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I wanna be your Valentine

von

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1

Für Yami,

als vorträgliches Geburtstagsgeschenk.

Weil du immer so tolle Geschichten schreibst

und mir damit ein Lächeln auf die Lippen zauberst.
 


 

I wanna be your Valentine
 

Kapitel 1
 

Mit angehaltenem Atem stand ich an die Wand neben der Tür zum Proberaum gelehnt und fragte mich zum wiederholten Male, was ich hier eigentlich tat. Belauschte ich gerade wirklich meine Bandkollegen wie eine neugierige Oma ihre Nachbarn? Eine leise Stimme in meinem Hinterkopf schimpfte mich einen Idioten und dennoch konnte ich nicht anders, als gespannt die Ohren zu spitzen, obwohl ich nicht mal ansatzweise verstand, um was es ging. Ich hatte nur meinen Namen gehört – der Auslöser dessen, warum ich hier stand und nicht bereits drinnen.

„Willst du das wirklich durchziehen?“

Aus Toshiyas Stimme war deutliche Skepsis herauszuhören und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er mit zusammengezogenen Augenbrauen auf der Couch saß und Die kritisch beäugte. Zwar war unser Bassist meistens recht positiven Gemüts und gern auch mal etwas übermotiviert, aber er konnte einen besonders mit solch kritischen Blicken, wie er ihn wohl gerade drauf hatte, durchaus ganz schön vom eigentlichen Plan abbringen. Jedenfalls klang Die inzwischen nicht mehr so sicher, wie zu dem Zeitpunkt, als ich mit meinem Lauschangriff begonnen hatte.

Ein resigniertes Seufzen war zu hören.

„Bis vor wenigen Minuten: ja. Aber … Ach, ich weiß es nicht. Klar, möchte ich schon, aber was, wenn er es nicht ernst nimmt?“

„Naja, das sehe ich nicht unbedingt als Problem, er nimmt ja eigentlich immer alles ernst, wenn nicht gar zu ernst. Ich frage mich viel eher, ob Kaoru so etwas überhaupt zu schätzen weiß. Also allgemein und unabhängig von wem.“

Was wusste ich nicht zu schätzen? Ich wusste vieles zu schätzen: gute Musik, ein spannendes Buch – wenn ich denn mal zum Lesen kam, so einmal im Jahr – heißen Kaffee, arbeitsreiche Tage. Die Neugier in mir wurde immer größer, gleichzeitig nahm aber auch mein Unmut mit jedem Wort mehr zu. Ich hasste es, nicht zu wissen, um was es ging. Hey, immerhin war ich der Bandleader, über den gerade gesprochen wurde, und ich sollte immer wissen, was Phase war.

„Oh Mann… Ich hatte mir das irgendwie einfacher vorgestellt. Wenn wir uns nur nicht so lange kennen würden. Das macht mich nervös.“

„Na, ob es das wirklich einfacher machen würde. Außerdem… bist du dir sicher, das richtig verstanden zu haben? Ich weiß ja nicht. Ich kann‘s mir irgendwie nicht recht vorstellen.“

„Doch, doch. Mir gehen seine Worte und sein Gesichtsausdruck seit Monaten deswegen nicht mehr aus dem Kopf. Wie er dort gesessen hat, mit diesem viel zu dünnen Lächeln auf den Lippen, während die anderen in Erinnerungen geschwelgt haben. Ich glaube, ihn hat das schon getroffen. Ich würde ihm so gerne zeigen, dass -“

Das geräuschvolle Zuschlagen einer Tür lenkte mich von Dies Worten ab und ließ mich erschrocken zusammenfahren. Instinktiv ging ich einige Schritte zurück in Richtung meines Büros, um nicht auf frischer Tat beim Lauschen ertappt zu werden. Keine Sekunde zu früh, denn gleich darauf kam Shinya mit Kyo im Schlepptau um die Ecke geschritten. Mit einem knappen Nicken begrüßten sie mich, ehe sie ohne große Umschweife den Proberaum betraten.

Ich brauchte einige Sekunden, bis sich mein erschrocken schlagendes Herz so weit beruhigt hatte, dass ich ihnen folgen konnte. Wie ich vermutet hatte, saßen Toshiya und Die auf dem Sofa und blickten mir erwartungsvoll – und unschuldig, als hätten sie nicht gerade eben über mich geredet – entgegen, während die anderen beiden ihre Sachen im hinteren Teil des Raums abstellten.

„Morgen.“

„Guten Morgen. Dass du als Letzter hier auftauchst… das ist ja mal was Neues“, grinste mich unser Bassist spitzbübisch an.

„Ich bin schon seit einer Weile da und habe nebenan einige Unterlagen sortiert.“

Sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, dass ich, ohne rot zu werden, lügen konnte? Nein. Reiner Selbstschutz, um Fragen zu entgehen.

