Zum Inhalt der Seite

Agents: Next Generation

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Prolog

Agents: Next Generation
 

Dies ist, wie der Titel bereits sagt, eine Agenten zentrierte FF meinerseits und mein erster Versuch einer Matrix-Fanfiction.
 

Prolog
 

Die Einwohner Amsterdams gingen um zwei Uhr nachmittags wie immer ihrem üblichem Tagesgeschäft nach und kümmerten sich nicht sonderlich um den noch recht jungen Mann im grauen Anzug und brauner Sonnenbrille, der in einem Restaurant vor einem Glas Wodka Tonic saß.

Auf der Tischoberfläche hatte er eine Akte ausgebreitet und studierte sie. Immer wieder huschten seine Augen über die Zeilen darin, während er sich mit altmodischem auswendiglernen auf eine Entscheidung vorbereitete, die ihm wie eine Art Prüfung in Geschichte vorkam und er jedes Detail für diese Arbeit brauchte.

Natürlich hatte er das ganze ja auch einfach in sein Gedächtnis herunterladen können, schließlich war er ein Agent des Systems. Einer der Beschützer der Matrix. Aber doch war er nicht ganz wie die anderen.

Wie hatte Smith sich ihm gegenüber einmal ausgedrückt? Es war so etwas wie: ,Du bist anders als die anderen Agenten, da du dich stark von ihnen unterscheidest. Deswegen werden sie dir wahrscheinlich erst später etwas wie Vertrauen geben.'

Darauf hatte er jedoch geantwortet, dass Smith ebenfalls nicht wie die anderen war und Smith hatte ihm zugestimmt. Dieses Gespräch lag nun etwas mehr als zehn Jahre zurück, ungefähr die Zeitspanne, die er nun schon Agent des Systems war. In der Zwischenzeit war sein Aufgabengebiet sowie seine Anerkennung bei den anderen Agenten gestiegen. Im Moment war er die oberste Einheit und Meisterstratege des Agentenhauptquartiers in Riga und Sewastopol, doch seine jetzige Aufgabe verwirrte ihn.

"Agent Lancte", sagte ein junger Mann den er nur mit dem Vornamen Harry kannte, der denselben Anzug und dieselbe Brille wie Lancte trug und gab ihm eine Disk. Doch war er kein Agent. Er war ein Rekrut, ein Mensch der von Agenten ausgebildet worden ist und ebenfalls gegen die Rebellen kämpfte. Agent Lancte brachte ihm kaum Vertrauen gegenüber was nichts mit seinen Fähigkeiten zu tun hatte. Seine Fähigkeiten waren wirklich gut für einen eingeweihten Menschen, jedoch hatte er einen Drang zur übertriebenen Gewaltanwendung und das war etwas, was Lancte verabscheute.

In diesem Moment fragte er sich, was passieren würde wenn er seine Waffe ziehen und ihn einfach erschießen würde. Hätte es Konsequenzen für ihn? Am liebsten würde er ihm sagen, das er sich verpissen soll und am besten nie mehr wiederkommen, wenn er überleben wollte.

"Was ist", fragte er stattdessen.

"Vor einigen Minuten haben sie mir gesagt, wir sollen das Treffen mit dem Zielobjekt verschieben. Wieso?", war die Frage seines jungen Kollegen.

"Das Wetter ist scheußlich", gab Agent Lancte ihm als Antwort.

"Ich verstehe nicht. Das Wetter ist perfekt, keine einzige Wolke am Himmel."

"Das meine ich. Scheußlich. Bei diesem Wetter werden viele Leute hinausgehen und es ist automatisch viel los. Für morgen ist Regen angesagt, dann werden nicht so viele Leute spazieren gehen", bekam Harry als Antwort.

"Was macht denn das für einen Unterschied. In ein paar Sekunden sperren wir die Brücke ab und kurz darauf ist er als Leiche im Wasser."

"Sie verpassen immer wieder ihre Belobigung, weil sie ihren Mund nicht halten können."

Harry lächelte verlegen. Er hatte den Tadel verdient gehabt, das wusste er. "Entschuldigen sie. Aber in der Chiffrier-Nachricht hieß es eindeutig, das wir ihn sobald wie möglich holen sollten."

"Ich will ihnen einmal etwas sagen", sprach Agent Lancte, während er sich etwas nach vorne beugte zu dem Rekruten hin. "Und zwar etwas, dass wesentlich wichtiger ist als irgendwelche Sprüche die jemand auf die Rückseite von Cornflakes-Schachteln geschrieben hat. All die Ausbildung die sie durchgemacht haben, das ganze Kampftraining, ist nicht so wichtig wie die erste Regel: So zu Denken wie der Feind denkt. Das ist wirklich nicht leicht, aber sie können sich auch etwas vormachen, das ist wirklich leicht."

Dann herrschte für einige Augenblicke schweigen, das wieder von Harry unterbrochen wurde. "Aber warum müssen wir so lange warten. Es ist doch vollkommen unsinnnig unsere Zeit mit dieser Warterei zu verschwenden. Wir haben doch alle Beweise die wir brauchen. Er ist ein Doppelagent der Rebellen und hat seit zwei Jahren unsere Missionen unterwandert und viele davon gingen schief. Dabei verloren wir noch eine Menge Rekruten."

"Haben wir wirklich alle Beweise? Ich habe mir seine Akte mehrmals angesehen, aber ich kann nichts finden, das sein Verhalten in letzter Zeit erklärte."

"Verhalten?" fragte der Rekrut weiter.

"Bei dem Telefongespräch, das ich mit ihm hatte, war jede Sekunde für ihn wie eine Stunde und ich weiß nicht warum", war die Antwort des Agenten darauf.

"Dafür gibt es wahrscheinlich mehrere Gründe. Vielleicht erwartet man ihn daheim oder sonst irgendwas, das nichts mit der Mission zu tun hat. Was macht das denn für einen Unterschied?"

Unter diesen Umständen war es logisch, natürlich. "Gar keinen, Harry. Jetzt nicht mehr."

"Sie haben ja schließlich dafür gesorgt, dass er sogar glaubt, Kontakt mit den Rebellen aufgenommen zu haben. Sie haben alles arrangiert."

Das stimmte und Agent Lanctes alte Besorgnis wuchs wieder. Es machte wohl doch einen Unterschied. Er hatte die Codes der Rebellen in Amsterdam schon lange geknackt und hatte sie jetzt eingesetzt. "Warum ist er dann nicht glücklich", fragte Agent Lancte und konzentrierte sich wieder auf die Akte.
 

Der Regen trommelte stark herunter und Agent Lancte hatte seinen Anzug gegen einen normalen Trenchcoat ausgetauscht und in der rechten Hand fühlte er den kalten Stahl der 22. Automatik in seiner Manteltasche. Eine gute Pistole, dachte er sich. Sie war für Abstände gedacht, die man nur in Zentimetern maß und kaum lauter als eine Startschusspistole, sodass man den Knall mit einem Husten übertonen konnte.

Die Brücke auf der er stand, war von Fußgängern verlassen und es fuhr auch kein Schiff über das Wasser, während er im Regen um drei Uhr nachts auf das Zielobjekt wartete.

Gleich würde er eine Lektion erteilen und irgendjemand würde sich in einem dunklen Raum die Disk ansehen die er dem alten Mann in den Mantel stecken würde bevor er die Leiche in den Fluss warf. Aber wie bei jeder anderen Lektion würde sie nicht verstanden werden.

Welchen Unterschied macht es schon? Eine kluge Frage von einem übereifrigen, wenn auch nicht sehr intelligentem Kollegen gestellt.

Keinen, Harry. Gar keinen. Jetzt nicht mehr.

Aber in dieser Nacht nagte der Zweifel an Agent Lanctes Gewissen. Nicht seiner Moral. Die Moral hatte er schon lange dem Praktischen geopfert. Wenn der Plan funktionierte war es praktisch und deshalb moralisch, wenn nicht war es unpraktisch und deshalb unmoralisch. Und in dieser Nacht, nagte er an dieser zweckbezogenen Philosophie.

War die Lektion die er gleich erteilen würde, die beste Lektion? War sie die Risiken wert, die sich mit dem Tod des alten Professors einstellen würden?

Oberflächlich betrachtet war die Antwort: Ja.

Vor vier Jahren war ein Professor in einer Waffenkonstruktionsfabrik in Moskau in das Geheimnis der Matrix eingeweiht worden und wurde aufgrund seines Wissens um neue Waffentechnologien von den Rebellen mit offenen Armen empfangen. Gleichzeitig jedoch, hatte er Kontakt zu den Agenten aufgenommen und sie einige Zeitlang über den Verlauf von Rekrutierungs- und Sabotagemissionen der Rebellen auf dem laufenden gehalten.

Doch als die Agenten Vergeltungsschläge auf die Rebellen ausführen wollte, stellten sich die Informationen die sie von dem übergelaufenen Professor erhalten hatten als nutzlos heraus und Missionen waren so infiltriert worden, dass sie beinahe lächerlich waren. Es gab keinen anderen logischen Kandidaten für die Verräterrolle als diesen Professor.

Agent Lancte hatte die Codes der Rebellen in Amsterdam schon lange geknackt und wunderte sich nun über die Reaktion des Zielobjekts. Das war es, was ihn so beunruhigte. Der alte Mann zeigte keinerlei Erleichterung darüber, dass man ihn rief. Nach vier Jahren dieses Dratseilaktes hatte das Zielobjekt jedes Recht darauf einen ehrenvollen Abgang von der Szene zu erhalten, und genügend Dank von Zion zu bekommen um den Rest seines Lebens in angenehmer Umgebung zu verbringen. Agent Lancte hatte das in seiner Chiffrier-Nachricht sogar mitgeteilt.

Aber der alte Russe war dennoch nicht glücklich. Aber nicht einmal in der Akte ,Vier-Null', die er über das Zielobjekt verlangt hatte, hatte er etwas in Erfahrung bringen können. Der Mann war ein Maulwurf - offenbar im Doppelsinne des Wortes. Und das störte Lancte ebenfalls. Ein Maulwurf pflegte in der Spionagearbeit nicht gerade die gesellschaftlichen Eigenheiten dieser Tierart zuzulegen.

Irgendetwas stimmte nicht. Und doch gab es Beweise, ganz eindeutige Beweise sogar, dass der Mann ein Doppelagent war. Die Lektion musste erteilt werden.

Es verstrich weniger als eine Minute, bis er die Gestalt des alten Mannes durch den Regen heranstapfen sah. Der Schritt des Opfers wirkte zögernd, als wäre er auf dem Weg zu einem Rendezvous, das er in gleichem Maße ersehnte, wie verabscheute. Es ergab einfach keinen Sinn.

Lancte blickte nach rechts. Wie er erwartet hatte, war niemand auf der Straße, in diesem verlassenen Teil der Stadt war um diese Stunde niemand zu sehen. Er wandte sich nach links und ging die Rampe hinauf, auf die Brückenmitte zu, auf deren Seite der alte Russe war. Er hielt sich im Schatten; das war nicht schwierig, da die zwei ersten Lichter am linken Geländer wegen eines Kurzschlusses nicht brannten.

Auf der anderen Seite der Brücke stand der alte Mann und blickte ins Wasser, sich mit dem Händen am Geländer abstützend. Er näherte sich ihm von hinten, wobei seine Schritte von dem aufprallenden Regen verschluckt wurden. In der linken Tasche seines Mantels umfaßte seine Hand ein kleines Etui von fünf zwanzig Zentimetern Durchmesser und weniger als zwei Zentimeter Dicke und war mit wasserdichtem Plastik verkleidet. Es war der Beweis: Eine CD-ROM mit Film. Das konnten die Rebellen in Amsterdam überprüfen.

"Plakhaja notsch, stary prijatjel", sagte Lancte hinter dem Russen und nahm dabei die Automatik aus der Manteltasche.

Der alte Mann drehte sich erschrocken um. "Warum haben Sie mit mir Kontakt aufgenommen", fragte er auf russisch. "Ist etwas passiert?" Er sah die Waffe und hielt inne. Dann fuhr er fort und in seiner Stimme trat plötzlich anstelle der Angst eine seltsame Ruhe. "Ja, anscheinend ist etwas passiert. Ich bin plötzlich wertlos geworden. Nur zu, Genosse. Sie erweisen mir einen großen Gefallen."

Agent Lancte starrte den Mann an, die durchdringenden Augen, in denen keine Angst mehr stand. Es war nicht das erste Mal, dass er diesen Blick sah. Lancte antwortete auf Englisch.

"Sie haben vier aktive Jahre verbracht. Unglücklicherweise haben Sie uns überhaupt keine Gefälligkeiten erwiesen. Sie waren nicht so dankbar, wie wir erwartet hatten."

Der Russe nickte. "Agenten", sagte er. "Ich habe mir schon den Kopf zerbrochen. Eine eilig einberufene Konferenz in der Matrix, die man auch in Zion hätte abhalten können. Ich hätte misstrauisch sein sollen. Aber Sie hatten sämtliche Codes und haben die richtigen Worte gebraucht. Und Ihr Russisch ist einwandfrei, prijatjel."

"Das ist meine Aufgabe. Was für eine Aufgabe hatten Sie?"

"Sie kennen die Antwort doch. Deshalb sind Sie hier."

"Ich möchte den Grund erfahren."

Der alte Mann lächelte grimmig. "O nein. Sie bekommen nichts außer dem, was sie erfahren hatten. Sehen Sie, mir ist es mit dem, was ich gesagt habe, nämlich ernst. Sie werden mir einen Gefallen tun. Sie sind mein Listok."

"Die Lösung wofür?"

"Tut mir leid."

Lancte hob die Waffe. Der Russe sah darauf und in seine Augen kehrte die Angst zurück, aber er zitterte nicht und sagte kein Wort. Dann stieß Lancte plötzlich dem alten Mann die Waffe unter das linke Auge, stieß rücksichtslos zu, bis der Stahl sich ins Fleisch bohrte. Der Russe zitterte, blieb aber stumm.

Agent Lancte war übel.

Welchen Unterschied macht es?

Keinen Harry. Gar keinen. Jetzt nicht mehr.

Eine Lektion musste erteilt werden . . .

Lancte senkte die Waffe. "Verschwinden Sie heir", sagte er.

"Was?"

"Sie haben gehört, was ich sage. Verschwinden Sie hier. Die Rebellen operieren von der Diamantenbörse an der Tolstraat aus. Die Tarnadresse ist eine Firma namens Hasidim, Diamant Bruusteen . Verschwinden Sie jetzt."

"Ich verstehe nicht", sagte der Russe leise. "Ist das wieder ein Trick?"

"Verdammt nochmal!" schrie Lancte, der jetzt zitterte. "Verschwinden sie hier!"

Einen Augenblick lang taumelte der alte Mann, dann griff er nach dem Geländer um sich zu stützen. Er schob sich unsicher davon und fing an, durch den Regen davonzulaufen.

"Agent Lancte!" Der Ruf kam von Harry. Er stand am westlichen Eingang der Brücke, direkt dem Russen im Wege. "Agent Lancte. Um Himmels willen!"

"Lassen Sie ihn laufen", schrie Lancte.

Entweder kam das zu spät, oder der trommelnde Regen hatte seine Worte verschluckt; er wusste es nicht. Er hörte drei halblaute Schläge. Angewidert sah er zu, wie der alte Mann sich an den Kopf griff und gegen das Geländer stürzte.

Harry war ein Profi. Er stützte die Leiche, gab einen letzten Schuss auf ihr Genick ab und schob sie mit einer fließenden Bewegung über das Geländer in den Kanal.

Welchen Unterschied macht es?

Gar keinen. Gar keinen mehr.

Lancte wandte sich ab und ging auf die Ostseite der Brücke zu. Er schob die Automatik in die Tasche; plötzlich wog sie sehr schwer.

Hinter sich hörte er Schritte. Er war schrecklich müde und wollte die Schritte genauso wenig wie Harrys Stimme hören.

"Agent Lancte, was zum Teufel ist dort hinten geschehen ? Er wäre beinahe entkommen!"

"Aber das ist er nicht", sagte Lancte während er schneller ging. "Sie haben dafür gesorgt."

"Da haben Sie verdammt recht! Um Himmels willen, was ist mit Ihnen los?" Der jüngere Mann hatte den Agenten nun eingeholt, sein Blick richtete sich auf Lanctes Hand. Jetzt konnte er das wasserdichte Etui sehen. " Herrgott ! Sie haben es ihm nicht in die Tasche gesteckt!"

"Was?" Dann begriff Lancte, wovon Harry sprach. Er sah den kleinen Behälter an und warf ihn dann an dem jüngeren vorbei über das Geländer.

"Was machen Sie?"

"Gehen Sie zum Teufel", sagte Lancte leise.

Harry blieb stehen, Lancte nicht. Sekunden später hatte Harry ihn eingeholt und packte ihn am Mantel. "Allmächtiger Gott! Sie haben ihn entkommen lassen!"

"Nehmen Sie die Hände weg."

"Nein, verdammt! Sie können doch nicht . . ."

Weiter kam Harry nicht. Lanctes Hand schoß vor, seine Finger packten den Daumen des jungen Mannes und rissen ihn herum.

Harry schrie auf; sein Daumen war gebrochen.

"Gehen Sie zum Teufel", wiederholte Lancte. Er verließ die Brücke.
 

Das Zimmer wurde von einem angenehmen Feuer erwärmt, an dem sich Agent Lancte die Hände rieb, damit seine Hände nicht erfroren. Seit er ein Agent war, war das zwar nicht mehr möglich, aber vor dieser Zeit hatte er es immer getan.

Er war nicht immer ein Agent gewesen, vor dieser Zeit war er ein Rekrut wie Harry gewesen. Nun ja nicht wie Harry, eben ein Mensch. Smith hatte bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt, er hatte sich bei dem Architekten dafür verbürgt das Lancte es wert sei.

Und nun würde ein Agent vom Hauptquartier in New York herüberkommen und über die Vorkommnisse in der letzten Nacht befragen. Er würde hierherkommen, für den Fall das es Umstände gab, die man nur hier klären konnte. Agent Lancte war ein Spezialist und man durfte ihn nicht zu fest anpacken. Und es war eindeutig etwas schiefgelaufen.

Die Vorbereitungen die das HQ traf, kamen Lancte lächerlich vor, aber es war auch möglich dass er bereits von Teams der Agency überwacht wurde. Würde er zu der Diamantenbörse in der Tolstraat gehen, würde man ihn zweifellos löschen. Und auch Harry würde weggebracht werden, Lancte würde daher keinerlei Gelegenheit haben, ihn noch einmal zu sehen.

In diesem Moment bemerkte er, dass er die Wärme des Feuers gar nicht bemerkte. Und was sollte er zu dem Agenten sagen der von New York hierherkommen würde? Er wusste es nicht. Es war ihm sogar gleichgültig.

Er hörte Schritte vor der Türe, machte aber keine Anstalten hinzugehen und sie zu öffnen. Lancte wusste, dass es der Agent vom HQ war. Dann wurde die Türe geöffnet und herein trat ein Agent, den Agent Lancte seit einem Jahr nicht mehr gesehen hatte. Das war bei seinem letzten Aufenthalt in New York gewesen.

Agent Brown.

"Brown, wie geht es ihnen", sagte er mit einem Lächeln. "Mein Gott, wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Ein Jahr muss es ungefähr gewesen sein?"

Agent Brown betrachtete seinen Kollegen aufmerksam, bevor er überlegt zu sprechen anfing. " Agent Lancte", begann er. "Das Hauptquartier möchte wissen was los war."

"Wann soll denn was passiert sein?" fragte Lancte zynisch.

"Sie wissen genau, wovon ich rede. Gestern nacht auf der Brücke."

"Sagen sie es mir doch. Sie haben die Räder in Bewegung gesetzt."

"Wir haben ein gefährliches Spionageloch entdeckt. Spionageaktivitäten über Jahre hinweg und man verlangte Beweise. Die haben sie geliefert. Sie wussten ebenfalls, was getan werden musste. Und dann gingen sie einfach weg."

"Ich ging einfach weg", wiederholte Agent Lancte und nickte dabei.

"Und als ein Rekrut sie auf ihren Fehler aufmerksam machte, haben sie ihm einfach den Finger gebrochen. Ihrem unterstellten Rekruten."

"Ja, das hab ich tatsächlich. Wenn ich Sie wäre, würde ich zusehen, dass ich ihn loswerde. Entfernen sie ihn aus dem Dienst und löschen sie seine Erinnerungen, dann kann er nichts mehr versauen."

"Was?"

"Andererseits werden sie es wahrscheinlich nicht tun. Er ist ihnen so ähnlich, Brown. Passen sie auf. Eines Tages nimmt er Ihnen den Job weg."

"Sind sie betrunken?"

"Nein, leider nicht. Ich hab es mir überlegt aber ich hatte keine große Lust darauf. Wenn ich gewusst hätte, dass die sie schicken, hätte ich es vielleicht versucht. Um der alten Zeiten willen."

"Wenn sie nicht betrunken sind, dann müssen sie nicht ganz bei Trost sein. Was sie getan haben - oder besser gesagt nicht getan haben - hat unsere Spionageabwehr erheblich gefährdet."

Lancte trat drohend einen Schritt auf den Agenten vom Hauptquartier zu und brüllte: "Jetzt hab ich mir genug von ihnen angehört! Nichts habe ich gefährdet. Sie haben das. Sie haben ein weiteres Loch in ihrem verdammten Sieb gefunden und mussten es mit einer Leiche stopfen. Damit konnten sie zu den Bossen gehen und diesen Schweinen sagen, wie tüchtig sie waren."

"Wovon reden sie?"

"Der alte Mann war ein Überläufer. Jemand hat sich an ihn herangemacht, aber er war tatsächlich ein Überläufer."

"Herangemacht?"

"Irgendwo ist in dieser Vier-Null-Akte etwas ausgelassen worden. Vielleicht ein Familienmitglied das nie gestorben ist, sondern sich versteckte. Ich weiß es nicht, aber irgend etwas ist da. Geiseln, Brown! Deshalb hat er es getan. Und ich war sein Listok ."

"Es gab kein Beweismaterial, das für Erpressung spricht, das Zielobjekt hat nie eine Familie erwähnt. Er war ein Spitzel der Rebellen."

" Beweismaterial ? Ach kommen Sie schon, Brown. Wenn er gut genug war abzuhauen, war er auch gut genug um so etwas zu verbergen. Jemand hat sich an ihn herangemacht; seine Akte stinkt förmlich danach. Er lebte ein ungewöhnliches Leben für einen ungewöhnlichen Menschen."

"Das haben wir verworfen", sagte Brown. "Er war ein Exzentriker.

Lancte blieb stehen und starrte den anderen an. "Sie haben das verworfen . . . Ein Exzentriker? Verdammt noch mal, Sie haben es gewusst . Sie hätten das benutzen können. Aber sie wussten ja nicht, wie man das macht, also riefen sie nach dem Henker. Was hat Smith zu dieser Operation gesagt?"

"Smith wurde vor einem halben Jahr von dem Auserwählten namens Thomas A. Anderson alias Neo gelöscht."

Diese Aussage traf Agent Lancte hart. Sein Lehrmeister war von dem Auserwählten erledigt worden. Irgendwie würde er sich rächen, das war klar.

Morgen würde er mit dem Flugzeug nach New York fliegen und dort weiterarbeiten. Sein Posten in Riga und Sewastopol würden bald von einem anderen Agenten übernommen werden.
 


 

Ende des Prologs.

Okay, war nur 'ne Einführung auf die restliche Story, aber sagt ihr mal, wie ihr es findet. Dann kommt bestimmt bald das erste Kapitel.

Ein neuer Rekrut

Kapitel 1

Ein neuer Rekrut
 

Angelina Johnson war sechsundzwanzig Jahre alt und hatte kurze, modisch gestylte schwarze Haare. Sie trug eine leichte Windjacke, die drohte von dem stark und schnell aufgekommenen Wind davongetragen zu werden. Sie zog an dem Reißverschluss und schloss damit die Jacke und steckte ihre Hände daraufhin in die Hosentaschen, um wenigstens diese vor der Nacht mit diesem eiskalten Wind zu schützen.

Dann setzte sie sich auf eine Parkbank im Gramercy Park damit ihre Füße sich etwas von dem einstündigen Marsch erholen konnten, den sie hinter sich hatte.

Eine E-Mail hatte sie dazu bewogen, diesen Marsch auf sich zu nehmen und in diesen verlassenen Stadtteil zu gehen.

Ich wusste doch, dachte sie, dass dies eine blöde Idee war, der Nachricht zu folgen. Jetzt sitz ich hier und tue nichts anderes als auf jemanden zu warten.

Sie wollte gerade wieder aufstehen und nach Hause gehen, als sich plötzlich jemand neben sie setzte. Es war ein großer Schwarzer mit Ledermantel und Sonnenbrille.

"Ich würde nicht gehen Ive. Du könntest etwas verpassen", sagte er ohne sie anzusehen. Als der Schwarze aber den Hackernamen ausgesprochen hatte, blickte sie überrascht zu ihm herüber.

"Woher wissen Sie . . ."

"Ich weiß vieles über dich. Einschließlich über deinen Hack in die First National Bank. War wirklich nicht schlecht", sprach er weiter. Er mied immer noch ihren Blick.

"Okay", sagte sie erzürnt. Sie fand es herablassend von ihm, zu ihr zu reden sie aber nicht anzusehen. "Ich weiß nicht, was das soll. Sie setzen sich einfach zu mir und reden über etwas, das nicht ihre Sache ist. Sie könnten mir zumindest sagen, wer sie sind."

Für einige Momente herrschte Schweigen zwischen den beiden. Es war eine beinahe unangenehme Stille, die nur durch das Wehen des Windes und dem Rascheln der Blätter unterbrochen wurde.

"Ich bin Morpheus", bekam sie schließlich als Antwort, doch bevor Angelina etwas dazu sagen konnte, klingelte Morpheus Handy und die Worte die Link aussprach, waren die schlimmsten, die es für einen Rebellen gab: Agenten.
 

Agent Lancte durchlief die Sicherheitskontrollen des Flughafens in New York. Er hatte Anweisung erhalten, sofort nach seiner Ankunft ins Hauptquartier zu kommen, doch hatte er es nicht so eilig damit.

Er war von Menschen umgeben die sich um ihn herumdrängten, in Richtung Flugzeug. Geschäftsleute aus Panama und Arabien, er nahm einige hebräische Wortfetzen auf, die im Stimmengewirr für ihn keinen Sinn ergaben. Dort saß ein Elternpaar welches versuchte, ihren kleinen Sohn zu beruhigen, gleich daneben eine ältere Frau die ihre Taschen nach einem anscheinend verschwundenen Flugticket durchwühlte.

So viele unwissende Menschen, dachte er sich während er immer noch in Richtung Ausgang marschierte. Wissen nicht einmal was das für eine Welt ist in der sie leben. Aber sie würden wahrscheinlich lieber hier als in der Wüste leben, welche die Rebellen als Realität bezeichneten.

An der Wagenvermietung mietete er einen Audi und beschloss, vor dem Besuch im Hauptquartier eine Stadtbesichtigung zu machen, einfach nur um seine Erinnerungen aufzufrischen. Außerdem musste er eine Waffe kaufen, seine eigene hatte er nicht mitbringen können, dazu waren die Sicherheitskontrollen hier zu gut.

Nach einigen weiteren Minuten saß er am Steuer seines gemieteten Wagens und startete den Motor. Zuerst eine Waffe, und er wusste wo er sie holen konnte.
 

Fünfzehn Minuten später, hielt er mit dem Wagen in der Nähe einer abgelegenen ehemaligen Einkaufspassage neben einem Warenhaus.

In den Jahren, die er selbst als Rekrut gearbeitet hatte, hatte er schnell herausgefunden, wo er sich für den Notfall eine Waffe besorgen konnte, wenn er eine brauchte. Die Pistole die ein Agent benutzte, konnte er auch nicht einfach durch Sicherheitskontrollen schmuggeln, egal welchen Ausweis er vorlegte. Vorschrift war Vorschrift. Und dies war ein Ort für die Beschaffung einer Waffe.

Auch die Bezahlung war keine Schwierigkeit, denn die Agency zahlte korrekt auf sein Konto ein und von dort wurde es auf verschiedene Konten in der Schweiz und andere Banken verteilt. Agent Lancte hatte keine Ahnung, wieviel sein Kontenbestand im Moment betrug, doch war es genug um für die nächsten zwei Jahrzehnte über die Runden zu kommen.

Zwar war die Sache mit der Bezahlung noch aus seiner Zeit als Rekrut geregelt, doch war die Bezahlung auch nach seiner Umwandlung in einen Agenten beibehalten worden. Die Mainframe hatte kein Problem damit gehabt, also blieb die Bezahlung bestehen.

Jedenfalls würde er nicht schutzlos ins Hauptquartier gehen, es war einfach eine Sache des Instinktes der ihn zur Bewaffnung riet.

Mit einem Aktenkoffer in der linken Hand stand er vor der Türe des Waffengeschäftes, welches sich nach außen als Fischlager auswies. Das Geschäft betrieb ein Exiles Programm namens Allen Cherst. Exile Programme wurden auch Verbannte genannt, da sie sich geweigert hatten ihre Aufgaben innerhalb der Matrix weiter auszuführen und deshalb waren die Agenten auch auf diese Gruppe angesetzt.

Aber es gab auch Exile die dem System halfen, natürlich auf ihren Vorteil bezogen aber halfen. Kurz vor seiner Versetzung nach Riga hatte er sich mit Allen angefreundet, soweit dies möglich war und vielleicht würde dieser Freund ihm eine Waffe überlassen.

Neben der Tür befand sich eine Klingel an der Außenwand, welche er drückte. Ein schrilles Klingeln durchriss die Stille des Lagerhauses und hastige Schritte kamen auf die Türe zu, die nun einen Spaltbreit geöffnet wurde.

