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A fairytale of love and hate

von

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Lest und urteilt selbst...
 

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A fairytale of love and hate 01
 

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Simon Drachentöter, einziger Sohn Königs Bardons, beschließt die Tochter von König Golwin für sich zu gewinnen und mit dieser Heirat ein Bündnis zwischen den beiden größten Königreichen des Kontinents zu formen. Er begibt sich nach Tanelon, nicht ahnend, das dort sein Schicksal auf ihn wartet.
 

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Die kleine Schar Reiter folgte dem Lauf des Flusses um eine Biegung, nahm im Galopp die nächste Anhöhe und sah ihr Ziel zum Greifen nah vor sich.
 

Nicht weit entfernt erhob sich Tanelon, eine reiche und mächtige Stadt, die von dem ebenso reichen und mächtigen Golwin regiert wurde.
 

Der Anführer der Schar, ein wahrer Riese von fast zwei Metern, spornte noch einmal sein Pferd an. Kaum konnten seine Männer Schritt mit ihm halten, als er ihnen voran durch das offene Stadttor preschte und ihren Blicken entschwand. Sie holten ihn erst wieder kurz vor den Toren des Palastes ein, wo er sein Pferd zügelte und auf sie wartete. Gemeinsam ritten sie in den Hof des königlichen Schlosses ein.
 

Simon Drachentöter, der junge Prinz, der durch seinen Sieg über den schrecklichsten aller Drachen zu Ruhm gelangt war, blieb im Sattel und erwartete das Erscheinen eines Bediensteten, dem er seine Ankunft melden konnte.
 

Ihre Ankunft löste eine Welle von Aufregung und Verunsicherung aus, die bald auch dem König zu Ohren kamen, der in seinem Ratssaal hockte und mit seinen Ministern über die miserable Ernte sprach.
 

"Was ist denn da los?!" Golwin runzelte die Stirn und winkte einem der Diener, damit dieser nachschaute.
 

"Da unten sind ein paar Reiter, Eure Hoheit!"
 

"Wirklich?! Wer ist es denn?!"
 

"Das weiß ich nicht, Eure Hoheit! Dieses Wappen habe ich noch nie gesehen!"
 

Golwin erhob sich leise seufzend und begab sich selbst zum Fenster. Seine Räte folgten ihm umgehend. Schweigend starrten sie minutenlang hinunter und keiner von ihnen wußte, wer dort angekommen sein mochte.
 

"Schafft Toren her. Er muss sich dies ansehen." Während sie auf die Ankunft des königlichen Traumwebers warteten, tappte Golwin ungeduldig mit den Fingerspitzen gegen den Fensterrahmen. Schon oft hatte er seinem Traumweber befohlen, an den Ratssitzungen teilzunehmen, doch bisher hatte der junge Mann sich immer gedrückt. Golwin beschloß, dass sich dies von nun an ändern würde.
 

Es dauerte nicht lange und Toren erschien atemlos neben seinem König. Er warf einen kurzen Blick auf die Reiter im Innenhof und zuckte unbeeindruckt mit den Schultern. "Das müsste Simon Drachentöter sein," mutmaßte er schließlich, kaum das er einen Blick auf die Reiter geworfen hatte. "Niemand sonst würde eine Eskorte von nur sechs Reitern mitbringen. Außerdem sieht man auf seinem Banner einen von einem Schwert durchbohrten Drachen!"
 

Der König wandte sich brüsk ab und ließ Toren einfach stehen. Er ärgerte sich, dass ihm die Bedeutung des Wappens nicht klar geworden war und beschloß, seinen Gast persönlich im Schloßhof zu begrüßen.
 

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Auch in den Frauengemächern war die Ankunft des Drachentöters nicht unbemerkt geblieben und hinter dem Fenster der Kemenate drängten sich Erlind und ihre Zofe Mailie, um einen Blick auf den Besucher zu erhaschen.
 

"Wer mag das sein? Wieder einer dieser schrecklichen heiratswütigen Prinzen?" Erlind lehnte sich noch ein wenig weiter vor und erkannte endlich das Wappen, welches der geheimnisvolle Fremde mit sich führte. "Das gibt es doch nicht! Das ist der Drachentöter!"
 

Ihre Zofe wippte aufgeregt auf den Fußballen. "Oh, schaut doch nur! Das muss der Drachentöter sein, der Große mit den blonden Haaren! Seht Ihr wie stattlich er ist? Wenn er um Euch freit, werdet Ihr doch ganz sicher annehmen?! Nicht wahr?"
 

In diesem Augenblick sah Simon kurz auf und Erlind trat rasch einen Schritt zurück. Mailie sank beinahe in Ohnmacht, als sie selbst auf diese Entfernung die strahlend blauen Augen des Mannes bemerkte. "So ein gutaussehender Mann! Oh, Erlind! Wie es scheint, hat das Warten sich doch gelohnt!"
 

"Rede keinen Unsinn!" fuhr Erlind ihre Zofe ungehalten an und rückte ihren Schleier zurecht. Auch sie war beeindruckt vom Äußeren des Mannes, wollte sich dies jedoch nicht anmerken lassen. "Ich werde ihn ja nachher sicher noch kennenlernen und wahrscheinlich wird er sich als einfältiger Narr entpuppen, dessen Intelligenz nur dazu ausreicht, um ein Schwert richtig zu halten."
 

Ihre Zofe schüttelte nur den Kopf. "Ihr seid schrecklich zynisch."
 

"Mag sein," stellte Erlind unbeeindruckt fest und kehrte zu ihrer Stickarbeit zurück, die sie fallengelassen hatte, als sie die Reiter im Hof hörte. "Aber ich will mein Leben nicht mit jemandem verbringen, der nur Krieg und Zerstörung im Kopf hat."
 

"Ganz anders als Euer Elfenlord, nicht wahr?" konnte Mailie sich nicht verkneifen einzuwenden und empfing dafür einen tadelnden Blick aus den dunkelblauen Augen ihrer Herrin.
 

"Du weißt ebenso gut wie ich, dass Toren nicht von Elfen abstammt! Schon als Kind wurde er immer wegen seinem Aussehen gehänselt, aber jeder weiß doch, dass da kein Fünkchen Wahrheit enthalten ist. Erzähl also keinen Unsinn, Mailie!"
 

"Nun, dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass Ihr Euch für ihn interessiert. Leugnet es nicht, ich kann es Euren Augen ansehen, wenn Ihr ihn anschaut." Mailie konnte es nicht lassen. Ihr gefiel es, ihre Herrin in die Enge getrieben zu haben. Es war einer der seltenen Momente, in denen sie ein wenig Macht über Ihre Herrin hatte.
 

"Toren wird mich niemals als mögliche Gemahlin ansehen. Für ihn bin ich nichts weiter als die Prinzessin dieses Landes. Das wird sich niemals ändern, so sehr ich es mir auch wünsche." Erlind ärgerte sich ein wenig, dass sie so viel von ihren Gefühlen offenbart hatte, aber Mailie war ihre einzige wirkliche Vertraute am Hof ihres Vaters. Ihre Mutter war bei ihrer Geburt gestorben und Mailies Mutter hatte Erlind zusammen mit ihrer Tochter aufgezogen. Die junge Prinzessin war so in Gedanken versunken, dass sie Mailies nächste Worte beinahe überhört hätte.
 

"Vielleicht solltet Ihr mal etwas anderes versuchen."
 

"Was meinst du?"
 

Mailie stützte die Hand auf ihr Kinn und nickte zum Fenster hin. "Warum nutzt Ihr nicht die Ankunft des Drachentöters für Eure Zwecke aus? Weist ihn nicht sofort ab. Tut so, als hättest Ihr Interesse, aber haltet ihn dennoch auf Abstand. Sagt Eurem Vater er soll den Drachentöter einige Wochen hier behalten, damit Ihr ihn kennenlernen und Euch ein Urteil bilden könnt. In der Zwischenzeit werdet Ihr Euch mit ihm unterhalten, ausreiten, den Markt besuchen. Ihr wißt schon, all die Dinge, die Verliebte zusammen unternehmen. Vielleicht merkt Toren dann, wie viel Ihr ihm bedeutet."
 

Langes Schweigen folgte diesen Worten, dann lächelte Erlind kaum merklich und beugte den Kopf über ihre Stickerei. Mailie war gar nicht so dumm. Eifersucht war eines der stärksten Gefühle und warum sich nicht dieses Gefühls bedienen um zum Ziel zu gelangen? Erlinds Entschluß stand fest. Sie würde Simon benutzen, um Toren endlich für sich zu gewinnen. Im schlimmsten Falle würde sie den Drachentöter heiraten müssen, doch dieses Risiko nahm sie gern in Kauf.
 

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Simon wurde immer nervöser. Seine Gedanken überschlugen sich. Er war in der Absicht gekommen, die Hand von Golwins Tochter Erlind zu erbitten, aber nun, wo es fast soweit war, überwältigte ihn Panik. All die Sätze, die er sich sorgfältig zurechtgelegt hatte, schwanden einer nach dem anderen aus seiner Erinnerung. Daher war er mehr als glücklich, als endlich eine Abordnung von gut einem Dutzend Männern aus dem Schloß trat.
 

"Dies ist Golwin!" zischte einer der anderen Reiter Simon zu, der den tanolonischen König voller Skepsis betrachtete. Golwin war nicht gerade so, wie er sich den Mann vorgestellt hatte, dem eines der größten Reiche dieser Gegend untertan war. Er war nicht klein, aber damit war eigentlich auch schon alles Positive über ihn gesagt, denn sein schlaffes Gesicht kündete von einem ausschweifenden Leben und sein schwammiger Körper von zu wenig Bewegung.
 

Simon kamen Zweifel an seinem Vorhaben. Als er aufgebrochen war, hatte er seinem Vater verkündet, er würde die schöne Erlind freien, Golwins Tochter, die bisher jeden Bewerber abgelehnt hatte. Simon sah nun ihren Vater vor sich und nun fragte er sich ernsthaft, ob die Gerüchte über Erlinds Schönheit nichts weiter waren als Lügen. Nicht auszudenken, wenn sie aussah wie Golwin!
 

"Simon Drachentöter?!"
 

Auch das noch! Simon zuckte um ein Haar zusammen, als er Golwins zaghafte Stimme vernahm. Wer hatte diesen Mann nur zu einem König gemacht? Rasch überlegte er, was er antworten könnte. Er wollte nun nichts mehr von seinem Willen, Golwins Tochter zu freien, verlauten lassen. Zumindest so lange nicht, bis er Erlind gesehen hatte. Ihm wurde bewußt, dass die Augen aller Anwesenden auf ihm ruhten und verzweifelt suchte er nach einem Ausweg. Als die anhaltende Stille gerade peinlich zu werden drohte, kam ihm eine Idee.
 

"König Golwin! Ihr seid ein mächtiger König und ich bin in meinem Reich ebenso mächtig wie Ihr! Wie wäre es, wenn wir uns in einem sportlichen Wettkampf messen? Der Sieger wird Herrscher über beide Reiche!" Simon ignorierte die erstaunten Blicke seiner Begleiter und konzentrierte sich auf sein Gegenüber. So kam er in den Genuß mit anzusehen, wie Golwins fröhliche Miene in sich zusammenfiel und gratulierte sich im Stillen für seinen Einfall. Wieder herrschte Schweigen.
 

"Seid Ihr kleine Kinder, dass Ihr aus einer Laune heraus um ein Königreich spielt? Dies ist keinem Herrscher würdig," mischte sich eine neue Stimme in die Angelegenheit, ehe Simon Golwin noch weiter zusetzen konnte. Der Drachtentöter presste wütend die Lippen aufeinander. Er konnte sich schon denken, wer das war. Es gab mit Sicherheit nur einen einzigen Mann in ganz Tanelon, der sich so etwas herausnehmen durfte und dabei handelte es sich um den Berater des Königs: Toren Feenherz, der Traumweber des Königs, dessen magische Fähigkeiten weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt waren und der durch seine Vorhersagen und Träume dazu betrug, Golwin auf dem Thron zu halten.
 

Die Stimme war hinter Simon erklungen und dieser wandte sich schnell in die Richtung, aus der er sie vernommen hatte. Zunächst konnte er Toren in der dichtgedrängt stehenden Menge nicht entdecken, doch dann traten die Menschen auseinander und Toren stellte sich neben seinen König. Simon starrte ihn fassungslos an.
 

Ein schlanker junger Mann von mittlerer Größe. Schwarze Haare, glänzend wie geborstene Kohle. Augen so grün wie Frühlingsgras nach einem Regenschauer und dazu so gutaussehend, dass es beinahe unecht wirkte.
 

Simon schluckte schwer. Er war völlig verwirrt. Dies konnte nicht Toren sein! Hieß es nicht, er sei schon der Berater des Königs gewesen, als Golwin noch ein kleiner Junge war? Doch sein Gegenüber war höchstens zwanzig Jahre alt. Vier, vielleicht fünf Jahre jünger als er selbst. Vielleicht war er einer von Golwins Neffen? Nein, sein Aussehen sprach dagegen. Golwin war blond und auch Erlind sollte den Gerüchten nach blond sein. Ein Merkmal, welches sie sicher auch mit ihren anderen Familienmitgliedern teilte.
 

Für einige Augenblicke sprach niemand. Simon stellte bestürzt fest, dass er sein Gegenüber die ganz Zeit über beinahe verlangend angestarrt hatte. Rasch sah er zur Seite. Leichte Röte stieg ihm in die Wangen von der er hoffte, man würde sie für Zorn halten.
 

"Und wer seid Ihr?!" Simon gab seiner Stimme einen abschätzigen Unterton und versuchte so, seine Erregung zu überspielen.
 

"Das ist Toren. Einer meiner Berater," mischte sich Golwin wieder ein, dem es nicht gefiel, dass ein anderer im Mittelpunkt stand. Toren neigte nur den Kopf und begegnete Simons Blick mit kaum verhohlenem Spott.
 

Einige Sekunden lang maßen Simon und Toren sich wortlos, dann wandte Simon sich rasch ab. Ihm war ein wenig schwindlig. Torens dunkles Haar glänzte in der Mittagssonne wie das Gefieder eines Raben und irgendwie fielen ihm bei diesem Anblick Dinge ein, die ihm die Schamröte ins Gesicht trieben.
 

"Euer Berater hat recht! Es war eine recht kindische Idee," lenkte er hastig ein und registrierte mit Erleichterung, dass Golwin nicht nachtragend zu sein schien. Der König lächelte strahlend und nickte ihm sein Einverständnis zu. Simon atmete erleichtert auf. endlich kam er aus dem Sattel heraus und das nicht eine Sekunde zu früh, wenn er das schmerzhafte Ziehen in seinen Lenden richtig deutete. Er brauchte jetzt so schnell wie möglich ein Bad. Am besten kalt.
 

"Kommt herein! Wir werden Eure Ankunft feiern!" Golwin winkte einem Stallburschen und wartete, bis Simon abgestiegen war, dann gingen sie hinein. Golwin redete ununterbrochen, doch Simon schenkte seinen Worten keine Beachtung. Sein Blick suchte unablässig nach Toren, den er in der Menge aus den Augen verloren hatte. Enttäuscht folgte er Golwin in die große Halle. Als sie gerade die Schwelle überschritten, erschien einer seiner Männer und schlug ihm freudig auf die Schulter. "Das lief doch gar nicht schlecht! Drinnen sind wir schon mal und bald werdet Ihr Erlind mit Euch nehmen können!"
 

Erlind? Simon fuhr schuldbewußt zusammen und lächelte hastig. Erlind hatte er völlig vergessen! Statt dessen fragte er sich, ob er Toren bald wiedersehen würde.
 

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Toren beobachtete, wie sein König und der Drachentöter in perfekter Eintracht das Schloss betraten und schüttelte fassungslos den Kopf. Golwin war wirklich ein Narr. Sein Vater hatte recht gehabt. Toren drehte sich um und verließ mit zügigen Schritten den Schloßhof.
 

Er suchte sich zielstrebig seinen Weg durch die dicht stehenden Häuser des Handwerkerviertels und verließ schließlich die Stadt. Wenige Minuten später umfing ihn die wohltuende Stille des Waldes und Toren atmete auf. Die Stadt mit ihren engen Gassen und den vielen Menschen wirkte oft bedrückend auf ihn und der junge Mann flüchtete wann immer die Gelegenheit sich bot hinaus in die freie Natur.
 

An einem kleinen Teich ließ er sich aufatmend nieder und schloß für einen Augenblick die Augen. Der Teich war sein Lieblingsplatz. Wann immer es ging kam er hierher um seinen Verpflichtungen zu entfliehen und endlich er selbst sein zu können.
 

Ganz in seiner Nähe raschelte es und als Toren die Augen öffnete, sah er gerade noch ein Kaninchen davonhoppeln, das sich in der Nähe unter einem Strauch verborgen hatte. Lächelnd verfolgte er den Weg des Kaninchens, bis dieses seinen Blicken entschwand und sich bis auf gelegentliches Vogelzwitschern nichts rührte.
 

Warum konnte er nicht für immer hierbleiben? Ob es überhaupt irgendjemanden auffallen würde, wenn er einfach nicht mehr an den Hof zurückkehrte? Toren schnaubte verächtlich. Natürlich würde es auffallen. Der König legte sehr viel Wert auf seine Anwesenheit und auch Erlind hing an ihm. Er verstand zwar nicht warum, aber die junge Frau suchte beständig seine Nähe. Sie war nett und zuvorkommend zu ihm und behandelte ihn meistens wie einen großen Bruder, doch manchmal hatte Toren das Gefühl, als sei da noch etwas anderes. Als wolle Erlind mehr, als er ihr jemals geben konnte. Nicht, das er Erlind nicht gemocht hätte, aber sein Leben war auch so schon kompliziert genug.
 

Toren beugte sich vor, so dass er sein Spiegelbild im Teich betrachten konnte und fragte sich wohl zum hundertsten Mal, womit er sein Aussehen, das ihn von allen anderen unterschied, verdient hatte. Nun, an seinen Haaren war nichts auszusetzen. Viele der Männer hatten schwarze Haare und auch grüne Augen waren nicht so selten, dass sie unnötige Aufmerksamkeit erregt hätten. Doch womit ließ sich die glatte Haut seines Gesichts erklären, die trotz seiner neunzehn Jahre noch nicht einmal den Schatten eines Bartes aufwies, oder sein leichter, fast schon zierlicher Körperbau? Kein Wunder, dass die anderen ihn für einen Elfen hielten und ihm den Beinamen Feenherz angedichtet hatten. Toren Feenherz, verkappter Elf und unfähiger Seher. Der junge Mann lachte bitter auf und erschreckte damit eine Amsel, die sich neben ihm niedergelassen hatte. Der Vogel zwitscherte wütend und flatterte davon.
 

Sein Vater war der beste Seher gewesen, den das Königreich jemals gehabt hatte und das Toren seinem Vater darin nicht das Wasser reichen konnte, belastete ihn sehr. Doch Golwin zeigte sich mit seinen Leistungen zufrieden, verfügte der junge Mann doch über eine Fähigkeit, die seinem Vater verwehrt geblieben war.
 

Toren war ein Traumweber. Er konnte seine Träume steuern und für andere wahr werden lassen. Torens Vater hatte diese Gabe in seinem erst dreijährigen Sohn entdeckt und gnadenlos gefördert. Toren erinnerte sich nur noch verschwommen an den ersten Traum, den er in seinem Leben gewoben hatte. Völlig unbewußt war es geschehen, doch schon damals hatten seine Kräfte seinen Traum Realität werden lassen und dabei um ein Haar das Dorf vernichtet, in dem seine Mutter und er damals lebten.
 

Als sein Vater, der von seiner Familie getrennt am Königshof lebte, davon erfuhr, hatte er seinen Sohn zu sich geholt. Diese plötzliche Trennung hatte seine Mutter niemals überwunden. Sie hatte ihrem Mann angefleht, den Jungen bei ihr zu lassen, doch Torens Vater hatte sie grob beiseite gestoßen und war zusammen mit seinem Sohn davon geritten. Toren hatte seine Mutter niemals wiedergesehen.
 

Die folgenden Jahre waren Jahre voller Schmerzen. Die Ausbildung zum Traumweber war eine der schwersten innerhalb der magischen Zunft und für den erst dreijährigen Toren war die Belastung beinahe zu viel. Doch sein Vater setzte sich durch und schuf so für seinen Herrscher einen starken Nachfolger.
 

Und jetzt war sein Vater tot und Toren war das Eigentum des Königs. Im wahrsten Sinne des Wortes. Toren lief ein eisiger Schauer über den Rücken und unbewußt tastete er mit einer Hand nach den unter seinem Ärmel verborgenen Narben, die das Messer des Königs in seine Haut gegraben hatten um ihn als dessen Eigentum zu kennzeichnen.
 

Wie lange würde er dieses Leben noch durchhalten? Er wusste es nicht. Wie oft hatte er sich gewünscht er könne einfach davonlaufen, doch er wusste genau Golwin würde ihn zurückholen lassen und was der König dann mit ihm machen würde... Toren seufzte. Es hatte keinen Sinn. Seine Träume würden sich nie erfüllen. Golwin würde ihn irgendwann zugrunde richten und es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Langsam stand er auf und ging zurück in Richtung Stadt.
 

tbc

@HAIR: Vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich habe den ersten Teil ein klein wenig verändert und nun geht es weiter^^
 

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A fairytale of love and hate 02
 

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"Ich möchte, dass du dich ein wenig um den Drachentöter kümmerst." König Golwin wanderte ruhelos hin und her. Er hatte sich lange mit Simon unterhalten und als dieser schließlich von den Dienern in eines der Gästezimmer geführt wurde, nutzte Golwin die Möglichkeit auf schnellstem Wege in seine Gemächer zurückzukehren, wo Toren bereits auf ihn wartete. "Ich möchte wissen, woran ich bei ihm bin. Ist er wirklich nur hier, um Erlind zu freien oder will er etwas anderes? Ich muss Gewißheit haben."
 

Toren sah nur kurz von seiner aktuellen Tätigkeit auf, dann konzentrierte er sich wieder auf das Schachbrett und schob seinen Läufer ein Feld weiter. "Schach."
 

Golwin hielt in seiner Wanderung inne und blickte verwirrt auf das Spiel herab. "Tatsächlich. Du spielst gut."

Der junge Mann zuckte nur mit den Schultern. "Mein Vater hat es mich gelehrt."
 

"Dein Vater hat dich viele Dinge gelehrt."
 

Nicht sicher, was er von dieser Aussage halten sollte, sah Toren verwundert auf, nur um festzustellen, dass der König sich im bis auf wenige Zentimeter genähert hatte und seine Hand auf der Lehne von Torens Stuhl ruhte.

"Du siehst deinem Vater gar nicht ähnlich."
 

"Mein Vater sagte immer, ich wäre meiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten." Die plötzliche Nähe Golwins machte ihn ein wenig nervös, doch Toren zwang sich dazu, völlig ruhig zu bleiben. Als die Hand des Königs allerdings unter sein Hemd glitt, geriet sein Entschluß unter sich unter keinen Umständen etwas anmerken zu lassen, ins Wanken.
 

"Ich denke, ich werde jetzt gehen." Toren sprang auf, doch Golwin faßte blitzschnell zu und drückte ihn wieder auf seinen Stuhl herab.
 

"Nein, das wirst du nicht. Ich bin noch nicht fertig mit dir." Golwin hielt Toren weiterhin an den Schultern gefaßt und begann langsam durch dessen Haar zu streichen. "Behalte den Drachentöter im Auge, Toren. Ich möchte nicht eines Tages aufwachen und feststellen, dass Tanelon einen neuen König hat."
 

"Und wie soll ich ihn daran hindern, sollte er dies tatsächlich vorhaben?"
 

Golwin vergrub seine Hand in den weichen Strähnen von Torens Haar und zwang dessen Kopf zurück, um ihm in die Augen sehen zu können. "Du wirst schon einen Weg finden, Toren. Da bin ich ganz sicher."
 

"Aber ich bin keineswegs sicher, ob ich das wirklich möchte!" wagte Toren einzuwenden und wurde dafür mit einem harten Schlag gegen seine Wange belohnt.
 

"Widersprich mir nicht, Toren. Tu einfach was ich dir sage und überlaß das Denken mir." Toren antwortete nicht, sondern senkte nur den Kopf und ließ Golwin mit ihm machen, was er wollte.
 

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Endlich hatte er den Reisestaub von seinem Körper gewaschen und Simon fühlte sich wie neugeboren. Zufrieden glättete er seine Tunika und warf seine schulterlangen Haare zurück. Das musste reichen.
 

Er ging hinaus und dank seines guten Orientierungssinns fand er ohne Schwierigkeiten den Weg in die große Halle, in der die Mahlzeiten eingenommen wurden.
 

