abendlicht wie kleine Sterne funkelnde Tränen schimmerten in den Augenwinkeln der Dämonenjägerin, nachdem ihre Freundin ihr dies anvertraut hatte. Tröstend schlang sie ihre langen Arme um den zierlichen Körper des Mädchens und drückte sie fest an sich. Sie fühlte, dass Kagome sich, überrascht über die Geste der jungen Frau, verkrampfte, doch dann, nach einer Weile, entspannten sich die Glieder des Mädchens und sie strich ihr beruhigend über das lange schwarze Haar.

„Gib niemals die Hoffnung auf“, flüsterte sie ihr leise ins Ohr. „Genau wie gegen die Youkai kämpfen wir gemeinsam dafür, dass Inuyasha das wiedererlangt, was ihm genommen wurde, das verspreche ich dir.“

„Danke, Sango“, erwiderte Kagome glücklich, „bessere Freunde als euch alle kann ich mir gar nicht wünschen.“

Ein wenig neidisch beobachtete Miroku die hübschen Geschöpfe vor seiner Nase und malte sich mit glänzenden Augen aus, wie es wohl wäre, wenn er sich zwischen den Beiden befinden würde, doch dann fiel ihm mit geballter Wucht wieder ein, über was er mit seinen Freunden hatte sprechen wollen.

Mit einem gequälten Stöhnen griff er sich plötzlich ans Herz, das von der unglaublichen Trauer und Wut, welche über ihn ungefragt hereinströmten wie eine aggressive Horde von Ameisen, beinahe in tausend Stücke gerissen wurde, was Kagome und Sango dazu veranlasste, erschrocken aufzuspringen. Myoga und Shippo, die sich gerade noch um den letzten Happen, welcher einsam und allein auf dem Tisch lag, gezankt hatten, zuckten vollkommen unvorbereitet zusammen. Der Flohgeist fiel vor Schreck in eine Schale, die bis zum Rand mit Sake gefüllt war, während Shippo angsterfüllt hinter Kiraras Rücken Schutz suchte, welcher alarmiert das Rückenfell zu Berge stand. Ein bedrohliches Knurren entwich ihrer Kehle, denn sie spürte genau wie der kleine Kitsune, dass etwas Fremdes diesen Raum unerlaubt betreten hatte. Mit einem besorgten Aufschrei ließ sich die junge Dämonenjägerin neben ihrem Gefährten auf die Knie fallen und riss ihn an den Schultern herum. Sie erschrak zutiefst, als sie in seine Augen blickte – Hass, Zorn und blinde Wut standen in ihnen geschrieben, ebenso wie Trauer, Angst und Verzweiflung.

Wie ein brodelndes dunkles Meer voller Hoffnungslosigkeit und verzehrender Einsamkeit wüteten sie in seinem Verstand und ließen ihn fast wahnsinnig werden. Erst eine vertraut klingende Stimme, die immer wieder besorgt seinen Namen rief, rettete ihn aus dem Sog dieser alles Leben vernichtenden negativen Gefühlsempfindungen. Mit schmerzverzerrter Miene öffnete er seine Augen, die er versucht hatte, vor der Wirklichkeit zu verschließen und blickte in die zedernfarbene Iris der Frau, an die er sein Herz verloren hatte.

„Miroku …“, es geschah äußerst selten, dass sie seinen Namen aussprach und jedes Mal, wenn sie es tat, glaubte er, vor Traurigkeit und Glück gleichzeitig zu zerspringen. Eine Träne, schimmernd wie eine kostbare Perle, rann ihre weiche Wange hinunter und zerbarst auf seiner Handfläche in abertausend winzige Wassertröpfchen, die sich in alle erdenklichen Richtungen flüchteten. Ohne die geringste Vorwarnung lag er plötzlich in ihren Armen, eng drückte sie ihn an sich, als befürchtete sie, ihn für immer zu verlieren. Sprachlos starrte er über ihre Schulter, an der sein Kopf lag, hinweg auf das Mädchen, welches auf der anderen Seite des Tisches saß.

Ein Wissen stand in ihren Augen geschrieben, das ihm einen eisigen Schauer nach dem anderen über den noch zitternden Rücken trieb. Sie wusste, was er gefühlt hatte, was über seinen Geist hereingebrochen war, denn ihre entsetzte Mimik verriet mehr als tausend Worte. Mit weit aufgerissenen Augen saß sie da; die Hand fassungslos vor den Mund geschlagen versuchte sie, die fremde Macht aus ihrer Seele zu vertreiben.

Nach einigen Momenten der Stille löste sich Miroku vorsichtig aus der beschützenden Umarmung Sangos und schenkte der jungen Frau, die ihn noch immer voller Sorge betrachtete, ein warmes und beruhigendes Lächeln.

„Es ist … mir geht es gut, Sango, keine Sorge“, versuchte er sie davon zu überzeugen, dass die Bedrohung aus seinem Herzen verschwunden war, doch so ganz huntertprozentig schien seine hübsche Gefährtin davon noch nicht überzeugt zu sein, legte sich doch plötzlich ihre warme zierliche Hand zärtlich auf die seine. Ein wohliger Schauer lief ohne Vorwarnung seinen muskulösen Rücken hinab, während er voller Überraschung ihre liebevolle Geste betrachtete. Sein tiefschwarzer Blick suchte ihren mahagonifarbenen und er beobachtete lächelnd, wie ihre Wangen sich dunkelrosa färbten, was in dem Licht der untergehenden Sonne besonders hübsch anzusehen sah, wie er befand.

Mit wachsender Nervosität wanderten ihre dunklen Pupillen im Raum umher, als sie bemerkte, dass er ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. Als hätte sie sich an einem heißen Holzscheit verbrannt, zog sie ihre Hand von der seinen hinfort und berührte die ihrige sanft mit der linken. Nicht, dass ihr seine Nähe unangenehm gewesen wäre, ganz im Gegenteil, sie wünschte sich nichts sehnlicher und doch … etwas verschämt sah sie zu Boden. Hatte sie es verdient, glücklich zu sein, wenn andere sich danach sehnten? Sie schaute zu Kagome hinüber, die noch immer etwas bestürzt den jungen Mönch musterte, der sich mit einem leisen Ächzen wieder zu seinen Freunden an den Tisch kniete. Die Jüngere hatte das verloren, was ihr am meisten am Herzen gelegen hatte.

Und Kohaku … . Traurig sah Sango weg, als Miroku ihr in die Augen blickte. Solange alles um sie herum nicht so war, wie es sein sollte, würde auch sie sich nicht das Glück gönnen, welches ihr zustand.

Irgendwie musste sie seine Aufmerksamkeit von ihr in eine andere Richtung lenken, andersherum wollte sie ihn nicht verletzen, also musste sie es geschickt anstellen. Doch wie? Angestrengt verkroch sie sich in ihren Gedanken wie ein Kaninchen in seinem Loch, während Miroku sie leicht perplex anstarrte.

Was war denn nur los mit ihr? Eben noch so besorgt um ihn verhielt sie sich ihm gegenüber nun so abweisend wie eine Gazelle, die auf den Gnadenstoß des Löwen, der über ihr stand, wartete.

„Was war das eben, Houshi-sama?“, sprudelte es aus ihr heraus wie das Wasser eines Springbrunnens; etwas Besseres zur Ablenkung war ihr nicht in den Sinn gekommen. Bemüht, ihm dabei in die Augen zu sehen, wartete sie auf eine Antwort und hoffte darauf, dass er auf ihre Frage anbiss gleich eines Fisches, der einen äußerst appetitlichen Wurm am Angelhaken entdeckt hatte.

Vor lauter Enttäuschung über ihre unerwünschte Reaktion zog er wie ein schmollender kleiner Junge die Mundwinkel nach unten, was ihr keinesfalls entging. Seufzend legte er die Hände auf den Tisch und wollte sich geschlagen zeigen, da ihm vollends bewusst war, dass er nun in dieser Situation auf keinerlei Gefühlsregungen von ihr ihm gegenüber bauen konnte, als jemand anderes an seiner statt das Wort an sich riss.

„Trauer und Verzweiflung, Wut und Hoffnungslosigkeit, Angst und Rachegelüste“, Kagomes Stimme klang eigenartig verfremdet, als sie das aussprach, was Mirokus Herz beinahe auseinandergerissen hatte. Ihre Augen schimmerten dabei trübe gleich einem verschmutzten Tümpel, als sie darüber nachdachte.

„Kagome-chan?“ Sango sah verwundert zu ihrer Freundin hinüber; kannte sie etwa den Grund für das Verhalten des jungen Mönches? Ihr Blick fiel auf den kleinen Kitsune, der mit klappernden Zähnen neben seiner niedlichen Katzenfreundin saß und sich ängstlich an ihr weiches Fell klammerte, nachdem Kagome ihren Satz vollendet hatte.

Ein leises Knurren stahl sich aus der Kehle Kiraras und nervös schweifte ihr wachsamer Blick durch den Raum und anschließend aus dem Fenster auf ein ihnen unbekanntes Ziel zu. Ohne Vorwarnung stellte sich ihr Nackenfell so steil auf wie die spitzen Stacheln eines Igels, so dass selbst Shippo mit einem erschrockenen Quieken von ihrer Seite wich und lieber Schutz in den Armen eines gewissen Mädchens suchte, welches ihm liebevoll über den Rücken strich. Ein wenig erschrocken beobachtete die junge Dämonenjägerin, wie sich die sanft und liebevoll erscheinenden Augen ihrer kleinen miauenden Freundin in ein beunruhigendes Blutrot verfärbten. Schon verlängerten sich ihre Reißzähne, wuchsen ihre Krallen, als Sango mit einem leisen Aufschrei sofort neben ihr war und sie an sich riss. Blut färbte ihre Kleidung rot, als die messerscharfen Klauen des sich wie wild gebärdenden Youkais scharf abgrenzbare Spuren in ihr unschuldiges Fleisch rissen, doch sie hielt die kleine Katze nur noch fester an sich gedrückt.

„Ruhig, Kirara, ganz ruhig“, wisperte sie ihrer knurrenden Gefährtin ins alarmierend zuckende Ohr, beruhigend strich sie mit einer Hand über ihr gesträubtes Fell und versuchte sie vor der Verwandlung zu bewahren, was ihr mit größter Anstrengung nach einer Weile gelang.

„Was hast du gesehen?“, fragte sie die Katze, bevor sie zitternd vor dem Fenster in die Knie sank und Kagome besorgt zu ihr lief und ihre Hände auf die Schultern der jungen Frau legte. Mit einem knappen Nicken gab sie dem Mädchen zu verstehen, dass alles in Ordnung sei, worauf sich Kagome zunächst zögerlich, dann aber der jungen Frau vertrauend ein paar Schritte von ihr entfernte und gespannt zusah.

Kirara kämpfte um ihre Beherrschung, noch niemals zuvor war es ihr so ergangen wie nun zu diesem Zeitpunkt. Sie spürte es, ganz nah bewegte es sich am Haus vorbei; immer wieder schlich es wie eine tödliche Krankheit durch ihre Seele und kehrte stets zu diesem unheilvollen Ort zurück, der am Rand des Dorfes als Ursprungsort allen Übels diente. Ihr kleines Herz klopfte wie wild, als der Hass und die Wut jenes unglückseeligen Wesens ihr Herz durchströmte und sie ebenfalls zur Raserei anstachelte, doch die Stimme ihrer langjährigen Gefährtin und Freundin, welche sie vor diesen Dingen mit aller Macht beschützen wollte, legte sich wie ein unsichtbares Schutzschild um ihren verletzlich gewordenen Geist und blockte jegliche Gefahr, die wie eine Welle über den winzigen Katzenkörper zu schwappen drohte, ab.

„Sango!“, schrie Miroku voller Angst, als er spürte, wie das Unbekannte mit aller Macht auf die junge Dämonenjägerin und ihre kleine pelzige Freundin zustürzte. Unbeholfen kam er auf die Beine, die nach dem soeben Erlebten noch bedrohlich unter seinem Gewicht schwankten, doch das ignorierte er mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln und stolperte los.

Doch dann, so plötzlich, wie alles begonnen hatte, war es wieder vorbei. Der Kopf des Mönches klärte sich von einer Sekunde auf die andere wie der Himmel nach einem schweren Gewitter; erleichtert brach er vor seiner Gefährtin in die Knie, dessen Augenlider sich, welche sie vor wenigen Augenblicken erschrocken niedergeschlagen hatte, langsam hoben. Erstaunt blickte sie in das erschöpfte, aber unendlich dankbare Gesicht des jungen Geistlichen, der neben ihr kniete und sie anlächelte. Ihre Sinne tasteten nach diesem angsteinflößenden Gefühl, das eben noch zum Greifen nah gewesen war und nun nicht vollkommen verschwunden, aber unendlich fern erschien. Was konnte es nur gewesen sein? Es war von solcher Macht und Bösartigkeit ihr gegenüber erfüllt und gleichzeitig auch nicht. Eine unendliche Traurigkeit hatte sich ihrer bemannt, die tief in ihrem Inneren ein kleines Stück ihrer Seele zerrissen hatte. Und doch hatten vorrangig Hass und Rache das Wesen vorangetrieben, hatten ihm befohlen, Vernichtung und Zwietracht unter den Freunden zu säen. Doch aus einem Grund, den sie nicht kannten, hatte es kurz vor seinem Ziel innegehalten und von ihnen abgelassen.

„Sango“, riss sie die besorgte Stimme Mirokus in die Wirklichkeit zurück. Ihre Augen wanderten zu den seinen; in ihnen lag ein Ausdruck von solch zärtlicher Liebe zu ihr, dass sie, ohne es vehement verhindern zu können, blassrosa anlief. Scheu senkte sie den Blick, als sie an seinen überrascht hochgezogenen Brauen bemerkte, dass es ihm keinesfalls entgangen war.

„Geht es dir und Kirara gut?“, fragte er leise, legte seine große, feinglidrige Hand auf ihre schmale Schulter und wartete schon fast auf das gewohnte Zurückschrecken der jungen Frau, wenn er sie berührte, doch dies blieb aus.

Mit einem verwunderten Lächeln setzte er sich beinahe überrumpelt auf den Hosenboden, als ihre zarte Hand zögernd zu ihrer Schulter hinaufwanderte und sich schüchtern auf seinen Handrücken legte. Mahagoniefarbene Augen suchten Onyxfarbene und ein kurzes, aber bestimmtes Schweigen breitete sich unter den beiden jungen Menschen aus, bis hinter ihnen ein lautes, allerdings nicht wirklich ernst gemeintes Räuspern erklang.

Verwirrt mit den Augen klimpernd, als seien sie aus einem langen, wunderschönen Traum erwacht, ruckten ihre Köpfe herum. Kagome saß noch immer mit Shippo auf dem Schoß, der interessiert auf das hübsche Paar schaute, an dem hübsch gedeckten Tisch und sah verzückt und sogar vielleicht ein wenig eifersüchtig zu ihren Freunden hinüber, die scheinbar erst jetzt bemerkten, was sich da beinahe zwischen ihnen abgespielt hatte.

Verschämt wandten sie ihre Blicke voneinander ab, Sango mehr als Miroku, dem die Sache eigentlich nur etwas peinlich war, da sich neugierige Beobachter in der Nähe aufhielten und rutschten ein wenig voneinander weg.

„Ich ... ich glaube, uns geht es soweit gut, danke“, stotterte Sango etwas unbeholfen und sah zu Kirara hinunter, die etwas zerzaust und plattgedrückt zwischen dem Körper und einem Arm ihrer menschlichen Freundin hing, ansonsten aber einen halbwegs gesunden Eindruck auf die Dämonenjägerin machte und ein zustimmendes, leicht erschöpftes Miauen hören ließ.

„Dann bin ich ja beruhigt“, erwiderte er und wollte aufstehen, was ihm jedoch nur schwer gelang, fühlte er sich doch noch immer seiner Kräfte beraubt, nachdem all diese negativen Empfindungen seinen Geist gestreift hatten. Doch plötzlich spürte er einen schlanken, aber kräftigen Arm, der bestimmt unter den seinen fuhr und ihn sanft nach oben drückte. Ein anderer legte sich fast schüchtern um seine Hüfte und stützte ihn ein wenig, als er etwas wackelig auf die Beine kam und drohte zu fallen. Erstaunt wanderte sein Blick über das dunkle Haupt der Dämonenjägerin, die ihn sicher und behutsam zu dem Tisch führte, an dem Kagome und Shippo bereits warteten.

Mit einem leisen „Danke“ ließ er sich etwas ungeschickt nieder, während Sango anmutig wie eine geschmeidige Raubkatze neben ihm Platz nahm. Ihr liebevoller Blick, mit dem sie den jungen Geistlichen noch einmal bedachte, verschwand plötzlich wie eine eiligst weggewischte Träne und machte dem Entsetzen und der Furcht Platz, die erbarmunglos durch sein Herz gepflügt waren gleich einer Schar Untoter auf der Flucht vor ihrem grausamen Herrscher.

„Was ist das eben gewesen?“, sprach sie damit das aus, was ihr aller Denken beherrschte. Schweigend sahen sich alle an, außer Shippo, der mit einem ängstlichen Wimmern das Gesicht in der Kleidung seiner großen Freundin verbarg und es nicht wagte, hervorzukommen.

„Shippo, es ist doch vorbei“, versuchte diese, ihn zu beruhigen, doch es dauerte einen Moment, bis der kleine Kitsune vorsichtig aus seinem Versteck lugte und sich dann, noch immer misstrauisch die Umgebung absuchend, wie ein nervöses Reh kurz vor der Flucht wieder normal auf Kagomes Schoß setzte.

„Ich kann nicht sicher sagen, ob es dies wirklich war“, begann Miroku mit einer Vermutung, „aber ich hatte das Gefühl, der Teil einer unglücklichen, zurückgelassenen Seele war in diesem Raum allgegenwärtig.“

Ein erschrockenes Keuchen entrang sich den Kehlen seiner Gefährtinnen, doch von Unglaube über sein Gesprochenes war nichts in ihren Augen zu sehen, nein, eher so etwas wie eine unheimliche Erkenntnis flammte in ihren dunklen Pupillen auf.

„Stimmt“, meldete sich Kagome nach einer Weile zu Wort, „das würde diese negativen Schwingungen erklären, die jeder von uns gespürt hat, das heisst ...“, sie hielt inne und deutete mit ihrem Zeigefinger auf Myoga, der schnarchend und mehr als nur betrunken in einer Schale voll Sake auf einem Reiskeks schwamm, „er wohl als einziger nicht.“

Etwas enttäuscht starrten die Anderen auf den kleinen Flohgeist, der im Schlaf verzückt alle seine verflossenen Liebschaften aufzählte und nach jedem Namen verliebt einen Kussmund aus seinen Lippen formte, aus dem schmatzende Geräusche zu hören waren. Er hätte den jungen Leuten vielleicht ein bisschen mehr darüber berichten können, worüber sie jetzt nur Spekulationen anstellen konnten.

„Wenn man ihn mal braucht, ist er entweder abgehauen oder ... wie auch immer“, seufzte Kagome und verdrehte die Augen.

„Aber ich glaube, zwei Personen in diesem Raum können uns mehr darüber berichten, als uns vielleicht lieb ist, oder?“, sagte Sango und stieß dabei ihren Sitznachbarn leicht an, der sie mit großen Augen ansah.

„Ja, auf jeden Fall“, stimmte Kagome ihr zu und hielt den Fuchsdämon, der sich soeben unauffällig aus dem Staub machen wollte, fest. „Habt ihr uns da nicht ein wenig zu erklären?“

Miroku zog eine leicht beleidigte Schnute. Wie oft hatte er versucht, dieses Thema unter seinen Freunden anzusprechen? Und wie oft war er dabei unterbrochen worden? Nun gut, jetzt oder nie, es schien nun der richtige Zeitpunkt dafür gekommen zu sein.

„Könnt ihr euch noch daran erinnern, als wir das Dorf zum ersten Mal betreten haben?“

Zustimmend nickten alle, Shippo stieß einen kläglichen Ton aus, ihm war gar nicht wohl dabei zumute, während Kirara mit einem leisen, aber warnenden Fauchen antwortete.

„Euch sind doch auch diese verbrannten Trümmer am Rand des Dorfes direkt am Übergang zum Wald aufgefallen, nicht wahr?“

„Ja“, antwortete Sango, „aber irgendwie habe ich mir in diesem Moment keine Gedanken darüber gemacht, als ich sie bemerkt habe.“

„Ich auch nicht“, gab Kagome zu.

„Aber ich“, war von ihrem Schoß eine tonlose Stimme zu hören. Shippo hatte sich ganz nah an den Körper des Mädchens gedrückt, sein Gesicht war leichenblass geworden. Kirara ließ ein bedrohliches Knurren hören und sprang mit einem Satz in den Schoß ihrer Herrin.

„Und ich glaube, auch an Kirara ist dies, was einmal eine Hütte gewesen sein muss, nicht spurlos vorübergegangen, genauso wenig wie an mir“, schaltete sich Miroku wieder dazwischen.

„Aber wieso haben dann Sango und ich nichts bemerkt?“, wollte Kagome wissen. „Und was ist mit Myoga?“

Eine tiefe Falte bildete sich auf der Stirn des jungen Mönches. Diese Frage war mehr als berechtigt und er glaubte, die Antwort darauf zu kennen. Sie lag doch fast auf der Hand, man musste nur zugreifen, um sie zu erlangen. Er versuchte, sich genau an den Moment zu erinnern. Was hatte sich da gerade in den Gedanken aller abgespielt? Warum hatten diese beunruhigenden Schwingungen in der Luft nur ihn, den Kitsune und die kleine Dämonenkatze getroffen? Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

„Wie dumm. Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?“, fragte er mit einem Schmunzeln auf den Lippen sich selbst, so dass seine Freunde ihn leicht verwirrt musterten.

„Es ist ganz einfach“, begann er ihnen zu erklären, „als wir in das Dorf marschierten, dachtest du, Kagome, nur daran, Inuyasha zu finden, genau wie auch Myoga nur das wünschte.“

„Was hat das damit zu tun?“, fragte Sango an ihrer statt, als das Mädchen verwundert die Augenbrauen hochzog.

„Nun, Kagome und Myoga waren erfüllt von solcher Vorfreunde, Inuyasha wiederzusehen, dass ihr Geist einzig und allein von positiven Empfindungen beherrscht wurde, nichts anderes hätte dies zerstören können, nicht einmal diese fremde, rachsüchtige Macht, sie ist einfach an ihrer beider Seelen abgeprallt.“

Erstaunte Blicke trafen den jungen Geistlichen, der mit einem triumphierenden Lächeln die Arme vor der Brust verschränkte. Die letzten hellen Strahlen der am Horizont verschwindenen Sonne fielen auf sein Antlitz, als er den beiden jungen Frauen wissend zunickte, was ihm prompt ein äußerst bedeutungsvolles Aussehen verlieh.

„Und was ist mit mir?“, warf die Dämonenjägerin ein und pustete keck ein paar pechschwarze Strähnen aus ihrer Stirn, die ihr widerspenstig vor die hübschen Augen gefallen waren. „Wieso habe ich nichts bemerkt?“

Das Licht, in dem er sich selbstsicher gesonnt hatte, verschwand ungewollt hinter den dunklen Nachtwolken, die sich langsam und träge ihres Auftrittes bewusst wurden und ließ ihn in einer keineswegs überzeugenden Erscheinung zurück.

„Nun ja, das ist so“, begann er ein wenig verunsichert, nachdem er Sangos fragenden Blick auf seinem Haupt spürte, „du … du …äh … .“

Zerstreut strich er sich durch das dunkle Haar und suchte nach einer aussagekräftigen Antwort auf die berechtigte Frage seiner Partnerin, die sich feixend eine Hand vor den Mund hielt. Shippo stierte seinen großen Freund argwöhnisch an, während ihm Kagome schon fast leid tat, wie er da saß und mit aller Macht nach etwas suchte, was sie alle von seiner Mutmaßung überzeugen sollte.

Nervös starrte Miroku die langhaarige wunderhübsche Frau an, welche neben ihm saß und erwartungsvoll eine ihrer feinen sanft geschwungenen Augenbrauen in die Höhe gezogen hatte. Ein wenig ungeduldig begann sie, mit ihren schlanken Fingern auf das kostbare Holz des Tisches vor ihr zu klopfen und machte ihn damit umso fahriger. Als er sich gerade in diesem Moment geschlagen geben wollte, um hervorzubringen, dass er es sich selbst nicht erklären konnte, kam ihm jemand zuvor.

„Vielleicht lag es daran, dass Sango mir helfen wollte, Inuyasha zu finden“, warf ein gewisses Mädchen aus der Zukunft ihre gar nicht so abwegige Vermutung in die Runde und zwinkerte dem dunkelhaarigen Mönch freundschaftlich zu.

„Ja!“, antwortete dieser begeistert und klatschte zustimmend in die Hände. Ein wenig zweifelnd blickte Sango erst Miroku und dann Kagome an, die ihr verschmitzt zulächelte. Während der junge Geistliche die ganze Zeit über vor sich hinbrabbelte, aus welchem Grund er nicht auf denselben Gedanken gestoßen war, beugte sich die Dämonenjägerin leicht zu ihrer Freundin hinüber und gab ihr mit dem Zeigefinger einen Wink, ihr Gehör zu schenken.

„Weißt du“, wisperte sie kaum hörbar, „ich habe mir tatsächlich für dich gewünscht, dass wir Inuyasha schnell und wohlbehalten finden, doch habe ich mich ebenfalls gefragt, ob ich für ihn“, ihre Pupillen wanderten zu jenem jungen Mann hinüber, der soeben im Begriff war, tausend Thesen dafür aufzustellen, warum diese unheimliche Erscheinung Menschen, in dessen Adern positive Energie floss, verschonte, „das Gleiche tun würde“, vollendete sie ihren Satz und sah an Kagome vorbei auf den sich immer dunkler färbenden Himmel. Unzählige winzigkleine Glühwürmchen begannen über den durch die anbrechende Nacht feucht gewordenen Grashalmen zu kreisen und tauchten den am Tage in allen Farben leuchtenden Garten des Hauses in ein unheimliches grünes Licht.

„Und? Würdest du es?“, wollte Kagome wissen und musterte ihre ältere Freundin interessiert. Eine Weile betrachtete Sango ihren Gefährten, den sie in den letzten Monaten wahrscheinlich besser kennen gelernt hatte, als irgendeine andere Frau vor ihr. Mit einem Seufzen wandte sie sich nach einigen Sekunden wieder dem Mädchen zu und beobachtete dabei fast ein wenig sehnsüchtig die unbeschwerten Glühwürmchen bei ihrem sorglosen Tanz über die nun schlafenden Blumen.

„Bis ans Ende der Welt würde ich reisen, um ihn zu finden“, war ihre ehrliche Antwort, die sie mit leuchtenden Augen kundtat. Geschickt strich sie ihre Haare zurück und klemmte eine Strähne hinter das Ohr, als sie Kagome ansah und hinzufügte: „Obwohl er es ja irgendwie nicht verdient hat, findest du nicht?“

Ein Kichern entwich dem Mädchen aus der Zukunft und auch die junge Dämonenjägerin konnte sich ein freches Grinsen nicht versagen, als ihnen beiden die unzähligen Sünden des Mönches in den Sinn kamen, sowie die meist leeren Versprechen sich zu bessern.

„Na ja“, äußerte sich Kagome dazu, „wenn ich ebenfalls danach gehen würde, dann dürfte sich Inuyasha auch nicht wirklich in dem Privileg sonnen, dass wir uns aufgemacht haben, um ihn zu suchen. Wie oft hat er mich enttäuscht, indem er Kikyo mal wieder hinterher gerannt ist? Oder wie oft mich angeschrien? Und erst seine eifersüchtigen Phasen … komisch, irgendwie vermisse ich das.“ Ein wenig niedergeschlagen senkte sie den Blick und sah auf ihre Beine hinunter.

„Tja, manchmal bemerkt man erst, wie sehr man Jemanden vermisst, wenn Derjenige nicht mehr da ist oder sich sehr verändert hat.“ Trost spendend legte Sango ihre Hand auf Kagomes Schulter und nickte dem Mädchen verständnisvoll zu, als es sich zu ihr umdrehte.

>Wie recht sie doch damit hat<, dachte Kagome und nickte dankbar. Doch warum sah sie mit einem Mal so traurig aus? Mit niedergeschlagenen Augenlidern saß die junge Dämonenjägerin auf ihrem Platz und schien von einem Moment auf den anderen mit den Gedanken ganz weit weg zu sein.

>Ob sie wohl an ihren Bruder denkt? Auch er ist für sie unerreichbar geworden und doch kämpft sie mit aller Kraft um seine Rückkehr und glaubt fest daran, ihn eines Tages wieder in die Arme zu schließen. Niemals hätte ich daran denken mögen, dass ich einmal Ähnliches wie sie erlebe, mit dem Unterschied, dass ich Inuyasha hier bei mir habe und er nicht ständig aufs Neue die Flucht ergreift, wenn er mich sieht. Aber Kohaku ..., wie sehr wünsche ich mir für Sango, dass wir Naraku besiegen werden und ihr Bruder wieder seinen eigenen Willen beherrscht.<

„ ... was mit Inuyasha zu tun hat, glaube ich.“

>Wie???<

Entgeistert sah Kagome auf, alle blickten sie an, als würden sie etwas von ihr erwarten. Hatte jemand etwas gesagt?

„Kagome-sama“, begann Miroku schmunzelnd. „Hast du eben etwa geträumt?“

Ein wenig perplex starrte sie ihn an, war sie denn so in Gedanken versunken gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, was sich um sie herum abgespielt hatte? Erst als Inuyashas Name fiel ... .

„Ich ... nein, ich habe nur über etwas nachgedacht. Was hast du noch einmal gesagt, Miroku?“

Erstaunt zog er die Augenbrauen hoch, so etwas kannte er gar nicht von ihr. Aber er gab ihr ohne Umschweife sofort Antwort.

„Nun, ich mutmaße schon eine ganze Weile, dass diese verbrannten Überreste am Rande des Dorfes, welche nach meinem Ermessen einmal eine Hütte gewesen sein könnten, vielleicht etwas mit Inuyasha zu tun haben könnten. Was hältst du davon?“

Die Augen des Mädchens weiteten sich vor Überraschung; genau diese Vermutung, die sich erst schwach wie ein neugeborener Setzling in ihrem Gehirn eingepflanzt hatte, erhielt nun von dem jungen Geistlichen genug Nahrung, um zu reifen. Was hatte Manami-san noch zu ihr gesagt? Er ist oft hier, etwas zieht in zu diesem Ort, hier fühlt er sich scheinbar geborgen. Und doch war es nicht die volle Wahrheit, die ihr die alte Dame offenbart hatte, ein leichtes Flackern in ihren vom Alter trüb gewordenen Augen hatte sie verraten, hatte das Mädchen allerdings auch gewarnt, lieber keine weiteren Fragen zu stellen.

„Da gebe ich dir recht, Miroku“, antwortete Kagome auf seine Frage und sein erwartungsvoller Blick wechselte zu einem „Hab ich´s nicht gleich gesagt“ Ausdruck.

„Er ist gerne dort, doch ...“, sie stockte, als ihr erneut diese erschreckende Szene einfiel, in der er bleich wie der Tod und mit schreckensverzerrter Miene aus den mächtigen Stämmen des alten Baumes gefallen war, der hinter den Ruinen der einstigen Hütte stand. Ihre Gesicht verzog sich schmerzerfüllt, während ihre Stirn kleine feine Falten bildete, als sie daran dachte. Doch sofort entspannte sich ihre verkrampfte Haltung wieder, als ihr sein Blick in den Sinn kam, nachdem er sie erkannt hatte, noch bevor er auf den Boden aufgeschlagen war. Soviel Wärme und Liebe hatte in seinen Augen gelegen, etwas, was sie bei ihm selten erlebt hatte. Dieser kurze Moment hatte sich wie eine glückliche Vogelfamilie in ihrem Herzen eingenistet und nichts und niemand würde ihr dieses Gefühl, welches sie dabei erlebt hatte, je wieder nehmen können.

Ein schwaches, aber durchaus sichtbares Lächeln zauberte ihre sorgenvolle Miene ein wenig davon, als sich plötzlich ein weiteres Mal eine Stimme in ihre Gedanken bohrte.

„Ähm, Kagome-chan, geht es dir auch gut?“

Wie von der Tarantel gestochen fuhr das Mädchen aus der Zukunft hoch und fand sich mit den leicht an ihrem Gesundheitszustand zweifelnden Freunden konfrontiert, die sie ein wenig verunsichert anstarrten.

„Ich ... äh, ja, hahaha“, übertrieben winkte sie mit den Händen ab, „natürlich geht es mir gut, ich bin nur etwas müde und mache mir halt Sorgen um Inuyasha, aber sonst ist alles in Ordnung, warum sollte es mir schlecht gehen?“ Die letzten Worte ihres von Sarkasmus triefenden Geständnisses hatten so misstönend und genervt geklungen, dass es ihr schon wieder leid tat, was ihr da aus dem Mund gerutscht war. Sicher war es ihr nicht entgangen, dass ihre Freunde sich auch schon um sie sorgten, schließlich war sie diejenige, die am meisten an dem Hanyou hing. Doch umso mehr störte es sie, dass diese an Intensität ständig zunehmende Sorge ihr größter Schwachpunkt war.

„Entschuldigt bitte, ich ... es war alles ein wenig zu viel für mich in den letzten Tagen, eigentlich ist so etwas nicht meine Art, darum ...“

„Ist schon gut, Kagome-chan“, unterbrach sie Sango mit weicher Stimme. „Wir verstehen wohl, wie es dir geht und glaub mir“, ihr Blick wanderte hinüber zu dem jungen Geistlichen und dem kleinen Kitsune, die zustimmend nickten, „uns ergeht es nicht anders.“

Fragend blinzelte Kagome ihre Freundin an, wie meinte sie das?

„Wenn man etwas gegenüber steht und nichts daran ändern kann, wie es ist, egal, wie sehr man sich anstrengt, dann übermannt einen die Hilflosigkeit gerade in den Momenten, in denen man sie am wenigsten gebrauchen kann. Aber denke daran, du bist nicht allein. Lass uns die Sorgen und die Hilflosigkeit teilen, dann sind sie nur halb so schlimm.“

Eine erhabene Stille senkte sich über die Häupter der Freunde, Kagomes Augen schimmerten feucht im Licht des zunehmenden Mondes, der sein lächelndes Gesicht am Nachthimmel zeigte und freundlich in das große Fenster des geräumigen Zimmers hereinschaute. Ein herzergreifendes Schniefen ließ alle zusammenfahren; ungläubig starrten die beiden jungen Mädchen und der kleine Fuchsdämon den dunkelhaarigen Mönch an, der mit dem Zipfel seines Gewandes vergeblich versuchte sich die Tränen aus den Augen zu wischen und anschließend seine Nase darin versenkte und laut in den weichen Stoff hineinschnaubte.

„Das ist so wunderschön“, jaulte er und legte sichtlich ergriffen eine Hand auf sein Herz. „Ich wünschte, zu mir würde Jemand so etwas auch einmal sagen.“ Mit glänzenden Augen sah er erwartungsvoll zu der hübschen jungen Frau, der sein Herz gehörte, hinüber und wartete auf eine Reaktion.

„Du bekommst gleich etwas völlig anderes von mir zu hören und auch zu spüren, Houshi-sama“, knurrte diese verärgert und ließ die Knöchel ihrer Hand knacken, um ihm damit begreiflich zu machen, was sie von seiner übertriebenen Anteilnahme hielt.

„Ah … eh …“, kam es nur von seinen Lippen, die sich zu einem entschuldigen Lächeln verzogen hatten; hektisch wedelte er mit seinen Händen vor ihrem Gesicht herum, in der Hoffnung, nicht schon wieder schmerzhafte Erinnerungen an seine unzähligen Fehltritte bei der schlagkräftigen Dämonenjägerin zu kassieren. Missmutig sah sie ihm dabei zu, bis sie seufzend mit dem Kopf schüttelte und ihren Versuch, diesem durchtriebenen Geistlichen doch noch so etwas wie Anstand und Benehmen beizubringen, für diesen Moment aufgab.

„Ach, was soll´s, hat ja eh keinen Sinn“, sagte sie eher zu sich selbst, wofür sie sich ein vergnügtes Grinsen von Kagome einfing. Die Beiden würden sich nie ändern und wenn doch, dann wäre alles nicht mehr so wie vorher. Obwohl es das jetzt schon längst nicht mehr war … .