"Was wollen Sie?", fragte das Programm, welches das Aussehen eines ungefähr fünfzig Jahre alten Mannes mit fast kahlem Kopf und Dickbauch hatte. Lancte stand im toten Winkel und konnte deshalb nicht erkannt werden.

"Ein alter Freund vor einigen Jahren möchte eine Waffe kaufen. Er hofft, er hat die richtige Adresse erwischt", erklärte Agent Lancte in der überheblichen Stimme eines Agenten und trat aus dem toten Winkel hinaus.

Auf dem Gesicht des Programmes wechselten sich zuerst Angst und dann Erstaunen ab, als es den Agenten erkannte.

"Jake, komm doch rein", sagte es dann freundlich und öffnete die Tür. "Du musst mir unbedingt erzählen, was du erlebt hast, mein Freund. Ich habe nicht viel von dir gehört, nur das Gerede der anderen Programme, welche gelegentlich vorbeikommen. Aber was ist wirklich passiert."

Agent Jake Lancte trat in das Lagerhaus ein und hinter ihm fiel die Türe wieder zu. "Nun, ich bin wieder im Lande und dachte mir, ich könnte vorbeischauen. Es ist eine unplanmäßige Zusammenkunft, das gebe ich zu aber so ist es nunmal. Bin erst heute in New York angekommen und gleich hier rausgefahren", antwortete der Agent.

"Nun es scheint tatsächlich etwas passiert zu sein, wenn du plötzlich zurückbeordert wirst. Vor sechs Monaten ist der Auserwählte aufgetaucht und seither spielt die Matrix verrückt. Die Agenten sind knapp am durchdrehen und verwandeln sich immer öfter in Kamikaze-Einheiten." Er blickte in Lanctes Gesicht und wusste anscheinend sofort, was in ihm vorging. "Es tut mir leid für dich. Agent Smith meine ich."

"Er war eine Art Vater für mich. Mr. Anderson wird es bereuen das jemals getan zu haben, dafür werde ich sorgen."

"Niemand weiß genau was vorgefallen ist, jedenfalls nicht in der Szene. Aber du solltest vorsichtig sein wenn du dich mit ihm anlegst. Mag sein, dass du gut bist aber er ist der Auserwählte. Und ich werde dich sicher nicht losziehen lassen, ohne dich gut ausgerüstet zu haben." Er lachte in einem trockenen Lachen auf. "Dann wollen wir mal sehen, was wir für dich haben. In deinem Fall sollte es wahrscheinlich etwas mit mehr Durchschlagskraft sein und eine möglichst hohe Schussfrequenz."

Allen Cherst führte Agent Jake Lancte daraufhin durch sein Waffenlager wo er immer wieder Waffen durchprobierte und sie wieder zurückstellte. Nach einiger Zeit zeigte er auf eine neue Waffe, die er noch nie gesehen hatte.

"Was ist denn das für ein Schmuckstück, Allen?"

Allen erkannte sofort, welche Waffe gemeint war und reichte sie Lancte. "Das ist was vollkommen neues. Leicht wie 'ne 9mm Beretta und hat die Durchschlagskraft von einem 357er Magnum Revolver und das ganze auf der halben Größe einer 45er Automatik. Und selbst mit Schalldämpfer immer noch zielgenau. Im Moment das absolute Nonplusultra, Mann."

Agent Jake Lancte wog die Waffe in der Hand und musste Allen zustimmen. Die Waffe war wirklich hervorragend.

"Wieviel Schuss kann das Magazin fassen?"

"Zehn Schuss. Beim Kauf sind noch dreißig Ersatzpatronen dabei, also vierzig Schuss insgesamt. Was soll es denn für Munition sein? Die MagSafe Defenders wie beim letztenmal?"

Mit MagSafe Defenders meinte Allen Frangibles, sogenannte Staubgeschosse. Sie besaßen absolut mannstoppende Wirkung wenn man auf die Beine schoss und konnten sogut wie sicher töten, wenn man den Oberkörper traf. Außerdem hatten sie noch einen anderen Vorteil. Wenn man mit Staubgeschossen auf einen einzelnen Verdächtigen in einer Menschenmenge schoss, brauchte man nicht damit zu rechnen das die Kugel austrat und einen unbeteiligten Passanten traf.

Aber Lancte schüttelte den Kopf. "Nein, Allen. Diesmal nehme ich Hohlmantelgeschosse mit abgezwickten Spitzen als Munition.

In meine Einkaufstüte kannst du dazu noch eine Desert Eagle, Kaliber 45 mit derselben Munition dazulegen. Das wäre es dann eigentlich."

Ein paar weitere Handgriffe Allens und die Ware befand sich in Agent Lanctes Händen und steckte sie sofort weg. "Wieviel kostet es?"

Doch Allen Cherst winkte ab. "Nichts. Für dich nichts, Jake. Geschenk des Hauses, wenn du mir versprichst es dem Auserwählten mal so ordentlich zu zeigen. Smith war für mich ein guter Freund und Kunde aber für dich ein Vaterersatz. Wenn du es ihm heimzahlst, ist es Bezahlung genug."

"Nein, ich komme mir dabei so vor, als würde ich dich übers Ohr hauen, Allen. Wir sind gute Freunde, also wieviel?"

Allen seufzte kurz auf. "Na schön, da du so verdammt korrekt bist. Machen wir tausendzweihundert Dollar, das ist der Preis für den ich die Ware bekommen habe."

Lancte legte den Koffer auf den nächstbesten Tisch und entnahm ihm die tausendzweihundert Dollar und legte fünfhundert weitere darauf.

"Hey Mann. Nicht, dass ich was gegen die weiteren fünfhundert hätte, aber wieso?" fragte Allen seinen Freund verwundert.

"Für den Fall das jemand nach mir fragen sollte. Ich möchte nicht, dass man über meinen Besuch etwas erzählt."

"Der Agency oder den Rebellen nicht?"

"Keinem von beiden. Besonders der Agency", erklärte Agent Lancte und zwinkerte verschwörerisch mit den Augen.

"Geht klar, ich werde den Anwohnern Bescheid geben aber es ist etwas ungewöhnlich. Aber es geht schon in Ordnung."

Als Lancte fast wieder draußen war kam es ihm in den Sinn, sollte er einmal einen Rekruten ausbilden, dass er ihn bei Allen die Waffen kaufen ließ.

Auf dem restlichen Weg zum Hauptquartier, setzte er den Kommunikator zurück ins Ohr.

Wenn du nicht willst, dass die Mainframe deine Gedanken sehen kann, nimm den Kommunikator heraus. Es kann dir helfen.

Auch das hatte Smith zu ihm gesagt. Agent Lancte spürte, wie Trauer und Hass in ihm aufstiegen und steuerte den Wagen an den Straßenrand wo er sich mit der rechten Hand durch seine normal gewachsenen kurzen braunen Haare fuhr, während seine linke die Sonnenbrille herunternahmen. Mit seinen braunen Augen folgte er der Straße weiter und fixierte seinen Blick an einem der Hochhäuser.

In diesem Moment kam eine Nachricht der Mainframe durch.

Rebellen im Gramercy Park. Zielobjekte als Morpheus, Trinity und Neo identifiziert. Alle verfügbaren Einheiten zum Zielgebiet. Priorität: Maximum.

Neo.

Mr. Anderson der Smith praktisch getötet hatte. Die Traurigkeit war sofort vergessen, stattdessen fuhr Lancte so schnell er konnte auf das Zielgebiet zu.

Jetzt werden wir sehen, wie gut sie sind Mr. Anderson.
 

Als der Audi am Gramercy Park zum Stehen kam und der Agent ausstieg, konnte er eine Frau schreien hören. "Es sind Terroristen. Die Typen aus den Nachrichten. HILFE!"

Agent Lancte wusste, was das zu bedeuten hatte. Anscheinend hatten sie versucht, die Frau zu rekrutieren aber sie hatte abgesagt und nun gab es ein Geschrei.

Agent Lancte griff instinktiv nach seiner neuen Waffe im Holster, die kleine 45er. Doch dann zog er seine Hand zurück, als er erkannte, dass es nur zu seinem Nachteil sein konnte, wenn er unnötiges Aufsehen erregte. So schlich er sich durch Gebüsch an die Stelle hin, von der die Schreie kamen.

Dort erkannte er die drei Zielobjekte. Der Schwarze und die Frau hielten die um Hilfe schreiende Frau fest, während ein anderer sich gegen zwei Agenten gleichzeitig wehrte. Nein, nicht Agenten. Es waren Rekruten. Und sie waren keine Herausforderung für diesen Mann. Die Mainframe gab ihm innerhalb von Nanosekunden Bescheid, wer in der Gruppe welchen Namen trug. Der Schwarze war also Morpheus und die Frau bei ihm wurde als Trinity bekanntgegeben, während der andere Mann im Ledermantel als Neo ausgewiesen wurde.

Sein Blick fiel nur beiläufig auf die junge Frau daneben und auch ihr Name wurde automatisch übertragen. Er konnte ihre Akte vor sich sehen.

Name: Angelina Johnson

Alter: 26

Wohnort: Salisbury Road 87, New York City im Staate New York

Vater: Samuel Johnson

Mutter: Estefania Roselli

Nationalität: Italienisch-Amerikanisch

Computererfahrung: Programmierin

Hackername: Ive

Verantwortlich für den Hack in die First National Bank und einige andere kleinere Firmenhacks.

In diesem Moment fielen die beiden Rekruten und es war eindeutig, dass sie tot waren während Neo sie mit hasserfülltem Blick ansah. Seine Augen nannten sie Verräter, das konnte Lancte auf dieser Entfernung noch erkennen.

Dann verzichtete Agent Lancte auf die Deckung und trat offen auf seinen Feind zu, einen Feind den er mit Freuden töten würde.

Sie bemerkten ihn und obwohl Trinity und Morpheus einen Schritt zurückgingen, blieb Neo unbeeindruckt. Mehr noch. Er ging hochnäsig auf ihn zu.

"Ah ein Agent. Ich fand es schon seltsam, dass ihr solche Versager vorschickt", entgegnete Neo.

"Sie glauben doch nicht ernsthaft, solche Idioten könnten ernsthafte Gegner sein. Es gab eindeutige Anweisung, dass Rekruten die Finger von ihnen lassen sollen, aber die wollten das ja nicht wahrhaben."

"Sie mach ich auch fertig, keine Sorge", sagte Neo darauf.

"Darauf würde ich nicht wetten. Ich bin gefährlicher als die anderen Agenten, Mr. Anderson. Ich werde sie in Stücke reißen für das, was sie getan haben."

Neo sah ihn fragend an.

"Sie haben Agent Smith vor einem halben Jahr vernichtet." Und mit einem Schrei stürzte er sich auf Neo.
 

Lancte täuschte einen Angriff mit der rechten Faust vor, doch trat statt dessen mit dem rechten Fuß in einem Halbkreisfußtritt nach außen nach Neos Kopf.

Neo wurde von dem Tritt erwischt und taumelte ein paar Schritte zurück, stürzte sich aber sofort wieder in den Kampf.

Die beiden führten harte Schläge aus doch wollte keiner der beiden eine Schwäche zeigen. Neo war darüber verwundert, dass er immer noch mit diesem einen Agenten kämpfte. Der Kampf musste schon einige Minuten dauern. Dann ging Neo in einen direkten Angriff nach vorne über, lenkte die Schläge des Agenten mit kurzen Handbewegungen ab und schlug mit der Faust in sein Gesicht, woraufhin die Gläser seiner Sonnenbrille zerbrachen. Mit einer ruckartigen Bewegung riss Lancte die Sonnenbrille vom Gesicht und Neo glaubte, wieder in der U-Bahn Station zu sein, zusammen mit Smith.

"Wer sind sie überhaupt?" fragte Neo.

"Agent Lancte."

Irgendwo hatte Neo den Namen schon gehört, das wusste er. Doch im Moment konnte er keine Verbindung zu etwas herstellen. Wenn er nur wüsste, wo er den Namen gehört hatte.

Agent Lancte nutzte die Verwunderung des Auserwählten und schlug ihm mehrmals mit der geballten Faust ins Gesicht, ihn immer wieder an seinem Mantel zurückziehend. Dann drehte sich Lancte blitzschnell um die eigene Achse und während Neo durch die Luft gewirbelt wurde landete er einen Treffer in dessen Rippen. Doch kurz bevor Neo auf dem Boden aufschlug erhielt Lancte selbst einen harten Tritt in die Rippen, der ihn zurücksetzen ließ.

Agent Lancte wollte weiter nachsetzen, als Neo mit einem Roundhouse-Kick traf und er wieder zurückgeschleudert wurde. Dann kam Neo auf ihn zu und er wurde von einer Serie von Schlägen eingedeckt, doch er schaffte es die meisten davon abzuwehren. Die wenigen die trafen, versuchte er zu ignorieren. Einem Schlag konnte Neo ausweichen und unter der Wucht brach eine sich hinter ihm befindliche Straßenlaterne zusammen.

Neo versuchte während der nächsten Augenblicke Trinity und Morpheus zu entdecken, doch anscheinend hatten sie sich bereits abgesetzt. Neo setzte eine weitere Schlagkombination ein und schickte Agent Lancte wieder zu Boden, der sich nicht schnell genug davon erholte. Dann verschwand auch er und ließ den potentiellen Rekruten ebenfalls zurück. Sie hatten ihn aufgegeben.
 

Agent Lancte setzte sich grummelnd und fluchend auf, während er sich die Handgelenke rieb. Die Frau bot ihm ihre Hand an, doch er weigerte sich sie zu nehmen und stand selbst auf. Schließlich wusste er genau, was die Dienstvorschriften verlangten: Auf die eigene Seite ziehen oder töten. Ein dazwischen gab es nicht.

"Danke für ihre Hilfe", sagte sie leicht beleidigt über seine Unfreundlichkeit.

"War mein Job", sagte er mit gleicher unbeweglicher Miene, dabei hatte er seine Stimme nicht so unfreundlich klingen lassen wollen. War es die Verärgerung über Ne . . . Mister Anderson? "Was haben Sie ihnen erzählt?" fragte er stattdessen nach.

"Nun alles mögliche. So etwas wie, ,diese Welt ist nicht real', haben sie gesagt während sie mit dem einen gekämpft haben. Und lauter so Zeugs, dass sie die Menschen aus einem Gefängnis befreien wollten."

"Glauben Sie es?"

"Ich schätze ja", sagte sie. "Nach ihrer Demonstration an der Straßenlaterne scheint das ja so zu sein."

Er sah sie einige Sekunden an, dann stellte er sie vor die Wahl. "Sie haben recht. Diese Welt ist nicht real. Das hier ist eine Computersimulation in der ihnen die Wirklichkeit vorgegaukelt wird. Ich bin ein Bewacher dieser Welt, ein Schutzprogramm welche diese Leute, die sich selbst Rebellen nennen, aufhalten soll.

Die Reale Welt ist eine Wüste und die einzige Chance zu überleben ist die Matrix. Diese Welt. Doch die Rebellen wollen diese Welt zerstören weil sie glauben, Freiheit sei wichtiger als das Gemeinwohl. Die meisten der Menschen die hier leben, würden einen solchen Übergang nicht überstehen. Diese Welt ist der einzige Ort in dem sie Schutz haben.

Von uns gibt es mehrere, aber wir sind nicht genug um die Zahlen an Rebellen zu besiegen, die es gibt. Zu diesem Zweck rekrutieren wir auch Menschen um eine bessere Chance gegenüber den Rebellen zu haben."

Angelina Johnson blickte ihn an. "Sie sagten, sie wären ein Schutzprogramm. Eine Maschine."

Darauf lächelte er. Menschen machten immer denselben Fehler. "Nein. Eine Maschine erledigt eine Aufgabe ohne darüber nachzudenken. Ich sagte Programm, weil wir Künstliche Intelligenz sind. Wir sind genau wie Menschen fähig zu lernen und uns anzupassen. Und jetzt frage ich sie: Möchten sie sich uns anschließen und diese Welt und die Menschen die darin leben vor diesen Terroristen retten?" Bei dem letzten Satz legte er die Hand an die Desert Eagle in seiner Manteltasche. Würde sie Nein sagen, würde er augenblicklich abdrücken.

Angelina nahm sich Zeit mit der Entscheidung. Sie dachte an ihre Familie, die hier in der Matrix lebten. Es bereitete ihr Unbehagen, wenn sie daran dachte, praktisch ihre Familie zu verraten nur um wegen der Freiheit in einer kalten, öden Welt zu leben.

"Nun?" fragte er kurz.

"Ich helfe ihnen."

Agent Lancte ließ die Waffe los und sagte schließlich. "Dann kommen sie am besten gleich mit. Wir beginnen bald mit dem Training."
 


 

Ende Kapitel 1.

Das war es vorerst mal. Hoffe euch gefällt die Story. Und schreibt bitte Kommentare.

Das Training beginnt

Kapitel 2

Das Training beginnt
 

Das Hauptquartier war ein großer Gebäudekomplex in der Treadstone Street und von der Dachspitze konnte man die restliche Stadt überblicken.

Es war ein Meisterwerk der Baukunst, die grauen Rahmen zwischen den getönten Fenstern und das mehreckige Gerüst des Baues strahlte eine Art innerer Macht aus. Das Licht brach sich an den Seitenwänden und fiel in einzelnen und unterbrochenen Stücken auf den Gehweg und zeigte dort ein Spiel an Schatten und Licht, in dem man sich mit einiger Phantasie mehrere Dinge vorstellen konnte.

"Sie warten hier", sagte Agent Lancte zu Angelin Johnson, während er die Tür des Audis aufstieß und in Richtung Eingang marschierte, den Blick von Mrs. Johnson im Rücken spürend.
 

Mit dem Fahrstuhl legte er die siebenundzwanzig Stockwerke zum Konferenzsaal hinauf, die beiden Schusswaffen unter seinem Jackett tragend. Die Zeit die der Aufzug bis ins Zielstockwerk brauchte betrug etwa eine halbe Minute, doch fühlte es sich für ihn wie eine halbe Ewigkeit an.

Mit einem Bing hielt der Aufzug im Zielstockwerk und die grauen Stahltüren schoben sich auf, um die Büros und Gänge dahinter zu offenbaren.

Agenten wie Rekruten blickten zu ihm, doch es war ihm gleichgültig. Sie kannten ihn aus Berichten aus Übersee und besonders die Rekruten waren stolz auf ihn, weil er es geschafft hatte, von einem Menschen in einen Agenten umgewandelt zu werden. Nicht jedem war dieses Recht vergönnt, vielleicht jedem hundertsten. Und die meisten von ihnen wollten ihm nacheifern.

Das alles nahm er wahr, doch lief er einfach an ihnen vorbei und seine dabei zu tage tretende Selbstsicherheit in seinen Schritten, ließ die normalen Agenten verstummen und manche von ihnen sahen ihn bewundernd an.

Er ging auf Büro Nummer 2714 zu. Agent Jones Büro, wenn er es noch richtig wusste. Agent Lancte hob die Hand, klopfte an und trat ein. Nicht mehr von dieser Prozedur aber genügend. So stand er bereits hinter dem Türrahmen und blickte in das Gesicht von Agent Jones, das sich auf die Auswertungen der Computeranalyse konzentrierte.

Nach kurzer Zeit des Wartens sah Jones von der Auswertung auf und musterte den Agenten vor sich. Vor sich erblickte er einen Agenten, welcher äußerlich Ende der zwanzig war. Sofort erkannte er die vertrauten Gesichtszüge des Rekruten der in den Agentenstand aufgestiegen war. Smiths ehemaliger Rekrut: Jake Lancte.

Sofort stand Jones von seinem Bürostuhl auf und ging auf den ehemaligen Rekruten zu. Dabei war er das genaue Gegenteil von Brown. Jones war laut, jovial und hatte für einen Agenten eine fast kindliche Ausdrucksweise, wohingegen Brown mehr der Vorstellung eines Hausbutlers am englischen Hofe entsprach: Unscheinbar, gewählte Ausdrucksweise, aber tödlich. Auf Brown passte eher der Ausdruck Gentleman-Killer.

Die beiden Agenten hätten unterschiedlicher nicht sein können, doch waren sie beide Profis und jeder brachte dem anderen einen gewissen Respekt bei.

Agent Jones lief um seinen Schreibtisch herum und packte die rechte Hand Agent Lanctes mit beiden Händen und schüttelte sie lachend. Er war Leben, etwas dass er nur einigen wenigen zeigte.

"Schön dich wiederzusehen. Wie viel Zeit ist seit dem letztenmal vergangen? Ein Jahr mindestens. Setzen wir uns zuerst mal, du musst mir unbedingt erzählen was alles in dem Jahr passiert ist."

Die beiden Agenten setzten sich an den Schreibtisch und fingen an zu erzählen.
 

Die Stimmung an Bord der Nebuchadnezzar schien bedrückt. So schien es seit ihrer Rückkehr von ihrer letzten Mission.

Morpheus blickte Neo an und fragte nach einiger Zeit schließlich: "Was war denn eigentlich los? Du hast einige Minuten für den Agenten gebraucht und er war alleine."

"Das ist es ja, was mich bedrückt. Dieser Agent war wesentlich stärker und schneller als die anderen Modelle, die wir getroffen haben", erklärte Neo bedrückt. Er machte sich ernsthafte Sorgen, das war ihm anzusehen.

Daraufhin legte sich wieder ein Schweigen ein, das wieder von Morpheus unterbrochen wurde: "Schauen wir mal bei Link vorbei. Vielleicht weiß er inzwischen was neues."

In drei Minuten waren sie auf der Brücke angekommen und auf die Fragen der beiden schüttelte Link nur den Kopf. "Ich hab keine Ahnung, was das für ein Agent ist. Zwar versuch ich immer noch etwas herauszufinden, aber anscheinend finde ich nichts was Sinn ergibt. Gebt mir noch etwas Zeit, dann weiß ich wahrscheinlich etwas mehr."
 

Nachdem er Agent Jones verlassen hatte, begab er sich ins oberste Stockwerk des Gebäudes.

Das oberste Stockwerk war verlassen, jedenfalls war niemand auf dem Flur zu sehen und Lancte ging auf die hinterste Tür zu. Diese eine Tür war vollkommen weiß und als er sie öffnete und durchtrat, fand er sich in einem seltsamen Raum wieder.

An den Wänden, der Decke und dem Boden konnte er Matrix-Code sehen. Die grüne Eintönigkeit und Fluktuation der Zahlen und Symbole beruhigten ihn auf eine seltsame Art. Das war die Matrix, nur grüne Symbole in einem riesigen Computersystem, dass die Menschen denselben Traum träumen ließ. Warum wollten einige Menschen in einer Wüste leben, wenn sie hier eine intakte Welt haben konnten? Genau wie die Maschinen konnte er es nicht verstehen.

In diesem Moment begann die Mainframe zu ihm zu sprechen. Zu diesem Zeitpunkt war er so überrascht, dass er unbewusst zusammenzuckte.

"Wächterprogramm 00110011101.AgentLancte.Alpha Report. Sie erhielten die Aufgabe direkt ins Hauptquartier zurückzukehren. Wieso haben sie diesen Befehl verweigert?"

Eine Standardfrage, mehr nicht. Und darauf würde er auch eine Standardantwort geben.

"Es erging der Befehl, dass alle verfügbaren Agenten in den Park gehen sollten, damit war auch ich gemeint", gab er als Antwort.

"Antwort logisch und entspricht Umständen", gab die Mainframe zurück und aus irgendeinem Grund wusste Agent Lancte nicht, ob er beruhigt oder verunsichert sein sollte. Er entschied sich für keines.

"Wächterprogramm 00110011101.AgentLancte.Alpha nimmt seine Tätigkeit bis auf weiteres in der hiesigen Zentrale auf."

Eigentlich wäre es damit getan gewesen, doch für Agent Lancte war es noch nicht vorbei. "Ich beantrage bei der Mainframe einen Rekruten ausbilden zu dürfen. Personenidentifikationsnummer: 02941628521", gab er schließlich noch bekannt. Diesmal dauerte es einige Sekunden bis zur Antwort.

"Dem Antrag wird stattgegeben."
 

Agent Lancte zeigte seiner neuen Rekrutin ihre neue Umgebung. Unterwegs waren sie kurz auf Agent Brown gestoßen, der irgendetwas von ,Rekruten' gegrummelt hatte und einen mehr als schlechten Gesichtsausdruck gehabt hatte.

"Der scheint aber gut drauf zu sein", sagte Angelina Johnson einfach, als er sie nicht mehr hören konnte.

"Das sollten sie ihm nicht ins Gesicht sagen. Er würde sie wahrscheinlich sofort umbringen." Er hatte es harsch ausgesprochen und es auch so gemeint. Es war eine Warnung an sie. Die Antwort hatte sie auch offensichtlich erschreckt.

"Wieso haben sie das gesagt?" fragte sie ihn.

"Weil es der Wahrheit entspricht", gab er kurz zurück und wollte es eigentlich dabei bewenden lassen, doch sie war hartnäckiger.

"Warum?"

Agent Lancte blieb wieder stehen und sah sie eindringlich an. Dann sprach er mit eiskalter Stimme weiter. "Agent Brown hält jede Regung von Gefühlen für ein Anzeichen von Schwäche und er hat etwas gegen die Entscheidung der Mainframe, Menschen zu rekrutieren. Nicht alle Agenten denken so, aber Agent Brown gehört dazu. Das ist ihr Raum", sagte er schnell weiter und zeigte auf eine Türe im Gang, die er dann öffnete. Dahinter kam ein Zimmer von angenehmer Größe zum Vorschein, dass einer normalen Drei-Zimmer Wohnung entsprach. "Im Kleiderschrank finden sie angemessene Kleidung, den Raum können sie mit dem PC dort hinten einrichten. Ich bin mir sicher, sie kommen damit zurecht. Ziehen sie sich aber zuerst um. In einer halben Stunde hole ich sie zum Training ab."

Das war alles, was er sagte und dann ging er den Korridor zurück, wobei er nicht vergaß die Türe hinter sich zu schließen.

Angelina Johnson blickte ihm noch verdutzt über seinen Stimmungsumschwung hinterher, dann öffnete sie den Schrank und seufzte als sie dort einen Anzug vorfand, den auch die Agenten trugen.
 

"Ich hab's", rief Link aus und sofort waren alle bei ihm.

"Was gibt es?" fragte ihn Trinity.

"Ich hab ein paar Infos über diesen Agenten gefunden, das dürfte euch interessieren. Hier ist das was wir über ihn wissen.

Vor etwas mehr als zehn Jahren hatten die Agenten uns einen möglichen Verbündeten weggeschnappt und für ihre eigenen Zwecke rekrutiert. Einige Zeit später gelang es uns seine Schwester aus der Matrix zu befreien, doch half es uns nichts gegen ihn."

"Moment Link, du sprichst hier von einem Menschen", entgegnete Neo. "Der Typ gegen den ich gekämpft habe, war ein Agent."

"Darauf wollte ich gerade kommen, Neo. Einige Zeit nach seiner Rekrutierung, wurde er von der Mainframe in einen Agenten verwandelt. In seinem Körper stecken also zwei Codes. Ein menschlicher und ein Agenten-Programmcode."

"Warum sollte die Mainframe so etwas tun?" hakte Morpheus nach.

"Das ist doch ganz einfach", sagte Link. "Die Mainframe wusste, das eines Tages der Auserwählte erscheinen würde, also entschloss sie sich einen Menschen mit Agentenfähigkeiten gegen ihn antreten zu lassen.

Die Sache ist die. Menschen können die Regeln in der Matrix durch ihren Willen beugen, Agenten aufgrund ihrer Programmierung. Wenn man das aber kombiniert entsteht ein nahezu perfekter Krieger."

"Nur nahezu, Link. Ich habe ihn schließlich besiegt."

"Diesesmal. Aufgrund dieser Kombination kann er menschliche Gedankengänge mit der Geschwindigkeit eines Computers vornehmen. Sein Code analysiert im Moment den Kampf den ihr geführt habt und das nächste Mal, Neo, hast du wahrscheinlich einen ebenbürtigen Gegner vor dir. Und er fühlt wie ein Mensch, das macht ihn noch gefährlicher. Und das Gefühl, das in ihm wahrscheinlich überwiegt, ist der Gedanke an Rache."
 

Die Trainingshalle im Agenten-Hauptquartier war groß, aber besser war das Wort gigantisch.

Es gab mehrere Kampfringe und sonstiges wie eine mindestens fünfzehn Meter hohe Mauer.

Agent Lancte führte seine Rekrutin auf die Mauer hinzu ohne ein Wort zu sagen. Er war während des ganzen Weges sehr ruhig gewesen. Dann blieb er stehen und drehte sich um.

"Haben sie schon jemals gesehen, Mrs. Johnson, wie Menschen undenkbare Dinge zustande gebracht haben?"

In diesem Moment erinnerte sich Angelina Johnson an eine Zeitungsnachricht über ein kleines Kind, beinahe noch ein Baby, welches aus dem dritten Stock eines Hotelzimmers gefallen war und überlebt hatte. Niemand hatte gewusst, weshalb. Sie nickte.

"Menschen können die Regeln innerhalb der Matrix biegen. Einige kann man einfach umgehen, andere brechen." Er sah sie einfach an. "Schließen Sie die Augen und atmen sie ruhig ein und aus." Sie blickte ihm in die Augen und wusste, dass er nicht scherzte. Also tat sie, was er verlangte. "Machen sie ihren Geist frei von allen unnötigen Gedanken. Sie sollen nicht versuchen etwas zu tun, sondern es schaffen. Regeln können gebrochen werden. Regeln wie die Schwerkraft und körperliche Eigenschaften sind dazu da. Sie müssen wissen, dass sie es schaffen. Ihr Wille ist stark und er kann Berge versetzen.

