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Hellsing, ein lyrisch-musikalisches Drama...

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Hellsing, ein lyrisch-musikalisches Drama...
 

Hellsing
 

In the name of God, impure souls of the living dead shall be banished into eternal damnation. Amen.
 

A/N: Also, als erstes sollte ich vorneweg sagen, dass ich diese Story begonnen habe zu schreiben, nachdem ich gerade die ersten beiden Folgen des Animes gesehen hatte und so gut wie nichts über die Story wusste, bis auf das, was ich aus ein paar wenigen Fanfics gelernt hatte. Das ist sozusagen meine aller erste Hellsing-Fanfic - auch wenn sie erst jetzt veröffentlich wird, sie war die erste die ich begonnen habe zu schreiben. Weshalb ich nichts dafür kann, dass die Story vermutlich widersprüchlich ist, aber ich werde sie auch jetzt, nachdem ich alle dreizehn Folgen gesehen habe, nicht ändern, sodass kleine Ungereimtheiten bitte zu entschuldigen sind. Ich habe mich redlich bemüht mich an die Charaktervorgaben zu halten... ich hoffe es ist nicht allzu sehr OOC geworden... außerdem wurde ich vor ein erhebliches Problem gestellt: da ich Lady Hellsing ja nur aus den ersten beiden Folgen aus dem Anime kannte, schätzte ich sie vom Alter her auf etwa 30 Jahre ein, und danach kreierte ich Morgan als siebenundzwanzigjährige... danach erfuhr ich, dass Integral erst 23 Jahre alt ist und musste dementsprechend noch Morgan verjüngen... zu dieser Zeit hatte ich nicht wirklich Ahnung über das was ich geschrieben habe, weshalb wohl die ersten fünf oder sechs Kapitel, denn die Story ist bis zum neunten Kapitel fertiggeschrieben und bis zum Schluss, es wird wohl fünfzehn Kapitel geben, durchkonzipiert, ein wenig von der Originalstory abweichen könnten.

Allerdings werde ich die weiteren Kapitel lediglich dann veröffentlichen wenn die Story Gefallen findet.

Disclaimer: Mir gehört nichts, von Morgan Evans, die ich frei erfunden habe, einmal abgesehen. (Oder anders ausgedrückt: Hellsing gehört nicht mir und das ist höchstwahrscheinlich auch ganz gut so... <^.^>)

Warnung: oftmals verwirrend (besonders die ausgewählten Gedichte am Anfang...), mein Ausdruck ist grässlich, Interpunktion ist nicht meine Stärke (in kann also keine Kommata setzen...) und ich wechsele nach Belieben oft die POV, obwohl wohl die POV von Lady Integral und von Morgan Evans vorherrschen dürften/sollten/könnten...
 

[Order 01: Morge(a)n Ouvertüre - die Story beginnt]
 

Mit leichtem Gepäck
 

Gewöhn dich nicht.

Du darfst dich nicht gewöhnen.

Eine Rose ist eine Rose.

Aber ein Heim

ist kein Heim.
 

Sag dem Schoßhund Gegenstand ab

der dich anwedelt

aus den Schaufenstern.

Er irrt. Du

riechst nicht nach Bleiben.
 

Ein Löffel ist besser als zwei.

Häng ihn dir um den Hals,

du darfst einen haben,

denn mit der Hand

schöpft sich das Heiße zu schwer.
 

Es liefe der Zucker dir durch dir Finger,

wie der Trost,

wie der Wunsch,

an dem Tag

da er dein wird.
 

Du darfst einen Löffel haben,

eine Rose,

vielleicht ein Herz

und, vielleicht,

ein Grab.

(Hilde Domin, 1962)
 

Lady Hellsing, namentlich Integral Wingates Hellsing, um es richtig auszudrücken, Sir Hellsing, lächelte, wenn man diesen Gesichtsausdruck, bei dam man eigentlich nur durch Erahnen fähig war zu erkennen, dass es ein leicht amüsiertes Lächeln oder Grinsen, auf ihrem, in jahrelangem Training zur Perfektion gebrachtem, gefühllosen, hin und wieder sogar leicht grausam wirkendem Pokerface, hätte sein können, das um ihre Mundwinkel spielte, so nennen konnte. Der Grund für dieses erstaunliche Amüsement war noch nicht einmal eingetreten, aber die Frau, im dunkelgrünen Anzug, mit den weißblonden Haaren und dem schlichten goldenen Kreuz auf dem Knoten der marineblauen Schleifenkrawatte, konnte die Sekunden zählen und es bereitete ihr Freude. Momentan wagte niemand etwas zu sagen, wie fast immer in ihrer Anwesenheit, wenn jedermann vor ihrer Autorität kuschte, weshalb sie auf das, was jetzt gleich folgen würde, mit regelrechter Vorfreude wartete, denn es brachte so etwas wie eine fast als angenehm zu bezeichnende, Abwechslung in ihr Leben, wobei die Betonung allerdings auf fast als angenehm zu bezeichnen lag. Drei, zwei eins...

<BAMM> Auf die Sekunde genau wurde die Tür aufgeschlagen, klatschte lautstark gegen die Wand, da niemand sich die Mühe machte sie daran zu hindern und ein schwarzhaariger Wirbelsturm mit Namen Dr. Morgan Evans stürmte herein und wenn Blicke wirklich hätten töten können und Integral schloss diese Möglichkeit aus Erfahrung prinzipiell nie aus, schon gar nicht bei dieser Frau, dann hätte Integral wohl schon das letzte Zusammentreffen mit der dreiundzwanzigjährigen Profilerin, die nebenbei noch als die beste Ermittlerin in Fällen von Ritualmorden galt, nicht überlebt.

"Das lasse ich nicht schon wieder mit mir machen!" wütend funkelten blasse grüne Augen mit einem leicht orangefarbenen Einschlag um die Iris, während alle anderen Anwesenden über die Tatsache, dass jemand es wagte sie so anzuschreien, schockiert betroffen und erschrocken schwiegen, denn im Normalfall wagte es niemand, absolut niemand, ihre Entscheidungen oder ihre Person an sich, auch nur Ansatzweise zu kritisieren, zumindest nicht, wenn sie selbst noch anwesend war. Diese Geradlinigkeit und auch den Mut, den Morgan Evans aufbrachte, fand Integral äußerst faszinierend. Entweder war diese Frau unglaublich mutig, bescheuert oder verrückt. Vielleicht sogar ein wenig von allem zusammen, obwohl man ihr ja regelrechte Genialität nachsagte, was das Lösen ihrer Fälle anging. Auch diese Gerüchte hatten Integrals Interesse geweckt, denn entweder, Morgan Evans war schlicht und einfach genial, oder aber, und Integral war sich fast sicher, dass diese zweite Möglichkeit noch wahrscheinlicher als die erste war, sie war zusätzlich dazu noch in einer anderen Art und Weise begabt.

"Was lassen sie nicht mit sich machen, Dr. Evans?" schnarrte der Leiter ihrer Einheit, der unweit von Integral saß und die junge Frau missbilligend ansah. Offenbar war Morgan Evans immer, nicht nur wenn sie direkt mit ihr zu tun hatte, eine solch resolute, aber auch irgendwie anstrengende Person, die aller Wahrscheinlichkeit nach öfter einmal für Ärger sorgte und Schwierigkeiten sicherlich nicht aus dem Wege ging. So gesehen war sie höchstwahrscheinlich eine äußerst hartnäckige Klette, die jedoch, durch ihre Geradlinigkeit und irgendetwas, kaum zuzuordnendes, einen gewissen, wenn auch recht eigenwilligen Charme versprühte, der sie interessant und seltsamerweise sogar anziehend machte und attraktiv wirken ließ. Ein weiterer Grund, warum Integral es mochte, wenn sie auf diese recht außergewöhnliche Frau traf.

"Ich lasse mir nicht schon wieder einen Fall von der Hellsing Organization entziehen!" erwiderte die Frau und ihre Wut war einfach unverkennbar. Wenigstens hatte sie biss, besonders weil sie es sich getraute Hellsing Organization auszusprechen; die wenigsten hier taten dies, obwohl sie natürlich wussten, das Integral dieser Organisation vorstand, aber der königlich protestantische Ritterorden war eine Geheimorganisation, eine Geheimorganisation deren Namen man nicht aussprach, wenn man nicht dazu gehörte oder zu einer der anderen Organisation deren Leiter ebenfalls zu den ,Knights of the round table' gehörten.

"Wir sind befugt uns übergeordnet in die Ermittlungen einzuschalten und ihnen den Fall ohne Rücksprache zu entziehen, Miss Evans..." begann Integral, aber die schwarzhaarige Frau ließ sie nicht einmal ausreden.

"Es ist mir egal wer sie sind und was für Vollmachten sie auch immer haben möchten! Und wenn sie der Papst höchstpersönlich wären! Ich lasse mir diesen Fall nicht wegnehmen, ich arbeite schon seit zwei Wochen daran!" schnauzte sie und ihre Stimme überschlug sich fast vor Zorn.

"Hellsing ist eine protestantische Organisation, wir haben mit dem Papst nichts zu tun. Und was ihre Arbeit an dem Fall angeht, sie haben den Täter bisher nicht geschnappt, nicht wahr?" Korrigierte Integral und musste jetzt wirklich all ihre Selbstbeherrschung aufbringen um nicht wirklich zu grinsen. Im Normalfall arbeiteten sie ja nie mit den örtlichen Behörden zusammen, was an dem komplizierten Status von Hellsing lag, da man ja offiziell nicht einmal existierte, aber manchmal ging es nicht anders und mit diesen Leuten hier war die Zusammenarbeit, sah man einmal von Morgan Evans ab, recht angenehm und gestaltete sich wenig kompliziert. Man arbeitete nach dem Motto, je weniger man wusste, umso einfacher gestaltete sich das Leben, weshalb man den Fall gern in einen anderen Zuständigkeitsbereich abgab, zumal mit Integral nicht gut Kirschenessen war. Das hieß, das traf auf alle zu, nur nicht auf Morgan Evans, die regelrecht versessen darauf schien es auf einen Machtkampf mit ihr anzulegen, bei dem Integral allerdings von vornherein am längeren Hebel saß.

"Das weiß ich! Mein Vater hat lange genug für diesen verfluchten Laden gearbeitet! Ein Grund mehr, warum ich mir nicht schon wieder einen Fall von ihnen wegnehmen lasse!" Morgan Evans Hand knallte direkt vor Integral auf den Tisch und die Frau starrte sie aus ihren, auf seltsame Art und Weise leicht vertrauen, unheimlichen Augen an, und hielt dem erwiderten Blick aus den strahlenden eisblauen Augen stand, ohne auch nur zu blinzeln. Eine Tatsache, die Integral jetzt wirklich Bewunderung abrang. "Sie haben ihn auf dem Gewissen, sie und diese verdammte Organisation!"

"Dr. Evans!" der Leiter sah aus, als würde er der Frau am liebsten höchstpersönlich einen Knebel anlegen, oder sie auf andere vielleicht auch rabiatere Art und Weise zum Schweigen bringen - wahlweise vermutlich durch Strangulation - aber Morgan ignorierte ihn und funkelte Integral weiterhin wütend an, so als würde der Mann, der jetzt langsam vor Wut krebsrot anlief, überhaupt nicht existieren.

"In Ordnung. Arbeiten sie mit uns zusammen, Dr. Evans." Jetzt spielte eindeutig ein Lächeln, ein äußerst grausames, um Integrals Mund, aber offenbar hatte Morgan sie überhaupt nicht richtig gehört, denn sie schimpfte noch einen Augenblick weiter zeter und mordio, bevor sie verstummte und sie anstarrte.

"Wie bitte?" fragte sie verblüfft.

"Ich sagte, arbeiten sie mit uns zusammen, Dr. Evans." Wiederholte Integral, ohne dass es schien als hätte sie nachgegeben. Sie wusste, es klang fast so als würde sie die junge Frau verhöhnen und sie wusste, dass Morgan Evans das genauso sah, aber mit den Jahren, seit denen sie das Oberhaupt der Hellsing Organisation war, hatte auch sie eine Art Gefallen an solchen Spielchen gefunden. Außerdem hatte Morgan offenbar keine Ahnung, was bedeutete wenn sie sagte, arbeiten sie mit uns zusammen, denn es hieß für Morgan, das sie zumindest zeitweilig den Arbeitgeber wechseln würde, möglicherweise ein Wechsel für alle Ewigkeit, vielleicht auch im wahrsten Sinne des Wortes. "Finden sie sich bitte morgen Punkt neunhundert bei der Villa Hellsing ein."
 

"J... ja..." stammelte Morgan Evans und verließ den Raum ebenso schnell wie sie gekommen war, diesmal verzichtete sie jedoch darauf die Tür lautstark zuzuknallen, wie sie es normalerweise nach einer solchen Unterredung zu tun pflegte. Ihre Wut war verraucht und hatte einer enormen Verwunderung platzgemacht, zu der sich auch noch eine Ratlosigkeit gesellte, denn sie wusste weder wo sich die Villa Hellsing befand, noch wie sie dorthin kommen sollte, wenn sie einmal davon absah, dass sie Motorrad fahren konnte, was sich in anbetracht der Uhrzeit, als möglicherweise äußerst gefährliches Unterfangen gestallten könnte, denn der morgendliche Nebel, der momentan besonders dicht schien, behinderte ihre Sicht enorm. Gar nicht davon zu sprechen, dass diese klamme Kälte ihr zu schaffen machte, wenn sie sich morgens auf das Motorrad schwang und sie irgendwie an die kühle feuchte Luft einer unterirdischen Höhle - oder Gruft... - denken ließ. Ganz zu schweigen von der ziemlich hohen Wahrscheinlichkeit, dass es - wieder einmal, wie immer - regnen könnte.
 