Mein Blick huschte zu Die, der mich mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck musterte. Nervös wirkte er nicht, eher abwesend, beinahe als würde er durch mich hindurchsehen. Ein irritierendes Flattern in meinem Bauch machte sich bemerkbar. Was hatte er vorhin gemeint? Was hatte mich getroffen, beziehungsweise, warum wusste ich davon nichts? Hätte ich bloß nicht gelauscht, dann wäre ich jetzt nicht so verwirrt. Außerdem… was taten sie so, als wäre nichts gewesen? Sie wirkten wie die reinsten Unschuldslämmer. Also fast.

Irgendwann wurde mir Dies Starren zu viel, weshalb ich unwirsch mit der Hand vor seinem Gesicht hin und her wedelte.

„Die? Aufwachen.“

Blinzelnd klärte sich sein Blick und wie auf Knopfdruck erschien sein typisches Lächeln.

„Hey, entschuldige, Kaoru. War kurz in Gedanken.“

Ich hörte Toshiya schnauben, während ich Die noch einen Moment lang skeptisch betrachtete, der nicht mal mit der Wimper zuckte und mir entgegen strahlte. Nichts schien von der Unsicherheit übrig zu sein, die ich vor wenigen Minuten in seiner Stimme zu hören geglaubt hatte. Von der angeblichen Nervosität ganz zu schweigen. Schlussendlich wandte ich mich schulterzuckend ab, um endlich mit den heutigen Proben zu beginnen, auch wenn sich mein Kopf gerade merkwürdig voll anfühlte.

Verdammt, was hatte Die noch gesagt? Und was wollte er mir zeigen?
 

*
 

Zwei Monate später
 

Ich spürte, wie die Ader an meinem Hals pochte, während ich mich arg zusammennehmen musste, nicht gleich selbst auf die Bühne zu springen und den Technikern die Kabel aus der Hand zu reißen. Es konnte doch wohl nicht so schwer sein, diese blöde Leinwand so mit dem Computer zu verbinden, dass der Hintergrund zum Song passte und nicht irgendetwas anderes abspielte oder gar dunkel blieb. Seit über einer Stunde werkelten sie herum, der Konzertbeginn rückte unaufhaltsam näher und der Soundcheck hatte noch nicht einmal angefangen. Das hatte man nun davon, wenn man einmal nicht mit der üblichen Crew arbeitete, sondern nur mit der Zweitbesetzung. Wer hatte ihnen auch zu Jahresbeginn unbedingt Urlaub geben müssen?

Ich war inzwischen so geladen, dass die meisten der Anwesenden einen großen Bogen um mich machten. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt für eine Beruhigungszigarette gewesen, hätte ich nicht vor einigen Jahren mit dem Rauchen aufgehört. In solchen Situationen verfluchte ich mich für diese Entscheidung und nur die Erinnerung an die mahnenden Worte meines Kardiologen half, um der Versuchung zu widerstehen. So war nur noch mein zweites Laster übriggeblieben, das leider in diesem vermaledeiten Veranstaltungsort nicht schmecken wollte und seit einer geraumen Weile unbeachtet und lauwarm in der Kaffeetasse darauf wartete, getrunken zu werden.

„Kaoru, wenn du noch fester zudrückst, zerbrichst du die Tasse noch und die kann nun wirklich nichts dafür.“

Kurz hatte ich das Bedürfnis, zu Die herumzufahren, der sich gerade neben mir an das Geländer zum Mischpult lehnte, und ihn anzublaffen, dass hier alles kacke und sehr wohl wert war, zerstört zu werden. Stattdessen atmete ich tief durch und versuchte mich zu beruhigen. Es brachte schließlich nichts, wenn ich meine Kollegen unbegründet zusammenfaltete.

„Hier, vielleicht hilft dir das.“

Eine schmale Schachtel tauchte vor meinem Gesicht auf. Stirnrunzelnd blickte ich zu dem blonden Gitarristen auf, der mich unbeeindruckt anlächelte.

„Schokolade? Wie soll die helfen, wenn die Technik nicht funktioniert?“

„Die soll ja auch nicht der Technik helfen, sondern deiner überaus reizenden Laune. Schließlich setzt Schokolade bekanntlich Glückshormone frei.“

„Da müsste sie aber schon eine Menge freisetzen, damit ich irgendwo Licht am Horizont sehe.“

Oder eben auf der Leinwand.

„Ach, Kaoru, jetzt überdramatisiere mal nicht alles. Das wird schon. Bisher haben wir es immer hinbekommen, die Show zu rocken.“

Ich sah ihn einige Sekunden schweigend an, überlegte ernsthaft, ob ich ihn daran erinnern sollte, wie Kyo das letzte Mal reagiert hatte, als die Übertragung nicht klappte und damit seine Performance störte. Aber gut, er musste sich dann auch nicht mit den Schimpftiraden unseres Sängers auseinandersetzen.

Statt ihm das alles an den Kopf zu werfen, atmete ich abermals tief durch, ehe ich in die dargebotene Schachtel langte und eine kleine, in Goldfolie verpackte Kugel daraus zutage förderte.

„Oh, ihr habt Schokolade?“

Schneller als einer von uns reagieren konnte, tauchte eine weitere Hand in meinem Gesichtsfeld auf und griff in die Packung. Wo kam Toshiya denn plötzlich her? Scheinbar tauchte die Hälfte meiner Kollegen neuerdings gerne mal aus dem Nichts auf.