Es war bereits ziemlich voll als durch die Tür trat und es dauerte einige Sekunden, ehe einer der Diener ihn bemerkte und zu seinem Platz führte. Sie durchquerten die Halle und steuerten auf die Stirnseite zu, wo Golwin bereits am Kopfende des Tisches auf seinem Stuhl hockte und reichlich dem Wein zusprach. Gerade leerte er seinen Becher in einem Zug und gab einem der Pagen ein Zeichen. Der junge stürzte herbei und füllte den Becher des Königs bis zum Rand mit neuem Wein. Golwin nahm einen großen Schluck und begrüßte Simon dann voller Enthusiasmus.
 

"Ah, da ist ja unser Drachentöter! Setzt Euch zu mir, Simon!" Golwin wies auf den leeren Stuhl zu seiner Linken und Simon ließ sich vorsichtig darauf nieder. Er war daran gewöhnt, dass viele Möbel nicht für seine Größe zugeschnitten waren und so war es auch hier. Sorgfältig das Gleichgewicht haltend, rückte er den Stuhl soweit zurück, das er wenigstens die Beine ausstrecken konnte, ohne nach Ablauf des Abends einen Krampf befürchten zu müssen. Als er seine Aufmerksamkeit dem König zuwandte, wehte ihm eine Alkoholfahne ins Gesicht, die ihn beinahe umwarf.
 

"Ich hoffe, Eure Unterkunft gefällt Euch."
 

"Aber ja." Simon versuchte unauffällig seinen Abstand zu dem König zu vergrößern, doch zu seinem Entsetzen folgte Golwin ihm.
 

"Ich habe für Euch einen der schönsten Räume vorbereiten lassen." Golwin beugte sich noch ein wenig weiter vor und legte dem jungen Mann an seiner Seite die Hand auf den Arm.
 

"Ich danke Euch, Golwin," sagte Simon mit einem gequälten Lächeln und hoffte nur, man würde ihm seinen Ekel dem Herrscher gegenüber nicht anmerken.
 

"Erzählt mir von Euch, Drachentöter! Stimmt es, was man sich über Eure Herkunft erzählt? Seid Ihr wirklich von einem Zwerg aufgezogen worden?"
 

Simon ließ langsam seinen Becher sinken und starrte Golwin ungläubig an. Als er nach mehreren Sekunden immer noch nichts gesagt hatte, begann Golwin, unruhig auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen.
 

Endlich hatte Simon sich wieder so weit in der Gewalt, dass er einigermaßen normal antworten konnte. "Ich weiß nicht, wer dieses haarsträubende Gerücht in die Welt gesetzt hat und es kümmert mich auch nicht. Ich kann nur nicht verstehen, warum erwachsene, vernünftige Männer auf solche Märchen hereinfallen."
 

Schweigen breitete sich zwischen Simon und dem König aus. Golwin betrachtete ihn mit drohend zusammengekniffenen Augen und wollte gerade zu einer harschen Antwort ansetzen, als er auf einmal eine Hand auf seinen Magen presste. Für einen Augenblick schien es, als wolle er aufspringen, doch dann verdrehte er nur die Augen und sank bewußtlos in sich zusammen.
 

Erschrocken sprang Simon auf und sah sich nach Hilfe um. War Golwin etwa vergiftet worden? Hatte denn niemand etwas bemerkt?
 

In diesem Augenblick eilten zwei Diener herbei und hievten sich den König auf die Schultern, dann trugen sie ihn hinaus.
 

"Was...?"
 

"Keine Sorge. Das passiert öfter. Der König ist bekannt dafür gerne mehr zu trinken als ihm gut tut," mischte sich derjenige, der auf der anderen Seite des Drachentöters gesessen hatte auf einmal in das Geschehen ein. Simon drehte sich langsam zu dem Sprecher um.
 

"Ihr wollt mir tatsächlich erzählen, dass dies ein so alltäglicher Anblick ist, das sich niemand etwas dabei denkt?" Er konnte es nicht glauben. Wie konnte ein erwachsener Mann, ein ,Herrscher', sich so gehenlassen?
 

"Schon lange nicht mehr. Wir dürfen uns fast jeden Abend an diesem Bild erfreuen." Der junge Mann strich eine widerspenstige Strähne blaßroten Haares aus der Stirn und reichte Simon die Hand. "Ich bin Marten von Tanelon." Als er Simons fragenden Blick fügte er erklärend hinzu: "Genau wie unsere schöne Stadt. Ich bin als Säugling hier ausgesetzt worden und eine der Hofdamen der Königin hat mich an Sohnes Statt angenommen," der junge Mann seinem Gegenüber,
 

"Glück gehabt."
 

"Kann man wohl sagen." Marten füllte seinen Becher nach und nahm einen kräftigen Schluck. "Wenn Lady Halena mich nicht adoptiert hätte, dann wäre ich jetzt entweder längst tot oder würde irgendwo mein Dasein als Tagelöhner oder Bettler fristen."
 

In diesem Augenblick öffneten sich die Türen der Halle und die Diener brachten den zweiten Gang herein. Sie räumten die mittlerweile leeren Platten des ersten Ganges ab und waren so schnell wieder verschwunden, dass Simon es kaum mitbekam.
 

Für lange Zeit sprach niemand mehr, alle waren zu sehr damit beschäftigt, sich ihren Tellern und den darauf befindlichen Köstlichkeiten zu widmen.
 

Als Marten den letzten Bissen genommen hatte und sein Becher schon wieder leer war, lehnte er sich mit einem zufriedenen Seufzen zurück und nahm das unterbrochene Gespräch wieder auf.
 

"Und da seid Ihr den ganzen weiten Weg von Meracien hierher geritten, nur um eine Prinzessin zu freien, die Euch wahrscheinlich gar nicht will?"
 

Simon warf dem Ritter einen belustigten Blick zu. "Wer sagt denn, dass Prinzessin Erlind mich nicht will? Schließlich hat sie mich doch noch gar nicht kennengelernt. Ist sie wirklich so hübsch wie man sagt?"
 

"Reine Erfahrungswerte, denn sie hat bisher jeden abgelehnt und ja, sie ist wunderschön. Schon als Kind hat sie alle anderen in den Schatten gestellt, doch jetzt wo sie erwachsen ist..." Marten lächelte verträumt. "Wir sind zusammen aufgewachsen, wißt Ihr? Erlind und Toren und ich. Wir waren immer zusammen. Es war eine schöne Zeit."
 

Toren. Erst in diesem Augenblick fiel Simon auf, dass der Berater nirgendwo zu sehen war. Er sah sich neugierig um, doch auch an den anderen Tischen war Toren nicht zu finden. "Wo wir gerade von ihm sprechen, wo ist denn der Berater? Ich habe ihn noch gar nicht hier gesehen."
 

"Das werdet Ihr auch nicht." Marten zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Der König hat Toren verboten an den Mahlzeiten teilzunehmen. Er speist in der Regel in seinen Gemächern."
 

Merkwürdig. Simon runzelte nachdenklich die Stirn. Ein Verbot an Mahlzeiten teilzunehmen? Wo hatte man so einen Unsinn schon einmal gehört? "Warum hält der König denn seinen Seher so unter Verschluß? Hat er Angst, dass Torens Talent unter dem gemeinen Volk Schaden nimmt?"
 

Marten brach in schallendes Gelächter aus und schüttelte den Kopf. "Aber nein. Golwin will ihn nur ganz für sich allein. Wenn Ihr versteht was ich meine."
 

"Oh." Simon wurde rot. Natürlich. Warum hatte er nicht gleich daran gedacht?
 

Marten klopfte ihn wohlwollend auf die Schulter, als er Simons betroffenes Gesicht bemerkte. "Nun schaut nicht so unglücklich. Toren ist ein gutaussehender junger Mann und unser König liebt schöne Dinge."
 

Simons Gesicht färbte sich noch ein paar Schattierungen dunkler als er sich so schnell durchschaut sah. Die Tatsache, dass er Männer lieber mochte als Frauen hatte er bisher immer sorgsam geheim gehalten. Sein Vater würde wahrscheinlich vor Scham sterben, sollte er von den Neigungen seines Sohnes erfahren und Simon hatte schon zu oft gesehen, wie verächtlich Männer von der Gesellschaft behandelt wurden, die sich zu ihrer Vorliebe dem gleichen Geschlecht gegenüber bekannten. Das ganze brachte mehr Probleme, als er gebrauchen konnte und dennoch ekelte der Gedanke, dass Golwin seine fetten Hände an Toren legen sollte, ihn an. Toren war viel zu hübsch, um sich an so einen Mann wie Golwin zu verschwenden. Auf einmal ertappte Simon sich dabei, wie er sich wünschte, an Golwins Stelle zu sein.
 

Zeit, das Thema zu wechseln. Simon nutzte die Gelegenheit selbst einige Fragen zu stellen. "Ihr sagtet vorhin, Toren sei mit Euch zusammen aufgewachsen. Wie kann das sein? Ich dachte, der Berater König Golwins sei fast sechzig Jahre alt sein mit einem Gesicht voller Pockennarben. Je nachdem wen man fragt, auch einäugig oder wahlweise auf einem Bein lahm."
 

"Ihr meint Torens Vater. Die beiden hatten den gleichen Vornamen. Der alte Toren ist vor zwei Jahren verstorben und seitdem hat sein Sohn das Amt des königlichen Hofwahrsagers inne. Es ist ein vererbliches Amt. Der arme Toren hatte gar keine andere Wahl, als in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, obwohl er dem Hof am liebsten den Rücken kehren würde."
 

Nun, das erklärte so einiges. Zufrieden gönnte Simon sich noch einen Becher Wein und überlegte sich eine Strategie für den nächsten Tag. "Sagt, Marten... was könnt Ihr mir im Umgang mit Erlind empfehlen? Ich werde sie morgen früh kennenlernen und bin ziemlich nervös."
 

Der Ritter sah kurz auf seine Hände, ehe er leise antwortete: "Erlind ist eine schwierige Frau. Ich kann Euch nicht sagen, in welcher Stimmung Ihr sie antreffen werdet, das wechselt bei ihr immer ziemlich schnell. Den einen Augenblick fröhlich und voller Humor, im nächsten Moment tieftraurig. Ich kann Euch nur empfehlen, all Eure Worte genau abzuwägen, wenn Ihr Erlind für Euch gewinnen wollt."
 

"Sie verzeiht also keine Fehler?"
 

"Sie verzeiht vor allen Dingen keine Dummheit. Wenn sie eines haßt, dann sind es Männer, die nur Mord und Totschlag im Kopf haben. Wenn Ihr sie mit Euren Heldentaten beeindrucken wollt, habt Ihr schon verloren."
 

"Vielen Dank für Eure Ratschläge." Simon warf Marten einen kurzen Blick zu, konnte aber keinerlei Falsch in seinem Gesicht entdecken. Der andere begegnete seinem Blick offen und ehrlich. "Warum sagt Ihr mir das? Ich hatte den Eindruck, dass Ihr Erlind für Euch wollt."
 

"Wollen vielleicht," sagte Marten traurig. "Aber niemals bekommen. Golwin würde sie niemals einem einfachen Ritter geben. Außerdem seid Ihr mir sympathisch und gemessen an den anderen, der Beste, der bisher um Erlind angehalten hat. "
 

Simon nahm dieses versteckte Kompliment erstaunt zur Kenntnis, doch ehe er etwas erwidern konnte, stand Marten auf und verließ ohne ein weiteres Wort den Saal.
 

tbc

@jeanne123: Vielen Dank^^ Bin froh, dass die Story Dir gefällt. Wie lang sie wird, weiß ich jetzt noch nicht, aber es werden schon ein paar Kapitel zusammenkommen. Ich versuche auch, das ganze so ausführlich wie möglich zu schreiben, daher könnte es sein, dass es mit den Updates länger dauert. Trotzdem viel Spaß^^
 

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A fairytale of love and hate 03
 

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Der nächste Morgen brachte Regen und Sturm. Simon drehte sich verschlafen von einer Seite auf die andere, seinen Aufenthalt im Bett so lange wie möglich hinauszögernd.
 

"Guten Morgen!" Marten stieß schwungvoll die Tür auf und wurde dafür von Simon mit einem gequälten Stöhnen bedacht. Der junge Mann zögerte einige Sekunden, dann ging er zum Fenster und öffnete es weit. Ein Schwall eiskalter Luft schoß ins Zimmer und Simon fuhr fluchend aus dem Schlaf auf.
 

"Kommt schon! Steht auf! Stellt Euch dem neuen Tag!"
 

Simon sah ihn an, als zweifele er an seinem Verstand, dann sah er aus dem Fenster und schüttelte sich. "Wieso regnet das? Gestern sah es doch so freundlich aus."
 

"Ihr klingt wie ein kleines Kind!" stellte Marten kopfschüttelnd fest und zog Simon die Decke weg. Den wütenden Protest des großen Mannes ignorierte er einfach. "Falls Ihr es vergessen habt, Lady Erlind erwartet Euch in weniger als einer Stunde in ihren Gemächern."
 

"Verdammt!" Simon fuhr aus dem Dämmerzustand auf, in dem er sich immer noch befunden hatte und tastete nach seiner Kleidung. Dann sprang er zur Waschschüssel und warf sich einige Handvoll der eisigen Flüssigkeit ins Gesicht und trocknete sich mit seinem Ärmel ab. "Das muss reichen. Habe ich das Frühstück verpaßt?"
 

Marten blieb der Mund offenstehen. "Und an was anderes könnt Ihr nicht denken?"
 

Simon zuckte gleichgültig mit den Schultern und trabte, nun völlig angezogen, zur Tür. Ein lautes Magenknurren untermalte seine Worte. "Morgens bin ich immer hungrig."
 

"Ich schätze, wir sollten uns beeilen." Marten konnte es immer noch nicht ganz fassen. Wie konnte jemand nur so verfressen sein?
 

"Nun schaut doch nicht so erstaunt!" Simon klopfte seinem Begleiter lachend auf die Schulter und bog um eine Ecke, nur um gleich darauf einige Schritte zurückzutaumeln. "Was zum...?"
 

Aus reinem Reflex heraus griff er zu ehe der andere hinfallen konnte und sah erst dann, mit wem er zusammengestoßen war.
 

"Toren?" Marten trat neben Simon und starrte seinen Jugendfreund fassungslos an. "Was ist denn passiert?!"
 

Der Berater wandte den Kopf ab und auf diese Weise bekam nun auch Simon die dunkelrot angelaufene Schwellung auf seiner linken Wange zu sehen, die Marten so entsetzt hatte.
 

"Hattest du einen Unfall?"
 

Toren Blick erschütterte Simon bis ins Mark. So viel Haß, so viel Schmerz. Doch ehe einer der beiden Männer etwas sagen konnte, war der Berater bereits wortlos davongeeilt. Simon machte Anstalten ihm hinterher zu eilen, doch Marten hielt ihn rasch auf.
 

"Laßt ihn."
 

"Aber er ist verletzt!" Simon sah der immer kleiner werden Gestalt Torens unbehaglich nach. Erst als Marten ihm die Hand auf den Arm legte, richtete er seine Aufmerksamkeit auf seinen Begleiter.
 

"Wenn Ihr ihm nachlauft, macht Ihr es nur schlimmer. Für ihn, für Euch." Marten suchte beinahe ängstlich den Blick seines Gegenübers, wollte wissen, ob er richtig lag mit seiner Vermutung. Was er in den blauen Augen des Drachentöters lesen konnte, erschreckte ihn.
 

"Er gehört dem König, Simon," sagte Marten sanft und hoffte, Simon würde diese kleine Anspielung verstehen und wie es schien, hatte er sich nicht geirrt.
 

"Ja." Simon drehte sich um und schritt zur Treppe. "Dem König. Er gehört dem König," sagte er leise vor sich hin. Doch er klang nicht überzeugt.
 

Marten sah ihm nach und eilte dann in die entgegengesetzte Richtung davon.
 

+++
 

Toren warf seine Kleidung ab, kaum das er seine Gemächer betreten hatte und eilte zur Waschschüssel. Er war nur von einem einzigen Gedanken beseelt. Alles abzuwaschen, was ihn an Golwin erinnern würde. Seine Berührungen, seinen Geruch, seinen Samen. Am liebsten hätte er auch seine Erinnerungen fort gewaschen aber dies war das einzige, was ihm niemals gelingen würde.
 

Als er schließlich seine Haut so lange mit einer harten Bürste traktiert hatte, bis an einigen Stellen beinahe das Blut hervorbrach, sank er langsam auf den Flur und vergrub weinend das Gesicht in den Händen.
 

"Toren?" Der junge Mann sah erschrocken auf, als er die leise Stimme hörte. Er war so erschrocken, dass es einige Minuten dauerte, bis der Schock sich legte und er den Sprecher erkannte.
 

"Marten! Was machst du denn hier?!" Verlegen tastete er nach seiner Kleidung, doch sein Freund war schneller. Er kniete neben dem Berater nieder und nahm dessen Hand in seine.
 

"Ich mache mir Sorgen um dich, Toren. Wie lange kannst du dieses Leben noch aushalten?" Marten drückte Torens Hand gegen seine Lippen und küsste die wundgescheuerten Handgelenke zärtlich. "Warum tut er dir das an?"
 

Er erhielt lange Zeit keine Antwort, dann stellte Toren leise fest: "Er sagt, er liebt mich."
 

Marten schnaubte verächtlich. "Liebe? Ist der Mann von Sinnen? Er zerstört dich!"
 

Sein Freund zuckte mit den Schultern und stand langsam auf. "Vielleicht ist es besser so."
 

"Idiot!" Marten war in Sekundenschnelle auf den Beinen und umklammerte Torens Schultern mit einem unnachgiebigem Griff, der Toren schmerzerfüllt das Gesicht verziehen ließ. "Wie kannst du so etwas nur sagen? Wie kannst du es auch nur ,denken'?"
 

"Ich..." Toren sah ihn an, seine Augen füllten sich mit Tränen. "Was habe ich denn, das sich zu leben lohnt? Jeden Tag Schmerzen und Erniedrigungen. Das ist alles, was ich jemals haben werde. Und wenn ich da hoffe, nein wünsche, endlich frei zu sein... ist es denn so falsch um Erlösung zu bitten?"
 

"Ach Toren, Toren..." Marten legte seine Stirn gegen Torens nackte Schulter und zog seinen Freund in eine feste Umarmung. "Ich würde dir so gerne helfen, aber die Hilfe die du willst kann ich dir nicht geben."
 

"Ich weiß." Toren erwiderte die Umarmung voller Verzweiflung. "Ich weiß."
 

Minutenlang standen sie so da, dann löste Marten sich langsam und zog den anderen zum Bett. "Du mußt diese Wunden versorgen lassen."
 

Danach sprachen sie kein Wort mehr und als Marten die Salbe beiseite legte und immer noch schweigend den Raum verließ, drehte Toren sich nicht um.
 

+++
 

Erlind blickte nachdenklich in ihren kleinen Handspiegel und kam zu dem Schluß, dass es nichts gab, was sie an ihren Aussehen verbessern konnte.
 

"Perfekt." Mailie zupfte ein Stäubchen von dem Ärmel ihrer Herrin und trat einen Schritt zurück, um sie besser in Augenschein nehmen zu können. "Ihr seht einfach großartig aus, Herrin!"
 

"Dann sollten wir jetzt unseren mutigen Bewerber hereinrufen." Erlind rückte noch einmal ihren Schleier zurecht, dann nahm sie auf einem weich gepolsterten Stuhl Platz und gab Mailie zu verstehen, dass sie bereit war, den Drachentöter zu empfangen.
 

Simon trat zögernd ein. Er hatte noch die halbe Nacht wach gelegen und über das bevorstehende Treffen nachgedacht und dementsprechend müde und zerschlagen fühlte er sich an diesem Morgen.
 

"Willkommen in Tanelon, Simon Drachentöter."
 

Der junge Mann unterdrückte gewaltsam ein mächtiges Gähnen und verbeugte sich höflich vor Erlind. "Ich danke Euch, Prinzessin. Ich bin hocherfreut, Euch meine Aufwartung machen zu dürfen."
 

"Setzt Euch doch. Möchtet Ihr etwas trinken?" Erlind gab ihrer Zofe ein Zeichen und Mailie reichte Simon einen Becher Wein. Dankbar nahm Simon ihn an und nahm einen kräftigen Schluck um sich zu beruhigen. Er durfte kein Risiko eingehen, dafür stand zu viel auf dem Spiel. Sein Vater verließ sich auf ihn und Simon wollte ihn um nichts in der Welt enttäuschen.
 

Erlind registrierte das leichte Zittern von Simons Händen mit leiser Belustigung. Das mochte einfacher werden als sei gedacht hatte. "Was führt Euch nach Tanelon, Drachentöter?"
 

"Nun..." Simon nahm noch einen Schluck Wein, dann stellte er rasch den Becher ab und sah Erlind gerade in die Augen. "Ich hörte von Eurer Schönheit und wollte sehen, ob die Gerüchte der Wahrheit entsprechen."
 

Erlind neigte ein wenig den Kopf zur Seite. In ihrer Stimme schwang ein kaum hörbarer spöttischer Unterton mit. "Gefällt Euch, was Ihr seht?!"
 

Simon nutzte die Gelegenheit, um Erlind einer genauen Musterung zu unterziehen. Sie war wunderschön, das konnte er nicht leugnen. Weizenblondes Haar, dunkelblaue Augen und ein Lächeln, das dem Betrachter die Sterne vom Himmel versprach. Erlind war hübsch, aber nicht mit Toren zu vergleichen. Er erinnerte sich, was Marten ihm erzählt hatte und versuchte es mit der Wahrheit. "Ihr seid wunderschön. Aber das wißt Ihr sicherlich."
 

"Das sagt mir jeder. Also wird es wohl stimmen." Wieder dieser spöttische Unterton, den er nicht einzuordnen vermochte. War dies nun die Aufforderung ihr Komplimente zu machen oder nicht? Simon wurde einfach nicht aus ihr schlau. Erlinds nächste Worte enthoben ihn einer Entscheidung.
 

"Erzählt mir ein wenig von Euch, Drachentöter. Berichtet mit von Eurer Familie und Eurem Zuhause."
 

Simon zuckte mit den Schultern. "Da gibt es nicht viel. Ich bin der einzige Sohn von König Borden von Meracien. Meine Mutter starb vor fünf Jahren nach einem Sturz von ihrem Pferd. Wir sind ein armes Land und ich weiß genau, dass die anderen Könige auf meinen Vater herabsehen, aber er ist der beste Vater den man sich nur wünschen kann."
 

"Das klingt, als müßtet Ihr ihn verteidigen. Ist er denn so ein schlechter König, dass Ihr seine Vorzüge als Vater hervorheben müßt?"
 

Glühende Röte kroch Simon in die Wangen, als Erlind ihm ihre Gedanken so offen und rücksichtslos ins Gesicht sagte. Er stand auf.
 

"Entschuldigt mich, Prinzessin. Ich habe Euch schon zu lange aufgehalten." Simon wandte sich in Richtung Tür.
 

"Wartet!" Erlind hatte sich endlich von ihrer Überraschung erholt und eilte ihrem Besucher hinterher. "Bitte bleibt noch. Es tut mir leid. Ich hätte das niemals sagen dürfen."
 

Simon zögerte noch einen Augenblick, dann ließ er sich von ihr wieder zurück zu seinem Stuhl führen.
 

"Nehmt noch ein wenig Wein und dann unterhalten wir uns ernsthaft."
 

+++
 

"Wie ist es gelaufen?"
 

Simon vergrub den Kopf in den Händen und winkte ab.
 

"Nun sagt schon!" Marten ließ sich neben ihm nieder auf der Bank nieder und widerstand nur mit Mühe der Versuchung, den anderen auffordernd anzustupsen. "Ich sterbe vor Neugier!"
 

Zur Antwort erhielt er nur unverständliches Gemurmel. "Noch einmal bitte. Ich hab's nicht verstanden."
 

"Erlind ist einfach... ich verstehe sie nicht!" Mehr war aus Simon nicht herauszubekommen doch Marten hatte auch so verstanden.
 

"Sie hat Euch verwirrt. So wie sie es mit jedem macht, der ihr zu nahe kommt."
 

Simon nickte unglücklich und Marten klopfte ihm nun doch lachend auf die Schulter. "Und was genau hat sie gesagt?"
 

"Wir haben uns über mich und meine Familie unterhalten. Einmal war ich dicht davor zu gehen, da sie mich beleidigt hatte, aber sie hat sich entschuldigt und danach lief es eigentlich ganz gut."
 

"Und?"
 

"Was und?"
 

Marten verdrehte ungeduldig die Augen. "Hattet Ihr das Gefühl, sie wolle Euch noch einmal wiedersehen oder nicht?"
 

"Sie hat mich gebeten einige Wochen hierzubleiben damit sie mich besser kennenlernen kann."
 

"Unglaublich!" Marten blieb beinahe der Mund offenstehen. "Noch nie hat sie einen Bewerber gebeten hierzubleiben. Sie scheint sich für Euch zu interessieren!"
 

"Meint Ihr?" Simon klang erstaunlich unglücklich für jemanden, der gerade von einer bezaubernden jungen Frau zum Bleiben überredet worden war.
 

"Natürlich! Erlind hat euch eine Chance gegeben. Nutzt sie."
 