Auch Integral verließ das Büro und ließ sich zurück zur Villa chauffieren. Nicht das sie nicht selbst hätte fahren können, aber so war es schon immer gewesen und so würde es auch in nächster Zeit bleiben. Sir Hellsing, der erste und einzige weibliche Ritter der Tafelrunde (Knights of the round table), wurde fast immer chauffiert, obwohl es natürlich durchaus Ausnahmen gab, z.B. wenn sie es satt hatte und eine kurzzeitige Flucht vor dem ständigen Kampf antrat und der Pflicht sich jeden Tag auf's neue zu behaupten, gegen die Untoten, Ghoule, Vampire und gegen ihren ärgsten Feind, die intrigante Iscariot-Division (XIII); eine ähnliche Organisation wie Hellsing, nur unter katholischer Führung des Vatikans in Rom, die es erheblich missbilligte, dass die protestantische Hellsing Organisation zur Bekämpfung der unreinen Geschöpfe einen Vampir als Geheimwaffe einsetzte, und vermutlich passte es Iscariot auch nicht in den Kram das sie eine Frau war. Oder aber sie fuhr selbst, wenn sie wütend war und es einfacher war selbst zu fahren, da sie mit den Fahrkünsten des Chauffeurs dann ohnehin nicht zufrieden zu stellen gewesen wäre, und auf die Begleitung dieses Fahrers zu Gunsten von Walters Anwesenheit verzichtete. Bisher hatte Integral sich allerdings äußerst gut in dieser Sache behauptet und wenn man sie von weitem sah, dann hätte man sie auch für einen Mann halten können, zugegeben, einen Mann mit erstaunlich langen weißblonden Haaren und einer einigermaßen zierlichen Statur, aber vom Gesichtsausdruck her und der Art und Weise wie sie sich bewegte, stand sie einem Mann in nichts nach.

Es hatte eine Weile gebraucht, bis sie sich an ihren Titel (Sir Hellsing) gewöhnt hatte, mit dem sie sogar hin und wieder von besonders eilfertigen Leuten, oder von Leuten mit der Intention sie zu ärgern oder zu verhöhnen, benannt wurde, während man sich normalerweise auf ein Lady Hellsing beschränkte und in einigen Fällen sogar nur Miss Hellsing sagte, was sich allerdings nur selten jemand getraute und weitestgehend nur die Personen taten, die mit diesem Namen nicht die Organisation verbanden die hinter ihr stand und die sie seit ihrem dreizehnten Lebensjahr leitete. Es war eine harte Umstellung für sie gewesen, nachdem sie durch den Tod ihres Vaters Vollwaise und gleichzeitig seine Nachfolgerin in der Hellsing Organization geworden war und Alucard in ihre Dienste getreten war.

Nachdenklich sah sie aus dem Fenster der Limousine hinaus auf die mittlerweile fast völlig ländliche Landschaft. Die Villa lag etwas abseits der Stadt [A/N: ich glaube London... aber sicher bin ich nicht...] in einer recht hübschen Umgebung. Die Bäume die links und rechts neben der Straße aufragten und schließlich von den Waldrändern von sich ziemlich weitläufig erstreckenden Wäldern abgelöst wurden, wirkten jetzt, wo es noch so früh am Morgen war, düster und ein wenig beklemmend, denn Nebelfetzen krochen, wie ein lebendiges Wesen, dass auf Beute lauerte, um ihre Stämme und Wurzeln herum.

Das was Morgan Evans gesagt hatte, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Einmal davon abgesehen, dass sie die Hellsing Organization verflucht und verdammt hatte, hatte sie noch etwas gesagt, dass Integral weitaus mehr beschäftigte. Mein Vater hat lange genug für diesen verfluchten Laden gearbeitet! ... Sie haben ihn auf dem Gewissen, sie und diese verdammte Organisation! Integral konnte sich nicht daran erinnern, jemals etwas von jemandem gehört zu haben der Evans hieß, was nicht heißen musste, dass er nicht dort gearbeitet hätte. Vielleicht war das noch zu Zeiten ihres Vaters gewesen? Sie würde einfach Walter fragen, den alten Shinigami, den sie schon seit ihrer Kindheit kannte, er würde ihr bestimmt helfen können und wenn nicht, dann gab es immer noch das Archiv in dem sie etwas über Morgan Evans Vater würde herausfinden können, und dann... notfalls würde sie einfach Alucard fragen, ob er sich vielleicht an diesen Mann erinnern konnte.
 

Sie stieg aus der Limousine und ging zügigen Schrittes in die Villa hinein. Das Eingangsportal war äußerst imposant, aber da sie hier Hausherrin war, und schon seit sie sich erinnern konnte hier ein und aus ging, wirkte es nicht mehr so auf sie. Zielstrebig ging sie hinauf in den vierten Stock, denn dort lagen die Privaträume der Hellsing-Familie und damit war dies auch ihr eigentliches Refugium, in dem sie ungestört war, zumindest weitgehend. Kaum jemand wagte es diese Etage unaufgefordert zu betreten, von wenigen Ausnahmen einmal abgesehen.

Nachdem sie dort nicht das gefunden hatte, was sie eigentlich gesucht hatte, ging sie in den dritten Stock hinunter, in das Arbeitszimmer, dass schon seit einigen Generationen dem jeweiligen Sir Hellsing gehört hatte und dies auch in Zukunft tun würde, falls sie einen Erben hinterlassen sollte, der eines Tages ihre Stelle einnehmen würde. Obwohl es eigentlich sogar ihre Pflicht war einen Erben für die Hellsinglinie zu hinterlassen... Ansonsten gab es auch noch etwas entferntere Verwandte die als Nachfolge in Frage kamen, wenn die Queen ihr Einverständnis geben würde. Momentan machte sie sich darüber jedoch noch keine weiteren Sorgen, sie war noch nicht so alt, als das sie keine Kinder mehr hätte haben können - immerhin war sie erst dreiundzwanzig Jahre alt - und bisher war sie, bis auf ein paar wenige Ausnahmen, sehr glimpflich davongekommen, was Verletzungen und ähnliches anging. Außerdem... nun, einige Dinge gestalteten sich etwas kompliziert, was diese Sache anging...

Das Arbeitszimmer war ein Raum in dem man wohl äußerst leicht Depressionen entwickeln konnte. Denn es war ein großer Raum, mit Schachbrettmusterfliesen - das hieß schwarz-weiß kariert - großen Fenstern, durch die jedoch aus irgendeinem Grund kaum echte Helligkeit hineinfallen konnte und einer Beleuchtung, die den gesamten, bis auf einen Schreibtisch größtenteils leeren Raum, Tag und Nacht in ein dämmriges Zwielicht tauchte, einmal davon abgesehen, dass sie ohnehin meist nachts arbeitete, denn das brachte die Arbeit die sie erledigte halt so mit sich.

Auf ihrem Schreibtisch türmte sich schon wieder jede Menge Post auf. Ein Fluch, wie sie fand, der sich in den letzten Jahren nur verschlimmert hatte. Sie zuckte mit den Schultern. Das war ihr Leben, das war das was sie tun wollte und auf eine gewisse Art und Weise auch musste, und da gehörten solche Sachen nun einmal dazu. Integral ignorierte die Post und ging weiter in den angrenzenden Raum, der wesentlich gemütlicher eingerichtet war und der eine kleine Bibliothek beherbergte, in der sich auch Chroniken befanden. Zielstrebig ergriff sie eines der Bücher, von dem sie annahm, dass sie dort fündig werden könnte, als sie realisierte, dass jemand leise hereingetreten war. "Walter." Sagte sie schlicht und beließ das Buch an Ort und Stelle.

"Integra-sama." Der Diener verneigte sich leicht. Er war einer der wenigen der das "l" am Ende ihres Namens wegließ und er war eigentlich der Einzige bei dem sie dies wirklich duldete, denn er tat dies seit ihrer Kindheit. Ihr Vater hatte dies auch immer getan...

"Walter, kennst du jemanden namens Evans, der hier einmal gearbeitet hat?" sie wandte sich um und konnte gerade noch erkennen, wie die Farbe aus Walters Gesicht wich.

"Äh... nein." Sagte der bereits etwas in die Jahre gekommene Mann und Integral spürte, nein, wusste, dass er log. Aber sollte sie ihn direkt darauf ansprechen? "Warum fragt ihr?" fügte Walter scheinheilig hinzu.

"Weil eine junge Frau mit Namen Morgan Evans mir heute regelrecht hasserfüllt vorgeworfen hat, dass er bei uns gearbeitet und von uns umgebracht worden wäre." Erklärte Integral ruhig und sah dass ihre Worte ihre Wirkung nicht verfehlten, auch wenn sie nicht hätte sagen können, worin die genaue Wirkung bestanden hätte.

Walter schluckte. "Eine junge Frau... so so... nein, ich muss euch enttäuschen, mir ist nicht bekannt das jemand mit dem Namen Evans für uns gearbeitet hätte." Sagte der Shinigami nochmals, jetzt mit leichtem Nachdruck in der Stimme, den Integral jedoch ignorierte.

"Wie dem auch sei, ich möchte, dass sie alles über diese Frau herausfinden was sie finden können und das man sie morgen um acht Uhr abholt und herchauffiert. Denn ich glaube nicht, dass sie weiß wo sie um Punkt neunhundert mit ihrer Arbeit anfangen soll und am besten sie packt gleich noch die Sachen für eine ganze Woche, sonst haben wir nur ungebührlich viel Ärger mit ihr." Was wir wohl sowieso haben werden... fügte sie in Gedanken hinzu. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie hatte sich dazu hinreißen lassen und befürchtete ein wenig, dass sie es vielleicht bitter bereuen könnte.

Es sah aus, als würde Walter zuerst überhaupt nicht verstehen können, was sie soeben gesagt hatte, dann aber zeigte sich deutliche Besorgnis in seinem Gesicht. "Sie wird hier arbeiten, Integra-sama?"

"Ja. Der Fall den sie gerade bearbeitet hat, fällt in unseren Aufgabenbereich und da sie ihn sich nicht entziehen lassen will, habe ich ihr gesagt sie soll mit uns zusammenarbeiten. Sie ist Profilerin und bei dem was sie tut offenbar geradezu genial, allerdings hat sie ein recht vorlautes Mundwerk, wenn man das in Bezug auf eine dreiundzwanzigjährige so sagen kann." Fügte Integral hinzu, bevor sie sich in den Lederstuhl hinter dem Schreibtisch setzte und, obwohl sie das eigentlich nicht hatte tun wollen, begann die Post durchzuarbeiten.

"Sehr wohl, Integra-sama." Walter verschwand und hinterließ eine etwas unangenehme Stimmung im Raum.

Er hatte sie angelogen. Warum? Walter log sie normalerweise nicht an und falls er dies doch schon getan hatte, dann hatte sie es ihm bisher noch nie so deutlich angesehen. Es musste etwas sein, von dem er glaubte, dass sie es nicht unbedingt wissen musste, oder dass es besser wäre, wenn sie nichts davon wusste. Das hatte auch sein erschrockener Gesichtsausdruck deutlich gezeigt. Aber was konnte es schon schreckliches sein, dass sie noch schockieren könnte? Sie hatte schon soviel erlebt und gesehen, dass es kaum noch Dinge gab die sie erschrecken konnten.
 

Die Frage wie sie am besten zur Villa Hellsing gelangen sollte und wo diese war, erübrigte sich für Morgan um acht Uhr des nächsten Morgens, als es an ihrer Tür klingelte.

"Ja?" ihre Stimme klang erstaunt, als sie in die Gegensprechanlage neben ihrer Tür sprach.

"Dr. Morgan Evans? Ich soll sie im Auftrag von Lady Hellsing abholen. Da wir sie nicht jeden Tag hin und her fahren wollen, fände die Lady es gut, wenn sie ein paar Sachen für etwa eine ganze Woche einpacken würden."

"Moment." Mehr brachte Morgan nicht heraus, bevor sie wütend mit der Faust gegen die Wand schlug und diese Handlung, in anbetracht dessen, das Schmerz wie ein glühender Nagel durch ihre Hand und schließlich ihren ganzen Arm jagte, ein wenig bereute. Überschüssige Kraft, Wut und Frustration waren eine gefährliche Mischung und sie bestimmten größtenteils ihr ganzes Leben. Woher nahm diese Frau das Recht so etwas zu tun? Nicht das sie nicht froh gewesen wäre, dass man ihr wenigstens diese Sorge abnahm und sie sich sicher sein konnte, wenigstens am ersten Tag nicht zu spät zu erscheinen, obwohl ihr das im Normalfall ohnehin wenig ausmachte. Sie scherte sich nicht sonderlich um Regeln oder Vorschriften und noch weniger kümmerte sie sich um Autoritäten. Aber sie fand es unerhört, mit welch einer Selbstverständlichkeit diese blonde aristokratische Hexe annahm, sie würde sich einfach unterordnen! Diese Organisation hatte ihren Vater und vielleicht sogar ihre Mutter auf dem Gewissen, denn diese war bereits als sie acht Jahre alt gewesen war an einer unheilbaren Krankheit gestorben und hatte sie bei einer Tante zurückgelassen, die sich nur nachlässig, um nicht zu sagen extrem widerwillig, ihrer angenommen hatte und die nur zu froh gewesen war, als sie zur Uni und auf die Polizeiakademie gegangen war und es sich abgezeichnet hatte, dass sie nicht mehr dorthin zurückkehren würde. Man hatte sie geduldet, mehr aber auch nicht und sie wusste nicht einmal warum das so war. Natürlich, diese Sache... nun, sie hatte sich mittlerweile einigermaßen daran gewöhnt, auch wenn es ihr hin und wieder immer noch unheimlich erschien... diese Sache... außerdem war sie durch ihre Hochbegabung kein gänzlich einfaches Kind gewesen.