„Ey, die ist für Kaorus Blutzucker und nicht für deinen. Der ist eh schon zu hoch, bei den ganzen Süßigkeiten, die du immer in deiner Tasche mit dir herumschleppst.“

Spielerisch schlug Die nach der vorwitzigen Hand, um ihn zu vertreiben. Doch selbst nach all den Jahren konnte niemand dem schmollenden Ausdruck und den großen, bettelnden Augen des Bassisten standhalten, weshalb sich Toshiya wenig später eine der Kugeln glücklich lächelnd in den Mund stopfte, während ich meine noch immer in der Hand hielt.

„Kaoru, wenn du deine nicht willst, nehm ich die auch.“

„Nichts da. Kaoru hat die viel nötiger als du.“
 

So ging es eine Weile hin und her und mündete schließlich in eine Diskussion über die unschlagbaren Vorteile von Schokolade, der ich widerwillig schmunzelnd lauschte. Es wirkte fast so, als wollten sie Werbung dafür machen. Bei Toshiya überraschte mich das wenig, er hatte sehr oft süße Nervennahrung, wie er es nannte, bei sich. Bei Die dagegen schon. Seit er sich gesunder Ernährung und einem sehr straffen Fitnessprogramm verschrieben hatte, hätte ich schwören können, dass es in seiner greifbaren Umgebung nichts mehr mit so vielen Kalorien gab.

Ich drehte die kleine Kugel noch einige Male zwischen den Fingern, bevor ich sie von der Folie befreite. Vollmilch, soweit ich das auf den ersten Blick beurteilen konnte.

„Hm… Eigentlich mag ich ja gar keine Schokolade.“

Ich war wirklich kein großer Schokoladenfreund, viel eher griff ich zu Gummibärchen, sollte Unterzuckerung drohen, oder meinem heißgeliebten Kaffee. Oder allerhöchstens Zartbitterschokolade. Dass ich die Worte laut ausgesprochen hatte, fiel mir erst auf, als die Stille zwischen uns beinahe in den Ohren zu schmerzen begann. Toshiya starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Huch…

„Bitte? Jeder mag doch Schokolade.“

Er klang so schockiert, dass meine Mundwinkel unwillkürlich zuckten.

„Nein, ich nicht. Ist mir einfach zu süß.“

„Aber, aber… Was machst du denn dann mit der Schokolade, die du geschenkt bekommst?“

„Welche?“

„Na, die zum Geburtstag, Weihnachten? Valentinstag, White Day? Schmeißt du die etwa weg?“

Schnaubend sah ich erneut auf die kleine Kugel zwischen meinen Fingern, die allmählich anfing zu schmelzen und hellbraune Flecken auf meiner Haut hinterließ.

„Wie gut, dass ich keine geschenkt bekomme.“

„Nicht dein Ernst?“

Toshiya wirkte wie ein Fisch auf dem Trocknen, während Die mich nur schweigend und mit zusammengepressten Lippen ansah.

„Doch und es ist auch nicht so wichtig. Zum Geburtstag bekomme ich, wenn überhaupt, praktische Dinge. Und Valentinstag und Co. waren für mich noch nie relevant. Wer hätte mir da schon etwas schenken sollen?“

Ich verstand sowieso nicht, warum die Leute so viel Geld an diesen Tagen ausgaben. War es nicht schöner für den Beschenkten, etwas an einem Tag zu bekommen, an dem man nicht damit rechnete? Nicht, dass mir das bisher passiert war, aber mal so rein theoretisch.

„Aber früher…? In unseren Anfangsjahren oder in der Schule?“

Toshiya sah wirklich so aus, als hätte ich ihn in seinen Grundfesten erschüttert, was meine Laune wiederum leicht hob. Sein Blick huschte immer wieder zu Die, als wollte er sich von ihm die Bestätigung holen, dass es nichts Schlimmeres gab. Dieser schwieg glücklicherweise weiterhin und sah unseren Bassisten seinerseits schmunzelnd an. Und er zuckte leicht mit den Schultern. Was sollte das denn bedeuten?

„So wichtig und begehrt, um von Fans Schokolade zu bekommen, war ich nie und während der Schulzeit hat meine Mutter mir welche geschenkt. War okay und nett gemeint, aber sie hätte meinetwegen keinen einzigen Yen dafür ausgeben müssen. Das muss nun wirklich nicht sein.“

Dass ich als Kind durchaus traurig gewesen war, wenn die anderen mit Schokolade nach Hause gingen und ich nicht, mussten die Beiden ja nicht wissen. Da hatten mich die kleinen Aufmerksamkeiten meiner Mutter wieder aufgemuntert. Heutzutage brauchte ich keinen Trost mehr und mittlerweile nervte das ganze Tamtam darum eher.
 

Ich glaubte, Die etwas murmeln zu hören, doch als ich erneut fragend zu ihm sah, schüttelte er nur sachte mit dem Kopf und deutete stattdessen nach unten.