"Bestimmt habt Ihr recht." Simon starrte nachdenklich auf den mit Binsen bedeckten Steinboden der Halle und fragte sich, wieso er statt Erlinds immer Torens Gesicht vor sich sah.
 

tbc

@jeanne123: Danke^^ Aber längere Kapitel bekomme ich einfach nicht hin. Nach maximal fünf Seiten ist Schluß und mir will einfach nichts mehr einfallen. Ich hoffe, das neue trötet Dich ein bisschen.
 

@Ina_Nami: Freut mich, dass es Dir gefällt. Simon ist wirklich ein wenig seltsam, aber er ist ein Charakter, bei dem ich mich noch nicht entschieden habe, ob er zu den Guten oder den Bösen gehören wird. Man wird sehen...
 

Ich habe im übrigen das Gefühl, dass die Beziehung zwischen Simon und Toren zu schnell voranschreitet und deswegen unglaubwürdig ist. Was meint ihr?
 

+++
 

A fairytale of love and hate 04
 

+++
 

Warum war der Drachentöter in sein Reich gekommen? Golwin wanderte nachdenklich in seiner Kammer auf und ab. Sein Weg führte ihn dabei von der Tür zum Fenster und wieder zurück. Mit großen Schritten durchmaß er die Kammer und jedesmal, wenn er am Fenster vorbeikam, blickte er kurz hinaus.
 

Von seinem Zimmer aus hatte er einen ungehinderten Ausblick auf den Garten und dort, auf einer der zahlreichen Bänke, saß seine Tochter und unterhielt sich angeregt mit dem ihrer neuesten Eroberung.
 

Golwin paßte das gar nicht. Was um alles in der Welt hatten die beiden sich denn zu erzählen? Und das, obwohl sie sich erst wenige Tage kannten? Der König presste wütend die Lippen zusammen und wünschte sich, er könne hören, was die beiden besprachen.
 

Wahrscheinlich war sein Mißtrauen völlig unbegründet, aber dennoch nagte eine kaum zu bestimmende Unruhe an seinem Herzen. Erlind war viel zu freundlich zu diesem jungen Mann. Keine Spur der Ablehnung, die sie bisher allen Bewerbern um ihre Hand entgegengebracht hatte. Das allein reichte aus, um dem König Magenschmerzen zu bescheren. Wie schnell konnte es geschehen, dass Erlind ihr Herz verlor, den Drachentöter heiratete und was dann? Würde dieser ihn von seinem Thron vertreiben und alles an sich reißen?
 

Ein kaum hörbares Stöhnen riß ihn aus seinen Gedanken und Golwin kehrte rasch zu seinem Bett zurück. Er setzte sich auf die Bettkante und beugte sich über Toren, der gerade erst wieder zu sich kam.
 

"Guten Morgen, Liebling." Golwin strich mit den Fingerspitzen über die Schnittwunde, die er nur wenige Stunden zuvor auf der weichen Haut von Torens Brust hinterlassen hatte und erfreute sich an dem schmerzerfüllten Zischen, das der andere unwillkürlich ausstieß. Der König lächelte und streckte sich neben ihm aus. Gleich darauf zog er den anderen in seine Arme.
 

"Du hast lange geschlafen, Toren. Es ist fast Mittag." Golwin leckte genüßlich über eines der wohlgeformten Ohren seines Traumwebers. Wütend runzelte er die Stirn, als dieser angeekelt den Kopf zur Seite drehte. Nicht gewillt, diese Weigerung, so klein sie auch sein mochte, hinzunehmen, grub er seine Fingernägel in dessen Hals, wo er einige blutige Kratzer hinterließ. "Ich bin froh, dass du endlich wach bist. Wir haben eine Menge Dinge zu besprechen."
 

Toren antwortete nicht gleich. Lange konzentrierte er sich einfach nur darauf, den Schmerz unter Kontrolle zu bekommen, dann fragte er leise: "Worum geht es?"
 

Golwin entspannt sich und spielte versonnen mit einer Strähne von Torens Haaren, die er immer und immer wieder um seinen Finger wickelte. "Erlind hat den Drachentöter überredet, für einige Wochen hierzubleiben. Sie scheint mir ungewöhnlich angetan von diesem jungen Mann zu sein und ich will wissen, wie ernst es den beiden ist. Besteht irgendeine Gefahr für mich? Finde es heraus. Am besten nutzt du die Zeit, um dich mit dem Drachentöter anzufreunden."
 

"Und wie weit soll ich dabei gehen?" wollte Toren müde wissen und fing sich dafür eine schallende Ohrfeige ein.
 

"Was glaubst du wohl, du dämliches Flittchen? Denkst du, ich will, dass du für jeden hergelaufenen Bastard die Beine breit machst? Du gehörst mir!" Golwin nestelte an seiner Hose. Kaum hatte er diese geöffnet, schob er sich auf Toren und drängte grob dessen Beine auseinander. Dann drang er mit einem einzigen rücksichtslosen Stoß in ihn ein. Toren schrie gepeinigt auf, als Golwin sich Platz schuf wo keiner war und sich trotz des spürbaren Widerstandes immer tiefer in ihn hineinzwang. Schließlich war er bis zu den Hoden in Torens Körper eingebettet und stoppte jede Bewegung. "Wem gehörst du?"
 

"Euch!" schluchzte Toren zwischen den Tränen hervor, die ihm mittlerweile die Wangen herab liefen und betete, Golwin möge ihn endlich freigeben. Doch dieser Wunsch erfüllte sich nicht, stattdessen begann der König nun hart in ihn hineinzustoßen.
 

"Sag. Es. Noch. Einmal." Jedes Wort wurde von einem harten Stoß begleitet, der Torens ohnehin schon geschundenen Körper noch weitere Schmerzen zufügte.
 

"Euch...ich gehöre Euch!"
 

Endlich zufrieden verschloß Golwin die weichen Lippen mit den seinen und zwang seine Zunge tief in Torens Mund. Kurz darauf war es vorüber. Golwin kam mit einem letzten brutalen Stoß und ergoß sich in Toren, der mit fest zusammengepreßten Augen unter dem König lag und sich wünschte tot zu sein.
 

+++
 

Die beiden im Garten, ahnten nichts von dem Drama, das sich hinter den dicken Mauern der Burg abspielte. Sie schlenderten gemächlich durch den schlosseigenen Kräutergarten und genossen die wärmenden Sonnenstrahlen, die sich zaghaft durch die Wolken gedrängt hatten. In der Nacht hatte es schon wieder geregnet und die beiden hatten Schwierigkeiten, all die Pfützen zu vermeiden, die sich auf den sandigen Pfaden angesammelt hatten.
 

"Ich hoffe, Ihr langweilt Euch nicht." Erlind warf Simon einen kurzen Blick zu und machte Anstalten, über eine besonders breite Pfütze zu springen. Sie verschätzte sich und wäre sicherlich gestürzt, hätte ihr Begleiter sie nicht aufgefangen.
 

"Wie könnte ich mich in Eurer Gegenwart jemals langweilen?" Simon stellte sie behutsam wieder auf die Füße und sah sich prüfend an. "Alles in Ordnung?"
 

"Nichts passiert. Vielen Dank." Erlind löste sich nur scheinbar widerwillig von ihrem Retter. Simon nahm dies schmunzelnd zur Kenntnis, sagte aber nichts. "Ich werde meinen Vater überreden Euch zu Ehren eine Jagd zu veranstalten."
 

"Das ist wirklich sehr nett von Euch, aber macht Euch bitte keine Umstände."
 

Erlind legte ihre Hand auf Simons Arm und ließ sich von ihm die Treppe hinunterhelfen, die zu den tiefergelegenen Teilen des Gartens führte. "Das sind doch keine Umstände!"
 

"Dann vielen Dank." Die beiden erreichten eine steinerne Bank am Ende des Gartens und Simon wischte mit seinem Umhang rasch die Regentropfen der letzten Nacht von der rauen Oberfläche, ehe er Erlind gestattete, darauf Platz zu nehmen.
 

"Ihr seid ein wirklich aufmerksamer Begleiter, Simon." Erlind klopfte einladend auf die Bank und Simon ließ sich vorsichtig neben ihr nieder. "Würdet Ihr mir von Eurem Kampf gegen den Drachen erzählen? Ich bin ein wenig neugierig."
 

Simon zuckte nur mit den Schultern. "Da gibt es leider nicht viel zu erzählen."
 

Seine Begleiterin verdrehte genervt die Augen. "Nun lasst Euch doch nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen! Allein die Tatsache, dass Ihr einen Drachen aus der Nähe gesehen habt, ist eine Sensation."
 

Ihre Neugier amüsierte Simon. "Es war ein ziemlich kleiner Drache, er hatte nicht mehr als drei oder vier Meter Länge. Ich hatte ihn zunächst gar nicht bemerkt. Nun lacht nicht! Ich meine das ernst!"
 

"Wie kann man denn einen Drachen von vier Metern einfach übersehen?!" Erlind kicherte immer noch. "Seid Ihr kurzsichtig?"
 

"Sehr lustig." Simon tat für einige Sekunden so, als sei er beleidigt, doch dann musste auch er lachen. "Habt Ihr noch nie davon gehört, dass Drachen die Färbung ihrer Umgebung annehmen können? Das blöde Vieh stand vor einer Felswand und hatte die gleiche schmutzig-graue Farbe angenommen wir die Steine. Ich habe es erst gesehen, als mir sein Feueratem beinahe ins Gesicht schlug."
 

Erlind war das Lachen vergangen. Ihre Augen weiteten sich erschrocken und Simon tat es leid, dass er die Gefahr in der er sich damals befunden hatte, so herunterspielte. "Aber wie ist es euch gelungen, seinem Feuer zu entkommen?"
 

"Reines Glück. So peinlich es eigentlich ist, gerade in dem Augenblick, als der Drache mich angriff, bin ich gestolpert und hingefallen, so dass sein Feueratem haarscharf über mich hinwegging." Simon verlor sich in seinen Erinnerungen, als er den aufregendsten Moment seines bisherigen Lebens noch einmal durchlebte. "Danach kann ich mich nur noch daran erinnern, dass ich mein Schwert zog und auf den Drachen zusprang. Es war fast, als wäre ich gar nicht anwesend, als würde irgendein anderer in meinem Körper den Drachen angreifen und als ich wieder zu mir kam, da war der Drache tot."
 

Erlind sagte lange Zeit gar nichts, dann fragte sie zögernd: "Seid Ihr vielleicht ein Berserker?"
 

"Ich weiß es nicht." Simon hatte sich diese Frage auch schon oft gestellt. War er vielleicht einer jener Männer, die im Kampf in einen Rauschzustand verfielen und noch nicht einmal merkten, wenn sie verwundet wurden? Es war durchaus möglich. Sein Verhalten bei dem Kampf mit dem Drachen sprach dafür. Andererseits hatte er noch nie an einer Schlacht teilgenommen, so dass er keinerlei Vergleichsmöglichkeiten hatte.
 

"Ihr werdet es bestimmt noch herausfinden." Erlind zog fröstelnd die Schultern ein und stand auf. "Wir sollten hineingehen. Es wird kalt."
 

Simon sagte nichts, aber er fragte sich ernsthaft, wie Erlind frieren konnte, wo sie doch mitten in der Sonne gesessen hatten.
 

+++
 

Einen Tag später setzte wieder Regen ein und Simon, der gerade von einem Ausritt zurückkam, beeilte sich, so schnell wie möglich ins Trockene zu kommen. Er mochte Regen nicht besonders und allein der Gedanke daran, wie die Nässe sich durch seine Kleidung fressen wurde, reichte aus ihn unzufrieden und ungeduldig werden zu lassen. Rasch lenkte er sein Pferd über den Hof und sprang aus dem Sattel. Hastig näherte er sich dem Stall und rief nach einem der Burschen.
 

"Hallo?"
 

Niemand antwortete ihm. Verwundert und ein wenig verärgert brachte er sein Pferd hinein und rief noch einmal. Diesmal erhielt er eine Antwort.
 

"Entschuldigt, Herr! Ich habe Euch nicht gehört!" Simon nickte dem Burschen kurz zu und eilte dann im Laufschritt über den Hof. Kaum hatte er das Schloss betreten, prallte er gegen jemanden, der zur gleichen Zeit hinaus wollte. Der andere ging zu Boden und Simon sah erschrocken hin. Erst jetzt erkannte er, wen er umgerannt hatte und schon wieder fühlte er die verräterische Röte in seine Wangen steigen.
 

"Verzeiht bitte! Ich habe Euch nicht gesehen!" Simon hielt Toren die Hand hin und half ihm wieder auf die Füße.
 

"Habt Ihr es irgendwie auf mich abgesehen?" Toren klopfte seinen Umhang ab und wollte an Simon vorbei nach draußen, doch dieser reagierte ohne nachzudenken und hielt ihn fest.
 

"Wartet! Es tut mir leid! Habt Ihr Euch verletzt?!" Simon zog den widerstrebenden Berater in den trüben Lichtkreis, der durch eines der Fenster hereinfiel und musterte die bereits verblassende Schwellung auf seiner Wange mitleidig. Er wollte die Verletzung gerade vorsichtig mit einer Hand berühren, da riß Toren sich überraschend los und trat einen Schritt zurück.
 

"Nichts passiert." Er nickte kurz zum Abschied und wandte sich der Tür zu, doch auch diesmal war es ihm nicht vergönnt, das Schloss zu verlassen. Simons Hand schloß sich mit unnachgiebigem Griff um seinen Arm und drehte ihn wieder zu dem Drachentöter herum.
 

"Warum seid Ihr so abweisend zu mir? Ich habe Euch nichts getan."
 

Torens Augen verengten sich kaum merklich vor Wut. "Ich bin nicht abweisend. Das bildet Ihr Euch ein. Und jetzt laßt mich los. Ich habe zu tun."
 

"Ich begleite Euch." Warum hatte er denn das jetzt gesagt? Simon wusste nicht so recht, wo diese Worte auf einmal herkamen, aber er wollte diese Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen. Das der andere davon keineswegs begeistert schien, störte ihn dabei nicht weiter.
 

"Und wenn ich Euch sage, dass Eure Begleitung weder erforderlich noch erwünscht ist?" Toren war am Ende seines Geduldsfadens angelangt. Sein König hatte ihm befohlen sich mit dem Drachentöter anzufreunden, aber Toren war alles andere als begeistert von der Idee. Er würde Golwin gehorchen, sicherlich. Er wusste nur zu gut, was ihn erwartete, sollte er einen direkten Befehl mißachten, aber er würde es dann tun, wenn es ,ihm' in den Kram paßte und nicht eine Minute früher. Und im Augenblick wollte er einfach nur allein sein.
 

"Dann würde ich entgegnen, dass es mir völlig gleichgültig ist, ob Ihr meine Begleitung wollt oder nicht." Simon konnte ziemlich stur sein, wenn man ihn nur lange genug reizte und irgendetwas an der Art wie Toren so vor ihm stand, die Augen zornerfüllt und den Mund zu einer dünnen Linie zusammengepreßt, regte seinen Widerspruchsgeist. Schließlich konnte er sehen wie in Toren etwas nachzugeben schien.
 

"Fein. Macht doch was Ihr wollt." Kaum hatte Toren sich umgedreht spürte er schon wieder Simons Hand auf seinem Arm. "Was denn noch?!"
 

"Es regnet."
 

Toren zog nur fragend die Augenbrauen hoch.
 

"Ihr könntet Euch erkälten!" schob Simon rasch als Erklärung hinterher und hätte sich gleich darauf am liebsten einen Schlag versetzt. So einen blöden Spruch hätte er nun wirklich nicht anzubringen brauchen.
 

"Ein bisschen Regen wird mich nicht umbringen, Drachentöter."
 

Grüne Augen starrten in blaue, dann senkte Simon den Blick und trat beiseite. "Ihr habt recht. Entschuldigt bitte."
 

Toren rührte sich nicht, obwohl der Weg jetzt frei war. Er betrachtete Simon so, wie man einen seltenen Vogel betrachten würde und atmete schließlich langsam aus. Er hatte tatsächlich die Luft angehalten ohne es zu merken. "Warum macht Ihr Euch Sorgen um mich, Drachentöter? Ihr kennt mich doch noch nicht einmal."
 

Jetzt oder nie. Simon faßte sich ein Herz und sagte hastig: "Ich würde Euch gerne besser kennenlernen."
 

Lange Sekunden rührte der junge Berater sich nicht, sondern starrte Simon nur verwundert an. Als er sich dann endlich bewegte, hielt Simon ihm die Tür auf. Toren zog nur irritiert die Augenbrauen hoch, sparte sich aber jeden weiteren Kommentar.
 

Schweigend schritten sie Minute um Minute nebeneinander her, bis Toren es schließlich nicht mehr aushielt. "Wie gefällt es Euch in Tanelon, Drachentöter?"
 

Dieser räusperte sich verlegen. "Könntet Ihr mich bitte nicht immer Drachentöter nennen? Mein Name ist Simon."
 

"Wie Ihr wünscht, Simon." Toren ging langsam die Strasse entlang und hielt sich dabei sorgsam in der Mitte. Als kurz vor ihnen der Inhalt eines Nachttopfes auf die grauen Pflastersteine klatschte, wusste Simon wieso. Leicht angeekelt legte er einen Schritt zu und schloß rasch zu dem Traumweber auf.
 

"Wohin gehen wir?"
 

"Ich bin auf dem Weg zum Friedhof. Ich wollte das Grab meiner Mutter besuchen." Toren bog in eine Gasse ab, die eindeutig zu den Elendsvierteln der Stadt gehörte. Schlammige Pfützen und Hauseingänge voller Dreck und Unrat säumten den Weg und Simon sah sich immer wieder unruhig um. Schließlich legte er demonstrativ eine Hand auf sein Schwert und hoffte, dies würde etwaige Diebe davon abhalten über sie herzufallen.
 

"Dafür besteht kein Grund. Niemand hier ist Euch übel gesonnen," stellte Toren mit einem Blick auf Simons Schwert fest. Dieser wurde ein wenig rot, ließ die Waffe aber nicht los. Toren zuckte nur mit den Schultern und setzte sich wieder in Bewegung.
 

Nach einiger Zeit verließen sie die Stadt und schritten einen gewundenen Pfad hinunter, der bald darauf in den Wald führte.
 

"Wie weit ist es denn noch?" Simon drehte sich immer wieder unruhig um, da er ständig das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. "Ich dachte, der Friedhof liegt neben der Kirche?"
 

"Der Friedhof der Stadt liegt neben der Kirche." Toren suchte sich vorsichtig seinen Weg zwischen den dichtwuchernden Ranken eines Himbeerstrauches hindurch und hielt die Zweige dann für Simon beiseite. Der großgewachsene Mann hatte es wesentlich schwerer als sein kleinerer und leichterer Begleiter, sich durch die Pflanzen zu kämpfen. "Der Friedhof den ich meine ist älter und liegt mitten im Wald."
 

"Warum liegt der Friedhof so weit von der Stadt entfernt? Hier lebt doch weit und breit niemand."
 

"Früher gab es im Wald eine kleine Ansiedlung von zehn oder elf Häusern, die zwar der Gerichtsbarkeit Tanelons unterstanden, aber ansonsten eine eigenständige Dorfgemeinschaft waren," erklärte Toren ihm und wies auf einige kaum sichtbare Mauerreste, die unter dichtem Efeu und Farngestrüpp hervorlugten. "Es gab einen Brand damals, bei dem alle Bewohner des Dorfes ums Leben kamen. Die Sippe meiner Mutter lebte in diesem Dorf und als sie starb, ließ Vater sie neben ihren Eltern und Geschwistern beisetzen."
 

"Also seid Ihr der letzte Eurer Familie?" Simon war ziemlich neugierig und zeigte es auch. Er hoffte nur, Toren würde ihm nicht schon wieder den Kopf abreißen. Doch dieser schien sich mit seiner Anwesenheit abgefunden zu haben und erzählte mit leiser Stimme weiter.
 

"Ja. Mein Vater starb vor zwei Jahren und da das Amt des königlichen Hellsehers vererblich ist, habe ich seine Stelle eingenommen. Allerdings bin ich lange nicht so gut wie mein Vater es war."
 

"Ihr habt sicher andere Talente."
 

Toren erstarrte mitten in der Bewegung. Auf einmal wirkte sein Gesicht eingefallen und müde. "Ja. Die habe ich. Fragt ruhig den König. Er kann es Euch bestätigen." Und als hätte er zuviel gesagt, wirbelte er herum und rannte davon.
 

+++
 

"Habt Ihr Toren gesehen?" Simon hielt atemlos neben Marten, der gerade den Stall verließ und den durchweichten Drachentöter verwundert betrachtete.
 

"Was ist denn geschehen? Gab es einen Unfall?"
 

"Nein, ich fürchte nur... ich habe ihn beleidigt." Simon faßte kurz zusammen was geschehen war und Marten schloß kurz die Augen. Als er sie wieder öffnete war sein Zorn auf den Drachentöter verflogen. Simon hatte es nicht wissen können, hatte niemals gehört, was der König zu Toren zu sagen pflegte, wenn dessen Vorhersagen nicht so genau waren wie die seines Vaters. Marten hatte es nicht glauben wollen, doch einmal hatte er es durch Zufall selbst gehört. Unbemerkt von Toren und dem König hatte er die beiden an einer abgelegenen Stelle im Garten beobachtet. Der König hatte seine Hand in Torens Haar vergraben und sich so dicht an den jungen Mann herangedrückt, dass es Marten übel wurde.
 

,Du hast mich enttäuscht, Toren,' hatte der König gesagt und sein Freund hatte eine Erklärung hervorgestammelt, doch auf einmal hatte Golwin laut aufgelacht und dem anderen freundlich die Wange getätschelt. ,Das ist nicht so schlimm. Gott sei Dank bist du im Bett besser als bei deinen Vorhersagen.' Mehr hatte Marten nicht hören wollen und so hatte er sich unbemerkt davon gemacht. Doch die Bemerkung des Drachentöters musste Toren tief getroffen haben. Und vielleicht bot sich für seinen Freund hier endlich eine Möglichkeit zur Flucht.
 

Marten sah Simon prüfend an und kam zu dem Schluß, dass dieser es ernster meinte als ihm selbst bewußt war. "Es gibt einen Ort den Toren seit seiner Kindheit immer dann aufsucht, wenn er eine Zuflucht braucht," sagte er leise und erklärte dem Drachentöter, wie er dorthin gelangen konnte.
 

tbc

Zugegeben, es hat ein wenig länger gedauert, ehe ich dieses Kapitel fertig hatte. Aber das lag daran, dass es bereits fertig war, mir aber nicht gefiel. Deswegen habe ich es noch einmal komplett auseinander genommen und mehr oder weniger von vorne angefangen.
 

Ein großes Dankeschön an meine Beta Akane-chan/Nimue. Ich bin sicher, Du wirst eine ganz gewisse Textstelle wiedererkennen (grins)
 

@Anshie: Ich bin ein großer Fan von historischen Roman. Das Mittelalter und die Antike haben es mir besonders angetan. Daher wollte ich ,A fairytale of love and hate' im Mittelalter spielen lassen. Vielleicht baue ich auch noch einige Elemente aus dem Bereich Fantasy ein, aber das kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen. Das wird sich im Laufe der Geschichte wahrscheinlich ergeben. Oder eben auch nicht^^
 

@Shunima: Godwin ist wirklich kein besonders netter Mensch. Aber zunächst bleibt er uns erhalten. Schließlich brauche ich ihn noch, um Toren zu quälen. Allerdings habe ich mich noch nicht entschieden, ob er für seine Vergehen bestraft wird. Das wird sich im Laufe der nächsten Geschichte erst herausstellen.
 

@tsusuki: Naja, ich fürchte, Simon und Toren werden wohl noch einige Rückschläge erleiden, ehe sie zueinanderfinden. Ob sie dann auch zusammen ,bleiben', ist wieder eine andere Frage^^
 

@Ina_Nami: Vielen Dank für Deine Kommis. Simon ist tatsächlich ein wenig merkwürdig, aber das liegt hauptsächlich daran, dass ich mich bei ihm charakterlich nicht festlegen will.
 

@EngelAnael: (Sense beiseite schieb) Wenn Du mir Angst machst, geht gar nichts mehr... (grins) Ich versuche, mich zu beeilen, aber leider habe ich die nächsten drei Kapitel zwar fertig, aber dadurch, dass ich das fünfte überarbeitet habe, passen sie nicht mehr zueinander. Das heißt, die anderen müssen auch noch einmal neu^^
 

@jeanne123: Deine Begeisterung ehrt mich. Es bedeutet mir sehr viel, wenn der Leser sich so für meine Stories interessiert (verbeug)
 

@TheRasmus: Ich kann mich da nur anschließen und Ina für Ihre Empfehlung durchknuddeln. Ich freue mich, dass es Dir gefällt und daher... (ebenfalls knuddel)
 

@Sasi: War jetzt nicht ganz so schnell, wie ich gehofft hatte, aber ich wünsche Dir dennoch viel Spaß.
 