Eilig stopfte sie das, was sie als nötig befand in ihre Tasche - dazu gehörten Wechselsachen, eine begrenzte Menge an Kosmetika, was sich auf eine Körperlotion, ihre Zahnbürste, Zahnpasta und eine Haarbürste beschränkte, ein paar Laufschuhe, die sich in einigen Fällen als weitaus praktischer als Pumps und ähnliches Schuhwerk herausgestellt hatten, sowie eine Taschenlampe und ein kleines, recht reichhaltig verziertes Jagdmesser, oder war es ein Dolch?, eine Hinterlassenschaft ihres Vaters, den sie nie gekannt hatte - und wäre doch beinahe in Hausschuhen die Treppe heruntergerannt. Sie blieb stehen, verkniff sich den Fluch, der ihr auf der Zunge lag, weil man sollte vielleicht doch den Gebrauch solcher Worte wenigstens ansatzweise einschränken, stopfte auch die Hausschuhe in ihre Tasche und zog ihre hochschließenden schwarzen Stiefel an, die einigermaßen gut zu ihrer schwarzen Hose und der Lederjacke passen würden, was sie eigentlich angezogen hatte, in der Erwartung Motorradfahren zu müssen. Egal. Ihr Status als Sonderermittlerin brachte es mit sich, dass sie fast alles anziehen konnte was sie wollte. Blieb nur noch...

Ihre Waffe!? Wo hatte sie das Ding nur hingetan? Sie benutzte sie fast nie, weshalb sie sie meist recht unbedacht irgendwo in ihrer Wohnung liegen ließ, obschon ihr klar war, wie leichtsinnig das im Grunde war. Ach genau! Sie lag noch auf dem Küchentisch, unter einem ziemlichen Stapel aus alten Zeitungen, Reklamezetteln und irgendwelchen Werbebriefen vergraben. Sogar samt Holster, sodass ihr eine weitere möglicherweise zeitaufreibende Suche erspart blieb. Das bedeutete Jacke und den dreiviertelarm Pullover aus - dann das Geschirr umgeschnallt, dass sich über ihrem Rücken kreuzte und die Waffe auf ihrer rechten Seite, fast in Höhe des Herzens platzierte - dann Pullover und Jacke wieder an.

Endlich war sie soweit das sie gehen konnte. Zumindest hoffte sie das. Sie schnappte sich ihre Tasche, schwang sie sich mit solchem Schwung über die Schulter dass sie, von diesem Schwung, der durch das beträchtliche Gewicht, das sie nicht veranschlagt hatte, wesentlich stärker war als erwartet, beinahe zu Fall gebracht worden wäre, wenn sie nicht einen so guten Gleichgewichtssinn gehabt und ihre Reflexe nicht so schnell gewesen wären. Was hatte einer ihrer Ausbilder gesagt? Evans, ihre Reflexe und Instinkte sind die eines wilden Tieres, einer blutrünstigen Bestie, deshalb werden sie ein langes Leben haben. Er hatte sie angelächelt - unter anderem auch deshalb weil er immer wieder vergeblich versucht hatte sie herum zu kriegen - und seine Worte nur ein wenig scherzhaft gemeint, sogar als Lob, aber sie hatten sie irgendwie erschreckt, obwohl das natürlich eine absolut irrationale Reaktion ihrerseits gewesen war.

Sie stopfte den Schlüssel ins Schloss, schloss ab, vergaß ausnahmsweise nicht einmal das Sicherheitsschloss und eilte dann die Treppe herunter, aus Gewohnheit zwei Treppenstufen auf einmal nehmend, was sie, durch ihre Tasche, beinahe gegen die Haustür geschleudert hätte, da sie weitaus mehr Schwung als normal gehabt hatte. Sie konnte diese absolut peinliche Situation aber gerade noch abwenden - wieder nur durch ihre schnellen Reaktionen bedingt - und schaffte es schließlich, ohne nochmals nennenswert von ihrer Tasche behindert zu werden, durch die Tür zu treten.

Vor der Tür stand ein vielleicht fünfunddreißigjähriger Mann - vielleicht war er auch älter, denn sie konnte das Alter eines anderen Menschen genauso schwer einschätzen wie ihr eigenes, dass sie ebenso wenig exakt kannte, so seltsam das klingen mochte - in einem schwarzen Anzug, der sie musterte, eine Augenbraue, entweder aus Verwunderung wegen ihrer Erscheinung oder als Missbilligung ebendieser, in die Höhe zog, sich ansonsten aber nichts anmerken ließ. "Miss Evans?"

Sie nickte und er deutete auf die schwarze Limousine, die neben dem Bordstein - obwohl hier direktes Parkverbot und Halteverbot herrschte - hielt, bevor er ihr ihre Tasche abnahm, vorausging und diese schließlich in den Kofferraum verlud, ihr dann die Tür öffnete, sie, nachdem sie eingestiegen war, mit leichtem Schwung, sodass es nicht einmal sonderlich knallte, schloss, dann selbst höchstwahrscheinlich einstieg, denn sie konnte den Fahrerraum nicht sehen, weil sich zwischen dem Fahrgastraum und dem Fahrerteil eine geschwärzte Glassscheibe befand und schließlich losfuhr.

Morgan musste zugeben, dass Lady Hellsing sich nicht lumpen ließ, was die Art zu Reisen anging. Dieses Auto musste mindestens soviel kosten, wie sie selbst in zwei Jahren verdiente und dann noch ein Chauffeur... sie war ohnehin schon überrascht, dass man sie abholte und dann auch noch in so einem Wagen... also wirklich... trotzdem war sie wütend, weil man sie nicht einmal gefragt hatte, wütend darüber, dass diese Frau sich anmaßte über sie bestimmen zu können.
 

Trotz eingehender Recherche und der Tatsache, dass sie die halbe Nacht lang im Archiv Akten gewälzt hatte, hatte sie nichts gefunden was darauf hinwies, das Morgan Evans Vater hier gearbeitet hatte. Leichte Frustration hatte sich in ihr breitgemacht bevor sie es schließlich aufgab und zu Bett ging. Der morgige Tag und auch die nächsten würden ohnehin schon stressig genug werden, denn dieses Mal lag der Fall offenbar etwas komplizierter als sonst. Bisher hatten alle Mittel, selbst Alucard, versagt, um den Täter näher zu erkennen, wenn man einmal davon absah, dass es Morgan Evans irgendwie gelungen war, ein Täterprofil und seltsamerweise auch eine Art Phantombild zu produzieren. Etwas, das bisher noch niemandem von ihren eigenen Leuten gelungen war. Der Vampir, mit dem sie es jetzt zu tun hatten, war also nicht einfach nur so eine niedrige Kreatur, wie sie jetzt zu Hauf vorkamen, sondern höhergestellt, vielleicht sogar ein Meistervampir und sein genaues Ziel war noch nicht zu erkennen, nur dass er bei was auch immer er vorhatte, eine Spur aus ziemlich grausam zugerichteten Leichen und einem guten Dutzend Ghoule zurückließ, die nur darauf warteten ihre eigenen Leute anzugreifen, sobald sie am Tatort eintrafen. Bisher war noch niemand zu Tode gekommen, obwohl es beim letzten Einsatz sehr bedenklich ausgesehen hatte.

"Ihr habt diese Frau doch nur herbeordert, weil ihr sie mögt, obwohl sie so eine schrecklich aufmüpfige Person ist." Alucard war direkt hinter ihr aus den Schatten erschienen, aber mittlerweile erschrak sie deshalb nicht mehr. Vermutlich gewöhnte man sich mit der Zeit an alles, selbst an solche Sachen.

"Nein. Sie kann uns vielleicht helfen, Licht in das Dunkel dieses Falls zu bringen, denn bisher hast du auch noch nichts Herausragendes geleistet, wenn ich dich daran erinnern darf." Erwiderte sie ruhig.

"Nun Integra Hellsing, das mag zum Teil ihr Beweggrund sein, aber wenn ihr wirklich in euch hineinsehen würdet, dann..." weiter kam er nicht, denn sie wandte sich wütend zu ihm um. Auch er hatte die Angewohnheit sie Integra zu nennen, was sie zwar missbilligte, was aber dieses eine Mal nicht der Auslöser ihres Ärgers war.

"Alucard, mach deine Arbeit oder geh schlafen, kümmere dich um deinen Schützling, oder tu sonst irgendwas, aber lass mich in Ruhe, wenn du keine neuen Informationen für mich hast." Fuhr sie ihn an und beinahe augenblicklich verschwand er wieder, nachdem er sich leicht verbeugt und genickt hatte. Sie missbilligte die Tatsache, dass er die junge Polizistin zu einem Vampir gemacht hatte, was sie jedes mal in ihren Worten mitklingen ließ, wenn sie sie erwähnte und sie verstand seine Beweggründe dafür nicht wirklich, aber das musste sie höchstwahrscheinlich auch nicht. Obwohl es sie ärgerte, dass er sie nicht gefragt hatte, immerhin nannte er sie Meister und hin und wieder war sie der Meinung sie hätte durchaus ein Anrecht darauf, dass er sie um Erlaubnis fragte bevor er etwas tat, besonders wenn es sich um so etwas handelte, was Arbeit für sie mit sich brachte.

Aber, auch wenn sie es sich nie eingestehen würde, er hatte Recht. Natürlich, Morgan Evans konnte durchaus nützlich sein, aber sie hatte irgendwie Gefallen an dieser energischen und nicht auf den Kopf gefallenen Frau gewonnen, die sich höchst wahrscheinlich eher die Zunge abgebissen hätte, bevor sie ein Blatt vor den Mund nahm.
 

"Warten sie... im vierten Stockwerk sind die Privaträume der Hellsing-Familie, dort haben sie keinen Zugang." Rief Walter vergeblich, als die junge schwarzhaarige Frau auch schon an ihm vorbei, direkt ins vierte Stockwerk des riesigen Herrenhauses geeilt war, sichtlich wütend um genau zu sein. Diese Frau erinnerte ihn auf erschreckende Art und Weise an Nocturne... Morgan Evans... eine ganz normale Frau, zumindest augenscheinlich, aber er nahm an, dass es da noch viel mehr gab. Dinge, die gefährlich waren...

Morgan ignorierte den Mann. Es war ihr egal. Sie wollte Lady Hellsing ihre Meinung sagen und das ziemlich laut, wenn sie ehrlich war. Aber sie hatte etwas ganz entscheidendes nicht bedacht, als sie hier herein gestürmt war. Dieses Herrenhaus hatte immense Ausmaße und sie hatte keine Ahnung wo sie nach dieser Frau suchen sollte, geschweige denn davon, wie sie sich am Ende wieder hier herausfinden sollte.

Schließlich ließ sie sich von ihrem Instinkt leiten und ging einfach auf irgendeine der vielen Türen zu, öffnete sie und blieb erstaunt stehen. Sie hatte Lady Hellsing tatsächlich gefunden, damit hatte sie sich über sämtliche Wahrscheinlichkeitsregeln hinweggesetzt, auch wenn ihre Freude darüber, nicht übermäßig groß war. Der Raum, auf dessen Türschwelle sie gerade stand, hatte eine durch eine geschickte optische Täuschung nach oben angehobene Decke, obwohl er sicherlich nicht höher als die restlichen Räume war, und erinnerte irgendwie an eine Art Kapelle. Von der Lady sah sie eigentlich nur die hellen Haare, auf denen sich das wenige Licht, das durch die an Kathedralenfenster erinnernden hohen mit einem Mosaik aus Bleiglas besetzten Spitzbogenfenster (mit kompliziertem Fischblasenmuster) hineinfiel, zu sammeln schien und diese fast weißen Haare wie eine Art Heiligenschein schimmern ließ. Wie ein Engel... schoss es ihr durch den Kopf. Was die Lady tat konnte sie nur erahnen, aber es sah fast so aus würde sie beten, oder einfach nur in die Ferne, ins Nichts starren.

Dann wandte Lady Hellsing plötzlich den Kopf zu ihr um und blickte sie einen scheinbar unendlichen Augenblick aus ihren hellen, eisblauen Augen, die in diesen Lichtverhältnissen, sogar ein wenig violett schimmerten, an, was Morgan zum ersten Mal die Autorität dieser Frau bemerken ließ, die diese ausstrahlte, wie eine Glühbirne - vorausgesetzt sie war angeschaltet - Licht aussendete. Außerdem rann ein kalter Schauer über ihr Rückgrat und sie bedauerte zutiefst, dass sie einfach hier hoch gekommen und schließlich in diesen Raum gegangen war.
 

Integral war erstaunt, als die Tür sich hinter ihr öffnete und sie realisierte, das jemand anderes als Walter den Raum betreten hatte. Sie spürte eine relativ mächtige Präsenz, was ihre Nackenhaare dazu brachte sich aufzustellen, fast so als würde Alucard sie fixieren, obwohl es nicht der Vampir war, dessen war sie sich sicher. Sie wandte sich schließlich um und erblickte Morgan Evans, die aussah, als hätte sie ursprünglich vorgehabt, ihren Kopf zum Frühstück zu verspeisen oder ihr zumindest ordentlich die Meinung zu sagen, diesen Plan aber schlagartig abgeändert hatte und regelrecht verlegen aussah, etwas, was sie bisher bei ihr noch nie gesehen hatte. Mit einer beiläufigen und mittlerweile standartisierten Handbewegung rückte sie sich ihre Brille zurecht, bevor sie schließlich auf Morgan zutrat.