„Sie schmilzt.“

„Oh.“ Vergessen hatte die Kugel in meiner Hand gelegen, die Finger deutlich von der braunen Masse verschmiert, so stopfte ich mir den Rest in den Mund. Es war wirklich Vollmilch mit einem überraschend cremigen Kern.

„Nicht schlecht.“

Auf die skeptischen Blicke meiner Bandkollegen hin, nickte ich noch einmal bekräftigend.

„Ja, wirklich gut. Und das will was heißen, da ich sonst höchstens dunkle Schokolade esse, wenn es denn welche sein muss.“

Die sah mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an, den ich gar nicht von ihm kannte und der mich dezent irritierte. Generell irritierte er mich in letzter Zeit. Auch mit etwas Abstand betrachtet, war ich aus dem heimlich belauschten Gespräch vor einigen Wochen nicht schlauer geworden. Kein Wort war in diese Richtung gefallen, als hätte ich mir das Ganze nur eingebildet. Nur war meine Neugierde immer noch präsent, was dazu führte, dass ich ihn öfter unauffällig beobachtete, als ich sollte. Ich wollte einfach wissen, was er mir zeigen wollte und was ich denn gesagt hatte, dass ihn anscheinend so beschäftigte. Wobei… ob es jetzt noch so war, wusste ich auch nicht. Aber nachzuhaken verbot mir mein Stolz.
 

Mit einem Mal wurden Rufe von der Bühne aus laut und bevor einer von uns etwas sagen konnte, wurde es hell in der Halle, sodass wir für einen Moment geblendet die Augen zukneifen mussten.

„Die Leinwand funktioniert!“

Na, endlich. Ging doch.

In der allgemeinen Freude der anderen griff ich ein weiteres Mal in die Schachtel, die Die unverändert in den Händen hielt und gönnte mir eine weitere Kugel.

2

Kapitel 2
 

Kritisch beäugte ich das kleine, rote Päckchen auf meinem Schreibtisch. Eine dicke, ebenso rote Schleife thronte obendrauf, nur einige Nuancen dunkler.

Was sollte das?

Ich saß sicher bereits seit fünf Minuten in meinem Büro und wusste nicht recht, was ich mit diesem ungewohnten Anblick anfangen sollte. Es sah verdächtig nach einem Geschenk aus. War das ein Versehen? Hatte sich jemand in der Tür geirrt? Es standen weder Absender noch Empfänger darauf, deshalb hätte es für jeden sein können. Allerdings war das hier mein Büro.

Stirnrunzelnd lehnte ich mich im Stuhl zurück.

Heute Morgen war es noch nicht da gewesen, da war ich mir sicher. So etwas fiel schließlich in diesem eher zweckmäßig eingerichteten Raum auf. Das hieß ja dann wohl, irgendjemand musste, während wir im Nachbarraum probten, hereingekommen sein, um es gut sichtbar auf dem Tisch abzuparken. Mir missfiel dieser Gedanke. Selbst die Reinigungskräfte fragten mich nach Erlaubnis, ob sie meinen Arbeitsbereich betreten durften. An sich war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass niemand ohne mein Einverständnis oder meine Anwesenheit hier hinein durfte.
 

Nun änderte mein Missfallen leider nichts an dem ungewollten Präsent. Wer sollte mir denn etwas schenken? Und warum? Mein Geburtstag war erst in einigen Tagen, wobei ich schon seit Jahren keine Geschenke mehr bekommen hatte. Maximal von meiner Familie.

Unbewusst fing ich an, mit meinem Fuß zu wippen, während ich vor mich hin grübelte.

Fangeschenke wurden direkt im Proberaum abgestellt oder dem Betreffenden persönlich in die Hand gedrückt. Von der Crew traute ich keinem solche Überraschungen zu, ebenso wenig den Angestellten im Gebäude, dafür kannten wir uns zu flüchtig.

Blieb noch die Band. Während der Pausen konnte schließlich jeder den Proberaum verlassen. Es war ein seltsamer Gedanke, dass mir einer von ihnen etwas schenken könnte, noch dazu etwas, das so auffällig verpackt war. Außerdem standen wir uns inzwischen nicht mehr nah genug, dass es ein Geschenk rechtfertigte, egal zu welchem Anlass. Und sollten wir füreinander doch mal etwas kaufen, dann wurde es in der Regel direkt überreicht – am besten mit Kaufbeleg, falls es umgetauscht werden musste.
 

Es war mühselig, mir weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, so zog ich das Päckchen schlussendlich schnaubend zu mir heran, löste die Schleife, in der Hoffnung endlich Klarheit zu erlangen. Ein milder Geruch von Schokolade wehte mir entgegen. Und tatsächlich lag eine fein verschnürte Tüte darin, deren Inhalt sich als kleine Pralinen und Schokoladensplitter entpuppte. Und Gummibärchen.

Sprachlos starrte ich auf den Inhalt und wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte. Die meisten der Pralinen wirkten unförmig, an einigen Stellen war die helle Verzierung verlaufen. Hatte da jemand allen Ernstes Schokolade selbstgemacht? Für mich? Wer um Gottes Willen machte sich denn diese Mühe? Das musste doch eine Heidenarbeit sein.