Jetzt machen sie die Augen wieder auf."

Mrs. Johnson öffnete die Augen und blickte ihn wieder an. "Und was jetzt?"

"Jetzt möchte ich, dass sie über diese Mauer springen", sagte er vollkommen ernsthaft in der stoischen Ruhe eines englischen Butlers.

"Das soll wohl ein Witz sein", stieß sie aus und machte ein überraschtes Gesicht.

"Keineswegs" und dann drehte er sich um und begann zu rennen. Kurz vor der Mauer stieß er sich mit dem linken Fuß ab und landete auf der anderen Seite, alles unter der faszinierten Beobachtung Angelin Johnsons.

Erwartungsvoll blickte er sie an, als er hinter der Mauer hervortrat.

Dann startete auch Angelin Johnson, doch war sie keineswegs so erfolgreich wie er, denn ungefähr auf halber Höhe traf sie die Mauer. Er sah sie kurz an und half ihr dann auf und so ging es noch einige Male. Doch beim siebten Mal schaffte sie es auf der anderen Seite zu landen und dann war sie zufrieden.

"Was jetzt?" fragte sie erwartungsvoll.

"Kampftraining."

"Aber ich habe keine Ahnung von Kampfsport", erwiderte sie darauf.

"Noch nicht."

Ein starker Schmerz durchfuhr ihren Kopf in diesem Moment, es fühlte sich an wie unsachgemäße Akupunktur, doch so schnell wie der Schmerz gekommen war, verschwand er wieder.

"Wahnsinn", war das einzige, was sie keuchend herausbrachte und ihn ausdruckslos ansah.

"Also los."

Beide nahmen eine möglichst tiefe Kampfstellung ein und dann griff Angelin an. Sie täuschte einen Fußtritt an und wollte mit der rechten Faust zuschlagen, doch diese wurde in einer einzigen Bewegung weggeschoben. Der Kampf verlief auf schnellem Niveau und die restlichen Rekruten im Trainingsraum sahen interessiert zu.

Agent Lancte packte ihre Hand, riss sie nach unten und versetzte ihr einen Stoß mit der flachen Hand in den Magen, der sie einige Meter zurückbeförderte. Beide standen sich wieder gegenüber und diesmal griff Lancte an. Er setzte eine harte Kombination aus Faustschlägen ein um sie zurückzudrängen und ein paar Schläge wurden abgewehrt.

Sie ist nicht schlecht, dachte er sich. Mal sehen, ob sie damit auch zurechtkommt.

Lancte gab die Offensive wieder an die Rekrutin ab, wich einigen Schlägen aus und wehrte den Rest in fließenden Bewegungen ab, dann schlug er in kurzer Reihenfolge zu um ihre Verteidigung zu senken und begrüßte es mit einem Halbkreisfußtritt, der sie zu Boden brachte.

Zwar sprang sie sofort wieder auf, doch Agent Lancte streckte seine Hände in abwehrender Haltung nach vorne. "Das reicht. Ich bin mir sicher, darauf können wir aufbauen. Jetzt sollten sie sich aber erst einmal ausruhen."

Einige Minuten später, ließ sich eine völlig erschöpfte Angelina Johnson in ihrem zugeteilten Raum auf das Bett fallen und schlief sofort ein.
 


 

Ende Kapitel 2.

Mann, war das ein Cliffhanger. Na ja, hatte einen ganzen Haufen zu erledigen und daher ist dieses Kapitel nicht so besonders geworden. Wird aber sicher wieder besser werden, keine Sorge. Und schreibt bitte endlich Kommentare.

Downtown

Kapitel 3

Downtown
 

Agent Lancte hatte sich in seinem Sessel im Büro zurückgelehnt und blickte nun den schwarzen Bildschirm seines Computers an, in dessem Glas sich sein Gesicht spiegelte. Der Anzug hing schlaff an seiner Seite herab und der oberste Hemdknopf war geöffnet, während er seine Sonnenbrille in der Hand auf- und abwog. Für einen außenstehenden Beobachter musste es so aussehen, als würde er sich von der Brille hypnotisieren lassen, doch war seine Wahrnehmung auf etwas völlig anderes fokussiert.

Viele verschiedene Dinge fluteten seinen Geist, doch es war ihm egal.

Wie war das alles geschehen?
 

Er saß einem Schiffskapitän gegenüber. Sein Name war Ergos und er stellte ihn vor die Wahl: Matrix oder Freiheit.

Wo sind Menschen überhaupt frei, fragte er sich augenblicklich. Gibt es überhaupt Freiheit, oder ist das ebenfalls nur eine Kontrollmöglichkeit wie die Matrix? Solche und mehrere Fragen stürmten seinen Kopf, während der nächsten Momente und auch noch immer, als er die Hand ausstreckte.

"Gibt es denn nicht noch eine dritte Möglichkeit", fragte Lancte sein Gegenüber.

"Dritte Möglichkeit?"

"Ja. Ich könnte auch einfach aufstehen und gehen, einfach fort und sie würden mich nicht mehr finden."

Mit diesen Worten stand er auf und begab sich zur Tür ohne zu zögern. In Sekundenbruchteilen brach die Hölle aus.

"Lan . . .", begann der Rebellenführer doch er wurde von einem Gewehrschuss unterbrochen, der seinen Oberkörper förmlich zerriss.

Darauf folgte ein ganzes Stakkato aus Gewehrschüssen, die den Teil des Raumes zerfetzten indem Lancte noch vor einigen Sekunden gestanden hatte. Er trat mit dem Fuß die Türe ein und rannte so schnell er konnte den Gang herunter. Einfach nur raus aus dem Gebäude, auf die eine oder andere Weise.

Ein Mann trat auf den Korridor und er trug schwarze Lederkleidung. Es war einer von Ergos Truppe, das erkannte Lancte sofort. Dieser hob seine Pistole und richtete den Lauf auf ihn, während sein Mund für Lancte unhörbare Worte sagte.

Das was folgte war ein Akt purer Notwendigkeit. Lancte griff nach der Pistole, riss sie nach unten, schlug mit dem rechten Ellenbogen auf die Nase des Rebells und nach einer weiteren Drehung feuerte er einen Schuss auf ihn ab, den man nicht mehr verhindern konnte. Er lief einfach weiter und es schien ihm nichts ausgemacht zu haben.
 

Diese Nacht war schon so lange her aber er würde sie nicht vergessen. Und auch nicht das Treffen danach. Er stand aus seinem Sessel auf und ging in Richtung Wandschrank.
 

"Sie wollten mich sprechen", fragte Jake Lancte seinen seltsamen Begleiter der einen Anzug trug. Sie durchquerten den Gramercy Park während der Schnee um sie herumwehte.

"Das stimmt. Ich möchte ihnen gewisse Alternativen vorschlagen."

"Bevor wir überhaupt weitersprechen würde ich gerne ihren Namen erfahren, Mr. Unbekannt. In der Nachricht hieß es, es wäre dringend aber sonst auch nichts."

"Smith. Agent Smith."

"Schön, Mr. Smith . . ."

"Agent", korrigierte sein Begleiter.

"Wie auch immer. Jetzt kommen sie am besten gleich zum Punkt der Tagesordnung. Es ist saukalt und ich habe keine Lust auf Frostbeulen."
 

Smiths Angebot hatte darin bestanden, für die Agenten zu arbeiten und die Menschen in der Matrix zu behalten. Daraufhin hatte ein hartes Training begonnen doch war Smith nach einem dieser Trainings gekommen und hatte ihn gebeten, seinen menschlichen Code mit dem eines Agenten zu verbinden. Dies war ein recht kurzes Kapitel gewesen und er hatte keine Lust, gedanklich besonders darauf einzugehen.

Mit einem Ruck öffnete er die Schranktür und suchte nach einer Flasche guten und starken Alkohols. Doch leider war der Schrank vollkommen leergeräumt.

Einige Minuten später sah man ihn das Hauptquartier mit einem Fahrzeug in Richtung Stadtmitte zu verlassen.
 

Gaia, wie Mara Lancte mit Hackernamen hieß, lag rücklings auf ihrem Bett und dachte über ihren Bruder nach, welcher als Halb-Agent in der Matrix herumstreifte.

Was machte er jetzt? Jagte er andere Rebellen? Was tat er jetzt, in diesem Moment?

Sie drehte sich auf die Seite, verlagerte ihr Gewicht und versuchte, etwas zu schlafen. Doch nach einigen Minuten war sie wieder wach, also beschloss sie Antworten auf ihre Fragen zu finden.

Es waren nur einige Meter bis zum Eingang in die Matrix, also beschloss sie es zu wagen.

"Hey Chex", sagte sie und lächelte dem Operator zu. Seit zwei Jahren war sie der Kapitän der Arosos und hatte das Vertrauen ihrer fünfköpfigen Crew.

"Hi", gab er zurück und drehte sich etwas zur Seite, damit sie nicht entdeckte wie er etwas rot wurde.

"Tu mir doch 'nen Gefallen und Scanne die Matrix nach meinem Bruder ab, hm?"

Chex sah sie an und merkte sofort, dass sie es ernst meinte. Ihr Gesichtsausdruck ließ daran keinen Zweifel.

Nach einigen Befehlen an die Rechner startete der Scan und es dauerte nicht lange bis das Muster gefunden wurde.

"Da ist er ja. Er fährt die dreiundzwanzigste Richtung Main Street entlang. Soll ich dich irgendwo in der Nähe absetzen? Wie wär es mit dem öffentlichen Telefon in der Bax Road?"

"Okay."
 

Einige Minuten danach fand sie sich an einer verlassenen Straße in einer Telefonzelle wieder, ihre Augen begannen die Umgebung wahrzunehmen. Sie nahm den Hörer in die Hand und meldete sich. "Ich bin drin."

"Okay, Captain", meldete sich Chex. "Er ist bei der Bank rechts abgebogen und fährt weiter Richtung Stadtmitte."

"Danke."

Nachdem sie einige hundert Meter gegangen war, meldete sich ihr Handy.

"Agent in der Nähe!"
 

Rebell in Bax Road entdeckt. Verfolgung aufnehmen , kam es über den Kommunikator herein, während die Straße auf eine Kreuzung zuführte. Ein leichter Nieselregen hatte begonnen und Wolken verdeckten den Mond, verdunkelten die Nacht und die Straßenlaternen sorgten für eine gespenstische Helligkeit.

Agent Lancte stellte den Wagen am Straßenrand ab und setzte die Verfolgung zu Fuß weiter.

Rebell als Mara ,Gaia' Lancte identifiziert. Agent Parker hat Verfolgung aufgenommen.

Gaia?

Seine Schwester war in der Matrix! Und sie wurde von einem Agenten verfolgt! Während er die Straße herunterrannte, seine Schritte auf ein übermenschliches Tempo erhöhend, zog er eine Pistole heraus, die er bei Allen Cherst gekauft hatte. Es war die kleine 45er. Und wenn er es schaffte, den Agenten zum Rückzug zu bewegen, würde er nicht schießen müssen und wenn doch, würde es ein Kopfschuss sein, die einzige Möglichkeit einen Agenten umzubringen.
 

Gaia flüchtete. Sie rannte mehrere Straßen entlang, überquerte Kreuzungen und Straßengabelungen, doch der Agent blieb ihr auf den Fersen.

Sie bog gerade in eine weitere Straße ein und wurde von einem Schlag in den Bauch zurückgeworfen. Zwar kam sie sofort wieder auf die Beine, doch stand der Agent der den Schlag ausgeführt hatte fast vor ihr. Die ersten zwei Schläge des Agenten wehrte sie ab und versuchte mit einem Fußtritt zu kontern, doch dieser wurde wiederum abgeblockt.

Dann täuschte sie einen weiteren Angriff mit dem Fuß an, vollführte aber einen Kinnhaken der den Agenten mit voller Kraft traf. Im nächsten Augenblick versuchte sie an ihm vorbeizurennen, wurde aber am Arm gepackt und gegen die nächste Mauer geschleudert.

Der Schmerz der ihren Körper wegen dem Aufprall durchflutete ließ sie am Boden liegen bleiben. Sie konnte sehen, wie der Agent seine Waffe zog und auf sie richtete.

Jetzt ist es aus, war das einzige was sie dachte. Sie schloss die Augen um das folgende nicht erkennen zu müssen.

"Parker", rief eine vertraute Stimme. Eine Stimme, die die Nacht zerriss und sämtliche Geräusche verstummen ließ. Gaia öffnete ihre Augen und konnte in der tiefschwarzen Nacht ihren Bruder stehen sehen.
 

In a world of doubt and danger, you see it everywhere

Your friends turn into strangers, does anybody care

But when all hope is lost, I'm gonna be there, whatever the cost

When you feel lost

Someone to hold you with all of their might

Through the darkness night, I'll be there
 

I'll fight hell to hold you, no river to deep or mountain high

I'll fight hell to hold you by my side

I'm gonna fight hell to hold you, till time stands still and worlds collide

I'll fight hell to hold you by my side
 

('Ill fight hell to hold you' von Kiss)
 

"Agent Lancte", entgegnete der Agent der mit Parker tituliert worden war, "was tun sie hier?"

"Meine Aufgabe", kam es kalt von ihm herüber. Gaia erschrak für einen Moment als sie die Waffe sah die er gezogen hatte. Das nächste aber was ihr auffiel war, dass sie nicht auf sie selbst gerichtet war, sondern auf den Agenten. Der Agent schien es nicht zu bemerken.

"Die Rebellen müssen vernichtet werden. Das ist unsere Aufgabe. Und jetzt behindern sie mich nicht weiter." Mit diesen Worten richtete er die Pistole die er vorher gesenkt hatte, wieder auf sie und das nächste was man in der Umgebung hörte war ein einziger Schuss, verlassen wie ein kleiner Hund der an eine Laterne gebunden war und mit seinem Jaulen den Schlaf zerriss. Und dann war nur noch Regen.
 


 

Die Parkbank war eine der wenigen auf dem Streetball-Platz in welchem die Kinder in der Umgebung spielten, wenn die Schule zu ende war und Hausaufgaben erledigt waren. Nun hatte der Nieselregen aufgehört und Bäume verströmten nun den frischen und reinen Duft von Ozon in die Welt den hier draußen nur zwei Personen wahrnahmen, welche auf dieser einen Parkbank saßen, ihre Blicke voneinander abgewandt die Blätter verfolgend die von einem Windhauch durch die Luft gewirbelt wurden.

Die beiden Personen auf der Parkbank hätten nicht unterschiedlicher sein können. Die eine war ein Agent in jungen Jahren, ein Beschützer des Systems. Die andere war eine Rebellin die die Menschen befreien wollte.

Sie waren unterschiedlich, ihre Interessen trafen sich in diesem Punkt nicht. Ihre Bestimmung war mit ihrem jeweiligen Beruf verknüpft. Diese Bestimmung definierte sie. Im Grunde müssten sie gegeneinander kämpfen, doch wollte keiner den anderen verletzen. Beide waren das Nemesis zum jeweils anderen. Sie waren das Gegenteil, Feinde, Geschwister. Niemand ließ etwas auf den anderen kommen.

"Das war sehr knapp", sagte der Agent ohne seinen Blick zu heben.

"Ich weiß", war die einzige Entgegnung der Rebellin. Ein Blatt drehte sich ohne Ziel im Wind, ohne Bestimmung.

"Das nächste mal könnte es anders ausgehen." Es war kein Vorwurf. Nur eine Feststellung.

"Ja." Sie beobachtete das Blatt, ließ es nicht aus den Augen. "Was ist mit dem Agent?"

"Er ist sozusagen ,tot'. Wir sind bis zum nächsten mal sicher."

"Danke." Diesesmal sah sie ihn an und es war undefinierbar, was ihr Blick ausdrücken wollte.

"Wozu hat man 'nen großen Bruder. Ich habe Mum versprochen auf dich aufzupassen so gut es geht."

Daraufhin blickten beide wieder nach vorne und schwiegen einige Minuten.

"Tut mir leid", fing sie dann wieder an.

"Was denn?"

"Das wegen Smith. Er hat viel für dich getan, das weiß ich", erklärte sie weiter.

"Er war wie ein Ersatzvater für mich, nachdem Dad bei dem Rebellenangriff in Boston ums Leben gekommen war. Das war eine schwere Zeit für uns alle. Vielleicht war das einer der Gründe, warum ich mich für die Matrix entschieden habe. Ich habe aber nie verstehen können, warum du dich für die ,Reale Welt' entschieden hast." Sie sah ihn schief an und er erklärte beschwichtigend: "Zwar habe ich es nicht verstanden, aber ich habe es akzeptiert. Und ich könnte dich nie als Feind ansehen, egal was passiert das weißt du."

"Vielleicht habe ich mich nach Wahrheit gesehnt. Wirkliche Wahrheit. Nachdem was ich erfahren hatte, befürchtete ich das ich es nicht aushalten könnte. Überall hätte ich ein Programm vermutet, wenn ich in dieser Welt geblieben wäre. Ein Programm das versucht uns zu kontrollieren. Und ich hatte auch vor dir Angst, großer Bruder. Dumme Angst, das du mir etwas antun könntest wenn du über meine Kontakte zu den Rebellen Bescheid gewusst hättest." Sie lächelte darüber, über ihre dumme Angst.

Auch er tat es. Aber er war über die Offenheit seiner Schwester froh. Er hatte eine Antwort erhalten, warum sie sich dafür entschieden hatte. Das machte es leichter, es zu akzeptieren. Nicht leicht, nur leichter. "Das war wirklich eine dumme Angst, Schwesterchen, da stimme ich dir zu. Auch ich hatte damals Angst. Angst, das du mich dafür hassen würdest, was ich bin. Auch das war eine dumme Angst. Zwar sind die Grenzen zu unseren Territorien gesteckt, doch stehen wir beide direkt auf dem Mittelpunkt. So groß sind unsere Unterschiede nicht einmal."

"Du kannst nicht altern. Du wirst nicht alt werden sondern ewig leben. Das ist schon mal ein gewaltiger Unterschied", entgegnete Gaia daraufhin. Es war ein Wortduell, wie sie es schon immer geführt hatten und jeder wusste, dass es keinen Gewinner geben würde.

"Stimmt. Aber ich werde eigentlich immer einsam bleiben. Ich werde sehen, wie die Menschen die ich liebe sterben und ich werde nichts dagegen tun können. Eines Tages wird wahrscheinlich die Löschung kommen und auch mein Dasein beenden. Bis dahin werde ich stehen und den Schmerz des Verlustes mit mir herumtragen."

"Das ist auch ein Punkt."

Beide wussten um das Unentschieden, das wieder einmal erreicht worden war und keiner argumentierte in dieser Richtung weiter. So vergingen wieder einige Minuten der Stille.

Und es war wieder Gaia die das Schweigen brach. "Glaubst du, das Neo den Krieg beenden wird?"

Für einige Augenblicke schwieg Agent Lancte, dann sah er sie wieder an. "Ich weiß nicht, ob Neo den Krieg beenden wird oder wieso. Aber ich bin mir sicher, dass er nicht mehr lange andauern wird."

"Wieso bist du dir so sicher?"

"Wegen der Mainframe. Seit der Auserwählte aufgetaucht ist, werden immer mehr Agenten online gebracht. Und seit diesem Zeitpunkt verhalten sie sich wie Selbstmordkommandos. Das ist ein Verzweiflungsschlag, eindeutig. Eine Seite wird gewinnen und es ist nur wichtig welche Seite. Und ich kann nur um unser beider Willen hoffen, dass der Gewinner die richtige Entscheidung trifft."

"Was ist wenn die Rebellen gewinnen?"

"Dann möchte ich, das die Matrix zumindest für uns Programme bestehen bleibt. Ich kann hier nicht weg, das weißt du. Und wenn die Matrix nicht mehr existiert, werde auch ich nicht mehr existieren."

"Und falls die Maschinen gewinnen?" fragte sie skeptisch.

"Deswegen möchte ich das, falls ihr keine andere Chance zum Überleben seht, ihr euch ergebt. Strahlt dieses Signal aus." Er griff in seine Jackettasche und zog einen Datenchip hervor. "Die Maschinen werden diese weiße Flagge akzeptieren, man wird euch wieder an die Matrix ankoppeln und ihr könnt euer Leben hier weiterführen. Mit sämtlichen Erinnerungen wenn ihr es wünscht. Ich werde mich selbst für euch verbürgen."

Jetzt blickte sie ihn fassungslos an. "Wie kannst du so etwas verlangen?"

"Weil ich dich nicht verlieren möchte. Egal was andere sagen, aber ich brauche dich. Ich könnte es nicht ertragen, wenn du sterben würdest."

Gaia blickte von ihm weg, direkt auf ihre Füße und versuchte einen Entschluss zu fassen. Zwar dauerte es einige Zeit, doch schließlich griff sie nach dem Datenchip.

"Versprochen?", fragte ihr Bruder.

"Versprochen."

"Wann werden wir endlich einen Freund für dich finden?", fragte er lächelnd. Von ihrem vorhergegangenen Gespräch war nichts mehr zu merken.

"Ich arbeite daran, keine Sorge." Mit einem weiteren Lächeln fragte sie: "Schickst du mir mal wieder 'ne Nachricht wie es dir geht?"

"Auf jeden Fall." Nach einigen Sekunden setzte er hinzu: "Es tat gut, dich zu sehen."

"Da hast du recht."

Mit diesen Worten standen beide auf und verließen den Streetball-Platz in derselben Richtung. Die Schwester wandte sich in Richtung Ausgang, während ihr Bruder sie begleitete.
 

"Ist es verrückt, an die Prophezeiung zu glauben?" fragte Gaia auf dem Weg zum Ausgang und es schien als hätte ihr Bruder sie gar nicht gehört. Aber dann antwortete er doch.

"Ist es tatsächlich verrückt, daran zu glauben das ein einziger Mensch einen mehr als hundertjährigen Krieg beenden kann? Ja, ist es. Und deshalb glaubt man daran. Glaube hat nichts mit Beweisen oder wissenschaftlichem Zeugs zu tun, es ist einfach so."

"Das was ich über dich gehört habe, lässt mich aber auch an dich glauben. Irgendwie jedenfalls. Wie ich gehört habe, behaupten einige Leute in Zion du wärst Neos direkter Gegenpart: Der Messiahs der Maschinen."

"Das ist lächerlich", antwortete Lancte darauf ohne sie anzusehen.

Sie erreichten eine Telefonzelle die nach einigen Augenblicken zu ringen anfing.

"Bis bald", flüsterte sie während sie den Hörer abhob und an ihr Ohr führte. Mit einem ohrenbetäubenden Geräusch wurde sie aus der Matrix ausgeklinkt und da wo noch zuvor ein Mensch gestanden hatte war nichts mehr als Luft und ein herumliegender Telefonhörer.

Agent Lancte packte den Hörer und legte ihn wieder auf die Gabel zurück, doch als er sich zum Gehen wandte wurde eine Türe geöffnet und durch diese trat ein junger Chinese der ein weißes Kung-Fu Hemd trug.

"Was wollen sie", war das einzige was Lancte fragte. Er verhielt sich passiv, denn er wollte nicht unbedingt mit den Exilen Programmen einen Streit vom Zaun brechen.

"Das Orakel möchte sie sprechen."

"Dann wollen wir es doch nicht warten lassen", gab Agent Lancte lächelnd Auskunft, doch der junge Chinese wehrte ab.

"Zuerst muss ich prüfen, ob sie wirklich der richtige sind. Deswegen möchte ich mich entschuldigen."

"Entschuldigen, wofür?"

"Dafür." Er verdeckte die rechte geballte Faust mit der linken, sprang dann urplötzlich nach vorne und zielte mit seinem Fuß auf Agent Lanctes Kinn.
 

Ende Kapitel 3

Fight and Purpose

Kapitel 4

Fight and Purpose
 

Rekrutin Angelina Johnson wachte nach einem erholsamen aber trotz allem etwas unruhigen zweistündigem Schlaf auf und ihr erster Blick mit nicht wachen und verschlafenen Augen fiel auf den Wecker der rechts neben ihrem Bett auf einer kleinen Kommode stand.

Verdammt früh , dachte sie. Oder noch verdammt spät.

Sie streckte ihre Gelenke aus und spürte einen plötzlichen Schmerz in ihrer Armbeuge und begutachtete die Stelle genau. An der Stelle an der Agent Lanctes Faust getroffen hatte, entwickelte sich ein blauer Fleck. Also winkelte sie den Arm etwas an, damit der Schmerz nicht so stark war.

Eigentlich hatte sie ja vorgehabt länger zu schlafen, aber da der Schlaf sie so früh verlassen hatte und nicht wiederkommen wollte konnte sie genausogut etwas anderes machen. In diesem Moment bemerkte sie, dass sie die ganzen zwei Stunden in dem Anzug geschlafen hatte.

Verdammt, der sieht auch nicht mehr gut aus , dachte sie verärgert und öffnete einen der Schränke, darauf hoffend einen weiteren zu finden doch fand sie keinen anderen.

Na toll. Und was mach ich jetzt?
 

Agent Lancte wehrte den Tritt Seraphs mit der rechten Hand ab, während er einen Schritt zurücksetzte. Der Gegenangriff des Agenten bestand aus einem rechten Schwinger unter dem sich Seraph wegduckte. Anschließend drehte sich Lancte auf der Stelle und setzte mit einer Kombination von Schlägen mit der rechten und linken Faust nach denen das andere Programm gerade noch ausweichen konnte, doch der letzte Schlag ließ Seraph etwas zurücksetzen.

"Das können sie doch besser, oder nicht?" fragte Seraph den Halb-Agenten.

"Natürlich", erwiderte Agent Lancte und griff auf die Auswertungen des Kampfes mit Mr. Anderson zurück. Der Halb-Agent nahm eine tiefe Stellung ein, das linke Bein vorne, den rechten Arm an der Hüfte, während die flache linke Hand nach vorne gestreckt war. Sollte er doch kommen.

Als Seraph angriff, war Lancte vorbereitet und er staunte über sich selbst. Er blockte mehrere Angriffe Seraphs nur mit der linken Hand und schlug dann mit der geballten rechten zu. Und noch während Seraph zurückgeschleudert wurde sprang Agent Lancte hinterher, verpasste ihm einen Tritt gegen den Brustkorb und schließlich noch einen Tritt von der Seite der Seraph zu Boden gehen ließ.

Bevor etwas anderes geschehen konnte packte der Agent das exile Programm und schleuderte es mit aller Kraft die in seinem digitalen Körper steckte gegen die nächstgelegene Mauer. Und das war sehr viel Kraft.

Und zu dem Überraschen von Lancte schaffte es das recht lädierte Programm namens Seraph, wieder auf die Beine zu kommen.

Vor einem weiteren Angriff streckte Seraph die linke Hand aus. "Gut. Es tut mir leid, aber ich musste sichergehen, dass sie auch wirklich Agent Lancte sind. Das Orakel erwartet sie bereits. Folgen sie mir." Seraph drehte sich einfach herum und ging auf eine in der Nähe befindliche Türe zu, mit der einen Hand griff er in den Ärmel und holte ein Bündel an Schlüsseln heraus. Davon schob er einen Schlüssel in das Schloss, drehte ihn herum und stieß die Türe dann auf. Entgegen irgendeines Erdgeschosses eines Hauses türmte sich vor den beiden ein weißer Flur mit unzählig vielen grünen Türen auf. Ein endlos erscheinender Korridor, eine Substruktur, ein Fundament. Jede Tür führte an einen anderen Ort innerhalb der Matrix.

"Wohin gehen wir", fragte Agent Lancte seinen Begleiter.

"Das Orakel kann nicht auf gewöhnlichem Weg aufgesucht werden. Sie hat viele Feinde. Diese Tür ist es." Er wies nach rechts und öffnete die Türe. Dahinter entstand eine riesige Grünfläche, Fähnchen im Boden mit Zahlenbeschriftungen von eins bis achtzehn. Ein Golfplatz. Und es war Tag. Dieser Ort musste demnach in einer anderen Zeitzone liegen.

Leute standen am Abschlag und versuchten mit verschiedensten Schlägern den kleinen weißen Ball aus Kunststoff in die Nähe des vorgegeben Loches zu bringen.

Seraph führte ihn an mehreren Einkaufsständen vorbei, in die Nähe eines kleinen Imbissstandes der mit Hot Dogs, Pommes und Hamburgern warb. Vor dem Imbissstand waren mehrere Bänke mit Tische aufgestellt, auf denen die Kinder hier ihre Hamburger oder sonstiges essen konnten.

Seraph bedeutete Agent Lancte auf einer der Bänke Platz zu nehmen und während er dort saß, ging Seraph etwas weg.

Agent Lancte beobachtete die Leute beim Golfspielen und wie sie sich abmühten mit ihren Golfschlägern einen guten Schlag zu landen und wie einige nach einem miserablen Abschlag fluchten. Und er drehte sich erst herum, als sich eine Frau dunkler Hautfarbe in mittleren Jahren neben ihn setzte. Er blickte nur kurz herüber und er wusste, dass sie es war.

"Sie sind das Orakel", entgegnete er.

"Das stimmt. Und du bist Jake Lancte. Agent Lancte. Ich weiß über deine Tätigkeiten Bescheid, Kleiner. Das ist ein schwerer Balanceakt und es wird noch schwerer werden, das kann ich dir versichern."

"Weshalb wollten sie mich sprechen? Das wird ja nicht gerade eine Laune gewesen sein, nicht wahr?"

"Im Moment bemühe ich mich darum, diejenigen vorzubereiten die für das Ende entscheidend sein werden. Das Ende des Krieges, der nun schon seit längerer Zeit als vermutet läuft. Der Krieg wird enden, das kann ich dir versichern, aber es ist entscheidend wer gewinnt."

"Damit sagen sie mir nichts neues", sagte Lancte.