„Nun ja“, begann Miroku etwas zerknirscht und vorsichtig in Sangos Richtung schielend, „Kagome“, aufmerksam nickte ihm soeben Angesprochene zu, „du sagtest, Manami-san hätte dir berichtet, Inuyasha würde sich an diesem besagten Ort oft aufhalten, nicht wahr?“

„Ja“, bestätigte sie noch einmal ihre Aussage, „genauso ist es.“

Nachdenklich kratzte er sich am Kinn, bevor er fortfuhr.

„Schön und gut, aber wieso machen dann alle anderen Dorfbewohner einen großen Bogen um die Ruinen der abgebrannten Hütte? Wieso ist Inuyasha der einzige, den man dort überhaupt einmal sieht? Kann mir das mal Jemand beantworten?“

Mehr als nur eine Erinnerung

Hallo, ihr Süßen!
 

Melde mich nach etwas längerer Pause wieder zurück mit dem aktuellen Kapitel, sorry, dass es so lange gedauert hat, aber wenn man das Schreiben an anderen Dingen ebenfalls nicht lassen kann, passiert dies halt.

Ich hoffe, ihr seid alle gut ins neue Jahr gekommen und bevor ich jetzt noch lange rumquassel, wünsch ich euch viel Spaß beim Lesen.
 


 

12. Kapitel: Mehr als nur eine Erinnerung
 

Dunkel. In tiefster Schwärze wanderte er umher, ohne zu wissen, wo sich oben oder unten befand. Eine Ruhe, die er lange nicht empfunden hatte, breitete sich wie die wohlige Wärme der ersten angenehmen Sommertage in seinen Gedanken aus.

>Endlich<, dachte er zufrieden. Keine erschreckenden Bilder von Tod und Vernichtung wirbelten mehr seinen Geist durcheinander, keine Dämonen mit furchterregenden Fratzen suchten ihn mehr in seinen Träumen heim und jagten ihm Angst ein. Entspannt ließ er sich weiter in die ihn umhüllende Dunkelheit hinabgleiten, bis er plötzlich von unendlich weit entfernt Stimmen zu hören glaubte und diese waren ihm keinesfalls unbekannt.

Dann … passierte alles furchbar schnell.

Ein sengendheißer Blitz, tausend Mal greller als die Sonne, vertrieb die herrliche Dunkelheit um ihn herum mit einem Schlag, so dass er sich stöhnend aufbäumte. Die Stimmen in seinem Kopf nahmen an Intensität zu, Schemen wurden sichtbar, er roch die angenehm würzige Luft des Waldes, die seine feinen Sinne vollkommen ausfüllte. Er fühlte weichen Boden unter seinen nackten Füßen, der bei jedem Schritt, den er tat, leicht nachgab. Der Gesang unzähliger Vögel erfüllte die Luft und ließ die Angst, die sich seines Herzen bemannt hatte, langsam schwächer werden.

„Na, Inuyasha, nimm´s nicht so schwer“, riss ihn plötzlich eine bekannte Stimme aus den Gedanken. Erschrocken sah er auf und blickte in das verschmitzte Gesicht eines gewissen Mönches, der ihn frech bis über beide Backen angrinste.

>Was … was zum Kuckuck macht der denn hier???<

Er fühlte eine Hand, die freundschaftlich auf seine Schulter klopfte, jedoch sofort von ihm selbst (>Wirklich? Nein, das bin nicht ich selbst!!!<) mit einem mürrischen Knurren abgeschüttelt wurde. Der junge Mann an seiner Seite zuckte nur mit den Schultern, als hätte er nichts anderes erwartet.

„Denk dir nichts dabei, Frauen sind nun mal so, ich erleb´s doch selber fast jeden Tag“, sagte der Mönch mit einem leidvollen Ausdruck in der Stimme und deutete mit dem Zeigefinger auf seine rot glühende Wange, auf der man deutlich den Abdruck einer zierlichen weiblichen Handinnenfläche erkennen konnte.

>Was hab ich denn damit jetzt zu tun?<, dachte der Junge neben ihm, doch aus dessen Mund kam nur ein verächtlicher Laut.

„Keh“, hörte er sich selbst sagen, „warum muss diese dumme Kuh auch immer nur so stur sein?“ Grummelnd stapfte er an dem Mönch vorbei, der hoffnungslos mit den Augen rollte.

>Habe ich das etwa gerade gesagt? So etwas würde ich doch niemals sagen! Was geht hier überhaupt vor? Wer bin ich??? Wo bin ich???<

Eine nie gekannte Furcht stieg in ihm auf, doch der dazugehörige Körper schien davon nicht sehr beeindruckt zu sein. Mit finsterer Miene starrte dieser auf den Rücken eines bestimmten Mädchens, welches vor ihm Seite an Seite mit einem seltsam anzuschauenden Metallgestell und einer jungen Frau in hautenger schwarzer Kleidung, die einen Knochenbumerang trug, ging. Er lauschte den Stimmen der Beiden, die sich über irgendetwas aufzuregen schienen und mit einem Male warf das Mädchen, das noch dazugesagt eine höchst eigenartige Kleidung trug, ihm einen äußerst wütenden Blick über die linke Schulter zu. Und in diesem Moment traf es ihn fast wie einen Schlag.

>Das ist doch ... Kagome! Was geschieht hier? Das … das … ist dies hier etwa das …, was ich glaube?<

Entsetzen kroch seine Glieder empor, lähmte seine Sinne, jedoch nicht seinen Körper ... war dies überhaupt der seinige? Ihm war, als teilten sich ihn zwei Seelen, von der eine alles steuerte, was geschah, während die andere nur als stummer Zuschauer agieren konnte und genau dies erschien ihm mehr als nur unheimlich, zudem das andere Ich in diesem Körper ihm so fremd und unbehaglich begegnete, dass er sich ziemlich unwohl dabei fühlte.

>Wo ich schon einmal dabei bin, endgültig den Verstand zu verlieren, schauen wir doch mal, in wem ich da stecke.<

Mühsam versuchte er mit den Augen etwas von sich selbst zu erkennen, bemühte sich, die Hände zu heben, doch der Teil seiner Seele war zu klein, zu schwach, um etwas Derartiges ausrichten zu können, man verwehrte ihm jegliche Einmischung. Zu mächtig und stark wie eine auflodernde Flamme widerfuhr ihm als unerlaubter Eindringling die Seele des Anderen, wie ein zähnefletschender Wolf unterband er ihm die Kontrolle über den Körper, in dem er gefangen war. Mit wachsender Verzweiflung wurde ihm gewahr, dass er diesen schrecklichen Augenblick, der ihn jede Nacht aufs Neue heimsuchte, nochmals durchleiden durfte und er wusste, dass nichts und niemand es verhindern konnte, denn dies hier war ein Traum, eine Sache, in die er nicht eingreifen konnte.

So stapfte er, oder trefflicher gesagt, der andere, wütend und ein gewisses Mädchen mit Blicken fixierend, die töten konnten, seinen Gefährten hinterher, im Schlepptau einen jungen Geistlichen, der lüstern und natürlich nicht ohne Hintergedanken auf das nicht zu verachtene Hinterteil einer bestimmen jungen Dame starrte.

Und dann … ohne jegliche Vorwarnung brach plötzlich um sie alle herum die Hölle los. Zweige wurden durch die Luft gewirbelt, Äste brachen mit einem ohrenbetäubenden Getöse von den Stämmen der Bäume und landeten mit einem dumpfen Grollen direkt vor den Füßen der jungen Leute, während ihnen der dunkle Erdboden wie Nebel die Sicht verschleierte, als etwas Gigantisches, Furchterregendes durch das dichte Dickicht des Waldes trat. Große pupillenlose Augen suchten die Gegend ab und blieben ausgerechnet an ihnen hängen.

Er fühlte die Furcht der anderen, ihr Erschrecken über dieses riesige Ungetüm, das seine grausam aussehenden Klauen, welche dieselbe Größe wie ein ausgewachsener Mann hatten, mit einem erbarmunsglosen Laut knacken ließ.

Unruhe stob wie ein nahender Sturm unter die jungen Leute, jeder machte sich kampfbereit, als das missgestaltete Etwas mit Schritten, die den Erdboden unter ihren Füßen erzittern ließen, auf sie zuwankte. Der junge Mönch und die Dämonenjägerin bezogen Stellung hinter einem umgestürzten Baum, der bei dem rücksichtlosen Manöver des Monstrums, welches sie alle böse musterte, mit einem sterbenden Laut zu Boden gesunken war. Geschickt zog sie ihren Bumerang nach vorne, während er seine linke Hand an die rechte legte, von der eine Gebetskette baumelte. Das Mädchen mit dem eigenartigen Gefährt hatte sich in einem Gebüsch versteckt, zitternd sah sie zu ihren Freunden hinüber, während ihre Hand immer wieder unruhig zu den Pfeilen, die in dem Köcher auf ihrem Rücken steckten, wanderte, doch der kleine Fuchsjunge, der auf ihrer Schulter saß, schüttelte abwehrend den Kopf – dieses Monster war eine Nummer zu groß dafür.

Er selbst, oder eher gesagt, Derjenige, in dem er steckte, verbarg sich nicht wie die anderen in einem Versteck, sondern trat aufrecht und furchtlos dem Gigant entgegen, der sich hämisch grinsend mit seiner vor Säure triefenden Zunge über die schwarzen toten Lippen leckte. Riesige farblose Augen trafen die seinen und für einen Moment schossen Zigtausende Bilder durch seine Gedanken, die ihn jäh auseinander zu reißen drohten; Dinge, die er nie gesehen beziehungsweise gekannt hatte, erschienen ihm für Bruchteile von Sekunden so vertraut und nah, dass er, hätte er sich die Blöße gegeben, beinahe in Tränen ausgebrochen wäre, doch der Körper, in dem er gefangen war, wankte nur kurz und strich sich mit einer Hand über die Augen, als wäre er aus einem langen Traum erwacht. Dann spürte er einen Ruck und ein riesiges säbelzahnartiges Schwert zeigte drohend auf den widerlich anzusehenden Körper des Dämons, der scheinbar nur darauf wartete, dass ihm jemand entgegen trat, mit dem er in aller Ruhe spielen konnte.

„Komm schon! Wenn du Ärger suchst, bist du bei mir an der richtigen Adresse!“, hörte er es aus dem Mund des Jungen rufen und stellte entsetzt fest, dass diese Stimme und die seinige auf eine seltsame Art und Weise erschreckend ähnlich klangen. Sein Blick fiel auf das Schwert und als er die Hände des Jungen näher betrachtete, fiel ihm mit Erstaunen auf, dass es keine vollkommen normalen Hände, sondern halbe Klauen waren, die den Griff der Waffe umklammert hielten. Silberweißes langes Haar wehte plötzlich um sein Antlitz, das Haar eines Dämons!

Fassungslosigkeit legte sich um seine Seele, schnürte sie zu wie einen Sack Mehl und ließ ihr keinen Augenblick mehr, um wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Dieser Körper, dieser Junge, war das etwa ... .

„Inuyasha!“, schrie mit einem Male eine Stimme unvermittelt neben ihm und ließ ihn zusammenfahren. Für den einen Moment unachtsam gewesen war es ihm entgangen, wie der Youkai sich aus seiner Starre gelöst hatte und geradewegs auf das Mädchen, welches sich im Dickicht versteckt hielt, mit einer unglaublichen Geschwindigkeit zuraste. Er sah noch, wie sie aus dem Gebüsch brach, den kleinen Fuchsjungen mit einer Hand von sich stoßend, um ihn in Sicherheit zu bringen und dann, so schnell sie ihre Füße trugen, zwischen den Bäumen davoneilte.

>Kagome<, vernahm er unerwartet die Gedanken des anderen, welche die ganze Zeit über geschwiegen hatten oder für ihn nicht zugänglich gewesen waren, >bitte nicht, nicht du.<

Doch eigentümlicherweise dachte er im gleichen Augenblick dasselbe, was seinem Verdacht, der langsam aber sicher in ihm heranwuchs, noch mehr an Nahrung gab. Unglaublich schnell, zu schnell für einen Menschen rannte er ihr hinterher und sprang in letzter Sekunde dazwischen, als sich dieses Ungetüm das junge Mädchen schnappen wollte. Doch damit hatte er seinen riesigen Gegner unterschätzt, der ihn beinahe gleichgültig mit einem Finger wie ein lästiges Insekt davonschnippte. Das letzte, was er sah, bevor die Schwärze ihn umfing, waren die besorgten und angstgeweiteten Augen des Mädchens, welches er zu retten versucht hatte. Als er wieder zu sich kam, zögerte sein anderes Ich nicht lange, sprang auf die Beine und rannte dem ohrenbetäubenden Getöse, welches der Youkai auf dem Weg seiner Zerstörungsorgie hinterließ, entgegen. Gedanken huschten wie muntere kleine Mäuschen durch seinen Kopf, Gedanken, die sich miteinander vereinten, denn er und der andere machten sich auf dieselbe Art und Weise die größten Sorgen um das Mädchen, auf welches es der Dämon abgesehen hatte und so wurde seine Befürchtung zum Greifen nah. Konnte es sein? War er wirklich ...?

Nachdem er jedoch über unzählige Baumleichen hinweggesprungen war, um dem Monstrum zu folgen, traf es ihn plötzlich wie einen Schlag, als er das, was er zu retten gesuchte, fand. Bewusstlos hing die Schwarzhaarige in den im Sonnenlicht bedrohlich aufblitzenden Klauen, die sie fest umschlungen hielten, während der Dämon etwas begierig an ihrem Körper musterte. Eine nie gekannte Wut loderte in ihm auf wie ein unaufhaltsames und außer Kontrolle geratenes Inferno, das nur noch Zerstörung und Tod kannte. Er fühlte, wie sich jeder Muskel bis zum Zerreissen spannte; ein bedrohliches Knurren rollte über die weite Lichtung, bevor der Junge mit dem langen silberweiß glänzenden Haar losstürzte, um dem Menschen zur Hilfe zu kommen, der ihm das Allerliebste auf dieser Welt war, kostbar wie ein seltener Schatz, den man nicht einfach so Fremden überließ.

Alles, was dann geschah, erlebte er nur noch durch einen blutroten Schleier von Hass und unkontrollierbarem Zorn, die durch seine Unfähigkeit, den Youkai zu besiegen, wie ein aggressiver Bienenschwarm nur noch mehr angestachelt wurden, doch auch eine schwache Spur von Sorge durchzog stets seine Gedanken, Sorge um das Mädchen, welches ihm in dieser Situation auch noch helfen wollte, was er zu unterbinden versuchte, mit dem Ergebnis, sich für die, die er liebte, selbst zu opfern.

Ein schmerzhafter Ruck durchzuckte seinen gesamten Körper, als er sich ein letztes Mal dem grauenerregenden Ungetüm, welches wie eine Dampfwalze auf das unschuldige Ding zuraste, entgegen warf und dieses damit die allerletzten Lebensgeister, die wie kleine lebendige Lichter in seinem Inneren tanzten, für immer zum Erlöschen bringen sollte. Ein undurchdringlicher Nebel legte sich vor seine Augen, die Farben um ihn herum begannen zu verblassen, alles löste sich wie ein verlogenes Trugbild auf, als hätte es niemals existiert. Alles, was blieb, als er spürte, wie er fiel, war das vor Schrecken verzerrte Gesicht des Mädchens, welches erschüttert die Augen zusammengekniffen hatte und laut seinen Namen schrie.

„INUYASHA! NEEEEIIIIIIN!!!“

Ein Lächeln huschte über sein vor Schmerzen verzerrtes Antlitz und zum allerersten Mal waren er und der andere ein und derselbe.

>Inuyasha ... ja, das bin ich, der Sohn eines Dämonenfürsten ... und einer Menschenfrau, das bin ich ... Inuyasha.<
 

Einen kummervollen Schrei noch in letzter Sekunde unterdrückend, als ihm gewahr wurde, dass er nur geträumt hatte, wachte er mit wild klopfendem Herzen auf. Schwer atmend suchte er mit hektisch umherzuckenden Pupillen die Gegend wie ein Beutetier auf der Flucht vor seinen Peinigern ab, bevor er am ganzen Körper zitternd auf sein Lager zurückfiel. Unsicher wanderte seine Hand hinauf zur Stirn, versuchte mit aller Kraft, die soeben gesehenen Dinge wie ein rettendes Seil festzuhalten, doch so schnell, wie die Bilder über ihn gekommen waren, begannen sie bereits erneut zu verblassen, um für immer aus seinen Gedanken zu verschwinden. Nur das Gesicht des Mädchens, welches ihn voller Trauer und Entsetzen angesehen hatte, blieb.

Nachdenklich wischte er sich den Schweiß aus seinem Antlitz, welches feucht und blass im fahlen Mondlicht glänzte. Ihn fröstelte angesichts der Kälte, die wie kühle Nebelschwaden durch seine Knochen kroch, als er bemerkte, dass sein gesamter Körper nassgeschwitzt war.

>Kagome … .< Lautlos hallte ihr Name in seinen Gedanken wieder, ihre traurigen rehbraunen Augen bohrten sich so tief in seine Seele, dass er leise vor Schmerz aufkeuchte.

>Wer bin ich? Was ist nur mit mir geschehen?<

Fragen, auf die er keine Antwort kannte, Antworten, vor deren Wahrheit er sich fürchtete.

>Möchte ich überhaupt wissen, was passiert ist?<

Unsicherheit schlich sich in sein betrübtes Herz. Diese jungen Leute waren zwar nett, aber welches Geheimnis steckte hinter ihrer angeblichen Gemeinschaft, dass sich Dämonen und Menschen zusammenschlossen?
 

Stumme Tränen rannen ihre bleichen Wangen hinunter, nachdem sie durch die dünnen Wände verfolgt hatte, als er nochmals, wie schon in der vorigen Nacht, den Tag, an dem sich sein nachfolgendes Leben für immer verändert hatte, durchleiden musste. Als sie hörte, wie er von lauter Panik erfüllt ihren Namen rief, schluchzte sie leise auf.

>Er weiß alles<, dachte sie mit einem sanften Hoffnugsschimmer in ihrem Herzen. Tief in seinem Inneren schien im Schlaf die Erinnerung an längst vergangene Tage zu erwachen. In seinen Träumen ist er Inuyasha, ein Halbdämon, der zusammen mit seinen Freunden auf der Jagd nach den verlorengegangenen Splittern des Juwels der vier Seelen ist und nebenbei auf der Hut vor ihrer aller Erzfeind Naraku sein muss.

Sich verlegen die Tränen abwischend kuschelte sie sich tief in ihren warmen Schlafsack, stets darauf bedacht den kleinen Kitsune, der vertraut an ihrer Seite schlief, nicht zu wecken. Brummelnd rollte er sich wie eine kleine Katze zusammen, als sie aus Versehen mit ihrem Ellenbogen gegen ihn stieß, was ihn jedoch nicht weiter zu stören schien, denn schon wenige Augenblicke später ließen leise Schnarchgeräusche ihre Befürchtung ihn geweckt zu haben so sachte verschwinden wie den Nebel des morgens auf den vom Morgentau feuchten Feldern. Der langsam vom dunklen Himmelszelt weichende Mond lächelte sie aufmunternd an, während sie noch lange wach lag – tief in Gedanken versunken verwehrten ihr die stetigen Begleiter Sorgen und Ängste jeglichen Schlaf, der noch immer schwer wie Blei über ihren Gliedern verweilte. Stunde um Stunde, die bis zum nahenden Morgen verstrich, suchte sie verbissen nach einer Möglichkeit, ihrem Freund zu helfen, überlegte, ob es bestimmte, einschneidende Momente in seinem bisherigen Leben gegeben hatte, die zumindest eine Reaktion, wenn schon nicht die vollständige Erinnerung daran, hervorrufen könnten.

So geschah es, dass ihre Freunde, kaum, dass die Sonne ihre volle Pracht über das allmählich erwachende Land ergoss, sie tief und fest schlafend vorfanden, im Arm den kleinen Fuchsdämon, dem alles Zappeln und Zetern nicht half, solange das Mädchen nicht aufwachte, würde er sich wohl gedulden müssen.

Nachdenklich und ein wenig besorgt wurde sie betrachtet – der junge Mönch runzelte mit einem leichten Anflug von Betroffenheit seine Stirn; das sonst so gesund erscheinende Gesicht seiner Gefährtin war blass und wirkte ausgezerrt, unter den Augen zeichneten sich tiefgraue Schatten ab. Natürlich war der „Tod“ Inuyashas an ihr nicht spurlos vorübergegangen, doch ob das von allen anfangs noch sehnlichst erwartende Zusammentreffen mit ihrer aller Freund ihr nicht doch mehr geschadet als geholfen hatte, daran wollte er gar nicht denken.

Mit einem Nicken in Richtung der Tür gab er der Dämonenjägerin zu verstehen, das Mädchen noch eine Weile schlafen zu lassen. Beinahe lautlos bewegten sich die beiden jungen Leute auf den Flur zu, auf dem bereits ein hektisches Treiben herrschte, bis sie ein wütendes Zischen gleich einer in die Enge getriebenen Schlange zurückhielt.

„Was ist mit mir?“beschwerte sich ein gewisser kleiner Fuchsdämon mit einem ärgerlichen Knurren und stemmte die winzigen Fäustchen in die Hüften, während er sie mit grimmigen Blicken bedachte.

Schmunzelnd sahen sich Miroku und Sango an, sie konnten machen, was sie wollten, der Kitsune saß hier erst einmal fest. Würden sie versuchen, ihn aus Kagomes Umarmung zu befreien, wäre die Ruhe, die ihre Freundin dringend benötigte, schleunigst dahin. Natürlich war Shippo das genauso bewusst, aber ... .

„Ich hab doch auch Hunger ...“, winselte er vor sich hin wie ein Hundewelpen und hielt sich mit zusammengekniffenen Augen seinen knurrenden Magen, der protestierend aufbegehrte.

„Wir bringen dir etwas mit“, versprach Sango ihm. „Du leistest solange Kagome und ...“, sie hielt kurz inne und verdrehte belustigt die Augen, als sie das leise Schnarchen, welches von dem am gestrigen Abend rasch abgeräumten Tisch herrührte, „Myoga Gesellschaft.“

Mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen erinnerte sie sich daran, wie sie alle am Vorabend die Bediensteten davon hatten abhalten müssen, das gesamte Geschirr wegzuräumen, da in einer der Sakeschalen der winzige Flohgeist mehr als nur betrunken und schlafend auf einem Reiskeks umherschwamm.

„Aber kommt ja bald wieder, hört ihr?“, riss sie der Kitsune von dem Flohgeist los, der während des Schlafens ulkige Grunzlaute von sich gab, die wie ein überglückliches Schwein klangen, dass soeben sein Frühstück serviert bekam.

Stirnrunzelnd sah ihn Sango an; war es ihm etwa unangenehm, mit Kagome allein hier zu bleiben? Das sah ihm aber gar nicht ähnlich.

Nervös wandte der Kleine den Blick von der Dämonenjägerin ab, als ihn diese fragend musterte. Es war ja nicht so, dass er es nicht genoss, seine große Freundin für sich ganz allein zu haben, aber seit diesem auf ihn überaus bedrohlich wirkenden Zwischenfall, der sich am gestrigen Abend hier in diesem Raum abgespielt hatte, fühlte er sich nicht mehr wirklich sicher, vor allem dann nicht, wenn die Hälfte seiner Freunde fehlte, um ihn vor dem namenlosen Grauen, welches jederzeit wieder hier auftauchen könnte, zu beschützen, denn auch die niedliche Dämonenkatze hatte sich schnurrend zu ihrer Herrin gesellt und umkreiste hungrig miauend die Beine der jungen Frau.

Verständnisvoll nickte Sango dem Fuchsjungen zu und nahm ihre kleine Freundin zärtlich auf den Arm, die sie und Miroku schon ungeduldig in Richtung des Flures gedrängt hatte. Noch nie hatte sie ihn so unsicher und verängstigt erlebt wie in diesem Moment und sie brauchte nicht einmal zu erraten, was der Grund dafür war, sie wusste es bereits. In ihrer aller Knochen saß noch der Schreck der späten Abendstunden, doch jeder von ihnen versuchte dies auf seine eigene Art und Weise zu verdrängen. Sie freute sich, gemeinsam mit Miroku am Frühstücksmahl der Familie Manamis teilzunehmen, um wieder ein wenig auf andere Gedanken zu kommen, denn über diesem Raum, den sie sich seit ihrer Ankunft teilten, schwebte noch immer wie ein tödliches Damoklesschwert diese ungeklärte bedrohliche Stimmung, die sich trotz des anbrechenden Morgens kein bisschen verflüchtigt zu haben schien.

„Ich werde dir etwas Schönes zusammenstellen, versprochen“, nickte sie dem Kitsune, der immer unglücklicher dreinschaute, aufmunternd zu. „Und für Kagome auch“.

„Danke …“, murmelte er nicht wirklich begeistert von der Tatsache, hier nun auf sie warten zu müssen. „Bleibt … bitte nicht so lange weg, ja?“

Zustimmend lächelnd drehte sich die junge Frau zu ihrem Gefährten um, der schon ein wenig undgeduldig aussehend auf dem Flur auf sie wartete. Schweigend gingen sie nebeneinander her, bis Miroku unerwartet stehenblieb und seine Stimme die unangenehme Stille zwischen ihnen zerriss wie ein Stück lebloses Papier.

„Es ist immer noch dort“, es klang dumpf und auf eine sonderbare Art und Weise verunsichert, was sie von ihm nicht kannte und sie unwillkürlich zusammenschrecken ließ. „Die ganze Zeit über habe ich seine Anwesenheit gespürt, man fühlt sich, als würde jeden Augenblick etwas Schreckliches geschehen, verstehst du?“ Seine dunklen Augen musterten sie beinahe flehend, als wollte er von ihr eine Bestätigung, dass er mit seinen Aussage Recht behielt und nicht drohte, den Verstand zu verlieren. Ein zögerliches Nicken ihrerseits entlockte ihm ein erleichtertes Aufatmen, seine angespannte Haltung fiel von ihm ab wie die herbstbunten Blätter von den Ästen der Bäume.

„Shippo scheint es nicht anders zu ergehen“, fügte sie leise seinen Äußerungen hinzu, während sie ihren Weg zu dem Raum, in dem das Frühstück serviert werden sollte, fortsetzten. In die Jahre gekommene, aber kunstvoll angefertigte Malereien, welche die Antlitze der längst verstorbenen Vorfahren der Familie Sakai zeigten, säumten den Gang auf beiden Seiten, so dass sich die jungen Leute ungewollt beobachtet fühlten, auch wenn ihnen schon lange nicht mehr eine solche Gastfreundschaft zuteil geworden war.

„Ja …“, war alles, was Miroku erwiderte, seine Gedanken hingen noch immer den Ereignissen der gestrigen späten Abendstunden nach, die ihm nicht mehr aus dem Kopf gingen und ihm die wüstesten Vorstellungen durch die Gehirnwindungen trieben. Nicht nur, dass sie Inuyasha keineswegs als den vorgefunden hatten, der ihnen bekannt gewesen war, nun trieb auch noch eine äußerst aggressive Erscheinung ihr Unwesen unter den Freunden und verbreitete Furcht und Unsicherheit in ihren Herzen. Niemals hätte es der junge Geistliche für möglich gehalten, dass ihnen diese anfangs hoffnungsvolle Mission ihren vermissten Gefährten dorthin zurückzuholen, wo er zu Hause war, soviel abverlangen würde. Und noch etwas bereitete ihm übles Kopfzerbrechen; dieses Dorf, die Menschen hier waren freundlich zueinander, alles schien friedlich und doch hing eine giftige Wolke aus uraltem Hass, Wut und Vernichtung über den mit bunten Blumen gesäumten Feldern, die sich wie kleine immergrüne Oasen sanft an die Häuser schmiegten. Er wurde das dumpfe Gefühl tief in der Magengegend nicht los, dass vor langer Zeit genau an diesem Ort, wo die Menschen eine Zufluchtsstätte für die Ewigkeit gefunden hatten, etwas geschehen war; etwas unvorstellbar Grausames, was sich in jeden Zweig, in jeden Ast, in jeden Grashalm, in jedes Blatt und in den staubigen Erdboden eingenistet hatte, um immer wieder davon zu berichten und es nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Ein Gefühl von Wärme und Herzlichkeit schlug ihm plötzlich entgegen, als Sango die Tür zum gemeinsamen Speisezimmer des Hauses aufschob; den Rest des Weges dorthin hatte er unbewusst kaum wahrgenommen, so sehr nahmen ihn die Geschehnisse und Beobachtungen in Beschlag, dass er leicht erschrocken zusammenzuckte, als er Sangos angenehm warme und weiche Hand in der seinen spürte und sie ihn liebevoll, aber direkt zu einem Platz an dem langen Tisch führte. Mit leichtem Unbehagen fühlte er die teils erstaunten, teils misstrauischen Blicke der übrigen Verwandtschaft ihrer Gastgeberin, die wie lästige Kletten an seinem Körper hafteten. Mit einem nervösen Lächeln ließ er sich von seiner hübschen Gefährtin, welche bereits Platz genommen hatte, auf den Boden ziehen.

„Was ist denn los mit dir, Houshi-sama?“, zischte sie ihm so unauffällig wie nur möglich zu, als sich langsam die ettlichen neugierigen Augenpaare wieder anderen interessanteren Dingen zuneigten.

„Ich … äh …“, stotterte er sich etwas zurecht, was bei der jungen Frau nur noch mehr Verwirrung auslöste, was keineswegs unbemerkt vor ihm blieb. „Ach, es ist nichts“, flutschte es mit einem Male vielleicht deswegen aus seinem Munde heraus. „Mach dir keine Sorgen. Essen wir lieber. Deswegen sind wir doch hierher gekommen, oder?“

Ein niedliches Schmunzeln zierte ihre hübschen Lippen, was ihn erstaunt innehalten ließ.

„Aber, aber. Hast du kein Benehmen? Man beginnt erst, wenn der Herr des Hauses oder in diesem Falle die Herrin Platz genommen hat.“

Ertappt ließ er die Stäbchen sinken, mit denen er sich gerade etwas, an dem das Aussehen eines Obstsalates haftete, hatte auftun wollen. Es stimmte, was Sango sagte, keiner der Anwesenden hatte mit dem Essen begonnen, wobei das Hauptmahl auch noch fehlte und Manami-san glänzte durch Abwesenheit.

„Wo ist sie denn nur?“, fragte er beiläufig, während er die übrige Verwandschaft musterte. Hiroshi saß artig und brav zwischen seinen Eltern; Kumiko, seine Mutter und Manamis Tochter, nickte dem jungen Geistlichen und seiner Begleiterin aufmerksam zu. Sie besaß dieselben sanften kastanienbraunen Augen wie die alte Fürstin und erschien Miroku sofort auf eine angenehme Art und Weise sympathisch, wofür er von Sango sogleich unsanft in die Seite geknufft wurde.

„Ältere Frauen …, ich bitte dich, seit wann denn das?“, war ihr bissiger Kommentar auf seinen schwärmerischen Ausdruck, welcher die Züge seines Gesichtes beherrschte. Er grinste sie nur keck an und entgegnete etwas, was die junge Frau niemals von ihm erwartet hätte.

„Sango … lieben tu ich nur dich.“

Ichiro Takera, der Vater Hiroshis und angeheirateter Erbe des alten Fürstentums Sakai, betrachtete die amüsanten Liebeleien dieser beiden jungen Leute leicht belustigt. Er hatte diese seltsam durcheinandergewürfelte Truppe seit ihrer Ankunft zwar nur aus der Ferne gesehen, aber irgendwie war sie ihm gleich vertraut und angenehm erschienen. Zu sehr erinnerte sie den großen, auf die Frauenwelt nicht gerade unattraktiv wirkenden Mann an seine eigene Jugend, der er gerne einmal in seinen Träumen nachhing.

Seine nachtschwarzen Augen suchten die seiner Frau, welche ihn liebevoll anlächelte, nachdem sie bemerkt hatte, dass ihr Mann sich über das Gleiche amüsierte.

Völlig perplex starrte Hiroshi in die Gesichter seiner Eltern. Warum die wohl wieder so grinsten?

>Manchmal benehmen die sich ja wie kleine Kinder, schrecklich und dabei dachte ich, das wäre meine Aufgabe<, wirbelte es empört seine kindlichen Gedanken wie der Wind das bunte Herbstlaub durcheinander. Etwas übertrieben verschränkte er die Arme vor seiner schmächtigen Brust und bedachte die beiden Erwachsenen nacheinander mit nicht wirklich ernst gemeinten bösen Blicken, als plötzlich die Tür zum Speisezimmer erneut aufgeschoben wurde und die wütend verzogene Schnute des Kindes einem erfreuten Lächeln weichen musste.

Denn nicht nur die Fürstin, welche alle schon mehr oder weniger ungeduldig und mit knurrendem Magen erwartet hatten, betrat zu diesem Zeitpunkt den Raum; ein rotgekleideter Junge, dessen rabenschwarzes Haar wie ein wärmender Umhang bis fast hinunter an die Hüfte reichte, folgte der alten Dame gleich einem unauffälligen Schatten, dem anscheinend lieber nicht zuviel Beachtung zuteil werden sollte, denn er lugte etwas skeptisch hinter dem Rücken Manamis auf die anwesenden Leute hinab, die ihn anstarrten, als hätten ihre Augen so etwas noch niemals im Leben erblickt. Mitten in der Tür blieb er stehen; ein unangenehmes Gefühl, welches seine Magengegend quälte, breitete sich in ihm aus. Er mochte es nicht, wie sie ihn ansahen; er kam sich vor wie ein seltenes Tier, das man gefangen hatte und mit dem man nun anstellen konnte, wonach es einem beliebte. Schon wollte er sich wieder umdrehen und diesen Ort, der nur aus furchtbar vielen Augen bestand, schleunigst hinter sich lassen, als sich eine kleine, aber kräftige Hand um seinen Unterarm legte und ihn bestimmt, aber sanft zurückhielt.

Manami hatte seine Unsicherheit schon lange gespürt noch bevor sie den Raum, in dem alle auf sie warteten, zusammen mit ihm betreten hatte. Beruhigend lächelte sie ihn an, als er mit dem Kopf schüttelte und flehend in Richtung der Tür sah. Sie konnte nur annähernd spüren, wie er sich fühlte; er kannte hier kaum jemanden, geschweige denn sich selbst einmal richtig, aber langsam wurde es Zeit, dass er aus seinem schützenden Versteck herauskam und nicht nur mit den Kindern am Rand des Dorfes umhertollte. Er musste lernen, wieder gesellschaftsfähig zu werden, auch wenn es sie unendlich schmerzte, wie sehr er sich dabei quälte.

„Manami … ich … bitte“, seine nachtschwarzen Augen lagen auf den ihren, als er beschwörend auf sie einredete, doch die alte Dame hatte nun mal eine Entscheidung, was ihn anging, getroffen und da gab es keine Widerrede.

„Du hast doch Hunger, mein Junge, oder nicht?“, fragte sie ihn, seine Bitte wissentlich ignorierend. Seine glatte Stirn legte sich vor Verwunderung in Falten, was zum Kuckuck hatte das damit zu tun?

„Ja, aber …“, stammelte er verlegen.

„Nichts aber“, schnitt sie ihm forsch den Satz ab, was ihn noch stärker in Verwirrung stürzte. Als sie bemerkte, dass ihn ihr strenges Verhalten vollkommen durcheinander brachte, strich sie ihm liebevoll über die Wange, was ihn leicht zusammenzucken ließ, waren die Wunden in seinem Gesicht zwar nicht mehr offen und hatten aufgehört zu nässen, doch der feine Schorf, der sich über den hellrot verfärbten Blessuren gebildet hatte, brannte bei jeder kleinsten Berührung wie Feuer.

Entschuldigend lächelte sie ihren Schützling an, der mit jeder Sekunde, die verstrich, unglücklicher auf sie wirkte.

„Ab heute wirst du hier mit meiner Familie und mir zusammen speisen“, als er aufbegehren wollte, hob sie ihre Hand, woraufhin er seine Lippen, die sich bereits einige Worte dagegen zurechtgelegt hatten, schmollend aufeinander presste, „niemand hier wird dir unangenehme Fragen stellen. Wir essen nur miteinander und danach geht jeder wieder seines Weges.“

Inuyasha war bewusst, dass Manami es nur gut mit ihm meinte. Sie wollte, dass er wieder unter Menschen kam, lernte, was das Leben bedeutete und dass jeder einer Aufgabe nachgehen sollte, aber … er wollte dies mit seiner Familie erleben, nicht mit einer Ersatzfamilie. Auch wenn er die Fürstin sehr schätzte und lieb gewonnen hatte, ebenso auch ihren kleinen Enkel Hiroshi, der ihm schon beinahe so viel bedeutete wie ein kleiner Bruder, so war es nicht dasselbe. Umso länger er an diesem Ort verweilte, umso schwerer würde ihm der Abschied von ihnen fallen und wieder hätte er dann etwas Kostbares verloren.