"Miss Evans, sie sind also schon eingetroffen." Sie ließ sich nichts anmerken und reichte ihr die Hand und achtete auf jede Bewegung der anderen. Das ist doch verrückt, fast so als würden zwei wilde Tiere einander belauern...

"Ja. Ich missbillige es zwar, dass sie sich offenbar das Recht herausnehmen darüber zu entscheiden, wie ich hier her kommen sollte, aber ich bin ihnen dennoch dankbar." Offenbar hatte Morgan Evans ihr anfängliches Erstaunen bereits überwunden und sie hatte auch ihre böse Zunge nicht eingebüßt. Etwas das Integral, so seltsam das klingen mochte, sicherlich vermisst hätte.

"Keine Ursache." Nun, dieses Spiel konnte man durchaus, und sogar noch weitaus besser als allein, zu zweit spielen. "Kommen sie, ich zeige ihnen das Zimmer, das wir ihnen während ihrer Anwesenheit hier zugedacht haben." Das wäre zwar nicht ihre Aufgabe, aber bevor sie dem armen - obwohl er es nie zugeben würde, doch schon etwas gealterten - Walter diese Person zumutete, konnte sie sich auch genauso gut selbst darum kümmern, bevor sie sich an die eigentlich Arbeit machen würden. Am Tag würde ohnehin nichts Neues passieren, der Täter war vielleicht ein High Level Vampire, aber auch er würde wohl die Nacht als Milieu für seine blutigen Exzesse vorziehen.

Walter hatte ihr gleich nach dem Aufstehen, sozusagen zusammen mit dem Frühstück, die Akte von Morgan Evans gegeben und sie hatte sie äußerst interessiert gelesen. Nicht nur, das Morgan Evans die Beste ihre Jahrganges, sowohl auf der Universität als auch auf der Polizeiakademie gewesen war und zudem auch noch mehrere Klassen aufgrund ihrer festgestellten Hochbegabung übersprungen hatte, sonst hätte sie kaum jetzt schon diese Position innehaben können, nein, sie zeichnete sich auch noch durch eine erstaunliche Fitness und Kraft aus, die man sich aufgrund ihrer als ausgesprochen zierlich zu bezeichnenden Figur kaum vorzustellen vermochte. Außerdem war ihr Geburtstag und -jahr unklar, obwohl sie den Angaben nach dreiundzwanzig Jahre alt war, was Integral schon vorher erfahren gehabt hatte. Die Tatsache, dass man nicht einmal das genaue Geburtsjahr angeben konnte, hatte sie in einiges Erstaunen versetzt; dass es so etwas heutzutage noch gab war beinahe unfassbar. Nun, ansonsten wurde lediglich in den Beurteilungen der jungen Frau bemängelt, dass sie dazu neigte über das Ziel hinauszuschießen, ihre Zunge nicht im Zaum halten konnte, von Disziplin nicht sonderlich viel zu halten schien und sich nicht sonderlich um Anweisungen, Befehle und Autorität im allgemeinen scherte - um es vorsichtig und leicht untertrieben auszudrücken. Etwas das man ihr ja auch nicht anmerkte... ach kein Stück...
 

Morgan schluckte die Bemerkung herunter, die ihr auf der Zunge lag und folgte Lady Hellsing. Sie hatte erwartet, dass sie hinunter auf eine der unteren Etagen gehen würden, aber das taten sie nicht. Die Lady blieb schon nach wenigen Metern stehen, öffnete eine Tür und deutete ihr einzutreten.

Das Zimmer war riesig! Morgan blieb fast der Mund offen stehen, ein Zustand, den man nur äußerst selten bei ihr feststellen konnte. Die Einrichtung musste ein Vermögen kosten und sie war völlig überrascht. Im Zimmer stand ein großes Himmelbett, dessen dunkle Vorhänge aus einem reichlich schweren Stoff zu bestehen schienen und halb zugezogen waren. "Das ist toll..." entwischte ihr, bevor sie sich kontrollieren konnte und sie biss sich, wütend auf sich selbst, auf die Lippe. Sie wollte nicht zeigen wie beeindruckt sie von diesem Laden hier war. Denn was sie bisher gesehen hatte, war wirklich ausnahmslos teuer und schön gewesen und hatte ihr gefallen, auch wenn sie versucht hatte sich dagegen zu wehren. Hellsing Mansion war wirklich ein beeindruckender Ort, besonders für jemanden der soviel offensichtlichen Reichtum überhaupt nicht gewohnt war und ziemlich viel Zeit seines Lebens in schmutzigen Gassen oder schäbigen kleinen Zimmern in Studentenwohnheimen verbracht hatte.

Wieder fröstelte sie, diesmal lag es jedoch nicht an Lady Hellsing, sondern an etwas das sie nicht sehen konnte. Sie hatte das Gefühl beobachtet zu werden und augenblicklich richteten sich die feinen Härchen an ihrem Nacken auf, der, weil sie ihre Haare kurzgeschnitten trug, frei lag. Sie wandte den Kopf um, sah aber nur Lady Hellsing, die unweit hinter ihr stand und augenscheinlich darauf wartete, dass sie endlich kommen würde.

"Ihre Sachen werden hierher gebracht werden und wir sollten uns jetzt an die Arbeit machen."

"Ja."
 

Alucard hatte die beiden Frauen beobachtet, natürlich unbemerkt, zumindest weitgehend, denn Morgan Evans hatte sehr wohl seinen Blick gespürt, obwohl er nicht einmal in ihrer Nähe gewesen war. Nicht einmal Integra war dazu in der Lage, wenn er sie nur durch sein geistiges Auge beobachte, aber durch Integras Adern floss auch nicht das gleiche Blut wie durch die Adern von Morgan Evans, auch wenn es möglicherweise sogar eine entfernte Verwandtschaft hätte geben können, die unter Umständen zu interessanten Entwicklungen und sogar zu eventuellen Veränderungen führen könnte. Aber sicher war er sich nicht, immerhin war Ahnenforschung nicht sein Spezialgebiet.

Morgan Evans. Was für ein seltsamer Name und was für eine Ironie, dass ausgerechnet sie hierher gekommen war, etwas, was ihr Vater um jeden Preis hatte verhindern wollen, oder zumindest versucht hatte zu verhindern, kurz nachdem die Kleine geboren war. Er erinnerte sich noch an gut an Nicolas Evans, oder auch Nocturne, wie er sich eigentlich genannt hatte, genauso wie Walter sich an ihn erinnerte, erinnern musste. Er hatte wirklich die Stirn besessen, Integra nicht darüber aufzuklären, dass es tatsächlich jemanden hier gegeben hatte, der Evans geheißen hatte. Aber die Sache mit Nocturne hatte sich auch äußerst kompliziert gestaltet... es bestand kein Zweifel daran, dass Morgan Evans tatsächlich seine Tochter und die von Laila war. Denn die schwarzhaarige Frau hatte genau die gleichen Augen wie Nocturne und Alucard waren diese so gut im Gedächtnis geblieben, weil diese Augen so außergewöhnlich für einen Vampir gewesen waren, genauso wie diese Augen auch äußergewöhnlich für jeden Menschen waren. Integra schien sich daran nicht zu stören, sie hatte ohnehin einige seltsame Vorlieben entwickelt und der Mensch war ohnehin eine Spezies, die sich völlig irrational und unverständlich verhielt. Außerdem war Morgan genauso schmal und zierlich wie Laila, auch wenn ihre Haare viel dunkler und kürzer waren und ihre Persönlichkeit überhaupt nicht der liebenswürdigen stillen Laila entsprach, sondern der von Integra äußerst ähnlich war, auch wenn Morgan Evans noch einen Zacken schärfer war, wenn auch nicht so abgebrüht, eiskalt und grausam, wie Integra es im Laufe der Jahre geworden war und selbst dieser, mit ihrem bestimmten Auftreten, Bewunderung abzuringen schien.

Er konnte fühlen, wie das Blut in Morgan Evans Adern pulsierte und wie es lockte und rief. Er hatte nie verstanden, weshalb die Beiden dieses ungeheure Risiko eingegangen waren, genauso wenig wie er es verstehen konnte, das Morgan Evans bis zum heutigen Tag so unbehelligt hatte leben können, denn wer oder was sie war, musste unweigerlich jedem Vampir in der näheren Umgebung klar gewesen sein und die Verlockung war groß, wie er an sich selbst feststellte. Es sei denn... natürlich, Nocturne wäre nie so dumm gewesen das Kind ohne Schutz zurückzulassen, er hatte sie sicherlich markiert und allein der Nachhall seiner Existenz, falls er tatsächlich tot war, was noch zu beweise bliebe, würde jeden anderen schwächeren Vampir davon abhalten sich ihr auch nur zu nähern, geschweige denn daran zu denken, wie es wohl wäre die Zähne in ihren schlanken weißen Hals zu graben. Alucard lächelte. Ihn konnte so etwas nicht aufhalten, auch wenn er sich durchaus gut beherrschen konnte, aber wann bekam man schon einmal solch eine Gelegenheit? Noch dazu auf dem Silberteller serviert? Nun, der Vergleich mit dem Silberteller war möglicherweise nicht so das Richtige, aber der Sinn der Worte stimmte.

Es würde ihn zwar Kraft kosten das Siegel zu brechen, aber machbar wäre es sicherlich, obwohl Morgan möglicherweise eine äußerst resolute und effektive Gegnerin wäre.

Er lehnte sich auf dem Stuhl in seiner Unterbringung in einem der Untergrundverliese der Villa Hellsing zurück, legte die Beine auf den Tisch, schlug sie übereinander, verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lächelte in sich hinein. Er hatte Zeit und wie er annahm, Morgan Evans auch, denn dass sie dreiundzwanzig Jahre alt sein sollte sah man ihr nicht direkt an; vielen Unsterblichen sah man ihr Alter nicht an, genauso wenig wie man es ihm ansah...
 

Der Tag verlief wie die Tage zuvor, wie Integral äußerst unzufrieden feststellen musste. Obwohl sie alle ihre Bemühungen darauf gelenkt hatten, diesen Vampir aufzufinden, waren sie bisher noch genauso ahnungslos wie schon vor einigen Tagen. Aber wieder waren ihre Leute in einen Hinterhalt geraten.

Es war draußen bereits dunkel, als sie gemeinsam mit Morgan Evans, die offenbar von der Effektivität der Truppe von Hellsing durchaus eingeschüchtert war, zurück zum Herrenhaus kam, sahen sie gerade, wie Viktoria Seras - Alucards Schützling - die Treppe zu den Untergrundverliesen heraufkam.

"Vicky!" Morgan Evans Gesicht hellte sich auf und sie klang erfreut. Auch die Angesprochene wandte sich um und strahlte.

"Morgan!"

Und dann tat Morgan Evans etwas, was Integral niemals von ihr erwartet hätte. Impulsiv fiel sie der jungen orangehaarigen Vampirin um den Hals, natürlich ohne zu wissen, dass Viktoria Seras ein Vampir geworden war. Dabei entging ihr nicht der kurze Augenblick, in dem sie in Viktorias Augen den Blutdurst aufleuchten sah, bevor die junge Frau eilig einen Schritt von Morgan Evans, die sie an Größe entschieden überragte, zurücktrat. Integral warf Viktoria einen warnenden Blick zu, wenn sie sich nicht unter Kontrolle hatte, dann... konnten sie sie hier nicht dulden.

"Was machst du denn hier... ich dachte du hättest einen schweren Unfall gehabt!" Morgan Evans schien von alledem nichts mitzubekommen und strahlte die junge Frau weiterhin an.

"Also... ich arbeite hier. Ich gehörte zur Hellsing Organization." Erklärte Viktoria zögernd und starrte Morgan Evans auf eine so eindringliche Art und Weise an, dass Integral sich überlegte, ob sie es wirklich fertig bringen würde, die junge Polizistin, die nur zum Vampir geworden war, damit sie überleben konnte, einfach zu erschießen, nicht dass sie Probleme damit gehabt hätte.

"Hmmh..." Morgan Evans klang nicht sonderlich erfreut, aber sie lächelte noch immer. "Sag mal, seit wann trägst du denn Kontaktlinsen?" fragte sie schließlich und brachte Viktoria damit in völlige Verlegenheit.

"Kontaktlinsen?" fragte sie verwirrt.

"Na, du hattest doch immer so schöne blaue Augen und jetzt diese roten... na ja, ich hätte die Blauen behalten, aber das ist wohl Geschmackssache."

"Oh... das meinst du..."

Integral räusperte sich, woraufhin Viktoria regelrecht zusammenzuckte. "Ich störe ja nur ungern, aber wir haben noch zu tun, Dr. Evans, genauso wie Miss Seras."
 

"Natürlich." Morgan wandte sich zu ihr um und warf Lady Hellsing einen Blick zu, der soviel sagte wie: Lass mich gefälligst in Ruhe! Du kannst mich mal gern haben! Nickte dann Viktoria leicht zu und folgte der Lady hinauf in den dritten Stock, in ihr Arbeitszimmer, wohin man bereits die Einsatzberichte und Tatortfotos geschickt hatte, damit man sie in aller Ruhe auswerten konnte.

Während der Bericht für Lady Hellsing der interessantere Teil war, interessierte sich Morgan hauptsächlich für die Fotos.
 