+++
 

A fairytale of love and hate 05
 

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Simon stieß einen unterdrückten Fluch aus, als er die beiden Felsblöcke sah, die den vor ihm liegenden Pfad versperrten und für einen kurzen Augenblick überlegte er ernsthaft, ob er aufgeben sollte. Doch dann sah er vor sich wieder Torens Blick, erinnerte sich an die Trauer, Angst und Verzweiflung, die er in den grünen Augen des anderen gelesen hatte und er wusste, umkehren würde er nicht.
 

Er musste weiter, ganz gleich, wie schwer es sein mochte. Nachdenklich besah er sich das Hindernis von allen Seiten und kam zu dem Schluß, dass kein Weg daran vorbei führte. Was logischerweise bedeutete, dass er zwischen den Steinen hindurch musste. Eine Aufgabe, die sich als gar nicht so einfach erwies, da die Steine ziemlich dicht nebeneinander lagen und er alles andere als zierlich war.
 

Einen abgrundtiefen Seufzer, zwei verstauchte Finger und eine zerrissene Hose später hatte er es geschafft. Immer noch ein wenig atemlos, weil er den Bauch hatte einziehen müssen, erreichte er das andere Ende und klopfte gedankenverloren seine Kleidung ab. Feiner grauer Staub stieg ihm in die Nase und brachte ihn zum niesen. Hastig gab er seine Bemühungen auf und sah sich statt dessen um.
 

Gesäumt von einem scheinbar undurchdringlichen Dickicht wand sich der vor ihm liegende Pfad durch die dichtstehenden Bäume. Zweifelnd blickte Simon zurück, doch er hatte alle anderen Möglichkeiten ausgeschlossen. Dies war eindeutig die richtige Richtung.
 

Allzu weit konnte es ohnehin nicht mehr sein, wenn man Martens Beschreibung glauben durfte, doch Simon wusste mittlerweile aus eigener leidvoller Erfahrung, wie falsch die Anweisungen des jungen Mannes manchmal sein konnten. Als Marten ihm von dem kleinen Teich erzählt hatte, an den Toren sich von Zeit zu Zeit flüchtete, da hatte alles noch ganz einfach geklungen. ,Folge dem Weg, der von der Kirche aus links in den Wald hineinführt. Er bringt dich geradewegs zum Ziel. Du kannst es gar nicht verfehlen.'
 

Simon schnaubte verächtlich und setzte sich langsam wieder in Bewegung. Vielleicht war es einfach, wenn man den Weg kannte. Doch er selbst verfügte nicht über solch einen Vorteil und war daher darauf angewiesen, dass man ihm genau sagte, wohin er gehen musste. Was sich als schwieriger erwies als zu Beginn angenommen, denn Marten hatte sämtliche Hindernisse, die ihm begegnet waren, großzügigerweise unerwähnt gelassen.
 

Direkt nachdem er den Wald betreten hatte, war er gezwungen gewesen, sich zwischen zwei Möglichkeiten zu entscheiden. Natürlich schlug er zunächst die falsche Richtung ein. Dieser Umweg kostete ihn beinahe das Leben, da er nach einigen Metern um ein Haar in eine alte Wolfsgrube gestürzt wäre.
 

Er kehrte um, nahm den anderen Weg und landete plötzlich vor einer soliden Felswand. Erst nach langen Minuten mühevollen Suchens fand er, verborgen hinter einigen Büschen, einen schmalen Trampelpfad, der ihn tiefer in den Wald hineinführte. Danach schien alles ganz einfach. Bis er dann von diesen beiden Felsen aufgehalten worden war.
 

Während Simon sich allmählich seinem Ziel näherte, ertappte er sich dabei, dass er unwillkürlich immer langsamer wurde. Irgendwie hatte er es auf einmal gar nicht mehr so eilig, Toren gegenüber zu treten, wie noch knapp eine Stunde zuvor. Als er aufgebrochen war hatte er einen klaren Vorsatz gehabt. Er würde Toren suchen, mit ihm reden und alles weitere würde sich schon ergeben.
 

Bei diesem Gedanken konnte Simon nur noch den Kopf schütteln. Wie war er nur auf diese merkwürdige Idee verfallen? Er wusste er ja noch nicht einmal, was überhaupt passiert war. Wie konnte er sich da angemessen entschuldigen? Niedergeschlagen wich der junge Mann den ziemlich gefährlich aussehenden Dornen eines Strauches aus und blieb abrupt stehen, als sich vor ihm die Bäume teilten und den Blick auf eine kleine Lichtung freigaben.
 

Er war endlich am Ziel.
 

Vor ihm, in der Mitte der Lichtung, befand sich ein kleiner Teich, dessen dunkles Wasser von allerlei Algen bewachsen war und die ihm einen unheimlichen grünen Schimmer verliehen. Direkt davor hockte Toren mit angezogenen Beinen auf einem umgefallenen Baumstamm und sah mit starrem Blick in das Wasser.
 

So weit, so gut. Simon schluckte schwer und glättete seine zerzausten Haare. Wie sinnlos dies war, wurde ihm bewusst, als ihm gleich darauf noch mehr Strähnen in die Stirn fielen als zuvor. Egal. Er musste das jetzt hinter sich bringen. Langsam ging er auf den anderen zu. Hoffentlich erhielt er Gelegenheit, seine Entschuldigung vorzubringen, ehe Toren ihn davonjagte.
 

"Toren?" Simon näherte sich der zusammengekauerten Gestalt vorsichtig. Er erzielte keine Reaktion, nur die Haltung des anderen schien bei seinen Worten noch ein wenig abweisender zu werden. Doch davon würde er sich nicht entmutigen lassen. Er holte noch einmal tief Atem und sagte dann: "Es tut mir leid."
 

Der junge Berater antwortete immer noch nicht, sah noch nicht einmal auf. Allmählich wurde Simon unruhig. Wenn Toren wenigstens irgendetwas sagen würde...
 

"Ich weiß zwar nicht was ich getan habe, aber es tut mir wirklich leid."
 

Das entlockte dem anderen endlich eine Reaktion, wenn es auch nicht die war, mit der Simon gerechnet hatte. Toren vergrub das Gesicht in den Händen und brach in Tränen aus.
 

"Toren!" Erschrocken blickte Simon auf den jungen Mann herab, für einige lange Sekunden unfähig, die Erstarrung abzuschütteln, die ihn bei diesem unerwarteten Anblick erfasst hatte. Dann kniete er neben dem anderen nieder und zog ihn aus einem Impuls heraus in seine Arme. Kurz schien es, als wolle Toren sich losreißen, doch dann presste er nur sein Gesicht gegen Simons Schulter und erlaubte dem anderen, ihn zu halten.
 

"Shh... nicht... nicht weinen." Tröstend wiegte er ihn hin und her und streichelte dabei unbeholfen über die weichen Haare des Traumwebers.
 

Lange Zeit blieben sie so sitzen, sich gegenseitig festhaltend, bis Toren sich schließlich entschlossen von Simon löste und rasch die Tränen abwischte. "Entschuldigt. Ich hätte Euch niemals damit belästigen dürfen."
 

Er wollte aufstehen, doch Simon hielt ihn rasch fest. "Ihr habt mich nicht belästigt, Toren. Ich wünschte, ich könnte Euch helfen."
 

"Das könnt Ihr nicht. Niemand kann das." So traurig, so trostlos. Simon hörte die unterdrückte Qual in Torens Stimme und sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Mit einer Fingerspitze fing er die letzte Träne auf, die noch auf Torens Wange schimmerte und lächelte den anderen zaghaft an.
 

"Ich kann es versuchen."
 

Ungläubig sah Toren auf, sah ihm voller Zweifel in die Augen und in diesem Augenblick wusste Simon, dass es niemals jemand anderen geben würde. Entschlossen beugte er sich vor und presste seinen Mund auf Torens bebende Lippen.
 

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"Und? Wie ist er so?" Mailie stand am Fenster und schüttelte das Kissen aus, ehe sie es sorgfältig wieder auf dem Bett platzierte. Erlind seufzte und zuckte mit den Schultern.
 

"Nett und zuvorkommend. Erstaunlicherweise kann man sich gut mit ihm unterhalten. Er ist witzig und charmant und..." Die junge Frau unterbrach sich selbst und lächelte versonnen. "Er ist einfach etwas besonderes."
 

"Aha." Mailie konnte sich diesen Kommentar einfach nicht verkneifen und Erlind runzelte wütend die Stirn.
 

"Schau nicht so selbstzufrieden drein. Ich bin halt nur überrascht, das ist alles." Die Prinzessin presste wütend die Lippen zusammen, als die andere nur wissend grinste. "Glaubst du mir etwa nicht?"
 

"Natürlich glaube ich Euch!" Mailie verbiß sich ein Lachen und strich die Decke glatt, die sie mit energischem Schwung über die Matratze geworfen hatte. "Ich wundere mich nur, das ist alles. Ihr scheint auf einmal Gefühle für den Drachentöter zu entwickeln. Dabei dachte ich, Ihr seid an Toren interessiert."
 

"Das bin ich auch," verteidigte Erlind sich heftig und wurde gleich darauf still. Vielleicht hatte Mailie recht. Von diesem Standpunkt aus hatte sie es noch nie betrachtet, aber sie interessierte sich für Simon. Nicht, dass er Toren aus ihrem Herzen verdrängt hatte, aber dennoch... so uninteressant, wie sie zuerst gedacht hatte, war er nicht.
 

Mailie kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe während sie ihre Herrin bei ihren Tagträumereien beobachtete. Obwohl Erlind es selbst nicht zu merken schien, schlich sich immer dann ein begeistertes Leuchten in ihre Augen, sobald jemand das Gespräch auf den Drachentöter lenkte.
 

Die junge Zofe grinste. Es würde interessant werden, die weitere Entwicklung dieser Gefühle mit zu verfolgen.
 

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Der Kuss dauerte nicht allzu lange und war doch alles, was Simon sich jemals für sich erträumt hatte. Diese winzige, beinahe unbedeutende Berührung ihrer Lippen versprach ihm Liebe und entzündete sein Verlangen. Das er mit diesem Kuss eine Grenze überschritten hatte, dass er sich etwas nahm, worauf er kein Anrecht hatte, erregte ihn nur noch mehr.
 

Auf einen Augenblick wie diesen hatte er sein ganzes Leben gewartet. Dies war es, wovon er am Hofe seines Vaters geträumt hatte, wenn er die Paare beobachtete und ihnen bei ihren verstohlenen Liebesbezeigungen zusah.
 

Simon verlor sich in dem Gefühl, dem anderen ganz nahe zu sein. Er war gefangen in einem Wirbelsturm unterschiedlichster Empfindungen, deren Intensität ihn gleichermaßen ausfüllte und dennoch unbefriedigt zurückließ. Und auf einmal wurde ihm klar, dass es nur einen Weg gab, die plötzliche Leere in seinem Inneren auszufüllen. Er wollte mehr, wollte alles. Er würde Toren beweisen, was es bedeutete, wirklich geliebt zu werden.
 

Er umfaßte Torens Nacken und grub seine Finger in dessen weiche Haare, dann beugte er sich vor und brachte ihre Körper näher zueinander. Seine freie Hand schob sich unter das Hemd des Beraters, glitt über Rippen und Taille, bis er den anderen mit einer raschen Bewegung von dem Baumstumpf heben und in das feuchte Gras betten konnte.
 

"Wunderschön...", murmelte er kaum hörbar vor sich hin und zog Toren mit seinen Blicken beinahe aus. Gleich darauf überbrückte er entschlossen die kurze Distanz zwischen ihnen und presste seinen Mund auf Torens bebende Lippen.
 

Dieser stieß einen gequälten Laut aus, doch Simon erstickte seinen Protest im Keim. Er zwang die Lippen des Jüngeren mit seiner Zunge auseinander und erkundete gierig die feuchte Wärme von Torens Mund.
 

Seine Finger wanderte von Torens Nacken über dessen Rücken zum Saum seines Hemdes, bis Simon mit beiden Händen dessen Oberkörper liebkosen konnte. Der Drachentöter war so gefangen in der Einzigartigkeit dieses Augenblicks, dass er Torens verzweifelte Versuche, sich von ihm zu lösen, noch nicht einmal wahrnahm.
 

Diesem gelang es endlich, seine Arme aus Simons Umklammerung zu befreien und unter Aufbietung all seiner Kräfte stemmte er sich mit beiden Händen gegen die Brust des Ritters und schob ihn von sich. Gleich darauf verpaßte er Simon eine schallende Ohrfeige.
 

Während dieser ihn noch fassungslos anstarrte, wand sich Toren unter dem schwereren Körper des Drachentöters hervor und setzte sich auf. Er wischte sich mehrfach den Mund ab und fragte mit unüberhörbarem Ekel in der Stimme: "Was fällt Euch ein? Seid Ihr von Sinnen?"
 

"Ich..." Simon verstand sich selbst nicht mehr. Warum hatte er das getan? Wie konnte er dies dem anderen nur antun? Er wusste doch ganz genau, dass Toren nicht frei war. "Ich wollte..."
 

"Spart es Euch. Verschwindet. Ich will Euch nie wiedersehen," fuhr Toren ihn heftig an und drehte ihm den Rücken zu.
 

"Toren, bitte! Es tut mir leid!" Er war wieder da, wo er angefangen hatte. Nur das es diesmal noch aussichtsloser war als zuvor. Was er diesmal getan hatte, war unverzeihlich.
 

Simon fuhr sich mit der Hand über die Augen, er war erschüttert und entsetzt über sich selbst. Wie hatte dies nur geschehen können? Warum hatte er sich so gehen lassen? Was musste Toren für einen Eindruck von ihm haben, nachdem er ihn dermaßen überfallen hatte?
 

Wieder irrte sein Blick zu Toren, doch er musste einsehen, dass es sinnlos war. Die unnachgiebige Haltung des anderen sprach Bände. Vergeblich wartete er darauf, dass Toren sich noch einmal zu ihm umdrehte. Als er einsehen musste, dass Toren ihn auch weiterhin ignorieren würde, drehte er sich schweren Herzens um und ging mit schleppenden Schritten zum Schloss zurück.
 

tbc

A fairytale of love and hate 06
 

Beta: Akane-chan/Nimue (ein ganz herzliches Dankeschön für Deine Unterstützung^^)
 

Aus Zeitmangel kann ich leider nicht auf alle Fragen eingehen, daher nur ein danke (und zwar ein riesengroßes^^) an: tsusuki, jeanne123, The MoonlightGirl, lalilu und Maat. Eure Kommentare bedeuten mir sehr viel.
 

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A fairytale of love and hate 06/?
 

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Als der Nachmittag sich allmählich seinem Ende zuneigte, verließ Marten das Schloss und machte sich auf den Weg in den Innenhof. Seine Sorge um seinen Freund war in den letzten Stunden immer größer geworden und die Tatsache, dass Toren noch nicht zurückgekommen war, hinterließ in seinem Inneren ein unbestimmtes Gefühl des Unwohlseins.
 

Was um alles in der Welt war zwischen Simon und seinem Freund geschehen? Der Drachentöter war schon vor Stunden ins Schloss zurückgekehrt, doch von Toren fehlte bislang jede Spur. Ob Simon ihm etwas angetan hatte? Nein. Marten wies den Gedanken energisch von sich. Simon würde Toren niemals etwas antun, da war er sich ziemlich sicher. Nur, warum war Toren immer noch nicht wieder da?
 

Sinnlos herumzustehen brachte überhaupt nichts. Vielleicht sollte er ihn suchen gehen. Marten wandte sich entschlossen dem Tor zu, nur um überrascht stehen zu bleiben, als eine schmale Gestalt hereinhuschte, in der er augenblicklich seinen Freund erkannte. Erleichtert trat Marten einen Schritt vor und schnitt Toren den Weg ab.
 

"Wo warst du so lange? Ich habe mir Sorgen gemacht!"
 

Toren stieß einen erschrockenen Laut aus und zuckte heftig zusammen. Es dauerte einige Sekunden, ehe er Marten erkannte und erst als er sicher war, dass außer seinem Freund niemand sonst auf ihn wartete, entspannte er sich endlich und näherte sich seinem Freund langsam.
 

"Was machst du denn hier?!"
 

"Ich warte auf dich." Marten faßte den anderen prüfend ins Auge und registrierte erleichtert die unnatürliche Blässe, die sein Gesicht zeichnete. "Ist wirklich alles in Ordnung?"
 

"Natürlich. Ich bin nur müde. Wenn du mich entschuldigen würdest..." Toren versuchte sich an seinem Freund vorbei zu schieben, doch dieser trat ihm rasch in den Weg. "Was ist denn noch?"
 

"Rede mit mir. Ich kann deutlich sehen, dass dich etwas bedrückt!" Marten legte dem Kleineren die Hand auf die Wange und streichelte dessen weiche Haut mit sanften Bewegungen. "Schließ mich nicht aus, Toren. Bitte."
 

Toren schob Martens Hand beinahe unwillig beiseite und trat rasch einen Schritt zurück. "Entschuldige, Marten. Ich möchte in mein Zimmer. Ich bin müde."
 

"Sicher", sagte Marten und fügte gleich darauf entschlossen hinzu: "Ich begleite dich."
 

"Nicht nötig! Ich..."
 

"Ich begleite dich", wiederholte Marten mit fester Stimme und Toren gab nach.
 

"Wie du meinst." Er überquerte den Hof mit großen Schritten und überließ es Marten, hinter ihm her zu laufen. Schließlich kamen sie in der kleinen Kammer an, in der Toren wohnte und Marten nutzte die Gelegenheit, hinter dem anderen durch die Tür zu schlüpfen.
 

"Du kannst mich jetzt allein lassen!" stellte Toren mit leicht genervter Stimme fest, doch Marten schüttelte den Kopf.
 

"Was ist zwischen dir und dem Drachentöter geschehen? Hat er dich verletzt?"
 

Die Besorgnis in Martens Stimme war kaum zu ertragen, doch Toren zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. "Nein, verletzt hat er mich nicht. Nur ein wenig überrascht, das ist alles."
 

"Willst du darüber reden?" Marten hatte stundenlang auf die Rückkehr seines Freundes gewartet und jetzt schien es, als wolle dieser ihn einfach ausschließen.
 

Toren ignorierte ihn und legte seinen Umhang über seine Kleidertruhe. Dann setzte er sich zu seinem Freund auf das Bett und starrte reglos vor sich hin. Vorsichtig rückte Marten näher an ihn heran und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. "Vielleicht kann ich dir helfen..."
 

Toren schien endlich zu sich zu kommen und warf seinem Freund einen gereizten Blick zu. "Du hast ihm von dem Teich erzählt?"
 

"Ähm... also, weißt du... naja..."
 

"Schon gut." Toren schloß die Augen und gab sich der Müdigkeit hin, die er seit Stunden wie bleierne Gewichte auf seinem Körper und seiner Seele lasten fühlte. "Warum?"
 

"Weil..." Marten zögerte. Wie konnte er seinem Freund erklären, dass er sich von Simon so viel mehr erhofft hatte, als Toren auch nur ahnen konnte. Als er den Blick gesehen hatte, mit dem Simon Toren bedachte, wenn er sich unbeobachtet glaubte, da hatte er zum ersten Mal seit Jahren auf ein Wunder gehofft, mit dem er den seinen Freund den Klauen des Königs entreißen konnte.
 

Während er noch um die passenden Worte rang, wandte Toren sich ab und stand auf. "Ich denke, du solltest besser gehen. Du weißt, ,er' wird mich bald wieder zu sich rufen."
 

"Ja." Marten erhob sich ebenfalls. Traurig strich er seinem Freund einige Haarsträhnen aus der Stirn, ehe er sich vorbeugte und den anderen sanft auf die Stirn küsste. "Gib auf dich acht, Toren. Laß nicht zu, dass er dich zerstört."
 

Toren rührte sich nicht, doch als die Tür hinter seinem Freund zufiel, konnte er die Tränen nicht länger unterdrücken.
 

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"Interessant. Borgo wird aufsässig?" Golwin saß mit angespannter Miene an seinem Schreibtisch und trommelte nachdenklich mit den Fingerspitzen gegen die glattpolierte Oberfläche. "Es gibt keinen Zweifel? Er rüstet auf?"
 

"So ist es. Unser Mann in Borgos Heer ist sehr zuverlässig. Wenn er uns mitteilt, dass Borgo aufrüstet, dann ist dem unbedingt Glauben zu schenken..." Rojon rollte den Botschaft zusammen, die er von seinem Spion erhalten hatte und wartete auf das Urteil des Königs.
 

Nervöses Schweigen breitete sich in dem Arbeitszimmer des Königs aus, nur unterbrochen von dem kaum hörbaren Geräusch, mit dem die Fingerspitzen von Golwins rechter Hand dazu übergegangen waren, verschlungene Muster auf die Tischplatte seines Schreibtisches zu malen.
 

Hoffentlich hatte er nichts gemerkt. Rojon schob einen Finger unter seinen Kragen und lockerte ihn hastig. Er war ziemlich nervös, da er seinem Herrscher nicht die ganze Wahrheit gebeichtet hatte, aber er hoffte immer noch, die ganze Angelegenheit selbst in die Hand nehmen zu können. Wenn er vielleicht ein kleines bisschen Glück hatte...
 

"Ich warte, Rojon."
 

Er hatte es also doch gemerkt. Der oberste Spion des tanelonischen Herrschers fügte sich dem Unvermeidlichen. So wenig Golwin dem Idealbild eines Königs entsprach, war es doch mehr als leichtsinnig, ihn zu unterschätzen. Auch wenn er sich als Herrscher viel zu sehr auf seine Berater verließ, verfügte er doch über ein fast unheimliches Gespür, das ihm anzeigte, wenn ihn jemand belog oder ihm etwas verschwieg.
 

"Mein Informant hat sich schon seit mehreren Wochen nicht mehr gemeldet. Ich fürchte, er ist enttarnt worden." Rojon war die Angelegenheit mehr als peinlich. Vor allen Dingen, weil er über keine andere Informationsquelle verfügte. Was Golwin sehr wohl wusste. "Ich muss dringend zur Vorsicht raten, Euer Hoheit. Wir sollten zuschlagen, ehe er es tut."
 

Der Spion hielt den Atem an. Erst als sicher war, dass nichts weiter geschehen würde, gestattete er sich, sich zu entspannen. Vielleicht wurde doch noch alles gut. Die Nachricht, dass der Vasall des Königs, Borgo von Rovere, gegen Golwin aufzubegehren wünschte, hatte ihn erschreckt. Vor allen Dingen, weil Borgo als so unwichtig eingestuft worden war, dass ein einziger Informant für ihn ausreichte. Niemand hatte wirklich daran geglaubt, dass ihnen aus dieser Richtung jemals Gefahr drohen würde. Und jetzt schien ein Krieg unvermeidlich.
 

Nachdenklich stützte Golwin das Kinn auf und überlegte. "Ich denke, wir sollten nicht überreagieren. Noch hat Borgo nichts getan. Ich möchte noch mehr Informationen einholen, ehe ich eine Entscheidung fälle. Gibt es unter Euren Männern jemanden, den wir sofort losschicken können, damit er den Platz unseres Informanten übernimmt?"
 

"Ich werde mir alle in Betracht kommenden Anwärter anschauen. Ich kann Euch sicherlich heute abend jemanden nennen", versicherte Rojon hastig und hoffte, die Audienz würde so schnell wie möglich beendet sein. doch Golwin schien andere Pläne zu haben. Der König war aufgestanden und starrte mit steinerner Miene aus dem Fenster. Irgendetwas auf dem Innenhof schien sein Mißfallen erregt zu haben, da war Rojon sich sicher. Die Augen des Königs hatten ein drohendes Funkeln angenommen, dass dem Spion einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Wer sich auch immer gerade im Hof befand, Rojon war glücklich, nicht an dessen Stelle zu sein.
 

Dann drehte Golwin sich abrupt zu dem anderen herum. "Ich habe meine Meinung geändert, Rojon. Wir werden niemanden von Euren Leuten hinschicken. Borgo ist nicht so wichtig, dass ich einen meiner hochverdienten Spione riskieren würde."
 

"Euer Hoheit, ich fürchte, damit tun wir uns keinen Gefallen. Wir dürfen Borgo nicht unterschätzen", setzte Rojon an, doch Golwin wischte dessen Einwände einfach beiseite.
 

"Überlaßt das mir, Rojon. Und jetzt geht. Ich werde Euch so bald wie möglich den jungen Mann schicken, den ich mit dieser Aufgabe betrauen werde."
 

Golwin lächelte so liebenswürdig, dass sein Spion rasch mehrere Schritte zurücktrat. Erleichtert darüber, relativ einfach davongekommen zu sein, verließ Rojon hastig das Arbeitszimmer seines Herrschers und überließ diesen wieder seinen düsteren Gedanken.
 

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Wie konnte dieses verdammte kleine Flittchen es wagen, sich von einem anderen berühren zu lassen? Golwin bekam den Abschied seines Spions kaum mit, statt dessen ging er wieder zum Fenster und starrte in den jetzt leeren Hof hinunter.
 