Wieder hätte er dann etwas Kostbares verloren? Verdutzt zog er die Augenbrauen hoch und schüttelte den Kopf. Was … was meinte er damit? Wann hatte er denn schon einmal etwas verloren, was ihm viel bedeutet hatte?

Doch bevor er länger darüber grübeln konnte und ihm dies höchstwahrscheinlich erneut die herrlichsten Kopfschmerzen der Welt beschert hätte, zog ihn seine Ziehmutter bereits mit zum Tisch und drückte ihn direkt neben Hiroshis Mutter, neben der noch ein Platz frei war, zu Boden.

„Ohayo, Inuyasha. Wie geht es dir?“, fragte sie ihn, ihre Stimme klang warm und lieblich, was ihm einen wohligen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagte. Ihr Blick strahlte so unglaublich viel Liebe und Zuneigung aus, dass er fast neidisch auf seinen kleinen Freund wurde, der vergnügt an seiner Mutter vorbeistierte. Ob seine Mutter auch so war?

„Äh …, danke. Mir geht es gut“, antwortete er höflich, schließlich wollte er Manami ungern blamieren, hatte sie sich doch in den wenigen Tagen, die er bereits ihr Gast war, bemüht, ihm einige wichtige Anstandsfloskeln beizubringen. Das darauffolgende warmherzige Lächeln der jungen Frau umspülte seinen Geist mit solchem Wohlwollen, als sei gerade die Sonne am Horizont aufgegangen.

„Heee, o-ni-chaaaaan!“, quiekte Hiroshi vergnügt an seiner Mutter vorbei, was Inuyasha, der noch immer in dem Lächeln gefangen war, so aus dem Konzept geraten ließ, dass er vor Schreck seine Essschale, welche glücklicherweise noch nicht gefüllt war, umstieß.

„Ah … hehe, gomen“, entschuldigte er sich flink, als alle Augenpaare wie auf Kommando erneut in seine Richtung ruckten. Ein klein wenig wütend warf er Hiroshi giftige Blicke zu, doch der Kleine grinste nur keck zurück.

„Na warte“, zischte er ihm leise zu. „Das bekommst du doppelt zurück.“

„Versuchs doch, Baka, aber mich kriegst du nicht. Ich bin zu schnell für dich“, versuchte ihn der Junge mit den strahlend blauen Augen zu provozieren und wahrscheinlich wäre es die ganze Zeit über so weitergegangen, hätte nicht Ichiro Takera seinem manchmal etwas aufmüpfigen und frechen Sohn einen warnenden Blick zugeworfen, der den Kleinen abrupt verstummen ließ.

Voller Schadenfreude grinste Inuyasha in die Richtung seines Freundes, der nun wieder brav und aufmerksam dasaß, bis auch er selbst von einem lauten Räuspern, dessen Besitzer er nur zu gut kannte, zurechtgewiesen wurde. Mit einem leisen Seufzer setzte er sich gerade hin und schlug verzeihend die Augenlider nieder, als er die alte Fürstin ansah, welche bereits am Kopf des langen Tisches Platz genommen hatte. Nachdem diese sich davon überzeugt hatte, dass jegliche Aufmerksamkeit auf ihrem Haupte ruhte, begrüßte sie ihre vollständige Sippschaft und natürlich auch ihre Gäste mit einem kräftigen „Guten Morgen“, was ihr in gleicher Lautstärke zurückgeworfen wurde.

Erstaunt blinzelte Inuyasha seine Gastgeberin an, die ihm keck zuzwinkerte; so steif und sittsam, wie er anfangs angenommen hatte, schien es hier ja doch nicht abzulaufen. Kaum, dass die Begrüßung stattgefunden hatte, begannen sich alle laut und fröhlich miteinander zu unterhalten, ein älterer Mann, der ebenfalls neben dem Jungen saß, schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken, so dass ihm die Luft wie durch einen Dudelsack aus den Lungen gepresst wurde und daraufhin ein Hustenanfall nach dem anderen folgte, welcher seinen sich noch längst nicht erholten Körper so kräftig durchschüttelte, als sei er eine Stoffpuppe, mit der ein Kind ausgelassen spielte.

Mit finsteren Blicken maß er seinen Tischnachbarn, der sich nun in Form einer älteren Frau, die links neben ihm saß, ein neues Opfer ausgesucht hatte, mit dem aber weitaus zärtlicher umging als mit dem Jungen, den noch immer jeder Atemzug schmerzte, als hätte er tausend Nadeln verschluckt.

Das laute Klatschen von Händen ließ ihn seinen Ärger für einen Moment vergessen; die Fürstin rief mit dieser Geste die Bediensteten herbei, die nun das Essen auftragen sollten. Flink wie kleine Wiesel huschten drei junge Mädchen herein, eine hübscher als die andere, während sie auf ihren geschmeidigen Fingern unzählige Schalen verschiedener Größen balancierten, als hätten sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan. Direkt vor ihrer Herrin blieben sie stehen und verbeugten sich leicht, was ihnen die alte Dame anschließend gleichtat. Sogleich begannen sie mit dem Auftragen der Speisen und das in einer Geschwindigkeit, die jedem anderen den puren Neid durch die Adern getrieben hätte, nicht aber Inuyasha. Fasziniert beobachtete er sie dabei und fragte sich, wie sie es fertigbrachten, dabei noch so unglaublich anmutig auszusehen. Als eines der zierlichen Wesen an ihm vorbeihuschte, stahl sich ein schüchternes Lächeln von den Lippen des Mädchens, welches ihm zugedacht war. Wie durch Zufall streifte ihr langes schwarzes Haar seine Wange, was dem Jungen ungewollt einen roten Schimmer um die Nase einbrachte. Ein wenig verschämt, da ihn der Duft des Mädchens an eine ganz bestimmte andere Person erinnerte, sah er in eine andere Richtung und entdeckte dabei einen gewissen jungen Geistlichen und seine Partnerin, die ebenfalls gerade beköstigt wurden. Die Augen des Mönches glänzten wie Bergseen im Frühling nach dem Tauwetter, als die Mädchen um ihn wie junge Göttinnen herumtanzten und ihm fast jeden Wunsch von der Nase abzulesen schienen. Erst ein kräftiger Tritt gegen sein Schienbein ließ ihn schmerzvoll in die Wirklichkeit zurückgleiten.

„Houshi-sama! Jetzt reicht es aber!“, keifte ihn die hübsche Dämonenjägerin so leise, wie es nur ging an, als sie spürte, dass einige verwunderte Blicke wie verirrte Vagabunden in ihre Richtung wanderten. „Wenn das so weitergeht, dann isst du morgen früh ganz allein in einer Kammer, in der es nicht einmal ein Fenster geben wird.“

„Oh ... ah, ich bin ganz artig, versprochen, Sango“, grinste er sie versöhnlich an, während sich seine Hand, die vermeintlich ein Eigenleben entwickelt zu haben schien, dem bezaubernd anmutenden Hinterteil eines der jungen Mädchen, welche ihm zurzeit gerade ihren auch nicht zu verachtenden Rücken zuwandte, mit der Präzision eines Weidmannes näherte, als ein schmerzhaftes Klatschen auf seinen Handrücken ihn daran erinnerte, dass er sich nicht allein in diesem Raum aufhielt. Seufzend blickte er der blühenden Schönheit hinterher, die, ohne etwas davon bemerkt zu haben, ihrer Arbeit weiter nachging und dem nächsten auftat.

„Ah, ah, ah“, machte eine verärgerte Stimme neben ihm und er drehte sich, auf alles vorbereitet, mit zusammengekniffenen Augen zu seiner Gefährtin um; schlimmer als all die anderen Male konnte es ja nicht werden.

„Du lernst es wohl nie, hab ich recht?“, fragte sein bezauberndes Gegenüber jedoch nur enttäuscht und das war schon schlimmer als alles andere, was er etwartet hatte. Zerknirscht strich er sich durch sein dunkles Haar und wagte es kaum, ihr in die onyxfarbenen Augen zu blicken, welche ihn hoffnungslos musterten.

„Jaaaa, ich weiß“, stöhnte er und nahm plötzlich, sehr zu ihrer Verwunderung, ihre Hand in die seine, was bei den Tischnachbarn verzückte leise Ausrufe zu Tage förderte. „Ich bin unwürdig, dich überhaupt zu kennen, Sango, noch weniger habe ich es verdient, dass du mir stets verzeihst. Aber, was soll ich machen? Ich bin nun mal ein Mann.“

„Wahnsinnig gute Entschuldigung“, meinte sie nur dazu und verdrehte kopfschüttelnd die Augen, als er noch immer verlegen an ihrer Hand klebte, während dabei die haarsträubensten Ausreden für sein unendschuldbares Verhalten über seine Lippen wie schmackhaftes Quellwasser sprudelten.

„Außerdem scheinen diese drei Göttinnen der Wollust ... aua!“, rief er plötzlich aus, nachdem er einen brennenden Schmerz durch sein Schienbein fahren fühlte, „äh, ich meine natürlich, diese drei unscheinbaren Schatten in meiner Nähe“, Sango nickte zustimmend, während ihre erbarmungslose Fußspitze nahe seinem schmerzenden Bein hin- und herpendelte, „also, was ich überhaupt sagen wollte, war, dass sie wohl eher ein Auge auf unseren Freund hier geworfen haben, anstatt auf mich, was ich zutiefst bedaure, autsch!“, entfuhr es ihm erneut, als sie ihn daran erinnerte, dass er nicht alle Frauen auf der Welt haben konnte, stutzte aber für einen Augenblick mit hochgezogenen Brauen, als sie sich den Teil seines Satzes, der eher für ihre Ohren bestimmt war, noch einmal durch den Kopf gehen ließ.

„Wie meinst du das?“, fragte sie ihn argwöhnisch, während er leise fluchend und sein loses Mundwerk tadelnd sein pochendes Bein massierte.

„Na, genauso, wie ich es sage“, murrte er leicht missgelaunt und zeigte mit beinahe neidischem Blick in die Richtung ihres gemeinsamen Freundes, der unangenehm berührt und mit leuchtend roten Wangen den liebevollen Gesten der charmanten Bediensteten auszuweichen versuchte und sich dabei immer mehr in ihrem Netz wie ein hilfloses Insekt verfing.

Amüsiert beobachtete Hiroshi, wie die drei Mädchen ihre volle Aufmerksamkeit Inuyasha widmeten, der so verwirrt über das Verhalten dieser Schönheiten war, dass er seine Schale mit Tee umstieß und sich alles über den Tisch und sein Gewand verteilte. Als sie daraufhin vor ihm niederfielen, um Entschuldigung baten und versuchten, das Geschehene wieder gutzumachen, indem sie mit einem Tuch den Stoff trockenrubbelten, wurde es dem Jungen allmählich zu bunt.

„Nein, ich ... ihr müsst nicht ...“, flüsterte er leise und wollte schon aufspringen, als ihm jemand unerwartet zu Hilfe kam.

„Na na, meine Lieben“, hörte er neben sich die tiefe Stimme von Ichiro Takera erklingen, „ich glaube, unserem Inuyasha ist es ein wenig unangenehm, dass ihr ihm soviel Beachtung schenkt.“ Schmunzelnd blickte er den Jungen an, der zustimmend nickte. Als die Mädchen dies bemerkten, senkten sie schuldbewusst die Köpfe.

„Gomen nasai, Inuyasha-sama“, sagte die Kleinste von ihnen, während sie sich beschämt vor ihm verbeugte und ihr langes dunkles Haar dabei das elfenhafte Gesicht verdeckte.

„Ja, wir hatten nicht beabsichtigt, Euch zu bedrängen, Herr“, drückte nun auch die Mittlere ihre Reue aus, verlegen mit ihren vielen kunstvoll geflochtenen Zöpfen spielend, in denen sich Dutzende bunter Perlen wie Wassertropfen tummelten.

„Verzeiht die Aufdringlichkeit meiner Schwestern und mir“, meldete sich als Letzte die Älteste der Drei zu Wort. Ihre nachtschwarzen Augen glänzten wie seltene Edelsteine, als sie den Jungen verzeihend ansah, bevor sie ihr Haupt senkte und die langen Strähnen ihres Ponys die Stirn verdeckten.

„Äh ... schon gut, ich ...“, stotterte Inuyasha überrumpelt von soviel Demut ihm gegenüber, „ihr braucht nicht ... ähm ...“, versuchte er nach den richtigen Worten zu greifen, die ihm jedoch nicht in den Kopf wollten, als ihn die Mädchen mit traurigen Gesichtern anblickten und ihre langen, fein geschwungenen Wimpern reumütig niederschlugen.

„Kiku! Mayu! Yuuka!“ Das ruhige, aber bestimmte Organ der Fürstin hallte durch den Raum und die Mädchen sahen eine nach der anderen erschrocken auf, fürchteten sie nun eine Strafe betreff ihres unangemessenen Verhaltens. Ehrfürchtig robbten sie wie kleine ungezogene Welpen zu ihrer Herrin und ließen betrübt die Köpfe hängen, doch bevor sie etwas zu ihrer Verteidigung hervorbringen konnten, riss Manami das Wort an sich.

„Es ist nett von euch, dass ihr euch so aufmerksam um meinen Gast kümmert“, sagte sie und lächelte, als alle Drei vor Scham rot anliefen, wussten sie doch, was ihre Herrin damit ausdrücken wollte, „aber vergesst darüber hinaus eure Arbeit nicht“, ermahnte sie die Mädchen und zeigte mit strenger Miene auf die bereits leer gegessenen Schüsseln einiger Anwesenden, die erwartungsvoll und mit knurrendem Magen auf einen Nachschlag warteten.

„Natürlich, Manami-sama“, antwortete die älteste mit Namen Yuuka für ihre Schwestern und drückte die Nasen der beiden Kleineren tiefer auf den Boden, so dass beide leicht verärgert aufquietschten, „bitte vergebt uns unser Betragen. Es wird nicht wieder vorkommen“, versicherte sie der alten Dame glaubhaft.

„Gut. Dann geht bitte wieder eurer Arbeit nach und nehmt anschließend auch eure Mahlzeit ein“, erwiderte die Fürstin mit einem freundlichen Nicken in die Richtung der Mädchen und widmete sich wieder ihrem Tischnachbarn, mit dem sie schon die ganze Zeit über in ein äußerst interessantes Gespräch vertieft war. In der tiefen Verbeugung verharrend bewegten sie die Schwestern rückwärts gehend von ihrer Herrin fort und schwebten flink, als sei nichts geschehen, wie anmutige Elfen durch den Raum, um den noch Hungrigen die Schalen zu füllen. Mitten aus dem Kreis der Essenden erklang plötzlich eine heitere Stimme, die rief: „Ich hätte gern auch noch einen Nachschlag, autsch!“, worauf man ein hohes Klatschen vernahm und eine Frau wie ein verstimmter Panther knurrte: „Du hast genug gegessen, Houshi-sama“, doch der Angesprochene ließ sich so leicht nicht umstimmen: „Ich habe aber wirklich noch Hunger, darf ich nicht noch ein bisschen … äh, gut, ich glaube, ich bin satt“, entschied er sich dann doch für die Kapitulation, als ihm mit einigen Fausthieben klar gemacht wurde, was seine Gefährtin davon hielt.

Derweil strich sich Inuyasha verlegen sein Gewand wieder glatt und wagte es kaum, aufzusehen, da über seinen Wangen noch immer eine leichte Röte schwebte, die sofort verriet, wie unangenehm ihm diese ganze Sache doch gewesen war. Ein wenig umständlich kniete er sich einigermaßen ordentlich hin und lugte vorsichtig unter seinem dichten schwarzen Haar zu seinen Tischnachbarn, von denen der Mann, welcher ihm noch vor wenigen Minuten mit einem Schlag auf den Rücken, der jedes Kind längst ins Jenseits befördert hätte, die Luft zum Atmen genommen hatte, ihm anerkennend und mit einem bewundernden Blick zunickte, während Hiroshis Mutter an seiner anderen Seite ihn nur besorgt musterte. Mit einem tiefen Seufzer, den er versuchte, möglichst leise auszustoßen, um unangenehmen Fragen auszuweichen, ließ er den Kopf hängen und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass diese Frühstückszeremonie schnell beendet war und er wieder auf sein Zimmer durfte. Er konnte sich einreden, was er wollte – diese Menschenansammlungen waren nun einmal nichts für ihn; auch, wenn diese Leute ihm nichts Böses wollten und sich nett ihm gegenüber verhielten, sie machten ihn nervös; den Grund dafür kannte er nicht.

Während er so vor sich hinbrütete und das Ende des Morgens abwartete, schlichen sich mit einem Male zwei bekannte Stimmen in seinen Geist, die eigentlich nur eine Art der Kommunikation kannten – streiten. Ruckartig schnellte sein Haupt in die Höhe, so dass dem Mann neben ihm vor Schreck ein Stück roher Fisch aus seinen Essstäbchen entglitt und durch die Luft segelte, von Hiroshis Vater Ichiro aber geschickt aufgefangen wurde, so dass alle am Tisch leise Beifall klatschten, außer Inuyasha, dessen Blick plötzlich wie gebannt an dem jungen Mann und seiner hübschen Gefährtin hing, die mal wieder sehr angeregt eine Meinungsverschiedenheit ausdiskutierten.

>Sicher, die Beiden hätte ich fast vergessen<, schoss es ihm durch den Kopf und er hob keck eine Hand, um sie auf sich aufmerksam zu machen, doch die Welt der Zwei schien sich nur um eine Sache zu drehen, so dass sie den Jungen ungewollt vollkommen ignorierten.

„Nein, nein. Du verstehst das absolut falsch, Sango“, hörte er den Geistlichen sich verzweifelt verteidigen. „Hat nicht mal jemand sehr Weises gesagt, Appetit kann man sich auswärts holen, gegessen wird zu Hause?“

„Das ist das Dümmste, was du jemals von dir gegeben hast“, kommentierte die Dämonenjägerin seinen aussichtslosen Versuch, sich den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, die sich jedoch nur weiter zuzog, umso mehr er redete. „Und so wie das klingt, könnte es glatt von dir stammen und nicht von irgendeinem ´Weisen vom Berge`“, bemerkte sie spöttisch und verdrehte genervt die Augen.

„Heeeeeeeeeeeey!“, ließ sie ohne Vorwarnung eine ungeduldige und leicht wütende Stimme zusammenzucken, so dass ihre Köpfe und ungeplant auch all die der weiteren Anwesenden zum Störenfried der morgendlichen Ruhe wanderten. Inuyasha saß grummelnd das Gesicht verziehend auf seinem Platz und trommelte ungehalten mit den Fingern auf dem dunklen Holztisch vor ihm herum. Als er endlich die Aufmerksamkeit der beiden Streithähne und auch die all der anderen auf sich gezogen hatte, machte sich ein zufriedener Audruck auf seiner Miene breit, während seine Augen etwas zwischen Sango und Miroku zu suchen schienen. Forschend wanderte sein Blick, als er nicht das fand, nach dem es ihm verlangte, quer durch den Raum, musterte jeden Anwesenden genauestens, doch seine Suche sollte nicht von Erfolg gekrönt werden. Enttäuscht ließ er den Kopf hängen, als sich ihm nicht das Antlitz jenen Mädchens offenbarte, dessen Präsenz ihn sehr erfreut hätte. Mit wachsender Beunruhigung schossen ihm tausend Dinge durch den Kopf. Ging es ihr vielleicht nicht gut? Hatten sich die Wunden, die er ihr unbeabsichtigt zugefügt hatte, etwa verschlimmert? Oder … wollte sie ihn vermutlich gar nicht mehr sehen?

Hin- und hergerissen zwischen den Möglichkeiten, die ihre Abwesenheit erklären konnten, nagte die Gewissheit, dass er der tatsächliche Grund dafür war, wie eine hungrige Maus an einem Stück Käse und ließ sein Herz zentnerschwer wiegen. Zu allem Übel konnte er es ihr nicht einmal nachtragen. Wäre er sie gewesen, hätte sein eigenes Verhalten ihn auch mehr als erschreckt. Gedankenverloren spielte er mit seinen Essstäbchen und bemerkte gar nicht, wie sie mit einem lauten Knacksen zwischen seinen feinglidrigen Fingern zersplitterten.

Alarmiert hatte Sango ihren alten Gefährten dabei beobachtet, wie er nach etwas oder besser gesagt, nach jemandem Ausschau gehalten hatte, um, so wie es schien, betrübt feststellen zu müssen, dass Derjenige oder eher Diejenige nicht anwesend war. Enttäuscht ließ der langhaarige Junge den Kopf hängen, schob seine liebevoll zusammengestellte Nachspeise aus verschiedenen Obstsorten lustlos beiseite und balancierte mit verzogener Miene hektisch die Essstäbchen zwischen seinen Fingern, bis beide plötzlich unter der unsanften Behandlung ihres Besitzers zerbrachen, dessen Blick sich mit einem Male bedrohlich wie der Himmel kurz vor einem Gewitterstum verdunkelt hatte. Besorgt und auch gleichzeitig überrascht, was die unvorhergesehene Reaktion ihres gemeinsamen Freundes betraf, knuffte sie ihrem Tischnachbarn, der mit verträumten Augen den engelsgleichen Geschöpfen hinterherstierte, die nun nach getaner Arbeit selbst für ihr Leib und Wohl sorgen wollten, in die Seite.

Gequält zuckte der junge Geistliche zusammen, fürchtete er doch erneut einen brutalen Angriff auf sein leibliches Wohl, welchen er, wie er peinlicherweise jedoch zugeben musste, womöglich nicht einmal anders verdient hätte. Umso erstaunter reagierte er, als der ihm äußerst bekannte Schmerz dessen ungeachtet ausblieb und riskierte einen dennoch schuldbewussten Blick in Richtung seiner hübschen Gefährtin, deren Augen wie gebannt an einem gewissen langhaarigen Jungen klebten.

„Oh nein“, stöhnte Miroku genervt auf, als ihm eine Befürchtung die Gehirnwindungen hinaufkroch, „jetzt du nicht auch noch, Sango.“ Enttäuscht kratzte er sich am Kopf, als sie nichts auf seinen Ausruf entgegnete. „Das ist doch kaum zu glauben. Was hat der, was ich nicht habe?“, brabbelte er eifersüchtig vor sich hin. „Die Frauen liegen ihm regelrecht zu Füßen, während sie mir oft auf die Frage nach einem gemeinsamen Kind wie Sand aus den Händen entgleiten.“ Ungeduldig rutschte er mit den Knien auf dem Holzboden hin und her, da die Dämonenjägerin noch immer nicht darauf einging, was er von sich gab. „Ist es vielleicht das dunkle Geheimnis, welches ihn umgibt, was auf die begehrenswerte Weiblichkeit so anziehend wirkt?“, mutmaßte er und legte nachdenklich seine Stirn in Falten. „Wenn es nur das ist, so kann ich dies ebenfalls anbieten – autsch!“, rutschte es über seine Lippen und er verzog schmerzerfüllt das Gesicht, nachdem eine gewisse anmutige Faust sich auf seinem Kopf verewigt und eine beträchtliche Beule zurückgelassen hatte.

Mahagonifarbene Augen starrten ihn ärgerlich an, während der dazugehörige Kopf verständnislos geschüttelt wurde, so dass langes Haar, dunkel wie die Nacht, ungebändigt die weichen Wangen jener jungen Frau, an der sein ganzes Herz hing, streifte. Ein Seufzen entglitt ihren schönen Lippen und ihm wurde langsam aber sicher bewusst, dass er sich mit seinen Worten wie schon so oft erneut in die Nesseln gesetzt hatte. Zerknirscht wandte er den Blick ab und sah wie ein junger Hund, der eine ungeschickte Dummheit angestellt hatte, verschämt zu Boden.

„Ach, Houshi-sama“, ließ sie ihrer Enttäuschung über ihn freien Lauf, “du wirst dich wohl niemals ändern, oder?“ Zweifelnd musterte sie ihn von oben bis unten, bevor er überhaupt Stellung zu ihrer Behauptung nehmen konnte, so dass ihm sein bereits offen stehender Mund, der sich gerade dazu äußern wollte, ohne Kommentar wieder zuklappte.

„Haaaa, es tut mir leid, Sango“, presste er schuldbewusst hervor und strich sich beinahe verlegen, als sie ihn dabei erstaunt beäugte, durch das dichte schwarze Haar, „ ich bin einfach ein riesiger Dummkopf, verzeihst du mir noch einmal?“ Wie eine verliebtes kleines Mädchen klimperte er seine Gefährtin entschuldigend an, die sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Lächelnd schlug sie die Augenlider nieder, als er schmunzelnd die Brauen hochzog, nachdem er bemerkt hatte, dass sein Verhalten sie scheinbar milde stimmte.

„Du bist wirklich schlimm, weißt du das eigentlich?“, erwiderte sie und knuffte ihm freundschaftlich in die Seite, woraufhin er sich übertrieben stöhnend die Rippen hielt und anschließend zu lachen begann. Doch dann wurde er sofort wieder ernst, als er bemerkte, wie ihre Augen ohne Vorwarnung trüb vor Sorge wurden.

„Was ... was ist los?“, wollte er wissen und legte fürsorglich seine Hand auf die ihre, was sie, vollkommen unvorbereitet auf diese vertraute Geste, zusammenzucken ließ, doch er zog sie nicht weg.

„Ach“, sagte sie und schaute ihn aus traurigen Augen an, „ich mache mir Sorgen um Inuyasha … um Kagome … und wie nun alles weitergehen soll. Sieh ihn dir nur an. Ich glaube, er hat erwartet, sie heute auch hier zu sehen und nun ist sie nicht da. Mit Sicherheit denkt er jetzt, dass dies etwas mit ihm zu tun hat. Einerseits ist es schön, dass er sich Gedanken um Kagome macht, so lebt ein alter Teil von ihm wieder auf, andererseits betrübt es mich jedoch, ihn so zu sehen, weil er schon genug durchgemacht hat in der letzten Zeit.“

Miroku nickte, er verstand gut, was sie damit ansprechen wollte.

„Weißt du, Sango, oft gabeln sich die Wege, die man beschreitet, keiner von ihnen ist geradlinig und mühelos zu überwinden, oft werden einem Steine vor die Füße geworfen, die man zunächst beiseite räumen muss. Du und ich wissen das besser, als jeder andere. Doch am Ende dieses langen Pfades offenbart sich einem, egal, welchen Weg man wählt, den einfachen oder den schwierigen, immer das Ziel, auf das man hingearbeitet hat. Und nicht anders wird es mit Inuyasha sein. Er befindet sich auf dem beschwerlichen Weg und wird noch vieles zu meistern haben, bevor er endlich wieder der Alte ist. Doch eine Hürde hat er bereits überwunden.“

Erstaunt sah die junge Dämonenjägerin den Geistlichen an, der sein Kinn lächelnd auf die Hand aufstützte.

„Was meinst du damit?“, wollte sie wissen, während ihre Pupillen wechselweise über sein Antlitz und das Inuyashas huschten.

„Nun ja“, begann er geheimnisvoll, „damit, dass er Kagomes Anwesenheit unter uns vermisst, zeigt er, dass sein Misstrauen und die anfängliche Abneigung uns gegenüber langsam wie das Eis in der Wüste schmilzt. Und dass es gerade Kagome ist, in die er sein unabdingbares Vertrauen legt, lässt in mir die Hoffnung auf ein gutes Ende wieder ansteigen.“
 

Aufmerksame, vor lauter Angst jedoch weit aufgerissene Augen irrten wie verlorene Rehkitze, die sich im Wald verlaufen hatten, in dem geräumigen Zimmer hin und her, während sich der dazugehörige kleine Körper furchtsam zitternd halb in dem warmen Schlafsack jenen Mädchens, welches ihn in diese missliche Lage gebracht hatte, schützend verbarg. Jedes noch so leise Geräusch, das an sein empfindliches Ohr drang, ließ ihn schaudernd zusammenfahren, doch es bot sich ihm nicht die Möglichkeit, diesen Ort seines wachsenden Entsetzens zu verlassen, schlang sich immerhin ein Mädchenarm um seinen Leib und hielt ihn liebevoll umklammert.

„Och menno, Kagome“, meckerte der junge Kitsune wie eine missgelaunte Ziege und versuchte, die schlanken Finger von sich zu lösen, woraufhin das Mädchen jedoch nur zufrieden im Schlaf lächelte und ihn noch fester an sich presste. Mürrisch knurrend ließ sich der Fuchsdämon auf den Boden plumpsen und zog eine unglückliche Schnute, als er plötzlich von einem Rascheln, welches vom Tisch herzurühren schien, aufgeschreckt wurde. Bibbernd kroch er wie ein ängstliches Jungtier zurück in den Schlafsack und hielt sich, auf alles gefasst, die Augen zu.

Das Rascheln wurde lauter, dann folgte mit einem Male ein gedämpftes Platschen, begleitet von einem Prusten, verbunden mit lauthalsem Gezeter, welches sich über die äußerst ´feuchten` Betten in diesem Anwesen beschwerte. Verblüfft riskierte Shippo einen vorsichtigen Blick hinaus in die ihm unheimliche Welt und sah neugierig nach oben, wo er dem Grund des Radaus begegnete. Ein Paar winzigkleiner Augen starrte interessiert über den Tellerrand der von den Bediensteten zurückgelassenen Schüssel auf ihn herab und zwinkerte ihn vergnügt an, als es ihn erkannte.

„Ohayo, Shippo“, brummte ihm die vertraute Stimme Myogas entgegen, der alle Kraft aufbieten musste, um aus dem Paradies, reich angefüllt mit Sake, zu krabbeln.

„Myoga? Ach, du bist es“, klang es für den winzigen Flohgeist beinahe enttäuscht aus dem Munde seines fuchsschwänzigen Gefährten, dessen Augen hektisch erneut jede Ecke des Raumes abzusuchen begannen.

„Was soll das heißen ´ach, du bist es`und wo sind eigentlich die anderen hin?“, maulte das grauhaarige Wesen beinahe beleidigt und hüpfte vom Rand der Schüssel hinunter direkt auf die Nase des Kitsune, der mit den Augen schielte, um ihn zu betrachten und angewidert das Näschen kraus zog, als ihm der betäubende Geruch des Sake wie Nadeln in sein empfindliches Geruchsorgan stach.

„Sie sind gegangen, um mit Manami und deren Familie das Frühstück einzunehmen“, erklärte der Kleine und verzog gequält das Gesicht, als sich sein Magen protestierend auf die fehlende Nahrungsaufnahme meldete.

„Und warum haben sie dich dann hiergelassen?“, fragte Myoga mt einem schadenfrohen Grinsen auf den Lippen, als er das knurrende Geräusch, welches wie die verzweifelte Drohgebärde eines jungen Welpen klang, vernahm.

„Das siehst du doch wohl selber gut genug“, antwortete das Fuchskind patzig und deutete mit einer schnellen Handbewegung auf den Klammergriff des schlafenden Mädchens, der ihn wie einen Gefangenen von seiner Flucht abhielt.

„Tja, da kann man wohl nichts machen“, bemerkte der alte Floh feixend und sprang hinunter von seiner Nase auf die Tür des Zimmers zu.

„Heyyyy, wo willst du hin?“, quietschte Shippo dem kleinen Wesen, welches gerade im Begriff war, unter dem Schlitz der Tür hindurchzukriechen, ängstlich hinterher.

„Na, was glaubst du denn?“, entgegnete der Angesprochene spitzbübisch und schaute augenzwinkernd über seine Schulter zurück. „Meinen Magen füllen natürlich, schließlich hat der die ganze Nacht über Diät halten müssen. Außerdem kann ich mit diesem Gefühl der Leere keinen klaren Gedanken fassen, das verstehst du doch sicher, nicht wahr?“

Panisch weiteten sich die Augen des Kitsunes, sein Herz klopfte ihm bis zum Halse, während seine Atmung einem in den sicheren Tod gehetzten Beutetier nahekam, als ihm bewusst wurde, dass mit dem Flohgeist ein weiterer Teil seiner schützenden Mauer, welche seine Freunde bei Gefahr um ihn zogen, verschwand und diese nun gefährlich in ihrer Existenz wankte.

„Bitte ...“, wimmerte er vor lauter Furcht, „bitte, bleib hier, ich will nicht ... ich will nicht schon wieder ... das ... erleben.“ Verschämt wandte er den Blick ab, als Myoga sich erstaunt und gleichzeitig bestürzt über den angstvollen Tonfall des Jungen umdrehte und ihn mit fragender Miene musterte. Ein wenig sehnsüchtig sah er zur Tür hoch, verfluchte das gierende Hungergefühl in seinem Inneren und schlurfte mit einer unguten Vermutung zurück zu dem kleinen Häuflein Elend, welches sich bibbernd an den Schlafsack seiner großen Freundin geklammert hatte.

Seufzend sprang er auf den Kopf Kagomes, die im Schlaf eine Grimasse zog und versuchte, nach dem ungebetenen Gast auf ihren Haaren zu schlagen, doch Myoga wich geschickt aus und wartete, bis die Müdigkeit erneut Herr über das Mädchen wurde. Nachdem ihre Hand schlaff neben den Schlafsack fiel, ließ sich der alte Floh zufrieden zwischen ihren weichen Haaren nieder und verschränkte die vielen Arme vor seinem zierlichen Körper.

„Ich nehme an, es ist irgendetwas geschehen, während ich ... schlief“, bezeichnete er den Zustand, der ihn nach seinem übermäßigen Genuss dieses unsagbar schmackhaften Getränkes ereilt hatte und räusperte sich übertrieben, bevor er fortfuhr: „Willst du es mir nicht erzählen, Shippo?“

Unendlich dankbar, dass Myoga doch nicht seinem Hunger nachgegeben hatte, atmete der Fuchsjunge hörbar aus, nickte eifrig auf die Bitte seines Gefährten hin und begann zu berichten, was sich aus seiner Sicht am vorigen Abend in diesem Raum zugetragen hatte. Mit wachsender Besorgnis lauschte der Flohgeist seiner Erzählung und unterbrach ihn kein einziges Mal, bis Shippo seinen Bericht damit beendete, dass die Präsenz des ihnen allen unbekannten Wesens noch immer in diesem Raum zum Greifen nah war und ihn dies mehr als alles andere ängstigte. Danach trat ein langes Schweigen zwischen den beiden so ungleichen Gefährten ein, was Shippo nervös auf dem Boden herumrutschen ließ, fühlte er sich doch hier absolut nicht wohl in seiner Haut und würde, sofern sich ihm die Möglichkeit bieten würde, diesen Ort so schnell wie nur irgendwie möglich verlassen. Deshalb erschrak er umso mehr, als der greise Floh ohne Vorwarnung seine Stimme erhob und die schwer auf ihnen lastende Stille zerriss.

„Das alles klingt für mich beinahe wie ein Geist, der seine ewige Ruhe noch nicht gefunden hat und jeden an sein Schicksal, welches ihm den Tod gebracht hat, erinnern will“, mutmaßte das kleine Wesen nachdenklich. „Wahrscheinlich ist er oder sie keines natürlichen Todes gestorben, sondern gewaltsam aus der Mitte der Lebenden gerissen worden, das würde diese dunkle Aura, die sich nun auch meines Geistes bemächtigt, erklären“, fuhr er fort und sah sich unsicher in dem vom hellen Sonnenlicht durchfluteten Zimmer um.

„Mei-mei-meinst du damit etwa, es … kommt wieder???“, stotterte Shippo wie ein ständig abstoppendes Auto vor sich hin und suchte schon einmal nach einem geeigneten Versteck, obwohl, wie er dann achselzuckend befand, einem Geist war es vollkommen egal, wo man sich verborgen hielt, Angst war ihr Hauptnahrungsmittel und er verströmte mehr davon wie die unzähligen Blumen im Garten ihren Duft.