Integral beobachtete Morgan aus den Augenwinkeln heraus, während diese über den Fotos brütete. Plötzlich zuckte Morgan einfach so zusammen und ließ das Bild fallen, während ein Ausdruck absoluten Horrors über ihr Gesicht huschte. Es dauerte nur wenige Sekunden, bevor sie sich wieder unter Kontrolle hatte, aber das hatte Integral bereits das bewiesen, was sie angenommen hatte. Morgan Evans war tatsächlich noch in anderer Art und Weise begabt. Eine Tatsache, die erklärte, weshalb sie sich als Profilerin einen solch guten Ruf erarbeitet hatte. Morgan beugte sich nach vorn und hob das Bild vom Boden auf, bevor sie begann etwas auf einen Zettel aufzuschreiben und nachdem sie damit fertig war, nahm sie sich das nächste Bild vor und die ganze Prozedur wiederholte sich, bis tief in die Nacht hinein.

[Order 02: Midnightmelody - Schlaf? Lieber nicht!]

[A/N: Okay, hier das zweite Kapitel dieser Story. Ich hoffe es gefällt und verwirrt nicht zu sehr.]
 


 

[Order 02: Midnightmelody - Schlaf? Lieber nicht!]
 


 

Integral träumte und sie wusste dass sie träumte, obwohl das leider nichts daran änderte, dass sie einfach nicht aufwachen wollte, dies vor allen Dingen nicht konnte und weiterhin in diesem Traum, der eher an eine grausige Erinnerung als an einen einfachen Traum erinnerte, gefangen war.
 


 

Der Mann stand direkt vor ihr und blickte sie aus Augen an, die sie am Tage bereits gesehen hatte, oder gesehen zu haben glaubte. Es waren so faszinierende Augen wie die von Morgan Evans, nur waren diese Augen eiskalt und gehörten einem Vampir und keiner jungen Frau. Sie fixierten sie einen Moment lang und ließen Angst in ihr Aufwallen, dann sah sie ihren Vater, der auf den Vampir zutrat, zusammen mit Alucard.
 

Sie sah sich selbst als kleines Mädchen, vielleicht vier oder fünf Jahre alt, möglicherweise auch jünger, dass mit ansah, wie der Mann zu Tode kam, nachdem er ein wahres Gemetzel unter den Soldaten angerichtet hatte. Sie befühlte ihren Hals und ihr Gesicht und fühlte Blut, aber es war nicht ihr Blut, sondern das Blut eines anderen kleinen Mädchens. Eines Mädchens, vielleicht so alt wie sie selbst, auf dessen Kopf sich pechschwarzes Haar ausbreitete, dessen Augen wie die des Vampirs aussahen und auf dessen entblößtem Rücken ein kompliziert aussehendes Muster zu sehen war, während die Kleine, laut schreiend, in der Asche ihrer Mutter, die ein Vampir gewesen war, stand und schluchzte. Deutlich konnte sie die roten Male am Hals des kleinen Kindes erkennen und dann wurde es schwarz vor Integrals Kinderaugen, die solchen Schrecken nicht sehen wollten.
 


 

Intergral schreckte hoch. Ihr Herzschlag raste und kalter Schweiß stand ihr auf der Stirn, was ein definitiv unangenehmes Gefühl in ihr verursachte. Durch das Fenster - sie hatte offenbar vergessen die Vorhänge zu schließen - konnte sie die trübe, von Nebel geschwängerte schwarze oder besser gesagt eher graue Nachtluft sehen.
 

Im Zimmer kam es ihr auf einmal schrecklich stickig und warm vor, sodass sie meinte keine Luft mehr zu bekommen, weshalb sie die Beine aus dem Bett schwang, aufstand, ihre bloßen Füße auf dem eiskalten Holzboden leise tappende Geräusche von sich gaben und sie das Fenster öffnete. Kühle Nachtluft strömte heran und Nebel waberte durch das geöffnete Fenster herein, leckte an ihren Kleidern und ließ eine klamme Kälte einziehen. Sie ignorierte es. An den Nebel gewöhnte man sich als erstes, wenn man hier aufwuchs. Er war eine beinahe ständige Erscheinung, ebenso wie der Regen in London und scheinbar durch nichts aufzuhalten. Nicht einmal durch die dicken Mauern des Herrenhauses - denn manchmal, an besonders nebligen Tagen, meinte sie die klamme Kälte und Kühle des Nebels auch drin fühlen zu können - ließ sich der Nebel völlig aufhalten. Wenigstens am Tag hielt er sich im Normalfall in Grenzen und sie konnte sich nicht vorstellen, was die Vampire davon hatten wenn sie nur nachts herauskonnten und sich dann mit diesem schrecklichen Nebel konfrontiert sahen.
 

Natürlich waren nicht alle Vampire so empfindlich gegenüber dem Sonnenlicht, für Alucard bedeutete es nichts. Ihm war es egal zu welcher Tages- oder Nachtszeit er unterwegs war, nicht einmal am Tage hatte sie vor ihm Ruhe wenn er es darauf anlegte, obwohl er sich meist um seine eigenen Belange kümmerte, worin auch immer diese bestanden. Zumal sie vermutlich gar nicht wirklich wissen wollte was seine Belange wirklich waren.
 

Sie fragte sich wie Morgan Evans wohl in dem Zimmer schlafen würde? Sie hatte ihr ein ordentliches Zimmer gegeben, das Zimmer ihrer schon vor so langer Zeit verstorbener Mutter, dass seitdem immer leer gewesen war. Sie wusste zwar nicht warum sie es getan hatte, aber die Art und Weise wie Morgan das Himmelbett bewundert hatte, gab ihr irgendwie Recht in ihrem Tun und war ihre notwendige Rechtfertigung vor ihrem eigenen Gewissen.
 

Integral seufzte. Sie verstand ja selbst nicht, warum sie regelrecht darauf bestanden hatte, dass Morgan Evans hier wohnen würde. Es hätte völlig gereicht, und nicht mehr Arbeit gemacht als ihre ständige Anwesenheit hier, wenn sie sie hätte jeden Morgen abholen und jeden Abend zurückbringen lassen. Natürlich wäre damit ein Zeitverlust verbunden gewesen und im Notfall hätte man erst einige Umwege machen müssen, aber man hätte auch dann noch die Möglichkeit gehabt sie mit dem Helikopter abzuholen, den sie auch hin und wieder selbst zu benutzen pflegte und der ein recht rasches Transportmittel war. Die Tatsache, dass Morgan Evans jetzt hier nächtigte, war also nicht nur dadurch bedingt, dass es so etwas einfacher war, sondern auch dadurch, das Integral es so gewollt hatte.
 

Sie seufzte nochmals, schloss das Fenster wieder, zog die dicken und äußerst schweren Vorhänge zu, die verhinderten, dass durch die hohen Fenster allzu viel der kalten Luft hereinkam und wollte sich gerade wieder ins Bett legen, als ihr Alucards Silhouette auffiel, die sich nur wenige Meter neben ihrem Bett befand. Hatte er schon die ganze Zeit dort ausgeharrt? Sie hatte ihn nicht bemerkt, aber das musste nicht heißen, dass er nicht schon die ganze Zeit da gewesen war und sie beobachtet hatte. Sie mutmaßte ohnehin, dass er dies des Öfteren tat, ohne dass sie es bemerkte, etwas das ihr überhaupt nicht gefiel und sie durchaus beunruhigte.
 

"Seit wann beobachtest du mich, Alucard?" verlangte sie zu wissen, was ihr Ton auch eindeutig klarmachte, der zwar zwischen Ärger und ehrlicher Entrüstung hin und her schwankte aber dennoch so neutral und befehlsgewohnt wie immer klang.
 

Nur dem Vampir entgingen diese Feinheiten natürlich nicht, zumindest nahm sie das an. Obwohl es zu dunkel war um sein Gesicht richtig zu erkennen, meinte sie sein Grinsen zu sehen, ein Gesichtsausdruck, an den sie sich im Zusammenhang mit ihm mittlerweile gewöhnt hatte, weil das sein Standartausdruck war, zumindest irgendwie und der es dennoch immer wieder schaffte sie aufzuregen. Alucard grinste so gut wie immer... und dann auch noch auf diese Art und Weise das man meinte, er wäre eine Katze die soeben mit der Pfote im Sahnetopf erwischt worden war und der noch immer Sahne an den Schnurrhaaren hing. "Egal welche Zeitspanne ich nennen würde, du wärest doch wütend auf mich, nicht wahr, Meister?"
 

Sie war stehen geblieben und starrte angestrengt, aber wohl auch nutzloserweise in die Dunkelheit hinein, die nur spärlich, oder eher gar nicht erhellt war und ihren einfachen normalmenschlichen Augen so gut wie keine Möglichkeit auf gutes Sehen bot. Während sie Alucard also bestenfalls als Schatten wahrnehmen konnte, konnte er sie mutmaßlich so sehen als wäre es taghell.
 

Sie musste zugeben, er hatte Recht. Sie wäre in jedem Fall wütend auf ihn, egal was er entgegnen würde. Der Punkt ging also eindeutig an ihn und dadurch dass er sie wieder Meister genannt hatte, er hatte das schon seit einiger Zeit nicht mehr getan, zumindest nicht mehr so häufig, zeigte er deutlich dass er das auch wusste, besonders weil er, im Prinzip kontrastierend dazu sie geduzt hatte. "Ja." Knirschte sie. "Das wäre ich. Warum beobachtest du mich?" fragte sie dann.
 

Draußen stand jetzt der Mond am Himmel und schien durch das schmale Oberlicht, das Integral nicht mit einem Vorhang zu verschließen vermochte, hinein, sodass sich das fahle Licht direkt in den Gläsern von Alucards Sonnenbrille spiegelte, die er ja offenbar immer trug und sich auch in ihrem hellen Haar fing, und dieses selbst wie den silbernen Mondschein aussehen ließ.
 

"Brauche ich dafür einen Grund, Integra?" fragte er leise und wieder meinte sie sein Grinsen zu sehen, das scheinbar immer überlegener wurde.
 

Intgeral wusste nicht, was sie sagen sollte. Er machte ihr eigentlich keine Angst, auch wenn sein Verhalten sie manchmal etwas verärgerte, doch sein jetziges Auftreten ließ es ihr kalt den Rücken herunterlaufen. Sie konnte ihn nicht kontrollieren, alles was er tat, tat er aus Loyalität, bestenfalls aus Respekt. Er nannte sie Meister, nicht weil sie ihn hätte kontrollieren können, nicht weil das Siegel ihn dazu zwang, sondern weil er es so wollte. Was war, wenn er es nicht mehr wollte? Diese Frage und die möglichen Konsequenzen einer Antwort ließen eisige Kälte durch Integrals Adern jagen, sodass sie fröstelte, was vielleicht auch daran lag, dass ihre nackten Füße auf dem kalten Boden rasch auskühlten und die Kälte langsam begann sich auszubreiten. "Was soll das?" fragte sie schließlich und riss sich zusammen.
 

"Ich weiß nicht was du meinst." Er lachte und in Integral begann sich der Verdacht zu regen, dass er den Verstand verloren hatte. Sie überlegte wie ihre Chancen standen eine etwaige Konfrontation mit dem durchgedrehten Vampir zu überleben, aber sie befanden sich wohl irgendwo im Minusbereich einer Zahlenskala. Selbst wenn es ihr gelingen würde ihre Waffe zu ergreifen, und das ganze Magazin der Spezialmunition zu verschießen und jeder Schuss treffen würde, obwohl sie ihre Brille auf dem Nachttisch liegen hatte und deshalb in ihrer Sicht zusätzlich behindert war, gar nicht davon zu sprechen, dass Alucard einem Geschoss äußerst wirkungsvoll und ohne größere Mühe ausweichen konnte, hätte sie bestenfalls Zeit gewonnen, denn umbringen konnte sie ihn so auf keinen Fall. Genauso wenig wie es ihr möglich sein würde, ihn wieder einzusperren, wie ihr Vater es getan hatte. Wenn sie um Hilfe schreien würde, würde Walter sicherlich kommen... falls er sie hörte, was sie bezweifelte, denn Walter schlief nicht auf der selben Etage und außerdem, wenn Alucard es wollte, dann konnte er das ganze Haus in tiefen Schlaf versetzen und niemand würde sie hören.
 

//Warum so ängstlich, Integra?// Seine geistige Stimme hätte sie beinahe dazu gebracht aufzuschreien.
 

"Lass den Quatsch!" fauchte sie, und ihre Stimme klang weitaus selbstsicherer als sie sich fühlte. Das Problem war nur, einen Menschen hätte sie so täuschen können, nicht aber den Meistervampir, der genau wusste was sie fühlte und was sie dachte.
 

Er trat näher auf sie zu, sodass er nur die Hand auszustrecken brauchte um sie zu berühren. Regelrecht bedrohlich ragte er vor ihr auf, seine Gestalt schien sämtliches Licht zu schlucken.
 

Was Integral fühlte war keine Angst im eigentlichen Sinne, es war eher Resignation und Hilflosigkeit. Denn ihm konnte sie nichts entgegensetzen, zumindest nicht völlig allein und noch weniger im Nachthemd und völlig unbewaffnet. Was auch immer er wollte, sie konnte es kaum verhindern.
 

"Es ist eine schöne Nacht, nicht wahr, Meister?"
 