Wer war dieser junge Mann gewesen, den er vorhin zusammen mit Toren gesehen hatte? Er war ihm bekannt vorgekommen, doch noch wollte sich in seiner Erinnerung nichts regen. Golwin schloß die Augen und rief sich die Szene in Erinnerung, die er wenige Minuten zuvor beobachtet hatte.
 

Ein junger Mann war aus dem Stall auf den Traumweber zugeeilt. Die beiden hatten sich unterhalten und Toren hatte einen recht gereizten Eindruck gemacht, dennoch war offensichtlich, dass die beiden ziemlich vertraut miteinander waren. Schließlich hatte der junge Mann Torens Gesicht gestreichelt, ohne, dass dieser ihn zurechtgewiesen hätte.
 

Verärgert runzelte Golwin die Stirn und grub tiefer in seinen Erinnerungen. Der junge Mann hatte ihm während des ganzen Gesprächs den Rücken zugewandt, doch kurz bevor er und Toren die Treppe betreten hatten, war für einen Sekundenbruchteil Licht auf die Züge des Mannes gefallen...
 

Marten! Natürlich! Das er dieses verdammte Findelkind nicht gleich erkannt hatte! Wenn er sich recht erinnerte, dann war Erlind mit ihm befreundet gewesen und natürlich auch Toren...
 

Er hätte längst etwas gegen diese verschworene kleine Gemeinschaft unternehmen sollen. Wer konnte schon sagen, ob Toren ihn nicht schon seit Jahren mit Marten betrog. Wütend auf sich selbst schnappte er sich eine Klingel und rief einen seiner Diener herein.
 

"Hol Marten von Tanelon", wies er den Diener an. Dieser verbeugte sich und eilte davon. Golwin ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder und nutzte die Zeit, um einen Brief an Rojon aufzusetzen.
 

,Ich schicke Euch einen meiner vertrauenswürdigsten Ritter. Sendet ihn zu Borgo, damit er einen Platz in dessen Heer einnimmt und uns über dessen Vorhaben auf dem laufenden hält. Ich überlasse die Einzelheiten Euren fähigen Händen...'
 

Während er die kurze Nachricht beendete, wuchs in ihm die Überzeugung, die perfekte Lösung gefunden zu haben und als sein Bediensteter die Ankunft des jungen Ritters verkündete, konnte er sich eines zufriedenen kleinen Lächelns nicht erwehren...
 

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Kurz bevor das Abendessen aufgetragen wurde, kamen die Dienstboten in den Genuss eines unglaublichen Anblicks. Prinzessin Erlind stürmte mit wehenden Röcken die Treppe von ihrer Kemenate herunter, eilte auf der anderen Seite des Gebäudeflügels einige Stufen hinauf und bog schließlich in den Gang in, in dem die Schlafgemächer ihres Vaters lagen. Ohne auch nur anzuklopfen riss sie die Tür auf und betrat unverzüglich den dahinter liegenden Raum.
 

"Das könnt Ihr nicht tun, Vater!"
 

Golwin drehte sich ungläubig zu seiner Tochter um, in der einen Hand hielt er immer noch sein Hemd, das er gerade hatte überstreifen wollen, während sein Blick unwillkürlich in Richtung Bett huschte. Erleichtert, dass nichts weiter zu sehen war als unordentliches Bettzeug und einige zerknäulte Kleidungsstücke auf dem Fußboden, streifte er sein Hemd über und fragte betont gleichmütig:
 

"Komm ruhig herein, meine Tochter. Darf man erfahren, was dich so beunruhigt, dass du jeglichen Anstand vergißt und einfach so bei mir eindringst?"
 

Leichte Röte kroch in die sonst so blassen Wangen der jungen Frau, aber sie weigerte sich, zurückzustecken. "Ich rede davon, dass du Marten nicht als Spion ins feindliches Gebiet schicken kannst! Er hat keinerlei Erfahrung und wird sicherlich umkommen."
 

Ein erstickter Laut aus Richtung Bett ließ sowohl den König als auch Erlind herumfahren, doch wer auch immer unter der Decke des Königs verborgen sein mochte, kam nicht zum Vorschein. Statt dessen sah Erlind nur eine schmale Hand, die das Bettzeug enger an den Körper heranzog, dann rührte sich nichts mehr.
 

Die junge Frau warf ihrem Vater einen leicht verächtlichen Blick zu, doch dieser erwiderte ihren Blick ungerührt. "Was ist? Dachtest du, nach dem Tod deiner Mutter würde ich mir keinerlei Vergnügen mehr gönnen?"
 

"Es ist mir völlig egal, mit wem Ihr Euer Vergnügen sucht, Vater!" Erlind würde sich auf gar keinen Fall ablenken lassen. Sollte ihr Vater doch schlafen mit wem er wollte, es würde sie nicht von ihrem eigentlichen Ziel abbringen. "Ich möchte, dass Ihr Eure Entscheidung rückgängig macht."
 

"Warum hegst du solch ein Interesse an einem einfachen Ritter? Er ist doch noch nicht einmal von Stand. Ein einfaches Findelkind. Warum also diese Aufregung?" Golwin hatte sich nun fertig angekleidet und lehnte sich gegen das Fußende des Bettes, dabei seiner Tochter geschickt den Blick auf den Inhalt des Bettes verwehrend. Die Situation war viel zu brisant, als das er eine mögliche Entdeckung riskieren würde. Er hatte in den letzten Jahren sorgfältig darauf geachtet, dass Erlind nichts von seinem Verlangen für Toren erfuhr und so würde es auch bleiben.
 

"Marten ist mein Freund."
 

Golwin bedachte diese simple Aussage mit einem spöttischen Grinsen. "Tatsächlich? Dann solltest du dir vielleicht andere Freunde suchen. Er geht nach Rovere, das ist mein letztes Wort."
 

Erlind wusste, wann sie verloren hatte. Ungewollte Tränen schimmerten in ihren ausdrucksvollen blauen Augen, als sie herumwirbelte und das Zimmer ihres Vaters ebenso abrupt verließ, wie sie es betreten hatte. Golwin wartete noch einige Sekunden, bis er sicher war, dass Erlind nicht zurückkommen würde, dann wandte er sich zum Bett und zerrte mit einer ruckartigen Bewegung die Decke beiseite.
 

"Du kannst jetzt rauskommen. Sie ist weg."
 

Toren richtete sich hustend auf und warf dem König einen wütenden Blick zu. "Ich wäre beinahe erstickt!"
 

"Und? Sollte ich meiner Tochter etwa sagen, sieh her, ich habe deinen Freund Toren in meinem Bett? Ich will nicht, dass Erlind von uns erfährt." Golwin war mit einem großen Schritt am Bett und krallte die Hand in die weichen Haare seines Geliebten. "Wenn du auch nur daran denken solltest, es ihr zu verraten, dann rate ich dir gründlich darüber nachzudenken. Mach dir klar, was ich dir antun kann, wenn du meinen Befehlen entgegen handelst. Verstanden?!"
 

"Ja!" Toren befreite sich aus dem Griff des Königs, dabei jede Geste vermeidend, die der König irgendwie als Provokation oder Ablehnung hätte interpretieren können. "Ich werde jetzt gehen. Ich möchte mich vor dem Essen noch umziehen."
 

Golwin beobachtete mit wachsamem Blick, wie der junge Mann in seine Kleidung stieg. Die ganze Zeit wartete er darauf, dass dieser etwas zu seiner Entscheidung sagen würde, Marten auf diese Selbstmordmission zu schicken, doch es schien nicht so, als wolle Toren darauf eingehen. Schließlich hielt der König es nicht mehr aus.
 

"Willst du mich nicht anflehen, deinen Freund nicht gehen zu lassen?"
 

Toren verhielt mitten im Schritt, die Hand bereits an der Türklinke. Ohne sich umzudrehen, entgegnete er: "Warum sollte es mich kümmern? Ich habe keine Freunde außer Euch."
 

Und bevor Golwin auf diese Bemerkung reagieren konnte, war Toren bereits gegangen.
 

tbc

A fairytale of love and hate 07/?

Beta: Akane-chan/Nimue

Nächstes Update: 12.06.2005
 

Allen, die mir einen Kommentar hinterlassen haben zunächst einmal ein ganz großes DANKESCHÖN^^ Nachdem ich eure ermutigenden Worte gelesen hatte, bin ich direkt ein paar Zentimeter gewachsen^^
 

Herzlichen Dank auch an Akane-chan/Nimue, die beste Beta der Welt.
 

@Tsuya: Klar kann Marten nix dafür und er will ja auch gar nichts von seinem Freund, aber der König ist leider nicht in der Lage, dies zu erkennen. Er ist halt einfach verrückt und absolut besessen von Toren.
 

@tsusuki: Ich versuche, schneller upzudaten^^ Die Geschichte ist gedanklich bereits komplett fertig, ich muss sie nur noch zu Papier bringen. Leider ist das nicht immer so einfach, weil mir oft die nötige Zeit dafür fehlt. Aber wie schon gesagt, ich gebe mir Mühe
 

@hiraku-san: Ehrlich gesagt, neige ich dazu, total zu vergessen, wenn ich jemandem Bescheid geben soll. Daher habe ich eine neue Kategorie eingefügt (s. oben, unter dem Titel). Dort findet jeder Interessierte dann die Termine fürs nächste Update. Solange ein Datum drinsteht, kann man sich darauf verlassen, dass es eingehalten wird.
 

@Anshie: Details genauer ausführen? Wäre für die Geschichte sicherlich von Vorteil, wenn ich nur leider nicht viel zu ungeduldig wäre. Ich habe es irgendwie immer eilig, so schnell wie möglich zum Kern des Ganzen zu kommen und da bleiben Beschreibungen schon mal auf der Strecke. Und was Simon angeht, der ist z. Zt. ein wenig in den Hintergrund getreten, um die Bühne für die beiden anderen Hauptcharaktere (Toren und Marten) freizumachen. Aber keine Angst, er wird noch sehr präsent sein.
 

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A fairytale of love and hate 07
 

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Mit einem energischen Knall schloß Marten den Deckel seiner Kleidertruhe und stopfte wahllos Hosen und Hemden in den einfachen Leinensack, den er auf seinen Reisen verwendete. Als er schließlich alles eingepackt hatte, was sich mitzunehmen lohnte, setzte er sich auf sein Bett und holte er noch einmal den schriftlichen Befehl heraus, den Rojon ihm wenige Stunden zuvor in die Hand gedrückt hatte.
 

Vorsichtig glättete er die zahlreichen Knitterfalten, die das dünne Papier mittlerweile zerfurchten und las die nichtssagenden Zeilen noch einmal durch.
 

,Im Namen Golwin IV., Herrscher über Tanelon, befehlen wir Euch, nach Rovere zu reisen und Euch dort Zugang zum Hof König Borgos verschaffen, um seine Pläne bezüglich eines möglichen Krieges auszuspionieren.'
 

Nur drei Zeilen voller nichtssagender, hohler Worte und doch kam dieser Brief einem Todesurteil gleich. Mit einem abgrundtiefen Seufzen ließ Marten sich rückwärts auf sein Bett fallen, nur um gleich darauf mit einem erschrockenen Aufschrei senkrecht in die Höhe zu fahren.
 

"Tut mir leid! Ich wollte dich nicht erschrecken", sagte Toren mit leiser Stimme und warf seinem Freund einen unbehaglichen Blick zu. Unruhig trat er von einem Bein auf das andere, sichtlich verlegen und nicht in der Lage, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
 

Schließlich hatte Marten genug. Er stand auf und trat ans Fenster, krampfhaft bemüht, den anderen nicht anzuschauen. "Ist schon in Ordnung. Ich weiß, was du sagen willst und ich verstehe es."
 

Toren sah mit tränenverschleiertem Blick zu Boden. "Es tut mir leid, das ist alles meine Schuld."
 

Selbstanklage und nackte Verzweiflung schwangen in den Worten seines Freundes mit und rissen Marten endlich aus seiner Versunkenheit. Mit zwei großen Schritten war er bei Toren und zog ihn in eine heftige Umarmung.
 

"Sag das nicht! Das ist nicht wahr!" Er hielt seinen Freund noch einige Sekunden länger fest, dann löste er sich behutsam von Toren und sah ihn ernst an. "Nichts von allem was geschieht ist deine Schuld. Es ist dieser Verrückte, der dafür verantwortlich ist. Nicht du."
 

"Marten, wäre ich nicht, dann würde er dich niemals fortschicken. Ich bin sicher, er hat uns irgendwann zusammen beobachtet und das hat seine Eifersucht angestachelt."
 

"Aber wieso? Wir sind nur Freunde, nichts sonst. Wie kann er da eifersüchtig sein?" Marten verstand es nicht. Seit Stunden zerbrach er sich den Kopf, womit er das Missfallen des Königs erregt haben mochte und obwohl er natürlich nicht sicher sein konnte, hatte Marten eine dunkle Ahnung, warum Golwin ihn auf diese Selbstmordmission schickte.
 

Er musste herausgefunden haben, wie nah er und Toren sich standen. Sie waren nur Freunde, doch in Golwins Augen war dies eines der größten Verbrechen, denen sich Toren schuldig machen konnte. Es war allgemein bekannt, dass Golwin ein sehr rachsüchtiger Mensch war, der das, was ihm gehörte, mit allen Mitteln bewachte. Aber das er so weit gehen würde, hätte Marten niemals vermutet. Toren benötigte außer Golwin weder Freunde noch Familie, sollte nur für den König dasein. Soviel hatte Marten aus den Erzählungen seines Freundes herausgehört und daher waren die beiden bei allen ihren Treffen mehr als zurückhaltend gewesen.
 

"Eine einzige Umarmung würde ausreichen, um ihn durchdrehen zu lassen", stellte Toren verbittert fest und überlegte, was Golwin wohl zu diesem Akt der Eifersucht getrieben haben mochte. Sie hatten immer darauf geachtet, niemandem Anlaß zu irgendwelchen Spekulationen zu geben. Niemals hatten sie sich in der Öffentlichkeit berührt, bis auf... ja, bis auf dieses eine Mal. Mit Schrecken erinnerte er sich an ihr Zusammentreffen wenige Stunden zuvor.
 

Stöhnend schloß der Traumweber die Augen, als die Erinnerung an die harmlose kleine Szene im Hof sich in den Vordergrund seiner Gedanken drängte. Im Hof, für alle sichtbar... und die Fenster von Golwins Arbeitszimmer lagen in Richtung Hof... Oh mein Gott. Toren presste die Hand auf den Mund und unterdrückte nur mit Mühe ein Schluchzen.
 

"Er muss uns im Hof beobachtet haben! Ich bin sicher, er hat gesehen, dass du mich berührt hast!"
 

"Wovon um alles in der Welt sprichst du? Es ist doch überhaupt nichts geschehen!" fragte Marten verwirrt nach. Toren streckte die Hand aus und streichelte Martens Wange, dabei exakt die Berührung kopierend, die dieser zuvor ausgeführt hatte.
 

"Wirklich? Sei versichert, dies hier reicht völlig aus."
 

"Oh." Marten schloß kurz die Augen. Endlich hatte er begriffen. Wäre die ganze Sache nicht so ernst gewesen, er hätte darüber lachen mögen. "Er ist verrückt. Verlass ihn, solange noch Zeit dazu ist."
 

"Ja, sicher. Und er wird mich einfach so gehenlassen und mir sogar noch die Tür aufhalten." Die Bitterkeit in der Stimme seines Freundes war mehr, als Marten ertragen konnte und so umfaßte er Torens Schultern mit festem Griff und schüttelte ihn durch.
 

"Du Idiot! Kannst du denn nicht verstehen, dass ich mir Sorgen um dich mache? Es zerreißt mir fast das Herz, dass ich dich allein hier zurücklassen soll! Wenn ich nur daran denke, dass du ihm ausgeliefert bist und niemanden hast, der dir hilft, dreht sich mir der Magen um!"
 

"Du bist derjenige, der höchstwahrscheinlich nicht zurückkommen wird und du machst dir Sorgen um ,mich'?" Verwundert schüttelte Toren den Kopf. Manchmal verstand er seinen Freund nicht im geringsten. Wie konnte er ihn immer noch mögen nach allen, was er ihm angetan hatte?
 

"Hör mir zu, Toren! Ich möchte, dass du auf dich aufpaßt, während ich weg bin. Hast du das verstanden? Gib gut auf dich Acht. Riskiere nicht, dass er dich noch mehr verletzt, als er es ohnehin schon tut. Ich werde wieder zurückkommen und dann werde ich dich befreien."
 

"Marten...", setzte der Traumweber zaghaft an, doch sein Freund ließ ihn nicht ausreden. Für einen kurzen Augenblick zog er ihn an sich, dann löste er sich entschlossen von Toren und schob er ihn energisch Richtung Tür.
 

"Leb wohl, Toren." Der junge Mann drückte seinem überraschten Freund einen zärtlichen Kuss auf die Stirn, dann stieß er ihn auf den Gang hinaus und schlug die Tür zu.
 

Toren stand noch lange da und starrte die Tür an, ehe er beinahe zärtlich die Hand gegen das Holz legte und sich mit einem kaum hörbaren Flüstern verabschiedete. "Paß auf dich auf, mein Freund. Was soll ich denn tun, wenn ich dich auch noch verliere?"
 

+++
 

Das Abendessen war eine trostlose Angelegenheit. Simon stocherte lustlos auf seinem Teller, etwas, was ihm noch nie zuvor passiert war. Normalerweise konnte er es kaum abwarten, bis er endlich seinen ewig hungrigen Magen füllen konnte, doch diesmal war es anders. Toren ging ihm einfach nicht mehr aus dem Sinn.
 

Warum hatte er das nur getan? Warum konnte er nicht ein einziges Mal in seinem Leben etwas richtig machen? Wieso hatte er Toren so sehr verletzen müssen? Seufzend schob er seinen Teller beiseite. Irgendwie war ihm gründlich der Appetit vergangen.
 

"Mein Leben ist vorbei." Mit diesen düsteren Worten ließ sich Marten auf den leeren Stuhl neben seinem neuen Freund fallen und griff nach dessen Weinbecher. Ohne zu fragen leerte er diesen in einem Zug und winkte gleich darauf einem der Pagen, um sich nachfüllen zu lassen.
 

Es dauerte einige Sekunden, ehe Simon sich endlich so weit von seiner Überraschung erholt hatte, dass er Marten nach dem Grund für dessen plötzliche Verzweiflung fragen konnte.
 

"Was passiert ist?" Der junge Mann senkte den Blick und starrte lange Zeit auf seine Hände, dann hob er plötzlich den Kopf und sagte leise, wobei ein verbitterter Unterton in seiner Stimme mitschwang: "Ich habe vorhin erfahren, dass ich die Ehre und das unaussprechliche Vergnügen habe, innerhalb der nächsten Monate für mein Vaterland zu sterben. Ist das nicht einfach wunderbar?"
 

Simon zog die Augenbrauen hoch, offensichtlich nicht in der Lage, Martens geheimnisvolle Äußerungen zu verstehen. "Darf man fragen, wovon Ihr sprecht? Ich kann Euch nicht folgen."
 

Mit einem traurigen Seufzen schüttelte Marten den Kopf und stand auf. "Es tut mir leid. Ich möchte im Augenblick nicht darüber reden."
 

Erstaunt sah Simon ihn an, doch bevor Marten den Tisch verließ, neigte er sich noch einmal zu dem Drachentöter herunter und flüsterte so leise, dass außer Simon ihn niemand verstehen konnte:
 

"Kommt nach dem Essen in meine Kammer. Wir müssen uns unterhalten." Marten stand abrupt auf und stieß seinen Stuhl zurück, dann war er verschwunden und ließ einen verwirrten Simon zurück, der sich fragte, was er eigentlich verpasst hatte.
 

+++
 

Erlind war außer sich. Ihr Vater hatte sie noch nicht einmal angehört! Dabei war sie so sicher gewesen, dass er sich ihren Bitten nicht würde verschließen können. Doch die Realität sah anders aus. Er hatte sie nicht im geringsten ernst genommen und es schien fast, als hätte er es genossen, sie einfach so abzukanzeln.
 

Wütend eilte sie den Gang hinunter und näherte sich der Treppe, die sie wieder zurück in ihre Gemächer führen würde. Was hatte ihr Vater nur auf einmal gegen Marten? Er hatte ihm doch noch nie zuvor Beachtung geschenkt und jetzt das! Das sollte einer verstehen.
 

Immer noch ziemlich verärgert blieb sie vor der untersten Treppenstufe stehen und dachte nach. Was konnte sie noch tun, um Marten dieses Schicksal zu ersparen? Die Antwort war ebenso bedrückend wie einfach: nichts.
 

Niemand außer ihrem Vater konnte diesen Befehl wieder aufheben und dieser war nicht bereit, mit sich reden zu lassen. Frustriert kaute Erlind auf ihrer Unterlippe, eine Geste, zu der sie sich normalerweise niemals hinreißen ließ, da sie so undamenhaft wirkte, doch im Augenblick war es ihr gleichgültig.
 

Es musste eine Lösung für ihr Problem geben. Nachdenklich tappte die junge Prinzessin mit der Schuhspitze gegen die rauhe Oberfläche der Steinplatten unter ihren Füßen. Plötzlich kam ihr eine Idee. Vielleicht sollte sie einfach jemanden bitten, an ihrer Stelle noch einmal mit ihrem Vater zu sprechen?
 

Die Idee war gut, doch wen sollte sie fragen? Es gab nicht viele, die ein offenes Ohr bei ihrem Vater fanden. Die anderen Ritter schieden von vornherein aus. sie waren ihrem Vater treu ergeben und sicherlich der Ansicht, dass Marten sich glücklich schätzen konnte, mit diesem kleinen Spionageauftrag betraut worden zu sein.
 

Sollte sie vielleicht Toren fragen? Er und Marten waren Freunde, der König mochte ihn und überhaupt... Ihre Gedankengänge wurden von kaum hörbaren Schritten unterbrochen, die sich ihr vom anderen Ende des Ganges her näherten. Gleich darauf sah sie den Traumweber auf sich zukommen.
 

Wenn das Schicksal ihr schon so sehr entgegenkam, dann wäre es eine regelrechte Sünde, diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen und so trat Erlind ihrem Freund kurz entschlossen in den Weg, um ihn aufzuhalten.
 

"Guten Abend, Toren."
 

Verwundert sah der Traumweber auf, sichtlich von ihrem Auftauchen überrascht. Anscheinend hatte er sie bis jetzt noch nicht einmal bemerkt. "Guten Abend, Lady Erlind. Kann ich etwas für Euch tun?"
 

Nun war es an Erlind, den anderen erstaunt anzusehen. Was sollte denn diese steife Förmlichkeit ihr gegenüber? Sie kannten einander schließlich schon seit sie klein gewesen waren und mehr noch, sie waren Freunde! Doch um sich über Torens verändertes Verhalten Sorgen zu machen, fehlte ihr im Augenblick die Zeit. Um Marten zu retten, zählte jede Stunde.
 

"Marten wird uns verlassen."
 

"Ich weiß." Toren sah kurz zur Seite und Erlind war beinahe sicher, die Tränen sehen zu können, die in den grünen Augen ihres Freundes schimmerten. Doch als er ihren Blick erwiderte, war dieser von beinahe gefühlloser Kälte. "Ich habe es gehört. Es tut mir wirklich Leid für Marten. Aber wenn der König einen Befehl erteilt, haben wir ihm Folge zu leisten. Da ist Marten keine Ausnahme."
 

"Wovon redest du, Toren? So kenne ich dich ja gar nicht!" Schockiert berührte Erlind den anderen am Arm und war ein wenig verletzt, als dieser ihrer Berührung rasch auswich.
 

"Es tut mir wirklich leid, Erlind. Aber da kann man nichts machen."
 

"Er ist dein Freund, Toren! Wie kannst du ihn so einfach im Stich lassen?" Erlind holte tief Atem und tat ihr Bestes, sich zu beruhigen. "Hör zu, mein Vater mag dich. Er vertraut dir. Wenn du mit ihm sprichst, dann..."
 

"Tut mir leid, Erlind. Das kann ich nicht tun." Toren schenkte ihr ein Lächeln, in dem sich Trauer und Verzweiflung die Waage hielten, während er ihr mit einer raschen Bewegung auswich und an ihr vorbei trat.
 

Es dauerte einige Sekunden, ehe Erlind sich von ihrem Schock erholt hatte. "Toren! Was hast du nur in letzter Zeit? Ich erkenne dich nicht wieder."
 

Wütend rief Erlind hinter ihrem Freund hinterher, doch dieser wandte sich nicht mehr um und war gleich darauf verschwunden.
 

Fassungslos verfolgte die junge Frau, wie Toren sie einfach stehenließ. Ein nagendes Gefühl der Unsicherheit, das verdächtig an Panik erinnerte, wuchs in ihrem Inneren und nahm ihr beinahe die Luft zum Atmen. Irgendetwas stimmte nicht mit ihrem Freund. So hatte sie ihn noch nie erlebt. Es schien fast, als wäre der warmherzige, liebevolle junge Mann, mit dem sie aufgewachsen war, einfach ausgelöscht. Und während sie langsam die Treppe hinaufstieg, fragte sie sich immer wieder, was los war.
 