"Ja, natürlich nicht. Du spürst das der Krieg sich dem Ende nähert, du hörst es Tag um Tag. Du hast es auch deiner Schwester mitgeteilt und du machst dir ebenfalls um den Ausgang Sorgen. Und dein eingeschlagener Weg ist bereits jetzt problematisch. Du arbeitest hauptsächlich für die Maschinen, unterstützt die Exilen Programme so gut es geht und versuchst gleichzeitig deine Schwester vor den Waffen der Agenten zu beschützen. Wie lange, glaubst du wirst du es durchhalten?" Das Orakel blickte ihn fragend an, doch er ignorierte den Blick so gut es ging.

"So lange es mir möglich ist. Zugegeben, es ist schwer aber ich habe mich dafür entschieden, wie sie bereits sagten. Ereignisse entstehen aus Entscheidungen und Entscheidungen gehen andere Ereignisse voraus. Ein ewiger Kreislauf."

"Aber es gibt auch Schicksal. Dinge, die vorherbestimmt sind und so geschehen werden. Und Dinge die auf dem beruhen, was während dessen geschieht. Diese Dinge machen erst das Ende aus."

"Wieso bin eigentlich ich ebenfalls für das Ende entscheidend? Was soll ich für einen Teil übernehmen?"

"Du bist Neos Gegenpart. Unter euch wird die Entscheidung getroffen. Der Gewinner wird eine Zukunft aufzeigen und es wird eine Einigung entstehen. Der Krieg wird enden, das ist gewiss. Nur auf welche Weise und mit welchen Auswirkungen."

"Was wollen sie damit sagen? Dass am Schluss etwas schweres geschehen wird?"

"Alles was einen Anfang hat, hat auch ein Ende, Kleiner." Sie griff in ihre Handtasche und holte ein Stück zusammengefaltetes Papier heraus. "Geh zu dieser Adresse. Du wirst dort jemanden finden, der dir bei deiner Bestimmung helfen kann. Sei unbesorgt. Es ist jemand, dem du vertrauen kannst."

Sie standen auf und Seraph führte den Halb-Agenten wieder an den Ort zurück, an dem sie sich getroffen hatten.
 

Das Agenten Hauptquartier lag ruhig und verlassen da, die Stille die herrschte war erschreckend und sie breitete sich mit der unglaublichen und angsteinflößenden Geschwindigkeit von Spinnenbeinen aus. Sie kroch über die Wände durch sämtliche Flure des Gebäudes und schien vor nichts halt zu machen.

Aber trotz dieser Geschwindigkeit drang sie nicht zu allen Orten vor. In einigen dunklen Zimmern saßen Gestalten in Anzügen hinter Bildschirmen und beobachteten. Sie suchten nach Fehlern in der Matrix die behoben werden mussten.

Agent Jones lehnte sich in seinem Stuhl zurück, die Brille vor sich auf dem Schreibtisch abgelegt und fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über den Nasenrücken.

Heute ist nichts los. Eigentlich langweilig.

Trotz der Abneigung gegen diese Arbeit versuchte er, sich noch einigermaßen darauf konzentrieren zu können, aber trotz allem hätte ein Matrix-Fehler direkt vor ihm auftauchen können und er hätte ihn wahrscheinlich nicht bemerkt.

So saß er noch einige Minuten unkonzentriert vor seinem Computer bis er sich von dem Schreibtisch zurückstieß und mit einem solchen Ruck aus seinem Stuhl sprang dass dieser umfiel. Ohne den Stuhl aufzurichten, welcher nun umgekippt an der Wand lag, ging er hinaus auf den Korridor, einfach um herumzulaufen. Vielleicht ergab sich ja etwas.
 

Agent Brown war erst vor kurzem von einem Rebelleineinsatz in der Nähe von West-End-Bridge zurückgekommen und auch sein Äußeres hatte bereits jetzt keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem, wie er kurz nach dem Einsatz ausgesehen hatte, sein Anzug mit dem Blut von Rebellen überzogen. Und doch war jetzt alles sauber und keine Spur eines Kampfes war zurückgeblieben.

Und so lief er bedeutungsvoll durch den Trainingsraum der Agency.

Um drei Uhr morgens war Rekruten-Training sehr selten, da diese ihre Zeit mit schlafen oder anderen niederwertigen Dingen verbrachten. So dachte Brown. Rekruten. Agent Brown hielt nichts von ihnen, sogar noch weniger als das. Er misstraute ihnen bis aufs äußerste. Er war schon dagegen gewesen, Menschen zu rekrutieren als die Mainframe mit dieser Idee aufgekommen war und er war noch immer dagegen.

Menschen waren unberechenbar. Es war nahezu unmöglich vorherzusagen, wie ein bestimmter Mensch in einer bestimmten Situation reagieren würde. Und da war die schmale Linie zwischen Rekruten und Rebellen. Brown hatte es schon lange herausgefunden. Beide Gruppen waren in ihrer Beschäftigung nahezu gelangweilt, fühlten sich in ihrer Umgebung nicht wohl und hatten zumeist einen höher als durchschnittlichen IQ und dazu mehr spezifische Interessen, vor allem in Computern und Fantasien. Kurz gesagt, waren die meisten Leute die die Agency für Rekrutierung überwachte, auch Kandidaten für die Rebellen die mit ihnen ihre eigenen Reihen aufstocken wollten.

Und genau das gab Agent Brown keinerlei Anlass einem Rekruten zu vertrauen. Ein Augenblick oder Zwischenfall konnte ihre Denkweise völlig verändern.

Er stieß beinahe zornig seinen Atem aus, während er an den Trainingsgeräten vorbeilief. Agent Brown hielt in seinen Erinnerungen eine Zeit bevor Rekruten, bevor den gefährlichen Experimenten der Mainframe, bevor Smiths Zerstörung und bevor Jones Schwäche. Brown erinnerte sich an eine Zeit in welcher die Agenten unter einer einzigen Bestimmung stark und vereinigt waren, eine Zeit bevor Unsicherheit und Komplikationen.

Die Bestimmung eines Agenten auf einen Menschen zu übertragen war nicht nur lächerlich, sondern eher beleidigend!

Brown blieb neben einem Sandsack stehen und begann auf ihn einzuschlagen.

Menschliche Wesen haben keine Bestimmung. Warum war er der einzige, der sehen konnte wie undenkbar es war, eines von diesen Wesen mit der Bestimmung eines Agenten zu verbinden. Sie waren vollkommen unpassend für diese Aufgabe, schwach, irrational und viel zu leicht von ihren Emotionen beeinflussbar. Besonders Frauen!

Lancte war der einzige Beweis, den er brauchte.

Im einen Moment schwört er der Agency seine Treue, im nächsten tötet er notfalls Agenten um seine Schwester zu beschützen, wiederum später hilft er Exilen Programmen bei der Flucht und kurz darauf tötet er eine Horde Rebellen.

Auf wessen Seite ist er überhaupt oder ist er überhaupt auf einer?

Das fragte sich Brown, während er weiter auf den Sandsack einschlug.

Man wusste darum, aber es hatte nie jemand etwas dagegen unternommen. Die Mainframe hatte es nicht geduldet. Lasst ihn handeln, wie er es für richtig hält, hatte es geheißen. Er wird noch gebraucht.

Trotz allem hatte Brown gehofft, auch die anderen Agenten und die Mainframe hätten eingesehen, dass es nichts gutes bringen konnte, wenn man Menschen rekrutierte, doch es hatte kein Einlenken gegeben.

Und trotz allem hatte Brown noch immer keine Antwort auf seine Frage bekommen, warum Smith ausgerechnet diesen verrückten Plan entworfen hatte. In Agent Browns Gedanken, hatte sein früherer Vorgesetzter zwei schwere Fehler mit dem Rekruten Jake Lancte gemacht. Der erste war gewesen, einen Menschen in einen Agenten zu verwandeln, der zweite war ihm direkten Zugang zur Mainframe zu gewähren. Und nun wartete Brown auf den nächsten schweren Fehler der kommen würde.

Dann würde die Mainframe sicherlich einsehen, dass die Verbindung zwischen Menschen und Agenten nichts gutes bringen konnte. Es machte niemanden stärker, oder effizienter. Menschen würden immer Entscheidungen treffen oder nicht und für sich selbst und diejenigen um sie herum nur viele Komplikationen verursachen.

Agent Brown hatte nie diese Entscheidung getroffen. Er war schon immer ein Agent gewesen und als solcher war seine Hauptbestimmung das töten von Rebellen. Aber manchmal erschien die Verfolgung dieses Ziel wie seine Erfüllung heilig, manchmal wenn es drei Uhr morgens war und Schatten fielen und seine Schritte in der Kopie einer Realität wiederhallten, die er nie kennen würde.

Agent Brown ging weiter und ließ den Sandsack zurück, ließ ihn an der Kette schwingen und ächzen.

Was wäre, wenn es eines Tages keine Rebellen mehr gäbe?
 

Ende Kapitel 4

Old friends fight on the same side

Kapitel 5

Old friends fight on the same side
 

Hinweis: Kampfszenen an denen mehrere Leute teilnehmen, werden vorwiegend in kurzen Absätzen geschrieben.
 

Agent Lancte fuhr den gemieteten schwarzen Audi A8 über eine mit rotlich verschmutztem Kies und Schotter bedreckte Straße, deren Farbe sich langsam aber sicher in den Profilen der Reifen eindrückte, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Er hätte auch nichts dagegen unternommen, wenn er gekonnt hätte und so ließ er es einfach gut sein. Manche Dinge sollte man nicht ändern.

Die Adresse welche auf dem kleinen Zettel geschrieben stand, dass das Orakel ihm gegeben hatte, führte ihn zu einer stillgelegten Fabrikhalle im äußeren Gelände von New York und außerhalb des Audis hing die Sonne in dunkelrotem Schein knapp über dem Erdboden und bewegte sich langsam aber sicher und stetig in Richtung Firmament, während Wolken vorüberzogen und Schatten auf die Erde warfen, an welchen normalerweise keine Schatten waren.

Während aus dem Autoradio Eric Claptons ,Born in Time' drang, reihte sich Lancte auf die linke Fahrzeugspur ein um abzubiegen. Die Fabrikhalle war noch hundert Meter entfernt und kurz hinter der Abzweigung stellte er das Fahrzeug ab. Den Rest des Weges würde er zu Fuß gehen.

Der rote Kies der diese Gegend kennzeichnete wie eine Tätowierung am Kopf eines Menschen knirschte unter jedem Schritt von Agent Lanctes Schuhen und vom Himmel begannen langsam Schneeflocken zu fallen. Zwar war es für den Monat Oktober, dem drittletzten Monat im Jahr nicht gerade sehr ungewöhnlich aber in den letzten Jahren hatte es zumeist sehr wenig Schnee gehabt.

Vielleicht haben wir dieses Jahr ja weiße Weihnachten , kam ihm der absurde Gedanke.

Und während der Kies unter den Schuhsohlen knirschte, ein Geräusch welches Lancte davon ablenkte weshalb er hier war, bog er um eine weitere Straßenbiegung. Die Art der Straße erinnerte ihn an einen alten Spionage-Film welchen er einmal im Kino gesehen hatte, vielleicht war es sogar ein James-Bond Film gewesen, wer weiß das schon. Den Titel hatte er schon lange vergessen doch drängte diese Szene sich wieder nach oben in sein Bewusstsein.

In der Szene war der Held eine mit Kies bedeckte Straße entlanggelaufen zu einem Treffen mit einem Gangster. Doch anstatt den Gangster zu erledigen hatte er einen totgeglaubten Kameraden lebend gefunden.

Nun erlaubte seine Position einen Blick auf das Gelände der Fabrikhalle . . . und Autos. Autos? Es mussten ungefähr fünf bis sieben Autos sein, die auf dem Gelände standen und eine davon war eine große schwarze Limousine während die anderen mehr in die Fahrzeugklasse Ford Escalade gehörten.

Ohne seine Schritte zu beschleunigen oder zu verlangsamen blickte er auf das Gelände hinüber und versuchte irgendwo eine Person auszumachen. Doch so sehr er sich auch anstrengte, er konnte niemanden ausfindig machen.
 

Der Merowinger begutachtete die Fabrikhalle in welcher er mit seinen Gefolgsleuten stand. Der Gestank des Gebäudes stieg ihm in die Nase und mit einem angewiderten Gesicht blickte er wieder auf die Person gegenüber.

"Also, mon ami , sie haben sich bereits bewährt wie ich zugeben muss. Und zwar faire saillie ."

Das Exile Programm, welches angesprochen worden war nickte bloß. In dieser Gesellschaft fühlte es sich bei weitem nicht so, was sie Menschen als wohl bezeichnen würden. Doch auf Befehl der Mainframe hatte er Kontakt mit dem Merowinger aufgenommen. Oh Gott, wie er diesen verabscheute. Doch heute wird es vorbei sein mit dem Störenfried.

"Also, mein lieber Ex-Agent. Sie haben . . .", sprach der Merowinger weiter, wurde aber von einem seiner Begleiter unterbrochen. Dann wandte er sich wieder seinem Gegenüber zu. "Wie es den Anschein hat, bekommen wir unerwünschten Besuch."
 

Zwei Stunden zuvor

"Wir haben die Meldung von unserem Agenten erhalten. Treffpunkt mit dem Merowinger in einer Lagerhalle am Stadtrand", berichtete Rekrut Madison, der kurz zuvor das Büro von Agent Jones betreten hatte. Er atmete hastig und Schweiß lief ihm von den haarspitzen isn Gesicht. Er musste den Weg dorthin gerannt sein.

"In Ordnung", erwiderte Jones mit scheinbar ausdruckslosem Gesicht. Im ganzen Raum brannte keine Lampe und so kam die einzige Beleuchtung von den grünen Zeichen welche über den Computer-Bildschirm vor Agent Jones wie Wasser aus einer Urne floss.

"Ich würde vorschlagen, dass wir Agent Lanctes neue Rekrutin in die Operation miteinbeziehen", brachte Agent Brown seinen Gedankengang in Umschweifen hervor. Und er verhehlte auch seine Ansichten über Lancte und Rekruten nicht, wie er es schon immer getan hatte.

Jones wich dem Blick seines Kollegen aus und so fiel er durch eines der großen Fenster seines Büros. Er beobachtete wie ein Ehepaar eines der zahlreichen Taxis New Yorks nahm um schneller ihr Ziel zu erreichen. Und ohne zu Brown zurückzusehen antwortete er, wohlwissend über den Streit den er danach mit Agent Lancte haben würde: "In Ordnung. Ich werde ihr Bescheid geben um was es geht."

Mit leisen Schritten verließ Agent Brown das Büro und hinterließ einen in sich versunkenen Agent Jones.
 

"Drei meiner Leute werden sich schon um ihn kümmern, seien sie sich dessen gewiss. Wir brauchen uns also keine Sorgen zu machen", behauptete der Merowinger überheblich der keine Zweifel am Sieg seiner Leute hatte. In der Zwischenzeit waren drei Programme des Typs Werwolf hinausgegangen um sich um den einzelnen Agenten kümmern. Die Selbstsicherheit und Eleganz mit der sie sich bewegten zeugte davon, dass sie schon lange an ihre besondere Programmierung gewöhnt waren. Aber unbemerkt von den anderen schüttelte der Exile Agent nur langsam und abwertend den Kopf.
 

Bereits als die drei Exilanten aus der Lagerhalle kamen entdeckte Lancte die Code-Struktur, welche die drei Programme umgab. Ihr Code schimmerte in leuchtendem gelb aber bei weitem nicht so stark wie das Leuchten des Codes des Exilanten Seraph.

Der Tag fängt mal wieder gut an , dachte er während er sich auf einen Kampf einstellte.

Aber wer soll mir denn bei meiner Entscheidung helfen, wie das Orakel gesagt hat?

Dann zog er das Konstruktionswunder an Pistole heraus, welche er bei dem Waffenhändler Allen Cherst erworben hatte und feuerte einen Schuss auf das vorderste Exilante Programm welches ihm zu nahe gekommen war. Dabei beobachtete er aufmerksam die Reaktion des Codes. Und ihm entging auch nicht die Abfrage des Codes ob die Kugel die eingeschlagen war, eine Silberkugel gewesen ist.

"Hmm, Werwölfe", sagte er unbeeindruckt. "Das könnte interessant werden." Und während er sich für den Kampf bereit machte, traf das Team der Agency ein.
 

Angelin Johnson stieg aus dem Fahrzeug und zog augenblicklich ihre Pistole aus dem Revers. Während sich das blanke Metall im Sonnenlicht spiegelte versuchte sie irgendetwas auf dem Gelände zu erkennen.

"Einer unserer Leute ist bereits hier", antwortete Agent Brown. Er schien darüber nicht sehr erfreut zu sein.

"Wer ist es", fragte einer der älteren und erfahreneren Rekruten, von dem Angelin wusste, dass er zum Nachnamen Madison hieß. Auch sie schickte nun einen fragenden Gesichtsausdruck zu dem Agenten hinüber.

"Lancte", antwortete der Agent und spie den Namen in einem Luftzug aus.
 

Agent Lancte bewegte sich mit spielender Leichtigkeit um den ersten Hieb eines der Werwolf-Programme herum und trat seinem Nachfolger in den Magen während seine linke Faust den ungeschützten Hals seines Vorgängers traf.

Anschließend packte er den ersten Werwolf am Kragen, drehte sich schnell auf der Stelle und schleuderte ihn mit voller Kraft gegen einen seiner Kollegen. Die beiden Exilanten gingen zu Boden und rührten sich nicht weiter.

Als der dritte Werwolf auf ihn zuschritt, richtete Lancte die Waffe auf ihn, die er vorher einem der anderen abgenommen hatte. Und in diesem Pistolenmagazin waren Silberkugeln.

"Sieh zu, dass du damit klarkommst", war das letzte was das Werwolf-Programm hörte, bevor Lancte abdrückte.
 

Der Merowinger betrachtete das Spektakel mit einem fassungslosen und zugleich wütenden Blick darüber, dass drei seiner Leute von einem Agenten erledigt worden waren.

Er blickte zu zwei völlig identischen Zwillingen mit weißem Haar, das in Strähnen an ihrem Kopf herabhing und die komplett weiße Mäntel trugen. "Ihr Zwei. Kümmert euch um diesen Agenten!"

Das einzige was als Antwort kam, war ein Nicken und schon verschwanden die beiden Zwillinge durch die Wand. Der Ex-Agent war nun interessiert. Das würde sicher nicht leicht werden.

"Nun, Mr. Smith", sprach der Merowinger. "Jetzt werden wir uns ihrer Kollegen entledigen. Ihr anderen", er deutete in die Runde, "ihr kümmert euch um die anderen. Haltet sie ein paar Minuten auf und verschwindet dann."

Die Programme betraten wie befohlen das Kampffeld und schließlich blieben nur Ex-Agent Smith und der Merowinger übrig. "Wir sollten jetzt wohl ebenfalls verschwinden", erzählte er beiläufig, während er auf eine Tür zuging und einen Schlüssel hineinschob, welcher den Gang zu den Hintertüren der Matrix öffnete.

Doch bei dem nächsten Ton den er hörte, hielt er inne. Es war das Klicken einer Schusswaffe. "Ich glaube sie sollten besser hier bleiben", sagte Smith. Die Pistole war direkt auf den Kopf des Merowingers gerichtet.
 

"Agent Lancte", rief Angelin Johnson, während sie ihre Waffe auf ein weiteres Programm abfeuerte, welches daraufhin zu Boden ging. Doch dann wurde sie von drei weiteren bedrängt.

Eines der drei Programme wurde von Rekrut Madison herumgerissen und bekam einen schnellen Schuss in den Kopf, während die beiden anderen Angelin ihm Nahkampf anzugreifen versuchten.

Angelin schaffte es gerade noch die Schlagkombination von einem der beiden Gegner zu blocken bevor er sie am Körper traf und schließlich versuchte sie zu kontern. Aber ihre rechte Faust wurde aufgefangen, herumgedreht und nach unten gerissen. Unter der Wucht des Griffes fiel Angelin auf den Boden und stützte sich auf den Unterarmen ab, während die beiden Programme ihre Pistolen zogen. Die beiden Waffen wurden auf Angelins Hinterkopf gerichtet und zwei Schüsse füllten das Areal -

- und sie stürzten tot zu Boden von Agent Lanctes und Agent Jones schnellen Schüssen.
 

Rekrut Madison blickte sich auf dem Schlachtfeld um, während er mit einem weiteren Schuss ein weiteres Programm in die Schulter traf. Dann traten vor ihm zwei weitere Programme auf, die sehr anscheinend zum Merowinger gehörten. Es waren Zwillinge, mit weißen Haaren und weißen Mänteln.

"Er ist nicht das Ziel", sagte Alpha.

"Aber er gehört zu Ihnen", erwiderte Omega mit undefinierbaren Gesichtsausdruck.

"Das könnte noch spaßig werden", war das einzige was Alpha darauf sprach und mit einem sadistischen Lächeln weichten sie den Kugeln aus Madisons Waffe aus, indem sie sich in Geister verwandelten. Als beide wieder ihre normale Gestalt annahmen, riss Omega ihm mit der rasiermesserscharfen Klinge seines Messers den Brustkorb auf und so fiel der Rekrut tot zu Boden.

"Kümmern wir uns . . ."

" . . . um unsere Aufgabe."
 

"Was soll das", fragte der Merowinger. "Ich habe gut für ihre Dienste bezahlt. Warum wollen sie mich tot haben?"

"Sie sind seit Ewigkeiten eine Gefahr für das System", antwortete Smith kalt, die Waffe immer noch auf den Kopf des Merowingers gerichtet. "Deswegen haben wir den Auftrag sie zu erledigen."

"Sie haben recht. Ich bin es seit Ewigkeiten", der Merowinger drehte sich herum. "Und ich werde es immer bleiben."

Smith hörte hinter sich ein Geräusch, wie als hätte jemand ein Metallrohr umgeworfen. Er drehte sich herum und eröffnete das Feuer auf das weitere Exile Programm, welches sich auf ihn stürzen wollte, dann aber unter den eintreffenden Kugeln zusammenbrach.
 

"Danke", richtete Angelin an die beiden Agenten die ihr auf die Beine halfen. Dann klopfte sie den Staub von ihrem Anzug ab und versuchte einen Blick auf das Ausmaß dieses Kampfes zu werfen. "Wie steht es bis jetzt", fragte sie Agent Jones und rieb sich das schmerzende Handgelenk.

"Die Exilanten haben viele Verluste erlitten aber auch wir haben einige Agenten und gute Rekruten verloren. Mein persönlicher Rekrut, Mr. Madison war ebenfalls darunter."

Angelin setzte einen traurigen Blick auf und erinnerte sich sehr wohl an den Rekruten der ihr geholfen hatte.

Agent Lancte drehte sich herum und sah, wie Brown gerade dabei war zwei weitere Exilanten zu erledigen. Dann gingen die zwei Agenten und Angelin auf das Lagerhaus zu, doch der Weg wurde ihnen von zwei Programmen versperrt die weiße Mäntel trugen und ebenso weiße Haare hatten welche zu Strähnen zusammengebunden waren.

Nun kam auch Brown zu ihnen herüber und wurde von Lancte mit gemischten Gefühlen betrachtet. Dann aber gab er Instruktionen.

"Agent Brown, sie gehen zusammen mit Agent Jones in das Lagerhaus und holen den Merowinger heraus. Ich und Mrs. Johnson kümmern uns in der Zwischenzeit um diese beiden." Dann senkte er seine Stimme, dass nur Brown ihn hören konnte. "Und nachher unterhalten wir uns noch darüber, was meine Rekrutin hier zu suchen hat."

Dann marschierten der Agent und seine Rekrutin auf die beiden Zwillinge zu und der Schlag den er ausführte, ging direkt ins leere, einfach durch Omega hindurch, während die beiden anderen Agenten ins Lagerhaus gingen.
 

Als Smith sich wieder herumdrehte, war der Merowinger nicht mehr an seiner vorigen Stelle und eine Tür drohte sich zu schließen.

Und mit einem wütenden Gesichtsausdruck rannte der Agent auf die Türe zu doch als er nach dem Türgriff packen wollte, schloss sich die Tür und als Smith dagegentraf wurde sie aus den Angeln gerissen und offenbarte das Kampffeld, welches die Exilanten und die Agenten gebrauchten.

"Agent Smith", grüßte Jones der nun vor ihm stand, während dieser die Waffe senkte. "Willkommen zurück."
 

Omega vervollständigte sich schnell wieder, als die Faust von Lancte aus seinem Geistkörper ausgedrungen war und griff daraufhin mit seinem Messer an, welches er ihm direkt in den Brustkorb stoßen wollte. Es war ein spezielles Messer, welches Matrix-Code auseinander trennen konnte.

Doch Angelin trat das Messer zur Seite und duckte sich gerade noch rechtzeitig unter einem Schlag von Alpha hinweg. Dann wurde Alpha von einem Tritt Lanctes ins Gesicht getroffen und taumelte einige Schritte zurück.

Alpha sprang in die Luft und trat mit seinem Fuß nach Angelin doch sie schaffte es den Tritt abzuwehren und landete selbst einige Treffer auf dessen Oberkörper bevor er sich in einen Geist verwandelte und die Techniken danebengingen.

In der Zwischenzeit sah sich Omega nicht imstande, irgendeinen Angriff zu starten, da Agent Lancte sämtliche Initiative ergriffen hatte. Doch dann versuchte es Omega und rematerialisierte sich wieder, doch wurde er überraschend von einem Handkantenschlag seiten Lanctes getroffen und noch während er um Halt suchte, von einem Tritt zurückgeschleudert.

Angelin Jolin feuerte zweimal ihre Waffe auf das Geisterprogramm ab und trat dann wieder in dem Moment zu, als er sich wieder festigte. Doch Alpha packte ihren Fuß und stieß sie mit seiner Schulter zu Boden. Dann ließ sucg Alpha mit seinem Messer zu einem tödlichen Schlag fallen -

- und fiel direkt in sein eigenes Messer, welches ihm Agent Lancte abgenommen und in dessen Magen gestoßen hatte.

Alpha sprang auf und verschwand kurz, das Messer fiel zu Boden und seine Wunde war sofort verheilt. "Schon wieder wie neu."

"Wir schulden ihnen noch etwas", sagte Omega doch dann drehten beide ihre Köpfe in die andere Richtung.

"Wir werden verlangt", sagte Omega.

Dann blickten die beiden wieder zu dem Agenten und seiner Rekrutin.

"Wir werden uns wieder treffen."

Und dann verschwanden sie.

Plötzlich berührte Lancte eine Hand auf der Schulter und er fuhr herum, während er mit der rechten ausholte, doch der Schlag wurde einfach aufgefangen und er fand sich einem Gesicht gegenüber, welches er genausogut kannte, wie sein eigenes.

"Smith", brachte er heraus, sein Atem stockte vor Überraschung.
 


 

Ende Kapitel 5.

The War Within

Kapitel 6

The War Within
 

Warnung: Rebellenzentriertes Kapitel
 

Wir kämpfen bis die Hölle zufriert. Und dann kämpfen wir auf dem Eis weiter. - Patrick Buchanan, amerikanischer Publizist
 

Die Arosos zählte nicht gerade zu den bestbewaffnetsten Schiffen der Zionistischen Freiheitsflotte, doch dieses technische Manko wurde locker durch die hervorragend trainierte Mannschaft, welche schon einige kleine Wunder zustande gebracht hatte, wettgemacht.

Gaia saß hinter der Steuerkonsole und brachte das Hovercraft vor das Haupttor Zions, welches die Stadt von dem Maschinengebiet abtrennte. Sie war schon lange nicht mehr in Zion gewesen und dieser Aufenthalt würde ihr guttun. Keine Missionen unter ständiger Lebensgefahr ausführen oder vor Sentinels davonfliegen.

"Darf ich reinkommen, Captain", fragte eine plötzlich auftauchende Stimme hinter ihr. Sie drehte sich herum und blickte auf Phoenix, welcher im sogenannten ,Türrahmen', oder wie man sonst das Ding nennen konnte, welches den Rest des Schiffes von der Steuerbrücke abtrennte.

"Na klar, Phoenix", antwortete sie lächelnd und begutachtete den zweiten Zion-Geborenen außer Chex aufmerksam, während er sich langsam in den Sitz neben dem ihren gleiten ließ, den Blick auf das Zion-Tor gerichtet, seine Hände hinter dem Kopf verschränkt.

Phoenix hatte kurz geschorene braune Haare, eine mehr blässliche Hautfarbe und eine nicht sehr große kräftige Gestalt, die von seiner weiten Kleidung halbwegs verdeckt wurde. Das auffallendste an ihm waren aber seine durchdringenden grünen Augen, denen sich nichts zu widersetzen schien und die es gewohnt waren, dass man ihre Befehle befolgte.

Chex, der Operator hingegen, war von weniger auffallender Statur, die blassblauen Augen passten sich seiner blonden Haarfarbe gut an, während er weitestgehend versuchte sich aus Streitigkeiten mit stärkeren Leuten herauszuhalten. Doch wenn es darauf ankam, konnte er auch sehr stark zupacken und seine eher schmächtige Statur überraschte dabei etwas. Zumeist versuchte er solche Streitigkeiten mit Reden zu lösen und gehörte nicht zur Gruppe der unsensiblen Schläger.

Phoenix eigentlich auch nicht, wenn sie es sich so überlegte.

Dann war da noch die einundzwanzigjährige Alexius, in der Matrix aufgewachsen und eine sehr gute Kämpferin. Alex , wie sie immer genannt wurde, war trotz allem mehr der schüchterne, zurückhaltende Typ Mensch und zeigte Selbstbewusstsein viel eher in der Matrix als in der Realen Welt. Aufgrund dieser Schüchternheit konnte sie ein ganzes Bündel an Verehrern vorweisen, welche sie aber nie nahe an sich heranließ, einfach aus Angst vor einer Beziehung. Nicht, dass sie gemeint hätte, sie wäre nicht hübsch, gehörte sie zwar nicht zu der Kategorie ,Super-Model' aber trotz allem erhielt sie locker die Bewertung ,Begehrenswert'.