Integrals Nackenhaare stellten sich auf und seine Worte bereiteten ihr eine Gänsehaut. Die Temperatur im Zimmer schien plötzlich um mindestens zehn Grad zu fallen, zumindest fühlte es sich für sie so an. Das letzte ,Meister' hatte wirklich nur noch wie glatter Hohn geklungen und der Satz an sich ließ ihr schon das Blut in den Adern gefrieren und den Atem stocken. Die Verärgerung die sie anfangs wegen seines plötzlichen Auftauchens hier verspürt hatte war verflogen und hatte einer Mischung aus Angst, Hilflosigkeit und Resignation Platz gemacht. "Raus!" schnauzte sie in ihrem letzten Versuch ihre Stellung zu halten. Aber er ignorierte ihre Worte einfach.
 

Sie fragte sich, was er eigentlich mit dieser Sache hier bezweckte, denn egal was er von ihr wollte, er hätte es höchstwahrscheinlich auch viel leichter haben können, ohne dass sie dabei wach war, oder dass sie sich gewehrt hätte. Oder er hätte sie schon längst töten können, wenn er das mit seinen Handlungen bezweckte. Denn er wusste genauso gut wie sie, dass sie ihm nicht wirklich etwas entgegenzusetzen vermochte, nicht wenn er es darauf anlegte und es zu einer Auseinandersetzung kam bei der physische Kraft entscheidend war.
 

"Wovor hast du Angst?"
 

Sie wich einen Schritt zurück, aber er glich den Abstand zwischen ihnen mühelos aus. "Lass mich in Ruhe, Alucard." Sie versuchte ruhig zu bleiben, gleichmäßig ein und aus zu atmen; auf diese Art und Weise brachte sie sich selbst dazu ihren Herzschlag zu beruhigen, denn sie wusste, dass er es genau spürte, wenn sie sich aufregte und egal was auch immer wirklich in seiner Absicht lag, in gewisser Weise war er ein wildes Tier und das würde seine Jagdinstinkte herausgefordert sehen wenn es fühlte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte.
 

"Keine Angst, es tut nicht weh." Langsam, quälend langsam, streckte er einen Arm nach ihr aus.
 

"Fass mich nicht an!" Ihre Ruhe und ihre Selbstbeherrschung gingen zum Teufel als seine Hand ihren rechten Arm umfasste und festhielt. Bevor sie jedoch, wie sie es jetzt doch beabsichtigte, schreien konnte, hielt er ihr den Mund zu.
 

"Pscht. Nicht schreien." Säuselte er und nahm die Hand von ihrem Mund, nachdem sie langsam genickt hatte.
 

"Wenn du mehr Blut willst, das kann ich arrangieren." Sie wusste wie zittrig ihre Stimme klang und hasste sich selbst dafür.
 

"Nein, kein Interesse an diesem Konservenzeug. Das ist in etwa so etwas wie Diätnahrung, Integra." Die Art und Weise wie er ihren Namen aussprach und dabei wie immer auf das "l" am Ende verzichtete, obwohl sie ihm schon des öfteren erklärt hatte, dass sie dies nichts wünschte, ließ das kalte Gefühl in ihr immer weiter aufwallen. "Stell dir vor, du müsstest dich Tag ein Tag aus von so etwas ernähren..."
 

"Aber... aber bisher..."
 

"Bisher hat das gereicht, aber jetzt... jetzt will ich mehr, Integra. Ich fühle mich ausgehungert, es verlangt mir nach..." sämtliches Blut in Integras Adern fühlte sich an wie eine einzige Eismasse, sodass sie beinahe zitternd in die Knie gegangen wäre, während er bedeutungsschwer Luft holte und eine kleine Pause beim Sprechen einlegte. "...dir, Integra. Ich will dich."
 

Sie hätte gern geschrieen, hätte gern gestrampelte und sich gewehrt, aber das einzige was sie zustande brachte, war es ihre Augen weit aufzureißen und ein leichtes Muskelzucken in ihrem fast völlig durch den Vampir gelähmten Körper. "Nein..." wisperte sie, bevor ihre Stimme abbrach, völlig von Entsetzen durchflutet.
 

"Du hast nichts zu befürchten, überhaupt nichts, Integra, die Ewigkeit wartet auf dich und ich werde dir sicherlich nicht übermäßig wehtun." Säuselte er verführerisch, bevor er mit seiner einen Hand sanft über ihren Hals strich, sich schließlich über sie beugte und seine Zähne in die weiche, sensitive Haut grub.
 

Integral unterdrückte den Impuls laut zu schreien und um sich zu schlagen, als seine Fangzähne in ihre Haut drangen und sie fühlte, wie das warme Blut aus ihrer Halsschlagader gesaugt wurde. Sie bezweifelte dass sie sich hätte auf den Beinen halten können, wenn er sie nicht beinahe wie in einer zärtlichen Umarmung festgehalten hätte. Eigentlich hatte sie erwartet es würde mehr schmerzen... [aber es war nicht viel unangenehmer als eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt ohne Narkose... was ja nicht unerheblich weh tut, sogar so stark, dass man dabei glatt bewusstlos werden kann... aber egal...]
 

Dann war es vorbei, er ließ von ihr ab und sie wäre jetzt wirklich fast in die Knie gegangen. Alucard hielt sie fest und hob sie kurzerhand in die Höhe, so als wöge sie nichts, um sie zum Bett zurückzutragen. Sie brachte keinen Ton hervor, ihre Stimme versagte ihr den Dienst und sie fühlte wie heftig und hastig sie ein und aus atmete und wie sehr ihr Puls raste, ohne dass sie das Blut in ihren Ohren rauschen hören konnte, denn dafür fehlte ihr vermutlich viel zu viel davon. Falls sie sich das alles nicht nur einbildete und sie ohnehin schon zu den Untoten gehörte. Der Adrenalinausstoß musste sehr heftig gewesen sein, sie fragte sich, ob ein Vampir so etwas schmecken konnte und verdrängte den Gedanken eilig wieder; sie wollte es gar nicht wissen. Es fühlte sich an, als hätte jemand alle Kraft aus ihr herausgesaugt...
 

"Morgen früh wirst du nichts mehr davon bemerken, Integra Hellsing. Momentan würde ich dir jedoch raten im Bett zu bleiben, da dein Blutdruck sehr niedrig ist und dein Kreislauf sich erst langsam daran anpassen wird." Alucard deckte sie zu, streichelte ihr sacht über die Wange und gab ihr einen leichten Kuss auf die Stirn, fast so als wäre sie ein kleines Kind, bevor er durch eines seiner Dimensionstore verschwand.
 

Sie blieb starr liegen, die Augen weit geöffnet und starrte in die sie umgebende Nacht. Bereits vor einiger Zeit hatte es Mitternacht geschlagen. Jetzt hörte sie wieder die Uhr schlagen, einmal. Integral bemerkte dass sie zitterte. Warum sie dies tat konnte sie nicht sagen, ob vor Kälte oder wegen etwas anderem, sie wusste es nicht, denn ihr war noch fast genauso kalt wie vor wenigen Augenblicken. Langsam hob sie ihre Hand und berührte ihren Hals, fühlte die zwei Stellen, an denen Alucards Fangzähne eingedrungen waren und fragte sich, warum sie nicht weiter blutete, denn eigentlich müsste sie jetzt verbluten. Wenn man eine Leiche fand, die von einem Vampir ausgesaugt worden war, dann war die Bissstelle sauber und kein Tropfen Blut fand sich in der näheren Umgebung, zumindest wenn es ein ordentlicher Vampir mit so etwas wie Ehre war, denn dann war gar nicht mehr genügend Blut übrig um die Verletzung noch weiter bluten zu lassen, außerdem bluten Leichen nicht mehr... Aber sie war nicht tot, zumindest betete sie dafür und deshalb müsste die Verletzung bluten, nicht wahr?
 


 

Integral schreckte hoch, setzte sich mit einer einzigen kraftvollen Bewegung kerzengerade im Bett auf und wie mechanisch fuhren ihre Hände an ihren Hals. Aber da war nichts, nur die etwas kühle Haut. Keine Verletzung, kein Biss, nichts.
 

Natürlich nicht, schoss es ihr durch den Kopf, mit einem leicht selbstverachtendem Unterton, es war ja nur ein Traum gewesen, ein Traum in dem sie geträumt hatte, sie hätte einen Traum und würde aufwachen. Dieser Traum wiederholte sich von Zeit zu Zeit, vermutlich weil er eine ihrer existentiellen Ängste wiederspiegelte, die Angst, das Alucard sich gegen sie wenden könnte. Die Angst, dass er das, was er mit den Blutkonserven zu tun pflegte auch mit ihrem Hals tun könnte. Ein wenig erschauerte sie schon bei dem Gedanken daran, zumal sie schon des öfteren zugesehen hatte, wie er auch richtige menschliche Opfer aussaugte, ohne dass sie mit der Wimper gezuckt hätte. Aber dieser Fall war ausgeschlossen, zumal da das Cromwell-Siegel war, das ihn offenbar daran hinderte ihr so etwas anzutun, es sei denn sie würde es zulassen... und dieser Traum war lediglich dazu da, sie daran zu erinnern, dass sie Gehorsam nicht mit Kontrollierbarkeit gleichsetzen durfte. Dazu kam noch die Tatsache, dass sie bereits des öfteren darüber nachgedacht hatte, wie es wohl wäre untot zu sein... wie es wohl wäre, wenn einem das Blut ausgesaugt wurde, obwohl sie diese Gedanken meist bis in die hinterste Ecke ihres Bewusstsein verdrängte, immerhin hatten sie in ihrem Kopf nichts zu suchen, diese Gedanken hatten in niemandes Kopf der Hellsing Familie auch nur den Ansatz einer Berechtigung in Erwägung gezogen zu werden, geschweige denn gedacht zu werden, sodass sie sich deshalb irgendwie schuldig fühlte; auch wenn das totaler Blödsinn war, aber der Druck nicht zu versagen, stark zu sein, war groß genug um sich wegen eines dummen Gedanken schlecht zu fühlen. Integral schüttelte den Kopf und verdrehte dabei die Augen. Es gab Tage wie diesen an denen sie mit sich selbst nicht im reinen war. Außerdem konnte sie sich nicht an diesen dummen Traum klammern, den sie nur träumte weil sie schwach war, weil sie nicht so gut oder so stark, wie die Anderen ehrenhaften Sir Hellsings vor ihr es gewesen waren, war, weil sie nur eine Frau war, eine Frau die auch emotional war, auch wenn sie es nie zeigte.
 

Sie atmete tief ein und aus und beschloss, dass sie wohl besser daran tat jetzt aufzustehen, da an Schlaf nach diesem Traum ohnehin nicht mehr zu denken war, egal was ihr kühler Verstand dazu sagte. Ein Blick auf die Uhr verkündete es wäre zwei Uhr nachts... nun ja, zwar nicht die optimale Zeit um aufzustehen, aber wenn sie sich ein wenig bewegt hatte und durch die, jetzt völlig verwaisten, Gänge von Hellsing Mansion gestriffen wäre, wie sie es seit ihrer Kindheit dann und wann tat, würde sie vielleicht wieder Schlaf finden können. Nicht das sie sich vor Träumen fürchten würde, aber hin und wieder... ja hin und wieder kamen darin Visionen zum Vorschein, auf die sie gut und gerne verzichten konnte. Außerdem war das kein ungewöhnlicher Zeitpunkt für sie um aufzustehen, sie war ohnehin nur so zeitig zu Bett gegangen, weil ihr sonst üblicher Schlaf- und Wachrhythmus durch Morgan Evans Anwesenheit etwas durcheinander geraten war, denn im Normalfall hielt sie es weitgehend wie die Vampire und verbrachte die ganze Nacht auf den Beinen, da Hellsing ja eigentlich hauptsächlich Nachts arbeitete. Diese Umstellung war ihr nicht so wesentlich schwer gefallen... obwohl sie es vorzog sich am Tag und im Hellen draußen aufzuhalten und sie die das Hauptgebäude umgebenden Ländereien nur selten bei Nacht betrat und das auch nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ, oder sie das unbedingt zu befriedigende Bedürfnis nach etwas Abstand verspürte, denn sie wusste dass das nicht ungefährlich war, nicht einmal so nah bei Hellsing Mansion. Nicht einmal so nah bei ihren Truppen und Alucard. Ein Angehöriger der Hellsing Familie durfte eigentlich nie in seiner Aufmerksamkeit nachlassen, ja, nicht einmal hier im Haus war es völlig sicher... nicht einmal hier... das durfte sie nie vergessen, denn sie war sich sicher das Iscariot seine Spione selbst hier im Haus eingeschleust hatte und ein Angriff konnte immer wieder passieren.
 

Sie schlug die schwere Decke, unter der sie sich zuweilen regelrecht zu verkriechen pflegte, zurück, stand auf, schwang die Beine aus dem Bett, wobei sie in ihre Pantoffeln stieg und ging zum Schrank um sich etwas zum Drüberziehen zu holen, denn es war kühl im Raum und sobald sie das Zimmer verlassen hätte, würde sie die Kühle des alten und äußerst dicken Gemäuers der Hellsing-Villa noch deutlicher spüren. Sie griff nach einem dicken wollenen Morgenmantel, wickelte sich darin ein, setzte ihre Brille auf und trat dann auf den Gang hinaus, die Tür hinter sich schließend.
 