+++
 

Seit langen Minuten herrschte Schweigen in der kleinen Kammer, doch die beiden jungen Männer schienen es gar nicht wahrzunehmen.
 

Marten stand am Fenster und starrte hinaus in den von einigen wenigen Fackeln erhellten Innenhof und hing seinen Gedanken nach. Im Hintergrund hörte er, wie Simon sich unruhig hin und her bewegte. Der Drachentöter wurde allmählich ungeduldig, doch Marten wusste noch nicht so recht, wie er das, was ihm auf der Seele lag, dem anderen verständlich machen konnte.
 

Müde ließ er seinen Blick zu dem Leinensack wandern, der seine wenigen Habseligkeiten enthielt. Zusammen mit seinen Waffen wartete seine Kleidung darauf, ihn früh am nächsten Morgen in eine ungewisse Zukunft zu begleiten. Es gab noch so viel zu tun und er hatte so wenig Zeit... Die Chancen, dass er lebend zurückkehren würde, lagen bei Null.
 

Unglücklich schloß er die Augen.
 

"Warum habt Ihr mich hergebeten?" riss ihn die Stimme des Drachentöters aus seiner Versunkenheit und Marten beschloss, dass es an der Zeit war, endlich zur Sache zu kommen.
 

"Ich habe eine Bitte an Euch", begann er vorsichtig und überlegte, wie er weiter vorgehen sollte. Es hing so viel davon ab, dass er jetzt die richtige Entscheidung traf... Er spürte das Erstaunen des anderen und wandte sich endlich um. Mit einer einladenden Handbewegung wies er auf den einzigen Stuhl, den er sein Eigen nannte und setzte sich selbst auf sein Bett. Noch einmal faßte er die hochgewachsene Gestalt seines Besuchers genau ins Auge und kam zu dem Schluß, dass Simon das Beste war, das Toren bisher passiert war. Auch wenn dieser es noch gar nicht wusste.
 

"Worum geht es?", hakte Simon behutsam nach. Irgendetwas hatte diesen sonst stets so fröhlichen jungen Mann völlig aus der Bahn geworfen und wenn er den Informationsfetzen glauben konnte, die er während des Essens von den anderen Rittern aufgeschnappt hatte, dann wusste er nur zu gut, was Marten bedrückte.
 

"Kümmert Euch um Toren. Bitte. Wenn er Euch irgendetwas bedeutet, dann lasst ihn nicht aus den Augen, während ich weg bin." Simon wollte Einwände erheben, doch Marten unterbrach ihn und sprach hastig weiter. "Ich weiß, dass Ihr Euch zur Zeit nicht versteht, aber ich kann nicht länger dabei zusehen, wie der König meinen Freund zugrunde richtet. Ich kann Euch nicht erzählen, was im einzelnen vorgeht, das weiß niemand. Aber ich sehe es in seinen Augen und ich kann es nicht länger ertragen. Ich will, dass Ihr ihm helft. Bringt ihn weg von hier, ehe der König ihn umbringt."
 

Es gab so vieles zu fragen, so vieles einzuwenden und trotz allem beschränkte Simon sich auf eine einzige Frage: "Warum gerade ich?"
 

"Weil Ihr ihn liebt." Marten gönnte sich ein kaum sichtbares Lächeln. "Zumindest hoffe ich es. Aber selbst wenn nicht, dann vertraue ich darauf, dass Ihr ihn nicht willentlich verletzt. Nicht so, wie Golwin es ständig tut."
 

Simon öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Marten war noch nicht fertig.
 

"Ihr seid ein Mann von Ehre, Drachentöter. Enttäuscht mich nicht."
 

Darauf gab es nur, nein, ,konnte' es nur eine Antwort geben und Simon legte alle Überzeugungskraft in seine Stimme, deren er fähig war. Er wollte, dass Marten die Wahrheit aus seinen Worten hörte, auch wenn er sie sich selbst erst wenige Sekunden zuvor eingestanden hatte.
 

"Keine Sorge. Ich werde alles tun, um Toren zu beschützen, denn ich liebe ihn mehr als mein Leben."
 

tbc

A fairytale of love and hate 08/?

Beta: Akane-chan/Nimue *zuwink und umknuddel*

Nächstes Update: wahrscheinlich 03.07.2005
 

Wow. Das ist das einzige, was mir dazu einfällt. Besonderen Dank an Tsuya, tsusuki, beddl-cat und Lycidas. Eure Sorge um Marten hat mich sehr, sehr glücklich gemacht. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, ihm einen sympathischen Charakter zu geben und anscheinend ist mir das wirklich gelungen.
 

Eigentlich sollte Marten nur eine kleine Rolle am Rand haben aber irgendwie hat er sich einfach selbstständig gemacht... ^^
 

Toren und Marten sind sehr gute Freunde, aber nicht mehr. Marten liebt Toren wie einen Bruder, sein Herz hingegen gehört Erlind.
 

Aber jetzt genug geredet...
 

+++
 

A fairytale of love and hate 08
 

+++
 

Die Sonne stand bereits hoch am Himmel als Marten sein Pferd zügelte und auf einer kleinen Anhöhe anhielt, um den unter ihm liegenden Wald betrachten zu können. Seit dem Morgengrauen war er nun schon unterwegs und hatte die Grenzen Tanelons bereits vor vielen Stunden hinter sich gelassen. Jetzt befand er sich in dem unwegsamen Waldgebiet, dessen verschlungene Pfade ihn auf direktem Wege in die roverianische Hauptstadt führen würden und fragte sich zum wohl tausendsten Male, was er nun tun sollte.
 

Schon seit er aufgebrochen war, formte sich in seinem Kopf ein Gedanke, der ihm keine Ruhe mehr ließ. Auslöser für seine Überlegungen war die Tatsache gewesen, dass er ganz allein unterwegs war. Sollte er sich dafür entscheiden, sein bisheriges Leben über Bord zu werfen und Golwins Hof den Rücken zu kehren, konnte ihn niemand an den König verraten. Zum ersten Mal seit seiner Geburt war er wirklich frei. Er konnte jetzt und hier diesen unsinnigen Befehl ignorieren und seinem Leben eine Wende geben. Niemand würde ihn aufhalten oder vermissen. Kehrte er nicht zurück, würden alle annehmen, er sei in Ausübung seiner Pflicht ums Leben gekommen. Wenn man es genau nahm, stand ihm die ganze Welt offen.
 

,Aber was war mit Toren? Konnte er seinen Freund einfach so im Stich lassen?' meldete sich die kaum hörbare Stimme seines Gewissens und Marten wurde klar, dass er sich seine Freiheit niemals auf Kosten seines Freundes würde erkaufen können. Sein ganzes restliches Leben würde ihn der schale Geschmack des Verrats begleiten und das war mehr, als er ertragen konnte. Allein die Vorstellung daran machte ihn krank.
 

Hinter ihm knackte es, als wäre jemand auf einen trockenen Zweig getreten und Marten fuhr herum. Mit wachsamem Blick betrachtete er seine Umgebung, doch als sich nach langen Minuten immer noch nichts gerührt hatte, wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Aufruhr in seinem Inneren zu.
 

Was sollte er tun? Was ,konnte' er überhaupt tun? Dem Drachentöter die ganze Angelegenheit überlassen und auf das Beste hoffen? Marten fühlte bei dem Gedanken daran ein merkwürdiges Ziehen in der Magengegend und verwarf diesen Gedanken schnellstens wieder. Trotz allem, was er Simon bei seinem Abschied gesagt hatte, wurde er das Gefühl nicht los, dass es besser war, ein Auge auf seinen Freund zu haben.
 

Aber zurückgehen konnte er nicht. Kehrte er jetzt nach Tanelon zurück, würde Golwin ihn wegen Befehlsverweigerung hinrichten lassen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Nach Rovere wollte er ebensowenig. War er erst einmal in der Stadt, dann würde es nicht lange dauern, bis irgendjemand herausfand, woher er kam. Marten konnte sich lebhaft vorstellen, was dann geschehen würde. Wenn auch nur die Hälfte der Gerüchte stimmten, die man sich in den letzten Tagen unter den Rittern des Königs erzählt hatten, dann bereitete Rovere sich auf einen Krieg vor und jeder, der aus Tanelon kam, würde höchstwahrscheinlich der Spionage verdächtigt werden. Ganz gleich, ob er nun schuldig war, oder nicht.
 

Nein, es musste einen anderen Weg geben, eine Möglichkeit, wie er sowohl sich selbst als auch Toren retten konnte. Es musste ihm nur das richtige einfallen.
 

In diesem Augenblick schlug ein weißgefiederter Pfeil dicht neben seinem Kopf in den Stamm einer hochgewachsenen Tanne und während Marten noch verwundert den Pfeil betrachtete, dessen Schaft immer noch leicht von dem Aufprall vibrierte, zischte bereits der nächste Pfeil heran.
 

Noch einmal verschwendete er wertvolle Sekunden, ehe ihm klar wurde, was dies zu bedeuten hatte und gerade als er das hohle Pfeifen vernahm, das den Abschuß weiterer Pfeile ankündigte, gab er seinem Pferd die Sporen und jagte in den unter ihm liegenden Wald hinein.
 

-*-*-
 

Die ersten Strahlen der morgendlichen Sonne schoben sich über die Mauern des Schlosses und vertrieben die letzten Reste der Nacht aus dem Garten. Noch lag die erwartungsvolle Stille des neuen Morgens über dem Land, doch allmählich erwachten Schloss und Bewohner zum Leben.
 

Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, war Erlind bereits lange vor Sonnenaufgang auf den Beinen gewesen und hatte die ruhigen Stunden vor Morgengrauen damit verbracht, Ordnung in ihre Gedanken und Gefühle zu bringen. In der letzten Zeit war so viel geschehen, dass sie allmählich an Dingen zu zweifeln begann, die für sie jahrelang selbstverständlich gewesen waren.
 

Da war zunächst einmal ihr Vater. Was um alles in der Welt hatte er nur auf einmal gegen Marten? Es hatte ihn doch noch nie gekümmert, ob einer seiner Ritter lebte oder starb und gerade das Findelkind war ihm immer mehr als gleichgültig gewesen.
 

Und jetzt schickte er ihn als Spion nach Rovere? Warum sollte ihr Vater einem Ritter, der keinerlei Ahnung von Spionage hatte, so eine wichtige Aufgabe anvertrauen? War mit solch einer Entscheidung eine Katastrophe nicht regelrecht vorprogrammiert? Erlind verstand es einfach nicht. Warum riskierte ihr Vater einen Krieg, indem er einen jungen Mann losschickte, der keine Ahnung von dem hatte, was ihn erwartete? Das alles machte überhaupt keinen Sinn. Es war fast, als wolle er Marten für irgendetwas bestrafen
 

Einen Augenblick. Vielleicht war dieser Gedanke ja gar nicht so abwegig. Vielleicht wollte er Marten tatsächlich bestrafen. Doch wofür? Entmutigt ließ die junge Frau sich auf eine der zahlreichen Steinbänke sinken und schloss die Augen.
 

Die Stille ringsumher war eine Wohltat. Endlich konnte sie einmal sie selbst sein. Allein, unbeobachtet und nicht genötigt, sich zu verstellen. Zufrieden genoss sie das wärmende Gefühl der Sonne, als diese langsam über ihre Beine weiter nach oben glitt, um schließlich ihr Gesicht in goldenes Licht zu tauchen.
 

Es wäre so einfach, sich fallenzulassen und alle Sorgen beiseite zu schieben, wäre da nicht diese quälende Ungewissheit in ihren Gedanken, die ihr einfach keine Ruhe ließ. Irgendetwas stimmte nicht. Da war sich Erlind völlig sicher.
 

Was mochte nur zwischen Marten und dem König vorgefallen sein, dass dieser sich genötigt sah, den jungen Mann einfach fortzuschicken? Erlind ärgerte sich über sich selbst, weil sie ihrem Vater so einfach nachgegeben hatte. Warum hatte sie nicht auf einer Erklärung bestanden, als noch Zeit dafür war? Jetzt war Marten fort und tief in ihrem Inneren wuchs die Überzeugung, dass sie ihn nie wiedersehen würde.
 

Und Toren schien dies überhaupt nicht zu bekümmern.
 

Unvermittelt drängte sich die Erinnerung an ihre letzte Begegnung mit dem Traumweber in den Vordergrund ihrer Gedanken. Warum war er nur so merkwürdig? Je länger Erlind darüber nachdachte, desto mehr musste sie sich eingestehen, dass sie Toren kaum noch kannte. In den letzten Jahren hatten sie sich immer mehr entfremdet und die Vertrautheit ihrer Jugendtage war zu einem kümmerlichen Rest zusammengeschrumpft.
 

Die um sie herrschende Stille wurde nach und nach vom Gesang der Vögel unterbrochen wurde, die freudig den neuen Tag begrüßten. Erlind lehnte sich gegen die Steinmauer in ihren Rücken und ignorierte den Morgentau, der langsam ihren Rock durchnäßte.
 

Vielleicht sollte sie noch einmal mit ihm reden. Kurz entschlossen stand sie auf und eilte hinein.
 

-*-*-
 

Das leise Klirren von Zaumzeug, begleitet vom dumpfen Hufschlag zweier Pferde, machte Marten auf die nahende Gefahr aufmerksam und mit behutsamen Bewegungen zog er sich tiefer in sein Versteck zurück.
 

Der junge Mann war verzweifelt. Seine Lage schien aussichtslos. Gänzlich unbewaffnet und ohne Pferd war er seinen Verfolgern schutzlos ausgeliefert und sein baldiger Tod schien eine unausweichliche Tatsache zu sein. Beinahe unbewusst tastete er nach der Wunde, die einer der Pfeile in seine linke Seite geschlagen hatte und konnte nur mit Mühe einen schmerzerfüllten Aufschrei unterdrücken.
 

Um ein Haar hätten die Pfeile, mit denen sein Pferd getötet worden war, auch ihn das Leben gekostet. Es kam einem Wunder gleich, dass er nicht schlimmer verletzt worden war. Doch wenn ihm nicht bald etwas einfiel, würde es sicher nicht bei dieser einen Wunde bleiben.
 

Wieder berührte er den Pfeilschaft, der immer noch dicht über der linken Hüfte tief im Fleisch steckte und für einen Augenblick wurde ihm schwarz vor Augen. Als er seine verkrampften Finger von dem Pfeilschaft löste, waren diese über und über mit Blut besudelt.
 

Marten wischte das Blut ungeduldig an seinem Wams ab, ehe er einen der dichten Äste des Busches beiseite drückte, unter denen er sich verborgen hielt und mit angehaltenem Atem darunter hervor spähte.
 

Seine Verfolger hatten das gegenüberliegende Ende der kleinen Lichtung erreicht und zum ersten Mal konnte Marten ihre Gesichter deutlich erkennen. Es war, wie er vermutet hatte.
 

Die beiden Männer gehörten zu seinen Kameraden, er kannte sie gut, und doch hatte Golwin sie davon überzeugen können, dass er den Tod verdient hatte. Welche Lügen der König über ihn verbreitet hatte oder ob die beiden alle Befehle ausführten, ohne sie zu hinterfragen, Marten wusste es nicht.
 

Jetzt stieg einer der beiden ab und untersuchte das Gras nach Spuren und mit erschreckender Plötzlichkeit wurde Marten bewusst, dass es nicht lange dauern würde, bis sein Blut sie auf direktem Wege zu seinem Versteck führte.
 

"Hier ist Blut! Wir müssen ihn auf jeden Fall getroffen haben!"
 

"Ich wette, er ist noch in der Nähe! Ohne Pferd kann er nicht weit gekommen sein!"
 

Marten zuckte erschrocken zusammen. Sein schlimmster Alptraum war wahr geworden und es gab nichts, was er tun konnte, um der drohenden Vernichtung zu entgehen. Panisch untersuchte er seine Umgebung nach einem Fluchtweg. Vielleicht gab es doch noch eine Möglichkeit, seinen Häschern zu entgehen. Er durfte nur nicht aufgeben.
 

"Marten von Tanelon!" schallte es plötzlich über die Lichtung und der junge Mann stellte jede Bewegung ein, wagte noch nicht einmal mehr zu atmen. Wenn er sich nicht rührte, würden sie ihn möglicherweise gar nicht finden...
 

"Wir wissen, wo Ihr seid! Kommt heraus, dann werden wir Euch einen raschen Tod gewähren!"
 

Dieses Angebot wurde so ernsthaft vorgebracht, dass Marten um ein Haar aufgelacht hätte. Glaubten die beiden tatsächlich, sie würden ihm einen Gefallen tun, indem sie ihm einen raschen Tod versprachen? Für wie blöd hielten die ihn eigentlich? Er legte absolut keinen Wert auf diese zweifelhafte Begünstigung. Wenn er schon sterben musste, dann würde er versuchen, wenigstens einen der beiden mitzunehmen.
 

"Wenn wir Euch holen müssen, wird es nur umso schlimmer werden!" Die beiden Männer setzten sich langsam in Bewegung und Marten erkannte mit Schrecken, dass sie sehr wohl zu wissen schienen, wo er sich verborgen hielt, denn sie näherten sich zielsicher dem Busch, den er als Versteck gewählt hatte.
 

Ihm lief die Zeit davon.
 

Mit zusammengebissenen Zähnen drückte er die Finger seiner linken Hand auf die Wunde, dann packte er mit der anderen den Pfeilschaft und brach ihn dicht über der Haut ab. Für einige wertvolle Sekunden wurde ihm schwarz vor Augen, doch Marten kämpfte die drohende Ohnmacht mit reiner Willenskraft nieder. Eine Ohnmacht zu diesem Zeitpunkt war gleichbedeutend mit dem Tod und noch war er nicht so weit, sein Leben einfach so aufzugeben.
 

Die Soldaten waren bis auf wenige Meter herangekommen. Der junge Mann blinzelte die Tränen fort, die seinen Blick verschleierten. Nur noch ein paar Schritte...
 

Sonnenlicht blitzte auf Stahl, als einer der beiden sein Schwert hob, um es zwischen die Blätter zu stoßen.
 

Jetzt oder nie.
 

Mit einem rauen Aufschrei warf er sich auf den Angreifer und riß ihn zu Boden. Krachend traf seine Faust gegen das Kinn des anderen Mannes. Dieser verdrehte die Augen und sank ohnmächtig zurück und bevor sein Partner sich von seinem Schrecken erholt hatten, war Marten schon wieder auf den Beinen und rannte taumelnd auf den östlichen Rand der Lichtung zu.
 

Es dauerte nur wenige Sekunden, bis er schon wieder das allseits bekannte Pfeifen hörte, welches herannahende Pfeile ankündigte und während er noch versuchte, den Geschossen auszuweichen, traf ihn ein dumpfer Schlag in den Rücken, der seine Beine einknicken ließ und ihn hilflos zu Boden schleuderte.
 

Mühsam kämpfte er sich auf Hände und Knie empor und krabbelte weiter. Die Schritte seines Verfolgers dröhnten dumpf über den weichen Waldboden. Näher, immer näher die Männer und Marten wusste, ihm blieb nicht viel Zeit. Die Bäume verschwammen vor seinen Augen und ohne Vorwarnung tastete seine Hand ins Leere.
 

Mit erschreckender Plötzlichkeit gab der Boden unter ihm nach und während er scheinbar endlos in die Tiefe stürzte galt sein letzter Gedanken seinem Freund, den er nun doch nicht mehr würde retten können.
 

tbc

Disclaimer: Nicht mir.
 

Beta: Akane-chan (herzlichen Dank für alles^^)
 

Zunächst einmal möchte ich mich entschuldigen, weil es so lange mit dem Update gedauert hat. Aber das Kapitel war fertig und dann... dann gefiel es mir nicht mehr. Da musste ich es natürlich umschreiben und das hat ein wenig gedauert, mit der Konsequenz, dass ich die Folgekapitel auch umstricken muss... Ich will euch nur schon mal vorwarnen, es könnte zum nächsten Update ein bisschen dauern... *hüstel*
 

Ich habe in den letzten Kommentaren festgestellt, dass die meisten unter euch tatsächlich um Marten trauern und bin davon angenehm überrascht. Eigentlich sollte er gar keine so große Rolle haben und nur am Rande auftauchen, aber auf einmal hat er ein Eigenleben entwickelt und sich immer mehr als aufrichtiger Freund von Toren entpuppt. Ob man seine Leiche findet oder nicht, dazu werde ich mich jetzt noch nicht äußern. Das würde die Spannung verderben *gg*
 

Vielen, vielen Dank besonders an tsusuki, Lycidas, Tsuya, sweetydug, TheMoonlightGirl, Nanashi und Kore (Hoffentlich habe ich eure Namen richtig geschrieben. Wenn nicht, entschuldige ich mich aufrichtig für diese Nachlässigkeit). Eure Kommentare haben mir sehr geholfen. Dieses Kapitel ist für euch. Ich hoffe, es gefällt euch.
 

Bis bald und lasst euch nicht unterkriegen^^
 

-*-*-
 

A fairytale of love and hate 09/?
 

-*-*-
 

Der Tag näherte sich allmählich der Mittagsstunde und die am Morgen eingetroffenen Briefe waren längst gelesen und beantwortet, doch noch immer machte Golwin keinerlei Anstalten, sein Arbeitszimmer zu verlassen.
 

Toren saß reglos in einer der zahlreichen Fensternischen und beobachtete seinen Herrn dabei, wie dieser zum wohl hundertsten Mal den gleichen Brief zur Hand nahm, nur um ihn gleich darauf wegzulegen und unruhig mit den Fingerspitzen auf den Schreibtisch zu klopfen. Seit Stunden hatte Golwin seinen Traumweber nicht mehr beachtet.
 

Es war offensichtlich, dass der König auf etwas wartete, doch worauf, darüber konnte Toren nur spekulieren. Der junge Mann fühlte sich alles andere als wohl in seiner Haut, denn Golwin hatte ihm verboten, den Raum zu verlassen. Und das konnte nur eines bedeuten: Worauf der König auch immer warten mochte, es hatte etwas mit ihm zu tun.
 

Als es endlich klopfte, zuckte der Traumweber erschrocken zusammen. Golwin sah ruckartig auf, wobei plötzlich ein erwartungsvolles Lächeln seine Züge erhellte.
 

"Herein!"
 

Die Tür öffnete sich einen Spalt und einer seiner zahlreichen Diener huschte über die Schwelle. "Herr? Draußen wartet einer Eurer Soldaten mit einer wichtigen Botschaft für Euch."
 

"Hol ihn herein!" Golwin hielt sich gerade noch davon ab, sich zufrieden die Hände zu reiben. Für einen kurzen Augenblick empfand er fast perverse Vorfreude, als er daran dachte, mit welcher Botschaft der Mann höchstwahrscheinlich zu ihm zurückgekehrt war.
 

"Seid gegrüßt, Herr!", sagte der Soldat, kaum das er den Raum betreten hatte und verbeugte sich ehrerbietig.
 

"Schon zurück? Erfolgreich hoffe ich!" Der König musterte ihn gründlich und kam zu dem Schluss, dass die Nachricht ihm wohl gefallen würde. Das zufriedene Leuchten in den Augen des Mannes sprach Bände. Für einen kurzen Augenblick fragte er sich, was wohl aus dem zweiten Soldaten geworden war, verkniff sich die Frage allerdings, um das, was er so sehnsüchtig zu hören erhoffte, nicht unnötig heraus zu zögern.
 

"Natürlich, Herr! Alles verlief nach Plan!" Der Mann wollte noch etwas hinzufügen, unterbrach sich aber, als er die schmale Gestalt des Traumwebers in einer der zahlreichen Fensternischen entdeckte. Sein Blick irrte unruhig zwischen dem König und dem Traumweber hin und her.
 

"Sprich weiter. Ich habe keine Geheimnisse vor Toren." Golwin gönnte es sich, für einen Augenblick tiefste Zufriedenheit zu empfinden. Schon in wenigen Sekunden würde der junge Mann endgültig begreifen, wem er gehörte.
 

"Wir haben Marten von Tanelon in die Wälder gejagt und dort gestellt, ganz so, wie Ihr befahlt. Er ist tot." Der Soldat legte einen blutigen Fetzen von Martens Umhang auf den Schreibtisch des Königs und wartete gespannt auf dessen Urteil.
 

"Hervorragend. Hier ist eure Belohnung." Golwin warf dem Soldaten einen prall mit Goldstücken gefüllten Beutel zu und scheuchte ihn hinaus. Kaum hatte sich die Tür hinter dem Mann geschlossen, drehte er sich zu Toren um und fragte auffordernd: "Na, was ist? Willst du nichts dazu sagen?"
 

Torens Gesicht hatte eine geisterhafte Blässe angenommen. Er wirkte krank, doch Golwin schien es nicht zu stören. "Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen?"
 

Immer noch schweigend trat Toren langsam an den Schreibtisch des Königs heran und berührte mit den Fingerspitzen den blutigen Fetzen in Golwins Hand. Als der König ihm ein spöttisches Lächeln schenkte, stieß der junge Mann einen erstickten Laut aus und stürmte hinaus.
 