Als nächstes folgte Fallen Angel. Der zwanzigjährige Rebell mit den aufmerksamen stahlgrauen Augen, gefangen in einem Gesicht das eine Intelligenz über dem Durchschnitt ausstrahlte war das letzte Mitglied der Crew das ebenfalls in die Matrix Missionen erfüllte.

Und bald würden sie in Zion andocken und die Crew würde ihren wohlverdienten Urlaub antreten. Das ganze in einem Zion, welches gegen die Maschinen kämpfte, in einem Zion das tief in der Erde versteckt war. In einem Zion, indem zwischen Zion-Geborenen und Matrix-Geborenen ein geheimer Krieg herrschte, vor allem unter den jüngeren Bewohnern. Ein Zion in welchem man nie wirklich sicher war.

Die Meldung von Zion-Control schreckte sie aus ihren Überlegungen heraus. "Sie können jetzt andocken. Liegeplatz siebenundzwanzig." Gaia bestätigte noch, während die Tore sich öffneten.
 

Zion war trotz sämtlicher Gefahren die sich innerhalb und außerhalb der schützenden Mauer befand, ein wahres Erlebnis. Ungefähr eine Million Menschen die dort wohnten, gingen tagtäglich ihren Aufgaben nach, arbeiteten, aßen und taten sonstige Dinge die man nicht gerne erwähnen würde.

Liegeplatz siebenundzwanzig lag ungefähr dreihundert Meter vom Eingang zu ,Zion-Markt', einem gigantischen Gelände auf welchem sich hunderte von Händlern tummelten und ihre Ware anpriesen, entfernt. Die Menschen bewegten sich (oder versuchten es zumindest) auf dem engen Platz so gut es ging, wandelten zwischen Ständen umher die Kleidung und Nahrung anboten, feilschten mit den Händlern um die Preise für bestimmte Ware. An einer Ecke kaufte ein junger Mann um die sechzehn einen Construct-Prozessor, nur wenige Meter weiter kaufte eine alte Frau die vermutlich älter als sechzig sein musste eine Ration Obst.

Ein Großteil dieser Leute die hier herumliefen lebten vorwiegend in den teils schmutzigen Gängen Zions, zwischen den Zimmerbuchten und gehörten der untersten Schicht dieser ehrfurchtgebietenden letzten Stadt der Menschen an. Einige von ihnen versuchten nur noch den anderen Tag zu erleben und würden vieles tun um dieser sozialen Notetage zu entfliehen, während wiederum andere herumstreiften und mit großem Geschick die Geldtaschen der anderen Marktbesucher leerten.

Der Markt war mehrere hundert Meter groß und trotz allem gab es immer noch viel zu wenig Platz um die ungefähr hunderttausend Besucher des Geländes unterzubringen. Hier konnte man alles bekommen, wenn man nur wollte. Kleidung, Nahrung . . . Waffen. An die beiden ersten Dinge war es noch verhältnismäßig einfach heranzukommen, wohingegen man das letzte nur bekommen konnte, wenn man wusste wohin man gehen musste. Und auch nur mit dem nötigen Kleingeld. Und bei so vielen Einwohnern brauchte man erst gar nicht daran zu denken, dass soviele Interessengebiete nicht zusammentrafen. Dies hier war der reinste Wahnsinn. Hier lebten ungefähr eine Million Menschen. Das hier war ZION .

Die Crew der Arosos zwängte sich durch den noch verbliebenen Platz an mehreren Ständen vorbei zu ihren Quartieren. Doch Gaia blieb auf dem Marktplatz stehen und erinnerte sich an etwas, dass mehrere Jahre zurücklag.
 

Dickes Metall war fest in den Erdboden aus Gestein und gekühlter Lava gestoßen. Schmutz und Staub waren zusammengeführt auf diesem engen Platz wo so viele Menschen tagtäglich darüber hinwegliefen dass es zuviele waren, um sie zu zählen.

Geschäftsleute erwarteten einen neuen Tag für Kunden und Waren die zu verkaufen waren.

In der Zwischenzeit hatten die Kinder von Zion sich entschlossen, es als ein Schlachtfeld zu benutzen.

Hinter einer Mauer aus gelben Gestein, saß ein elfjähriges Mädchen langsam und gleichmäßig atmend, versuchend das Areal im Auge zu behalten. Der Platz hatte lediglich einen Ein- und Ausgang, der Rest war von Läden und Mauern umgeben. Leicht zu verteidigen.

Aber sie würde es ihnen nicht erlauben, es ewig zu verteidigen.

Diese dummen Zion-Geborenen. Sie hatten den Marktplatz vor einigen Tagen erobert. Und Gaia und ihre Armee wollten ihn zurück.

Sie drehte sich zu Angel, welcher seinen Namen später noch in Fallen Angel umtaufen sollte, ihrem Freund und Ersten Offizier um und er gab das Freizeichen um den Angriff fortzusetzen. Die, welche sie jetzt starten mussten. Gaia blickte hinter ihn und ihr Blick fiel auf die hunderte von Elternlosen Matrix-Geborenen Kindern hinter ihm, welche in den Gängen und verborgenen Winkeln des Platzes auf das Zeichen warteten, welches nur sie geben konnte.

Sie waren die Matrix-Geborenen, die Armee der Kinder. Ihre Armee.

Sie waren bereit.

"ATTACKE!"

Mit Kampfschreien die das komplette Gebiet übertönten stürzten sich die Kinder auf ihre Gegner, die Zion-Geborenen, welche den Marktplatz zuerst erobert hatten. Die zwei Gruppen trafen sich in der Mitte der engen Arena wie Lava und Wasser, brachten den jeweils anderen in absoluten Nahkampf.

Gaia führte die Gruppe.

Wo war er? Wo war der Anführer der Zion-Geborenen?

Wenn sie ihn fand und besiegte, würde sie diesen Kampf beenden können, ohne dass ihrer Armee etwas passierte. Wenn sie beide sich gegenseitig fanden dann verlangte die Tradition, dass nur sie beide kämpfen würden während ihre Armeen zusahen, in Respektion ihrer Führer. Wenn es nur noch an ihr liegen würde, dann würde sie ihn fürchterlich besiegen . . . und gewinnen.

Aber zuerst musste sie ihn finden. Phoenix, ihren Feind.

Während sie über den Kampfplatz lief, wich sie den geworfenen Steinen und Gegenständen aus und noch bevor die Zion-Geborenen etwas tun konnten, war sie bereits durch ihre Frontlinie durchgebrochen und kletterte auf eines der niedrigen Häuser, wo weitere ihrer Gegner eingekesselt waren.

Gaia sah zurück und fühlte sich stolz. Sie würden diese schwachen Zionisten locker besiegen.

Und unter ihr stand er. Phoenix, zusammen mit einigen anderen, und sie mussten ihre Niederlage akzeptieren. Gaia ging auf ihn zu, doch bevor sie ihn erreichte, schrie er: "RÜCKZUG!!" Gaia stoppte in ihren Bemühungen und sah wie Phoenix ihr einen Blick aus Verabscheuung und Selbstzufriedenheit schickte. Dann rannte er zusammen mit dem Rest seiner Armee davon.

Sie hatten die Schlacht gewonnen, doch Phoenix stand immer noch.

Wieder unten wurde sie von ihrer Armee gefeiert. Angel lächelte sie an und dann begann jeder, ihre Hand zu schütteln. Sie hatte gerade begonnen, ein Verteidigungssystem gegen diese Zion-Geborenen zu entwickeln . . . als eine neue Gruppe von Leute auf der Szene eintrafen.

Zions Friedens-Einheiten kamen zuerst auf den Markt, gefolgt von den Waisenhaus-Müttern, die sie fortbrachten und dabei immer wieder die Worte wiederholten: "Wieso hast du das getan?" und "Was hast du dir dabei gedacht?", während sie ins Waisenhaus zurückgebracht wurden.
 

Das Büro war klein und zweckmäßig. Die Frau welche hinter dem Schreibtisch saß, musste um die vierzig Jahre alt sein und blickte zu der elfjährigen Gaia hinüber.

Sie blickte ihr in die Augen und sagte dann in einem Ton der die Behauptung einen Fakt hieß: "Du hast schon wieder gekämpft." Es war nicht vorwurfsvoll gemeint, jedenfalls hörte es sich nicht so an.

Gaia blickte zu Boden. Sie wollte sie nicht ansehen müssen. Stille füllte den Raum für kurze Zeit.

"Gaia", sprach die Waisenhaus-Leiterin weiter. "Warum sind wir hier?"

"Weil die Maschinen den Rest der Welt haben."

"Und wie glaubst du, haben wir so lange durchgehalten?" setzte sie nach.

Gaia biss sich auf die Lippe. "Weil wir vorsichtig sind, und . . . und . . ."

"Weil wir zusammenhalten, Gaia. Weil wir uns um andere kümmern und wir wissen, dass jeder einen Platz im Leben hat. Würden wir uns nicht so verhalten, würden die Maschinen uns bereits alle getötet haben", beendete die ältere Dame den Satz für Gaia.

Gaia nickte verständnisvoll. Sie versuchte zu verstehen, worauf ihre Leiterin hinauswollte.

"Warum bekämpfst du die anderen?" fragte die Leiterin.

Gaia hob ihren Kopf. "Sie sind so gemein! Sie machen andauernd Witze über die Matrix-Geborenen in den Waisenhäusern. Ich bin einfach wütend aus sie . . . und ich wollte, dass sie sich selbst schlecht fühlen, und . . .", Gaia machte eine kurze Pause, " . . . ich wollte einfach so sein, wie die anderen Matrix-Geborenen auf den Schiffen und gegen schlechte Dinge kämpfen."

Die Waisenhaus-Leiterin lächelte etwas. "Du wirst sicherlich noch den Rest deines Lebens schlechtes bekämpfen, Gaia. Und dazu wirst du gute Freunde brauchen. Also, was ist der beste Weg einen Feind loszuwerden?"

"Mache ihn zu einem Freund", antwortete Gaia leise. "Aber soll ich mich wirklich mit ihnen anfreunden? Immerhin verletzen sie die Gefühle meiner Freunde!"

"Vielleicht musst du es ja einfach nur ändern", antwortete sie schnell darauf.

Gaia nickte leicht. Sie war sich nicht sicher, ob die Frau wusste, wovon sie sprach. Schließlich war der Krieg schon in die Gedanken von Kindern einprogrammiert und sie würden ebenfalls kämpfen, solange bis . . . nun ja, bis sie sich entschlossen, nicht mehr zu kämpfen. Was nicht sehr bald geschehen würde, das war sicher, weil Leute wie Phoenix zu stur dazu waren.

Aber sie versuchte trotz allem, auf das zu hören was ihr gesagt wurde.
 

Diese Erinnerung war in einem kurzen Augenblick erwacht und hatte zum Schlag ausgeholt, etwas dem man sich nicht widersetzen konnte. Und dann ging Gaia einfach weiter, ohne sich noch einmal herumzudrehen.

Zion hatte sich nicht verändert in den letzten Jahren. Zwar waren die Konflikte zwischen Matrix- und Zion-Geborenen nicht mehr ein solcher Sprengstoff wie vor vielen Jahren, jedoch war es immer noch nichts, dass man einfach vergessen konnte. Immer noch war diese Sturheit und Vorurteile zu erkennen, wenn man aufmerksam hinsah. Und die wenigen die das taten, erkannten es.

Ein Zirkel aus Unnachgiebigkeit war es in dem sie gefangen waren. Und es musste nur jemand nachgeben um es zu durchbrechen. Doch ohne noch einmal darüber nachzudenken, begab sie sich sofort in ihre Wohnung an der Ostseite Zions und fiel kurz darauf in einen traumlosen, erholsamen Schlaf.
 

Draußen wurde zweimal gegen die Tür geklopft und dann noch einmal. Gaia blinzelte zweimal, bevor sie gähnte und restlos die Augen aufschlug, den ersten Blick in Richtung Uhr. Die Anzeige verriet ihr, dass es 23:17 Uhr war. Sie stand auf und bemerkte, dass sie sich nicht einmal etwas anderes angezogen hatte, als sie schlafen gegangen war und nun war ihre Kleidung ein einziges Gemisch aus zerknittertem und zerknautschtem Leinenstoff. Sie streckte sich einmal und einer ihrer Rückenwirbel dankte es ihr mit einem nicht gerade appetitlichen Knacken, als die Wirbelsäule gestreckt wurde. Mit mehr oder weniger sicheren Schritten die mehr einem Betrunkenen bei einem Alkoholtest als einem erst vor kurzem erwachten gleichkamen, tapste sie in Richtung Tür und schob sie einen kleinen Spalt breit auf. Als sie erkannte wer es war, atmete sie kurz aus und öffnete schließlich die Tür.

"Fallen, was willst du hier?"

Zwar sah Fallen Angel im Moment nicht gerade gut aus, aber trotz allem noch besser als sie, hielt sie sich im Moment für etwas Zombiemäßiges. Doch trotz allem grinste er sie an.

"Sorry, Captain. Hab' nicht schlafen können."

"So? Und da," sie unterdrückte noch einmal ein Gähnen. "hast du wohl gedacht, du sorgst am besten dafür, dass auch kein anderer die Augen zubekommt." Es war zwar nicht so vorwurfsvoll gemeint, doch anscheinend musste es tatsächlich so geklungen haben, denn Fallen zuckte kurz zusammen und wich einen Schritt zurück.

"Na ja", versuchte er sich zu rechtfertigen. "die anderen haben sich zu irgendeiner Party aus dem Staub gemacht und da ich sonst niemanden auftreiben konnte, dachte ich halt . . ."

"Schon okay. War nicht so gemeint. Um was geht's?" Sie ließ ihn herein und sie musste ihm beinahe schon befehlen, sich in einen der Sessel zu setzen, so aufgedreht war er. Dann setzte sie sich ihm gegenüber und versuchte sich einen Reim darauf zu machen, was ihn so durch den Wind gebracht haben könnte.

"Also, es ist so . . .", begann er zu erzählen.
 

" . . . und dann hat schie geschagt, ich sittiere: ,Ich lass mich doch nich mit so 'nem verfluchten Zion-Geborenen ein", berichtete ein frustrierter Phoenix nach dem siebten Glas hochprozentigen Alkohols seinem Kumpel Chex, während die Musik irgendeiner Zion-Band aus den Lautsprechern der kleinen Bar im nördlichen Teil Zions. Die Fahne Phoenixs', falls man es überhaupt noch als solche und nicht als Totenatem bezeichnen konnte, kam Chex in diesem Schwall aus Abneigung und Deprimierung entgegen.

"Ich glaube, wir sollten jetzt besser gehen", war das einzige was sein Freund entgegenbringen konnte.

"Jajaja, lass mech in ruh ich will hier drinken", konnte man mit sehr viel Anstrengung aus dem lallen heraushören.

Mit einem mitleidig klingenden "Na komm", stand Chex auf, packte Phoenix und hievte ihn mit seinen großen Körperkräften aus dem Stuhl.

Sie hatten gerade den Ausgang erreicht, als ihnen jemand entgegenkam. Es war eine Frau von ungefähr ein Meter fünfundsiebzig Größe, brünettem Haar welches hinten zu einem Zopf geflochten war und ihre schwarzen Augen blickten die beiden an.

"Kann ich dir bei deinem Gepäck helfen, Chex?", fragte sie scherzhaft, dabei auf den in sich zusammengesunkenen Phoenix deutend.

"Wär nicht schlecht, Alex. Ist immerhin ein ganzes schönes Stück bis zu seiner Wohnung", antwortete er lächelnd, dabei den etwas vor sich hinlallenden Phoenix festhaltend. So machte sich dieses Trio auf den Weg zu einem abseits gelegenen Appartement, einer davon von Alkohol betäubt und nicht mehr teilnahmsfähig.
 

Unterdessen hatte Fallen Angel begonnen, Gaia die Geschichte zu erzählen, welche ihn so sehr vom Schlafen abhielt. Und als sie es gehört hatte, musste sie zugeben, dass es wirklich ein verrückter Traum war, den er da gehabt hatte.
 

Gaia, Fallen Angel und Alexius rannten über die Dächer in der Matrix, drei Agenten waren ihnen auf den Fersen und schienen sich nicht abschütteln zu lassen. Es war tiefschwarze Nacht und es würde sicherlich bald schneien.

Dann drehte sich Fallen Angel etwas herum und feuerte ein paar Schüsse auf die Agenten, die anhalten mussten um auszuweichen.

Alex gab in der Zwischenzeit Instruktionen. "Die Leitung ist im nächsten Haus im zweiten Stock, Zimmernummer 209." Dann beendete sie die Handyverbindung.

Der nächste Sprung brachte sie auf das Dach des Gebäudes und das nicht sehr stabile Schloss der Dachtür gab unter dem Körpergewicht Gaias sofort nach. Dann hetzten sie weiter den Gang entlang bis zu dem Zimmer mit der Nummer 209 doch bevor sie es erreichten, wurde eine Tür geöffnet und in den Gang trat . . . ein Agent.

Er richtete seine Desert Eagle auf die Dreiergruppe und war kurz vor dem Abdrücken als eine weitere Tür geöffnet wurde, welche einen weißen Gang hinter sich zeigte und einige grüne Türen. Und aus diesem Gang kam jemand anderes, jemand der ähnliche Kleidung wie die eines Agenten trug, doch war der Anzug komplett schwarz und die Sonnenbrillen besaßen eine schärfere Form. Und sein Gesicht war vollkommen in Dunkelheit gehüllt.

Als der Agent diesen weiteren erblickte, lenkte er die Waffe in diese neue Richtung, von den Rebellen weg, welche sofort weiter in Richtung Zimmer 209 liefen. Der Agent wollte wieder umdenken, hatte sich schon halb herumgedreht, als der andere die Hand packte, welche die Pistole umschloss und ihn so zurückriss. Und dann geschah das seltsame. Diese andere Person stieß dem Agenten die Finger wie einen Speer in den Brustkorb und der Agent wurde von einer gelblichen Farbe umgeben und begann sich langsam aufzulösen, sein Code langsam von seinem unheimlichen Gegner aufgenommen. Und dann existierte der Agent nicht mehr.

Fallen Angel und Alexius hatten bereits die Matrix verlassen und kurz bevor auch Gaia verschwand, sah sie eine zweite Person auf den Unbekannten zugehen, dieses Gesicht ebenfalls unerkennbar. Die erste Person sagte ein Wort und der andere lachte. Und dann war auch sie draußen.
 

Neo kämpfte gegen einen dieser Unbekannten doch immer wieder wurde er abgeblockt und von Schlägen getroffen, welche ihn zurücktaumeln ließen. Dann trat er mit einem Halbkreisfußtritt zu und traf seinen Gegner doch dieser schlug ihn mit brutaler Kraft zu Boden. Dann zog der Unbekannte eine Waffe.

"Und so endet es. Sterben sie einfach, Mr. Anderson." Dann drückte der Unbekannte ab und Neo starb, ohne das ihn etwas zurückholen konnte.
 

"Ein merkwürdiger Traum", antwortete Gaia und ließ ihren Blick nicht von Fallen Angel abstreifen.

"Glaubst du, dass es so etwas wie eine Vision war, Captain? So was wie ein Blick in die Zukunft?"

Sie senkte den Kopf. "Ich weiß es nicht, Fallen. Ich weiß es wirklich nicht."

Kurz darauf sah sie ihn wieder an. "Was hatte das Orakel zu dir gesagt, Fallen?", fragte sie ihn.
 

Damals war er noch Angel gewesen. Es lag Jahre zurück. Sein Captain Tsunami hatte ihn zur Wohnung des Orakels geführt und vor der Tür halt gemacht.

"Jetzt gibt es keinen Weg zurück", hatte er ihn gewarnt. "Es ist deine Entscheidung. Ich kann sie nicht für dich fällen."

Angel öffnete die Türe. Eine schlanke schwarze Frau war ihm entgegengetreten und führte ihn in einen Raum, gefüllt mit kleinen Kindern. Angel setzte sich neben einen kleinen ungefähr zehn Jahre alten Jungen mit einer Glatze, welcher Löffel anscheinend durch seinen Willen verformte.

"Versuche nicht den Löffel zu biegen, denn das ist unmöglich. Versuche lediglich die Wahrheit zu realisieren. Da ist kein Löffel."

Angel konzentrierte sich. Der Löffel begann sich zu biegen . . . und zersprang in zwei Hälften. Wenn er Jahre darauf zurücksah, erkannte er, dass es sich um ein Omen gehandelt hatte. Aber in diesem Moment hatte dieselbe Frau ihn in die Küche geführt.

Es war nicht das, was er erwartet hatte. Eine Zigarrenrauchende schwarze Frau, die wie im zwanziger Jahre Stil gekleidet war, saß an einem Tisch. Sie bat ihm einen Sitz an und er nahm Platz. Während er das tat, hatte er ein ungutes Gefühl bei der Sache.

Das Orakel hatte ihn freundlich begrüßt.

"Willkommen, Angel. Willkommen in meinem kleinen Zuhause." Sie hatte darüber gelacht, bevor sie weitersprach.

"Nun, endlich hast du die Wahrheit erkannt. Ich wusste es an dem Tag, als ich dich das erste Mal auf dem Gehweg vor deinem Haus spielen sah. Du bist für Großes bestimmt. Du bekommst die Chance, Angel, einer der besten von allen zu werden. Trotz allem wirst du eine Entscheidung treffen müssen bevor dieser Traum zur Realität werden könnte. Armer Tsunami."

"Was?", hatte Angel gefragt.

"Obwohl ich glaube, dass es ein kleiner Trost ist, dass er nicht lange genug leben wird um zu erfahren wie schlimm es werden wird."

"Sagen Sie mir, was sie meinen", hatte Angel verlangt.

"Wenn du darauf bestehst. Du wirst eine Chance bekommen, ein Captain zu werden, der beste von allen und einer der am meist geehrtesten Rebellen überhaupt. Aber du wirst alles für etwas größeres wegwerfen und deinen Namen in etwas wesentlich geringeres ändern."

Angel war erschrocken. Und er blieb still bis er die Wohnung verlassen hatte. Tsunami hatte ihn im Flur aufgehalten und gefragt, was sie ihm gesagt hatte, doch Angel hatte darauf nur geantwortet, dass es das irre Geschwätz einer alten Wahrsagerin gewesen sei.

Es war ein Jahr gewesen, bevor sich seine Meinung als falsch herausstellte.
 

"Sie . . . hatte recht", war das einzige was er auf die Frage antwortete und ließ es dabei bewenden. "Danke, dass du mir zugehört hast."

"Kein Problem, Fallen."

Damit stand Fallen Angel aus dem Sessel auf und verließ ihre Wohnung und Gaia blickte ihm hinterher. Sie wollte ihm eigentlich hinterherlaufen, ihn so vieles fragen. Und ihn küssen. Sie wollte ihn bei sich haben, ganz nah und nie mehr hergeben. Sie liebte ihn doch schon seit langem.

Doch von all dem tat sie nichts.

Stattdessen legte sie sich wieder schlafen.
 

Ende Kapitel 6
 

So, dass ist meine Interpretation des Geschehen unter Zions Maske. Ich hatte ja schon immer den Gedanken, dass es starke Meinungsverschiedenheiten zwischen Zion-Geborenen und Matrix-Geborenen gibt. Und zugleich ein kleiner Einblick in die Sozialstruktur Zions.

Im nächsten Kapitel wird ein Blick auf die Rangordnung in der Matrix (nach meiner Vorstellung) geworfen.

Ich hoffe mal, euch hat dieses Kapitel zugesagt.
 

Hibiki.

Zweites Training und anfängliche Gefühle

Ja, diese Fanfiction lebt noch und wird auch wieder weitergehen.

Nach langer Auszeit von dieser Matrix-Story werde ich nun die Kraft aufbringen sie weiterzuschreiben, also noch viel Spaß.
 

Hinweis:

Ich habe meine Entscheidung nun abgeändert. Dieses Kapitel enthält ein zweites Kampftraining anstatt der Rangordnungen innerhalb der Matrix, da das Kapitel sonst viel zu lang werden würde.
 

Gleichzeitig habe ich vor, nun endlich mein beabsichtigtes Pairing hervorzubringen.
 

Kapitel 7

Zweites Training und anfängliche Gefühle
 

"WIESO HAT MIR NIEMAND ETWAS DAVON GESAGT", schrie ein sehr wütender Agent Lancte im Agenten-Hauptquartier welches beinahe bis auf die Grundfeste erschüttert wurde.

"Beruhigen sie sich bitte", mischte sich nun auch Agent Brown in das Gespräch ein. Das hätte er besser nicht getan, wie sich gleich herausstellte denn nun wandte sich Lancte an ihn.

"Den Teufel werd' ich tun, ist das klar?", entgegnete er nicht minder wütend, während er Brown am Jackett packte und ihn in die Höhe hob, die Füße berührten schon nicht mehr den Boden.

Doch urplötzlich riss Brown die Hände hoch und lockerte damit den Griff Lanctes genug um freizukommen. Noch bevor Brown auf dem Boden landete hatte er bereits zu einem Schlag mit der Faust ausgeholt, aber der Schlag verpuffte wirkungslos an Lanctes Unterarmblock und konterte augenblicklich mit einem Ellbogenschlag gegen Browns Nase und traf direkt.

Aber bevor sich der Kampf weiter ausdehnen konnte, gingen Smith und Jones dazwischen und hielten die beiden Streithähne voneinander fern.

"Es war notwendig das der Kreis der Eingeweihten so gering wie möglich gehalten werden musste", erklärte Jones, während er Lancte langsam wieder los ließ. Lancte rückte daraufhin seinen Anzug wieder korrekt hin. "Es ist bekannt, dass der Merowinger Spitzel in unseren Reihen hat. Deswegen wussten nur wenige über unseren Plan Bescheid."

Doch wenn er geglaubt hatte, diese Erklärung würde ihn beschwichtigen können, hatte sich Jones geirrt. Lancte drehte sich nämlich direkt auf dem Absatz herum und stürmte aus dem Büro heraus, nicht ohne es zu unterlassen die Tür laut krachend in die Fassung zurückschlagen zu lassen.
 

Der Trainingsraum war vollkommen verlassen, wie ausgestorben stand alles da ohne ein Zeichen von Aktivität. Vollkommen verlassen bis auf einen Agenten der in der Mitte des Raumes stand und langsam durch die Bewegungen der Kata floss, die er ausführte.

Eine Kata ist ein bestimmter Ablauf an Bewegungen, jede einzelne Bewegung beschreibt eine unendliche Anzahl von Möglichkeiten im Kampf, zeigt den Nutzen der am effektivsten Technik erworben und herausgefunden nach Jahren des Trainings. Und obwohl Katas von Hand zu trainieren in dem Zeitalter puren Datendownloads altmodisch erschien war es doch die einzige Möglichkeit sie vollständig zu beherrschen.

Lancte hatte sich in einen tiefen Stand sinken lassen, die Füße in einer L-Form angeordnet, wobei das meiste Gewicht auf seinem hinteren Fuß verlagert war und der vordere Fuß nur leicht den Boden berührte. Seine linke Hand war ausgestreckt und befand sich etwas von seinem Körper weggestreckt, während die rechte geballt beinahe an seiner Hüfte ruhte.

Wie jeder andere Datenträger riesige Mengen speichern konnte, waren auch in den Katas riesige Mengen an Hinweisen zum Sieg eines Kampfes zu finden, doch was für einen Anfänger nur wie ein Repertoire an Schlägen, Tritten, Würfen und Abwehrtechniken aussah enthielt doch so viel mehr. Es war ein nahezu unverzichtbares Hilfsmittel für den wahren Kampf gegen einen anderen Kampfsport-Meister.

Er ließ sich etwas nach vorne fallen, die soeben noch ausgestreckte linke Hand wurde zu einer Faust und berührte die Stelle an der sonst das Kinn eines Gegners gewesen wäre. Doch schon danach ging er etwas weiter vor indem er den rechten Fuß kurz heranzog und den linken wieder ausstreckte und diesmal schlug er mit der rechten Faust in Richtung Solar Plexus.

Nun zog er den vordern Fuß heran und ließ ihn kurz zu einem Tritt nach vorne schnappen, zog ihn wieder zurück und vollführte einen Tritt bei dem er die Hüfte zur Seite streckte. Als er ihn absetzte drehte er sich um die Achse und zeigte einen hohen Roundhouse-Tritt mit dem hinteren Bein.

Als er wieder fest auf dem Boden stand, ging er in eine normal hohe Stellung, die Hüfte nach links gedreht, mit der rechten Hand einen Angriff von vorne nach oben abgewehrend mit der linken einen Angriff von hinten nach unten abgewehrend.

Die Rebellen und größtenteils auch Agenten glaubten, nur das Wissen um die pure Technik würde genügen um einen Kampf zu bestehen. Für Agenten war es eigentlich kaum nötig die wahre Kunst hinter diesem Ablauf zu kennen, aufgrund ihrer Schnelligkeit und Stärke brauchten sie sie gar nicht. Doch warum lernten die Rebellen sie nicht? Vielleicht weil sie einfach dachten, die zu der jeweiligen Kampfkunst gehörenden Katas ins Hirn zu laden, würde zu viel Platz beanspruchen, wenn man doch noch so viel anderes brauchte. Das man es auch einfach lernen konnte, dies aber jahrelanges Training erforderte, machte es für die Bedürfnisse der Rebellen ungünstig.

Dann vollführte er die letzte Bewegung der Kata, ein Schlag mit der ausgestreckten Hand nach vorne in den Brustbereich des Gegners aus einem tiefen Stand bei dem die Knie zur Seite gebeugt waren.