„Nein, im Moment kann ich keinerlei Anwesenheit spüren“, beruhigte Myoga den zitternden Fuchsjungen, „aber es ist erstaunlich, wieviel negative Schwingungen es zurückgelassen hat. Sehr viel Groll gegen die Menschen dieses Dorfes muss in dem armen Geschöpf stecken, dass es sogar euch angreift, die ihr doch gar nichts damit zu tun habt.“

„Erinner mich bloß nicht daran“, winselte der Kleine und zog sich den Saum des Schlafsacks bis zur Nase hoch. Schmunzelnd betrachtete der Flohgeist seinen jungen Kumpanen; trotz der nun doch eher beunruhigenden Situation, da keiner so recht wusste, mit wem oder was er es zu tun hatte, war das Dämonenkind in seiner ängstlichen Lage äußerst putzig anzusehen.

„Aber weißt du, was seltsam ist, Myoga?“, riss ihn der sich mit einem Male stark veränderte Tonfall des Kitsunes aus seinen amüsanten Gedanken. Mit ernstem Blick saß der Junge da, seine Augen einen Punkt in weiter Ferne fixierend.

„Mmhh?“, machte der winzige Greis und musterte ihn interessiert. Es schien beinahe, als sei jedes Quentchen Furcht von dem Kleinen abgeperlt wie das Wasser am Gefieder einer Ente.

„Als wir das Dorf betraten und an dieser Hütte vorbeigingen, da spürte ich dasselbe wie jetzt auch“, sagte Shippo und plötzlich überlief den Floh ein eiskalter Schauer, als hätte ihn jemand schadenfroh in den Schnee gesteckt, um ihn nie wieder aus der feuchten Masse zu befreien; um ihn herum war es unerwartet still geworden, als schien alles den Atem anzuhalten; das Haus, dessen Holz bei jeder kleinen Temperaturschwankung lebendig vor sich hinknackte, war still wie ein verstorbenes Tier, selbst der Wind und die Vögel draußen vor den Türen waren verstummt. Er fühlte, wie es zurückkam, langsam und schleichend wie eine tödliche Krankheit fraß es sich in jede Faser seiner Kleidung, in jede noch so kleine Pore seiner Haut drang es ein, um ihn nie wieder zu verlassen, ihn mit Furcht und Pein zu überschütten bis an das Ende seiner Tage, mögen ihn diese so schnell wie möglich ereilen.

Seine Augen suchten die des Fuchsjungen, starr fixierte die moosgrüne Iris eine bestimmte Stelle im Raum, welche mit der Wirklichkeit zu verschwimmen drohte. Wie festgewachsen beobachteten sie hilflos, wie der Grund ihrer Furcht und Verzweiflung Gestalt annahm und sich vor Vergnügen windend an ihrer Angst labte.

Shippo mochte nicht glauben, was er sah, wollte die Lider fest vor der Wahrheit verschließen, um nicht erneut Zeuge dessen zu werden, was ihn seit gestern Abend wie eine Baumranke nicht mehr losließ. Zitternd befahl er seinen Beinen, sich zu bewegen, loszurennen, fort von diesem unseligen Ort, irgendwohin, wo er sich sicher und geborgen fühlte, doch sie gehorchten ihrem Besitzer kein bisschen. Schon wollte er sich seinem Schicksal, am aufsteigenden Wahnsinn zugrunde zu gehen, beugen, als etwas Warmes wie das sanfte Laub im Herbst, seinen Rücken hinunterstrich. Mit einem lauten Quieken sprang er zutiefst erschrocken in die Höhe und fast in Myogas Arme, der jedoch sicherheitshalber ein gutes Stück beiseite trat und den Kleinen auf den Po fallen ließ, hegte er doch kein sehr großes Interesse daran, als Flohmus zu enden. Nichtsdestoweniger musste er dem Kleinen zu tiefstem Dank verpflichtet sein, während dieser sich sein schmerzendes Hinterteil rieb, hatte er ihn mit seinem ohrenbetäubenden Gekreische zurück in die Realität geholt und vor dem unheimlichen Wesen, welches sich wie ein geprügelter Hund in eine Ecke zurückzog, gerettet.

„Was´n hier los?“, nuschelte eine ihnen wohl bekannte Stimme und ließ ein herzhaftes Gähnen ihrer Frage folgen.

„Ka-Ka-Kagome!“, rief der Kitsune erleichtert und krabbelte überglücklich zu ihr hinüber, um im nächsten Moment festzustellen, dass seine Bewegungsfreiheit nun endlich nicht mehr eingeschränkt war.

Müde rieb sich das Mädchen die Augen, noch immer zeugten dunkle Schatten unter diesen von den vergangenen Tagen der Trauer und des herben Verlustes, den sie hatte erleiden müssen. Doch ein Hauch von rosigem Schimmer zierte ihre in letzter Zeit stets blassen Wangen gleich dem kräftigen Morgenrot am erwachenden Firmament und bot der drohenden Dunkelheit, die ihr Antlitz verdüsterte, mit aller Macht die Stirn.

Ein wenig verwirrt darüber, dass scheinbar niemand sie geweckt hatte, richtete sie sich auf, ließ ihren Blick durch das geräumige Zimmer schweifen und atmete zischend aus, als sie die sich allmählich auflösende, mit der Umgebung verschwimmende Gestalt bemerkte, welche sich schutzsuchend und wie unter Schmerzen windend in eine Ecke des Raumes zurückgezogen hatte. Ein kleines Händchen legte sich plötzlich auf die ihre und sie sah hinunter in die grasgrünen Augen Shippos, die sie jedes Mal an weite immergrüne Ebenen erinnerten, auf denen das Gras sanft im Wind einen Tanz aufführte. Ängstlich klammerte sich sein Blick an das scheinbar leidende Wesen, von dem keinerlei Bedrohung mehr ausging.

Mitleid frass sich in Kagomes Herz wie ein kleiner Wurm in einen schmackhaften Apfel, als sie die Gestalt betrachtete. Sie spürte die Verzweiflung, die Hoffnungslosigkeit und die Furcht, welche wie eine ansteckende Krankheit auf dem Haupt der geisterhaften Erscheinung lagen und diese wie einen Stein unter Wasser niederdrückten. Lebte sie von den negativen Empfingen anderer Lebewesen, so schadeten doch ihre eigenen leidenden Gefühle ihrem Selbst und zwangen es, ihr sichtbares Ich aufzulösen.

„Wer bist du?“, hörten Shippo und Myoga das Mädchen mit einem Male sagen und musterten sie daraufhin verblüfft; der Flohgeist verstand jedoch nach wenigen Sekunden, was sie damit bezwecken wollte und wartete gebannt ab, was passierte.

Bebend vor Angst und Pein presste sich das Wesen an die mit Borden kunstvoll verzierte Holzwand, als wäre der Leibhaftige persönlich hinter ihm her. Unsicher hielt Kagome inne, nachdem sie einen zögerlichen Schritt in Richtung der nun bejammernswerten Gestalt gemacht hatte und überlegte angestrengt, was sie tun sollte. Obwohl es ihren Freunden beinahe gewaltsam Schaden zugefügt hatte, ohne dass sich jemand unter ihnen einer Schuld bewusst war, empfand das Mädchen Mitgefühl mit dem immer undeutlicher werdenden Etwas, welches wie ein schmelzender Tiegel zu zerfließen drohte.

Eine nie gekannte Traurigkeit umspülte ohne Vorwarnung ihre durch die vergangenen Erlebnisse verletzte Seele und ließ sie am ganzen Körper erschaudern. Emotionen jagten durch ihr Inneres, als wären Raubtiere hinter ihrer wehrlosen Beute her, doch waren es nicht die ihrigen, was sie zutiefst bestürzte. Verwirrung überfiel sie, alles in ihr schrie nach einer Flucht vor diesem Gefühlssturm, der sich eigenmächtig Zutritt zu ihrem Herzen verschaffte, doch ihre Füße bewegten sich automatisch wie die einer Marionette, gesteuert von einer fremden Macht, mit aller Beharrlichkeit fort, so dass es ihr nicht möglich war, sich zu widersetzen. Entsetzt verfolgte sie mit ihren vor Schreck starr geweiteten Augen, wie sich eine ihrer Hände hob und versuchte, mit dem Wesen auf irgendeine Art und Weise Kontakt aufzunehmen. Immer näher kamen ihre Finger der durchsichtigen Masse, welche unter höchster Anstrengung versuchte, sich neu zu formen, doch die Kraft, welche einst in ihr wie eine starke Flamme nach Nahrung verlangt hatte, drohte zu erlöschen.

Kagomes Arme begannen zu zittern; sie wehrte sich vehement gegen diese fremde und unheimliche Macht, die sie ungefragt nach vorne direkt zu der Gestalt leitete. Sicher war sie von dem Wunsch beseelt, herauszufinden, was es mit diesem Wesen auf sich hatte, aber doch nicht so eilig und unüberlegt!

Doch plötzlich löste sich aus der wabernden Masse ein klarer hauchdünner Strang und bewegte sich zögernd aber bestimmt auf die geschmeidigen Finger des Mädchens zu.

Atemlos verfolgte Myoga das Geschehen, während Shippo nicht mehr länger an sich halten konnte und mit einem wütenden Kampfgebrüll auf die Gestalt zusprang, aber verblüfft, als wäre er duch feuchten Nebel geglitten, auf der anderen Seite, und ohne, dass er etwas hatte bewirken können, wieder zum Stehen kam. Die Furcht niederdrückend, welche wie ein achtbeiniges Monster geifernd in einer dunklen Ecke saß und ihr schmackhaftes Mahl anstarrte, klammerte er sich entschlossen an eines der Beine seiner großen Freundin und zog und zerrte mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, doch das Mädchen glitt immer weiter auf das geheimnisvolle Wesen zu. Vor Schmerz kreischend wurde er mit einem Male von Kagome weggeschleudert und landete benommen neben dem greisen Flohgeist, der sich sofort besorgt über ihn beugte.

„Hast du dir was getan, Kleiner?“, wollte dieser wissen, doch der Kitsune verzog nur grimmig die Lippen, bevor er behände wieder auf die Beine sprang.

„Kleiner ...“, murmelte er verächtlich und sah erst den Floh und dann sich an. >Würde wohl eher zu dir passen und nicht zu mir, du Kekskrümel<, dachte er und starrte anschließend besorgt zu Kagome hinüber

„Kago ... me“, blieb ihm vor lauter Verwunderung jedoch das Wort beinahe im Halse stecken, als er genauer hinsah. Die hauchzarte pulsierende Masse hatte sich wie ein feines Stück Seide um die schlanken Finger des Mädchens gewickelt, welches wie vom Blitz getroffen einer Statue gleich reglos vor dem Wesen stand, ihr Blick leer und ausdruckslos auf sie gerichtet. Erneut sprang der Fuchsjunge auf seine Freundin zu, wurde jedoch durch die aufgeregte Auf- und Abhopserei eines gewissen Flohgeistes direkt vor seinem Antlitz von seinem Vorhaben, dem Mädchen zu helfen, mit Bestimmtheit abgehalten.

„Was soll das ... Myoga!“, knurrte der Kleine sein Gegenüber gereizt an und fuchtelte mit der Hand vor seiner Nase umher, als wollte er einen lästige Fliege vertreiben, die ihn mit ihrem Gesumme ärgerte, doch das winzige Wesen hüpfte in sein Gesicht und versiegelte mit einem gekonnten Griff die Lippen des sich beschwerenden Kitsunes. Verdutzt begann dieser zu schielen, um einen besseren Blick auf den Floh zu erhaschen, was sich als nicht sehr einfach herausstellte, so dass der Junge seine Lippen in Richtung Nase zog. Entrüstet begann Myoga zu schimpfen, als er drohte, durch die Aktion Shippos abzurutschen, sah sich dann aber mit dem fragenden Ausdruck in den kugelrunden Augen des Jüngeren konfrontiert, der auf eine Antwort wartete. Mit hochgezogenen Brauen musterte er den Fuchs, der sofort verstand und hastig nickte. Der Flohgeist ließ ein zufriedenes Grunzen hören und krabbelte auf die Nase seines dämonischen Gefährten.

„Lass uns sehen, was geschieht“, ermahnte er Shippo leise, aber eindrücklich, während er mit einem seiner winzigen Finger auf das Mädchen zeigte.

„Aber ...“, protestierte der Junge und machte erneut einen Schritt auf Kagome zu, was der Floh ihm jedoch mit einem schmerzhaften Biss in die Nase quittierte.

„Autsch“, reflexartig sauste die Hand Shippos auf den Zufluchtsort des Flohgeistes zu, der sich mit einem hastigen Sprung auf den Kopf des Kitsunes in Sicherheit brachte, bevor die kleine Nase mit einem lauten Patschen verbogen wurde.

„Menno“, knirschte das Fuchskind und rieb sich die schmerzende Stelle, bis ihm plötzlich bewusst wurde, was er da getan hatte. Entsetzt suchte er alles nach dem kleinen Kerl ab, der soeben noch dort verweilt hatte, wo sich jetzt langsam aber sicher eine knallrote Blessur bildete, aber auf dem Boden war keine Spur von einem halb zerquetschten Insekt zu finden.

„Keine Sorge“, schnarrte es plötzlich hoch über seinen Augenbrauen und er fühlte erleichtert, wie sich etwas einen Weg durch sein dichtes rotbraunes Haar bahnte.

„Puh“, atmete er beruhigt, dass er seinen winzigen Gefährten nicht zu Mus verarbeitet hatte, aus und starrte aber immer noch äußerst besorgt in die Richtung seiner großen Menschenfreundin, aufgrund deren Blick, in dem Kummer und blankes Entsetzen um die Vorherrschaft rangen, er ein schmerzhaftes Ziehen in seinem kleinen Herzen verspürte.

„Wieso willst du nicht, dass ich ihr helfe, Myoga?“, wisperte Shippo dem Flohgeist, der fasziniert zwischen den Haarsträhnen hindurch die einzigartige Szenerie betrachtete, zu und knetete nervös seine kurzen Fingerchen.

„Ganz einfach, mein Junge“, antwortete dieser gelassen, ließ sich auf sein Hinterteil plumpsen und zwirbelte an seinem kleinen, seitlich abstehenden Schnurbart. „Fühlst du es denn nicht? Die böse Aura des Wesens ist verschwunden, es hat nicht die Absicht, Kagome Schaden zuzufügen.“

„Also brauche ich mir keine Sorgen zu machen ...“, murmelte das Fuchskind, doch Zweifel keimten erneut in seinem Inneren auf, als er die unheimliche, ständig ihre Form ändernde Masse misstrauisch beäugte. Seine Freundin wirkte keinesfalls so, als würde es sie erfreuen, was dort mit ihr geschah. Jeder Muskel ihres schlanken Körpers war bis aufs Äußerste angespannt, in ihren sonst so sanft erscheinenden rehbraunen Augen tobte ein Kampf der Gefühle, tränenverschleiert blickten sie hinaus in eine Welt, die vielleicht nie wieder das für sie sein würde, was sie kannte und liebte.

Wie einen Stromstoß hatte es ihre Glieder durchfahren, als das ihr unbekannte Wesen gleich eines schüchternen Windhauches ihre Finger berührt hatte. Zunächst von unbändiger Furcht und Unwissenheit gepeinigt, hatte sie sich vehement gegen diese ungewollte Kontaktaufnahme gewehrt, hatte panisch mit ansehen müssen, dass alle Hilfeversuche ihres kleinen Fuchsfreundes fehlschlugen, sie von der Kreatur zu befreien.

Ein einziges, für Fremde vielleicht vollkommen unbedeutendes Wort war ihr dabei über die Lippen geperlt, ein Name, der sie schon oft zum Weinen, zum Wüten oder auch manchmal zum Lachen gebracht hatte, ein Junge, der ihr mehr bedeutete, als alles, was diese einzigartige Welt jemals hervorgebracht hatte.

„Inuyasha ... .“

Eine Welle von Gefühlen strömte auf sie zu, vor der es kein Entrinnen zu geben schien; sie würde sie erbarmungslos mit sich reißen und nie wieder preisgeben, sollte sie sich nicht dagegen zur Wehr setzen. Doch als die ersten Bilder ihren Geist durchstreiften wie wild davonpreschende Pferde, hielt sie ihre schützende Barriere erstaunt zurück, erschrak aber innerlich vor der gewaltigen Intensität der auf sie einstürzenden Empfindungen, so dass es ihr beinahe das Herz zerriss.

„Hab keine Angst“, hauchte mit einem Male eine wohlklingende Stimme an ihr Ohr, welche sich wie eine schützende Decke über ihre Seele breitete.

„Wer bist du?“, hörte Kagome sich in Gedanken sprechen. „Was tust du da mit mir?“

Zunächst erfolgte keine Antwort auf die Frage des Mädchens, das Wesen schien zu überlegen, wie es sein Tun erklären konnte, doch dann vernahm sie erneut Worte, die ihren Geist sanft wie Wellen einen Felsen, der allein und ungeschützt aus dem unendlich groß erscheinenden Meer herausragte, umspülten.

„Du sollst die Wahrheit erfahren, meine Kleine.“

„Die Wahrheit?“ Kagome wusste nicht, worauf das Wesen hinauswollte. „Die Wahrheit über was?“

„Die Wahrheit über das Liebste, was ich je besessen habe und was man mir genommen hat“, war alles, was das Mädchen noch erfuhr, bevor Dinge vor ihren Augen erschienen, Bilder, die Jemanden zeigten, bei dessen Anblick sich alles in ihr schmerzhaft zusammenzog und eine grausame Erkenntnis ihren Geist wie ein gefangener Schmetterling, der hilflos nach einer Fluchtmöglichkeit suchte, durchflatterte.
 

- End of this chapter-
 

Jaja, was hab ich da nur wieder ausgeheckt? Hehe, da müsst ihr noch ein wenig Geduld aufbringen, bis ihr herausfindet, was es mit diesem geheimnisvollen Wesen auf sich hat.

Aber ich bin ja nicht so fies, hier also eine kleine Vorscbau aufs nächste Kapitel, das 13., eine unglückbringende Zahl, passt gut zu dem Chapter.
 

Wenn die, die ich liebe, fortgehen (klingt nach Taschentücher-Alarm)
 

Inuyasha sucht, nachdem er fluchtartig den Speisesaal verlassen hat, nach Kagome und findet diese am Rande des Dorfes unter seinem Baum sitzend. Zögernd beginnt er, sie nach seiner Vergangenheit auszufragen und das, was er hört, gefällt ihm teilweise gar nicht. Enttäuscht über die vielen negativen Dinge läuft er den Kindern des Dorfes in die Arme, die ihn zum Spielen hinter sich herziehen. Doch gerade, als sein Herz unter dem Kinderlachen beginnt zu heilen, taucht ein Dämon aus dem Wald auf ...

Wenn die, die ich liebe, fortgehen

Ich sag jetzt lieber nicht viel, außer ...
 

ES TUT MIR LEEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIID, dass es solange gedauert haaaaaaaaat!!!

*vor euch weinend auf die Knie fällt*
 

Es sind leider viele Dinge geschehen, die ich nicht alle als unbedingt "toll" bezeichnen kann und was mich ständig wieder zurückgeworfen hat. Nichts, was jetzt direkt mich betroffen hat, aber sich auf meine freie Zeit und auch mein Gemüt ausgewirkt hat. Einige Mexxler wissen, was ich meine, ich fang jetzt auch nicht schon wieder damit an, weil es mich jedes Mal nervt, darüber zu sprechen.

Ich sag nur ein Wort ...

Kollegin ...

Dann können sich einige hier schon was denken.

Aber egal, das ist jetzt Vergangenheit.
 

Ích hoffe, es sind mir noch ein paar Leser nach der langen Wartezeit treu geblieben, wenn nicht, kann ich es euch nicht verübeln und bin euch auch nicht böse drum.
 

Ich konnte mich auch dieses Mal nicht beherrschen, was die Länge des Kapitels angeht, aber ich dachte mir, mit nur zehn Seiten kannst du sie jetzt wirklich nicht abspeisen ^^
 

Also, haltet die Taschentücher bereit für ein wildes Gefühlschaos, einen derben Verlust und eine leichte Prise Romantik.
 


 

13. Kapitel: Wenn die, die ich liebe, fortgehen
 

Wie ein zügelloser Orkan huschte ein schwarz-rotes Etwas zwischen den Angestellten hindurch, rempelte in der Küche die zierlichen Bediensteten, welche zuvor das Essen aufgetragen hatten, rücksichtlos an, so dass diesen das verbleibende Mahl mit den Schalen aus den Händen gerissen wurde und klirrend zu Boden ging. Betrübt starrten die drei Schwestern dem ungestümen Jungen hinterher, während sie mit viel Sorgfalt und ohne zu murren alles wieder aufwischten. Was war nur in ihn gefahren? Eine düstere Befürchtung schlich sich in die unschuldigen und reinen Herzen der Mädchen, dass es etwas mit ihrem nicht ganz angebrachten Verhalten zu tun hatte. Sich gegenseitig mit verschämten Blicken betrachtend nahmen sie sich fest vor, dem Gast ihrer Herrin beim nächsten Mal mit mehr Respekt und Höflichkeit zu begegnen.

Inuyasha rannte. Vorbei an den hübsch anzusehenden Hütten der Bewohner dieses beschaulichen Dorfes trugen ihn seine flinken Füße Richtung der grüngesättigten Felder, welche in dem warmen Licht der Sonne wie unendliche Meere von Leben leuchteten. Neugierige und teils empörte Blicke hefteten sich an seinen Rücken, als er gleich einem Elefant im Porzellanladen durch die kleinen Grüppchen von Menschen hindurchjagte, die hier und da ihren alltäglichen Beschäftigungen im Dorf und außerhalb nachgingen. Doch all dies war dem Jungen gleich, obwohl er, wie er sich momentan beurteilte, eher auf das Wohl anderer bedacht war, wollte er im Moment nur eines: Fort von diesen vielen, ihn abschätzend anstarrenden Augenpaaren, welche sich wie kleine spitze Dolche in seine Seele bohrten und ungefragt versuchten, all seine Geheimnisse, denen er sich zurzeit nicht einmal selbst bewusst war, zu ergründen.

Er konnte es sich ja selbst nicht erklären, warum er so empfand, es war einfach geschehen. Nachdem er über den Verbleib Kagomes gegrübelt hatte, waren die Stimmen in seinem Kopf immer lauter geworden, bis er schließlich das scheinheilige Gerede nicht mehr ausgehalten hatte und aufgebracht aus seiner sitzenden Position aufgesprungen war. Sofort waren alle Gespräche verklungen, hatten sich sämtliche Augenpaare auf ihn gerichtet, was ihn gleich einem Treibwild auf der Flucht vor den Hunden hatte davonlaufen lassen. Hiroshis Stimme hallte noch immer besorgt in seinen Ohren nach, als er die langen Flure des Anwesens entlanggeilt war, doch was sein Gewissen am meisten quälte, waren die traurigen, kastanienbraunen Augen seiner Gastgeberin, die ihm nicht mehr aus dem Sinn wollten.

>Manami wird sicher furchtbar böse auf mich sein, nachdem, wie ich mich benommen habe<, grübelte er düster vor sich hin, während er durch das kniehohe Gras der Felder rannte, die sich schützend rund um das Dorf schmiegten. Feine grüne Halme kitzelten frech an seinen nackten Fußsohlen, als er einen kleinen Hügel hinaufeilte, von dem man das ganze Dorf überblicken konnte. Gelbfarbene Frühlingsblumen stachen wie satte Farbtupfer aus dem langen Gras heraus, in das er sich seufzend fallen ließ und strahlten vergnügt mit der vom Himmel lachenden Sonne um die Wette.

>Warum bin ich nur so anders als sie?<, schoss es ihm bekümmert durch den Kopf, während er den langstieligen wehrlosen Blumen gedankenverloren die Blütenblätter abzupfte. >Je mehr ich mich darum bemühe, mich ihnen anzupassen, umso unwohler fühle ich mich dabei. Was ist nur los mit mir?< Resigniert stützte er den Kopf auf die Hände und ließ seinen Blick den Hang über die nach einer lautlosen Melodie tanzenden Gräser hinabschweifen, welche sich anmutig in der sanften Frühjahrsbrise hin- und herbewegten. Plötzlich rüttelte langes schwarzes Haar, das wie ein unruhiger Rabe hinauf in den klaren blauen Himmel flatterte, ihn aus seinen schwermütigen Gedanken. Neugierig hob er leicht den Kopf und erkannte eine zierliche Gestalt, welche sich im Schatten eines Baumes, welcher gemeinsam mit anderen in kleinen Gruppen am Fuße des Hanges stand, niedergelassen hatte. Überrascht war er mit einem Ruck auf den Beinen und stakste ein wenig ungeschickt gleich einem neugeborenen Reh, das seine ersten Gehversuche unternahm, den kleinen Hügel hinunter.

>Kagome …<, wirbelte dieser eine Name alles andere Gesehene zu einem wild zusammengewürfelten Farbwirrwarr durcheinander, in dem nur noch dieses Mädchen in ihrer wunderschönen, einzigartigen Form zu existieren schien. >Wieso ist sie hier? Und ganz allein. Ob … ob sie mir wohl böse ist?<, schwirrte es wie ein summender Bienenschwarm in seinem bereits wieder schmerzenden Schädel umher, was er jedoch dickköpfig ignorierte. >Was denke ich da eigentlich?>, stoppte jedoch die Vernunft seine Freude und aufkeimende Besorgnis. >Ich kenne sie doch kaum, warum bereitet mir das dann solches Kopfzerbrechen?< Abrupt blieb er plötzlich stehen, nur wenige Schritte von den Antworten auf all seine Fragen entfernt. Wieso ging er nicht weiter? Hatte er Angst vor der Wahrheit, welche direkt vor seinem Auge verweilte?

Bebend vor Unentschlossenheit ballte er die Fäuste. >Verdammt!<, durchfuhr es ihn, aufkommende Wut wie gleißendes Feuer in seinen Adern spürend. Manami und ihre Familie, denen er bedingungslos vertraute, konnten nichts über seine wahre Identität preisgeben, da sie ihn nicht kannten und diese jungen Leute, denen er noch immer etwas misstraute, schienen alles über ihn zu wissen, nach dem es ihn hungerte. Aber handelte es sich bei ihren Erzählungen tatsächlich um die Wahrheit? Oder diente er für sie nur als Mittel für einen bestimmten Zweck und sie benötigten ihn schnellstens wieder in seiner Mitte?

Verwirrt schüttelte er den Kopf, so dass sein langes dunkles Haar wie eine aufgeregte Krähenkolonie um sein Haupt schwebte. Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.

„Inuyasha ... wie lange willst du noch da stehen und mich anstarren?“, holte ihn eine warm klingende Stimme in die Wirklichkeit zurück.

„Oh ... ah“, ertappt zuckte er zusammen, als ihn rehbraune Augen verschmitzt, aber auch mit einer feinen Spur von Sorge durchzogen, betrachteten. Sehr gut herangeschlichen hatte er sich wohl nicht, wenn sie bereits seine Schritte hinter sich vernommen hatte. Etwas zerknirscht sah er zu Boden, was sollte er denn jetzt nur sagen?

Mit jedem hätte Kagome gerechnet, als sie sich langsam herumwandte, um nachzusehen, wer denn da so verbissen ihren Rücken fixierte, aber nicht mit ihm. Sie hatte angenommen, Shippo wäre ihr gefolgt, nachdem die geisterhafte Erscheinung sie wieder in die Wirklichkeit entlassen hatte und verschwunden war, denn dem kleinen Kerl stand die Furcht um das Mädchen wahrlich ins Gesicht geschrieben, als er halb weinend auf ihren Arm gesprungen war, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Was sich allerdings dann zugetragen hatte, sah so gar nicht nach ihrer Handschrift aus.

Kaum, dass der Kitsune sich bibbernd vor Angst an ihre Kleidung gekrallt hatte, war ihr erst so richtig zu Bewusstsein gekommen, was überhaupt in den letzten Minuten mir ihr geschehen war. Wie eine lästige Zecke hatte sie den kleinen Youkai von ihren Kleidern geschnippt und war Hals über Kopf aus dem Zimmer ins Freie geflüchtet. Doch nur Sekunden später, als die frische Morgenluft ihre erhitzten Wangen streifte und sie über die grünen Ebenen außerhalb des Dorfes lief, tat ihr diese übereilte Tat schon wieder leid, konnte doch das Dämonenkind nicht wissen, was, oder besser gesagt, wer sich ihr in den letzten Minuten vertrauensvoll offenbart hatte. Noch immer schwirrte ihr äußerst hartnäckig das soeben Gesehene durch die Gedanken, erschütterte die grausame Gewissheit über jemand ganz Bestimmten, der ihr Leben gehörig auf den Kopf gestellt hatte, ihr sonst eher fröhliches Gemüt, über dessen strahlender Aura düstere Schatten ihre Kreise wie erbarmungslose Aasgeier zogen.

Verwundert bemerkte Inuyasha, dass mit dem Mädchen irgendetwas nicht zu stimmen schien. Vollkommen in Gedanken versunken betrachtete sie ihn fragend aus ihren sanftmütigen Augen, doch zuckten diese bei seinem Anblick mehrmals beinahe schmerzhaft, so dass er sich niedergeschlagen von ihr abwandte, vermutete er doch, dass dies mit seinem unschönen Verhalten vom Vortag zusammenhing, unter dem sie seines Erachtens womöglich schon die ganze Zeit über litt.

„Inuyasha! Aber ... wieso gehst du denn schon wieder?“, hörte er plötzlich ihre Stimme im Rücken, sie klang erstaunt, aber auch ein wenig traurig, was er nicht begriff. Schlagartig blieb er stehen, ihre unterschwellige Bekümmertheit seine Gefühle verwirrend. Er konnte sich nicht erklären, was da in ihm vorging, aber ... er mochte es nicht, wenn sie betrübt war, schon gar nicht, wenn es dabei um ihn ging. Seine Augen schimmerten plötzlich voller Zuversicht, als er den Kopf hob und seinen Blick über die durch den Frühling erblühende Natur schweifen ließ.

Er hasste es, wenn sie weinte, er hatte es nie gemocht, schon immer.

Ein rasender Schmerz, der ihn annähernd wahnsinnig werden ließ, zwang ihn ohne Vorwarnung in die Knie. Keuchend griff er sich an die Stirn, versuchte die bunten Schlieren, welche sein schwindendes Bewusstsein ankündigten, wegzublinzeln und zwang sich, mehrmals tief Luft zu holen, um der bedrohlichen, aber doch so einladenden Schwärze, die ihm wie ein zwiespältiger Freund im Rücken saß, zu entkommen, als er durch das zunehmende Dunkel eine Hand auf seiner Schulter spürte, die ihn sanft, aber bestimmt rüttelte. Eine Stimme rief ständig seinen Namen, wenn es denn der seine war, denn die Zweifel, welche seine Adern wie eine giftige Flüssigkeit durchzogen, umnebelten erneut sein Urteilsvermögen. Etwas grob schob er die zierlichen Finger, die sich vor lauter Angst um ihn an seinem Gewand festgekrallt hatten, beiseite und erhob sich schwankend auf die Beine.

„Ich brauche keine Hilfe ... es geht schon“, presste er matt hervor und schlug die Hand des Mädchens unbeholfen weg. In diesen Momenten war ihre Anwesenheit wie pures Gift für ihn, sehnte er sich nach unbefangener Einsamkeit, die ihm nicht ständig weh tat, obwohl er wusste, dass sie keinesfalls die Schuld an seinem Zustand trug. Was auch immer es war ... eines Tages würde es dafür büßen müssen.

Erschrocken war Kagome aufgesprungen, als Inuyasha erneut von einem seiner schmerzvollen Anfälle regelrecht überwältigt wurde und in die Knie brach. Sofort ließ sie sich an seiner Seite nieder, rief seinen Namen immer und immer wieder, während sie vorsichtig an seiner Schulter rüttelte, denn seine Augenlider begannen bereits bedrohlich zu flattern, als würde sein Geist langsam aber sicher die Wirklichkeit verlassen und sich in die willkommende Schwärze stürzen wollen. Jedoch schien ihre Nähe ihn zu stören, denn er drückte sie unwirsch von sich fort und taumelte mehr stolpernd als gehend den Hang hinauf, jedoch mehr mit dem Ergebnis, sein Gesicht nur Augenblicke später in einem Dornengestrüpp zu versenken. Ein eher wütendes als peinerfülltes Quieken erschall zwischen den spitzen Dornen und ihren ineinander verschlungenen Ranken, während sich der dazugehörige Körper mühevoll versuchte, aus den anhänglichen Pflanzen zu befreien, welche in dieser Hinsicht allerdings ihre Gastfreundlichkeit mehr als nur ausnutzten.

Kagome konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als sie dem zeternden Jungen zur Hilfe eilte. Vorsichtig befreite sie jede einzelne Haarsträhne, die sich in dem wild wuchernden Gestrüpp verfangen hatte und hielt diese schützend in ihrer Handfläche fest, damit seine üppige Mähne nicht auf die Idee kam, erneut Bekanntschaft mit den überaus spitzen Zeitgenossen zu schließen.

Nachdem Inuyasha die Gegenwart des Mädchens direkt neben sich spürte, hörte er auf, sich wie ein wildes Pferd zu benehmen, das man im Begriff war, zu zähmen. Ruhig wartete er ab, bis Kagome sein langes Haar aus den ungemein fiesen Dingern, die ihn gefangen hielten, befreit hatte und setzte sich langsam auf. Zerknirscht knete er seine Finger und wagte es kaum, zu ihr aufzusehen, schämte er sich doch etwas für sein grobes Verhalten ihr gegenüber. Grübelnd suchte er nach den richtigen Worten, um sich zu entschuldigen, vor allem aber auch, sich zu bedanken, hatte sie ihn doch trotz seiner Unfreundlichkeit selbstlos aus den Dornen befreit. Aber was sollte er sagen? Wieso fiel ihm das nur so schwer? Ach, verdammt, was hatte er denn schon zu verlieren?

„Du, Kagome, ich ...“, begann er und hob den Kopf, um ihr in die Augen zu blicken, damit sie erkannte, dass er es auch ernst meinte, als ihm mit einem Male die Stimme versagte. Erschüttert starrte sie ihn an, kroch zu ihm herüber und fingerte ein Taschentuch hervor, um damit vor seinem Gesicht herumzuwedeln.

„Wa-was ist denn?“, stotterte er los, als ihr Antlitz dem seinen so nah wie noch nie kam und er ihren unvergleichen Geruch, der sie wie ein buntes Blumenfeld umgab, hektisch einatmete. Nervös rückte er ein wenig nach hinten, nicht, dass es ihm unangenehm war, nein, er wusste nur nicht, wie er sich nun verhalten sollte, als sich etwas Spitzes in sein Hinterteil bohrte.

„UAAAAH!“, schrie er so laut, dass einige Vögel, die zuvor liebevoll schnäbelnd auf einem der Bäume gesessen hatten, wütend zwitschernd davonflogen. Die Augen vor Pein zusammengekniffen sprang er auf und landete dort, wo Männer sich nur allzu gerne wussten: In den Armen einer schönen jungen Frau. Sich darüber bewusst, dass er nicht den Boden geküsst hatte, hob er die Lider und schaute in das durch einen rötlichen Schimmer verzierte Gesicht jenes jungen Mädchens, mit dem er sich aus unerklärlichen Gründen tief verbunden fühlte.

Regungslos verharrten beide auf dem Boden und starrten sich schweigend an; er hatte sie durch seine ungeschicktes Tun wie ein Orkan einfach niedergerissen und kniete nun über ihr, Gefahr laufend, sich in ihren dunkelbraunen wunderschönen Augen zu verlieren, als befände er sich auf einem Boot in reißenden Stromschnellen, welches durch die schäumenden Fluten eines Flusses ohne Wiederkehr pflügte. Sich zum ersten Mal direkt seit der Ankunft seiner sogenannten Freunde ihrer einzigartigen Anmut bewusst, die ihn wie eine betörende Blume verzauberte, strich er ihr schüchtern das Haar, welches ihr hübsches Gesicht wie ein schützender Umhang einhüllte, aus der Stirn. Über seine sorgenvolle Miene, die sein Antlitz in den letzten Tagen der Ungewissheit aufgrund seiner ihm fremden Vergangenheit dunkel verzerrt hatte, huschte ein zögerliches Lächeln, das einem unsicheren Sonnenstrahl ähnelte, der neugierig zwischen düsteren Wolken hervorlugte. Ihre Haut unter seinen vorsichtig tastenden Fingern glich zarten Samt; alabasterfarben leuchtete sie gleich einem kostbaren Edelstein in dem ihnen warm schmeichelnden Frühjahrslicht.