Sorgfältig legte der König das Stoffstück auf seinen Schreibtisch und sah es für einen Augenblick beinahe verliebt an. Das war alles, was von Marten von Tanelon noch übrig war.
 

Ein Hindernis beseitigt. Blieb nur noch der Drachentöter.
 

-*-*-
 

Irgendetwas musste passiert sein.
 

Zu diesem Schluss war Simon während der letzten beiden Tage gekommen, in denen er alles versucht hatte, um Toren näherzukommen. Doch sein Versprechen Marten gegenüber einzulösen, erwies sich als gar nicht so einfach.
 

Simon war sich nicht sicher, ob es der König war, der Toren so unter Verschluss hielt, oder ob es auf den Wunsch des Traumwebers zurückging, doch kaum jemand hatte ihn in den letzten beiden Tagen zu Gesicht bekommen und allmählich machte der Drachentöter sich ernsthafte Sorgen.
 

Welchen Grund konnte es für Toren geben, sich in seinem Zimmer einzuschließen und dieses nur noch zu den Gelegenheiten zu verlassen, in denen der König seine Dienste einforderte?
 

Simon knirschte vor unterdrückter Wut mit den Zähnen als er daran dachte, was Golwin seinem Traumweber antat. Warum konnte es nicht er sein, der an Golwins Stelle in Torens Armen lag? Er ärgerte sich über sich selbst. Seit ihrem gemeinsamen Kuss an dem Teich gab es keinen Augenblick, in dem er nicht an den dunkelhaarigen Berater gedacht hätte, doch es hatte erst des Gesprächs mit Marten bedurft, um ihm die Augen zu öffnen.
 

Es war nicht nur eine rein körperliche Anziehung, obwohl das Aussehen des Traumwebers einen nicht unerheblichen Anteil an Simons Gefühlen hatte. Dies zu leugnen, wäre reiner Selbstbetrug gewesen, aber Simons Gefühle gingen weit darüber hinaus. Er liebte Toren. Er liebte ihn so sehr wie noch nie irgendjemanden sonst in seinem ganzen Leben und die Tatsache, dass sein Angebeteter in den Armen eines anderen lag, brachte ihn beinahe um den Verstand.
 

Die kaum zu überbietende Ironie der ganzen Situation entging auch dem sonst ein wenig schwerfälligen Drachentöter nicht. Als er hierher gekommen war, wollte er nichts weiter, als Prinzessin Erlind freien, der man nachsagte, sie sei die schönste Frau des ganzen Landes. Er wollte seinen Vater stolz machen, ihm so bald wie möglich einen Enkelsohn schenken um die Thronfolge zu sichern und sein Leben in Ruhe und Frieden beschließen. Stattdessen hatte er sich in einen anderen Mann verliebt, der ihn nicht wollte und selbst wenn dem so wäre, eine Beziehung mit Toren würde sowohl seinem Vater als auch dem Namen seiner Familie Schande bereiten.
 

Simon wälzte sich schwerfällig von einer Seite auf die andere, doch der Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Er musste dringend etwas unternehmen. Bedauerlicherweise hatte er keine Ahnung, was.
 

Er brauchte die Gelegenheit, sich einmal ungestört mit Toren aussprechen zu können. Ein einziges Mal nur wollte er in Ruhe mit ihm reden, wollte den Berater des Königs besser kennen lernen und mit ihm Freundschaft schließen, doch Toren hatte bisher jeden seiner Versuche abgeschmettert und blieb ihm gegenüber so eisig und beherrscht wie eh und je. Simon wusste sich keinen Rat mehr.
 

Er merkte selbst, dass er Toren regelrecht hinterher lief, und es war mehr als offensichtlich, dass sein Verhalten den anderen nicht gerade mit Begeisterung erfüllte. Simon wurde jeden Tag frustrierter und wütender auf sich selbst. Seine Hilflosigkeit brachte ihn noch um den Verstand. Toren musste wissen, was er für ihn empfand. Das der Traumweber dennoch nicht mit ihm darüber reden wollte, trieb den Drachentöter beinahe in den Wahnsinn.
 

Plötzlich kam ihm eine Idee. Wie hatte er das vergessen können? Hatte der König ihm nicht eine Jagd versprochen? Er würde ihn morgen noch einmal darauf ansprechen. Simon lächelte zufrieden und schlief endlich ein.
 

-*-*-
 

Früh am nächsten Morgen trug Simon dem König seinen Wunsch vor. Golwin zeigte sich Hellauf begeistert.
 

"Natürlich! Gerne! Wie wäre es mit übermorgen? Dann haben meine Wildhüter genügend Zeit, alles zu planen."
 

"Das klingt wunderbar, ist aber nicht ganz das, was mir vorschwebte." Simon lächelte strahlend und lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück. Die erste Hürde war genommen, jetzt musste er nur noch den Rest meistern. "Ich verfolge einen ganz speziellen Zweck mit dieser Jagd. Ich hoffe, mich mit Eurem Traumweber auszusöhnen."
 

"Wie meint Ihr das?"
 

Täuschte er sich oder klang der König auf einmal beinahe feindselig? Simon beschloss, diesen Eindruck zu ignorieren und sprach unbeeindruckt weiter. "Ich fürchte, Toren mag mich nicht sonderlich. Was leider größtenteils meine Schuld ist. Wir hatten vor einigen Tagen ein kleines Streitgespräch und jetzt geht er mir bei jeder Gelegenheit aus dem Weg."
 

"Ein Streit?" Leicht erschrocken lehnte Golwin sich weiter vor und fasste den Drachentöter genau ins Auge. "Ich hoffe doch, es war nichts ernstes, was Euch Euren Aufenthalt hier verleidet hat!"
 

"Aber nein! Etwas völlig Belangloses. Es ging eigentlich nur um die Frage, ob die Jagd eine grausame und unfaire Angelegenheit ist, bei der das gejagte Wild keinerlei faire Chance erhält. Toren war der Ansicht, die Jagd sei ein barbarischer Sport und ich möchte ihm das Gegenteil beweisen."
 

"Ein sehr guter Einfall! Ich fürchte nur, dies wird Euch nicht gelingen. Toren ist sehr eigen, was dieses Thema angeht. Aber wenn Ihr es versuchen wollt, nur zu!" Golwin kochte vor Wut. Da hatte er diesem elenden Flittchen einen direkten Auftrag erteilt und dann widersetzte er sich einfach. Unglaublich. Er ging Simon nicht nur aus dem Weg, er hatte ihm sogar widersprochen, weil er es nicht ertragen konnte, dass ein paar dumme kleine Tiere zum Vergnügen abgeschlachtet wurden.
 

Mit diesem kindischen Verhalten brachte er alle ihre Pläne in Gefahr. Das würde Toren ihm büßen. Der König war so beschäftigt mit seinen Gedanken, dass er Simons nächste Worte um ein Haar überhört hätte.
 

"Nun, vielleicht irre ich mich, aber es wäre doch eine gute Idee, wenn ich mich einfach mal mit ihm ausspreche!" Simon holte noch einmal tief Atem und fügte hinzu: "Ich würde gern mit ihm allein auf Jagd reiten. Dann können wir die Zeit nutzen und alle Unstimmigkeiten ausräumen."
 

Gespannt hielt er inne um zu sehen, ob Golwin Verdacht schöpfen würde, doch der König stimmte begeistert zu.

"Natürlich! Tut das!"
 

"Vielen Dank, Euer Hoheit."
 

"Ich freue mich, Euch diesen Gefallen erweisen zu können." Der König wartete, bis die Tür hinter seinem Gast zugefallen war, ehe er sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse verzog. Er konnte es sich nicht leisten, den jungen Mann zu verärgern und glücklicherweise schien der Drachentöter das beleidigende Verhalten Torens relativ leicht zu nehmen. Nun, morgen würde er keinen Grund mehr haben, sich wegen dem Traumweber zu beschweren.
 

-*-*-
 

Toren schob langsam die Tür auf und betrat den dahinter liegenden Raum mit gemischten Gefühlen. Was konnte Golwin nur wollen? Der Traumweber hatte bereits die vergangene Nacht in der Gesellschaft des Königs verbracht und gehofft, wenigstens tagsüber seine Ruhe zu haben, doch anscheinend hatte er sich geirrt. Direkt nach dem Aufstehen hatte der König ihm befohlen, sich ein wenig frisch zu machen und sich dann umgehend in seinem Arbeitszimmer einzufinden.
 

Und genau dort befand der nervöse Traumweber sich gerade und hoffte, dass Golwin ihn nur zu sich gerufen hatte, um mit ihm über Staatsgeschäfte zu reden. Eine Hoffnung, die allerdings bei den nächsten Worten des Königs rasch zu Staub zerfiel.
 

"Setz dich und hör mir zu." Golwin wies auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch und lächelte seinen jungen Besucher so freundlich an, dass es diesem unwillkürlich kalt den Rücken hinunter lief. "Wir müssen uns über den Drachentöter unterhalten."
 

Plötzliche Beklommenheit schnürte Toren die Kehle zu, als er sich plötzlich an den Auftrag erinnerte, den der König ihm vor einigen Tagen erteilt hatte. Golwin würde ihm niemals verzeihen, dass er seine Anweisungen einfach vergessen hatte, ganz gleich aus welchem Grund. Vom Tod seines besten Freundes völlig aus der Bahn geworfen, hatte der Traumweber sich tagelang in seinem Zimmer eingeschlossen und seiner Trauer freien Lauf gelassen. Bis Golwin ihm befohlen hatte, unverzüglich seinen Pflichten nachzukommen und ihn so gewaltsam in die Realität zurückholte.
 

Und obwohl er sich nichts sehnlichster wünschte, als Macht genug zu haben, um den König zu töten, blieb Toren nichts anderen übrig, als dem Befehl seines Herrn Folge zu leisten. Er konnte nur hoffen, dass Golwin einigermaßen milde gestimmt war. Vorsichtig ließ er sich auf der Stuhlkante nieder und wartete auf das Unvermeidliche.
 

"Was denkst du über ihn. Hältst du ihn für eine Bedrohung?"
 

Warum also kam Golwin immer wieder darauf zurück? War er sich seiner selbst so unsicher, dass er in jedem hergelaufenen Ritter eine Bedrohung für seinen Thron vermutete? Der junge Traumweber beschloss, seine Worte so vorsichtig wie möglich zu wählen, obwohl er bereits ahnte, dass es gleichgültig war, wie seine Antwort ausfiel. In Golwins Augen war sie ohnehin falsch.
 

"Ich kenne ihn nicht gut genug, um mir eine Meinung über seinen Charakter zu bilden."
 

Golwin lehnte sich in seinem Sessel zurück und musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen, wobei ein eisiges Schimmern die falsche Zärtlichkeit verdrängte, die normalerweise in den Augen des Königs leuchtete, wenn er seinen Traumweber ansah. In diesem Augenblick wurde Toren klar, dass er einen entsetzlichen Fehler begangen hatte, doch es war zu spät. Er konnte nur noch beten, dass es diesmal nicht so schlimm werden würde wie sonst.
 

"Erinnerst du dich, worum ich dich gebeten habe?" Golwin erhob sich und umrundete langsam seinen Schreibtisch. "Leider musste ich feststellen, dass du meiner Anweisung nicht nachgekommen bist. Wenn ich mich recht erinnere, dann hatte ich dir befohlen, dich mit dem Drachtentöter anzufreunden, um mir Informationen über seine Absichten zu beschaffen. Hättest du meine Anweisungen befolgt, dann müsste ich jetzt nicht herumraten, sondern könnte meine nächsten Schritte sinnvoll planen, aber du hast nichts dergleichen getan. Im Gegenteil. Ich hatte den Eindruck, du meidest ihn, wo immer es nur geht. Warum tust du mir das an?"
 

Als er hinter seinem Traumweber stand, grub er seine Hand in dessen weiche Haare und ließ die seidigen Strähnen immer und immer wieder durch seine Finger gleiten. Eine Berührung, die aufgrund ihrer Sanftheit viel bedrohlicher wirkte, als die brutale Gewalt, mit der Golwin ihn normalerweise behandelte.
 

"Hast du denn immer noch nichts gelernt? Ist Marten denn ganz umsonst gestorben?"
 

Ein scharfer Schmerz fuhr in sein Herz und nur mit größter Anstrengung gelang es dem Traumweber die Tränen fortzublinzeln, die ihm bei der Erwähnung seines Freundes in die Augen getreten waren. Würde dieser Wahnsinn denn niemals enden? Toren schloss die Augen, ein harter Knoten nackter Angst bildete sich in seiner Brust. Er konnte und wollte einfach nicht glauben, dass schon wieder an diesem Punkt angelangt waren. Exakt die gleiche Unterhaltung hatten sie schon einmal geführt. Damals hatte Golwin ihm befohlen, Simon zum Freund zu gewinnen, doch Toren hatte diesen Befehl erst einmal von sich geschoben, ihn in seinen Gedanken zurückgedrängt, so weit es nur ging. Er hatte nicht bedacht, dass Golwin keinerlei Verständnis für seine Verzögerungstaktik aufbringen würde und jetzt, so schien es, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Preis für dieses Versäumnis zu zahlen.
 

"Warum antwortest du nicht? So schwer kann es doch nicht sein, dieses bedauerliche Missverständnis aufzuklären. Also?"
 

"Es tut mir Leid, Herr. Ich dachte, es wäre zu auffällig, wenn ich ohne ersichtlichen Grund freundlich zu ihm bin. Ich wollte das ganze langsam angehen lassen", stammelte der Traumweber hastig und wusste schon jetzt, dass seine Bemühungen, das Unheil abzuwenden vergebens waren.
 

"Soso... langsam wolltest du es also angehen lassen?" Golwins Hand verharrte einen Augenblick regungslos, nur um gleich darauf gnadenlos an den weichen Strähnen zu zerren. "Wenn ich dir einen Befehl erteile, dann erwarte ich, dass du ihn unverzüglich ausführst, ohne großartig darüber nachzudenken. Haben wir uns verstanden?!"
 

Toren nickte hastig, viel zu verängstigt, um zu antworten. Zu seiner Erleichterung ließ Golwin von ihm ab und kehrte wieder zu seinem Platz hinter seinem Schreibtisch zurück. Er nahm seine Schreibfeder wieder auf und der junge Mann nahm dies als Hinweis, dass er entlassen war. Doch kaum dass er zwei Schritte in Richtung Tür gemacht hatte, hielt Golwin ihn noch einmal auf.
 

"Wir sind noch nicht fertig, Toren. Komm noch einmal her."
 

Mit zitternden Knien näherte er sich seinem Herrscher und fand sich gleich darauf benommen auf dem Boden wieder, nachdem Golwin in mit einem brutalen Faustschlag von den Füßen geholt hatte. Sekundenlang verschwamm der Raum vor seinen Augen, bis es ihm schließlich gelang, sich schwerfällig auf die Beine zu kämpfen.
 

"Der Drachentöter war heute morgen hier und hat sich über den Verhalten beschwert. Du wirst ihm nie wieder Anlass geben, sich über dich zu ärgern, verstanden?" Golwin lächelte eisig und zerrte Toren näher zu sich heran. "Übermorgen gebe ich ihm zu Ehren eine Jagd. Du wirst teilnehmen und wenn ich dich hinprügeln müsste!"
 

"Ich denke ja gar nicht daran!" Plötzliche Wut fegte seine Angst beiseite und Toren ballte wütend die Fäuste. "Das könnt Ihr nicht von mir verlangen! Ich hasse die Jagd! Das wisst Ihr doch!"
 

Purer Unglauben malte sich auf den Zügen des Königs. "Du wagst es tatsächlich, mir zu widersprechen? Habe ich mich etwa nicht klar genug ausgedrückt? Ich will, dass du dich mit dem Drachentöter anfreundest und in Erfahrung bringst, was er wirklich hier will. Und dann werden wir ihn vernichten."
 

"Vernichten?! Was meint Ihr damit?"
 

"Stell dich nicht dümmer, als du bist!" Golwin war nicht in der Stimmung, sich mit der schon an Dummheit grenzenden Naivität des jungen Mannes auseinanderzusetzen. "Wenn wir erst wissen, welche Gefahr uns von ihm droht, dann wirst du einen netten kleinen Traum weben und ihn in ewige Verdammnis stürzen."
 

"Nie. Im. Leben." Toren war in seinem ganzen Leben noch nie so wütend gewesen. "Seid Ihr von Sinnen? Der Drachentöter ist Euer Gast!"
 

"Wie sprichst du denn mit mir, du elendes Flittchen?" Der König hieb wütend mit der Faust auf den Tisch, doch entgegen seiner sonstigen Erfahrungen ließ sich Toren diesmal nicht davon einschüchtern.
 

"Ich werde meine Gabe nicht als ein Werkzeug einsetzen, um Unschuldigen den Tod zu bringen!"
 

"Willst du dich mir widersetzen, Toren?!" Golwin sprang auf und tastete nach seinem Schwert. Sekunden später presste er die scharfe Klinge an die Kehle des Jüngeren und sah mit aufkeimender Gier, wie ein dünner Blutfaden an der weißen Haut hinab rann.
 

"Wag es nicht, dich mir entgegenzustellen, Toren! Mein Entschluss steht fest. Ich werde Erlind auf gar keinen Fall gehenlassen. Nicht, wenn auch nur die geringste Gefahr besteht, dass Ihre Heirat mich auf meinem Thron gefährden könnte. Also, wie entscheidest du dich? Gehst du jetzt auf die Jagd oder nicht?"
 

tbc

Lang, lang ists her... Ich weiß, ihr habt lange warten müssen, aber ich hoffe, ihr interessiert euch trotz allem noch für diese Geschichte. Ich habe mir Mühe gegeben, einige Fragen zu beantworten, die mir in den letzten Kommentaren gestellt worden sind, es kann aber sein, dass mir dies nicht gelungen ist. Ich hoffe in diesem Fall auf eure Nachsicht^^
 

Ein großes Dankeschön an beddl-cat, die mich daran erinnert hat, dass es Dinge gibt, die man erklären sollte, damit der Leser einem folgen kann^^
 

Vielen, vielen Dank auch an windhauch, HAIR, Morathi und Silent-voice, eure Kommentare bedeuten mir sehr viel. Ich hätte nie gedacht, dass diese Geschichte jemals jemandem gefallen würde.
 

Lasst mich bitte wissen, was ihr von der neuesten Entwicklung haltet. War es zu früh?
 


 

A fairytale of love and hate 10/?
 

+++
 

Früh am nächsten Morgen fand Toren sich im Schloßhof ein, wo der Drachentöter bereits auf ihn wartete. Der junge Traumweber war immer noch verstimmt über die dreiste Lüge, mit deren Hilfe es dem Drachentöter gelungen war, den König dazu zu überreden, ihn zur Jagd zu schicken und so fiel seine Begrüßung denkbar knapp aus.
 

Nachdem Golwin ihm mitgeteilt hatte, dass ihm eine Beschwerde über ein Streitgespräch vorlag, welches nach Torens Wissen niemals stattgefunden hatte, war der Traumweber wieder einmal durch die Hölle auf Erden gegangen. Sein ganzer Körper schmerzte und die Aussicht die nächsten Stunden im Sattel zu verbringen, ließ ihn nicht fröhlicher werden.
 

Golwin hatte ihn am Abend zuvor wegen seines Ungehorsams bestraft und wie immer war es nicht nur bei bloßen Schlägen geblieben. Mit dem strikten Befehl, Simon nicht zu verärgern und unter keinen Umständen zu widersprechen, war Toren wenige Stunden zuvor aus dem Bett seines Königs entlassen worden. Sein Zorn auf den Drachentöter allerdings war unvermindert.
 

Wer gab diesem aufdringlichen Kerl nur das Recht, sich ungebeten in sein Leben einzumischen? Toren erinnerte sich voller Abscheu an all die Momente, in denen der Drachentöter sich ihm regelrecht aufgedrängt hatte und wie immer in diesen Augenblicken verspürte er den fast übermächtigen Wunsch, dem anderen Mann offen ins Gesicht zu sagen, was er von dessen Verhalten hielt.
 

Das freudestrahlende Lächeln, mit dem der Drachentöter ihn bedachte war kaum auszuhalten. Ohne sich anmerken zu lassen, wie verärgert er wirklich war, nickte Toren dem anderen nur wortlos zu, ehe er sein Pferd bestieg und darauf wartete, endlich aufbrechen zu können. Je eher sie los ritten, desto eher war er wieder zurück und konnte diesem ganzen Irrsinn den Rücken kehren.
 

„Wie geht es euch heute morgen?“, versuchte Simon ein Gespräch zu beginnen, doch Toren wandte nur gereizt den Blick ab. Auch wenn Golwin ihm befohlen hatte, den Gast nicht zu verärgern, konnte er es derzeit nicht über sich bringen, sich mit ihm zu unterhalten. Zu frisch war noch sein Schmerz über den Verlust seines besten Freundes und die heitere Stimmung seines Begleiters trieb ihn beinahe in den Wahnsinn.
 

Als sein Begleiter nicht reagierte, beschloss der Drachentöter, deutlicher zu werden. Vielleicht konnte er zu Toren durchdringen, wenn er ihm von seinem Gespräch mit Marten erzählte. „Ich hoffe, Ihr nehmt mir meinen kleinen Betrug nicht übel. Aber ich muss dringend mit euch sprechen und ich wusste mir keinen anderen Rat...“
 

„...als mir Euren Willen aufzwingen“, fiel Toren ihm grob ins Wort und warf ihm einen eisigen Blick zu. „Ich bin sicher, Ihr hättet auch einen anderen Weg finden können, um Euch meine Aufmerksamkeit zu sichern.“
 

„Wie soll ich mich Euch denn nähern, wenn Ihr mir bei jeder Gelegenheit ausweicht?“, brach es hitzig aus Simon hervor. Plötzlich war er des Versteckspielens müde. Mit einer raschen Bewegung beugte er sich vor und griff dem anderen in die Zügel. Dann legte er ihm die Hand auf die Schulter und drehte ihn nicht gerade sanft zu sich herum. „Warum seid Ihr so abweisend zu mir? Ich möchte mich doch nur mit Euch unterhalten!“
 

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendetwas gibt, worüber ich mich mit Euch unterhalten möchte.“
 

Simon fühlte, wie er angesichts dieser offenen Feindseligkeit wütend wurde. „Dann irrt Ihr Euch. Es gibt eine Menge Dinge, über die wir reden müssen!“
 

„Nehmt Eure Hände von mir. Sofort.“ Die kaum verhohlene Wut, die unvermutet in Torens Augen aufglomm und ihnen einen unheimlichen grünlichen Schimmer verlieh, ließ Simon erschrocken zurückzucken. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, riss der Traumweber die Zügel seines Pferdes herum und galoppierte davon.
 

Simon blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Mit grimmiger Miene jagte er hinter dem jungen Mann in Richtung Wald und verfluchte im Stillen sowohl den König als auch Toren. Er hatte sich so viel von diesem Ausflug erhofft und nun würden seine Wünsche wieder einmal unerfüllt bleiben. Es war so ungerecht! Doch gleich darauf sprach er sich wieder Mut zu. Noch war nicht alles verloren. Immerhin war er endlich mit Toren zusammen. Und wenn er es geschickt anstellte, dann würde er Gelegenheit finden sich mit dem Traumweber auszusprechen. Doch dazu musste er ihn erst einmal einholen.
 

Entschlossen gab Simon seinem Pferd die Sporen und preschte dem anderen hinterher.
 

+++
 

Seufzend stützte Erlind das Kinn auf ihre linke Handfläche und beobachtete nachdenklich den Schwarm Spatzen, der sich direkt unter ihrem Fenster um einige Samenkörner stritt.
 

Torens merkwürdiges Verhalten ging ihr einfach nicht mehr aus dem Sinn.
 

Dieser hatte sich in den letzten Tagen immer mehr in sich zurückgezogen. War er vorher schon zurückhaltend gewesen, trat er nun überhaupt nicht mehr in Erscheinung und Erlind machte sich allmählich ernstliche Sorgen.
 

Natürlich hatte sie versucht, sich mit ihrem langjährigen Freund zu unterhalten, aber das erwies sich als gar nicht so einfach und nach einigen vergeblichen Versuchen, den anderen in seinem Zimmer aufzusuchen, hatte sie entnervt aufgegeben.
 

Doch der Gedanke daran, dass ihr Freund Probleme hatte über die er nicht sprechen mochte, ließ sich einfach nicht beiseite drängen und so drehten sich ihre Gedanken seit Stunden um nichts anderes. Sie musste etwas unternehmen, aber sie hatte keine Ahnung, was.
 

Leise Schritte näherten sich der Tür zu ihrer Kammer.
 

Erlind sah sich beinahe widerwillig um, als ihre Zofe eintrat und sie aus ihren Überlegungen riss. Sie mochte Mailie wirklich, aber manchmal ging das fröhliche Geschnatter der anderen ihr gehörig auf die Nerven. Aber leider brachte sie es nicht übers Herz, der jungen Frau den Mund zu verbieten und so blieb ihr nichts anderes übrig, als stumm zu leiden.
 