Mit jeder weiteren Bewegung verrauchten Zorn und andere Gedanken in der Kata.

Lancte zog langsam den rechten Fuß heran, während er die Knie langsam durchstreckte. Und nach dieser Anstrengung atmete er nicht einmal schneller. Sein Blick wanderte weiter nach rechts zur Eingangstür der Trainingshalle.

Etwas außerhalb seines Trainingsplatzes stand Angelin Johnson und beobachtete ihn. Sie kam nicht herum, ein Lächeln zu zeigen als sie ihn ansprach. "Nette Vorstellung."

"Danke", erwiderte er ohne weiter darüber nachzudenken.

"Ich dachte, wir könnten da weitermachen, wo wir das letzte mal aufgehört haben. Sie wollten mir anscheinend noch 'ne Menge beibringen." Langsam kam sie näher, die Sonnenbrille in der Hand wiegend als wäre sie ein lebendiges Wesen. "Mir wäre es jetzt recht."

Noch einmal ließ Lancte den Blick durch die Halle schweifen, nur um zu erkennen, dass außer ihnen beiden noch immer keiner anwesend war. Dann sah er wieder zurück.

"In Ordnung", antwortete er bereitwillig. Mit seiner Hand vollführte er eine Geste die ihr bedeutete her zu kommen, was sie auch tat. Schließlich standen die beiden sich gegenüber und gingen in Kampfstellung. Jedenfalls seine Rekrutin, die sich in einen mittelhohen Stand fallen ließ, die Hände ausgestreckt nach vorne. Agent Lancte bemühte sich noch nicht einmal um irgendeine Kampfposition.

Auf den fragenden Blick seiner Rekrutin, sagte er mit einem seltenen Lächeln: "Ich bin bereit." Dann bedeutete er ihr, den ersten Schlag auszuführen.

Diese Bitte ließ sie sich nicht zweimal geben und griff auch augenblicklich an indem sie ihr hinteres Bein plötzlich durchstreckte, sich etwas nach vorne fallen ließ und mit der linken Faust auf sein Kinn zielte. Doch wurde diese Standard-Attacke mit dem Einsatz von Lanctes rechter Hand abgewehrt, welche die Hand zur Seite, am Kopf vorbei, führte. Ihre nächsten Angriffe bestanden aus einer schnellen Kombination von Faustschlägen in den Oberkörperbereich, welchen Lancte zumeist auswich, sich dabei nur um die allernötigste Entfernung bewegte um nicht in eine ungünstige Position zu gelangen.

Anschließend brachte er sich selbst in eine Angriffsposition und vollführte einen Schlag mit der Rückseite seiner Faust welcher im letzten Moment durch einen Unterarm-Block abgewehrt wurde.

Angelin nutzte es sofort für einen Gegenangriff aus, indem sie mit der rechten seine Faust packte und mit der linken gegen seinen Hals schlagen wollte. Doch nur wenige Zentimeter vor dem Ziel packte Lancte ihr Handgelenk und stieß es zu Boden, während er mit dem anderen Arm im selben Moment eine Drehbewegung ausführte, welche seine Rekrutin zwang die Hand loszulassen, wenn sie sich nichts brechen wollte. Und noch bevor sie sich von der Überraschung erholen konnte, ließ er sich etwas nach vorne fallen, seine Handrücken krachten in mörderischer Geschwindigkeit gegen sie, ließen sie zurücktaumeln und sie musste erst wieder nach Luft schnappen um weitermachen zu können.

Verdammt schmerzt das, dachte sie.

Langsam wurde sie wütend. Nicht deswegen weil sie bisher keinen Treffer landen konnte, das verwunderte sie auch gar nicht. Jahrelange Erfahrung konnte sie ja auch nicht so schnell kompensieren. Nein, sie war wütend deshalb, weil Lancte sehr weit von seinem wirklichen Niveau entfernt kämpfte. Er hatte sich einfach nur für diesen Kampf auf ihr Niveau zurückbegeben.

Bewegungslos stand er auf dem Platz und schien beinahe gelangweilt.

Wieder füllte sie ihre Lungen mit Luft und stürzte sich wieder nach vorne in den Kampf, mit der rechten Faust einen Schwinger ausführte unter den er sich einfach wegduckte. Als sie mit einem Fußtritt nachsetzen wollte, schlug er ihren Fuß mit der rechten Handfläche zur Seite und konterte mit einem Fußtritt aus einer vollen Drehung, welcher Angelin dazu zwang, zurückzuweichen. Doch auch dann ging der Kampf im selben Tempo weiter, mit denselben Abläufen.

Angelin griff an, Lancte wehrte ab und setzte immer wieder Kontertechniken ein.

Also war sie gezwungen die Schwierigkeit der Techniken zu erhöhen, um wenigstens etwas besser dazustehen. Schnell überquerte sie die entstandene Entfernung zwischen ihnen und versuchte mit einem Halbkreisfußtritt gegen seinen Hals dessen Abwehr aus seiner Position zu bringen um einen Treffer erreichen zu können.

Lancte versuchte gar keine Abwehr und duckte sich so gut es ging unter dem Tritt hinweg und war so direkt in der Falle seiner Rekrutin wie er bemerkte. Doch da hatte er bereits einen harten Schlag in den Magen einstecken müssen, der ihn zurückweichen ließ.

Als er sie wieder aufsah, lächelte er. "Das war gut", lobte er sie. "Wirklich gut. Aber um sie bei Laune zu halten, was halten sie davon wenn ich jetzt den Kampf intensiviere?"

Sie blieb in einer hohen Kampfstellung, die Hände knapp vor den Körper gehalten. "Hab nichts dagegen."

Diesmal nahm Lancte eine Kampfstellung ein, welche auf seine Rekrutin lächerlich wirken musste. Sein vorderer Fuß berührte gerade einmal mit den Zehen den Boden, während das meiste Gewicht auf seinem hinteren Bein verlagert war. Doch das bizarreste an der Form, waren seine Arme. Stark abgewinkelt und in kreisenden Bewegungen beschützten seine Arme seinen Oberkörper und Nacken. Die Fingerspitzen berührten sich gegenseitig und schienen wie der Schnabel eines Vogels. Jeder Kämpfer der etwas auf seine Kempo-Kenntnisse hält, würde diesen Kampfstil erkennen. Kung-Fu im Stil der Gottesanbeterin.

Doch da das meiste Download-Martial-Arts Wissen nichts genaues über die Kampfstile berichtete und sämtliches Wissen auf Techniken und Stellungen basiert war, würde kaum einer der Rebellen oder Rekruten das zuordnen können.

Während Angelin mit einem direkten Faustschlag versuchte die Abwehr zu durchdringen, wurde sein Lächeln immer hinterhältiger. Dieser Kampf würde schnell vorbei sein.

Angelins Arm wurde zur Seite geschlagen, ebenso sämtliche weiteren Versuche einen Treffer zu landen. Und ehe sie sich versah, befand er sich nach mehreren kleinen Schritten bereits innerhalb ihrer Deckung. In rasender Geschwindigkeit kollidierten seine Hände mit ihrem Magen und Schulter, dann drehte er sich etwas zur Seite, seinen rechten Arm nach oben bringend und ließ ihn auf das Kinn seiner Rekrutin krachen.

Und noch bevor sie außerhalb der Reichweite war, packte er ihre beiden Handgelenke und drückte sie vor ihre Brust.

"Jetzt wäre es klug aufzugeben", sagte er leise.

"Vergessen sie's", gab sie zischend zurück, während seine Hände ihre Handgelenke zu zerreiben schienen.

Augenblicklich trat Angelin mit ihrem rechten Fuß nach Lanctes Kniescheibe und hätte sie auch beinahe gebrochen, hätte er nicht durch sein schnelles Reaktionsvermögen ihre Arme losgelassen und den Tritt mit der flachen Hand abgeblockt. Und dann ließ er ihr keine Zeit zum Reagieren mehr.

Seine Faust traf direkt auf ihr Kinn und wurde von einem Schlag mit der flachen linken Hand aus einer dreihundertsechzig Grad Drehung weitergeführt die wiederum zu einem rechten Schwinger führte.

In einem Sekundenbruchteil von Ereignissen traf Lanctes Schlag auf einen notdürftig errichteten Block, welcher von einem seitlichen Fußtritt seitens Angelin Johnson gefolgt war und zur Überraschung traf.

Doch Lancte bremste den Rückstoß einfach ab, indem er seinen linken Fuß nach hinten streckte und augenblicklich war er wieder im Gleichgewicht, welches seine Rekrutin zuerst wiederfinden musste.

"Sie haben Fortschritte gemacht. Gut. Wie sieht es denn mit Schusswaffen aus?", fragte er sie ohne weiteres, die Sonnenbrille verdeckte das stolze Blitzen seiner Augen.

"Ganz gut. Ich habe ja früher schon einmal in einem Schützenverein mitgeschossen, deshalb bereitet das am wenigsten Probleme." Sie atmete zwischen den Satzteilen mehrmals stark ein und aus um ihre Lungen mit dringend benötigtem Sauerstoff zu füllen.

"Es war ein harter Tag für sie. Ruhen sie sich aus und kommen sie morgen früh um acht Uhr in mein Büro. Nummer 2735. Ich werde sie dann mit jemandem zum Dienst einteilen."

Damit hatte er eigentlich gehen wollen doch Angelin sagte noch etwas, dass ihn stoppen und noch einmal umdrehen ließ.

"Ich wollte mich noch dafür bedanken, dass sie mich gerettet haben", sagte sie, kurz bevor sie ihm einen Kuss auf die Wange drückte . . . und schnell den Trainingsraum verließ.

Und Jake Lancte konnte nicht mehr tun, als ihr verdutzt hinterherblicken.
 

Was habe ich nur getan, fragte sie sich erschrocken, als sie den Gang zu ihrem Raum schnell hinter sich brachte und die Türe hinter sich schloss.

Sie ließ sich aufs Bett fallen, welches in der hinteren rechten Ecke des Zimmers untergebracht war und wälzte sich unruhig darauf herum.

Wieso? Warum ausgerechnet das?

Kurz schloss sie ihre Augen und atmete mehrmals durch um ihr rasend schnell schlagendes Herz wieder zu beruhigen. Als sie aber bemerkte, dass das alles nichts brachte öffnete sie ihre Lider wieder und starrte die Unebenheiten der Deckentapezierung an. Schließlich konnte sie das ganze nicht auf jugendliche Verliebtheit abschieben, nicht im Alter von sechsundzwanzig. Aber die letzten vierundzwanzig Stunden waren eben doch viel zu schnell in einem rasenden Licht abgelaufen, zusammen mit der Erkenntnis einer viel zu tief mit Emotionen verbundenen Wahrheit.

Es ist nur der Stress, welcher dich dazu getrieben hat Angelin, sagte sie zu sich selbst. Nichts, um was sie sich Sorgen machen musste. So etwas würde schon nicht mehr vorkommen. Nein, so etwas durfte nicht wieder vorkommen.

Doch obwohl Angelin müde war, konnte sie sich nicht dazu bringen, die Augen zu schließen und einzuschlafen, so sehr setzten sie ihre Gefühle in einen inneren Aufruhr. Also versuchte sie an etwas friedliches zu denken.

Und das erste an das sie dachte, war ihre Großmutter. Obwohl sie schon vor Jahren gestorben war und es ein harter Verlust für Angelin gewesen war, stellte sich bei den Erinnerungen an die schöne Zeit mit ihr, wenigstens so etwas wie Waffenruhe ein. Eine Situation, in welcher der Schlaf ruhig kommen konnte. Großmutter wirkte wie eine Krankenschwester, welche auf dem Schlachtfeld während einer Feuerpause Medikamente und schmerzlindernde Mittel verabreichte.

Und in dieser kurzzeitigen Friedfertigkeit fand Angelin wieder die Fähigkeit des Schlafens. Und zum erstenmal seit Jahren dauerte dieser Schlaf weit mehr als vier Stunden.
 


 

Ende Kapitel 7

Schichten

Kapitel 8

Schichten
 

Samuel Johnson hatte vor drei Monaten seinen 54. Geburtstag gefeiert und verbrachte den frisch angebrochenen Tag in seinem Büro des 32. Polizeireviers in Boston. Sein langsam gräuliches färbendes Haar saß gepflegt wie ein britischer Rasen auf seinem Kopf. Das Sakko welches er trug, wirkte aber bei weitem nicht so gut gepflegt, sondern eher wie die Kleidung eines Bettlers an einem guten Tag. Ebenso waren in seinem Gesicht Bartstoppeln zu erkennen, welche darauf hindeuteten das eine Rasur wieder nötig wäre.

Sammy, wie er von seinen Kollegen und Stammkunden zumeist nur genannt wurde, konnte im wesentlichen auf eine erfolgreiche Karriere innerhalb der Polizei zurückblicken, welche er in 34 Jahren Dienst zurückgelegt hatte. Immer eine Sprosse höhergeklettert, hatte er es bis zum Chief Detective gebracht.

Doch genauso wie er auch wusste, dass sein Lebenslauf mehr als zufriedenstellend gewesen war, musste er auch erkennen das seine Polizeilaufbahn mit diesem Posten sein Ende erreicht haben würde. Schließlich waren es nur noch wenige Jahre bis zu seiner Pensionierung und er hatte keinerlei Ahnung was er danach tun sollte.

Vielleicht eine Wohnung in Florida beziehen, oder ein Haus in der Nähe eines Sees bauen in welchen er jeden Tag seine Angelrute werfen konnte und wie jeder senile alte Mann seine Zeit damit verschwenden.

Nein, Sammy wusste das so etwas für ihn nicht in Frage kommen würde. Lieber eine Weltreise mit seiner Frau Estefania machen.

Selbst an diesem Tag konnte er sich immer noch wundern, wie sie, seine Italo-Blut haltige Frau es schaffte, dass man ihr das Alter von 52 Jahren überhaupt nicht ansah, wenn man nicht absolut scharf hinsah und das obwohl sie kaum Kosmetika benutzte und auch sonst keine der bei Schauspielern üblichen Schönheitsoperationen durchführen ließ.

Ja, das wäre es. Eine Weltreise um dieses Land für eine Weile zu verlassen, vielleicht ein halbes Jahr oder länger. Länder wie Australien und Japan besuchen, auf den Hawaii-Inseln Andenken kaufen und Sehenswürdigkeiten in Europa bestaunen.

Er sah kurz hinüber auf die Wanduhr und sie zeigte ihm 5:18 Uhr an. Also noch etwas mehr als vierzig Minuten und sein Dienst wäre für heute beendet.

Nun ja, im Büro gab es ja nichts mehr zu erledigen, der Schreibtisch war aufgeräumt, die Papierkörbe geleert und selbst der ständig an Wassernot zu leidende Kaffee-Automat schien sich zum ersten Mal mit der eingefüllten Menge an Flüssigkeit begnügen zu können.

Demnach blieb nur noch eins zu tun: Nämlich auf die Ablösung warten und darauf achten, nicht einzuschlafen.

Während er so in seinem Büro saß, dachte er an die verschiedenen Dinge welche er in all den Dienstjahren herausgefunden hatte.

Da gab es zum Beispiel diese mysteriösen Männer welche sich selbst als ,Agenten' bezeichneten. Und obwohl es sich dabei auf den ersten Blick um eine autonome Organisation zu handeln schien, hatte er den Eindruck das es andere gab die diesen ,Agenten' übergestellt waren. Er hatte einmal kurz aufgeschnappt wie zwei von diesen über eine andere Einheit gesprochen haben.
 

"Die Situation hat sich drastisch verändert, Agent Barkeley. Sie entspricht nicht mehr den erhaltenen Vorgaben. Wir sollten die Intelligences um einen Vorschlag über das weitere Vorgehen bitten."

"Die Situation hat sich verändert, Agent Baxter. Es besteht aber keinerlei Grund für eine Einschaltung der Intelligences. Es wird weiter wie geplant vorgegangen."
 

Intelligences, so hatte dieser Agent Baxter die andere Gruppe genannt. Waren die Agenten etwa keine Befehlsgeber sondern nur diejenigen die sie ausführten? Was steckte noch dahinter?

Er holte aus seinem Schreibtisich einige Notizzettel hervor und fing damit an, sie mit Vermutungen und Fakten zu füllen. Innerhalb weniger Minuten schaffte er es, alle seine vorherigen Gedanken über die ,Agenten' zu Papier zu bringen.

Doch waren diese Aufschriebe nicht die ersten gewesen, die er zu dem ganzen Thema gemacht hatte, so legte er sie alle nebeneinander, in der Hoffnung in diesem ganzen Durcheinander an Informationen und Ideen eine logische Handlung zu finden, einen roten Faden welcher sich durch alles zog und dem man zum Ursprung zurückverfolgen konnte.

Ohne irgendein für das menschliche Ohr wahrnehmbare Geräusch sprang die Digitaluhr, welche über der Tür seines Büros hing und doch gleichzeitig etwas unter dem Jesuskreuz, auf 5:32 Uhr um.

War die Frage welcher er zuerst auf den Grund gehen wollte noch gewesen, was für eine Organisation die Agenten waren, wurde dies alles nun um eine Frage reicher.

Wer waren die ,Intelligences'?

Samuel Johnson hatte schon lange gelernt, dass man sämtliche Formen der verschiedenen Gesellschaften auf drei einfache Dinge zurückführen konnte. Er erinnerte sich genau an das, was sein Geschichtslehrer, schon damals ein mit Falten überzogener alter Mann namens Mr. Ridley ihnen immer wieder eingetrichtert hatte.

"Jede Gesellschaft und jede Nation kann auf drei immer wieder auftauchende grundlegende Dinge beschränkt werden, seien es wir Amerikaner, die Franzosen oder sogar die Russen." An dieser Stelle hatte er eine Pause gemacht um seinen Schülern sowohl Zeit zu geben darüber nachzudenken, als sowohl auch anzudeuten, dass diese drei Länder nur Beispiele waren. "Ich rede hier von Legislative, der gesetzgebenden Gewalt durch den Staat, die Judikative, die richterliche Gewalt durch die Gerichte und die Exekutive, die ausführende Gewalt durch Polizei und Geheimdienste."

Und wenn man darüber nachdachte, hatte jedes Wort der Wahrheit entsprochen auch obwohl manches mal die einzelnen Organisationen über die Stränge ihrer Befugnisse geschlagen hatten.

Und die Überlegungen die Samuel nun machte trieben ihn zu dieser Erinnerung zurück, wie Piraten die ihr Opfer von der Planke fallen sehen wollten.

Aber wenn die Agenten die Exekutive Gewalt waren und die Intelligences die Judikative, wer war dann noch übrig als Legislative Gewalt? Der Staat? Oder vielleicht jemand völlig anderes? Samuel wusste es nicht und war sich sicher, dass er die Antwort darauf nie erfahren würde und jetzt, als er über dies alles nachdachte machte sich in ihm ein Gefühl breit, dass er schon sehr oft verspürt hatte, zog und zerrte an seinem Magen und ihm wurde schlecht davon. Ein Kloß bildete sich in seinem Hals und er war knapp davor sich zu übergeben.

Angst. Ja, bei Gott, er hatte Angst. Und zwar eine solche Angst, dass sämtliche klaren Gedankengänge vorerst außer Funktion gestellt waren. Doch während er sich langsam wieder beruhigte, schaltete die Uhr auf 5:41 Uhr um. Langsam nahm er die 38.er Special aus seinem Schulterhalfter und überprüfte die Munitionskammern. Er fand alle aufgefüllt vor, doch steckte er den Revolver nicht wieder ins Halfter zurück, sondern behielt ihn in der Hand. Und obwohl seine Angst eigentlich unbegründet war, da niemand von seinen Überlegungen wusste - verdammt, er hatte noch nicht einmal seiner Frau davon erzählt - nahm seine Angst nicht ab und die Waffe in der Hand ließ ihn sich irgendwie auch nicht sicherer fühlen.

Als nächstes griff er zu seinem Aktenkoffer und begann damit die Papiere auf seinem Tisch in den Koffer hineinzuwerfen.

Samuel sah noch einmal auf die Uhr. 5:58 Uhr. Er warf die letzten zwei Papierstücke hinein und schloss den Koffer schnell. 5:59 Uhr. Kräftig schritt er auf die Tür zu und machte sich auf den Weg zum Ausgang. An der Vordertür verabschiedete er sich noch von den anderen und ging auf den Parkplatz südlich des Polizeireviers, wo er sein Auto abgestellt hatte.

Insgesamt wurde der Parkplatz nur von einer einzigen Straßenlaterne beleuchtet, welche im Zentrum dieser Anlage stand. Die Straßen waren verlassen und noch nicht einmal ein Windhauch fuhr durch die asphaltierte Gegend dieses Bezirks.

Sammy öffnete den Kofferraum seines Fords und legte die Aktentasche hinein. Nachdem er den Kofferraum geschlossen hatte und sich bereits auf die Fahrerseite setzen wollte, hörte er hinter sich plötzlich eine Stimme, die ihn herumfahren ließ.

"Entschuldigung. Haben Sie Feuer?"

Sammy wirbelte herum und sah sich einem ihm Unbekannten gegenüber. Und beinahe hätte er sein Gegenüber erschossen, als er ihn so erschreckt hatte, doch nun fühlte er sich wieder sicherer.

Die Stimme gehörte zu einem etwas über vierzigjährigen Amerikaner, dem Tonfall nach kam er aus einem Vorort New Yorks, der in einen bis auf den Boden reichenden Ledermantel eingehüllt war und in der linken Hand eine Zigarettenschachtel hielt.

"Tut mir leid, falls ich sie erschreckt habe", sagte er dann weiter. "War echt nicht meine Absicht."

Samuel winkte ab. "Macht nichts. Hier", sagte er und hielt ihm eine Packung Streichhölzer hin, die der andere ohne zu zögern nahm. Der New Yorker Bürger nahm eine seiner Zigaretten in den Mundwinkel und zündete sich dann ein Streichholz an. Dunkle Schatten fuhren über sein Gesicht als das Licht des brennenden Streichholzes darauf einfiel und kurz darauf wieder verlosch.

Doch diese Sekunden hatten ausgereicht um seine Ängste von vorher wieder zum Leben zu erwecken, als er den kalten und starren Blick in den Augen des anderen Mannes erkannte. Und genauso schnell wusste er mit einer unbegründbaren Sicherheit, dass der andere ihn töten wollte. Samuel Johnson wich einen Schritt zurück, die Augen angsterfüllt geweitet, während er mit seiner rechten Hand zur Pistole in seinem Schulterhalfter griff.

Doch bevor er die Pistole auf den anderen richten konnte, war dieser schon knapp vor ihm und vollführte eine seltsame Bewegung mit seiner rechten Hand. Vor Schmerz ließ Samuel die Waffe los, die mit einem blechernen und gleichzeitig endgültigen Klonk auf den Boden aufschlug. Und nach der nächsten Bewegung seines Angreifers explodierte ein höllischer Schmerz in seiner Brust, direkt an der Stelle wo seine Lunge war. Ungläubig starrte er nach unten und sah die Klinge - sie besaß eine Länge von ungefähr zehn Zentimetern - die nun wieder herausgezogen wurde.

Vielleicht hätte ja bereits diese Wunde ausgereicht um ihn zu töten, aber sein Angreifer wollte unbedingt sichergehen. Als nächstes stieß er dem älteren das Messer in den Magen und riss ihm mit einer geraden Bewegung nach oben den Brustkorb auf.

Blut floß aus Samuel Johnson heraus wie Öl aus einer Maschine die ein großes Leck aufweisen konnte und vermischte sich auf dem Boden des Parkplatzes mit Überresten von Regenpfützen. Seine Sicht verschwamm und er wusste, dass kein Wunder der Welt es noch zustande bringen könnte, dass er dies überlebte.

Am Rande seiner Wahrnehmungsfähigkeit konnte er noch hören, wie sein Mörder die Türe seines Wagens öffnete und ihn dann langsam in den Fahrersitz sinken ließ und anschließend anschnallte, damit sein Kopf nicht auf das Lenkrad fiel und die Hupe auslöste.

Doch das was darauf kam, nahm er schon nicht mehr wahr, so weit war er bereits ins Delirium vorgedrungen. Er bemerkte nicht mehr wie der Kofferraum geöffnet wurde und seine Aktentasche mit sämtlichen Unterlagen mitgenommen wurde, noch wie sein Mörder die Straße entlanglief als wäre nichts geschehen.

Stattdessen sah er vor seinem geistigen Auge ein kleines Mädchen, welches in einem schillernden Badeanzug um einen Gartenschlauch herumhüpfte und die Aufmerksamkeit seiner Eltern auf sich ziehen wollte. Dieses kleine Mädchen war seine Tochter Angelin und mit schmerzhaftem Blick kam die Erkenntnis, dass er niemals einen Enkel haben würde, dem er Geschichten erzählen konnte oder mit dem er Eis essen konnte und herumalbern.

Und jetzt, als der Tod nur noch wenige Sekunden entfernt war, versuchte er noch einmal dieses Bild des kleinen Mädchens heraufzubeschwören, auf das diese Erinnerung ihn in den Tod begleiten würde.

Doch sein letzter Blick fiel auf den verrosteten Pick-Up der Marke GMC welcher in der Parklücke vor ihm stand.
 

Ende Kapitel 8

Okay, dies hier ist definitiv das kürzeste Kapitel dieser Geschichte mit gerade einmal ungefähr 2.100 Worten und kann eigentlich auch als eigene Geschichte gesehen werden, doch ich habe mich aus einigen Gründen dafür entschieden, das hier hereinzubringen um die Beziehung zwischen meinen beiden Hauptcharakteren voranzubringen. Und jetzt hatte ich es auch geschafft, zum ersten Mal die sogenannten ,Intelligences' ins Spiel zu bringen, sei es auch nur durch Erwähnung.

Nun ja, da dieses Kapitel recht kurz war, wird dafür das nächste umso länger, welches ich ,Familie' nenne.
 

Jetzt noch zu einigen Fragen die ihr euch stellen werdet.
 

1. Wieso hat der Rebell ihn umgebracht?

Antwort: Ich hatte mir eigentlich immer die Frage gestellt, was mit den Leuten passiert, welche von den denjenigen zurückgelassen wurden, welche über die Matrix Bescheid wissen. Und dabei habe ich mir gedacht, dass Agenten die Hinterbliebenen nicht umbringen, da sie ja jede einzelnen von ihnen als Batterie sicher haben wollen. Aber da die Rebellen idealistisch anders eingestellt sind als die Agenten, bin ich mir sicher das einige von ihnen die Ablehnung des Angebots zur ,Befreiung' als Verrat ansehen und es gibt immer welche, die sehr viel von Blutrache, sprich die Familie büßt für das Vergehen eines ihrer Mitglieder.

2. Warum hat der Rebell die Aktentasche mitgenommen?

Antwort: Tatsächlich enthielten seine Notizen eigentlich nur Informationen und Vermutungen über die Agenten und Intelligences und nicht viel konkretes über die Rebellen. Und wenn die Agenten diese Aufschriebe gefunden hätten, hätten sie sicherlich einen Weg ausfindig machen können, mit dem sie öffentlich gesehen ein besseres Auftreten gehabt hätten. Es hätte auch passieren können (Wären die Aufschriebe veröffentlicht worden), dass sich die Menschen in der Matrix in zwei Gruppen zersplittert hätten, einer Pro- und einer Kontra-Matrix Gruppe. Daraufhin hätte ein offener Kriegszustand entstehen können, den weder Agenten noch Rebellen akzeptieren würden.
 

Bis zum nächsten Kapitel.

Euer Hibiki.

Familie

Kapitel 9

Familie
 

New Yorks ansonsten zu dieser Jahreszeit mehr graue Wolkendecke hatte nach einem weiteren Schneefall langsam eine klare und unwirklich erscheinende Sicht auf den Nachthimmel und mehrere Sternbilder freigegeben.

Leichte Schneeüberreste vermischten sich in Regenpfützen zu einer tristen Masse aus Matsch und hinterließen seltsame Geräusche als Autos unterschiedlicher Größenordnung über sie fuhren, den Dreck zur Seite spritzen ließen und man die Fahrbahn immer mehr als Aquaplaning-Gefahr bezeichnen konnte.

Menschen warteten in den U-Bahnstationen auf die getreu fahrenden Reisegelegenheiten in die anderen Stadtteile New Yorks, auf dem Weg zur Arbeit oder zurück nach Hause zu ihren Familien.

An ewig lang roten Ampeln ließen die verärgerten Autofahrer Konzerte mit ihren Hupen spielen, die aber dann aufhörten als endlich auf Grün gewechselt wurde und der Vordermann losfuhr.

Und um halb acht Uhr morgens war dies ein völlig normaler Anblick dieser großen Stadt an der Ostküste der Vereinigten Staaten.
 

In seinem Büro saß ein gelangweilter Agent Lancte und schaltete den Fernseher von Programm zu Programm, in der Hoffnung etwas interessantes zu finden.

Inspektor Columbo lief einen Hotelflur entlang. "Ich hätte da noch eine Frage, Sir", sagte er, während er sich mit der rechten Hand, welche eine Zigarre hielt, über die Stirn fuhr.

Lancte schaltete ein weiteres Mal das Programm um und erwischte eine Nachrichtensendung.

"Stürme haben in Puerto Rico schwere Schäden in Wohngebieten angerichtet. Offizielle Stellen haben bekanntgegeben, dass die Zahl der Verletzten auf über dreihundert angestiegen ist. Tote sind bisher noch nicht zu beklagen."

Wie lange war es jetzt her, seit er das letzte Mal eine Nachrichtensendung gesehen hatte? Es musste schon einige Jahre her sein, denn genau konnte er sich nicht mehr daran erinnern. Doch wenn er es sich genau überlegte, wollte er nie wieder eine Nachrichtensendung sehen. Nicht deswegen, weil einige der Informationen komplett falsch waren die verbreitet wurden, sondern aus einem ganz banalen Grund. Es war die Tatsache, dass die Sprecher Nachrichten von Tod und Verwüstungen immer mit demselben aufdringlichen Lächeln herüberbrachten mit dem sie auch den Wetterbericht bekanntgaben.