Ein warmes Kribbeln durchströmte mich, als ich die Tüte herausnahm, um sie genauer zu betrachten. Kein Stück glich dem anderen. Umsichtig öffnete ich das Schleifchen, intensiver Kakaogeruch kitzelte meine Nase. Nicht so süß, wie Schokolade für gewöhnlich roch. Und noch etwas anderes lag in der Luft. Kaffee? Waren das Kaffeepralinen?
 

Es dauerte eine Weile, bis ich die kleine Karte am Boden Päckchens entdeckte. Mit dezent brennenden Augen starrte ich auf den Text darin. Er war auf Englisch und obwohl ich mit dieser Sprache auf Kriegsfuß stand, glaubte ich die Aussage dahinter zu verstehen.

»Kaoru, let me be your Valentine.«

Kein Absender. Ich wusste nicht, wie lang ich da saß und mir die Worte immer wieder durch den Kopf gehen ließ. Ein seltsames Ziehen machte sich in mir breit, über das ich nicht zu intensiv nachdenken wollte.

Nur die Frage blieb: Wer machte sich diese unsägliche Mühe, mir so etwas zu schenken? Und warum? Ich war doch nun wirklich nicht der Typ, für den man solch einen Aufwand betreiben sollte. Das war es gar nicht wert.
 

Erst laute Schritte auf dem Flur, die vor meiner Tür stoppten, und eine mir nur allzu bekannte Stimme holten mich aus meinen Gedanken.

„Kaoru, ich mach los. Willst du nicht auch allmählich -“

Die brach mitten im Satz ab, Stille folgte, dann hörte ich, wie er langsam näher trat und unmittelbar hinter meinem Stuhl stehen blieb.

„Was machst du da?“

Warme Hände legten sich auf meine Schultern und brachten mich endgültig zurück ins Hier und Jetzt. Ich schluckte den Kloß, der sich in den letzten Minuten in meinem Hals gebildet hatte, herunter, schließlich wollte ich mir nicht anmerken lassen, was dieses unerwartete Geschenk in mir auslöste. Zum Glück stand Die hinter mir, denn ich traute meiner Mimik gerade nicht über den Weg.

„Ein Päckchen anstarren.“

„Und hilft es?“ Ein unterdrücktes Lachen begleitete seine Worte.

„Nein, es ist immer noch da.“

Langsam fand ich zu meiner alten Form zurück.

„So schlimm?“

Jetzt lachte er wirklich. Statt gleich zu antworten, schloss ich für einige Sekunden die Augen und suchte nach den richtigen Worten. Dass Dies Hände, die langsam über meine viel zu verspannten Schultern strichen, ein leichtes Prickeln hinterließen, ignorierte ich so gut wie möglich. Hin und wieder verstärkte er den Druck an einigen Stellen und nur mit Mühe konnte ich einen verräterischen Laut unterdrücken. Erst dieses Geschenk, dann diese ungewohnte Nähe. Heute fühlte sich alles verwirrend an. Und dabei wollte ich mich gar nicht so fühlen.

„Ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll“, gab ich leise murmelnd zu.

„Was ist denn drin?“

„Schokolade und eine Karte. Let me be your valentine.“

Ich stolperte über jedes zweite Wort und war mir sehr sicher, dass keines davon annähernd so ausgesprochen wurde, wie meine Zunge es gerade tat. Aber da war es wieder, Dies markantes Lachen. Automatisch stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen.

„Let me be your valentine.“ Bei ihm klang es eindeutig besser.

„Ja oder so. Trotzdem...“

Wieder strichen seine Daumen über die fiesen Stellen und diesmal konnte ich nicht anders, als ein Brummen von mir zu geben. Wann hatte mir Die eigentlich das letzte Mal die Schultern massiert? Musste ewig her sein. In den letzten Jahren war es unüblich innerhalb der Band geworden, dass wir privat Zeit miteinander verbrachten, ebenso solche Momente teilten wie jetzt.
 

Mit einem Mal herrschte Stille in meinem Kopf. Nichts sehend starrte ich auf den Tisch vor mir, das rot leuchtende Etwas nur verschwommen wahrnehmend. Unbeirrt strichen Dies Hände weiter über meine Schultern, während ich mich unter ihnen verspannte. Nur eine Frage geisterte durch mein Hirn. Warum tat Die das? Ausgerechnet jetzt. Hatte er etwa –

„Kaoru“, holte mich Die mit ungewohnt sanfter Stimme aus meinem Gedankenwirrwarr. „Was ist heute für ein Tag?“

„13.2. Und ja, ich weiß auch, dass morgen Valentinstag ist“, fügte ich leise hinzu. Als wäre die Karte nicht schon offensichtlich genug gewesen.

„Na, siehst du. Das heißt, jemand wollte dir einfach eine kleine Aufmerksamkeit zukommen lassen, würde ich behaupten.“

„Ja, aber ich verstehe es nicht. Warum ich?“

Ein Seufzen erklang, diesmal so dicht an meinem Ohr, dass mir der warme Atem eine Gänsehaut bescherte. Die plötzliche Nähe ließ mein Herz stolpern.