Ihm schien, als wäre die Zeit stehen geblieben, alles um sie herum war verstummt, selbst der Wind, welcher noch vor wenigen Sekunden verspielt sein langes Haar durcheinander gewirbelt hatte, schwieg andächtig. In der rehbraunen Iris des Mädchens spiegelten sich all seine Wünsche und Träume wieder, Dinge, an die er vor wenigen Augenblicken noch nicht einmal gewagt hatte, zu denken, waren sie ihm doch eher fremd und neu. Ein enormes Wissen stürzte gleich einer Lawine auf seinen sich noch nicht wieder erholten Geist ein, der alldem jedoch den Zutritt gewährte und versuchte, seinen Durst nach Erkenntnis zu stillen. Jedoch flackerte zeitgleich die ihm furchterregend und düster erscheinende Macht wie ein loderndes Inferno, welches niemals zu löschen sein würde, in seinem Inneren auf, errichtete unüberwindbare Mauern der Ignoranz, an denen das, was er mehr als alles andere begehrte, klagend abprallte. Qualvoll verzogen sich seine Gesichtszüge, verließ ihn von einem Moment auf den anderen das wunderbare Gefühl, als würde er dieses Mädchen nicht nur mit seinen Augen, sondern auch mit seinem Herzen kennen.

Kagome wagte sich kaum zu regen, als sie Inuyashas Atem wie einen trockenen Windhauch auf ihrer Haut spürte und dieser die feinen kurzen Härchen auf ihrem Körper gleich einem reifen Weizenfeld nach oben stellte. Seine feinglidrigen, aber sehnigen Finger prickelten angenehm auf ihrer Wange, als sie einfühlsam darüber strichen. Rabenschwarze Augen blickten sie mit solch einer geballten Kraft an Emotion an, dass ihr beinahe schwindelig vor Wärme wurde, die sich rasch und wohlig in ihrem Leib ausbreitete. Wie sehr und wie oft hatte sie sich so etwas gewünscht, hatte ihr Herz solch eine Reaktion seiner Gefühle herbeigesehnt und gehofft, dass ihre Seelen in diesem Moment im Gleichtakt agierten, doch ... war dies nicht der Inuyasha, den sie kannte. Der Junge, welcher ihr so nah war und doch gleichzeitig unendlich fern, war nur ein Schatten des stolzen, mutigen, aber auch sich um sie sorgenden Hanyous, den sie von Tag zu Tag mehr vermisste. Auch, wenn sie einst behauptet hatte, sie würde ihn in seiner dämonischen Gestalt verachten und seine menschliche vorziehen, so wusste sie nun genauer denn je, dass dies nicht mehr und nicht weniger als eine Lüge gewesen war, mit der sie ihn hatte verletzen wollen. Sicher hatte dieser Junge hier und da seine Vorzüge, die einem gewissen, sich des öfteren rüpelhaft benehmenden Halbdämonen fehlten, aber dennoch war er nicht der alte Inuyasha, den sie kennen und sogar – eine flüchtige Röte verwandelte ihr blasses Antlitz in ein Kirschblütenmeer – lieben gelernt hatte. Ihn so zu sehen, unbeholfen wie einen jungen Hundewelpen, der alles, was ihm einst teuer und lieb war, verloren hatte, schmerzte sie mehr als jede körperliche Wunde, die man einem sterblichen Wesen zufügen konnte. Aber neben all diesen Dingen spürte sie etwas, das ihre sensiblen Sinne in Erstaunen versetzte – die Gefühle für sie, die ihr in leicht ungestümen Wellen entgegenschwappten, ähnelten denen des ihr vertrauten Hanyou auf verblüffende Art und Weise, so dass sich ihre Pupillen überrascht zusammenzogen.

Doch plötzlich brach der liebevolle Blick des dunkeläugigen Jungen, entsetzt verfolgte sie, wie er sich gegen die aufkommende Qual, die seine Seele peinigte, zur Wehr setzte, diesen aussichtslosen Kampf jedoch trotz Widerstand verlor. Stöhnend fiel er nach vorne und hätte sie mit seinem nun kraftlosen Körper beinahe unter sich begraben, doch sie schoss wie ein alles hinter sich lassender Pfeil nach oben und ließ seinen Kopf sanft in ihren Schoß gleiten. Beruhigend strich sie ihm über die jäh fiebernden Wangen, sprach leise auf ihn ein und wartete mit klopfendem Herzen, bis sein Anfall vorüber war. Wieder beschlich sie das Gefühl, als sie allein mit ihm am Hang des Hügels verweilte, von dem aus man das Dorf überblicken konnte, dass es ihre Schuld war, weswegen er diese Pein durchleiden musste.

Seine fest geschlossenen Augenlider zuckten krampfhaft, während er die Zähne angestrengt zusammenbiss, um den immer wieder aufflammenden Schmerz, der seinen Schädel beinahe auseinanderriss, zurückzudrängen. Für einen kurzen Augenblick war sie beinahe gewillt, einfach aufzustehen und ihn allein zu lassen, konnte es ihr Herz doch kaum ertragen, dass er ständig diesem Leid ausgesetzt war, was scheinbar mit ihrer Anwesenheit zusammenhing. Ein unwillkürliches Zucken lief durch ihren schlanken Leib, während ihre Gedanken miteinander um eine vernünftige Entscheidung rangen. Allerdings wurde ihr diese rasch abgenommen, als sich vor Anstrengung schweißnasse schlanke Finger um ihr Handgelenk legten und flehend zudrückten.

„Bitte ...“, flüsterte er heiser und öffnete mühsam seine Augenlider, die ihm schwer wie Blei erschienen, „geh ... nicht, lass mich nicht ... allein.“

Sanfte Röte huschte wie eine junge Schwalbe, die auf der Suche nach schmackhaften Mücken zwischen den Grashalmen war, über ihre Wangen, als sein Blick den ihren suchte und er sie eindringlich beschwor, ihn nicht zu verlassen. Liebevoll legte sie ihre Hand auf seine Finger, welche noch immer ihr Handgelenk umfassten und strich zärtlich darüber, so dass das Herz des Jungen, der in ihren Armen lag, wild zu klopfen begann. Die andere Hand in seinen langen Haaren versenkt kraulte sie ihn wie einen schmusebedürftigen Welpen, der von seiner Mutter viel zu früh verlassen wurde. Augenblicklich spürte sie, wie die Spannung aus seinen Gliedern schwand und sich sein hektischer Atem beruhigte. Dankbar um ihren Beistand lösten sich seine noch leicht verkrampften Finger und glitten erschöpft über seine glühende Stirn, hinter der es weiterhin puckerte, dies jedoch keinesfalls vergleichbar mit den unerträglichen Schmerzen der letzten Minuten mehr war. Leise stöhnend versank er in einer Wolke wohliger Wärme, für wenige Sekunden vergessend, in wessen Armen er sich soeben befand.

„Inuyasha“, wisperte über ihm eine angenehm klingende Stimme, doch die Bedeutung des Namens, mit dem er sich beileibe nicht anfreunden konnte, ließ düstere Wolken aufziehen. Kraftlos drückte er sich von ihr fort, deren Zugegensein er gleichzeitg liebte und verabscheute, und wich ihrem durch aufkommende Sorge getrübten Blick aus, der wie eine getreue Kranichmutter über ihrem Jungen schwebte. Düsternis schwelte in seinem Herzen gleich einer nie ganz verheilenden Wunde, die einem ein Leben lang zu schaffen machte. Der Schmerz in seinem Kopf pochte mit solch einer Intensität gegen seine Schläfen, als der Wunsch und zugleich die Abneigung, die Wahrheit über sich zu erfahren, sein gesamtes Denken erfüllte, so dass er mit verzerrter Miene seine Finger in den durch die noch kalten Nächte harten Erdboden grub. Blut sickerte auf das unschuldige Grün der soeben noch leicht wie Vogelfedern im Wind umherwogenden Gräser. Nun waren sie dunkel wie die Nacht und schwer von dem roten Elixier, was dumpf auf den Boden tropfte.

Beinahe beschämt über seine ständig auftretenden Schwächen verbarg er sein Gesicht hinter dem Ärmel seines weiten Gewandes, bis etwas Weiches gleich eines sanften Windhauches über die brennende Haut seiner Wangen strich. Verwundert blickte er auf und sah in die rehbraunen Augen jenes Mädchens. Sie hielt ein Taschentuch in der Hand, durch dessen hellen Stoff sich dunkle Spuren von Blut webten. Die Stirn vor Verwirrung krausziehend fuhr er sich über sein Antlitz und hielt verstört inne, als er etwas Feuchtes an den Fingern spürte. Blut klebte an den Innenflächen seiner Hände, es war hellrot und warm wie das von … .

„Nein …“, stöhnte er gequält auf und griff sich an den Kopf, durch den ungefragt Bilder seiner noch jungen Vergangenheit schossen, welche er zu gern ebenfalls als verloren wusste. Wie ein geprügelter Hund wich er rückwärts vor Kagome zurück, ihr mit seiner Körperhaltung unmissverständlich signalisierend, dass sie sich ihm keinesfalls noch einmal nähern sollte.

Betrübt, was die Reaktion des Jungen betraf, rutschte Kagome auf den Knien bis zum Hang des leicht zu den Feldern abfallenden Hügels. Die Beine fest an den Körper gezogen umklammerte sie diese, als wären sie jener Junge, in dessen Adern normalerweise das Blut eines Youkai und das eines Menschen floss. Eine einzelne Träne rollte über ihre Wange, als sie über die vergangenen Tage nachdachte. Sein Tod, die niemals versiegende Trauer, welche ihr Herz beinahe zerfressen hatte, der Abschied von ihm und dann … die unglaubliche Nachricht seines Bruders, dass ihn die Unendlichkeit des Jenseits ihr doch nicht entrissen hatte. Und nun war er zum Greifen nah, sie saßen nur wenige Schritte voneinander entfernt … und doch meilenweit auseinander. Welten lagen zwischen ihnen, so wie damals, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Vor seinem tragischen Ableben hatte sie seine kennen und lieben gelernt, er die ihre mit kindlichem Staunen entdeckt und sie sogar ein wenig als sein zweites Zuhause angesehen. Sollte das etwa alles umsonst gewesen sein?
 

„Wo er wohl hingelaufen ist?“ Sangos besorgte Stimme klang eigenartig dumpf, als würden die Wände des langen Flures gierig ihre Worte verschlucken, um sie für die Nachwelt aufzubewahren. Die Portraits der längst dahingeschiedenen Ahnen des Sakai-Fürstentums starrten beinahe vorwurfsvoll auf die Häupter der zwei jungen Menschen hinab, welche flink wie Schatten durch den Gang huschten.

„Er wird nicht weit sein“, beruhigte sie der junge Mönch an ihrer Seite einfühlsam. „Mach dir nicht allzu viele Gedanken“, fügte er jedoch rasch hinzu, als er den betrübten Ausdruck auf den Gesichtszügen seiner hübschen Begleiterin bemerkte. „Ich glaube, ihm ist dieser ganze Trubel um seine Person einfach zu viel geworden. Und dann die Tatsache, dass Kagome sich nicht in unserer Mitte befand, hat die Unsicherheit in seinem Herzen sicher noch weiter wachsen lassen.“

Erstaunt suchte die Dämonenjägerin den Blick ihres Gefährten und wurde beinahe ein wenig rot, als er ihr ein aufmunterndes Lächeln schenkte, welches das diese Mal frei von jeglichen unpassenden Hintergedanken war.

„Beeilen wir uns lieber, auf unser Zimmer zu kommen, bevor Shippo vor Hunger das Anwesen zerlegt“, schmunzelte er ihr vergnügt zu, was ihrer zarten Röte, die sich wie der sanfte Abendschimmer am Himmel auf ihre Wangen gelegt hatte, einen noch kräftigeren Ton gab. Ein wenig verschämt, nachdem sie die aufsteigende Wärme in ihrem Gesicht spürte, sah sie nach unten auf das Tablett, welches sie auf den Händen balancierte. Zwei kleine Schalen mit würzigem Reis und gebratenem Fisch als Beilage hatte ihr Manami-san für das sicher schon sehr hungrige Fuchskind und das schlafende Mädchen in die Arme gedrückt, als sie nach dem Essen erfahren hatte, warum er und Kagome nicht zum verabredeten Frühstück erschienen waren. Mit einem liebevollen Zwinkern hatte sie sich von den beiden jungen Leuten verabschiedet und ihnen herzlichste Grüße an ihre Gefährten mit auf den Weg gegeben, die Sorge um ihren hitzköpfigen Schützling tief wie ein Geheimnis in ihrem Herzen vergraben.

Vollkommen in Gedanken versunken entging es der Dämonenjägerin, dass sie schon längst vor der Tür ihres Zimmers standen. Lautlos schob der junge Mönch an ihrer Seite die Tür auf, als etwas Kleines laut quiekend vor Angst ihnen gleich einer abgefeuerten Kanonenkugel entgegenschoss und sich an Sangos schlankes Bein klammerte, so dass diese vor Schreck beinahe das Tablett hätte fallen lassen.

„Shippo, was zum ...?“, entfuhr es Miroku ein wenig ungehalten, schämte sich aber im selben Augenblick für seinen rüden Tonfall, als er in das Gesicht des bibbernden Bündels sah, welches nun halb weinend vor seinen Füßen saß. Das Tablett vorsichtig abstellend beugte sich Sango zu dem Kleinen hinunter und streckte mit einem tröstenden Lächeln ihre Hände in seine Richtung aus, woraufhin er geschwind in ihre Arme sprang.

„Kagome ...“, winselte er, leise Schnieflaute dabei ausstoßend. Zwei onyxfarbene Blicke trafen sich umgehend alarmiert und wiederholten synchron das gestammelte Wort.

„Was ... was ist passiert?“, bohrte Miroku umgehend nach, während seine Augen das Zimmer systematisch absuchten und sein Verstand ihm sofort sagte, dass irgend etwas hier vorgefallen sein musste, als sie lachend und tratschend im Speiseraum gesessen hatten. Ihre Futons lagen wild durcheinander gewirbelt auf dem Boden, die Zudecken hier und da verstreut, als hätte sich ein Sturm in die vermeintlich sicheren vier Wände verirrt. Und von dem Mädchen aus der Neuzeit fehlte jede Spur.
 

Wie die Trost spendende Hand einer Mutter strich der laue Frühlingswind über sein schmerzendes Haupt und riss die quälende Pein an sich, als wären es die längst verblichenen Blüten eines heranreifenden Kirschbaumes, welche er spielerisch in alle Himmelsrichtungen verteilte. Müde Augen suchten die Gegend ab und blieben an einer ganz bestimmten Person hängen. Das lange schwarze Haar des Mädchens, auf dem sein unsicherer Blick ruhte, glänzte wie das reine Holz einer Zeder im klaren Licht der hoch stehenden Sonne. Still saß sie da, ihre Beine dicht an den zierlichen Körper gezogen. Er wusste nicht, warum, aber es tat ihm weh, sie so zu sehen.

Sie hörte, wie sich etwas hinter ihr regte. Gras raschelte und sein unvergleichlicher Geruch nach Natur und einem Abenteuer, welches hinter jedem Baumstamm hervorlugte, eilten seinem Kommen voraus. Innig atmete sie seinen Duft ein und ein kleiner Funken von Sehnsucht erfüllte ihre Seele; wenigstens hatte ihm das Schicksal nicht alles genommen.

Unsicher krabbelte er wie ein junger Welpe, der seine ersten Gehversuche unternahm, an ihre Seite, den Kopf auf den Boden gerichtet, auf dem die grünen Grashalme ihren lautlosen Reigen im Wind tanzten. Das Verlangen, endlich die Wahrheit zu erfahren, die direkt neben ihm verweilte, stieg ins Unermessliche. Aber auch die Furcht vor dem Unbekannten, welche die Gewissheit um seine Vergangenheit umschwirrte wie die Fliegen das Licht, schmiegte sich so eng an seinen Leib, als wäre es eine kleine, nach Liebe suchende Schwester. Die wachsende Unruhe ignorierend, holte er tief Luft, während er nach den richtigen Worten suchte.

„Wer bin ich?“, durchzuckten die drei Worte, vor denen sie sich am meisten fürchtete, ihr Inneres, als handelte es sich dabei nicht um eine einfach gestellte Frage, sondern zerstörerische Blitzeinschläge, die alles auf dem Weg ihrer Verwüstung zermalmtem. Doch seine Neugierde, die mit ihrem Eintreffen und dem ihrer Freunde nun einmal zum Leben erwacht war, sollte mit der einen Frage nicht gestillt sein.

„Und ... wer bist du? Und die anderen? Warum ziehen wir gemeinsam durch das Land? Was ist unser Ziel?“ Mit zusammengekniffenen Zähnen wartete er auf den bohrenden Schmerz, doch dieser blieb zu seiner Verwunderung, jedoch auch gleichzeitigen Erleichterung glücklicherweise aus. Als sie nicht sofort darauf antwortete, befürchtete er schon, die Flut seiner Wissbegierde hätte sie ein wenig verschreckt oder gar beleidigt. Den Blick noch immer gen Boden gerichtet, räusperte er sich geräuschvoll.

„Entschuldige, ich wollte nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, aber ...“, doch weiter kam er nicht. Ihre zierlichen Finger lagen plötzlich unter seinem Kinn und hoben sein Antlitz ein wenig empor, so dass seine Augen die ihren streiften. Trauer lag in ihrem rehbraunen Blick, aber auch eine Spur von Freude und Dankbarkeit. Doch wofür nur?

Sie lächelte, als seine Pupillen nervös hin- und herglitten wie kleine Fische auf der Flucht vor der Angelrute. Ein schüchternes Rot, das den dunklen Striemen in seinem Gesicht beinahe Konkurrenz machen wollte, legte sich wie ein weicher Teppich um seine Nase und ließ ihn unter ihrem sanften Blick schwitzen. Verdammt, was war denn nur mit ihm los? Er kannte sie doch gar nicht. Oder doch?

„Entschuldige dich doch nicht für Dinge, die du längst hättest erfahren sollen“, holte sie ihn aus dem Loch des Schweigens zurück, welches sich kurzzeitig zwischen ihnen aufgetan hatte.

„Öh ... öhm, na gut“, stammelte er verlegen und rupfte, ohne es überhaupt zu bemerken, einige junge Triebe aus dem Boden.

„Was genau möchtest du wissen?“ Ihre Stimme klang plötzlich ernst. Überrascht sah er sie an; es schien, als läge ein dunkler Schatten über ihren sonst weichen Zügen, welche sich mit einem Male verhärtet hatten.

„Alles, was du weißt“, waren seine Worte, bevor sie zu berichten begann.
 

„Also, jetzt noch mal ganz ruhig von vorne“, versuchte Miroku, den Kitsune zu beruhigen, der, halb weinend, eine ziemlich abgehackte und konfuse Geschichte zum Besten gab, welche die soeben Angekommenen nur noch mehr verwirrte. „Ihr habt hier gesessen und dann ist irgend etwas aufgetaucht und hat etwas mit Kagome gemacht?“, hakte der junge Mönch nach, während Shippo hastig nickte. „Und es war dasselbe Phänomen, was uns bereits am Vortag aufgesucht hat?“ Wieder ein Nicken. Miroku warf seiner hübschen Gefährtin einen beunruhigten Blick zu, die dem bibbernden Fuchsjungen tröstend über den Rücken strich.

„Und als das Wesen verschwand, ist Kagome einfach aus dem Zimmer gelaufen“, bemerkte der junge Mann noch zum Schluss.

„J-ja und ich weiß nicht, wohin“, schniefte der Kleine, während seine Augen in Unmengen von Tränen schwammen.

„Na, keine Sorge, Shippo-chan, wir werden sie einfach suchen gehen, nicht wahr, Houshi-sama?“, schaltete sich Sango dazwischen, um dem Jungen seine Ängste zu nehmen.

„Sicher“, erwiderte der Angesprochene, „sie wird nicht weit sein, hier hält sich schließlich etwas auf, was ihr viel bedeutet.“

„Meint Ihr damit Inuyasha-sama?“, erklang plötzlich ein leises Stimmchen unter dem Chaos und eine der Decken begann wie durch Zauberhand zu leben. Kirara, welche die ganze Zeit über wachsam neben ihrer Herrin gesessen hatte, sprang neugierig auf die rauen Stoffdecken zu und streckte ihre weiche Pfote nach der winzigen Auswölbung aus, die sich unter den kunstvoll gestickten Überwürfen gebildet hatte, während die beiden Menschen und der junge Fuchsdämon die Szenerie mit großen Augen verfolgten.

„Wage es ja nicht, kleines Fräulein“, warnte die Stimme, als der Spieltrieb der Dämonenkatze überhand nahm und sie ihre winzigen Krallen ausfuhr, um mit dem lustigen Ding zu spielen, was sich da orientierungslos hin- und herbewegte. Ungeduldiges Geknurre und in einer fremden Sprache geschimpfte Dinge später lugte ein winziges Köpfchen mit vollkommen zerzaustem Kopf- wie Barthaar unter der Decke hervor, welche ihm so groß wie ein ganzer Kontinent erschienen war.

„Myoga-jijii“, entfuhr es Sango erstaunt, als der kleine Flohgeist mit einem gekonnten Sprung auf dem Rücken der Dämonenkatze landete, welche flink, als hätte sie einen lautlosen Befehl erhalten, zu ihrer Gefährtin hinüber lief. „Hast du deinen Rausch endlich ausgeschlafen?“

Ein wenig entrüstet, dass die junge Frau ihn darauf ansprach, verschränkte er die dünnen Ärmchen vor seinem Körper und beschloss im Stillen, einfach gar nicht darauf zu reagieren.

„Ich habe es auch gesehen“, lenkte er eher das Thema wieder auf die unheimliche Begegnung, welche den armen Shippo mehr als nur durcheinander gebracht hatte. Wissbegierige kleine Flämmchen flackerten in den Augen der jungen Leute auf und Myoga klopfte sich im Geheimen lobend auf die Schulter.

„Hast du eine Ahnung, was es war? Warum sucht es uns auf? Was will es?“, bestürmten sie ihn mit Fragen, die ihn zunächst einmal hastig mit den Ärmchen wedeln ließen.

„Moment, moment, nicht alle durcheinander und vor allem, nicht alle auf einmal“, beschwichtigte er Miroku und Sango, die sich nach seinen Worten ein wenig verschämt ansahen, hatten sie sich doch vor wenigen Augenblicken wie kleine Kinder verhalten, was sogar den Kitsune in den Armen der Dämonenjägerin erstaunt hatte dreinschauen lassen.

„Zunächst“, begann der Flohgeist mit erhobener Stimme, „es ist nicht wegen uns hier“, und er ließ den Blick gewichtig in die Menge schweifen. „Sondern wegen Kagome.“
 

Interessiert und mit leuchtenden Augen, als säße er wartend unter einem reich geschmückten Weihnachtsbaum lauschte Inuyasha der Erzählung Kagomes. Ungläubig schüttelte er den Kopf, als er erfuhr, dass er das Mädchen für diesen Juwel der vier Seelen sogar getötet hätte, um ihn zu erlangen. Fasziniert vergaß er sogar, den Mund wieder zu schließen, nachdem er verstand, dass jeder von ihnen, angefangen bei ihm selbst, über den Mönch und zu guter Letzt die Dämonenjägerin eine Rechnung mit diesem geheimnisvollen Naraku zu begleichen hatte. Aber seinen wahren Grund, diesen Kerl zu jagen, hatte er noch nicht ganz verstanden.

„Warum hasse ich ihn so sehr? Was hat er mir angetan, dass ich so versessen darauf bin, ihn zu töten?“, wollte er noch einmal genauestens von Kagome wissen.

Und genau dies fürchtete das Mädchen; noch ärger als er sich selbst vor der Wahrheit ängstigte, würde es ihr ungemein schwer fallen, ihm all diese traurigen Dinge zu erzählen, die ihm widerfahren waren.

„Es war ... wegen einer jungen Frau“, erwiderte sie tonlos und schaute zu Boden.

„Hä?“, machte der Junge erstaunt, als glaubte er, sich verhört zu haben.

„Ihr Name war Kikyo, sie war der erste Mensch nach deiner Mutter, der dir wieder etwas bedeutet hatte“, floss es über Kagomes Lippen wie frisches Quellwasser. Sie wunderte sich plötzlich über sich selbst, warum tat sie das? Wollte sie ihm damit etwa wehtun, um ihren eigenen Schmerz über diese vergangene Beziehung, die nach der Auferstehung der Miko wieder ins Rollen gekommen war, zu verarbeiten? Hastig drehte sie sich weg, als sie die aufkommenden Tränen spürte, welche sich wie eine Sturmflut in ihr sammelten, um mit voller Gewalt hervorzubrechen. Doch dann legte sich sanft, beinahe vorsichtig eine Hand um ihr Handgelenk und sie wandte sich unwillkürlich um. Seine Augen ruhten wie das schützende Blätterdach eines Baumes auf den ihren. Unendliche Sekunden lang sah er sie an, sein dunkler Blick schwarz und leer wie seine Vergangenheit.

„Erzähl es mir, egal, wie schwer es sein wird, ich will es wissen“, bat er sie mit einer stoischen Ruhe, die sie von ihm nicht kannte.
 

Nachdem Miroku und Sango Myogas Bericht gelauscht hatten, war der junge Mönch auf Bitten des kleinen Kitsune aufgestanden, um sich auf die Suche nach der Entschwundenen zu machen. In jedem Zimmer des Hauses, welches er betreten durfte, sah er nach, fragte die Bediensteten nach Kagome, doch niemand schien sie gesehen zu haben. Als er in die Küche trat, traf er auf die drei reizenden Schwestern, welche das Frühstück aufgetragen hatten und musste sich mehr als nur beherrschen, seine Aufgabe nicht beiseite zu schieben und sich eher erfreulicheren Dingen zu widmen. Er spürte schon den Schmerz des Knochenbumerangs, den er sicher wieder zu schmecken bekommen würde, wenn er sich nicht in Zurückhaltung übte. Nachdem er den Grund seines Kommens genannt hatte und sich aufgrund ihrer nicht zufriedenstellenden Antworten wieder umwenden wollte, um weiterzusuchen, hielt ihn die älteste der Drei mit einer anderen Beobachtung jedoch auf.

„Inuyasha-sama ist hier langgekommen und durch den Garten verschwunden, vielleicht kann Euch das ja weiterhelfen“, erwähnte Yuuka mit einem geheimnisvollen Glitzern in den nachtschwarzen Augen, als wüsste sie mehr, als dem jungen Mönch lieb war.

„Äh, ja. Vielen Dank, ich werde dem nachgehen“, zeigte sich Miroku mit einer angedeuteten und höflichenVerbeugung erkenntlich, bevor er mit raschen Schritten aus derselben Tür verschwand, die sein ungestümer Gefährte vor nicht allzu langer Zeit heftig aufgestoßen hatte, um den vielen lauernden Augen zu entgehen.

Nachdenklich sah Yuuka ihm nach, links und rechts an ihren Schultern mit einem Male die Köpfe ihrer jüngeren Schwestern spürend.

„Ob er und seine Freunde wohl wieder alles in Ordnung bringen können?“, fragte Kiku fast schüchtern und drückte sich liebevoll an ihre Schwester, welche ihr sanft über die weichen Haare strich. Ihr wacher Blick glitt dem Mönch hinterher, der sich, vorsichtig darauf bedacht, die wunderschön angelegten Beete nicht zu zerstören, einen Weg durch den Garten bahnte.

„Wenn nicht sie, dann keiner“, kommentierte Mayu die Sorge ihrer jüngsten Schwester und schüttelte leicht das Haupt, so dass die unzähligen bunten Perlen in ihren Haaren aneinanderklickten und ein Lied der Sehnsucht anstimmten.

„Wir müssen einfach an sie glauben und hoffen, dass sie uns unseren Herrn zurückbringen können“, verstärkte Yuuka den Glauben in den Herzen der beiden Mädchen, welche ihrem Schutz unterstanden.

„Wir müssen es einfach.“
 

Als Kagome die Geschichte um Kikyo abgeschlossen hatte, wartete sie auf eine Reaktion des Jungen, der sich schon nach den ersten Worten kein bisschen mehr geregt hatte. Hin- und hergerissen, wie sie sich nun verhalten sollte, wollte sie schon etwas sagen, als er ihr überraschend zuvorkam.

„Nun kann ich gut verstehen, warum ich auf der Jagd nach ihm bin“, begann er in einem ungewohnt harten Tonfall, was in ihr sofort neue Schuldgefühle weckte. „Er hat ihr und mein Leben damit zerstört, den Hass gegen die Menschen in meinem Herzen neu entflammt und beinahe eine Bestie aus mir werden lassen, wenn du nicht gewesen wärst, Kagome.“ Dankbar sah er sie an, während sie ihr Erstaunen über seine letzten Worte kaum verbergen konnte.

„Aber eines verstehe ich nicht“, gab er zu bedenken und sie horchte gewarnt auf, hoffend, sie müsste keine weiteren unangenehmen Dinge aus der düsteren Vergangenheit des Jungen ans Tageslicht bringen. „Wo ist meine Familie?“
 

Nachdenklich durch die belebten Gassen des Dorfes streichend, ließ sich Miroku das Gesagte des Flohgeistes noch einmal durch den Kopf gehen. Es war schon unheimlich und mysteriös genug gewesen, was da mit Inuyasha geschehen war, aber diese Erscheinung überstieg nun alles, was ihm und seinen Gefährten in den letzten Wochen widerfahren war.

Die kleinen Kinder beneidend, welche unbeschwert und nicht über ihr kommendes Leben nachdenkend einem Ball hinterher jagten, verließ er das Dorf und ging den kleinen Weg zwischen den bewirtenen Feldern entlang auf den Wald zu, der seine dunklen, unruhigen Schatten auf das angrenzende Land warf. Er hoffte, das keiner der Beiden dumm genug gewesen war und zwischen den dicht stehenden Baumriesen sein Heil in der Flucht vor den Dingen, die sie quälten, gesucht hatte, denn nach den unheilschwangeren Erzählungen Manamis lauerten in dem Wald Dämonen, zwar niedere, aber für normal Sterbliche genauso gefährlich und tödlich wie mächtige Youkai-Lords. Bevor ihn die Schwärze des Waldes verschluckte wie alles andere vor seinen Füßen, blieb er noch einmal stehen und ließ seinen Blick umherschweifen. Gierig griffen die Schatten nach seiner Gestalt, während rotglühende Augen ihn mit wachsendem Interesse musterten, als er schon einen Schritt auf den Wald zuging, der ihm wie eine vollkommen andere Welt erschien, als ihm aus den Augenwinkeln heraus etwas Tiefrotes auffiel, was unbändig in dem milden Frühjahrswind wie eine Flagge einer mächtigen Armee hin- und herflatterte. Sofort machte er auf dem Absatz kehrt und lief den Weg einige Meter zurück.Von dort aus hatte man einen prächtigen Ausblick über das ganze Areal und so wurde ihm gewahr, dass der Junge, der am Morgen überstürzt das Frühstücksmahl verlassen hatte, nicht allein war. Beruhigt entdeckte er das vermisste Mädchen direkt neben ihm, sie schienen miteinander zu reden, was ihn ebenfalls zufrieden stimmte. Seine Beobachtung allein würde wohl reichen, dass besorgte Gemüt eines gewissen Fuchsjungen zu besänftigen. Stören wollte er die Zwei nicht, er war froh, sie so zu sehen, was brächte es ihnen allen, wenn er die neu entstandene Idylle zwischen dem Mädchen aus der Neuzeit und dem Jungen, der eigentlich ein Hanyou war, zerrüttete?

Schmunzelnd machte er sich auf den Weg zurück zu seinen Gefährten, welche schon ungeduldig auf seine Rückkehr warteten, nicht ahnend, welche Worte zwischen den beiden Menschen, dessen Schicksale enger miteinander verknüpft waren, als ihnen allen bewusst war, gewechselt wurden.
 

Als hätte ein Dolch ihr Herz durchstoßen, keuchte das Mädchen qualvoll auf, als die Frage des Jungen wie eine flüchtende Meute von Wild an ihr Ohr gedrungen war. Warum? Wieso gerade sie? Sie konnte das nicht, nicht bei ihm, bei jemandem, dem schon so viel Leid im Leben widerfahren war. Das war einfach nicht fair.

„Kagome, ist alles in Ordnung?“, hämmerte seine besorgte Stimme wie ein Specht in ihren Geist und sie sah in sein Gesicht, bemerkte seine vor Unruhe um sie gerunzelte Stirn.

„Alles okay, ich hab ... nur schlecht geschlafen, das ist alles“, erklärte sie rasch und lächelte ihn zur Ablenkung an.

„Wirklich?“ Misstrauisch wanderte sein Blick über ihr Antlitz, so recht abnehmen tat er ihr das nicht, das fühlte sie. Und es freute sie beinahe, denn in dem waren er und der alte Inuyasha sich unheimlich ähnlich.

Ein ziemlich übereiltes Nicken überzeugte ihn noch immer nicht ganz von ihrer Aussage. Es schien fast so, als hätte seine Frage sie zutiefst bestürzt, nur den Grund dafür konnte er sich beim besten Willen nicht erklären. Was war so schlimm daran gewesen, dies zu fragen? Hatte er nicht das Recht, zu erfahren, was mit seinen Eltern war?

„Warum haben sie nicht nach mir gesucht, nachdem ich verschwunden war?“, fragte er betrübt neben ihr, die Traurigkeit in seiner Stimme hätte sie am liebsten laut aufschreien lassen. Sie wollte nicht Diejenige sein, die es ihm sagte, aber ... wer sollte es sonst? Sie kannte ihn von allen am besten. Dass ihr dies eines Tages zum Verhängnis werden sollte, hätte selbst sie sich niemals erträumen lassen.

„Sie ... konnten es nicht“, war alles, was Kagome übers Herz brachte, zu sagen. Rasch sah sie weg, als er sie fragend anstarrte.

„Wa-warum nicht?“, wollte er wissen, er klang verzweifelt, doch nur für einen kurzen Augenblick. Dann troff seine Stimme nur so vor Wut und Enttäuschung. „Liegt es daran, weil ich das bin, was ich bin? Weil in meinen Adern normalerweise das Blut eines Bastards fließt?“ Die Wildheit erwachte erneut in seinen Augen und jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. „Nun, dann werden sie sicherlich erfreut sein über meine nun menschliche Gestalt, nicht wahr?“ Bitterer Sarkasmus tropfte wie Blut über seine Lippen, als er seine Befürchtungen gleich tödlichem Gift ausspie. Verbitterung legte sich über sein Herz, hatten seine Eltern ihn etwa verstoßen? War dies, wenn es tatsächlich zutraf, schon des öfteren geschehen? Und war vielleicht dieses Mal das eingetreten, was sie sich erhofft hatten? Dass er durch seine Amnesie und den Verlust seiner dämonischen Kräfte nun für immer von ihnen getrennt sein sollte? Verzweifelt ballte er seine Hand zur Faust und schlug kräftig auf den festen Erdboden ein, so dass seine soeben erst verheilten Wunden an den Fingerknöcheln erneut aufplatzten und Blutstropfen wie aufgewirbelter Staub nach oben flogen.

„Sie sind tot, deswegen konnten sie dich nicht suchen gehen, verstehst du?! Deswegen nicht!“, schrie Kagome plötzlich ohne Vorwarnung, was zur Folge hatte, dass der Junge erschrocken innehielt und sie entgeistert anstarrte. Tränen liefen über das hübsche Gesicht des Mädchens, dessen Miene vor Kummer ganz verzerrt war, gleich der Landschaft an einem trüben nassen Regentag.

Fassungslosigkeit breitete sich im Inneren des langhaarigen Jungen aus, beinahe, als fräße sich eine schwärende, langsam den sicheren Tod bringende Krankheit durch seine Gedärme. Alles, was sie hinterließ, war eine bodenlose Leere, ein Gefühl, welches für ihn neu und gleichzeitig erschreckender als alles andere war. Doch noch schlimmer und beängstigender schlich sich die plötzlich eingetretende Stille zwischen die beiden jungen Leute; gleich einer niemals zu überwindenen Barriere schob sie sich leise wie eine Gewitterwolke über die Seelen der Zwei und richtete, als handelte es sich dabei um einen verheerenden Sturm, Chaos, Selbstzweifel, Trauer und Mitleid in ihren unschuldigen Herzen an.