„Geht es Euch nicht gut, Herrin? Ihr seid so still.“
 

Erlind stieß ein kaum hörbares Grollen aus und drehte sich gereizt zu ihrer Zofe um. „Es ist alles in Ordnung. Warum bist du hier? Ist etwas passiert?“
 

Mailie nickte so aufgeregt, dass ihre dunkelbraunen Locken nur so flogen. „Ihr werdet es nicht glauben, aber ich habe eine wirklich erstaunliche Neuigkeit! Niemand im Schloss hätte geglaubt, dass so etwas mal geschehen würde!“
 

„Also?!“, seufzte die Prinzessin leicht genervt.
 

„Euer Feenprinz ist gemeinsam mit dem Drachentöter auf die Jagd geritten!“
 

Erlind blinzelte verblüfft. Auf die Jagd? Toren hasste es, zu jagen. Solange sie sich erinnern konnte, hatte der Traumweber das sinnlose Töten immer verabscheut und bisher hatte nichts und niemand ihn dazu bewegen können, sich dem König oder seinen Männern auf einer Jagd anzuschließen. Was um alles in der Welt mochte Toren wohl dazu bewogen haben, auf die Jagd zu reiten? Was hatte sich verändert?
 

„Es war die Idee des Drachentöters“, wiederholte Mailie gerade und Erlind, die dies bereits zum dritten Mal hörte, nickte nur und grübelte weiter darüber nach, warum Toren diesem Vorhaben zugestimmt haben mochte.
 

+++
 

„So wartet doch! Es tut mir leid!“
 

Für einen Augenblick schien es, als wolle Toren ihn ignorieren, doch dann zügelte der Traumweber sein Pferd und wartete schweigend, bis sein Begleiter aufgeholt hatte.
 

“Warum habt Ihr gelogen, Drachentöter? Ich hasse die Jagd“, brach es plötzlich aus Toren hervor. In den letzten Minuten war ihm klar geworden, dass ausweichen keinen Sinn hatte. Simon war viel zu stur und Torens Ablehnung schien sein Interesse nur noch weiter anzufachen. „Wisst Ihr eigentlich, was Ihr mir angetan habt?!“
 

Schuldbewusst zuckte Simon zusammen. „Es tut mir leid, aber ich wusste mir keinen anderen Ausweg...“
 

“Lasst mich eines klarstellen ,Drachentöter. Ich möchte, dass Ihr Euch nie wieder in meine Angelegenheiten einmischt. Haltet Euch aus meinem Leben heraus!“
 

„Es gibt da etwas, was ich Euch erzählen sollte“, setzte Simon verzweifelt an, doch der andere ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
 

“Nichts von dem, was Ihr mir erzählen könntet ist für mich von Interesse!“, unterbrach Toren ihn grob und machte Anstalten, sein Pferd zu wenden. „Und jetzt entschuldigt mich. Ich denke, es ist an der Zeit, diese Farce zu beenden.“
 

“Wartet!“ Simon drängte sein Pferd gegen Torens Reittier und schnitt ihm so den Weg ab. Fieberhaft überlegte er, welche Worte er wählen sollte, um dem anderen Martens Wunsch nahezubringen, ohne ihm das Gefühl zu geben, in die Enge getrieben worden zu sein. Doch ihm fiel nichts weiter ein, als regelrecht mit der Tür ins Haus zu fallen. „An dem Abend, bevor Marten abgereist ist, hat er mir aufgetragen, ein Auge auf Euch zu haben! Und ich muss schon sagen, Ihr macht es mir nicht gerade einfach!“
 

Toren starrte ihn fassungslos an. Jeder Funken Energie schien ihn verlassen zu haben, während er vergeblich nach Worten suchte und schließlich mit einem gequälten Stöhnen in sich zusammensank. Erschrocken lenkte Simon sein Pferd näher heran und legte ihm eine Hand auf den Arm.
 

„Kommt schon, lasst uns ein wenig rasten Ich denke, das habt Ihr dringend nötig. Meint Ihr nicht auch?!“
 

Der Traumweber nickte zögernd und stieg ab. Mit zitternden Knien lehnte er sich für einen Augenblick Halt suchend an sein Pferd, ehe er dem anderen zu der Mitte der Lichtung folgte und sich dort ins Gras fallenließ. Gleich darauf zog er die Knie an und bettete seine Arme darauf. Schweigend starrte er ins Nichts.
 

„Es tut mir leid, wenn ich Euch Unannehmlichkeiten bereitet habe“, versuchte Simon ein Gespräch in Gang zu bringen und sah erstaunt auf, als der andere bitter auflachte.
 

„So kann man es auch nennen, Drachentöter. Unannehmlichkeiten...“, seine Stimme verlor sich und gleich darauf starrte er wieder Gedankenversunken in das dunkle Grün der Bäume.
 

Simon schalt sich innerlich einen Trottel, doch all seine Selbstvorwürfe waren vergeblich. Wieder hatte er Toren nur Schmerzen bereitet, obwohl er ihn doch eigentlich beschützen wollte. Wenn Marten ihn jetzt sehen könnte, wäre er vermutlich enttäuscht und würde seine Entscheidung, seinen Freund dem Drachentöter anzuvertrauen sicherlich bereuen.
 

„Wieviel hat er Euch erzählt?“
 

Der Drachentöter schluckte trocken. „Alles.“
 

Toren schloss die Augen, zwang gewaltsam die Tränen zurück, die sich mit aller Macht ihren Weg nach draußen bahnen wollten und versuchte, seine widerstreitenden Gefühle in den Griff zu bekommen. „Wenn Ihr wisst... ich meine, wenn er Euch von meinem Leben erzählt hat... Wieso hat er das getan?“
 

Simon blinzelte verwirrt, völlig überrumpelt von diesem plötzlichen Themenwechsel und sprudelte das erste hervor, was ihm in den Sinn kam. „Könnt Ihr Euch das nicht denken?“
 

„Oh.“ Leichte Röte kroch in die Wangen des Traumwebers und Toren wandte rasch den Blick ab. Unbehagliches Schweigen breitete sich aus.
 

Simon war die Stille mehr als unangenehm und wieder startete er einen verzweifelten Versuch, das Gespräch erneut in Gang zu bringen.
 

„Ihr seid ganz anders, als man es sich erzählt.“
 

Für einen kurzen Augenblick starrte Toren ihn verwundert an, dann entspannte er sich sichtlich und zum ersten Mal seit sie sich kannten, ging er freiwillig auf den Drachentöter ein. „Was sagt man denn so?!“
 

Erleichtert, weil Toren ihn nicht länger ignorierte oder abblockte, ließ sich Simon rücklings ins Gras fallen und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Nun, wenn man den Berichten glaubt, solltet Ihr eigentlich fast fünfzig Jahre alt sein, das Gesicht voller Pockennarben haben und entweder ein Auge, ein Bein oder sogar beides verloren haben.“
 

Der Berater lächelte. „Der Mann, den Ihr meint, war mein Vater. Er war tatsächlich groß und stattlich, aber nach einem Unfall war sein linkes Bein steif geblieben. Vor zwei Jahren ist er verstorben und da das Amt als königlicher Seher erblich ist, habe ich die Stelle meines Vaters eingenommen. Wir tragen nur zufällig den gleichen Vornamen.“
 

„Wie kommt es, dass...“ Jedes weitere von Simons Worten ging in einem ohrenbetäubenden Donnern unter, das gleich darauf von einem grellweißen Blitz verdrängt wurde. Erschrocken drehten die beiden sich um und sahen von Norden eine stahlgraue Gewitterfront heraufziehen.
 

Toren erholte sich als erster von seinem Schreck. “Wir sollten uns unterstellen!“
 

Er sprang auf und eilte zu seinem Pferd, das bereits unruhig mit den Hufen scharrte und ein nervöses Schnauben ausstieß, kaum dass der Traumweber in den Sattel gestiegen war. „In der Nähe gibt es eine Höhle.“
 

Simon nickte nur und folgte seinem Begleiter tiefer in den Wald hinein.
 

+++
 

“Ihr seid völlig durchweicht.“ Simon hockte auf dem sandigen Boden der Höhle und versuchte vergeblich, das feuchte Holz zum Brennen zu bringen. „Zieht wenigstens Euer Hemd aus, sonst holt Ihr Euch eine Erkältung.“
 

„Nicht nötig.“
 

Simon runzelte wütend die Stirn, verfolgte das Thema aber nicht weiter. Es schien fast so, als hätte des Gewitter sie gleichsam wieder an den Anfang zurückgespült, denn Toren begegnete ihm nun wieder distanziert und so abweisend, dass es den Drachentöter beinahe schmerzte.
 

Er war sich nicht sicher, wie lange er dies noch würde aushalten können.
 

“Dann frier dich doch zu Tode!“, murmelte er gereizt vor sich hin und rieb energisch die beiden Stöcke gegeneinander, aus denen er das Feuer zu entfachen hoffte. Endlich war es ihm gelungen und mit einem zufriedenen Aufseufzen begann er damit, sein Wams zu öffnen.
 

Peinlich berührt blickte Toren zur Seite. Es war ihm sichtlich unangenehm, den nackten Oberkörper des Drachentöters zu betrachten. Simon, der seine Reaktion bemerkt hatte, beschloss, dass es an der Zeit war, das Versteckspiel zwischen ihnen zu beenden.
 

“Du kannst ruhig dein Hemd ausziehen. Ich werde dich nicht anrühren.“
 

Toren sah auf, seine grünen Augen funkelten verärgert. „Was zwischen mir und dem König geschieht geht Euch nicht das geringste an. Marten hat es gut gemeint, aber er hatte kein Recht, sich einzumischen. Ihr seid ein völlig Fremder, der nur einen Teil des Ganzen kennt und Ihr maßt Euch an, den Richter zu spielen?!“
 

Es langte. Diese offene Feindseligkeit, nachdem er schon geglaubt hatte, sie würden sich endlich ein wenig näher kommen, war mehr, als Simon in diesem Moment vertragen konnte. Seine Hand schoss vor und umschloß das zierliche Handgelenk des Traumwebers mit hartem Griff.
 

„Lasst los.“
 

„Nein.“
 

„Ich möchte gehen. Lasst los.“
 

„Du wirst nirgendwo hingehen solange ich es nicht gestatte!“
 

„Was erlaubt Ihr Euch?!“ Toren versuchte, sich loszureißen, doch Simon war ihm überlegen. Der Drachentöter war nun auch aufgestanden und drängte den Kleineren langsam aber unerbittlich zurück. „Laßt mich auf der Stelle los! Der König wird von Euren ungeheuerlichen Verhalten erfahren!“
 

„Das glaube ich nicht!“ Simon gab Toren einen Stoß, der ihn weiter in die Höhle hinein beförderte und folgte ihm drohend. „Ich habe es wirklich versucht. Aber anscheinend gibt es nur eine einzige Sprache die du wirklich verstehst.“
 

Toren stand vorsichtig auf und behielt dabei den Drachentöter mißtrauisch im Auge. „Ich verlange auf der Stelle eine Erklärung von Euch! Was soll das?!“
 

„Wie ich vorhin schon sagte, wir müssen uns unterhalten.“
 

„Ich wüßte nicht, was wir miteinander zu besprechen hätten!“ Toren musterte Simon abschätzend. „Laßt mich auf der Stelle hier raus!“
 

„Unmöglich!“ Simon schüttelte den Kopf und trat näher an Toren heran. Als er dicht vor ihm stand, beugte er sich ihm entgegen. „Ich bin es leid, von dir ausgeschlossen zu werden. Du sagst, es geht mich nichts an? Da irrst du dich. Wie kann ich wegsehen, wenn jemand gequält und ausgenutzt wird? Wie kann ich stillschweigend zur Seite treten und den König weiterhin all das machen lassen, was er dir fast jede Nacht antut? Es ist meine Pflicht...“
 

“Pflicht? Was soll denn dieses unsinnige Gerede von Pflicht? Ihr verlangt von mir, dass ich einem völlig Fremden die schmerzhaftesten Details meines Lebens offenbare? Wie Ihr wollt! Ich hoffe, Ihr seid stark genug!“
 

Außer sich vor Wut riss Toren sein Hemd auf und schleuderte es davon. Das sanfte Licht des Feuers verlieh seinem Körper einen fast rötlichen Schimmer, der sich in den unzähligen Narben widerspiegelte, die sich kreuz und quer über die blasse Haut zogen.
 

“Oh mein Gott...“ Schockiert streckte Simon die Hand nach Torens Arm aus, wo anscheinend ein Messer sein grausiges Werk verrichtet hatte und folgte der gezackten Linie von der Schulter bis hinunter zum Ellenbogen. „Wieso hat er das getan?“
 

“Weil er mich liebt“, war die schlichte Antwort und Simon konnte nichts weiter tun, als die bittere Galle herunter zu schlucken, die sich in seiner Kehle gesammelt hatte. Wenn das Golwins Art war, seine Liebe auszudrücken, dann wollte er niemals dessen Hass kennen lernen.
 

Torens Körper war ein beängstigendes Zeugnis für Golwins Wahnsinn und allein bei dem Gedanken daran, einem anderen Menschen solche Schmerzen zuzufügen, drehte sich ihm der Magen um. Aus einem Impuls heraus trat er einen Schritt vor, nahm Torens Hand und presste diese fast schmerzhaft zusammen.
 

“Dieser Mann ist wahnsinnig, Toren! Er wird dich vernichten, wenn wir ihm keinen Einhalt gebieten, doch so weit werde ich es nicht kommen lassen. Ich liebe dich seit dem Augenblick, in dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Es wird niemals einen anderen für mich geben und ich kann es nicht ertragen, dass du dein Leben einfach so wegwirfst, weil es diesem Irren gelungen ist, dich einzuschüchtern!“
 

Langsam machte Toren sich los und trat einen Schritt zurück. Er war merklich blaß geworden und zitterte leicht. „Du weißt nicht, wozu er fähig ist! Wenn Golwin mir befiehlt, dich zu töten, dann werde ich das tun! Ich kann mich ihm nicht widersetzen!“
 

“Das ist Unsinn, Toren! Natürlich kannst du...“
 

“Hör mir doch endlich einmal zu, verdammt!“, explodierte Toren aus heiterem Himmel und jagte Simon mit diesem völlig atypischen Gefühlsausbruch einen gehörigen Schrecken ein. Der Traumweber nahm die Hand des Drachentöters und führte sie an seinen Hals. „Spürst du das?“
 

Unter seinen Fingern ertastete der Drachentöter etwas, das sich wie ein Halsreif anfühlte, doch als er hinsah, konnte er nichts entdecken. „Was ist das?“
 

“Nachdem ich meine Ausbildung zum Traumweber beendet hatte, sorgte Golwin dafür, dass es für mich keine Möglichkeit gibt, mich jemals gegen ihn zu stellen. Solange ich dieses magische Halsband trage, muss ich seinen Anweisungen bedingungslos gehorchen.“
 

Versonnen betastete Simon das glatte Metall unter seinen Fingern. „Es hat keinen Verschluss.“
 

“Natürlich nicht!“, gab Toren mit einem ärgerlichen kleinen Seufzen zurück und machte sich vorsichtig von dem Drachentöter los. „Ich werde diese Fessel bis zu meinem Tode tragen. Und es gibt nichts, was du dagegen tun kannst.“
 

„Ich werde einen Weg finden, dich zu befreien!“
 

„Ihr werdet daran zugrunde gehen, Simon. Er wird dich vernichten, so wie er alle anderen vernichtet hat, die mir etwas bedeuten.“ Der Traumweber drehte Simon den Rücken zu und fuhr erschrocken zusammen, als er dessen Hände auf seinen Schultern spürte.
 

„Ich werde dich vor Golwin retten und wenn es das letzte ist, was ich in diesem Leben tue.“
 

Toren drehte sich wieder zu ihm herum und lächelte traurig. „Dazu kann es schneller kommen, als du glaubst.“
 

„Ich habe einen Drachen getötet. Warum sollte ich Angst vor einem Menschen haben?“
 

„Überheblich... so schrecklich überheblich, Drachentöter. Auch Marten war ein kampferprobter Ritter und dennoch ist es Golwin gelungen, ihn ermorden zu lassen.“
 

„W...was?! Marten ist tot? Aber...!“ Simon schwirrte der Kopf. Der fröhliche junge Mann, der innerhalb kürzester Zeit sein Freund geworden war, sollte tot sein?
 

„Aber was? Unmöglich?“ Toren gab sich nicht mehr die Mühe, seine Tränen zu verbergen. „Wenn der König etwas möchte, dann bekommt er es auch.“
 

Er trat so dicht an Simon heran, dass ihre Körper sich berührten und ließ seine Hand kurz auf dessen Brust ruhen. „Dein Herz ist stark, aber du bist nicht unverwundbar. Vergiss das niemals.“
 

Simon antwortete nicht darauf. Seine Haut brannte immer noch, wo Toren ihn berührt hatte und für einige Sekunden verwirrten sich seine Gedanken. Er wünschte sich nichts sehnlichster, als ihn in seine Arme zu reißen, doch diesen Fehler hatte er schon einmal begangen. Rasch kämpfte er seine Erregung nieder.
 

Er war so sehr damit beschäftigt, seine neu aufgeflammte Begierde im Zaum zu halten, dass er von Torens Vorhaben völlig überrumpelt wurde. Ein heftiger Stoß und er fand sich auf dem Boden wieder. Ehe er sich von seiner Überraschung erholt hatte, saß Toren bereits auf seinem Schoß.
 

„Toren...“ Simon biss die Zähne zusammen, doch von dem schlanken Körper des Traumwebers schien eine immer größer werdende Hitze auszugehen, die ihm das Denken fast unmöglich machte.
 

„Was ist los? Nicht Manns genug um dir zu nehmen, was du willst?“
 

Mit einem wütenden Grollen schob Simon den Traumweber von sich hinunter und presste ihn auf den harten Höhlenboden. „Treib es nicht zu weit, Toren! Du weißt, was ich für dich empfinde, also lach mich nicht aus!“
 

Urplötzlich völlig ernst, sah Toren ihn an. „Laß mich vergessen, Simon! Nur für diese eine Nacht möchte ich frei sein“, flüsterte er leise und der flehende Ton in seiner Stimme jagte dem Drachentöter einen unheilvollen Schauer über den Rücken.
 

„Toren...“ Simon war sich bewusst, dass sie einen Fehler machten. Er wollte noch so viel sagen, so viel einwenden. Wollte dem anderen klarmachen, dass er sich nur selbst betrog und hinterher noch viel verletzter sein würde als zuvor, doch als Toren mit den Fingern in seine Hose glitt, verließ ihn jeder Rest von Vernunft und zurück blieb nur ein alles verschlingendes Verlangen, das keinen Raum für Fragen oder Zweifel offenließ.
 

Das flackernde Lagerfeuer tauchte ihre Körper in goldenes Licht und als sie sich vereinigten, schien es Simon, als hätte er endlich die fehlende Hälfte seiner Seele gefunden.
 

tbc



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Kommentare zu dieser Fanfic (47)
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Von:  kastanie22
2007-04-07T13:25:35+00:00 07.04.2007 15:25
hm eine sache gibt es scho die mich verwirrt....Is mir gleich ins Auge gesprungen : Im ersten Absatz steht "...des reichen aber machtlosen Königs Golwin..." und im zweiten " die vom ebenso reichen wie mächtigen König golwin..." was stimmt denn nun verdammt?! Aber ansonsten gefällt es mir ganz gut ( dass heißt über den zweiten absatz bin ich ja noch nicht rausgekommen aber die kurzzusammenfassung hört sich sehr vielversprechend an ';) )
Von:  Morathi
2006-07-19T13:22:38+00:00 19.07.2006 15:22
ui oO na ob Toren das später nciht noch bereut, ist eine gute Frage. Aber er hat sich an Simon rangemacht, also kann er diesem keine Schuld geben. Nur, wird dieses Arsch an König etwas herausfinden? oO wäre ziemlich scheiße, aber okay, Simon will ihm anscheinend so oder so den Krieg erklären. Und Toren scheint er nciht egal zu sein, denn dieser wollte ihn davon abhalten für ihn zu kämpfen!
war en cool, aber seh kurzes Kapi. Bei dieser Story find ichs passend, dass keine große Lemmonszene dran kam, sondern das Ganze mehr poetisch ausgedrückt wurde. HAste echt gut hingekriegt ;)
weiter so!!!!
hoffentlich bald.
cu
Von: abgemeldet
2006-07-09T15:46:38+00:00 09.07.2006 17:46
wow
ein klasse kapitel
ich mag ja dramatik und davon gabs ja in diesen kapitel reichlich
danke für die beantwortung meiner fragen, die idee mit der kette ist klasse, besonders da sie ja unsichtbar ist, wird niemand darauf kommen
ich kann verstehen dass toren niemand mehr vertraut, er hat einfach zu viel verloren
hoffe mal simon schafft es ihn zu befreien und diese eine nacht wird nicht die letzte in freiheit sein
...
ok, jetzt hör ich auf, ich werd nämlich schon wieder zu... *kein wort find*
fazit:ein sehr schönes emotionales kapitel weiter so!
Von:  Yukarri
2006-07-02T20:34:39+00:00 02.07.2006 22:34
hi^^
ich habe mir die Fanfic schon vor ein paar Tagen durchgelesen
umso mehr wundert es mich das ich noch kein kommi abgegeben habe *möp*
und als ich dann heute noch mal auf die Geschichte geklickt habe, wollte ich das gleich nachholen
aber umso mehr hat es mich dann gefreut das endlich ein neues Kapitel on ist^^ *freu*

ich find die story einfach der hammer
Toren ist soooo süüüß
und er tut mir so leid, dieser König ist wirklich ein Arsch
und Simon haaaarrrr
und die beiden zusammen grrrrr
verstehst du???? o.O
wahrscheinlich nicht, ach auch egal^^
jedenfalls hat es mir mega dolleeee gefallen die Story zu lesen und werde gespannt auf das nächste Kapitel warten
lg ^^o^^
Von:  windhauch
2006-02-16T23:31:16+00:00 17.02.2006 00:31
hi ^^

eine wirglich tolle story
schreib blos schnell weiter >.<
bin gespand wie es weiter geht!...
...und bitte benarichtige mich wenn es weiter geht!!!
^.^
Gruß
~hauch~
Von: abgemeldet
2006-01-20T21:19:19+00:00 20.01.2006 22:19
*hoil*
marten ist toooot! das ist so schade! er war torens einziger freund!
man dieser könig (ups, wie war der name?) ist echt ein ars**!
es ist fies in zwingen da mitzugehen, aber immerhin könnte simon da eine chance haben ihn rauszuholen!
eine frage: wenn toren so ne riesen macht hat, warum setzt er sie dann nicht gegen den könig ein! so könnte er sich wehren, und vielleicht sogar abhauen! (mann ich greif schon wieder in andere geschichten ein, hör am besten einfach nciht hin!)
hoffe du machst bald weiter
mfg
beddl-cat
Von: abgemeldet
2005-12-21T18:00:37+00:00 21.12.2005 19:00
Hey!
Tolle Geschichte, echt!Hab sie leider nach dem 1. kapitel aus den Augen verloren, aber sie ist ja noch besser geworden!

Marten ist doch hoffentlich nicht wirklich tot, ich mag ihn!bin auch schon gespannt wies mit Simon und Toren weiter geht!
Hoff die Fortsetzung kommt bald!

kuss HAIR
Von:  Morathi
2005-10-17T14:59:38+00:00 17.10.2005 16:59
es geht weiter *hibbel**strahl*
aber golwin dieses a******!!!!!!! *deathglare*
er ist echt ein mieser typ, hoffentlich kann sich toren da irgendwie wieder rauswinden *knurr*
außerdem hoffe ich, dass toren sich jetzt nciht noch mehr vor simon versteckt, weil er ihn töten will, sondern wirklich mit ihm kontakt aufnimmt, das müssen sie doch irgendwie schaffen *kulleraugen mach*
dass golwin torens freund umgebracht hat, werd ich ihm nie verzeihen. und auch nich, dass er toren anfasst *zähne fetz*
simon du schaffst ihn!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

bin echt begeistert von dem kapi, da hüpft das herz doch vor freude XD
in null komma nix war ma da durch *seufz*
freu mich aufs nächste kapi =^^=
cu tsusuki ;)
Von:  Silent-voice
2005-10-16T18:33:52+00:00 16.10.2005 20:33
So, hab jetzt mal deine komplette FF durch gelesen und muss sagen, dass sie wirklich toll ist! ^^
Ich mag mittelalterliche Geschichten sehr und noch mehr, wenn diese so schön und flüssig geschrieben sind wie deine! ^^
Hoffe auf eine baldige Fortsetzung!
LG
Silent-voice
Von:  Mary-Poppins
2005-09-24T17:49:16+00:00 24.09.2005 19:49
Oh mein Gott, diese Geschichte ist so genial!!!!!!!!!!!! Kannst du mir bitte bitte bescheid geben wenn du das nächste Kapitel veröffentlichst?? *liebschau*


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