„Ach Kaoru. Du bist doch sonst immer so schlau. Es gibt viele Menschen, denen du etwas bedeutest und einigen davon liegst du mehr am Herzen, als du vielleicht glaubst.“

Wie paralysiert starrte ich auf das Päckchen, während sich in meinem Körper ein unkontrollierbares Gefühl ausbreitete.

Ich wollte Dies Worten in meinem Kopf nicht so viel Raum geben, wie sie es gerade taten. Aber… ich konnte nicht sagen, woran es lag, dass in mir mit einem Mal die stille Erkenntnis war, dass diese Schokolade von Die stammte. Vor wenigen Wochen erst hatte ich ihm gegenüber offenbart, was ich an Süßkram mochte – wenn ich denn mal welchen aß. Gut, Toshiya war auch dabei gewesen, aber nein. Da war dieses feine Stimmchen in mir, das mir zuflüsterte, dass das Geschenk von Die war. Ein Teil in mir freute sich, ein anderer wurde nervös, während der größte Teil erst einmal schwieg und immer noch versuchte zu begreifen.
 

Die Stille, die mittlerweile zwischen uns hing, lastete schwer auf mir, ich wusste einfach nicht, wie ich sie brechen sollte. Einfach alles fühlte sich gerade seltsam an. Selbst die Hände auf meinen Schultern wurden unerträglich.

Mit einem Ruck drehte ich mich in meinem Stuhl herum. Die machte überrascht einen kleinen Schritt nach hinten, dennoch hätte ich nur ein wenig mein Bein ausstrecken müssen, um ihn zu berühren. Seine Nähe irritierte mich, ebenso der Gesichtsausdruck, mit dem er mich ansah.

Verdammt, was sollte das?

So neutral wie möglich erwiderte ich seinen Blick, versuchte gleichzeitig das letzte bisschen Mut in mir zusammenzukratzen, auch auf die Gefahr hin, mich gleich zum Deppen zu machen.

„Die, ist die Schokolade von dir?“

Das daraufhin folgende Schweigen und sein direkter Blick halfen wenig dabei, dass das nervöse Flattern in meinem Magen auf irgendeine wundersame Weise verschwand. Im Gegenteil.

„Die?“

Etwas veränderte sich in seiner Haltung, ich konnte nur nicht sagen, was. Er sah mich noch einige Herzschläge prüfend an, dann wandte er sich plötzlich ab und bückte sich nach seiner Tasche, die an der Wand hinter ihm lag.

„Ich muss los. Wir sehen uns übermorgen.“

Er schaute noch einmal über die Schulter, seine Mundwinkel zuckten und in seinem Blick lag eine Wärme, die mir einen Schauder über den Rücken jagte, während ich ihn sprachlos anstarrte.

„Mach nicht mehr so lange.“

Und schon war er weg und ließ mich mit meinem viel zu schnell schlagenden Herzen allein zurück.

„Die…“
 


 

*
 

Einige Wochen später
 

Unruhig biss ich auf der Unterlippe herum, meine Augen wurden immer wieder von der unheilvoll tickenden Uhr über der Tür angezogen. Sonst hatte ich immer das Gefühl, dass die Zeit gar nicht verging und jetzt raste sie nur so dahin. Ich rutschte gefühlt zum hundertsten Mal auf dem viel zu weichen Polster des Sofas herum, versuchte eine bequeme und entspannt aussehende Position zu finden, aber irgendwie fühlte es sich falsch an – denn ich war alles, nur nicht entspannt.

Die gesamte Situation war ungewohnt für mich. Ich hatte seit Jahren keine Beziehung oder gar Dates gehabt. Gut, das hier war genau genommen auch kein Date, jedenfalls versuchte ich das meinem aufgeregt schlagenden Herzen klarzumachen, das das Ganze natürlich völlig anders sah.

Es war nur ein Treffen. Mit Die. Außerhalb der Arbeit. Sonst nichts. Obwohl er mich seit Wochen verwirrte.
 

Wir hatten nicht mehr über das Geschenk gesprochen, allerdings war ich mir inzwischen sehr sicher, dass es von ihm war. Die Pralinen hatten sich tatsächlich als eine Mischung aus Kaffee- und Zartbitterschokolade entpuppt, genau mein Geschmack. Und die Art, wie er mich angesehen hatte, als er ging…

Je öfter ich darüber nachgrübelt hatte, an desto mehr versteckte Indizien erinnerte ich mich. Blicke, Gesten oder auch die Worte, die ich vor Monaten belauscht hatte. Dennoch blieb die Angst, etwas missverstanden oder zu viel hineininterpretiert zu haben.

Keine Frage, ich mochte Die. Wie sehr, darüber war ich mir momentan noch nicht klar, weil ich es bisher nie im Bereich des Möglichen gesehen hatte, dass da mehr sein könnte. Aber anscheinend mochte er mich auch. Gut, wahrscheinlich hätte er es sonst die ganzen Jahre nicht mit mir und der Band ausgehalten, wenn nicht irgendeine Form der Sympathie da gewesen wäre. Blieb eben nur zu klären, wie tief diese Sympathie bei ihm wirklich ging.