 

Morgan konnte nicht schlafen. Was zum einen daran lag, dass sie, sobald sie die Augen schloss, wieder die Bilder der Tatortfotos vor sich sah und zusätzlich dazu noch die Nachwirkungen ihrer Visionen, also die komplette Rekonstruktion des Tatgeschehens, aus der Sicht des Täters samt seinen Gefühlen dabei, mit zum Vorschein kam. Außerdem wirkte dieses ganze Haus bedrückend auf sie, egal wie hübsch ihr Zimmer eingerichtet war. Hier herrschte eine gespenstische Atmosphäre, Kirchlichkeit war beinahe überall zu spüren, was sie zwar nicht sonderlich störte, sondern sie nur irgendwie nervte, die Wände schienen regelrecht Ohren und Augen zu haben sodass sie sich permanent beobachtet fühlte und außerdem war es ziemlich kühl, sodass sie in ihren Sachen fror, die für solch ein Gemäuer nicht ausgelegt waren, sondern sich für die ständig angenehm temperierte Apartmentwohnung eigneten, in der sie wohnte, in der man auch weitaus mehr Wert auf Beleuchtung gelegt hatte. Offenbar fand Lady Hellsing, nein Sir Hellsing, wie man sie auch genannt hatte, es nicht schlimm, dass fast im gesamten Gebäude ein ständiges Zwielicht und regelrechte Dunkelheit herrschte und überall Schatten waren, die sich zu bewegen schienen. Morgan störte diese Tatsache erheblich. Es war zwar nicht so, dass sie sich im Dunkeln fürchtete, aber sie fand es im hellen einfach... nun sagen wir... angenehmer und irgendwie... ja irgendwie sicherer. Und dann hörte sie auch noch ständig den Lärm von den Soldaten, die scheinbar nur Nachts arbeiteten, sich Befehle zubrüllten in lärmenden Vans vorfuhren und deren Schritte überdeutlich in Morgans Ohren hallten. Also, alles gute Gründe um nicht auf Schlaf zu bestehen, denn sie konnte gut und gerne auf die visionären Alpträume, die so gut wie garantiert in dieser Atmosphäre waren, verzichten. Sie war dankbar, dass Walter, ein Angestellter hier, ihr am Abend einen dicken wollenen Morgenmantel gebracht hatte, der vermutlich ein abgelegtes Exemplar der Lady war, zumindest nahm Morgan das an, mit dem Kommentar es könne kühl in der Nacht werden. Sie hatte sich ihren wärmsten Pullover, den sie eingepackt hatte, über das Nachthemd gezogen, ein paar warme Wollsocken angezogen, die sie eher aus Prinzip, denn mit der Absicht sie wirklich anzuziehen, eingepackt hatte und sich dann in den Mantel gewickelt und ihr war immer noch eiskalt, wenn das also für ihn kühl war, dann wollte sie lieber nicht erleben was für ihn kalt wäre...
 

Aus all diesen Gründen hatte sie beschlossen sich ein wenig in diesem Laden umzusehen, jetzt wo kaum noch Gefahr bestand, dass sie ständig auf irgendwelche Leute traf, die alle das Hellsing-Emblem auf der Jacke trugen und sie ansahen als wäre sie ein lästiges Insekt. Außerdem war ihr aufgefallen, dass so ziemlich jeder hier, wirklich jeder, wenn sie sich recht erinnerte, weiße Handschuhe trug. Fast so als wolle sich niemand hier die Finger schmutzig machen. Schrecklich, wie arrogant.
 

Sie hatte den ganzen letzten Tag in Begleitung von Lady... äh, Sir Hellsing verbracht. Was sich hauptsächlich so gestaltet hatte, dass sie ihr wohl oder übel den ganzen Tag hinterher gedackelt war, mit einer Flut von Informationen und Akten zugepumpt wurde und kaum beachtet worden war, sah man von gelegentlichen Blicken aus den stechenden eisblauen, aber nicht immer eiskalten, Augen von Lady Integra, wie sie von ihrem Hausdiener Walter genannt wurde, etwas das niemand sonst zu ihr sagte, ab, die sie hinter ihrer Brille scharf heraus ansah, wenn sie wieder einmal ihren Mund zu weit aufriss. Morgan konnte es sich nicht erklären, aber irgendwie mochte sie diese schroffe, unterkühlte, resolute und recht herrische Frau, in deren Gesicht man dann und wann auch einen leicht grausamen Zug bemerkte, die nebenbei erwähnt auch noch die schreckliche Angewohnheit hatte Zigarren oder ähnlich scheußlich riechendes Zeug zu rauchen, was in Morgan jedes Mal einen unangenehmen und recht peinlichen, Hustenanfall auslöste. Morgan hatte beobachten können, dass sich Lady Hellsings Gesichtszüge regelrecht entspannten und wirklich ausnahmsweise einmal weich und fast sanft aussahen, wenn sie an der Zigarette sog, anstatt so hart, abweisend, streng und schroff wie immer. Sie schien das außerordentlich zu genießen und wenn sie dachte sie wäre allein, schloss sie manchmal sogar die Augen während sie tief inhalierte und dann langsam ausatmete.
 

Sie musste dennoch, also obwohl sie diese Angewohnheit an der Frau regelrecht verabscheute, zugeben, dass Lady Hellsing ihre Truppe gut unter Kontrolle hatte und die Männer sie mit regelrechter Ehrfurcht behandelten. Vermutlich musste sie so schroff und energisch sein, wenn sie in dieser, offensichtlichen Männerdomäne Fuß fassen wollte. Bisher war Morgan allerdings noch nicht dahinter gekommen, warum die Hellsing-Organisation eigentlich eine sehr gut gedrillte und noch besser ausgerüstete Privatarmee war, die augenscheinlich über äußerst viele Vollmachten verfügte und sich Dinge erlauben konnte, die bei der Polizei undenkbar wären. Zumindest soweit Morgan dies nach einem Tag vor Ort beurteilen konnte. Außerdem hatte man Geld und das nicht zu knapp, denn das alles hier, die Einrichtung des Hauses, die immensen Außenanlagen, die Quartiere für die Soldaten und die ziemlich große Wachmannschaft, die permanent an den hoch umzäunten Grenzen entlang patrouillierte, war sicherlich alles andere als billig.
 

"Miss Evans, sie sollten besser nicht die Untergrundverliese aufsuchen."
 

Die plötzliche Stimme, die von oben zu ihr herunterschallte, ließ sie erschreckt herumfahren. Über sich, also in der ersten Etage, auf die man über zwei große geschwungene Salontreppen aus der Eingangshalle in der sie sich gerade befand gelangen konnte, stand Walter am Geländer und sah sie an. Das hieß, sie nahm an, dass er dies tat, denn sie konnte in der Dunkelheit, die hier seltsamerweise noch intensiver schien, gerade einmal seinen Schatten erkennen, hatte ihn aufgrund seiner Stimme identifiziert und... sie hatte ihn wieder einmal nicht gehört als er herangekommen war.
 

"Untergrundverliese?" fragte sie verwirrt.
 

"Ja, in der Tat. Sie sollten sich dort nicht aufhalten."
 

"Gut..." sie selbst war auch nicht so scharf darauf sich in irgendeinem dunklen Untergrundverlies wiederzufinden, ihr reichte schon die Dunkelheit die hier vorherrschte. Nachdem Walter, der offenbar genauso wenig wie sie schlief, in einem Gang in der ersten Etage verschwunden war, machte auch sie sich daran die Treppe heraufzusteigen. Ihr Ziel war der dritte Stock, in dem sich unter anderen, vielleicht zwanzig oder mehr Zimmern, auch das Arbeitszimmer von Lady Hellsing befand. Das war zwar ein Raum, den sie persönlich überhaupt nicht mochte und als äußerst grässlich empfand, aber dort waren alle Unterlagen und wenn sie schon nicht schlafen konnte, dann konnte sie auch genauso gut arbeiten.
 


 

Integral bog um eine Ecke und prallte mit einer anderen Person zusammen - was sie rückwärts taumeln ließ - die aus der anderen Richtung gekommen war, die sie im ersten Moment überhaupt nicht erkannte und jetzt aber ebenso zurücktaumelte. Wer hier nachts auf diese Art und Weise und ohne dass sie etwas davon wusste herumschlich führte meist nichts gutes im Schilde, weshalb sie schon beinahe überlegte, ob sie die andere Person kurzerhand niederschlagen sollte, die jedoch offenbar über ebenso gute Reflexe wie sie selbst verfügte und wieder einen festen Stand erreicht hatte.
 


 

Morgan war über alle Maßen erschrocken als sie plötzlich einen Widerstand vor sich hatte, der ihr einen leichten Stoß versetzte, dann selbst ein wenig nachgab und definitiv menschlich war. Sie zuckte zurück, ihre Instinkte gewannen die Oberhand und sie versuchte einen festen Stand zu bekommen, falls sie angegriffen werden würde. Sie konnte die andere Person nicht erkennen, nahm aber an, dass diese sich ähnlich wie sie selbst bewegte. Ein klein wenig fahlen Lichts, das von wer weiß wo herkommen mochte, spiegelte sich plötzlich auf zwei Brillengläsern und Morgan entspannte sich.
 

"Lady Hellsing?" fragte sie.
 

"Miss Evans?" erwiderte die Angesprochene verblüfft. "Was tun sie hier?"
 

Morgan zuckte die Schultern, bis ihr einfiel, dass Lady Hellsing sie aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso wenig richtig erkennen konnte, wie sie sie. "Ich kann nicht schlafen. Überhaupt scheinen hier nicht sonderlich viele Leute zu schlafen, ich bin auch schon auf Walter getroffen..." erklärte Morgan mit einem leichten Anflug von Freude, purer Schadenfreude. Immerhin schien auch die Hausherrin hier nicht richtig schlafen zu können.
 

"Durchaus möglich. Aber warum schleichen sie dann hier durch die Gänge?"
 

Die Stimme klang scharf, kalt, befehlend und leicht vorwurfsvoll und Morgan konnte das Gesicht von Lady Hellsing, ihren, trotz der Tatsache das sie äußerst gestreng war und meist nur Befehle schrie, erstaunlich weich geschwungenen Mund mit seinen sinnlichen, relativ blassen Lippen direkt vor sich sehen, während sie die Worte hörte. "Ich schleiche nicht durch die Gänge." Sie äffte den Tonfall provozierend ein wenig nach. "Aber ich muss mich ein wenig bewegen wenn ich nicht schlafen kann. Außerdem könnte ich die Frage auch andersherum stellen. Sie haben mich fast zu Tode erschreckt."
 

Integral blieb vor Verblüffung sichtlich regelrecht der Mund offen stehen und Morgan meinte regelrecht zu sehen wie Integral dachte: Was erlaubt diese Frau sich eigentlich? "Na hören sie mal, ich wohne hier, das ist mein Haus, ich kann hier herumlaufen wann immer ich will! Und ich habe mich genauso erschrocken."
 

Morgan hatte das zwingende Gefühl, dass man ihr etwas Wichtiges, ja etwas sehr Wichtiges vorenthielt was die Organisation betraf. "Ja ja... ist ja schon gut. Regen sie sich nur nicht unnötig auf, sonst..." Morgan biss sich auf die Lippe. Wenn sie jetzt sagte, ,sonst bekommen sie noch Falten' würde sie höchstwahrscheinlich eine Ohrfeige kassieren, die sie dann auch verdient hätte, was ihr Arbeitsverhältnis jedoch nur unnötig verkomplizieren würde.
 

"Was sonst?" Integral starrte sie mit einem Blick an der Morgan berechtigterweise vermuten ließ, dass sie selbst die Lady weitaus besser erkennen konnte als andersherum.
 

"Ach, nicht so wichtig. Sagen sie, warum ist es hier eigentlich immer so dunkel? Können sie sonst ihre Stormrechnung nicht bezahlen?"
 

Integral war offenbar der Meinung sie höre nicht recht. Diese Unverfrorenheit war sie sicherlich überhaupt nicht gewohnt und seltsamerweise schien sie nicht einmal sonderlich wütend deswegen. Immerhin vermutete Morgan längst, das Integral sie ein wenig mit Nachsehen behandelte, da man ihr einfach vorenthielt dass es sicherlich einen guten Grund gab, warum es hier meist so dämmrig war. "Nein. Aber ich habe meine Gründe. Und bevor sie noch etwas sagen, was mich dazu veranlassen könnte, sie jetzt augenblicklich vom Anwesen zu weisen, würde ich vorschlagen sie begleiten mich hinunter in die kleine Bibliothek."
 

"Gut das sie das sagen, sonst hätte ich ihnen als nächstes an den Kopf geworfen, sie möchten doch bitte die Rechnung für die Heizung bezahlen, damit es hier nicht mehr so kalt ist."
 


 

Musste diese unmöglich vorlaute Person eigentlich immer das letzte Wort haben? Fragte sich Integral, während sie voraus ging und Morgan in die kleine Privatbibliothek führte, die an ihr Arbeitszimmer angrenzte. Sie verstand nicht welches Problem Morgan eigentlich hatte. War sie wirklich davon überzeugt, dass man ihren Vater hier umgebracht hatte und war das der Grund weshalb sie sich so verhielt, oder war sie einfach immer so?
 

Eine interessante Frage wie Integral fand, auf die sie aber wohl vorerst noch keine Antwort bekommen würde.
 