Zitternd am ganzen Körper wagte Kagome es kaum, aufzusehen. Dieser harsche Gefühlsausbruch Inuyasha gegenüber tat ihr unendlich weh, doch noch derber musste es ihn dabei getroffen haben, als genau die Worte ihren Mund verlassen hatten, welche sie lieber für immer und ewig in den Tiefen ihres Innersten vergraben hätte. Sie wünschte sich sehnlichst die Unwissenheit zurück, welche an jenem Tage, als sie den jungen Hanyou zum ersten Mal erblickt hatte, noch in ihrer Seele verweilte.

„Warum ... ich verstehe das nicht, wieso?“, seine Stimme klagte das Unbekannte, welches ihm seine Eltern viel zu früh genommen hatte, beinahe vorwurfsvoll an. „Mein Vater ... war ein Youkai, oder nicht? Wieso hat er Mutter nicht beschützt? Hat er ... sie nach meiner Geburt etwa allein gelassen? Wegen mir? Bin ich schuld an allem?“ Verwirrt sah er Kagome an, als läge in ihrem tränennassen Antlitz eine Antwort auf all seine Fragen.

Mit zusammengebissenen Zähnen versuchte sie, die Tränen zurückzudrängen. Sie wollte stark sein, für ihn, wollte ihm beistehen, aber ihre Gefühle lagen so brach wie ein nichtbestellter Acker im Sommer. Was konnte sie sagen, was tun, um ihm diese Zweifel an seinen Eltern zu nehmen, die ihren Sohn mehr als alles andere geliebt hatten?

Inuyashas Gefühle überschlugen sich wie kleine Fuchskinder, die gerade erst das Laufen erlernt hatten. Konnte es sein, dass seine Vergangenheit, welche nur als dunkler Fleck in seinem Inneren existierte, gespickt war mit unzähligen Schicksalsschlägen? War es möglich, dass er sich deswegen nicht erinnerte? Weil alles, was jemals geschehen war, es nicht wert sein würde, um es wieder in sein Gedächtnis aufzunehmen? Eine eiskalte Hand griff plötzlich nach seinem Herz und drückte es brutal zusammen, so dass es brannte wie ein nie erlöschendes Feuer. Nackte Angst vor der Wahrheit, die er sich so sehr herbeigesehnt hatte, überkam ihn ohne Vorwarnung und ließ seine Glieder erzittern. Schon wollte er aufspringen und vor den grausamen Worten, welche jeden Augenblick ungewollt an sein Ohr dringen konnten, fliehen, als ihn eine leise, aber feste Stimme davon abhielt.

„Deine Eltern ... sind für das gestorben, was sie mit ihrer einzigartigen Liebe erschaffen haben“, weckte Kagome die Aufmerksamkeit des mit einem Male unsicher erscheinenden Jungen. Erstaunt riss er die Augen auf und sah sie, sehr zu ihrer Erleichterung, erwartungsvoll an.

„Sie haben mich ... nicht gehasst?“, hörte sie seine unterschwellige Freude aus seiner Frage erklingen.

„Nein, nie im Leben“, beruhigte ihn Kagome, die Tränen angesichts dieser unerwarteten Wendung tapfer herunterschluckend.

„Aber warum ...?“, brach er mittendrin ab, sein Antlitz betrübt von dem ihren abwendend. Sicher, damit hatte sie rechnen müssen, die Wahrheit über das Schicksal seiner Eltern würde selbst an ihr nicht wie ein Unbekannter vorüberziehen.

„Bist du wirklich bereit dafür? Ich meine, ich frage dich das, weil ich nicht möchte, dass du hinterher ...“, sie zögerte, hätte sie das zu dem alten Inuyasha gesagt, er hätte womöglich den herrlichsten und unvergesslichsten Wutanfall seines Lebens bekommen, „ ... traurig bist“, vollendete sie ihren Satz und kniff, auf alles vorbereitet, die Augen zusammen. Doch der Protest gegen die Behauptung, welche jedes männliche Wesen in seinem Alter womöglich beleidigt hätte, blieb aus. Stattdessen legte sich seine warme Hand auf die ihre und drückte diese ganz fest. Als seine dunkle Stimme an ihrem Ohr erklang, in einer Weise, die ihr neu und fremd war, hatte sie das Gefühl, sie würde vor Kummer und Glück gleichermaßen zerspringen.

„Ich weiß nicht, wie viele Menschen, Hanyou oder Youkai ich im Laufe meines Lebens bereits kennen gelernt habe“, begann er sanft, fast liebevoll zu sprechen, „aber du, Kagome, gehörst sicher zu den Personen, die mein Herz nie wieder gehen lässt.“

„I-Inuyasha ...“, war alles, was daraufhin ihren Mund verließ, welchen er mit seinem Zeigefinger und einem leisen „Shhhh“, versiegelte. „Ich möchte nicht, dass du dir Sorgen um mich machst, jedes Mal, wenn deine Augen in Tränen schwimmen, fühle ich mich schuldig daran. Deswegen möchte ich stärker werden, für dich, so, wie ich es vielleicht einst war. Ich möchte dich beschützen können, wenn es darauf ankommt.“ Er machte eine kleine Pause und sah hinunter zum Dorf, während seine gesagten Worte ihre Seele mit Hoffnung anfüllten. „Denn“, fuhr er mit ernsterem Ton fort, „wie es scheint, habe ich sonst niemand anderen mehr, dem ich meinen Schutz anbieten kann, nicht wahr?“

Sie nickte stumm, unfähig etwas zu sagen, waren dies doch die schönsten Worte, welche er nach seinem schrecklichen Tod an sie gerichtet hatte.

„Trotz allem möchte ich wissen, was geschehen ist, Kagome“, bat er sie eindringlich und überraschend, sein Blick huschte unruhig über ihr Antlitz, welches sich ein wenig qualvoll verzog. „Ich weiß, es ist nicht fair von mir, das gerade von dir zu verlangen, aber ich bitte dich, erzähl mir, was du weißt, ich werde dich danach nie wieder drängen, etwas von meiner Vergangenheit preiszugeben.“

Natürlich wusste sie, dass er recht mit dem hatte, was er sagte, es war nur, dass sie ihn nicht weiter leiden sehen wollte, weswegen sie zögerte.

„Bitte, Kagome“, flehte er sie an, während der Schmerz über die Ungewissheit wie unruhige Schatten in seinen Augen umherhuschten. Geschlagen seufzte sie auf, sie hasste es, wenn er sie wie ein geprügelter Hund ansah, drückte aber gleichzeitig nun seine Hand, was ihn erstaunte.

„Du wünschst, die Wahrheit zu erfahren über die, welche dein Leben ermöglich haben“, sagte sie mit ungewohnt fester Stimme. „Bist du auch bereit, sie zu tragen mit all den Dingen, die dazugehören?“

„Ja, ich möchte die Unruhe in meiner Seele endlich besänftigen“, erwiderte er ruhig und gefasst auf das nun Kommende.

„Nun gut“, bestätigte das Mädchen seinen Entschluss, „ich werde dir alles sagen, alles, was ich von dir oder anderen erfahren habe über das, worüber du nie gerne gesprochen hast, deine Vergangenheit.“

Und so begann Kagome zu erzählen, von seiner Mutter, der Menschenfrau, die einen mächtigen Youkai, den Inu no Taishou, den Herrn der Hunde geliebt hatte. Sie berichtete von ihrer Entführung durch eine eifersüchtige Seele, welche nicht verstehen konnte, dass sich eine hübsche Prinzessin in ein Monster von einem Dämon verliebte und auch noch ein Kind von diesem Wesen erwartete. Hochschwanger tötete er seine heimliche Angebetete, doch die wahre Liebe der Frau war nicht weit. Aufgeregt hörte Inuyasha dem Mädchen zu, wie sein Vater in die Festung seines Feindes eindrang und alle, die sich ihm in den Weg stellten, gnadenlos ins Jenseits schickte. Verblüffung überkam ihn, als er von dem Schwert Tensaiga hörte, welches sein Vater schwang, um seine Mutter wieder in das Reich der Lebenden zurück zu holen. Ein Lächeln zierte sein Gesicht, nachdem er hörte, wer ihm seinen Namen gegeben hatte und wem er dieses robuste Gewand verdankte, welches sich wie eine zweite Haut um seine Glieder schmiegte. Doch während Kagome erzählte, dass sein Vater für ihn und seine Mutter in den Flammen des Gebäudes gestorben war, wurde sein Herz ganz schwer vor Kummer um den Mann, den er niemals kennen gelernt hatte.

„Ich hätte ihn gern einmal gesehen“, sagte er leise, so dass Kagome bereits befürchtete, sie hätte zuviel erzählt, als gut für ihn war. „Der Youkai, der Menschen achtete und einen sogar liebte, er muss ein grossartiger Fürst gewesen sein. Ich habe angenommen, alle Youkai wären durchtrieben und niederträchtig, aber da habe ich mich wohl geirrt, stimmt´s?“

Er zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, um seine Trauer über diesen Verlust zu verbergen, so dass Kagome sich sofort wieder schlecht fühlte.

„Aber was ist dann mit meiner Mutter geschehen?“, fragte er besorgt um den Verbleib der Frau, die ihn auf die Welt gebracht hatte. „Ich meine, ist sie mit mir als Sohn akzeptiert worden? Man hat sie doch hoffentlich nicht davongejagt, oder?“

Das Mädchen aus der Zukunft wich seinem bittenden Blick nach weiteren Informationen schweigend aus.

„Das hat man doch wohl nicht getan“, sperrte sich der Junge gegen seine Befürchtung, welche ihm angesichts der Reaktion seines Gegenübers langsam den Hals heraufkroch. „Das kann ... will ich nicht glauben.“ Wut troff aus seiner Stimme.

„Deine Mutter konnte nirgendwo hin mehr zurück, denn sie wusste, dass man sie stets für das, was sie so sehr liebte, verjagen würde“, kam es wie ferngesteuert aus dem Mund des Mädchens, welches sich selbst über seine Worte wunderte, die ihr, als sei es selbstverständlich, einfach so über die Lippen kamen. Verärgert ballte Inuyasha eine Faust, als er dies vernahm.

„Verflucht seien die, die es gewagt haben. Wie konnten sie nur?“, wollte es nicht in seinen Verstand hinein. Langsam begriff er, warum Youkai die Menschen und die Menschen die Youkai hassten. Alles, was anders war, verabscheuten und fürchteten sie gleichermaßen.

„Nicht mal in den Tempeln fand sie Zuflucht“, bewegten sich die Lippen des Mädchens beinahe von selbst, welches sich vehement dagegen wehrte, diese Worte überhaupt auszusprechen. Sie wollte ihm nicht wehtun, sie wollte nicht, dass er dies alles auf einmal erfuhr, aber sie konnte sich nicht dagegen wehren. Ihr war, als hätte etwas von ihr Besitz ergriffen, etwas, was ihr vertraut und doch so fremd erschien.

„Ihr Herz wurde immer schwerer, nicht einmal ihr Sohn konnte sie über den Verlust ihrer Liebe hinwegtrösten, obwohl er ihm in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich war“, Kagome versuchte sich den Mund zuzuhalten, aber es gelang ihr nicht. Inuyasha bemerkte nichts von der eigenartigen Veränderung, die mit dem Mädchen vor sich ging. Ein schrecklicher Verdacht bemannte sich seines Herzens, so dass alles andere in den Hintergrund gerückt wurde.

„Sie ... sie ist doch wohl nicht ... schon sehr früh gestorben?“, fragte er mit einem bitteren Geschmack im Mund, der ihm die Antwort bereits auf einem Silbertablett servierte.

„Doch, das ist sie, der Kummer um das Schicksal ihres Mannes und ihres Sohnes hat sie zwar innerlich zerfressen, doch war dies nicht der Grund ihres frühen Todes, es waren die ...“ >Verdammt, ich will das nicht, hör auf damit!<, wehrte sich Kagome gegen den Eindringling in ihrem Kopf und zwang ihn, sofort zu verschwinden. >Du tust ihm weh damit, das lasse ich nicht weiter zu!< Ein leiser Protest erklang, doch dann war alles plötzlich geisterhaft still. Tief durchatmend, als wäre ein schwerer dunkler Schatten von ihr gewichen, sah sie den Jungen vor sich an und erschrak. Seine dunklen Augen wirkten wie zerborstene Glasscheiben, dumpf starrten sie das Mädchen an.

„Inuyasha“, rief sie verzweifelt aus, „es tut mir leid, das war nicht ich, ich wusste all diese Dinge nicht, all dies, was ich dir da über deine Mutter erzählt habe, das habe ich nicht von dir erfahren, es war plötzlich einfach in meinem Kopf drin.“ Verwirrt versuchte sie ihre Gedanken zu sortieren, als er darauf antwortete.

„Und du lässt das alles einfach so aus deinem Mund heraussprudeln, ohne darüber nachzudenken?“ Kalt musterte er sie, jegliche Spur von Verständnis oder Vertrautheit waren aus seinem Gesicht verschwunden.

„Ich ... ich konnte es nicht steuern“, versuchte sie ihm ihre Lage verzweifelt zu erklären, „es hatte von mir Besitz ergriffen, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Niemals“, sie schüttelte heftig den Kopf, „niemals hätte ich dir diese Dinge so nüchtern offenbart, ich wollte nicht deine Gefühle verletzen.“

Ein betretendes Schweigen drängte sich zwischen sie wie ein ungebetener Gast, den keiner eingeladen hatte. Kagome wagte es kaum, den Jungen vor ihr anzusehen, die Kälte, welche von ihm Besitz ergriffen hatte, ließ ihre Nackenhaare sich wie die feinen, aber wirkungsvollen Stacheln eines Igels aufstellen.

„Wann ist sie gestorben?“, durchschnitt seine eisige Stimme die Luft gleich einem scharfen Pfeil. Wie unter einem derben Peitschenhieb zusammenzuckend hob das Mädchen den Kopf. Sein Misstrauen, das ihn seit ihrer Ankunf beinahe stets umschwirrte wie verliebte Frauen ihren Auserwählten, wog wie ein schützender, aber auch Distanz wahrender Mantel erneut auf ihm und erklärte jedem, der sich zu sehr näherte, den lautlosen Krieg. Was war in dieser kurzen Zeit mit der Wärme und Zuneigung geschehen, welche er ihr ehrlich und vertraut entgegengebracht hatte? Waren diese Gefühle für sie nur gespielt gewesen? Hatte er ihre schüchterne Liebe zu ihm nur ausgenutzt, um an seine gewünschten Informationen zu gelangen? Nein! Sie hielt sich die Hände vors Gesicht, als wollte sie all die schrecklichen Dinge von ihrem Geiste fernhalten, sie aussperren, damit sie nicht ungefragt eindringen konnten, um sie zu zerstören.

„Warum sagst du nichts?“, herrschte er sie beinahe ungehalten an, so dass sie erschrocken über sein Verhalten ungewollt vor ihm zurückwich. Als Folge dessen zerfloss seine steife Maske von Gefühllosigkeit plötzlich und zeigte unter der eisigen Kälte der Selbstsucht wieder das besorgte Antlitz des Jungen, den sie so sehr in ihr Herz geschlossen hatte. Flink schossen seine Hände nach vorne, um sie an einer möglichen Flucht vor ihm selbst zu hindern, doch kurz bevor seine Fingerspitzen ihre weiche Haut berührten, zuckten sie wie ängstliche Katzen vor dem Kontakt mit ihr zurück. Mit gesenktem Blick legte er seine Hände in den Schoß, unsicher, wie er sich gegenüber ihr nun verhalten sollte, doch sie erfüllte ihm, ohne dass er noch ein Wort darüber verloren hatte, seinen Wunsch.

„Du warst noch sehr klein, als sie starb“, woraufhin er sie entsetzt anstarrte. „Es tut mir leid, Inuyasha, ich wünschte, ich hätte dir etwas Schöneres erzählen können. Aber die Wahrheit tut meist weh, deswegen lügen die Menschen gerne und oft, ohne darüber nachzudenken, dass sie einem damit noch mehr schaden. Ich wollte dir niemals schaden, deswegen habe ich nichts davon schöngeredet oder dir verheimlicht.“

Ein leichter Wind kam auf und strich durch die Haare der beiden jungen Menschen, als wollte er sie mit der sanften Hand einer Mutter trösten und vor weiterem Unheil bewahren. Als Inuyasha nach einiger Zeit des Schweigens die Stille mit seiner Stimme zerriss, klang diese gleich einem gebrochenen Mann, dem man alles im Leben genommen hatte, was ihm einst wichtig und teuer gewesen war. Tiefe Furchen zogen sich wie ausgetrocknete Flussbette durch sein Gesicht und ließen ihn um Jahre gealtert erscheinen. All ihre Stärke aufbringend versuchte Kagome seinem Blick Stand zu halten, obwohl dieser sie innerlich beinahe zerriss. Er hatte zwar alles, was ihn beschäftigte erfahren, aber um welchen Preis?

„Wer hat mich dann aufgezogen?“, erklang es trocken, fast heiser aus seiner Kehle. „Es muss doch irgendjemanden gegeben haben, jemand, der ...“, erwartungsvoll sah er das Mädchen an, sich an den letzten dünnen Faden klammernd, dass es irgendwo auf der Welt eine liebevolle Adoptivmutter gab, die sich seiner in den Jahren danach angenommen hatte.Es konnte doch nicht sein, dass er ... vollkommen allein gewesen war, oder etwa doch?

„Dein Bruder hat sich darum gekümmert, dass du eine Ausbildung erhältst, bis du soweit warst, auf eigenen Beinen zu stehen“, erwiderte Kagome mit zitternder Stimme, darauf hoffend, dass er durch die Erwähnung eines überlebenden Familienmitgliedes von dem schrecklichen Verlust seiner Eltern abgelenkt würde.

„Mein Bruder?“, fragte der Junge daraufhin überrascht. „Ich habe einen Bruder? Ist er … ist er … wie ich?“ Zuversicht glomm in seinen Augen auf wie die ersten Glühwürmchen in der Dämmerung des Abendlichtes.

„Nun ja …“, zögerte das Mädchen mit der Antwort, ein wenig überrumpelt, was seine Überlegung betraf. „Beide tragt ihr das Blut eures Vaters in euch“, erwiderte sie sachlich auf seine Frage, als sie in sein erwartungsvolles Gesicht blickte, was einem Kind glich, welches sich auf ein seltenes Geschenk freute. „Jedoch … könnte das eurer Mütter nicht unterschiedlicher sein.“

Wie der Regen, der an einem trüben Tag die Erde in Schlamm verwandelte und vom Boden wegspülte, so wischte diese Nachricht die aufkommende Freude über einen noch lebenden Verwandten hinfort und machte dumpfer Enttäuschung Platz.

„Ach so“, war seine Niedergeschlagenheit nicht zu überhören, „er ist also von reinem Blut.“ Beinahe zärtlich strichen seine Hände über das feine Gras der Wiese vor ihm, als wäre dies das Fell einer samtweichen Katze, bis er plötzlich zornig einen ganzen Büschel der unschuldigen Halme heraus riss und diese dem Mädchen anklagend direkt vor ihr entsetzt verzogenes Gesicht hielt.

„Ich denke, dann würde er sicher froh sein, wenn ich das Schicksal dieses Grünzeuges teile, hab ich nicht recht?“ Bedrückung und Hass sprangen gleichzeitig aus seinen dunkel blitzenden Augen gleich hungriger Raubkatzen auf ihre wehrlose Beute.

„Inuyasha, nein, hör mir zu“, versuchte Kagome verzweifelt, ihn zu beruhigen. „Dein Bruder ist nicht so, er ist ...“, doch der Junge hatte seine Ohren für jegliche weitere Worte, die über ihre Lippen huschten, gänzlich versperrt.

„Eines habe ich in der kurzen Zeit, die ich schon hier bin, gelernt“, strich es kalt über das Haupt Kagomes, als er währenddessen kraftvoll aufgesprungen war. „Youkai hassen Hanyou, da in ihnen menschliches Blut fließt und sie diese deswegen für schwach befinden. Ich kann mir glatt vorstellen, womit mein Bruder“, er spuckte das Wort wie etwas Giftiges aus, „die letzten Jahre verbracht hat. Sicher, um mich, den Schandfleck der Familie, auszulöschen!“

Ungläubig starrte ihn das Mädchen aus der Zukunft an. Es war ihr beinahe unheimlich, wie schnell der Junge alle Details zusammenzählen konnte und daraus ein Ergebnis erhalten hatte, was besser auf die Vergangenheit der Brüder passte, als in der eigenen Vorstellungskraft lag. Und doch ... tat er nun dem Älteren Unrecht, waren sie überhaupt erst durch seinen Hinweis so weit gekommen, aber, wie es schien, jetzt wieder ganz am Anfang aller Dinge.

„Bitte, Inuyasha“, versuchte sie es noch einmal behutsam, „dein Bruder ist ...“, doch gänzlich sein zorniger Blick in ihre Richtung reichte aus, um sie zum Schweigen zu bringen, so dass sie sichtlich betroffen zusammenzuckte. Unsicherheit und eine Spur von Reue brachen sich daraufhin auf seinem Antlitz und fochten mit dem Trotz und seiner hell auflodernden Wut einen stummen Kampf aus, den keine Gefühlsregung direkt gewann.

„Wenn ich solch eine Vergangenheit hinter mir gelassen habe und in einer Gegenwart lebe, in der mich das letzte lebende Bindeglied zu meiner Familie auch noch hasst, vielleicht ...“, er stockte und sah hinauf in den blauen Himmel, an dem der Wind ausgelassen mit den weißen Wolken spielte, „vielleicht möchte ich mich dann gar nicht mehr erinnern.“

Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren schritt er festen Fußes den kleinen Hang hinunter, nun sicher wie eine Bergziege, bei der jeder Sprung über Leben und Tod entschied und nicht wie noch vor wenigen Momenten gleich einem tollpatschigen Hundewelpen, der soeben erst das Licht der Welt erblickt hatte.

Betrübt sah ihm Kagome nach und als würde der Bann seiner zornig funkelnden Augen, die sich nun von ihr abgewandt hatten, seine Wirkung verlieren, fand sie plötzlich ihre Sprache wieder und so vollendete sie den Satz, der ihr so wichtig erschien, welcher sich aber ungehört in den Weiten des Landes verlor.

„... doch am Rand des Dorfes und wartet auf uns, ganz besonders auf dich, Inuyasha“, flüsterte sie, während der Wind kleine glitzerne Perlen direkt neben dem Jungen durch die Luft wirbelte, der sich plötzlich mit dem Ärmel über das Gesicht wischte.
 

Kleine Kieselsteine flogen durch die Luft, um sich anschließend wieder unter ihre Brüder am Boden zu mischen, während ein unbeschuhter Fuß immer wieder nach ihnen trat. Winzige Tropfen fielen auf den schmalen Kiesweg, der sich wie eine geschmeidige Schlange durch die fruchtbaren Felder rund um das Dorf zog, obwohl der Himmel keineswegs nach einem Regenschauer aussah.

Ob ein Hanyou auch weinte?

Inuyasha schüttelte trotzig seinen Kopf, so dass sein langes schwarzes Haar gleich einem aufkommenden Sturm schwarzer Wolken um sein Haupt wogte. Nein, Hanyou zeigten sicherlich nicht einfach so ihre Gefühle aus dem Bauch heraus, schließlich waren sie zur Hälfte dämonische Wesen, welche menschliche Empfindungen als Schwäche interpretierten. Wollte er dann überhaupt so etwas sein? Abgestumpft und zu nichts anderem mehr fähig als Hass und Zerstörung? Doch dann schob sich das Bild seines Vaters zwischen ihn und seine Ängste. Ein stolzer Youkai war dieser gewesen, ein Fürst und doch barmherzig und gut. Und, was das Wichtigste war, er hatte einer Menschenfrau aus ganzem Herzen seine Liebe geschenkt, seiner Mutter. Vielleicht handelte es sich bei ihm selbst dann ja auch um eine Ausnahme. Womöglich auch einer der Gründe, weswegen sich Menschen in seiner Nähe ohne Furcht aufhielten.

Ein trauriges Lächeln huschte wie ein finsteres Schreckgespenst über sein Gesicht. Aber sein Bruder, nein, Halbbruder wäre wohl der richtige Ausdruck für diesen Youkai, mit dem er das Blut des gemeinsamen Vaters teilte, aber mehr wohl auch nicht, dieser Halbbruder akzeptierte sicher nicht einen dreckigen Bastard mit einem menschlichen Herz in der langen Reihe hochrangiger Familienmitglieder. Obwohl Inuyasha, was das betraf, keine Schuld angehängt werden konnte. Seine Eltern waren zwei erwachsene Menschen gewesen, denen hoffentlich bewusst gewesen war, was sie da taten. Also, warum sollte er sich deswegen schlecht fühlen?

Seufzend blieb er für einen Moment stehen und sah zu den kleinen, aber gemütlich erscheinenden Häuschen des Dorfes hinüber, aus deren Schornsteinen weißer Rauch in den Himmel stieg. Er wusste, woher dieser quälende Schmerz im Bauch herkam, der ihm seit einigen Minuten keine Ruhe mehr ließ.

Es war wegen ihr.

Er hatte ihr mit seiner groben Art nicht wehtun wollen, hasste sich nun selbst dafür, dass mit ihm einfach die Pferde durchgegangen waren und er ihr all diese Sachen an den Kopf geworfen hatte, für deren Ausgang sie doch keineswegs verantwortlich war.

Ein kehliges Lachen, welches eher wie das unglückliche Meckern einer Ziege klang, die man vergessen hatte zu füttern, entwich seinen Lippen, während er sich an den Kopf fasste und langsam an seinem Verstand zu zweifeln begann.

Glaubte er all diese Dinge tatsächlich, die sie ihm offenbart hatte? Er ein Hanyou? Ein mächtiges halbdämonisches Wesen mit übermenschlichen Kräften? Geboren von einer Menschenfrau? Gezeugt von einem Hunde-Youkai, dahingeschiedener Fürst der westlichen Gestade? Seine Freunde und er auf der Suche und Jagd nach einem geheimnisvollen Juwel, dessen Existenz alles bedrohte? Den Wunsch im Herzen tragend einen anderen Hanyou namens Naraku, der für viel Leid in seinem Leben verantwortlich war, zu finden und zur Strecke zu bringen?

Das klang irgendwie nicht schlecht, aber mehr nach einer großen Legende, die man seinen Enkelkindern am Feuer erzählte und sich dabei ihrer ernstaunten und leuchtenden Augen erfreute, als nach seinem Leben.

Doch umso mehr er seine Gedanken wieder darin vertiefte, desto verwirrender und undurchschaubarer wurden die Bilder in seinem Kopf, legte sich ein undurchdringbarer Nebel um alles, unerreichbar für seinen Geist, der sich so sehr nach Antworten sehnte. Und so dauerte es nicht lange, bis sein Bewusstsein ihm hartnäckig vozugaukeln begann, dass all das Erlebte, was soeben noch vor seinem Auge abgelaufen, an sein Ohr gedrungen war und sein Herz berührt hatte, nichts weiter als ein verlogenes Trugbild gewesen war, welches sich seiner bemächtigt hatte. Verstört ging er weiter, als sich plötzlich eine kleine schmächtige Hand in die seine legte und ihn, ohne groß nach einer Erlaubnis zu fragen, stürmisch mitriss.

„Inuyasha-o-nii-chan!“, rief eine helle Kinderstimme aus, während langes, unzähmbares Haar, das man vergeblich versucht hatte, mit einem Zopf zu bändigen, fröhlich beim Rennen auf- und abwippte.

„Ich hab mir schon Sorgen gemacht, dass etwas mit dir nicht stimmt und bin dich suchen gegangen“, lachten ihm große meerblaue Augen entgegen, als Hiroshi den Kopf beim Laufen umwandte. „Und zum Glück hab ich dich gefunden“, gluckste er zufrieden auf, als ihm ein erstauntes Gesicht des Älteren begegnete.

„Spielst du mit uns, bitte?“, machte der Junge ein flehendes Gesicht und legte die Stirn kraus wie ein junger Hund, der um Essen bettelte. „Meine Freunde warten schon alle.“

Ein resigniertes Seufzen schlich sich aus der Kehle Inuyashas, als er auf die bittende Schnute Hiroshis starrte.

„Wie kann man solchen Augen widerstehen?“, klagte er spielerisch und riss theatralisch die Arme in die Höhe, was bei dem Kleineren überglückliche Quietscher an die Oberfläche lockte.

„Dann komm schnell, die anderen warten am Rand des Waldes auf uns“, und so raste er los, dass der großgewachsene, schwarzhaarige Junge beinahe etwas Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten. Sehnsüchtig und mit einer Spur von Trübsal durchzogen schauten dunkle Augen zurück zu der Stelle, wo jenes Mädchen noch vor wenigen Momenten gesessen hatte. Doch nun war der Fleck leer und verwaist, von ihr keine Spur mehr. Sein Herz krampfte sich schmerzerfüllt zusammen, als er an all die Worte dachte, die unüberlegt über seine Lippen geflossen waren wie eine Sturmflut, die vor nichts Halt machte und keine Rücksicht ausübte. Dabei hatte sie ihm nur helfen wollen ... .

„Nii-chan?“ Hiroshis unschuldige Stimme durchschnitt den Kummer, der auf seiner Seele lastete, wie ein scharfes Messer. Der Junge war stehen geblieben und betrachtete ihn eingehend. „Ist alles in Ordnung? Du ... siehst plötzlich so traurig aus.“

Gequält sah Inuyasha den Kleinen an und riss ertappt die Augen auf. Doch dann glätteten sich die verräterischen Wogen auf seinem Antlitz und er legte Hiroshi beruhigend eine Hand auf die schmale Schulter.

„Mir geht es gut, mach dir keine Gedanken um mich“, versuchte er so normal wie möglich zu klingen, doch ein winziger Rest von Skeptik blieb in den himmelblauen Augen des Erben der Sakai.

„Lass uns lieber die Geduld deiner Freunde nicht zu lange auf die Probe stellen“, lächelte ihm der Junge, den er wie einen älteren Bruder liebte, verschmitzt zu und ließ sich nun von ihm mitreißen, nicht bemerkend, wie sich das Gesicht Inuyashas erneut vor Pein verzog.

„Danke, Inuyasha-o-nii-chan“, flüsterte Hiroshi seinem großen Freund entgegen, dessen Schultern sich plötzlich verkrampften. „Ich ... hab dich lieb.“

Dem Älteren tat es in der Seele weh, diese Worte zu hören, wusste er doch nicht, ob dies auch so bleiben würde, wenn der Kleine erfuhr, was für eine Kreatur sein geliebter nii-chan tatsächlich war, vorausgesetzt, in den Erzählungen seiner sogenannten Freunde lag die Wahrheit und nicht die Lüge. Vergnügtes Kindergeschrei ließ ihn aufhorchen. Eine ganze Schar von Knirpsen rannte lachend und tobend auf die beiden Neuankömmlinge zu, während sich die Baumkronen zufrieden im Takt des Windes bewegten und sich schützend über die spielende Menge beugten.

Etwas weiter weg beäugte ein rotbraunes Augenpaar dieses Treiben ein wenig argwöhnisch, aber auch höchst sehnsüchtig. Ein nervös hin- und herzuckender Fuchsschwanz ragte aus dem hohen Gras gleich einer Antenne hervor, der jedes Mal, wenn ein vergnügter Juchzer zu hören war, murrend zur Seite kippte. Shippo hätte jederzeit aufstehen und zu den Kindern herüberlaufen können, um dieselbe Freude in seinem Herzen zu spüren, die sie beim Spiel durchströmte, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Er wusste nicht, ob Inuyashas Anwesenheit der Grund dafür war oder die Sorge um Kagome, die ihn noch immer lähmte. Er war Miroku, nachdem dieser das Anwesen Manamis verlassen hatte, um nach dem Mädchen Ausschau zu halten, nachgelaufen, hatte diesen aber schnell aus den Augen verloren. So konnte er nicht wissen, dass sich der junge Mönch bereits wieder auf dem Rückweg befand, im Inneren die freudige Nachricht tragend, dass Kagome sich in der Gesellschaft jenes Jungen befand, wegen dem sie die Reise hierher angetreten hatten.

Mit dem Gedanken spielend, seine Sorgen beiseite zu schieben und einfach aus seinem Grasversteck zu treten, schob der Fuchsjunge bereits einige Halme beiseite, als ihm plötzlich verschreckte Schreie entgegenschallten. Flink sprang der Kleine auf, um den Grund der aufsteigenden Panik, die sich unter die spielenden Kinder gemischt hatte, zu ergründen. Vor Angst getriebene, furchtsam kreischende Schatten, die an ihm vorbeihuschten, rissen ihn beinahe von den kleinen Füßen, als er vergeblich versucht hatte zu ergründen, was geschehen sein konnte. Ein tief grollendes Brüllen, das keineswegs von einem menschlichen Wesen stammte, ließ seinen Atem für Bruchteile von Sekunden gefrieren.

Mit vor Grauem verzerrtem Gesicht starrte Inuyasha das Wesen an, welches ohne Vorwarnung aus dem dichten Gehölz des Waldstückes, an dem er und die Kinder sich in vermeintlicher Sicherheit wägend gespielt hatten, getreten war. Sofort stoben alle brüllend vor Furcht auseinander, so dass es dem Youkai schwer fiel, sich für ein kreischendes Bündel zu entscheiden.

„Lauft!“, schrie Inuyasha ihnen nach, sich geschockt nach dem grausam entstellten Wesen umschauend, was seine erste Verblüffung überwunden hatte und sich erstaunlich schnell, trotz seiner unterschiedlich langen Beine, in Bewegung setzte.

„Lauft zum Dorf! Und seht euch nicht um!“, warnte der Junge die Kinder, aus Angst, sie könnten bei dem grauenhaften Anblick geschockt stehen bleiben und sich nicht mehr von der Stelle rühren. Neben ihm lief Hiroshi, die kleine Hand geborgen in der seines nii-chan liegend, der ihn flink mit sich zog, als glitten sie wie anmutige Kraniche über das grüne Land. Bewundernd starrte der Kleine den älteren Jungen an, er fühlte Inuyashas Kraft, welche in dessen Körper tobte, die wilde Entschlossenheit, den Jüngeren, koste es, was es wolle, zu beschützen, auch, wenn er dafür sein eigenes Leben opfern musste. Trotz dieser widerlichen Kreatur im Nacken, die ihren fauligen Atem meterweit in die noch vor wenigen Minuten reine Luft pustete, verspürte Hiroshi keine Angst.

„Keine Sorge, ich lass dich nicht los“, verstärkte Inuyasha noch mit einem raschen Seitenblick und einem hastigen Lächeln Hiroshis unerschütterliches Vertrauen in diesen Jungen, der von seiner o-baa-chan verstört und ängstlich wie ein Hundebaby am Rand des Waldes gefunden worden war. Anfangs hatte der Kleinere noch so etwas wie einen Beschützerinstinkt für seinen großen Freund entwickelt, nun war es genau anders herum. Inuyasha war so, wie er sich immer einen älteren Bruder gewünscht hatte. Den warnenden Schrei seines o-nii-chan vernahm er jedoch um Sekundenbruchteile zu spät.

Vor Schreck machte das unschuldige Herz Shippos ein paar wilde Hüpfer wie ein Kaninchen auf der Flucht vor einem Habicht, als er mitverfolgte, wie der Enkel Manamis im vollen Lauf stolperte und der Länge nach hinfiel. Sein großer rotgekleideter Freund wurde von dem Gewicht des Jungen mit zu Boden gerissen und stürzte neben ihm ins Gras, was bei ihrem Verfolger ein zufriedenes Grollen über die von Warzen verunstalteten Lippen trieb. Schon setzte der Youkai zum Sprung an, fuhr mit einem reißenden Geräusch, das einem vor Entsetzen das Atmen vergessen ließ, seine armdicken, fast mannslangen Krallen aus, um sie genussvoll in das junge Fleisch seiner Opfer zu bohren, die mühevoll nach ihrem ungewollten Sturz versuchten, wieder auf die Beine zu kommen.

Inuyasha vernahm ein scharfes Reißen in der Luft, welches sein Trommelfell schmerzhaft erbeben ließ. Hastig sah er sich nach Hiroshi um, der zähneknirschend neben ihm lag und sich seinen Knöchel hielt. Dunkles Blut sickerte am Fuß des Jüngeren entlang in den Boden. Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden schnappte er sich den vor Überraschung keuchenden Jungen, lud ihn auf seine Schulter und sprang, als befände sich keine Last auf seinem Rücken, zurück auf die Beine, bis ein grausamer Schmerz seinen rechten Arm beinahe explodieren ließ. Mit einem unterdrückten Schrei wirbelte Inuyasha zur Seite und warf den Jungen von seinem Rücken in das weiche Gras, gerade noch rechtzeitig, denn die bereits mit seinem Blut besudelten Krallen sausten nur Zentimeter über die Köpfe der Freunde, die beinahe wie Brüder füreinander empfanden, hinweg und zerteilte die Luft mit einem widerlichen Kreischen. Sich stöhnend seine schmerzende Schulter haltend wanderte Inuyashas gehetzter Blick nervös zu Hiroshi, der starr vor Angst auf dem Boden kniete und abwechselnd den Youkai und die stark blutende Wunde seines Freundes betrachtete.
 