Was anfangs ein irritierender Gedanke gewesen war, so musste ich mir inzwischen eingestehen, dass es irgendwie guttat, daran zu glauben, dass er mich womöglich mehr als normal mochte. Gleichzeitig machte es mich nervös, da ich nicht wusste, was er von mir erwartete.

In genau diesem aufgekratzten Zustand hatte ich den Großteil der letzten Wochen verbracht. Teilweise nervte ich mich selbst, weil ich einfach nicht den Mund aufbekam und mich lieber in Arbeit vergrub. Aber hey, Die könnte doch genauso das Gespräch mit mir suchen. Was er nicht tat und sich auch sonst nichts anmerken ließ. Manchmal kam ich mir echt idiotisch vor, weil ich mir so den Kopf zerbrach.

Vor einigen Tagen hatte ich nun nach langem Hin und Her beschlossen, ihm ebenso etwas zu schenken, auch auf die Gefahr hin, mich im schlimmsten Fall lächerlich zu machen.
 

Und jetzt saß ich hier auf der alten Couch im Proberaum und wartete, angespannt bis in die Haarspitzen, auf Die, dem ich gestern in einer Kurzschlussreaktion eine Nachricht geschrieben hatte, ob er heute Zeit hätte. Ein Treffen zu Hause oder anderswo, war mir eine Spur zu privat gewesen, der Proberaum hingegeben gab mir ein gewisses Maß an vertrauter Sicherheit.
 

Seufzend rückte ich abermals von rechts nach links. Die kleine Schachtel, die zwischen Armlehne und mir lag, piekte mit der Ecke in mein Bein, wie um mich zu ermahnen, endlich still zu sitzen.

Konnte er nicht endlich kommen? Dann hätte ich es wenigstens hinter mir. Warten war echt nicht mein Ding.

Nach einer gefühlten Ewigkeit schlug in einiger Entfernung eine Tür zu, kurz darauf waren schnelle Schritte zu hören. Mein Herz machte einen erfreuten Satz, mein Magen gleich mit, während ich mir selbst nicht ganz sicher war, ob ich mich ebenso freuen sollte. Am liebsten hätte ich das Ganze gleich wieder abgeblasen: „Sorry, Die, die Nachricht war ein Versehen, sollte nicht an dich gehen und ich hab‘s mir anders überlegt, lass uns das alles einfach vergessen.“ Oder so ähnlich.

Dummerweise wurde in genau diesem Moment die Tür aufgerissen und durchkreuzte meinen Rückzugsplan. Ein abgehetzt wirkender Die stand im Rahmen, die Haare leicht vom Wind zerzaust und dennoch mit seinem berühmten Grinsen auf den Lippen. Augenblicklich fühlte ich mich leichter und ich konnte nicht anders, als ebenfalls zu lächeln.

„Entschuldige, Kaoru, ich habe verschlafen und dann auch noch ewig einen Parkplatz suchen müssen.“

Auf meinen vielsagenden Blick gen Uhr – schließlich war es schon nach drei – schwand sein Grinsen minimal und er zuckte leicht verlegen mit den Schultern.

„Ich konnte heute Nacht nicht einschlafen.“

Nein, Kaoru, du beziehst das jetzt nicht auf dich oder das Treffen hier. Nein.

Unauffällig atmete ich tief durch, während er die Tür schloss und sich nach kurzem Zögern neben mir niederließ.

Ehe wir Gefahr liefen in unangenehmen Schweigen zu versinken, griff ich schnell neben mich und legte die schmale Schachtel auf seinen Schoss. Die großen Augen wanderten verblüfft von mir zu der Schachtel und sofort wieder zurück.

„Kaoru, was -“

„Für dich. Ich … ich wollte dir ebenfalls etwas schenken.“

Für einen Augenblick wirkte es so, als herrschte Leere in Dies Hirn. Er öffnete seinen Mund, doch kein Laut kam heraus. Wäre ich nicht so angespannt gewesen, hätte ich sicher gelacht.

Schließlich kam wieder Leben in ihn. Nach einem weiteren Blick auf mich, hob er vorsichtig, geradezu bedächtig, den Deckel – und erstarrte erneut. Ich wusste ja bereits, was drin lag und dennoch spürte ich, wie mir die Hitze in die Wangen stieg. Ich war mir reichlich albern vorgekommen, als ich letzte Woche zielstrebig in den Schokoladenladen im Bahnhofsbezirk gestiefelt war und umgeben von einer Handvoll Kinder und ihren Eltern, meine eigene Schokolade verziert hatte. Um komplett alles selbst zu herzustellen, fehlte mir die Geduld und das Können, aber so war wenigstens ein kleiner Teil selbstgemacht. Außerdem war ich mir nicht ganz sicher gewesen, was für Schokolade Die überhaupt mochte und nun hatte er eine Tafel mit verschiedenen Geschmackssorten.