Soeben erreichte unsere Nachrichtenredaktion die Mitteilung, dass Samuel Johnson, Mitarbeiter des Bostoner Police Departments -

Beinahe hätte Agent Lancte ein weiteres Mal die Umschaltfunktion der Fernbedienung gedrückt, als der Name ein bestimmtes Detail in seiner Erinnerung wachrief. Dieser Samuel Johnson war der Vater seiner Rekrutin!

- vor zwei Stunden tot auf dem Parkplatz des 32. Polizeireviers aufgefunden wurde. Der Mord wurde von dem mit dem Fall betrauten Beamten als ,grauenhaft und erschreckend' bezeichnet. Anscheinend wurde mehrere Male auf den 54-jährigen eingestochen, bevor man ihn in sein Auto verfrachtete -

Kurzzeitiger Schock verwandelte sich augenblicklich in hektische Betriebsamkeit. Im Moment fiel ihm nur einer ein, der ihm Antworten auf seine Fragen geben konnte.

"Agent Jones hier", hörte er durch den Kommunikator.

"Jones, ich bin's, Lancte. Hast du gerade einen Fernseher oder irgendwas anderes zur Verfügung? Wenn ja, dann schalte sofort auf CNN um und sag mir, was du denkst."

Nun blieb es einige Augenblicke stumm, doch dann konnte Lancte ein schlecht unterdrücktes "Scheiße" hören.

"Genau das habe ich auch gedacht, als ich den Bericht gesehen habe. Hör zu Jones, ich brauche den kompletten Polizeibericht über die Sache und wie es jetzt aussieht. Vermutungen, Hinweise, einfach alles was du finden kannst. Ich möchte wissen ob die Sache mit meiner Rekrutin zusammenhängt, oder es ein ganz gewöhnlicher Irrer gewesen ist. Danach werde ich mit meiner Rekrutin Angelin Johnson dort hingehen und mir die Sache ansehen."

"Okay, Jake. Den Ermittlungsstand kann ich dir in ein paar Minuten per Mail rüberschicken."

"Gut. Verdammt, sie wird um Punkt acht Uhr durch meine Tür spazieren und ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll."

"Sag ihr einfach die Wahrheit. Das ist wahrscheinlich am besten."

"Leichter gesagt, als getan. Na schön, mal sehen wie es läuft."
 

Der Bericht traf fünf Minuten später ein und umfasste ein kurzes medizinisches Gutachten über die Wunden, einige Randbemerkungen des Polizisten welcher die Untersuchungen leitete, laut der Eintragung ein Mann namens Randolph Orton. Aber wie schon erwartet stand in dem Bericht nichts genaues, dass eine Einmischung der Rebellen bewiesen oder geleugnet hätte. Genaugenommen war er wieder am Anfang angekommen. Doch das einzige was seine Aufmerksamkeit ansprach war eine kleine Randnotiz die wahrscheinlich Randolph Orton geschrieben hatte. Vielleicht lediglich zur genaueren Untersuchung, aber es war etwas an dem man die Spur ansetzen konnte.

Das was auf den ersten Blick wie irgendein weiterer Polizistenmord, wie es ihn in Banden- und Drogendelikten immer wieder vorkam, scheint, erweist sich meiner Ansicht nach als nicht zutreffend. Zum ersten die Anordnung der Messerstiche, welche mit einer Waffe zugefügt sein mussten, deren Klinge zumindest fünfzehn Zentimeter betragen musste. Zusätzlich dazu ist dies nicht das erste Mal das Leute mit denselben Wunden gefunden wurden, zumeist unbescholtene Bürger, denen man keinerlei Verbindung zu Gangstersyndikaten oder sonstigem nachsagen konnte.

Aufgrund dessen erscheint mir dies alles mehr wie eine Art Hinrichtung und Warnung an bestimmte Leute zu sein.

Damit hatte die Notiz geendet und keinerlei Anhaltspunkte auf den Täter waren zu finden.

... nicht das erste Mal ...

Diese eine Bemerkung reichte aber dennoch aus, Lancte nachdenklich zu machen. Das bedeutet, es gab also schon mehrere solcher Delikte, fasste er das gelesene zusammen.

Mit einem Klick auf ein Browserfenster welches vom Computerbildschirm angezeigt wurde, konnte er direkt darauf zugreifen was an Verbrechen in den letzten zwanzig Jahren geschehen war. Nachdem er die Suchfunktion aktiviert hatte, erhielt er innerhalb der ersten fünf Minuten drei Ausschläge und immer weiter. Insgesamt hatten sich in den letzten zwanzig Jahren bis zu einhundertsiebenundachtzig Fälle dieser Art gesammelt, bei denen der Mörder mit derselben Methode vorgegangen ist.

"Anscheinend haben die Rebellen tatsächlich etwas damit zu tun", murmelte er vor sich hin, während er sich überlegte wen er um die Bestätigung seines Verdachtes bitten könnte. Und er wusste sofort, wen er um eine Antwort bitten konnte.

Lancte loggte sich daraufhin in einen unter Hackern stark benutzten Informationsdienst ein. Und er musste nur wenige Augenblicke suchen, bis er gefunden hatte, wen er suchte.

Anubis eingeloggt

Gaia: Hallo Anubis

Anubis: Hi, Schwesterchen

Hoppspring: Warst ja schon lange nicht mehr da

Anubis: Weiß ich. Hey Hopsy, kannst du dich mal kurz ausloggen? Hab was wichtiges mit Gaia zu besprechen.

Hoppspring: Oookkaayy. Aber nenn mich nie wieder Hopsy!

Hoppspring ausgeloggt

Gaia: Also, was ist?

Anubis: Ich brauche Hintergrundinfos über eine mögliche Racheaktion von Rebellen.

Gaia: Na schön, ich kann mal sehen was ich rausbekomme. Um was geht's?

Anubis: Um den Mord an einem Bostoner Polizisten namens Samuel Johnson. Am besten wäre es, wenn ich den Namen seines Mörders wüsste.

Gaia: Du verlangst ja 'ne ganze Menge, aber gut. Bin gespannt was diesmal da rauskommt.

Anubis: Danke.

Gaia: Kein Problem. Ich schicke das Zeug dann an deine E-Mail Adresse.

Gaia ausgeloggt

Anubis ausgeloggt

Und nun konnte er nicht mehr tun als sich zurückzulehnen und abwarten was als nächstes geschah. Was er seiner Rekrutin sagen würde, wusste er nicht. Aber seine Worte würden sich aus ihren Reaktionen zusammensetzen. Das war das einzige, was dem Meisterstrategen nun noch einfiel.
 

Agent Lancte steuerte den schwarzlackierten Ford GT über die mit Vormittagsverkehr gefüllten Straßen Bostons, und während sein Körper für das Fahren zuständig war, arbeitete sein Geist fieberhaft wieder und immer wieder das Gespräch durch, welches er und Angelin Johnson kurz nach acht Uhr gehabt hatten.

Pünktlichkeit wird überall in der Welt groß geschrieben, denn viele Dinge richten sich danach. Und obwohl die Agency zu dem ganzen keinen Unterschied machte, entstand dieses Wort hier in einer völlig neuen Dimension, denn hier wurde sie gelebt.

Zwei Minuten vor acht Uhr hatte sich die Tür seines Büros geöffnet und im Türrahmen eine nicht gerade ausgeruhte Angelin Johnson enthüllt. Mit einer auffordernden Handbewegung deutete er auf den Stuhl gegenüber seines Schreibtisches.

Das Gespräch hatte damit geendet, dass ein Agent des Systems, der früher ein Mensch mit allen Zugaben gewesen war, eine Rekrutin in den Armen hielt welche völlig, die einen bedauernswerten Eindruck auf ihn hinterließ. Und wenn er so darüber nachdachte, fiel ihm auf das er nach dem Tod seines Vaters, wahrscheinlich einen genauso jämmerlichen Eindruck gemacht hatte.

Während außerhalb des Wagens andere Autos vorbeifuhren, konzentrierte sich Agent Lancte auf die Straßenschilder um ja nicht die Abzweigung zur Polizeistation zu verpassen.

Fünfzehn Minuten später hatten sie die Polizeistation erreicht und auf dem Parkplatz tummelten sich Cops, Reporter und sonstige Schaulustige die immer dort zu finden waren, wo etwas passiert war.

Lancte fuhr die Einfahrt hinauf und stellte den Wagen auf einem der Besucherparkplätze ab und zusammen mit seiner Rekrutin ging er hinüber zu den Cops.
 

Randolph Orton besaß eine stattliche Größe von ein Meter fünfundachtzig. Er war schon fünfundfünfzig Jahre alt und hatte in seiner Beamtenlaufbahn einiges gesehen. Und die Tatsache, dass seine Hautfarbe noch dazu schwarz war, machte ihm so manchen Tag schwerer als er schon war, vor allem wenn junge weiße in das Revier gebracht wurden, wegen irgendwelcher Schlägereien in Bars oder Autodiebstahl und ihn deswegen mit Ausdrücken wie ,Nigger' oder sonstigem belegten, weil sie dachten sie wären etwas besseres weil ihre Haut heller war als die seine.

Er hatte die beiden erst bemerkt, als sie noch fünf Meter von ihm entfernt waren und hob die Hand, während er langsam auf die beiden zuschritt.

"Es tut mir leid", brachte er höflich hervor, "aber ich muss sie bitten, weiterzugehen. Wir untersuchen hier ein Verbrechen und haben mit den anderen Schaulustigen schon genug zu tun."

Der Mann und die Frau blieben kurz vor ihm stehen. Sie trug einen Schleier von Traurigkeit um sich herum, vereinzelte Tränen konnte er in ihren Augenwinkeln ausmachen, die sich dort eingenistet hatten. Er hingegen war von völlig anderer Statur. Den Kopf erhoben und die Schultern gespannt, schien es als würde er sich auf einen Angriff vorbereiten um ihn gnadenlos abzuwehren.

Randolph Orton erinnerte die Haltung des Mannes an die eines Raubtieres, jemandem der in einer Sekunde Trost spenden und in der nächsten brutal und unberechenbar zuschlagen konnte. Orton hatte schon einmal so jemanden gesehen und obwohl es bereits nun schon zehn Jahre sein mussten, hatte sich dieses Gesicht in sein Gedächtnis eingebrannt.

Er erinnerte sich an den Terror-Anschlag auf eine Poststelle Bostons. Und dieser Mann hatte wie ein Besessener gegen die Terroristen gekämpft, hatte einen nach dem anderen zu Fall gebracht, so lange bis ein Schuss aus einem großkalibrigen Gewehr ihn gestoppt hatte.
 

Thomas Lancte, der fünfzigjährige Rekrut wusste nicht wie er aus dieser Situation herauskommen sollte. Er hatte den größten Fehler in seinem Leben gemacht. Eine Regel für die Rekruten innerhalb der Agency war, Rekruten niemals alleine Jagd auf Rebellen machen zu lassen, vor allem nicht Frauen.

Und nun hatte er diese Regel missachtet und befand sich im Kreuzfeuer zwischen Agenten und Rebellen. Den Kommunikator war im Faustkampf mit einem Rebellen zu Bruch gegangen und nicht mehr einsatzfähig, seine Munition ging zu Ende und er konnte mit keiner der beiden Seiten Kontakt aufnehmen.

Er dachte an seine Familie die zu Hause im New Yorker Vorort Princeton lebten und auf seine Rückkehr warteten.

Und tief in seinem Bewusstsein wusste er, dass er sie nie mehr wiedersehen würde.

Aber noch nicht jetzt, nicht solange er noch Luft in den Lungen hatte und sein Herz schlug.

Zum letzten Mal lud er die Pistole und öffnete die Sicherung.

Thomas Lancte erhob sich aus seiner Deckung, den Arm ausgestreckt und immer wieder zog er den Abzug zurück, hörte das Aufpeitschen seiner Waffe und sah das Mündungsfeuer. Jeder Schuss traf mit seinem vorherbestimmten Ziel und dezimierte die Zahl der Rebellen ständig. Irgendwie schien es, als würde eine übergeordnete Macht seine Hand über ihn halten, die verhinderte das feindliche Salven ihn trafen.

Schlussendlich waren nur noch zwei Rebellen übrig und sein Magazin war leergeschossen. Thomas ließ die Waffe zu Boden fallen und rannte auf sie zu, die Kugeln trafen ihn immer noch nicht.

Innerhalb von ein paar Sekunden hatte er sie erreicht und ließ seine Faust in den ungeschützten Hals eines Rebellen krachen, tötete ihn damit in einem Sekundenbruchteil. Seine Hand packte die Pistole die sein Opfer gehalten hatte und richtete diese auf den letzten seiner Gegner und in einem letzten Blitz wich aus dem Leben aus diesem.

Thomas war der letzte Mensch in der Halle der noch stand, soweit er es beurteilen konnte. Das Schießen hatte aufgehört und er stand da, nicht in der Lage zu glauben was geschehen war. Doch dann spürte er, wie etwas in seine Brust einschlug und als er nach unten sah, erblickte er die zerfetzte Haut und das Blut, welches wie wild aus der Wunde floss. Erst jetzt drang der Laut des Schusses bis an sein Gehirn vor und er starb noch an Ort und Stelle, ohne erfahren zu haben, von woher der Schuss gekommen war und wer ihn abgefeuert hatte.
 

Randolph Orton hatte das alles beobachtet und nun stand eine um einiges jüngere Version dieses Mannes vor ihm. War das etwa sein Sohn ...? Er schob den Gedanken zur Seite als sein Gegenüber zu sprechen begann.

"Ich fürchte sie verwechseln uns", sprach dieser. "Ich bin Agent Jake Lancte, dies hier ist meine Partnerin Angelin Johnson. Wir sind im Auftrag der Regierung tätig und untersuchen die Vorfälle die in Zusammenhang mit Terrorismus zu tun haben."

"Wie kommen sie darauf, dass der Mord an einem Polizisten mit Terrorismus zu tun hat?", hakte Orton nach.

"Meine Partnerin erhielt vor nicht allzulanger Zeit ein Angebot von Terroristen, doch schloss sie sich uns an. Wir vermuten nun, dass dies als Racheakt gemeint ist."

"Racheakt ... Sie meinen doch nicht etwa, dass dies ..."

"Doch. Das Opfer war der Vater meiner Partnerin."

Orton blickte nun verlegen und traurig zu ihr hinüber. "Tut mir leid ... Das mit ihrem Vater und so ...", er wandte sich nun wieder zu Lancte. "Wollen sie bei den Ermittlungen mithelfen?"

"Ja. Ich kann ihnen aber nicht versprechen, dass wir den Mistkerl kriegen."
 

"Der Mord geschah kurz nach Feierabend, also wenige Minuten nach sechs Uhr heute morgen. Bei dem ganzen ging der Mörder weitgehend brutal vor. Nachdem er sich seinem Opfer genähert hatte schien es zu einem kurzen Kampf gekommen zu sein. Sehr wahrscheinlich ist, dass Samuel Johnson es noch geschafft hatte seine Dienstwaffe zu ziehen, da wir sie auf dem Boden gefunden haben und über sein Handgelenk ein tiefer Schnitt geführt war. Danach wurde das Messer in den linken Lungenflügel gestoßen und anschließend noch in den Bauch, wo das Messer dann nach oben gerissen wurde und den Brustbereich völlig offenlegte.

Anschließend wurde das - wahrscheinlich noch lebende - Opfer, in den Sitz seines Wagens gelegt und angeschnallt um zu verhindern, dass er mit dem Kopf auf der Hupe zu liegen kam. Ein Aktenkoffer, den das Opfer nach Aussage von zwei weiteren Polizisten dabei gehabt haben solle, wurde bei der Leiche nicht mehr gefunden, der Mörder musste ihn mitgenommen haben.

Um viertel nach sechs Uhr wurde Samuel Johnson, Chief Detective des 32 Polizeireviers in Boston, von einem Parkwächter tot aufgefunden."

Randolph Orton hatte den bisherigen Ermittlungsstand an die beiden weitergegeben und jetzt herrschte eine bedrohliche Stille in den die drei sich zurückgezogen haben und angestrengt über das erfahrene nachdachten.

Die Uhr war nun knapp an der Zwölf-Uhr-Marke angelangt und sie hatten sich etwas zu essen kommen lassen, wobei durch Abstimmung man in einem China-Restaurant angerufen hatte. Nun lagen Essensschachteln über den Tisch verteilt.

"Ist hier irgendwo ein Computer mit Internet-Zugang?", fragte Lancte offen heraus Randolph Orton.

"Ja. Aus dem Raum raus nach links, zweite Türe rechts."

"Danke."

Und zwei Minuten später kam er mit dem zurück, um was er seine Schwester am Morgen noch gebeten hatte.
 

"Der Mann den wir suchen, heißt Alfred Maier, stammt aus Deutschland und läuft unter dem Hacker-Alias ,Torrent'. Besonders aufgefallen ist er unter anderem durch seine meist übertriebene Neigung zu Gewalttätigkeiten.

Wir haben Hinweise auf Tätigkeiten in Berlin, New York, Washington und Oregon, wo er oft in Aktion trat, meist im Zusammenhang mit Angehörigen unserer Sicherheitsorganisation."

Das Bild welches gezeigt wurde, ließ einen Mann um die vierzig zu erkennen. Das Haar war straff nach hinten gekämmt und eine langgezogene Narbe zierte seine rechte Wange. Hellbraune Haare und tiefbraune Augen blickten von dem Bild zu ihnen.

"Er ist ein Mörder", zischte Angelin zu den beiden Männern hin.

"Und ein Sadist", warf Lancte daraufhin ein. "Er liebt es anderen Schmerzen zuzufügen. Vor allem den Frauen in unserer Organisation."

Diesmal dauerte es einige Augenblicke, bis die beiden verstanden was er soeben gesagt hatte.

"Oh Gott", stieß Orton hervor. Die Erkenntnis hatte ihm den Atem geraubt.

"Genau. Vergewaltigung. Wir fanden eines seiner Opfer nachdem es vier Tage in seiner Gewalt hatte zubringen müssen. Sie war vollkommen verängstigt, nahezu bis auf die Knochen abgemagert, hatte Bluterüsse über den ganzen Körper verstreut."

Nachdem sie sich voneinander getrennt und den Polizisten seiner restlichen Arbeit überlassen hatten, sagte Angelin Johnson zu sich selbst: "Dafür wird er büßen. Ja, das wird er."
 

Das Haus der Familie Johnson in Boston konnte keineswegs größentechnisch mit dem der Lanctes im New Yorker Vorort Princeton verglichen werden, gehörte aber trotz allem nicht in die Kategorie ,Sozialabsteige'.

Ein blühender Garten mit verschiedensten Blumen zierte die Umzäunung des Hauses in einem angenehmen Farbton und eröffnete einen anderen Blick auf den Oktober, der hellgelbe Anstrich des Hauses verlor sich im stark blendenden Sonnenlicht und ließ es in einem seltsamen Unterton von Weiß scheinen.

Estefania Johnson, ehemalige Roselli, bedachte ihre Tochter und ihren Begleiter mit einem erwartungsvollem Blick, während sie das Tablett mit verschiedenen Keksen zu ihnen hinüberschob. Aus reiner Höflichkeit heraus und um die nahezu peinliche Stille zu durchbrechen griff Jake nach einem Mandelkeks und steckte ihn sich in den Mund.

"Mrs. Johnson", begann er nachdem er den Keks heruntergeschluckt hatte. "Sie verstehen sicherlich, aus welchem Grund ich mich momentan hier aufhalte und in welcher Situation meine Organisation sich befindet, vor allem nach dem Mord an dem Vater meiner Partnerin, der ihr Mann war. Aufgrund verschiedener Geschehnisse in den letzten Monaten, habe ich mich entschlossen sie unter unseren Schutz zu stellen. Sicherheitsleute werden sie und dieses Anwesen nicht unbewacht lassen und sollte ich es für notwendig erachten, werde ich den Bewacherstab verdoppeln - sogar vervierfachen - lassen."

"Wenn ich es mir so überlege", antwortete sie mit spitzbübischem Grinsen, "kommt mir ihr Vorschlag aus ihrer Sicht begründet aber aus der meinen nichtsdestotrotz recht lächerlich vor. Ich sehe keinen Grund warum sie so sehr davon ausgehen, dass ich das nächste ,Opfer' sein sollte."

Jake Lancte musste die Sache nun überdenken. Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass sie ihn, sobald er seine Fakten aufgezählt hatte - was er ja auch schon getan hatte - um Schutz bitten würde. Doch nun musste er herausfinden, dass diese über fünfzigjährige Frau ihn in eine schwierige Situation verfrachtet hatte. Diese Frau wollte, dass er irgendetwas sagte, aber leider wusste er nicht, was dies sein sollte.

Seine Ratlosigkeit wurde aber durch das beherzte Eingreifen seiner Rekrutin überspielt.

"Bitte Mom. Es kann doch nichts schaden. Jedenfalls für eine kleine Weile, bis wir sichersein können, dass keine weitere Gefahr droht."

"Ich verstehe, dass du besorgt bist, Engelchen. Aber was ist mit ihnen, Mr. Lancte. Was sind ihre Beweggründe, dies alles zu veranlassen?"

Nun konnte Lancte seinen Trumpf ausspielen und es war seine letzte Chance, denn ein weiteres Scheitern und sie würde seine Hilfe offen ablehnen. Und dann gab es nichts mehr, was ein Schutzteam rechtfertigen würde, wenn der oder die Beschützte dies ablehnte.

"Die Leute die hinter dem Mord an ihrem Mann stehen, Mrs. Johnson, stellen eine große Gefahr für die Vereinten Nationen dar. Sie sind für Terroranschläge rund um die Welt verantwortlich, sie bilden überall Terror-Zellen und finanzieren diese aus Erpressungen von Firmen und wohlhabenden Leuten. Diese Leute schrecken vor nichts zurück, auch nicht vor Mord und Vergewaltigung. Diese ganze Sache trägt den obersten Geheim-Stempel den es zu vergeben gibt. Regierungen in der ganzen Welt haben dem Terror den Kampf angesagt und deswegen sind wir hier. Um weitere Opfer zu verhindern. Es liegt an ihnen ob sie meine Hilfe annehmen oder sie rundheraus ablehnen, aber um eines möchte ich sie bitten: Diese Angelegenheit bedarf der absoluten Geheimhaltung, denn wir können es uns nicht leisten wenn diese Leute auf unsere Organisation aufmerksam werden.

Aber sollten sie annehmen, verspreche ich ihnen, dass wir alles zu ihrem Schutz und der ihrer Tochter unternehmen werden."

Damit lehnte er sich in der beigefarbenen Couch zurück und sah zu der Fünfzigjährigen hinüber.

"Sie haben eine gute Argumentation vorgelegt. Sie haben es sich also zur Aufgabe gemacht, uns zu beschützen, auch ohne die Zustimmung ihrer Arbeitgeber?"

Das war eine heikle Frage, aber Lancte erlaubte sich ein Nicken.

"Es sind also rein persönliche Interessen die sie in diesem Fall bewegen?"

Wieder ein Nicken.

"Na schön. Ich werde ihr Angebot annehmen. Bis eine Woche nach der Beerdigung meines Mannes, danach glaube ich, dürfte es unnötig zu sein weiter beobachtet zu werden. Schließlich möchte ich auch meine Privatsphäre haben."
 

Es war nun bereits mehr als eine halbe Stunde vergangen, seit Jake Lancte seine Rekrutin mit ihrer Mutter alleingelassen hatte, mit dem Vorwand er hätte in der Stadt noch etwas zu erledigen.

Angelin dachte im Moment über ihre Mutter nach, die vor dem Kamin in einem Stuhl saß und über etwas nachzudenken schien.

Normalerweise war dieses Haus, soweit sich Angelin zurückerinnern konnte, immer mit Geräuschen und Eindrücken vollgestopft gewesen. Jemand würde auf dem alten Klavier im Wohnzimmer spielen und die Umgebung mit angenehmen Klängen erfüllen, Lachen drang aus den verschiedenen Räumen während man alles mögliche tat.

Und genau die Stille welche nun herrschte hatte etwas unheimliches an sich.

"An was denkst du Mum?", fragte Angelin und wartete auf eine Antwort.

"An diesen Mr. Lancte. Er hat irgendetwas seltsames an sich, etwas schwer zu beschreibendes."

"Ja, ich weiß. Ich habe es auch schon bemerkt. Und zumeist denke ich, dass man immer nur die Spitze eines Eisberges sieht, wenn man ihn anblickt."

"Na schön. Nur mal so um die Stille aufzuheben, kannst du mir ja mal den Gefallen tun und mir erzählen, was du über ihn weißt. Dann werde ich sagen, was mir an ihm noch aufgefallen ist."

Angelin war nun neugierig. Was war ihrer Mutter aufgefallen, was sie übersehen hatte oder nicht hatte sehen wollen?

"Nun ja", gab sie zögerlich Antwort. "Soviel über ihn weiß ich noch nicht einmal, da wir uns erst seit ein paar Tagen kennen. Jedenfalls habe ich etwas über ihn hier und da aufgeschnappt ... Ach, ich beginne am besten an der Stelle wo ich ihn das erstemal traf.

Es war vor zwei Tagen im Gramercy Park als ich dort auf jemanden wartete, der sich mit mir treffen wollte. War alles total geheimes Zeug, keine Namen und so ... Jedenfalls stellte sich heraus, dass mein sogenannter Verhandlungspartner teil dieser Terroristengruppe war die immer wieder in den Nachrichten genannt werden. Ich lehnte ab und bevor ein Handgemenge entstehen konnte, griff er in das ein und prügelte mich wortwörtlich dort heraus ..." Angelin schilderte ihrer Mutter alles, was danach geschehen war, doch den Teil mit dem Kampftraining nach ihrem ersten Einsatz ließ sie aus, einfach nur aus der Tatsache heraus, weil es ihr irgendwie peinlich und falsch vorkam.

"Okay, ich habe dir alles erzählt was geschehen ist. Nun, was ist dir an ihm aufgefallen, Mum?"

Estefania Johnson blickte ihre Tochter mit einem Lächeln, hinter dem die Weisheit des Alters zu stecken schien. "Oh ganz einfach, Kind", sagte sie. "Er ist in dich verliebt."

Angelin war sprachlos, ihr Herz begann zu rasen und ohne etwas dagegen tun zu können wurde sie rot. Doch die Erleichterung die sie dazu noch spürte, war das was ihr am meisten Angst bereitete.

"Also, das ist doch ... Wie kommst du denn da drauf ... Er würde nie, könnte nie ...", mehr als diese abgehackten Satzteile brachte sie nicht heraus.

"Aber es ist so", sagte die ältere Dame in einem Tonfall, der bewies das sie sich absolut sicher war was ihre Beobachtung anging.

"Das ist doch der größte Blödsinn den ich je gehört habe. Mum, du musst wirklich an deinem Taktgefühl arbeiten. Dad ist kaum ein paar Stunden tot und mir wirfst du vor ich hätte eine Beziehung mit ... Ihm!"

"Angelin ... Du hast ja recht, es war schon falsch ausgerechnet jetzt sowas zur Sprache zu bringen. Und außerdem habe ich ja nicht gesagt, dass du in ihn verliebt wärst, sondern das Er in Dich verliebt ist. Das meine ich absolut ernst, er konnte seine Augen nicht länger als fünf Sekunden von dir halten. Irgendwie war es sogar recht witzig gewesen."

Doch wenn sie gedacht hatte, Angelin würde sich auf ein Gespräch einlassen, hatte sie sich geirrt.

Ich als Begierde eines Computerprogrammes, dachte angelin. Lächerlich.
 

Die verschmutzten Straßen Bostons verloren sich im schummrigen Gewand der Unachtsamkeit in Agent Lanctes Augen. Und die zynische Stimme Jones, der ihm Vorträge über die schlechte Kompabilität von Menschen und Programmen hielt, war kein aufmunternder Gesprächspartner. Dabei hatte er ihn doch nur um einen Rat gebeten.

Wütend unterbrach er die Verbindung und lehnte sich in der alten Parkbank zurück, welche unter seinem Gewicht ein kleines Stück nachgab.

Und das meiste was ihn am Vortrag Jones genervt hatte, war die Tatsache das er recht hatte und nichts anderes.

Eine Frau zog ihr Kind weiter, welches unbedingt etwas aus einem Schaufenster haben wollte, Bäume wurden durch aufkommenden Wind geschüttelt und löste Blätter von den Ästen die sich langsam auf den Weg nach unten begaben.

Und noch während er auf der Parkbank saß und versuchte eine Lösung zu seinem Problem zu finden, musste er sich eingestehen, dass seine langsam zu Tage tretenden Gefühle für seine Rekrutin Angelin Johnson über kurz oder lang die Oberhand gewinnen würden. Doch noch konnte er sie zurückhalten und würde es tun solange es ihm möglich war, dachte er.

Es war grenzte direkt zwischen dem Gebiet der Komödie und Tragödie, das er nicht einmal wusste, dass die Schlacht bereits verloren war.
 

Tage hatten sich in endlosen Stunden dahingezogen und verkrochen immer wieder im Umhang der Nacht, welche die strahlende Helligkeit mit einer nahezu blendender Dunkelheit abzulösen vermochte. Bäume hatten bereits einen Großteil ihrer Kronen verloren, die Blätter nun die Gehwege und Straßen zierend und Aufräumdienste mit ihren Geräten der gegnerischen Übermacht nicht Herr werdend.