Vor Furcht schrill klingende Schreie hatten die trübseligen Gedanken Kagomes wie wehrlose Blätter im Sturm hinfortgepeitscht, als sie nach Inuyashas Weggang allein auf dem grünüberfluteten Hügel zurückgeblieben war. Beunruhigt sprang sie auf und suchte nach dem Grund dieser Laute, die ihr einen unangenehmen Schauer nach dem anderen über den Rücken jagten. Gehetzt suchten ihre Augen das Terrain ab, konnten aber nichts weiter finden als sanft im seichten Wind umherwogende Grashalme und im Takt einer lautlosen Melodie tanzende Baumkronen des an die Felder angrenzenden Waldstückes. Doch plötzlich lösten sich kleine Schatten aus denen der Baumriesen und rannten gleich einer in Panik geratenen Schafherde auf der Flucht vor einem Wolf davon, verfolgt mit einem gewissen Abstand von einer rotgekleideten langhaarigen Gestalt, neben der eine kleinere unsicher herstolperte.

„Inuyasha ...“, entfuhr es Kagome erstaunt. Spielte er etwa wieder mit den Kindern des Dorfes und erzeugte dabei mit ihnen diesen Lärm? Aber wieso hielt er dann den Enkel der Fürstin an der Hand? Warum lief der Junge nicht mit den anderen Kindern mit? Oder .... war dies, was sie von hier oben beobachtete, gar kein Spiel mehr?

Ein lautstarkes Grollen, welches den Boden unter ihren Füßen erzittern ließ, lieferte ihr die Antwort auf der Stelle. Vögel flogen laut zwitschernd aus den vermeintlich sicheren Ästen auf, als etwas unglaublich Hässliches und Widerwärtiges mit viel zu großen Klauen aus dem Dunkelgrün des Waldes torkelte.

„Nein ...“, wisperte sie entsetzt und schlug die Hände vor den Mund.

„Nein ... nicht schon wieder ... Inuyasha ...“
 

„Hiroshi! Lauf!“, schrie der langhaarige Junge panisch, stemmte sich zähneknirschend hoch und machte ein paar unbeholfene Schritte in dessen Richtung. Seine Gestalt spiegelte sich verzerrt in den blassgelben Augen des Youkai, der wie eine lauernde Raubkatze innegehalten hatte und interessiert seine angeschlagene Beute betrachtete, für die es kein Entkommen mehr gab, sondern nur noch den sicheren Weg in den Tod. Erneut spannten sich seine Muskeln unter der pergamentähnlichen Haut; bereit für den alles entscheidenen Sprung gruben sich seine Klauen tief in den weichen Boden, rissen junge grüne Triebe heraus, die sich sterbend über ihre sanft dahinwogenden Brüder und Schwestern verteilten.

„Verdammt!“, brüllte Inuyasha den Kleinen an, der sich noch immer keinen Zentimeter bewegt hatte. Am ganzen Leib vor Anstrengung zitternd brach er vor ihm zusammen, den enormen Blutverlust in jeder Faser seines Körpers spürend.

„Wieso läufst du nicht fort?! Willst du etwa sterben?!“

Tränen der Angst flossen ihm entgegen, Schluchzer quälten sich wild abgehackt über die auf der Flucht aufgebissenen Lippen des Jüngeren.

„A-Aber o-nii-chan ... du …”, unstet blieben seine vor Feuchtigkeit glänzenden Augen an dem zerfetzten Fleisch seines Freundes hängen. Ein trauriges Lächeln glitt über das angespannte Gesicht des Älteren.

„Wenn der Tag kommt, dann kommt er. Niemand ... kann ihn aufhalten, selbst ich nicht.“

Rasch wich Inuyasha dem flehenden Blick des Kleinen aus. Flüchtig erinnerte er sich an sein Versprechen Manami gegenüber, als sie ihm erklärt hatte, dass jeder hier im Dorf einer wichtigen Aufgabe nachging. Und er nahm die seine äußerst ernst. Die jungen Leben dieser Kinder zu beschützen stand an erster Stelle für ihn, denn sie waren die Zukunft dieses Dorfes.

„Lauf endlich“, flüsterte er Hiroshi zu, der kopfschüttelnd bittere Tränen vergoss. „Es ist in Ordnung. Was würde deine o-baa-chan von mir denken, wenn dir etwas geschieht?“

Widerwillig kam der Junge auf die Beine, sich schniefend das feuchte Gesicht mit einem seiner verschmutzten Ärmel abwischend. Vorsichtig ging er ein paar Schritte rückwärts, erschreckend feststellend, dass die eitergelben Augäpfel des Youkai jede seiner verräterischen Bewegungen wie eine schmackhafte Mahlzeit aufsogen. Als Hiroshi mit einem letzten verzweifelten Blick mehrmals tief Luft holend seinen nii-chan betrachtete und anschließend die einzige Möglichkeit in Betracht zog, die ihm noch zur Rettung blieb, neigte sich unglaublich schnell ein riesiger Schatten über seinen schmalen, davonhumpelnden Leib.

„Hiroshi!“, schrie Inuyasha aus Leibeskräften, während er versuchte, dem Jungen zur Hilfe zu kommen, aber sofort erneut in die Knie brach, sich fluchend die Schulter haltend. Warum hatte es dieses Monster auf den Kleinen abgesehen? Warum nicht auf ihn, der verletzt am Boden lag und sich ihm praktisch wie ein leckerer Braten auf einem Silbertablett präsentierte? Mutlos schlug er mit den blanken Fäusten auf den Boden ein und vergrub sein Gesicht in den hin-und hertanzenden Grashalmen, die ihn sanft berührten, als wollten sie ihn trösten.
 

Mit schreckensbleichem Gesicht hatte Shippo die Szenerie, welche sich direkt vor seinen Augen abspielte, verfolgt. Unfähig einzugreifen hatte er sich zitternd auf den Boden gedrückt, flehend darauf hoffend, dass es Inuyasha und dem Jungen gelingen würde, irgendwie zu flüchten. Doch als er dann erneut miterleben musste, wie der Youkai gleich einem halb verhungerten Wolf auf den wehrlosen Hiroshi losging, der schreiend vor Angst versuchte zu fliehen, schluckte er seine Furcht hinunter und ballte entschlossen seine kleinen Fäuste. Sein treues Fuchsherz mit einer großen Portion Mut anfüllend verwandelte er sich, wie Kagome immer gerne sagte, in eine große rosafarbene Kaugummiblase und schob sich zwischen die im Sonnenlicht aggressiv funkelnden Klauen des Dämons und das verletzliche Fleisch des Kindes, welches weinend gestürzt war und nun mit den Händen den Kopf schützend am Boden kauerte. Shippos Augen weiteten sich eingeschüchtert, als der Youkai ihn ungestört zusammenpresste, als existierte er überhaupt nicht als Hindernis vor der ersehnten Beute der Bestie. Den verfault riechenden Atem seines Gegners einatmend wurde ihm beinahe schlecht, so dass er angeekelt würgte und inständig hoffte, Inuyasha würde sich den Jungen schnappen und mit ihm davoneilen, denn lange konnte er dieses Ablenkungsmanöver keineswegs mehr durchhalten, ohne dass er Gefahr lief, sich auf diesem Ungeheuer zu übergeben.

Überrascht hatte Inuyasha aufgesehen, als er keinen markerschütterten Schrei seines Schützlings vernommen hatte und nur ein wütendes Knurren des Youkai in seine Richtung hinübergeweht war. Vor Unglaube sich die Augen reibend entdeckte er einen großen rosa Ball direkt vor dem Dämon, der sich, egal wohin das Grauen erregende Geschöpf sich auch bewegte, ihm stets den Weg zu Hiroshi verwehrte, der schluchzend die Hände vors Gesicht hielt.

Was war das nur für ein Ding? Und wieso half es ihnen?

Doch für weitere sinnlose Gedanken blieb ihm jetzt keine Zeit, er musste zumindest versuchen, Hiroshi zur Hilfe zu eilen und wenn nötig, den Dämon mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, möglichst lange aufzuhalten. Dummerweise kannte er keinerlei Dinge, die ihn dabei unterstützen konnten.

Hiroshi nahm zitternd die Hände von seinen Augen fort und starrte ungläubig die riesige rosane Kugel an, welche sich bei jedem Schritt des Dämons in seine Richtung wie ein liebestoller Vogel immer weiter aufplusterte. So, wie es schien, wollte sie ihn wohl beschützen, aber wer oder was war sie? Plötzlich packte ihn etwas bei der Hand, riss ihn hoch und hinter sich her durch das hohe Gras. Dunkelroter Stoff wehte um seinen Kopf gleich einem im Sturm flatternden Banner, den ein Soldat zu Ehren seiner Armee in den Händen hielt. Schwarzes Haar floss an dem Kleidungsstück hinunter wie ein stetig plätscherndes Gewässer. Die Pupillen des Jungen weiteten sich vor lauter Freude und Dankbarkeit, als er begriff, wer ihn da so fest und sicher an der Hand hielt.

„Inuyasha-o-nii-chan!“, stieß er überglücklich hervor und presste seine Finger stärker gegen die des Älteren. Dann troff plötzlich dunkles Blut auf seine Wange, als regnete dies wie ein beginnender Niederschlag auf ihn herab. Verstört suchte er den Ursprungsort und blieb nach wenigen Sekunden an der zerfetzten Schulter seines Freundes hängen, die er vollkommen verdrängt hatte während seiner missglückten Flucht. Mit wachsender Besorgnis drückte er ein paar Mal die Hand des Älteren, so dass sich dieser beim Laufen umwandte und in das von Tränen gerötete Gesicht des Kleinen blickte. Ein weiches beruhigendes Lächeln strich über das hektisch verzogene Antlitz Inuyashas und verwischte für einen Moment die Spuren des Angriffs.

„Schon gut“, versuchte er, den Jungen zu ermutigen, neue Hoffnung zu schöpfen. „Es wird alles gut, hab keine Angst mehr, Hiroshi. Ich lass dich nicht noch einmal im Stich.“

Schuldbewusst wandte er sich wieder um, das sichere Ziel fest im Blick. Er würde weiterlaufen, egal, wie viel Kraft es ihn kostete oder was sein geschwächter Körper davon hielt. Noch einmal würde er dem nicht nachgeben, was ihn vor wenigen Augenblicken zu Boden gezwungen hatte, nein, dieses Mal kämpfte er, verteidigte das, was ihm am Herzen lag, wenn nötig, bis zum letzten Atemzug. Selbstbewusstsein floss wie lebenserhaltenes Elixier durch seinen Geist, straffte seinen Körper und so rannte er noch schneller, den beißenden Schmerz in seiner Schulter wissentlich ignorierend, als er plötzlich stutzte.

Irgendwie kamen ihm diese Gedanken bekannt vor, als gäbe es da noch eine andere Person, für die er Ähnliches empfand, jedoch um einiges verschiedener wie zu diesem Jungen, viel intensiver und ... gefühlvoller? Unangenehm berührt spürte er, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Es wurde wirklich Zeit, dass er sich wieder erinnerte, sonst würde er eines Tages noch verrückt werden.

Plötzlich erklang hinter ihnen ein hoher schriller Schrei, der immer lauter zu werden schien, gefolgt von einem drohenden, langsam anschwellenden Knurren. Etwas prallte gegen Hiroshis Rücken, so dass der Junge mit einem überraschten Keuchen ins Stolpern geriet, gegen Inuyasha stieß und diesen widerum aus dem Gleichgewicht brachte. Purzelnd wie kleine Hundewelpen, die miteinander balgten, fielen sie ins hohe Gras, Inuyasha mit einem unterdrückten Zischen direkt auf seine blutende Wunde. Eine wimmernde Stimme wurde unter Hiroshi hörbar, der sich mit einer Grimasse den Kopf rieb. Verdutzt richtete er sich auf, so dass ein ziemlich zerknautschter Shippo sichtbar wurde, über dessen Gesicht Dutzende von Tränchen glitten.

„Es tut mir soooooo leeeeiiiid!“, heulte der kleine Fuchsjunge herzzerreissend und wagte dabei kaum, den beiden überraschten Menschen in die Augen zu sehen. „Ich wollte euch doch nur helfen und nun das“, wimmernd zeigte sein kindlicher Finger in die entgegengesetzte Richtung, aus der sie kamen.

„Du warst die große Kugel ...“, bemerkte Hiroshi staunend und gleichzeitig anerkennend, was ein flüchtiges, gar stolzes Lächeln auf die Wangen des Kitsune trieb, bis Inuyasha seinen jüngeren Mitstreiter auf das aufmerksam machte, was Shippo ihnen versuchte, zu sagen.

„Ich glaube, wir haben andere Dinge zu tun, als uns über die Herkunft der Kugel den Kopf zu zerbrechen“, tat er seine Meinung kund, was bei dem Fuchsdämon ein griesgrämiges Geräusch aus der Kehle hervortrieb.

„Moment mal, wer hat euch denn wohl ... uaaaaaaaah!,“, wurde er jedoch derbst von Inuyasha unterbrochen, der den Kleinen am Wams packte und ihn so vor den niedersausenden Klauen des Youkai bewahrte. Mit wild klopfendem Herzen starrte er direkt in den geifernden Schlund des Ungetüms, welches ihnen nun mit weit ausgreifenden Schritten folgte.

Der langhaarige Junge rannte so schnell er nur konnte, zu seiner Linken den kleinen Hiroshi an der Hand haltend, mit der Rechten den leichten Körper des panisch kreischenden Kitsune umklammernd, doch er spürte an dem heißen, unangenehm riechenden Lufthauch in seinem Nacken, dass dies nicht ausreichen würde, um ihr aller Leben zu retten. Als dann auch noch der Schmerz wie alles vernichtendes Feuer, welches seine kochendheiße Glut zischend in alle Richtungen verteilte, seine gesamte rechte Körperhälfte lähmte und die Landschaft vor seinen Augen in milchigen Nebel tauchte, wurde ihm quälend bewusst, dass er ihrer aller Schicksal nun ausnahmslos besiegeln würde.

Alarmiert sah Shippo auf, als er bemerkte, dass die flinken Füße seines menschlichen Freundes keinesfalls mehr so trittsicher die grüne Flur vor ihnen berührten und er japsend nach Luft zu ringen begann. Auch der feste Griff um den eigenen kleinen Körper löste sich von Sekunde zu Sekunde mehr und mehr, so dass der Kitsune einen raschen Entschluss fasste. Es kostete ihn kaum Mühe, die langen Finger Inuyashas, welche ihn hielten, zu lösen, so kraftlos und vor Anstrengung bebend fühlten sie sich unter den kleinen Händen des Fuchsjungen an, welcher, nachdem der verletzte Arm wie ein lebloses Etwas zur Seite fiel, auf die Schulter des rotgekleideten Flüchtenden sprang. Umso mehr erschrak sich dieser, als er eine wispernde Stimme an seinem rechten Ohr vernahm, hatte er von Shippos Machenschaften durch seine nun ermüdeten Nerven und Sehnen auf der betroffenen Seite nichts bemerkt.

„Ich laufe ins Dorf und hole die anderen zur Hilfe“, erklärte der Kitsune seinen Plan. Rasch nickte Inuyasha ihm zu, jedoch plötzlich im vollen Lauf stolpernd, so dass der Fuchsjunge beinahe von seiner Schulter geschleudert worden wäre. Im letzten Moment fing er sich jedoch wieder, hatte aber nun dadurch wertvolle Zeit und den winzigen, aber dennoch Hoffnung schöpfenden Abstand zu dem tobenden Youkai, der ihnen siegessicher im Nacken hing, verloren.

>Verdammt<, dachte der Junge, sein Leben und das der anderen wie durch eine Sanduhr hinfort rinnen sehend. >Ich schaff das nicht ... .<

„Halte durch, Inuyasha!“, gab ihm mit einem Male gerade die kindliche Stimme Shippos ein wenig Mut, an ein gutes Ende zu denken, zurück. Kraftvoll stieß sich das Dämonenkind von seiner verletzten Schulter, die sich für ihn nur noch wie totes Fleisch anfühlte, ab und wetzte gleich einem Haken schlagenden Kaninchen durch das hohe Gras davon.

„Viel Glück, Kleiner“, wünschte ihm der Junge leise und konzentrierte sich nun voll und ganz auf sich und Hiroshi.

Shippo rannte, als wäre der Teufel hinter ihm her, was vor wenigen Momenten ja auch gar nicht so abwegig gewesen war. Ihm wurde bewusst, dass nun alles von seiner Schnelligkeit abhing, seine Freunde zu finden. Dieser Youkai sollte für Sango und Miroku keinen ernstzunehmenden Gegner darstellen, jedoch für Normalsterbliche könnte eine Begegnung mit diesem Biest die letzte gewesen sein. So legte er noch mehr an Geschwindigkeit zu, als ohne Vorwarnung ein Schatten an ihm vorbeiflitzte, welcher den Geruch der einzigartigen Frühlingsblumen aus dem Garten des Sakai-Anwesens in seiner Nase zurückließ. Erstaunt warf er den Kopf zurück, konnte aber durch die hohen Grashalme, welche ihm die nötige Sicht versperrten, nichts erkennen außer dem sorglos blauen Himmel mit seinen sich gegenseitig über den unendlich weiten Horizont jagenden Wolkenschäfchen. Seine Sinne für verwirrt erklärend richtete er den Blick nach vorne und seufzte erleichtert auf, als die ersten Dächer der Hütten am Rande des Dorfes sichtbar wurden.

Gegen das schwindende Bewusstsein ankämpfend bemerkte Inuyasha erstaunt, dass nicht mehr er es war, der die Geschwindigkeit auf ihrer Flucht vorgab, sondern Hiroshi selbstbewusst die Führung übernommen hatte und seinen o-nii-chan mühelos hinter sich herzog, der mehr durch die Gegend stolperte als dass er lief. Die Steine, welche hier und da ihren Weg auf der Wiese mit den Hunderten von Wildblumen säumten, sah er schon gar nicht mehr und schlug sich an jedem, dem er nicht rechtzeitig ausweichen konnte, die nackten Füße blutig. Den Schmerz, welcher dabei wie spitze Wurfgeschosse durch seinen Körper tobte, spürte er kaum noch, überkam seine Sinne wie ein langsam aufziehender Sturm die Gleichgültigkeit des Hinfortgleitens in eine andere Ebene des Seins.

Panik umspülte Hiroshis kleines Herz, als er fühlte, wie die Finger Inuyashas langsam seiner Hand entglitten. Hektisch versuchte er, diese fester zu umfassen, doch die seinen waren so nass vor Angstschweiß, dass die kraftlosen Finger des Jungen, der ihm so selbstlos vor wenigen Minuten das Leben gerettet hatte, ohne Vorwarnung seinem Griff entschwanden, gefolgt von einem dumpfen Aufprall, auf den ein zufriedenes Brüllen gleich einem grausig klingenden Echo erschall. Mit einem entsetzten Schrei wirbelte der Sakai-Erbe herum; der plötzlich aufflauende Wind riss wie ein Leichenfledderer an dem roten Gewand seines Freundes, der leblos zu Boden gegangen war. Direkt hinter ihm türmte sich ein riesiger Schatten auf, Klauen blitzten wie blankgeputzte Schwerter in der Nachmittagssonne und senkten sich erbarmungslos dem schutzlosen Fleisch seines ersten Opfers entgegen, nicht aber, um dieses auszulöschen, sondern um den Weg zu seinem eigentlichen Ziel freizuräumen, denn er verschmähte alles, was den Kinderschuhen entwachsen war. Gerne zog er seine Kreise um lebhafte Dörfer, aus denen das Geschrei der Menschenbälger erklang, wusste er doch, dass er dort das bekam, wonach es ihn dürstete, so wie auch an diesem Ort. Doch niemals zuvor war ihm dies so hartnäckig verweigert worden wie hier.

Als er dessen ungeachtet soeben den lästigen Störenfried beiseite kehren wollte wie einen Haufen Dreck schob sich unerwartet eine kleine, vom Leben gebeugte Gestalt dazwischen, welche er vor Wut knurrend wie einen Sack Kartoffeln zerriss.

Ganz allmählich, so wie die aufgehende Sonne das Himmelszelt am nahenden Morgen betrat, erwachte Inuyasha aus dem gefühllosen Dunkel der Bewusslosigkeit, als er mit einer gewaltigen Wucht nach hinten geschleudert wurde. Er hörte das überraschte Keuchen Hiroshis und spürte, wie er gegen etwas Weiches prallte und sich Arme beschützend um ihn schlangen. Dann klatschte etwas Warmes, Feuchtes in sein Gesicht, was langsam und zäh wie Honig an seinen Wangen hinunterlief. Der Geruch von vergehendem Leben umwehte seine Sinne, was ihn schlagartig in die Realität zurückführte. Ruckartig riss er die Augen auf und sah direkt in ein faltenzerfurchtes, aber unendlich liebevolles Gesicht, über das große dicke Tränen kullerten, Tränen, die ihm, Inuyasha galten, ihm, dem sie ein neues, herzliches Zuhause gegeben hatte, ohne etwas dafür zu verlangen. Graues langes Haar löste sich aus einem kunstvoll geflochtenen Zopf und hüllte den dazugehörigen Körper wie eine schützende Decke ein, als dieser vor dem Youkai wimmernd in die Knie brach, dessen Wut aufgrund der erneuten Einmischung in seine noch immer nicht erfolgreich verlaufende Jagd langsam ihren Siedepunkt erreichte.
 

Wie ein Blitz, den man nur für Sekundenbruchteile sah, flitzte Shippo durch die belebten Gassen des kleinen Dorfes, in dem er und seine Freunde als Gäste aufgenommen worden waren. Die auffordernden Rufe der anderen spielenden Kinder ignorierend, durch dessen Beine er sich gleich einer geschickten Schlange hindurchpresste, rannte er, so schnell ihn seine kurzen Beinchen trugen, zu dem großen Anwesen der Fürstenfamilie. Sango und Miroku, der inzwischen zurückgekehrt war, saßen draußen auf der Veranda nahe des Gartens und warteten auf ihre Freunde. Der junge Mönch, welcher in Gedanken die einzigartige Schönheit der Blumen mit der seiner hübschen Begleiterin verglich, schrak beinahe wie von einem Kaktus gestochen hoch, als zwischen den bunten Blüten plötzlich ein hektisch umherzuckender rotbrauner Fuchsschwanz auftauchte. Gleich einer abhebenden Rakete schoss im nächsten Moment der dazugehörige kleine Körper eines gewissen Kitsune aus der Pracht des Gartens direkt in Sangos Arme und begann wie ein wild sprudelnder Wasserfall loszuplappern, dabei Worte verschluckend und vergessend vor Aufregung.

„Moment, nicht alles auf einmal“, versuchte ihn die junge Frau zu beruhigen und strich dabei über seinen Rücken, hielt aber sofort entsetzt inne, als danach helles Blut an ihren Fingern klebte. Mit vor Schreck geweiteten Pupillen starrte sie in das fragende Antlitz des Mönches, der die rote Flüssigkeit ebenfalls bemerkt hatte.

„Shippo, was ist geschehen?“, schaltete sich Miroku daraufhin sofort dazwischen. „Bist du verletzt?“ Wild den Kopf schüttelnd verneinte der Fuchsjunge seine gestellte Frage und begann mit einem Male heftigst zu weinen, was den beiden menschlichen Gefährten die Hilflosigkeit in die Glieder trieb. Tröstend rieb die Dämonenjägerin ihrem kleinen Schützling die Tränen von den Wangen.

„Also“, begann sie, ihn weich anlächelnd wie eine Mutter ihr Kind. „Wessen Blut ist das, was an deinem Wams klebt? Und was ist passiert, dass du so außer dir bist?“
 

„Ma- ...Ma- ... Manami-baba ...“, löste sich erst unendliche Sekunden später die Stimme Inuyashas wie klebriger Schleim von seinen Stimmbändern, während die gestammelten Wörter brüchig gleich halb zerfallenem Herbstlaub über seinen Lippen krochen. Wie ein zu Eis erstarrter See blickte er auf den sterbenden Leib des Menschen, der ihm den Begriff „Familie“ so nahe gebracht hatte, als wäre er wirklich ein Teil davon gewesen. Zwei kleine Hände krallten sich wie die Klauen eines Greifvogels in die Rückseite seines Gewandes, welches bei jedem Schluchzer, der seinem jungen Schützling entwich, ruckartig nach hinten gerissen wurde, so dass dem Älteren manchmal fast die Luft wegblieb.

Dunkle Hoffnungslosigkeit umklammerte Inuyashas Herz, als er, halb blind vor Tränen, die ungefragt seine Wangen hinunterrannen, auf die roten tiefen Furchen starrte, aus denen das Leben floss, als wäre es ein pulsierendes Rinnsaal, welches sich ein neues Flussbett gesucht hatte, um mit der alten Existenz abzuschließen und sich dem Unbekannten hinzugeben. Zitternd wanderten seine eigenen Hände zu denen Hiroshis, der sein Antlitz in das Gewand seines großen Freundes gedrückt hatte und bitterlich weinte.

Doch dann bäumte sich der Körper des älteren Jungen verzweifelt auf, als wollte er allein gegen eine Armee von Tausenden bestehen, um das zu bewahren, was ihm wichtig und teuer war. Die kleinen Finger Hiroshis fuhren geräuschvoll durch den robusten roten Stoff, an den sie sich festgeklammert hatten, als Inuyasha ruckartig nach vorne stürzte und den Kopf der alten Frau behutsam in seinen Schoß bettete.

„Du weinst ... doch nicht etwa ... wegen mir?“ Zart und behutsam wie die ersten Schneeflocken im Winter strich ihre zitternde Stimme über sein bleich gewordenes Gesicht. „Wegen einer ... alten Frau?“

Wie der Leib einer Gebärenden zog sich ihr Körper plötzlich qualvoll zusammen, so dass Inuyasha panisch ihre schlaff herabhängende Hand drückte. Unter Hustenkrämpfen quoll hellrotes Blut über ihre sich langsam blau färbenden Lippen, die so sehr bibberten, als befände sie sich bereits in tiefster Finsternis, aus der es kein Entkommen mehr geben sollte.

Mühsam erneut aufkommende Tränen unterdrückend, um für sich und auch Hiroshi stark zu sein, wischte Inuyasha der alten Dame fürsorglich und mit einem traurigen Lächeln das Blut von Mund und Kinn.

„Darf ich meine Tränen nicht für die, die mir Gutes getan haben, vergießen?“, krächzte es rau aus seiner Kehle, heiser die aufkommenden Schluchzer herunterschluckend. Ein warmherziger Ausdruck ließ die allmählich brechenden Augen der Fürstin aufleuchten wie eine glasklare Sternennacht. Eine faltige, aber vertraute Hand legte sich an seine tränennasse Wange und er fühlte, in bodenloser Hilflosigkeit versinkend, wie ihre Hautoberfläche bereits in eisige Kälte gehüllt wurde.

„Schöner ... hätte mir so etwas ... niemand anderer sagen können“, seufzte sie, dankbar für seine ehrlichen Worte voller Zuneigung für die Person, die ihn selbstlos und gastfreundlich in ihrer Familie aufgenommen hatte, ganz egal, ob er nun dazugehörte oder nicht.

„Manami-baba ...“, presste der langhaarige Junge verzweifelt hervor, hilflos versuchend, mit seiner anderen Hand die Blutungen zu stoppen, was die Angesprochene mit einem schwachen Kopfschütteln kommentierte.

„Lass ... eine alte Frau ... ihren Weg gehen, mein Junge“, bat sie ihn mit immer leiser werdender Stimme. „Uchi no yadoroku, Katsuhiko ...“, flüsterte sie kaum hörbar, „bald bin ich bei dir, mein Alles.“
 

„WAS?!“ Entsetzen troff aus Mirokus Aufschrei, der so abrupt und gewaltig kam, dass einige der bunten Schmetterlinge, welche sorglos ihre Kreise über die verlockend duftenen Blüten zogen, verstört davonflatterten.

„Ein Youkai? Und er ist hinter den Kindern und Inuyasha her?“ Schluchzend nickte der kleine Fuchsdämon und krallte sich flehend an Sangos Kleidung.

„Bitte, ihr müsst ihnen helfen. Inuyasha ... kann doch nicht ... er ist doch nicht er selbst“, weinte er hemmungslos in den weichen Stoff hinein.

„Das steht doch wohl außer Frage, dass wir das tun, nicht wahr, Houshi-sama?“, wandte sich die Dämonenjägerin mit einem beinahe herausfordernden Lächeln an ihren dunkelhaarigen Belgleiter, der seinen Mönchsstab ergriff und sich mit entschlossenem Blick vom Boden erhob.

„Wehe dem, der unseren Gefährten auch nur ein Haar krümmt“, drohte er dem Unbekannten zynisch grinsend und raffte sein langes Gewand zum sofortigen Aufbruch, doch eine zarte, aber keineswegs schwache Hand auf seiner Schulter hielt ihn zurück.

„Ich glaube, es ist besser, wenn wir den direkten Weg nehmen“, schlug Sango mit ernster Stimme vor und pfiff schrill auf ihren Fingern.

Ein quirliges weißes Fellknäuel spitzte etwas weiter weg die großen Öhrchen und ließ etwas enttäuscht von den witzigen flauschigen Fallschirmen ab, die sich stets von einem Blumenstengel lösten, wenn seine Pfoten dagegenstießen. Etwas wehmütig wandte es sich von seinem Spiel ab und folgte dem auffordernden Pfiff seiner Herrin. Noch im Lauf verwandelte sich das kleine Wesen unter einem Flammenmeer in eine riesige, mit großen Fangzähnen versehene Dämonenkatze, die treu an die Seite Sangos trat und schnurrend den Kopf senkte, als sich eine Hand auf den fellbesetzten Kopf legte. Geschickt sprang die junge Frau, den wirkungsvollen Knochenbumerang über ihre Schultern geschwungen, auf den großen, muskelbepackten Rücken ihrer dämonischen Freundin, dahinter gesellte sich der nicht immer von unreinen Gedanken freie Mönch, während der Kitsune flink auf den breiten Kopf der Katze sprang.

„Schnell, Kirara. Bring uns zu Inuyasha“, bat Sango ihre Gefährtin, die wild fauchend einen weiten Satz nach vorne machte und mit dem nächsten Sprung bereits über den Dächern der Häuser schwebte, unter sich die erstaunten Ausrufe der Dorfbewohner hörend.
 

Inuyashas Augen weiteten sich vor Angst, als die leisen Worte Manamis gleich einem sachte anrollenden Gewittersturm an sein Ohr drangen und ein nie gekanntes Empfinden in ihm auslösten. Beinahe etwas zu grob fasste er die betagte Fürstin an den Schultern und schüttelte sie, als wollte er den nahenden Tod daran hindern, sein unsichtbares Tuch über sie zu legen.

„Nein, das darfst du nicht!“, schrie er sie mit einem Male heftigst an, so dass Hiroshi vor lauter Entsetzen hinter ihm hörbar aufschluchzte.

„Das hast du nicht verdient, nicht so!“, ließ er seinen Unmut über diese Ungerechtigkeit freien Lauf, fiel aber von einer Sekunde auf die andere wie ein nasses Stück Stoff in sich zusammen und vergrub sein Gesicht in ihrer Kleidung, die so vertraut nach einem schönen Zuhause roch.

„Ich habe doch sonst niemanden mehr ...“, wisperte er tonlos und ließ sich von ihren langsamer werdenen Atemstößen in finsterste Verzweiflung treiben, bis sich plötzlich eine Hand auf seinen dichten Haarschopf legte.

„Aber, aber ...“, widersprach sie ihm mit leicht tadelndem Unterton, doch ihre Stimme klang bereits wie die einer Fremden. „Mein Junge ... du bist nicht allein. Deine Freunde ... dieses Mädchen, Kagome ... sie hat dich wirklich sehr gerne, das weiß ich.“

Ein Ruck ließ ihren Körper unter den Händen Inuyashas erbeben; das Licht in ihren Augen bereits flackernd wie das einer Kerze im unbarmherzigen Sturm umfasste sie die Finger der beiden Menschen, deren Wohl und Zukunft ihr sehr am Herzen lag.

Weinend wischte sich Hiroshi die Tränen weg, welche unaufhörlich über seine Wangen flossen, als seine baa-chan ihn so liebevoll anblickte, als würde sie ihn jeden Augenblick in die Arme schließen und ihm beruhigend zuflüstern, dass all dies nur ein böser Traum war. Doch er wusste, wenngleich er noch mit der Naivität eines Kindes dachte, dass diese Dinge zu der grausamen Realität des Erwachsenwerdens gehörten.

„Auch Fürsten ... dürfen ihre Gefühle zeigen. Scheue dich ... niemals davor, otoko no akanbō, Hiroshi.“ Ein lautes Schniefen ließ sie sanft lächeln, während sie die noch zierlichen Finger des Jungen herzlich drückte.

An Inuyasha gewandt fuhr sie fort. Vor Sorgen beinahe umkommend spürte er, wie sehr sie das Sprechen anstrengte und doch schien ihr das, was sie auf dem Herzen hatte, wichtiger zu sein als ihr eigenes Leben.

„Vertrau ihnen, so wie ... ich ihnen auch vertraut habe.“

Erstaunen beherrschte das Antlitz des Jungen wie ein König das mächtigste Reich auf Erden, als diese Worte in seinen Gedanken nachhallten, doch bevor er etwas darauf erwidern konnte, fühlte er, dass der Druck ihrer Hand in der seinen merklich nachließ. Ihr Kopf fiel schlaff, als würde er nicht mehr von Sehnen und Muskeln gehalten, auf die Seite, während der leise flüsternde Wind ihr als letzten Gruß sanft über die Haare strich.

„Ma-Manami ...Manami-baba?”, fragte Inuyasha vorsichtig und berührte behutsam ihre unebene Haut an den Wangen, durch die sich Falten gleich einem vom Erdbeben verwüstete Landstriche zogen, doch keinerlei Reaktion erfolgte auf seine liebevolle Geste. Zitternd wanderten seine dunklen Augen über ihren geschundenen Körper, wischten seine Handflächen erfolglos das viele Blut von ihrer Kleidung, in stummer Hoffnung dahintreibend, dass die alte Dame nur vor Erschöpfung die Lider geschlossen hatte. Unterdessen kniete Hiroshi leise schluchzend hinter ihm; die schmalen Hände auf die breiteren Schultern seines nii-chan gelegt, krallten sich seine Finger erneut in den robusten Stoff wie ein Bärenjunges in das Fell seiner Mutter.

„Baa-chan … baa-chan …“, wimmerte der Sakai-Erbe gedämpft in das Gewand seines Freundes und wagte es kaum, in das bleiche Gesicht seiner Großmutter zu sehen, denn mit ihrem Leben schien auch ihr Selbst hinfortgegangen zu sein. Das, was dort im weichen Gras aus dem Sein geschieden war, hatte keine Ähnlichkeit mehr mit der gutmütigen Frau, die ihn von Geburt an miterzogen hatte. Dies war nur noch ein Leib, eine Hülle ohne das, was einen Menschen ausmachte.

Sachte schob Inuyasha seine Hände unter den leblosen Körper der alten Dame und drückte ihn fest an sich. Er konnte sich nicht an sein vorheriges Leben erinnern, wusste nur das, was ihm Kagome berichtet hatte, aber eines ließ sich mit Bestimmtheit sagen. Diese Liebe, welche ihm die Fürstin entgegengebracht hatte, würde er so wohl nie wieder erleben dürfen. Doch so schnell die Trauer sein Herz übermannt hatte, so geschwind und lautlos verschwand sie wie der Schatten einer Wolke, die sanft über die Täler zog und wich grenzenlosem Zorn über das soeben Eingetretene. Dunkle Augen funkelten gleich seltener Onyxe den zufrieden wirkenden Dämon an, der wie ein ungeladener Gast äußerst amüsant grinsend der Tragödie beigewohnt hatte. Seine gewaltigen Klauen hebend würde es nun äußerst unproblematisch werden, an das zarte Fleisch des kleinen Menschenjungen zu gelangen. Und vielleicht ..., wenn er danach noch Hunger verspürte, könnte man ja den Leib des Älteren als Nachtisch verwenden, auch wenn ihm zu sehr angereiftes Fleisch nicht so mundete wie das des äußerst jungen Volkes. Schon wollte er den müssseligen Leben dieser hässlichen Kreaturen vor seinem Angesichte ein Ende setzen, als ihm ein wutentbrannter Schrei entgegenschallte. Erstaunt und beinahe ein wenig belustigt starrte der Youkai hinunter zu seinen beiden Opfern und bemerkte, dass der rotgekleidete Junge mit geballten Fäusten vor dem Leichnam der Alten und seinem Leckerbissen stand.