 

Morgan betrachtete fasziniert Lady Hellsings filigrane Finger, die sie jetzt zum ersten Mal ohne die offenbar obligatorischen Handschuhe sah, von denen sie fast angenommen hatte, sie wären angewachsen. Die Finger waren lang und schlank und wirkten, regelrecht im Kontrast zu der Person zu der sie gehörten, feinfühlig und sanft. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach verhielt es sich hier wie mit den Rosen, denn Rosen hatten immerhin auch Stacheln und vermutlich sahen diese Hände nur so zart aus. Lady Hellsing schaltete das Licht im Raum an und deutete ihr sich auf einen der Sessel zu setzen, während sie selbst auch Platz nahm. Erst jetzt konnte Morgan sie richtig erkennen. Sie trug wie immer ihre Brille und ihr leicht dunkler Teint stand in ziemlichen Gegensatz zu ihren hellen Haaren, die wie immer offen über ihren außerordentlich geraden und gestreckten Rücken fielen. Ihre eisblauen Augen funkelten lebhaft und möglicherweise etwas verärgert, aber sie wirkte nicht so angespannt wie sonst wenn Morgan sie sah. Ansonsten büßte sie aber etwas von ihrer Autorität ein, was ganz allein dem Umstand zuzuschreiben war, dass sie offenbar nur ihr Nachthemd, ein paar Pantoffeln und darüber einen dunklen wollenen Morgenmantel gezogen hatte. Morgan fragte sich, wie die Frau es wohl fertig brachte nicht zu erfrieren, es reichte ihr schon, wenn sie sie nur ansah und ihr wurde noch kälter... Allerdings wunderte es Morgan, dass sie überhaupt etwas anderes in ihrem Schrank hatte als eine Reihe dieser grünen Anzüge oder vielleicht die gleichen Anzüge in anderen Farben... Sie hatte Lady Hellsing bisher nur in diesen Anzügen gesehen, der einzige Unterschied war hin und wieder die blaue Krawatte gewesen, die sie manchmal wie eine normale Krawatte gebunden hatte, meist jedoch als Schleifenkrawatte verwendete. Nicht zu vergessen das schlichte Goldkreuz. Morgan selbst besaß auch so ein Kreuz, nur war es wesentlich kleiner, aus Silber und hing, unter ihren Sachen versteckt, an einer zarten Silberkette um ihren Hals.
 

Sie sah sich interessiert um. Hier gab es Bücher, die nicht nur alt aussahen, sondern es mit Sicherheit auch waren, weshalb der Wert der hier lagernden Dinge vermutlich nicht einmal mehr mit Geld aufzuwiegen war. Aber es sah eigentlich, und Morgan war deswegen fast ein wenig enttäuscht, nicht so aus als hätte Lady Hellsing sie hierher geführt, um ihr zu erlauben etwas zu lesen, denn es hätte sie brennend interessiert hier einmal in diese alten Wälzer blicken zu können. Überhaupt konnte sie Lady Hellsing in ihren Handlungen nicht ganz nachvollziehen. Die Frau leitete diese Organisation, schön und gut, diese Frau besaß Macht, genauso gut, aber was tat sie eigentlich den ganzen Tag über? Und warum ließ sie sich solche Unfreundlichkeiten von ihr sagen, wenn sie doch normalerweise so etwas sicherlich nicht tolerieren würde?
 


 

Walter war ein wenig besorgt, als er am nächsten Morgen an Integras Zimmer klopfte und sie dort nicht vorfand. Nicht das es selten vorgekommen wäre, dass sie nicht dort war, denn sie war ein ziemlicher Nachtschwärmer und stand zudem auch noch meist eher auf als alle anderen, obwohl sie meist auch noch die letzte war die zu Bett ging, von ihm selbst einmal abgesehen, aber es schien ihm schon ein wenig ungewöhnlich. Als er dann auch an Morgan Evans Zimmer klopfte und dort ebenfalls niemanden vorfand, kamen ihm berechtigte Zweifel und damit auch die ersten Sorgen. Er wusste wie impulsiv Integra sein konnte wenn man sie sehr reizte und was für eine böse Zunge Morgan Evans hatte und ihm war klar, dass das auf Dauer höchstwahrscheinlich eine ziemlich gefährliche Mischung war... obwohl er ja nicht ernsthaft annahm, das Integra der Frau etwas antun würde... nun ja... dennoch sollte er die beiden Frauen lieber suchen, bevor sie sich gegenseitig die Köpfe einschlugen, was am letzten Tag wirklich beinahe passiert wäre...
 

Einer Eingebung folgend, ging er zuerst in Integras Arbeitszimmer. Auch dort war niemand, aber in der Bibliothek fand er sie und war gelinde gesagt von dem Anblick überrascht. Die beiden Frauen schliefen jeweils in einen Sessel gekuschelt und es herrschte wunderbarer Frieden, da sie beide noch im Traumland weilten als er eintraf. Vielleicht hätte er sich beeilen und einen Fotoapparat holen sollen, um dieses friedliche Bild für die Ewigkeit, oder wenigstens die Nachwelt festzuhalten, denn soviel Ruhe und Frieden würde es zwischen diesen beiden wohl nicht mehr so schnell geben.
 

"Integra-sama..." er rüttelte sie leicht an der Schulter, bis sie aufwachte. Sie schob ihre Brille gerade und blickte ihn einen Moment lang verblüfft an, bevor sie, sich offenbar über sich selbst wundernd, eine Augenbraue leicht anhob und aufstand.
 

"Wie spät ist es, Walter?"
 

"Das Frühstück wäre jetzt soweit, es sei denn, sie wünschen es ausfallen zu lassen." Erwiderte der Hausdiener, ohne ihre Frage direkt zu beantworten, aber Integra konnte seiner Antwort genügend Informationen entnehmen, ohne dass sie die exakte Uhrzeit erfuhr.
 

"Gut, ich möchte nichts, aber Miss Evans wird bestimmt etwas essen wollen wenn sie sie aufwecken. Ich kümmere mich derweil um alles, was während der Nacht an Arbeit angefallen ist." Damit ging sie aus dem Raum.
 


 

Morgan fühlte sich steif, ein wenig unterkühlt und jeder Muskel und jeder verdammte Knochen in ihrem Körper taten ihr weh, nachdem sie von Walter geweckt worden war und sich die Treppe hinauf in ihr Zimmer gequält hatte. Wobei man gequält deutlich betonten musste. Aber sie war ja selbst schuld. Warum war sie auch in diesem Sessel eingeschlafen? Wie hatte sie überhaupt neben dieser Frau so seelenruhig und vor allen Dingen ohne irgendeinen Alptraum schlafen können? Eine Frage deren Beantwortung vermutlich noch eine Weile auf sich warten lassen würde und vorerst wichtigeren Belangen würde weichen müssen.
 

Lady Hellsing war es vermutlich ebenso so ergangen, nur schien ihr das Ganze weitaus weniger auszumachen, da von ihr bereits jede Spur fehlte, als Morgan geweckt wurde. Allerdings mutmaßte Morgan, dass die Lady solche Aktionen vermutlich gewohnt war, es war für sie sicherlich nicht neues am frühen Morgen mit dem Kopf auf den Schreibtisch gesunken aufzuwachen, zumindest schätzte Morgan sie als so einen Workaholic ein, der sich nicht sonderlich um die eigene Gesundheit sorgte. Sie hatte sich mit der Lady über einige Belanglosigkeiten unterhalten und sich mehrmals zurückhalten müssen um nicht etwas zu sagen, was die Lady dazu hätte veranlassen können, ihre Drohung wahr zu machen und sie vor die Tür zu setzen, nicht dass sie sich sonst Sorgen um so etwas gemacht hätte, aber die Vorstellung mitten in der Nacht hier, meilenweit von der nächsten normalen Behausung entfernt vor der Tür zu stehen, schien ihr nicht gerade verlockend.
 

Die Kälte war regelrecht in sie hineingekrochen wie sie feststellen musste, als sie sich umzog und ihre Zähne putzte. Ihre Haut hatte sich scheinbar der geläufigen Außentemperatur angepasst, denn sie fühlte sich äußerst kühl an.
 

Ein schlichter grauer Wollpullover mit einem recht weitem Ausschnitt, der ihr sogar ein kleines Stück zu groß war und deshalb etwas schlabberig wirkte, aber das wärmste war, was sie sich eingepackt hatte und ihre schwarze Hose sollten genügen; dazu noch ihre Stiefel. Perfekt, zwar nicht sonderlich ansehnlich, aber auf jeden Fall warm. Sie fuhr sich kurz mit der Bürste durch die Haare und der Effekt blieb unsichtbar, da ihre Haare ohnehin stets das taten wozu sie gerade Lust hatten und sich gegen jeglichen Versuch sie zu frisieren wehrten, weshalb sie sie im Endeffekt kurzerhand abgeschnitten hatte damit dieses Theater jeden Morgen aufhörte. Eine der wenigen Dinge die ihr von Anfang an an Lady Hellsing positiv aufgefallen waren, war die Tatsache, dass die Frau kein Make-up benutzte und wenn sie es doch tat, dann jedenfalls nicht so auffällig, als das man es bemerken würde. Morgan benutzte prinzipiell kein Make-up, es war ihr egal, was andere davon halten mochten, aber sie mochte dieses Zeug einfach nicht auf der Haut, es fühlte sich nicht gut an, und sie fand auch nichts tolles oder erstrebenswertes daran, sich jeden Morgen stundenlang wie einen Zirkusclown zu bepinseln um dann im Laufe des Tages feststellen zu müssen, dass die Schminke doch nicht so wasser- und abriebfest war, wie es die Verpackung versprach.
 

Es klopfte an der Tür und Walter brachte ihr ihr Frühstück auf einem silbernen Tablett serviert (wahrsten Sinne des Wortes). Oder zumindest etwas, das er oder wer auch immer es zubereitet hatte, für Frühstück hielt. Sie verkniff sich jeden Kommentar, aus Angst am Ende überhaupt nichts zu bekommen, denn sie legte großen Wert auf ein ordentliches Frühstück um den Tag zu beginnen, am besten mit einer riesigen Tasse schwarzen Kaffees der so stark war, dass der Löffel darin gerade stehen bleiben konnte, aber Porridge war nichts, was sie gern zum Frühstück aß, dieses Zeug war ohnehin nichts, was sie gerne aß und sie verstand nicht, weshalb viele Engländer auf das Zeug zum Frühstück bestanden. Sie selbst bevorzugte eigentlich die deutsche oder französische Art zu Frühstücken, sie gab sich mit Brötchen zufrieden, obwohl sie Croissants noch weitaus lieber mochte und sie fragte sich ob man Lady Hellsing auch den Porridge vorsetzen würde. Aber vermutlich frühstückte diese Frau ohnehin nichts und wenn doch dann nur unregelmäßig, das würde irgendwie zu ihr passen, obgleich Morgan von den Essgewohnheiten der Lady bisher noch nicht so sonderlich viel bemerkt hatte.
 

Lustlos mampfte sie das Toastbrot trocken hinein, da auch die beigestellte Ingwermarmelade nicht unbedingt ihren Geschmack traf - um nicht zu sagen, dass sie sich schon vor dem Geruch ekelte - ließ das Tablett dann einfach stehen und ging hinunter, um Lady Hellsing zu suchen, zwar nicht wirklich satt, aber wenigstens nicht auf völlig nüchternen Magen, denn es war immer besser dieser Frau nicht mit leerem Magen entgegenzutreten, denn selbst Morgan fand es teilweise schwer sich ihr entgegenzustellen, eine Tatsache die sie ungemein erstaunte. Im Normalfall hatte sie keine Probleme damit so unverschämt wie nur irgend möglich zu anderen zu sein. Aber immerhin wollte sie schon gern erfahren, was sie an diesem Tag unternehmen würden und es war nicht klug, den Morgen gleich mit einem handfesten Streit zu beginnen, weshalb sie sich vornahm, das grässliche Frühstück nicht zu erwähnen und dafür zu versuchen irgendwo anders noch etwas ordentliches, genießbares in den Magen zu bekommen. Morgan kannte ihren launischen Kreislauf, nicht zu vergessen die Sache, und war nicht sonderlich scharf darauf, wieder einmal auf dem Boden liegend zu Bewusstsein zu gelangen.
 

"Ähm... Walter, wo finde ich Lady Hellsing?" fragte sie schließlich, sehr glücklich den Diener gefunden zu haben, nachdem sie erfolglos durch die Gänge geirrt und keine Spur von der Frau gefunden hatte.
 

"Sie ist bei den Schießständen im Nebengebäude. Soll ich sie hinführen, Miss Evans?"
 

"Ja... das wäre nett."



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Kommentare zu dieser Fanfic (4)

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Von:  Kagozilla
2004-04-26T21:24:03+00:00 26.04.2004 23:24
so hast du doch weitergeschrieben ^^
cool freut mich um so mehr
war wieder genial und ich freu mich schon auf die fortsetzung also
bis dann

Lg
ela
Von:  Merida
2004-02-17T19:34:27+00:00 17.02.2004 20:34
Mal wieder eine spitzen Story, mach nur weiter so.
ich hoffe du schreibst bald weiter, ist ja schon echt spannend.
Wenn du noch ein paar mehr ff schreibst die genauso gut sind wie deinen bisherigen gründe ich einen Fanclub.
(O.K. das mit den Fanclub war ein Witz)
Von: abgemeldet
2004-02-07T16:14:41+00:00 07.02.2004 17:14
Hey Ya!
Gut geschrieben,vom Anfang bis zum Ende!
Bist ja n richtiger Hellsing-Freak,soviele Ff scho dazu...
Respect!
Sag,könntest du mir bitte mal ne Liste schicken(per ENS) wo du überall Hellsing Fanfictions gefunden hast?
Wäre absolut genial!
Weida^^
Cu,Sylver
Ps.:ZWEITÖÖÖÖÖÖÖR *damn*
Von: abgemeldet
2004-02-04T17:15:31+00:00 04.02.2004 18:15
Hi ich find die ff sehr gut, aber es würd mich freuen wenn du so schnell wie du kannst die nächsten kapitel schreibst ;)
Gruß
Vorador
Ach ja ich bin der erste der was reinschreibt ^^



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