Man sah bereits die ersten Kinder mit Halloween-Kostümen herumrennen, Erwachsene die ihren Kleinen beim Ausschneiden von Kürbis-Gesichtern halfen und mit Süßigkeiten überfüllte Einkaufshäuser, die nun zum Endspurt auf Halloween rüsteten.

Und selbst wenn dieser Feiertag nicht mit dem Weihnachtsabend verglichen werden konnte, so hatte dieses Fest doch seinen eigenen Zauber entwickelt, welcher Kinder und Erwachsene zugleich jedes Jahr darin verwickeln konnte.

Und in wenigen Tagen würden Abends Kinder in allen möglichen Verkleidungen, von Gespenstern über Monster und Teufel, vor der Tür stehen und fröhlich ,Süßes oder es gibt Saures' rufen und wehe dem der es wagte, den Kleinen ihre Süßigkeiten vorzuenthalten.

Und auch das Haus der Johnsons machte in dieser Hinsicht keinerlei Ausnahme von dem Rest der Stadt, obwohl die Trauer über den noch frischen Verlust über den Bewohnern wie ein schwerer Vorhang hing. So war es gekommen, dass die meiste Arbeit an den Halloweenvorbereitungen auf Jake Lancte liegengeblieben war, der sich nur zu gern dieser Aufgabe widmete um seine Gedanken von gewissen anderen Dingen freizuhalten.

So schnitt er mit größten Vergnügen Kürbisse aus, verpasste ihnen unheimliche Gesichter, besorgte Süßigkeiten und vieles mehr. Es war für ihn als hätte sich ein Tor in die Vergangenheit geöffnet, in die Zeit wo er noch ein Kind gewesen war, frei von allen Sorgen des Alltags, eine Zeit wo er sich mit seiner Mutter, seinem Vater und seiner kleinen Schwester auf das bevorstehende Ereignis freuen konnte.

Doch das lag nun viel zu lange zurück. Dinge hatten sich im Laufe der Jahre geändert. Sein Vater war längst tot genauso wie seine Mutter und seine Schwester arbeitete auf der anderen Seite des Zaunes, also war es für ihn eine willkommene Abwechslung die restliche Zeit bis Halloween nicht allein zubringen zu müssen.
 

Es waren nur noch drei Tage bis Halloween und am nächsten Tag würde die Beerdigung von Samuel Johnson stattfinden.

Die Nacht war sturmgepeitscht und Blitze zuckten in willkürlichen Abständen vom Himmel herunter und suchten die Erde mit ihrer gefährlichen Kraft heim.

Die Vorhänge des Hauses Johnson waren zugezogen doch konnte man im Wohnzimmer Licht erkennen, welches es schaffte einen Weg nach draußen zu finden.

Angelin ging die Stufen herunter, die vom Obergeschoss in den Hausgang führten, denn von Hunger getrieben hatte sie sich auf den Weg in die Küche gemacht.

Sie entdeckte das fahle Licht, welches durch den Türrahmen hindurch aus dem Wohnzimmer in den Hausflur ragte und entschloss sich nachzusehen, ob jemand im Zimmer war oder einfach vergessen worden war, das Licht abzuschalten.

In ihrem Blickfeld erschien eine Gestalt, welche einen zerknitterten Anzug trug und sich über etwas beugte. Was es war, blieb ihrem Blick verborgen. Angelin tat einen Schritt nach vorne, doch sie hatte die knarrende Stelle des Fußbodens vergessen, der sich nun meldete und die Person veranlasste sich zu ihr herumzudrehen.

Innerhalb von Sekunden blickte Angelin dann in das müde Gesicht Lanctes, welcher sie entschuldigend anlächelte.

"Tut mir leid falls ich sie geweckt haben sollte", sprach er entschuldigend. "Aber ich konnte nicht einschlafen und wie es scheint, habe ich den Brandy gefunden." Er hob sein Glas etwas, sodass sie es sehen konnte.

"Nein, sie haben mich nicht geweckt. Ich bin eigentlich heruntergekommen um mir etwas zu Essen zu holen, aber dann habe ich das Licht gesehen. Würden Sie mir etwas von meinem Brandy anbieten?"

"Aber sicher." Lancte schenkte ihr ein Glas ein, während sie sich in der Küche etwas zu Essen machte. Als sie wieder zurückgekommen war, sagte Lancte: "Interessantes Gemälde. Haben Sie es gemalt?"

Zuerst wusste Angelin gar nicht, was Lancte damit meinte. Doch er ging zu dem Tisch hinüber und richtete das handgemalte Bild vorsichtig auf, sodass Angelin es sehen konnte.

"Mein Vater hat es gemalt. Er war ein guter Maler. Normalerweise hat er uns die Arbeiten immer erst dann gezeigt, wenn sie fertig waren."

"Aha, die Eitelkeit des wahren Künstlers", sprach Lancte bedächtig und bedeutete ihr, zu ihm zu kommen. "Na kommen Sie schon. Sehen Sie es sich an. Ich glaube nicht, dass er etwas dagegen haben würde. Es ist sogar sehr gut."

Und als Angelin es betrachtete, musste sie ihrem Begleiter sogar recht geben. Ihr Vater hatte schon immer einen Hang zu Bildern mit kirchlichen Motiven gehabt, doch waren es nicht die üblichen Bilder von Jesus oder Maria die ihn so sehr beeindruckt hatten. Es waren mehr Bilder von Schlachten gewesen, die im Auftrag der Kirche geschehen waren und in seinem letzten Werk hatte ihr Vater sich selbst übertroffen. Das Bild zeigte eine Geschichte aus der früh-christlichen Welt, eine welche die komplette Welt verändert hatte.

"Kennen Sie die Geschichte, die dieses Bild zeigt?", fragte Lancte sie.

"Nicht ganz", gab sie unumwunden zu und musterte ihn eindringlich. "Hätten sie vielleicht Interesse daran, meine Wissenslücken auszufüllen."

"Aber sicher doch."

Und Lancte erzählte ihr aus einem der blutigen Kapitel in der Kirchengeschichte, eine Erzählung, welche das Christentum für immer von der abendländischen Gemeinschaft trennen würde.

"Bis zum Jahre dreihundertzwölf nach der Geburt unseres Herrn Jesus Christus wusste jeder Mensch der sich zum christlichen Glauben bekannte, was ihm blühte würde er von Soldaten gefasst werden. Einige wurden den Löwen zum Fraß vorgeworfen, andere starben unter schrecklichsten Qualen, bei denen sich die Kerkermeister immer neue sadistische Spielarten einfallen ließen. Manchen wurde die Haut mit dem Messer abgezogen und Salz in die Wunden gestreut die man dann von einer Ziege herauslecken ließ. Galgen standen auf jedem öffentlichen Platz und zumeist standen die Henker schon daneben um den nächsten daran aufzuknüpfen. Es war eine grausame und schreckliche Zeit gewesen in der man den Fehler gemacht hatte zu leben.

Aber egal wie man es auch immer sah, es waren immer Menschen gewesen, die diese schrecklichen Dinge getan haben.

Doch bereits in dieser Zeit hatten sich die Tugenden des früh-christlichen Lebens bereits herausgebildet. Ein Leben in Armut und Bescheidenheit, das Glauben an die Heilsbotschaft und das Vertrauen in Gott waren die Anzeichen für ein gutes christliches Leben, während Reichtum, Müßiggang und Macht das Böse verkörperten."

Angelin musste zugeben, dass das was Agent Lancte für ein anregendes Gespräch zu halten schien, nicht sonderlich ihren Geschmack traf, doch die Art in der er ihr die damalige Zeit schilderte war etwas, dass sie in einen gewissen Bann schlug.

"Doch der siebenundzwanzigste Oktober des Jahres dreihundertzwölf sollte all dies ändern und ein völlig neues Leben aufzeigen."

27. Oktober 312

Konstantin, einunddreißig Jahre alt, der sechs Sprachen fließend beherrschte wie überliefert ist, ein heidnischer Kriegerkönig, der das Weströmische Reich von Schottland bis zum Schwarzen Meer regierte, bereitete sich auf die entscheidende Schlacht gegen Maxentius vor, der Rom besetzt hielt - die Schlacht an der Milvischen Brücke. Bei Einbruch der Dunkelheit, wohl wissend, dass der nächste Morgen Blut und Tod und Greuel bringen würde, hatte Konstantin eine Vision ... und die Welt war fortan ein anderer Ort. Am Himmel sah er das Kreuz Jesu und er hörte eine Stimme wie einst Paulus auf der Straße nach Damaskus. ,In hoc signo vinces - In diesem Zeichen wirst du siegen.' Als er am Morgen zur Schlacht antrat, war auf den Schilden seiner Soldaten und den Stirnen seiner Pferde das Kreuz gemalt. Und er siegte, wie es ihm in der Vision prophezeit worden war. Rom gehörte Konstantin; nun war er endgültig Beherrscher des Weströmischen Reiches. Und er wusste: Die Macht Jesus hatte ihm zum Sieg verholfen.

28. Oktober 312

Immer noch mit dem Schmutz der Schlacht behaftet, befahl der Kaiser nach Trastevere geleitet zu werden, einem Stadtteil Roms, wo ihm ein von schrecklicher Angst erfüllter, kleiner brauner Mann vorgeführt wurde, ein Afrikaner: Miltiades, der Papst. Dieser hatte sein Leben im Verborgenen verbracht in ständiger Furcht vor seiner Festnahme und seiner unausweichlichen Hinrichtung und nun rechnete er mit dem Schlimmsten. Er war so ungebildet, dass er bat einen Dolmetscher kommen zu lassen, denn er verstand kein Wort von Konstantins höfischem Latein. Doch die Botschaft Konstantins war unmissverständlich, und sie änderte den Lauf der Weltgeschichte.

Von nun war alles anders, neu, besser. Rom wurde christlich. Der Kaiser ließ einen Nagel aus dem Kreuz Jesu in seine Krone einarbeiten, ein anderer kam ins Zaumzeug seines Pferdes, so dass er ihn in jede Schlacht begleitete.

Am folgenden Tag ritten Konstantin, Miltiades und dessen Nachfolger Silvester an der Caligula und den Tempeln des Apoll und der Cybele vorüber zum Friedhof auf dem Vatikanhügel wo Konstantin über den Gebeinen des Petrus und des Paulus kniete, betend.

Daraufhin legte Konstantin seinen Begleitern seine Pläne vor. Über den sterblichen Überresten Petri, sollte eine Basilika errichtet werden, die den Namen des Apostels trug und Pauli Gebeine sollten an die Stelle überführt werden, wo er den Märtyrertod gestorben war und dort sollte auch eine Basilika erbaut werden. Doch das war längst nicht alles, denn Konstantin war ein Mann geworden, der eine Mission zu erfüllen hatte. Und Konstantin legte auch fest, dass sich auf dem Lateranhügel von nun an das Heim des Miltiades und jedes Nachfolgers des Apostels Petrus sein sollte.

Fünfzehn Monate später war Miltiades verstorben und Silvester war Papst, von Konstantin gekrönt. Silvester begriff mit einer geistigen Schärfe welche die des Miltiades übertraf, in welche Richtung die Kirche sich zu wenden hatte. Silvester war es auch, der das Band zwischen Kirche und Kaisertum knüpfte und eine weltumspannende Kirche schuf. Jesus Christus konnte sein Reich nun mit Hilfe der Macht Roms über die ganze damals bekannte Welt ausbreiten, ein Reich, das von den Nachfolgern auf dem Thron des heiligen Petrus regiert wurde.

Das geistliche hatte sich mit Reichtum und militärischer Macht vereint und zusammen mit Konstantin konnte Silvester auf das zurückgreifen, was Jesus einst auf dem Berge Hermon zu Petrus gesagt hatte." Lancte hielt hier inne und blickte sie an, als erwartete er von ihr, dass sie die entsprechende Bibelstelle aus den Tiefen ihres Gedächtnisses kramte. Sie suchte und fand sie auch.

"Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben", zitierte sie. "Alles was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein. Und alles, was du auf Erden lösen wirst, wird auch im Himmel gelöst sein."

"Exakt. Das erste Mal in der kirchlichen Geschichte hatten die Kirche sich weltliche Macht angeeignet und mit dieser Macht kamen auch die Machtgierigen und Neidischen, militärische Gegner die diese Macht haben wollten und noch viele andere. Die Kirche hatte sich in die weltliche Politik eingemischt und musste nun auch den weltlichen Preis dafür bezahlen."

Lancte nahm einem Schluck aus seinem Glas und blickte sie noch einmal an.

"Gewalt in der Kirche ist nichts Neues, deswegen interessiere ich mich so sehr für ihre Vergangenheit. Denn was Gewalt angeht, hat sie mich noch nie enttäuscht."

Er hob das Glas ein weiteres Mal und stieß es gegen das Ihrige.

"Tod unseren Feinden", sagte er leise, während er den Rest austrank.

"Und ob. Und ob", antwortete sie ihm und tat es ihm gleich.

Denn, wenn Familie nicht so etwas wert war, was war es dann?
 

Von außerhalb betrachtete Agent Lancte das Geschehen auf dem Friedhof mit wachsendem Unbehagen. Nirgendwo hatten sich Rebellen blicken lassen und genau diese eine Sache machte ihn nervös. Seit dem Mord war keine einzige Aktivität auf ihrer Seite zu erkennen gewesen und deswegen vermutete er nun ein konzentriertes Zuschlagen.

Das war auch der Grund, warum er mit einem Team aus zwei weiteren Agenten und vier Rekruten auf der Lauer lag und das Geschehen nicht aus den Augen ließ.

Der Sarg wurde nun in das Grab gesenkt und während die Trauergäste davorstanden, warfen sie Erde auf den Sarg, einige weinend, andere wiederum mit sichtlicher Beherrschtheit an sich haltend.

Langsam zerstreuten sich die Menschen wieder und kündigten damit das Ende der Trauerzeremonie an. Estefania Johnson wurde von einigen Kollegen ihres Mannes nach Hause geleitet, während Angelin direkt zu Lancte hinüberlief.

"Können wir wieder nach New York zurück", fragte sie hinter Tränen.

"Möchten sie sich noch von jemandem verabschieden?", fragte Lancte.

"Ich habe meiner Mutter bereits gesagt, dass ich zurückgehe. Sie wird hier schon zurechtkommen, mit all den Bekannten die sie hier hat."

Und Jake Lancte nickte mit dem Kopf und führte sie behutsam zu dem Wagen, welcher sie vor wenigen Tagen nach Boston gebracht hatte.

Zwanzig Minuten später waren sie außerhalb der Stadt, auf dem Weg zurück nach New York in eine für ihn vertraute Umgebung.
 


 

Ende Kapitel 9

Hinweis: Sämtliche Ortsbeschreibungen entstammen meiner Phantasie. Ähnlichkeiten mit tatsächlich bestehenden Gegenden sind nicht beabsichtigt.
 


 

Kapitel 10

Der Anfang vom Ende
 

Dunkelheit in New York ist nichts neues für ihre Bewohner und zumeist kamen alle in dieser Stadt lebenden Menschen damit zurecht. Schließlich ist Finsternis nichts anderes als die Abwesenheit von Licht und dieses wurde in Massen von den Leuchtreklamen, Straßenlaternen, Ampeln und Autoscheinwerfern geschenkt. Denn die Dunkelheit war nur so finster wie das Licht, dass ihre Schatten warf.

Vereinzelte Schneeflocken fielen einen Tag vor Halloween vom grau-tristen Himmel und schmückten langsam kahl werdende Bäume in weiße Tracht. Kinder spielten am späten Nachmittag auf den nahegelegenen Spielplätzen und tollten herum, ohne Sorgen um die Welt oder um sich.

Das Agenten-Hauptquartier war von dem leichten Schneefall nicht unangetastet geblieben und die ansonst grünlich schimmernde Fassade war nun mit weißen Flecken übersät.

Aus der Garage wurde ein 3er BMW herausgesteuert und fuhr weiter in nördlicher Richtung.
 

Chinatown im westlichen Teil New Yorks war an sich in wiederum mehrere Teile aufgeteilt und erstreckte sich über ein Gebiet von mehr als fünf Kilometern, indem sich Restaurants, Armenviertel, Bruchbuden, Schnellimbisse, Waschhäuser und kleine Kinos abwechselten.

Lichter und kaputte Reklamenschilder spiegelten sich in Regenpfützen, die vor nicht mehr als zwei Stunden entstanden waren und von Autoreifen über der Straße verteilt wurden.

Agent Jones stoppte den BMW vor einem kleinen Teehaus in der Nähe von Burglow Road, mitten im Herzen Chinatowns, schaltete den Motor aus und verließ den Wagen.

Mit schnellen Schritten ging er auf den Eingang des Teehauses zu und klopfte dreimal kurz hintereinander gegen das morsch wirkende Holz, bevor die Tür von einem Chinesen mitte der zwanzig geöffnet wurde. Er trug schwarze Hosen und ein weißes Hemd, die runden Gläser seiner Sonnenbrille verliehen seinem Gesicht einen ovalen Ton.

"Sie sind spät, Agent Jones."

Agent Jones, der gut einen Kopf größer war, als sein Gegenüber, blickte sich im Raum um und erkannte, dass sie vollkommen unter sich waren.

"Ich habe noch anderes zu tun, als einer fragwürdigen Aufforderung Folge zu leisten. Und ich hoffe, dass sie meine Zeit nicht vergeuden, Seraph."

Seraph lächelte den Agenten an und deutete auf den Tisch in der hinteren rechten Ecke.

"Es ist alles da, Agent Jones. Die Informationen über den Rebellentreffpunkt", an dieser Stelle hielt er inne und nahm die Brille ab um sie an seinem weichen Hemd zu reinigen. Als er sie wieder aufgesetzt hatte fuhr er fort. "Außerdem das nächste Auftragsziel von dem Rebellen namens ,Torrent'. Und nun zur Bezahlung ..."

Nun war es an Agent Jones, Seraph zu unterbrechen. "Zuerst möchte ich die Informationen an sich sehen. Erst dann wird es das Geld geben." Damit ging er auf den Tisch zu und entnahm dem braunen Umschlag die Blaupause eines Gebäudes mit direktem Zugang zur Kanalisation.

"Das hier ist also der Treffpunkt der Rebellen ... viele Fluchtmöglichkeiten, ausreichend Plätze zum Verstecken, Telefonanschlüsse ... selbst wenn wir hundertschaften an Sicherheitskräften dorthin schicken würden, die Rebellen werden uns sowieso entwischen." Damit wandte er sich dem nächsten Teil der gewünschten Informationen zu. Und ihn beschlich zugleich das Gefühl, am liebsten nicht danach gefragt zu haben, denn der Name der als Ziel Torrents ausgewählt war, würde ungeahnte Komplikationen in Gang setzen, wenn man dem ganzen keinen Riegel vorschieben würde. "Das wird ihm nicht gefallen. Sind sie sich absolut sicher, was diesen Teil der Information anbelangt?"

Seraph nickte. "Meine Informationsquellen sind absolut zuverlässig, darauf können sie sich verlassen. Und angesichts des Ziels stimme ich ihnen zu."

"Was können wir tun, um eine Katastrophe zu verhindern? Ich bin mir nicht sicher, wie wir reagieren sollen, wenn es soweit kommt."

"Wenn es soweit kommt, wird uns nur noch ein Wunder helfen können."

Schweigen befiel die beiden Programme und jeder von ihnen dachte über die Chancen nach, die er haben würde. Schließlich übergab Jones seinem Informanten Seraph die vereinbarte Summe von dreitausend Dollar.

Seraph verbeugte sich knapp und geleitete Jones zur Eingangstür. "Es ist mir immer eine Freude mit ihnen Geschäfte zu machen, Agent Jones."

"Mit ihnen auch", kam die kurze Antwort von Jones, während er wieder zurück in den Wagen stieg.
 

Normalerweise hätte Agent Jones, sich nie zu diesem Treffen drängen lassen, doch wie so oft, spielten verschiedene Faktoren ein großes Gewicht zu Entscheidungen, die innerhalb von Sekunden getroffen oder umgestoßen werden mussten. Und obwohl Seraph sein zuverlässigster Informant war, hatten ihn andere zu diesem Treffen veranlasst.

Agent Jones war nach dem letzten Meeting auf direktem Wege zurück in sein Büro gegangen, die Türe geschlossen und sich stöhnend auf die Couch fallen lassen. Die Brille, die er in der linken Hand gehalten hatte, war ihm dabei zu Boden gefallen und lag nun irgendwo zwischen seinen Füßen und der Couch.

Er war neugierig gewesen, ob die Gerüchte welche er gehört hatte, der Wahrheit entsprachen oder nicht. Jedenfalls wusste er jetzt, dass sie die totale Wahrheit waren. Und nun wusste Agent Jones nicht mehr, was er tun konnte. Verzweiflung und Angst krochen in ihm hoch, während er darüber nachdachte, wie man die sich abzeichnende Katastrophe verhindern konnte.

Und je mehr Agent Jones, seines Zeichens Tech-Agent und oberster Intelligence von Matrix-Amerika, nachdachte um so mehr kam er zur Überzeugung, nichts mehr tun zu können. Nichts, was jetzt noch einen Unterschied machen würde.

"Möge Gott uns allen beistehen", flüsterte Jones und blickte aus dem Fenster heraus.
 

Agent Smith und Brown waren soeben von ihrem letzten Auftrag zurückgekommen, zwei Rebellen die einen Angriff auf ein Einkaufszentrum ausführen wollten.

Doch dazu war es gar nicht erst gekommen und nun betraten die beiden Agenten den 27. Stock des Hauptquartiers, als die Fahrstuhltüren sich hinter den beiden wieder schlossen, während sie in immer noch mit Blut befleckten Anzügen auf das Büro Agent Jones zugingen. Nun waren bereits Stunden vergangen, seit sie das letzte Mal von ihm etwas gehört hatten.

Brown klopfte zweimal an, doch erhielt keine Antwort von der Innenseite. Daraufhin klopfte er noch einmal an, diesesmal um einiges lauter und endlich kam die Aufforderung von der Innenseite. "Herein."
 

Seraph betrachtete die Scherben vor sich auf dem Boden. Scherben, welche aus dem nahegelegenen Fensterrahmen gerissen worden waren, herausgerissen von einem Gewehrschuss, welche sein Ziel knapp verfehlt hatte.

Der Schuss war überraschend gekommen und lediglich ein kurzes Aufflackern von Instinkt hatte ihn am Leben erhalten, die Möglichkeit gegeben, den Anschlag zu überleben.

Er kauerte nun im Schatten hinter einer Mülltonne, die Pistole, eine 9mm Beretta im Anschlag. Seraph wusste, dass sich sein Gegner irgendwo in der Dunkelheit der Straße befand, darauf wartend dass sein Opfer herauskam.

Aber er hatte eine Möglichkeit zur Flucht, und dies beinhaltete den Schlüssel, welcher ihn zu den Hintertüren der Matrix führen würde, und die Tür auf der anderen Seite der Gasse, ungefähr fünfzehn Meter von ihm entfernt.

Das einzige Problem dabei war, dass er, um dorthin zu kommen, fünf Meter in hellem Licht zurücklegen musste, viel zu viel, als dass er sein Ziel erreichen konnte. Zuallererst musste er die Lichtquelle ausschalten, welche ihm den Weg erschwerte.

Das Licht kam von einer längst verwitterten Straßenlaterne auf den Boden und war das einzige, was diese finstere Gasse erhellte, doch zu diesem Zeitpunkt war sie für Seraph etwas Böses, etwas, dass ein Entkommen vor seinem Gegner verhindern wollte.

Und da Seraph wie sein Name schon sagte, einst eine Art Engel in der Matrix gewesen war, war es auch seine Aufgabe, alles Böse zu zerstören.

So zielte er auch einfach auf die Laterne und mit nur einem einzigen Schuss der fiel, wurde auch das letzte Licht gebannt. Augenblicklich sprang er aus der Deckung hervor und fing an auf die Tür zuzurennen.

Aber er hatte einen Fehler gemacht, wie er sogleich bemerkte. Denn wie als ob sich das Licht gegen ihn verschworen hatte, spritzten Funken aus den Überresten einer ehemaligen Neon-Beleuchtung von oben in das Dunkel herab und erleuchteten in einem letzten Auftakt die Gasse und so befand er sich nun in fatalem Lichtschein.

Der Knall der folgte, hörte er nur schwach im Bewusstsein, mehr fühlte er den stechenden Schmerz der sich an seiner linken Seite bemerkbar machte und doch war es nur ein Streifschuss gewesen der ihn getroffen hatte. Und er wusste genau, dass er aus der Schussbahn herauskommen musste!

Seraph ließ sich nach links fallen und er spürte noch den Luftzug, der knapp über seinem Kopf entlangzog. Und während er sich wieder in Richtung Tür bewegte, suchte er vehement in seiner Tasche nach dem Schlüssel und schließlich legte sich seine Hand um den gewünschten Gegenstand.

Wieder feuerte sein unbekannter Gegner, doch diesesmal hatte Seraph das Mündungsfeuer deutlich genug sehen können. Schnell hob er die eigene Waffe in die Richtung aus der er das Aufblitzen gesehen hatte und drückte zweimal ab. Und er konnte einen Schrei vernehmen, zusammen mit einem hellen Klang, wie als ob Metall auf den Boden gefallen war. Anscheinend hatte er seinen Gegner getroffen und dieser die Waffe fallen gelassen.

Aber er kümmerte sich nicht mehr darum, sondern suchte mit dem Schlüssel weiter nach dem Türschloss.

Wenn er doch nur ... Da ist es.

Hinter ihm ein kratzendes Geräusch. Sein Gegner hob die Waffe wieder auf.

Die Türe war offen. Seraph drehte sich herum und schoss nun wild in die Gasse hinein, leerte das Magazin gegen Hauswände, ohne wirklichen Schaden anzurichten. Sein Anliegen war es gewesen seinen Gegner zurückzudrängen und nicht mehr.

Hinter sich schloss er die Türe und ließ sich langsam an der digitalen Wand nach unten gleiten, während er schwer nach Luft schnappte.

Das war für seinen Geschmack viel zu knapp gewesen.
 

Jones blickte von Smith zu Brown hinüber und versuchte zu erkennen, was in ihren Gedanken vorging, ob sie eine Idee hatten das Problem zu beseitigen.

"Es gibt keine Zweifel, dass die Information stimmt?"

"Nein, überhaupt nicht. Obwohl das alles seltsam erscheint. Lancte hatte erst vor einigen Tagen zu mir darüber gesprochen und bereits jetzt haben die Rebellen einen Plan ausgearbeitet", antwortete Jones auf Browns Frage.

"Wobei wir selbst nicht genau sagen können, ob die Rebellen ebenfalls über unsere Informationen verfügen. Ich glaube, wir sind am besten beraten wenn wir erst einmal die Dinge abwarten, die noch kommen werden. Tun können wir ohnehin nicht viel, also ..." An dieser Stelle wurde Brown von Jones unterbrochen, der einen flehenden Blick aufgesetzt hatte und nicht weiter hören wollte.

"Das können sie doch nicht einfach so sagen, Brown. Wir müssen etwas in dieser Sache unternehmen. Ein Nichteingreifen können wir uns gar nicht leisten. Sobald Lancte eine starke Emotionale Bindung zu seiner Rekrutin hat und ihr etwas passiert - Ihr wird etwas passieren, das steht ohne Zweifel -, können wir nicht sagen wie er darauf reagieren wird. Er könnte sich komplett zurückziehen und nie wieder etwas mit uns zu tun haben wollen ..."

"Was mich nicht sonderlich stören würde ...", fügte Brown als Kommentar ein und erhielt einen mahnenden Blick Smiths.

" ... oder er könnte einen Rachefeldzug starten und jeden umbringen, den er auch nur entfernt als Schuldig ansieht. Und wir sollten uns keine Hoffnungen machen, dass wir ihn dann noch aufhalten könnten. Er hat Informanten und Verbindungsleute nicht nur in allen vier Himmelsrichtungen sondern auch am Boden und in der Luft."

Über die drei Agenten senkte sich ein minutendauerndes Schweigen. Jeder von ihnen bedachte noch einmal jedes gefallene Wort und versuchte eine Lösung zu finden die er mit seinem Gewissen vereinbaren konnte.

Smith war es schließlich der sprach. "Zwar kann ich einige Sachen nicht komplett verstehen, zum Beispiel wie ihr Informant diesen Befehl hatte aufgabeln können, aber wir müssen auch bedenken, dass wir nicht sehr viel in dieser Situation unternehmen können. Ich halte es aber dennoch für das Beste, wenn wir zur Sicherheit ein paar Rekruten als Bewacher abstellen."

Brown nickte zögerlich, doch Jones tat gar nichts. Er schien sich nicht sicher zu sein, ob er dafür oder dagegen sein sollte.

"Jones?", fragte Smith.

Der Angesprochene lehnte sich etwas zurück. "Ich habe einfach das Gefühl, dass wir einen schweren Fehler begangen haben. Aber ich kann auch keinen anderen Ausweg erkennen, als den, den wir jetzt nehmen."

Und als die drei Agenten sich trennten, war Smith immer noch beunruhigt. Es gab keinen anderen Ausweg aus dieser Lage, aber dass Jones nicht ganz damit einverstanden war, war etwas was ihm nicht behagte.

In dem Moment als Smith sein Büro betrat wusste er nicht mehr, was er tun sollte. Er hatte noch nie in seiner Existenz gebetet, aber das was jetzt durch seinen Kopf ging, war eindeutig ein Gebet. Möge irgendjemand unseren Seelen gnädig sein.
 

Ende Kapitel 10



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2004-07-26T20:37:02+00:00 26.07.2004 22:37
eine super geschichte
ich will mehr davon lesen also bitts, beieil dich *biddebidde*
crossfort
Von:  Avalon2
2003-12-14T21:38:26+00:00 14.12.2003 22:38
Ich hoffe es geht bald weiter. Bin ein absoluter Matrixfan
und diese FF ist Toll.


Zurück