Die Wut loderte in Inuyasha gleich einem niemals zu löschenden Waldbrand, gegen den es kein Wasser auf der Welt gab. Seine Hände, die er fest zusammengepresst hatte, zitterten vor innerer Aufgebrachtheit über den ihm so sinnlos erscheinenden Tod der Fürstin, die leblos zwischen den sich zu ihr hinabbeugenden Grashalmen lag, welche flüsternd ihr bleiches Gesicht berührten. Wider seiner Vernunft verspürte er den Wunsch nach Vergeltung, wollte das verrottende Fleisch des ihm verhassten Youkai zwischen seinen Fingern hindurchgleiten lassen, um Genugtuung zu erlangen . Alles in ihm schrie danach, nichts würde ihn mehr zurückhalten, außer der eigene Tod. Die bebenden Glieder bis zum Zerreissen angespannt ballte er die Fäuste. Für einen unbeteiligten Zuschauer bot dieser Anblick ein makabres Bild – ein hässlich entstellter Dämon, gegen den ein Haus wie ein lächerliches Spielzeug erschien und ein normal gewachsener Menschenjunge, der neben seinem Widersacher wie eine winzige Maus wirkte, und dieses um Längen dem Riesen unterlegenes Wesen stand wie ein Krieger da, das Gesicht vor Wut verzerrt und den Wunsch im Herzen tragend, das Blut der Rache regnen zu lassen.

Blind für alles andere um ihn herum öffnete Inuyasha seinen Mund zu einem gellenden Schrei, die warnenden und bittenden Rufe Hiroshis in seinem Rücken ignorierend, der den Älteren verzweifelt versuchte, von seiner geplanten Wahnsinnstat, die in das sichere Verderben führen würde, abzuhalten. Auch den riesigen Schatten, der sich ihm drohend näherte und aus dem es verräterisch wie glänzendes, fein geputztes Metall aufglitzerte, nahm er nicht wahr. Nur seine rasender Zorn, der wie heiße Asche durch seine Adern schoss, erfüllte sein gesamtes Denken und Handeln, nichts anderes war mehr von Bedeutung, bis plötzlich ... .

„Inuyasha!“

Eine weibliche, noch recht jung klingende Stimme wirbelte seine Gedanken durcheinander, als seien sie nichts weiter als unansehnlicher Staub. Wie aus einem bösen Traum erwachend starrte der Junge in das verschlagen grinsende Gesicht des Youkai, während der unheilvolle Schatten wie eine düstere Wolke bereits sein Antlitz verdunkelte.

„Kagome ...“, flüsterte er leise und schloss die Augen, sich seinem unausweichlichen Schicksal hingebend und mit ausgebreiteten Armen den Körper Hiroshis schützend. „Es ... tut mir leid.“

Doch plötzlich zerriss ohne Vorwarnung ein scharfer Laut die vor Anspannung knisternde Luft und ein schmerzerfülltes, entrüstetes Gebrüll ließ seine Trommelfelle beinahe bersten. Der Boden bebte gehaltvoll, als etwas Schweres darauf niederging und eine Druckwelle ihm das Haar aus dem Gesicht fegte. Zögerlich hob er die Lider und verlor vor Verblüffung fast seinen Unterkiefer. Der Dämon, welcher ihn vor wenigen Sekunden schon so gut wie mit seinen abscheulichen Klauen zerfetzt hatte, lag geschlagen und säuberlich in der Mitte durchtrennt vor seinen Füßen. Schwarzes Blut sickerte aus der großen Wunde, die etwas Gewaltiges verursacht haben musste, in die Erde und verätzte die Grashalme rundherum mit einem hörbaren Zischen. Mühevoll schluckend sank Inuyashas kraftlos auf die Knie, den Leib des kleinen Jungen, der sich noch immer angsterfüllt an ihn klammerte, mit nach unten reißend. Den trüben Blick auf die entschlafene Fürstin richtend presste er sie erneut schützend an sich, als würde sein warmer Körper Leben in den ihren, langsam erkaltenden hauchen.

„Inuyasha!“, hörte er nun auch andere Stimmen um ihn herum erschallen. Müde sah er auf. Eine riesige Katze, welche direkt vom Himmel zu kommen schien, landete galant auf ihren großen weißen Tatzen, um die loderndes Feuer tanzte. Sofort sprang eine kleine Gestalt von ihrem Kopf und rannte mit großen Sätzen auf ihn zu, während von dem Rücken des großen Tieres zwei Menschen stiegen. Bei dem einem handelte es sich um den jungen Mönch, der niemals seine Finger bei sich lassen konnte. Sein ernster Blick schweifte bestürzt über die Szenerie, welche sich ihm bot. Als er die leblose Frau in den Armen des rotgekleideten Jungen entdeckte, atmete er scharf ein und rannte sofort zu ihnen. Seine Begleiterin schulterte eine bumerangähnliche Waffe auf ihrem Rücken, die über und über mit dunklem Blut besudelt war. Beruhigend strich sie der Katze über das helle Fell, die sich prompt in das kleine Wesen zurückverwandelte, was Inuyasha stets an der Seite der Dämonenjägerin bemerkt hatte. Mit fliegenden Schritten folgte sie dem jungen Geistlichen und schlug erschrocken die Hand vor den Mund, nachdem sie dasselbe wie er vor sich sah.

„Was ...? Manami-san ...“, stammelte Miroku fassungslos, der sich neben die alte Fürstin gekniet hatte und suchte in dem Gesicht seines Freundes nach einer Antwort, doch dieses war so starr und bewegungslos wie eine Felswand.

„Baa-chan“, schluchzte es dafür hemmungslos hinter Inuyasha und Hiroshi kam aus der schützenden Deckung hervorgestürzt und fiel weinend in Sangos ausgebreitete Arme, die sich sichtlich Mühe gab, nicht ebenfalls in Tränen auszubrechen, hatte sie sich in der Gesellschaft Manamis immer wohl und geborgen gefühlt, auch, wenn sie die Frau nur wenige Stunden hatte kennen lernen dürfen.

„Sie hat mich ... und nii-chan ... gerettet“, kam es abgehackt und wild über die Lippen des Sakai-Erben, der noch immer am ganzen Körper vor Schreck zitterte. Shippo betrachtete seinen neuen Spielgefährten betrübt und strich sich verstohlen eine kleine Träne aus dem Auge.

„Wenn sie nicht gewesen wäre ...“, wimmerte es aus dem Mund des Jungen und besorgt um seinen großen Freund zupfte er zaghaft an dessen Ärmel, doch Inuyashas Glieder und auch seine Gedanken waren wie betäubt, nicht nur von dem beißenden Schmerz, welcher gleich brennender Speerspitzen durch seinen Leib jagte, ebenso der entsetzliche Verlust dieser fürsorglichen und warmen Person lähmte alles in ihm, so dass er mehr und mehr in eine bodenlose Finsternis gerissen wurde.

„Inuyasha ... geht es dir gut?“, wollte Miroku wissen und berührte vorsichtig den zerrissenen Ärmel, der daraufhin schlaff zur Seite fiel und die grausame Wunde, welche der Youkai mit seinen Klauen geschlagen hatte, ans Licht brachte. Entsetzt verzog der junge Mönch das Gesicht und sah sorgenvoll zu seiner hübschen Gefährtin hinüber, der alle Farbe aus dem hübschen Antlitz gewichen war. Stumm gab sie ihm ein Tuch, das er mit einem dankenden Nicken an sich nahm und sich daran machte, die Verletzung an Inuyashas Schulter provisorisch zu verbinden, so dass der Junge nicht noch mehr Blut verlor.

„Meine Güte“, murmelte er dabei, um die beängstigende Stille wie Schmutz hinfort zu wischen, welche sich auf ihre Häupter und das Land gelegt hatte. Selbst die Vögel, die sonst stets unbeschwert ihre Lieder in den hohen Wipfeln der Bäume zwitscherten, schwiegen bewegt. Sogar der Wind, dessen Hand in dieser Jahreszeit sanft über die Gräser der Wiesen strich und sie frech durcheinander wirbelte, war verstummt.

„Das sieht gar nicht gut aus“, urteilte der junge Mann über die Wunde, die vor Dreck nur so starrte. „Wir sollten sie schnellstens versorgen lassen.“ An die Dämonenjägerin gewandt führ er fort: „Sango, hilfst du mir?“

Ihm zunickend drückte sie Hiroshi ein kleines Stück von sich fort und lächelte ihn liebevoll an. „Wir müssen jetzt Inuyasha ins Dorf bringen. Gehst du mir Miroku-sama und Shippo zurück? Keine Angst, du bist nun sicher. Die Zwei werden auf dich achten.“

Schniefend wischte sich der Kleine die Tränen aus dem Gesicht und sah hinunter zu seiner Großmutter, die wie eine Schlafende umringt von Wildblumen und Grashalmen seinem o-nii-chan aus den Händen geglitten war.

„Aber ... was ist mit ...?“, schluchzte er von neuem los, die Hände vor das Gesicht schlagend. Tröstend legte ihm Sango ihre Hand auf den Kopf, so dass er sein Gesicht in ihre Kleidung presste.

„Mach dir keine Gedanken darüber“, beruhigte ihre warme Stimme sein betrübtes Gemüt ein wenig. „Einige Leute aus eurem Dorf sind uns gefolgt, sie werden jeden Moment hier eintreffen.“ Vom Schicksal der alten Dame tief getroffen dachte sie an die Menschen, die ihre Fürstin geliebt und mit Leidenschaft hinter ihr gestanden hatten. Was würden sie nur sagen, denken und empfinden, wenn sie Manami-san so vorfanden? Die weise Frau war soviel wie die Seele des Dorfes gewesen und nun hinterließ sie ein großes schwarzes Loch, welches man so leicht nicht wieder würde füllen können.

„Ich werde versuchen, stark zu sein“, nuschelte die Kinderstimme Hiroshis seine Entscheidung dumpf in das weiche Oberteil Sangos, die ihn erstaunt, aber auch gleichzeitig bewundernd betrachtete. „Kaa-san wird sehr traurig sein, wenn sie das erfährt, da muss ich doch für sie da sein, oder nicht?“ Schmunzelnd strich die junge Frau ihm zärtlich über die Wange.

„Deine Eltern können stolz auf dich sein, so einen Sohn zu haben“, lobte sie ihn. „Und auch deine Großmutter hätte so etwas sicherlich gerne aus deinem Mund gehört.“

Tapfer lächelnd sah der Junge zu ihr auf, dann fiel sein Blick auf Inuyasha und bewölkte sich wie der Himmel kurz vor einem Gewitter. Sich von Sango lösend ließ er sich vor dem Älteren auf die Knie fallen und nahm dessen Hand, die kalt wie Eis war.

„Nii-chan, bitte“, versuchte Hiroshi an ihn heranzukommen. „Baa-chan hat uns gerettet, halte das in Ehren und danke ihr, aber mach dir bitte keine Vorwürfe, sonst machst du mich damit furchtbar traurig.“ Auf eine Antwort wartend sah er ihm tief in die Augen, die jedoch scheinbar etwas vollkommen anderes erblickten als den Sakai-Erben vor ihm. Seine Pupillen hatten sich wie die einer Katze im grellen Tageslicht hauchdünn zusammengezogen und fixierten einen Punkt weiter hinter Hiroshi, den außer ihm noch keiner wahrgenommen hatte. Der Kopf des Kleinen wandte sich um und entdeckte weiter weg im hohen Gras ein Mädchen, welches stocksteif da stand und sie alle beobachtete.

„Kagome-chan“, bemerkte er erstaunt und auch der junge Mönch und die Dämonenjägerin drehten, darauf aufmerksam geworden, die Köpfe in Richtung ihrer vermuteten Gefährtin. Tränen liefen über die bleichen Wangen des Mädchens, welches erschüttert über das Geschehene kaum wagte, weiterzugehen. Ihr Blick lag auf dem rotgekleideten Jungen, der wie eine seelenlose Puppe zwischen ihren Freunden kniete und auf nichts, was sich um ihn herum ereignete, reagierte.

Seine Hände waren voller Blut, das Blut der Frau, die ihn wie ihren eigenen Sohn behandelt und geliebt hatte. Und er hatte nichts tun können, um sie zu schützen. Wäre er doch nur stärker gewesen, sowie Miroku oder Sango. Ein düsterer Gedanke nach dem anderen jagte durch sein Hirn, als wären es Rehe auf der Flucht vor hungrigen Wölfen. Er fühlte Hände, die ihm helfend unter die Arme griffen, aber es strebte ihn nicht danach, aufzustehen und diesen Ort zu verlassen. Wenn er sich recht entsann, dann verlangte es ihn nach rein gar nichts mehr. Was hatte das Leben für einen Sinn, wenn alles, was er liebte, vor seinen Augen in den Tod gerissen wurde?

Als würde alles vor einem drohenden Unwetter zu entkommen versuchen, floh es in sein Inneres, während sein Äußeres wie eine unüberwindbare Mauer jegliche Einwirkung an ihm abprallen ließ. Doch eines schlüpfte hindurch wie ein nie erlöschendes Licht und berührte sein schmerzendes Herz, umschloss es liebevoll und warm, streichelte sanft seine aufgerissenen Wunden hinfort und vertrieb die dunkle Kälte aus seiner Seele. Eine Hand, angenehm wie die ersten Strahlen der Frühlingssonne nach einem viel zu langen Winter ließen das Eis auf seiner Wange dahinschmelzen. Langsam lichtete sich der Dunst vor seinen Augen und er sah in ein liebenswürdiges und für ihn das hübscheste Gesicht, was ihm jemals untergekommen war. Braune Rehaugen musterten ihn besorgt, während aus ihnen kleine Tränchen wie funkelnde Tautropfen in Morgenlicht hervorschossen.

„Ka ...gome“, krächzte Inuyasha heiser, als wäre dies das erste Wort, das er in seinem Leben sprach und er spürte, wie auch seine Wangen von heißen Tränen benetzt wurden, die wie ein warmer Sommerregen auf das Gras niedergingen.

„Oh, Inuyasha!“, rief das Mädchen, das vor ihm kniete, erleichtert aus und schloss ihn fest in ihre ihm irgendwie vertrauten Arme. Erinnerungen durchströmten sein Selbst, als er ihren angenehmen Duft einatmete, der sie wie ein Zauber umgab, dem er nicht widerstehen konnte. Erinnerungen an eine Zeit vor der diesen hier und lange vor dem Leben davor.

Eine junge Frau, eine Miko und ein Hanyou, der sich in sie verliebte. Eine verbotene Liebe, die trotz allem jedem standhielt, bis das Vertrauen Beider zueinander auf eine harte Probe gestellt wurde, an der sie zerbrachen.

Inuyasha sah Feuer, Tod und Verderben, das er selbst über ein Dorf gebracht hatte, fühlte den Schmerz eines Pfeiles, der sich in seinen Körper gebohrt hatte, aber noch schlimmer als diese Pein war die Erkenntnis, dass seine große Liebe diesen Pfeil nach ihm ausgesandt hatte, um ihn zu bannen. Mit wachsendem Entsetzen sah er in ihre hassauflodernden Augen und auf den Bogen in ihren Händen. Hatten sie ihre Liebe vergessen? Für was? Was war geschehen, dass es soweit hatte kommen müssen? Und wieso sah diese Frau Kagome so ähnlich?

Beruhigt über Inuyashas Wandlung durch Kagomes Hilfe lächelten sich Sango und Miroku erleichtert an, ihren Freund nun dank seiner Unterstützung vom Boden hebend, als dieser mit einer für ihn außergewöhnlichen Kraft die Beiden plötzlich grob wegstieß. Vor Schreck aufschreiend fiel Sango auf die Seite, während Miroku seinen Stab in die Erde rammte und so einen Sturz verhinderte. Verwirrt sahen sie ihn an, was war denn nur in ihn gefahren?

Mit wachsender Bestürzung fühlte Kagome, dass irgendetwas mit ihrem Freund geschehen sein musste. Dieser blitzartige Umschwung seiner Gefühle erschien ihr keinesfalls normal. Ihr war, als wollte jemand mit aller Macht verhindern, dass Inuyasha sein Vertrauen in die Hände seiner Freunde legte, um mit ihnen seine Erinnerungen zurückzugewinnen.

„Inuyasha ...“, versuchte sie ihn zu besänftigen, doch er wich wie ein verletzter Wolf vor ihr zurück. Seine Augen wirkten noch finsterer als zuvor, etwas Wildes blitzte darin auf und machte ihr Angst, etwas, was sie in seiner Gegenwart noch nie verspürt hatte.

Rasende Kopfschmerzen ließen ihn beinahe besinnungslos werden, seine Finger verkrampften sich, als handelte es sich bei ihnen um Klauen, die er ausfahren wollte, um alles Greifbare in seiner Nähe zu vernichten, was ihm Schaden zufügte. Und diese Menschen taten es, das sagte ihm die Stimme in seinem Kopf, die anfangs nur geflüstert hatte, nun aber schrie und tobte wie ein heulender Orkan. Taumelnd wirbelte er herum und rannte los, nur getrieben von der Stimme, die ihm säuselnd zuflüsterte, dass dies das Beste für ihn wäre. Die verzweifelten Rufe in seinem Rücken ignorierend verschwand er zwischen den Schatten der Bäume, rannte, bis sein Körper sich gegen die Stimme in seinem Kopf wehrte und er entkräftet zusammenbrach.
 

„Ist die nicht wunderschön, Sesshomaru-sama?“, flötete eine gut gelaunte Kinderstimme in die empfindlichen Ohren eines gewissen Hundeyoukai, dessen Geduld schon seit zwei geschlagenen Tagen auf eine gefährliche Probe gestellt wurde. Der ältere Sohn Inu no Taishous lehnte, seit der Morgen angebrochen war, an einem Baumstamm und starrte gedankenverloren in das verflochtene Geäst eines Busches direkt vor ihm, als wollte er diesen mit seinem eiskalten Blick einfrieren, bis ihm eine gelbe Blume vor die Nase gehalten wurde, die so erbärmlich stank, dass er sich beherrschen musste, sie dem kleinen, stets fröhlichen Mädchen nicht aus der Hand zu schlagen. Jedoch jemand anderes bemerkte sowohl das leichte Naserümpfen des großgewachsenen Youkai, dessen Augen sich zu kleinen bedrohlichen Schlitzen zusammenzogen, als das Kind herzlich lachend die Blume direkt unter sein Riechorgan presste.

„Rin! Lass den Blödsinn!“, rügte Jaken, der Krötenyoukai die Kleine, die sofort von ihrem unfreiwilligen Opfer abließ und sich weiteren übel duftenden Gewächsen widmete. Leise singend hüpfte sie über den Waldboden und staunte über die herrliche Vielfalt, die diese Gegend bot.

Seufzend schlich der sich selbst ernannte Diener zu seinem Herrn und schaute zu ihm auf, nicht, weil er ein Wort des Dankes erwartete, das war sowieso vertane Zeit, nein, er fragte sich, ob der Erbe der westlichen Gefilde sich ebenfalls Gedanken darüber machte, dass sie keine Nachricht erhielten.

„Die brauchen aber ganz schön lange ...“, ließ er seinen Unmut über ihre derzeitige Situation freien Lauf und scharrte mit seinem Stock in der lockeren Erde herum. „Ob ... dieser Junge wohl doch nicht Inuyasha war?“, mutmaßte er vorsichtig und schielte erneut in die Höhe zu seinem Herrn, der immer noch unbeweglich in das dunkle Grün ihres Aufenthaltortes starrte, welcher Jaken schon beinahe den Verstand verlieren ließ. Minutenlang geschah gar nichts, kein Kommentar war darauf zu hören, außer des kindlichen Singsang Rins, die wohl die einzige unter ihnen war, durch deren Herz keine Sorgen oder Befürchtungen wie einsame Wanderer zogen.

„Es war Inuyasha, meine Sinne haben mich noch nie getäuscht“, erklang die dunkle Stimme Sesshomarus wie ein Befehl, daran zu glauben und es ja nicht anzufechten.

„Gut, aber warum bekommen wir dann keine Nachricht?“, bohrte Jaken weiter und strapazierte die Nerven des Youkai somit noch mehr, als dass es die Kleine bereits getan hatte. Immer diese Fragerei! Er kannte doch auch nicht die Antwort darauf, sollte dieses Krötenviech ihn doch damit endlich in Ruhe lassen!

Während Jaken allerlei fantasiereiche Theorien aufstellte, warum sich ihrer niemand erbarmte, beschlich Sesshomaru ohne Vorwarnung ein eigenartiges Gefühl, etwas, dass er bereits vor drei Tagen verspürt hatte und in ihm eine nie gekannte Panik ausgelöst hatte. Dem brabbelnden Krötenyoukai den Mund mit einem gezielten Schlag auf den Kopf stopfend, schnappte er sich die verblüffte Rin, die sofort ihren auf den Boden gefallenen Blumen nachjammerte und setzte sie ohne eine Erklärung auf den Rücken des zweiköpfigen Drachen, der nervös zu schnauben begann, als fühlte er dasselbe wie der Hundeyoukai. Dieser ging plötzlich mit einem unterdrückten Schmerzenslaut in die Knie, sich gequält die Brust haltend.

Ängstlich verzog Rin das Gesicht, da sie nicht verstand, was hier vor sich ging, als sie mit einem Male Erschütterungen spürte, die den Boden erzittern ließen. Bibbernd klammerte sie sich an Ah-Un, der unruhig mit den Beinen aufstampfte.

„Uuuh, oooh, was ist denn jetzt los?“, stöhnte Jaken, der durch das Beben unsanft aus seinem ungewollten Schläfchen gerissen wurde. Entsetzt sah er die Gestalt seines Herrn neben dem zweiköpfigen Drachen knien, sich vor Schmerz windend wie ein angeschossener Hirsch. Und das kleine Mädchen saß, wie zur Flucht bereit, auf Ah-Un, der sich gleich einem wild gewordenen Hengst gebärdete, als sei die Finsternis höchstpersönlich auf dem Weg hierher, was nicht einmal so abwegig war.

Sesshomaru hatte das Gefühl, als würde sich alles, was ihn als Youkai ausmachte, von seinem Selbst lösen, um für immer und ewig in etwas zu verschwinden, was es eigentlich nicht geben dürfte. Krampfhaft versuchte er, dagegen anzukämpfen, unterband mit aller Macht, die er aufbringen konnte, die Bedrohung, welche seinen Körper wie eine Seuche befiel, erst zufrieden, wenn sie ihr Ziel erreicht hatte.

„Jaken“, stöhnte er schwach und der Angesprochene zuckte bestürzt zusammen. „Schnell ... flieh mit Rin ... ich ... komme nach.“ Natürlich war das eine ausgesprochene Lüge, das wusste Jaken, doch sein Herr würde sich niemals die Blöße geben, Schwäche zuzulassen. Und er wusste, dass ihn eine grausame Strafe ereilen würde, sollte er sich diesem Befehl widersetzen. Flink sprang er, trotz der ebenso auf ihm lastenden Furcht, die ihm aber weitaus weniger zusetzte, als dem Hunde-Youkai, zu Ah-Un, kroch vor Rin auf den Rücken des Schuppentiers und umklammerte gerade die Zügel, als das Geäst hinter ihnen mit einem lauten Gekreische zerbarst, als rollten tausend Blitze gleichzeitig durch den Wald. Eine Stimme donnerte um ihre Ohren, gegen die ein Gewitter nicht mehr als ein Witz war.

„Sieh an, sieh an, der nächste Verwandte meines Erzfeindes. Und sogar in netter Begleitung. Eigenartig, genau wie bei dem Kleinen mit dem riesigen Schwert.“
 


 

- Ende Chapter -
 

Uaaaaah, wer kann das wohl sein, der Sesshomaru und seinen Begleitern da so einen Schauer über den Rücken jagt? Ich sag nur, mit dem üblen Kerl hat alles seinen Anfang genommen und mit ihm wird alles ein Ende nehmen, ob gut oder schlecht ist mir überlassen ^^
 

Eine Vorschau auf das nächste Kapitel gibt es dieses Mal nicht, denn im nächsten überschlagen sich die Ereignisse und die möchte ich euch doch lieber als große Überraschung präsentieren. Ich kann nur andeuten, dass es noch lange nicht das letzte Kapitel sein wird.
 

Also dann, lasst eure Finger qualmen und beschimpft mich, was die lange Wartezeit angeht :)
 

Eure Mariko



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Von:  KiaraKitsune
2009-11-29T03:03:02+00:00 29.11.2009 04:03
Wahhh nicht wieder dieser Dämon ;__;
Was wird passieren?
bekommt Inu seine Erinnerungen zurück?
Bitte schreib schnell weiter und was bedeuten die Worte die Mamani-San kurz vor ihrem Tot sagte
Ich finde deine FF toll...so rührend
bitt schnell weiter schreiben..ja?
Ich kann es gar nicht erwarten wie es weiter geht
Ich finde du beschreibst das alles so toll*_*
Und doch so Traurig ;__;

LG Ayu
Von: abgemeldet
2009-01-28T11:35:57+00:00 28.01.2009 12:35
Ah, ein tolles Kapitel, vom ersten Wort bis zum letzten Satz. Ich freue mich besonders darüber, dass man hier sowohl Miroku als auch Sango und Shippou einen größeren Rahmen einberäumt. Sie wirken alle drei plastisch und obwohl ich nie wirklich viel von Serie oder den Filmen sah, habe ich die Drei im Kopf. Hoshi hat es mir dabei besonders angetan, was auch mehr oder weniger ungewöhnlich ist - seine Art die Dinge zu reflektieren, zeugt von der Weisheit eines Mönchs. Fast hoffe ich, dass er mit seinen Gedanken zu der üblichen Verhaltensweise zurückfindet (es reizt mich das aus deiner Feder zu lesen). Auch Reaktion der Dorfbewohner, der Knüppel, das Stolpern ... es greift ineinander und macht Spaß.
Und ja, ich glaube Inuyasha hat mit der Kette neben einem Geschenk noch etwas mehr mitgegeben als eine bloße Erinnerung. Abgesehen davon, dass er wohl kaum dumm genug ist, um nicht zu wissen wie gefährlich die Reise in der Sengoku ist, freut mich diese Weitsichtigkeit. Wieder eine Facette mehr als pures Temperament.

Liebe Grüße
Morgi
Von: abgemeldet
2009-01-28T11:21:58+00:00 28.01.2009 12:21
Ungewöhnlich. Durch und durch ungewöhnlich, aber mit einem ganz eigenen Zauber belegt, wenn man es so nennen darf. Mir gefiel die Vorstellung, dass Rin und Jaken das altbekannte Fangen spielen und letztlich lachend um den Felsen Sesshoumarus herumlaufen. Das entlockt einem schon vor dem Monitor ein überbreites Grinsen - sehr schön geschrieben und vor allem lebendig im Wechsel zwischen Rede und Handlung. Dass beide übereinander purzeln, war dann quasi die Kirsche auf der Sahnehaube. Hübsch, hübsch. :-)
Es kontrastiert gelungen die verhaltene Schweigsamkeit des Daiyoukais, der ganz in sich gekehrt wirkt und die Vergangenheit reflektiert, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Fast wie in einem Film, in dem man die grauen Rückblenden sieht, aber sie ohne Kommentar nur betrachten kann. Es mag irritierend sein, Sesshoumaru mit dem Wort "Angst" in Verbindung zu bringen, aber du tust es auf eine Weise, die nicht übertrieben wirkt. Eher als Überlegung ... und ich war überrascht, dass er eine so tiefe Verbindung zu seinem Halbbruder zu haben scheint, dass er seinen "Tod" spüren kann - oder eine Abart davon.

Liebe Grüße
Morgi
Von: abgemeldet
2009-01-28T11:11:28+00:00 28.01.2009 12:11
Ich bin über Hotep und einige meiner wirren Klickereien auf diese Geschichte gestoßen - um festzustellen, dass mir heute morgen gar nichts Besseres hätte widerfahren können. Die Charakterbeschreibungen zeugen bereits von der Mühe, die du dir beim Schreiben gegeben hast und wenn ich auch leichte Probleme mit einem fortlaufenden Text habe (ich neige bei einer gewissen Grundmüdigkeit dazu in den Zeilen zu verrutschen), die fehlenden Absätze werden durch die Rasantheit der Ereignisse im ersten Kapitel locker wett gemacht.
Dass Inuyashas Tod Kagomes Gedanken betäubt, das Sango und Miroku anders darauf reagieren als die Miko .. ich fühlte mich von Beginn an in die Charaktere hineinversetzt. Beschriebene Gestik, beschriebene Dialoge, alles geht Hand in Hand und wirkt authentisch.
Ich zumindest bin gespannt, ob es nicht einfach nur eine tiefere Ohnmacht seitens des Hanyous ist. Immerhin hat ja niemand seinen Puls kontrolliert, eh? ;-)

Liebe Grüße
Morgi
Von: abgemeldet
2008-03-30T11:18:28+00:00 30.03.2008 13:18
Erst mal gaaaanz große Entschuldigung *treuer Hundeblick*. Ich hab schon die ganze FF bis hierher gelesen und mitgefiebert und konnte noch kein einziges Kommi abgeben, weil ich mich erst vor kurzem bei Mexx angemeldet hab.
Ich find die FF einfach soo super. Da ich 13 Kapitel aufholen musste (und natürlich wollte^^. Ich glaub ich hatte fast viereckige Augen, weil ich nicht davon wegkam), waren meine Emotionen entsprechend hoch und ich warte schon geduldig/ungeduldig auf die Fortsetzung!!
Ich hoffe, alles geht gut aus und Sesshomaru und Inu Yasha passiert nichts allzu schlimmes! Ich muss wohl zugeben, dass ich beim lesen und schreiben selber gern sadistisch bin und die Beiden schon leiden dürfen *bitte nicht böse sein deswegen...vorsichtig in die Runde guck*.
Ich hoffe es geht bald weiter und noch mal großes Lob!!
bye, Lauser
Von:  Animegirl87
2007-10-30T20:04:25+00:00 30.10.2007 21:04
Oha. *schnief* Die arme alte Frau und vor allem tut mir Inuyasha leid. Da scheint es am Anfang, endlich voran zu schreiten, was Inuyasha und Kagome angeht und dann das. -.- Da war so viel Romantik und Inuyasha hat endlich etwas aus seiner Vergangenheit erfahren, auch wenn es hin und wieder Unterbrechungen gab. Und dann plötzlich ist Kagome so komisch. Ich frage mich, was genau mit ihr los ist. Ich meine es ist ja offensichtlich das etwas nicht stimmt.
Und dann kommt der traurige Moment und die arme Frau opfert sich für Inuyasha. Und dieser fällt natürlich in einen Schockzustand. Ob es an Kagome lag, dass er plötzlich so austickte? Und der arme kleine Junge, doch er scheint es gut zu verarbeiten und möchte stark sein. Ich bewundere seine innerliche Stärke. Ich hoffe sie können gemeinsam Inuyasha wieder aufmuntern und trösten. Und dann muss man ja auch mal wissen, was genau mit Kagome los ist? Warum ist sie nicht dazwischen gegangen? *heul* Das ist alles so traurig. *schnief*
Oho! Nicht schon wieder dieses Monster. Wehe dieses Mistvieh wagt es meinem Sessy auch nur ein Haar zu krümmen. *grr* Dann fahr ich mal meine Krallen aus. *knurr* Ich hoffe Sesshoumaru kommt da heil wieder raus. Mir läuft immer ein kalter Schauer über den Rücken, wenn du dieses miserable Ding beschreibst. *brr* Hoffentlich schaffen es unsere Freunde, dieses Monster aufzuhalten und was es mit diesen Monstrum auf sich hat.
Nun fragt sich aber erstmal, ob Inuyasha über den Tod der alten Frau hinweg kommt und ob Sesshoumaru diesem Etwas entkommen kann. Ich will es mal hoffen. *schnief* Ich werde wieder geduldig auf den nächsten Teil warten und hoffe das es bald kommt!!!^^

*knuddel*
die Ani!^^

P.S.: Gomen, das es erst jetzt kommt, aber ich bin ja vor 5 Tagen Tante geworden und habe auch so viel zu tun. Hoffe du bist nicht böse. -.- Bis zum nächsten Mal!^^
Von:  Komira
2007-10-29T20:46:20+00:00 29.10.2007 21:46
So, hier meldet sich nun ein neuer Leser zu Wort.
Wobei neu auch nicht wirklich stimmt ^^
Ich lese deine FF schon sein längerem und saß ganz schön auf heißen Kohlen, als diese Kapitel so lange auf sich warten lies.
*ihr Popo immer noch weh tut*
Aber ich bin heil froh, dass es endlich weiter geht.
Hab schon befürchtet, du hättes die Story an den Nagel gehängt ó.ò
Dabei liiiieeeeebe ich sie soooo sehr *.*
Du schreibs wahnsinig gut!
So dramatisch, dass man heulen könnte und dann wieder so lustig, dass einem die Lachtränen kommen. (besonders, wenn Miro wieder was in seine Griffel bekommen will XD)
Deine Art zu beschreiben ist klasse! Da bekommt man einen tollen Einblick in jeden Charakter.
Und deine Kapis sind immer so schön lang *schwerm*
Also, ich hoffe, dass das nächste Kapi etwas schneller kommt, bei dem Abbruch kann ich es wieder kaum erwarten *zappel* und natürlich, dass noch einige Kapitel folgen werden.
Ich will mehr!!! *süchtel*

Ich schieb das Ding jetzt in meine Favos, damit ich etwas mehr auf dem laufenden bleibe ^^
Liebe Grüße, deine dich verehrende Komi ^^
Von: abgemeldet
2007-10-29T19:52:44+00:00 29.10.2007 20:52
also da ist echt ein sehr schönes und dramatisches Kapitel. Das lange Warten hat sich hierfür echt gelohnt. Ich würde mich freuen, wenn du mir beim nächsten Kapitel einen ENS schickst, damit ich es auch ja nicht verpasse. DANKE.
So und nu freue ich mich schon auf dein nächstes Kapitel^^

Von:  Schalmali
2007-10-25T10:45:26+00:00 25.10.2007 12:45
Na puh... kann Hotepneith nur zustimmen, dramatisch ist das Kapitel hier. Ein Auf und Ab der Gefühle, vor allem für die Charaktere in der Geschichte ^^ Jedenfalls ein ganz schönes "Cliffhanger"-Ende. Inuyasha läuft weg von einer Stimme getrieben die ihm anscheinend nichts gutes will, denn wir wissen ja, dass seine Freunde ihm nichts getan hätten... die ihn hoffentlich aber schnell wieder finden bei seiner Wunde da. Sesshoumaru wurde nun von dem Youkai gefunden der schon Inuyasha mehr oder weniger auf dem Gewissen hat... komisch komisch ... was lässt Sesshoumaru dabei so in die Knie gehen? Ich meine als Inuyasha mit dem Typen von Fieso-Youkai kämpfte konnte er ja auch noch problemlos stehen und musste wohl nur vor der Kraft des Kerls kapitulieren... Na bin gespannt was du dir noch alles einfallen lässt. Stellenweise fand ich es etwas zäher zu lesen. Glaube als du in die Beschreibung einzelner Bewegungen abgeschweift bist. Mal eine Gestik genauer zu beschreiben finde ich gut, aber wenns zu oft hinteinander ist, schweifts meiner Meinung nach zu sehr in die Gliedmaßen ab und die Bewegungen, aber da kommt dann die Geschichte an sich etwas zu kurz bzw. wird eben zähflüssiger. Egal ansonsten wieder interessant geschrieben!
Von:  Hotepneith
2007-10-23T21:41:31+00:00 23.10.2007 23:41
ohoh...ein sehr langes und dramatisches Kapitel...

Und es wird auch Zeit, dass der,sich im Schatten verbarg, sich zeigt. Soviel Unsicherheit und Leid....

mach nur weiter...und, wenn es geht,ein wenig schneller^^


bye

hotep


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