Mit jeder Sekunde, in der er schwieg, nahm mein Puls an Geschwindigkeit zu. War es richtig gewesen, ihm so etwas zu schenken? Oder hatte ich doch zu unüberlegt gehandelt?

„Die, ich -“

„Kaoru“, wurde ich im Versuch einer Rechtfertigung unterbrochen. „White Day ist erst morgen.“

Schmunzelnd sah er zu mir auf. Ich wusste nicht, ob er sich je darüber bewusst geworden war, was sein Lächeln und auch sein Lachen in anderen auslöste. Es hatte immer etwas Befreiendes an sich – wenn Die lächelte, war alles in Ordnung. In meinem Fall nahm sein Schmunzeln einen Teil der Nervosität mit sich und ließ mich wieder ruhiger atmen.

„Hm, ja, aber ich habe mein Geschenk ja auch einen Tag früher erhalten.“

Dies Schmunzeln wurde breiter, als er abermals die Schachtel in seinen Händen betrachtete.

„Die, das war von dir, stimmt’s?“

Diesmal ergriff er nicht die Flucht und ließ mich nicht mit einem Kopf voller Fragen zurück. Stattdessen passierte etwas, was ich schon seit Jahren nicht mehr bei ihm beobachtet hatte: Er wurde rot. Damit verflog auch das restliche Bisschen Unruhe in mir und machte der Erkenntnis Platz, dass es ihm wohl ebenso ging wie mir. Verlegen sah er mich an, schien nach den richtigen Worten zu suchen.

„Ja. Ich – Hach.“

Unwirsch fuhr er sich mit den Fingern durch die langen Haare und atmete tief durch.

„Ich wollte dir einfach eine Freude machen. Und dir zeigen, dass du mir wichtig bist.“

„Und warum hast du mir das einen Tag früher geschenkt?“

„Ich weiß doch, wie wenig du mit Valentinstag anfangen kannst. Außerdem…“ Ich war mir fast sicher, dass die Röte in seinem Gesicht noch eine Spur zunahm. „...wollte ich der Erste sein.“

Verdattert sah ich ihn an.

„Wie?“

„Na ja, du hattest in deinem Podcast letztes Jahr gemeint, dass du an dem Tag nie etwas geschenkt bekommen hast, außer von deiner Mutter. Und irgendwie gingen mir deine Worte nicht mehr aus dem Kopf. Du machst immer den Eindruck, als wärst du gerne für dich allein. Doch in diesem Moment war es anders. So als wärst du wirklich allein gelassen worden. Und ich ertrage es nicht, dich so zu sehen… Ach Mann… ich mochte dich halt schon immer und wollte dir das jetzt auch zeigen und dich erinnern, dass es Leute gibt, denen du etwas bedeutest. Denen du wichtig bist. Sehr wichtig.“
 

In meinem Magen schien eine Ameisenkolonie Einzug gehalten zu haben, anders konnte ich mir das heftige Kribbeln darin nicht erklären. Ich starrte Die an, suchte nach den richtigen Worten, während er das Geschenk unruhig zwischen den Händen drehte.

„Du folgst meinem Podcast?“

Super. Etwas Besseres fiel meinem Hirn bei der Antwortsuche nicht ein?

Die schnaubte belustigt auf und musterte mich mit diesem Blick, der mir in den letzten Wochen vermehrt einen Schauer über den Rücken gejagt hatte, nachdem er mir bewusst geworden war.

„Na, wenn du dich sonst nur in Arbeit vergräbst… Auf diese Weise erfährt man wenigstens etwas von dir.“

Im Nachhinein konnte ich nicht mehr sagen, was und ob ich mir überhaupt etwas dabei gedacht hatte, als ich näher zu Die rutschte und meine Hände auf seine legte. Sie waren kalt und fühlten sich dennoch so vertraut an.

Langsam, vielleicht aus Angst, dass ich sie gleich wieder wegziehen könnte, drehte Die seine Handflächen nach oben und verschränkte unsere Finger ineinander.

„Kaoru, ich bin gerade sehr froh, hier zu sein.“

Sein ehrliches Lächeln wärmte mich von innen und bestätigte mich darin, dass es richtig war, was wir hier taten.

„Ich freue mich auch. Und Die…“

„Ja?“

„Du bist mir auch sehr wichtig, obwohl ich es vielleicht nicht immer zeige. Aber es ist mir in den vergangenen Wochen immer bewusster geworden. Und ich mag dich auch… irgendwie.“

„Irgendwie… Damit kann ich vorerst leben.“
 

Unser Lachen, das den Raum erfüllte, war befreiend. Mit einem Mal schien alles so leicht, da waren keine unnötigen Gedanken mehr in meinem Kopf, die mich zweifeln ließen. Einem plötzlichen Impuls nachgebend, zog ich Die näher zu mir, direkt in meine Arme. Ich hörte ihn überrascht keuchen, während ich es mir erlaubte, die Augen zu schließen und mich in das Gefühl seiner Nähe fallen zu lassen. Ja, das fühlte sich definitiv richtig und gut an.

„Kaoru?“

„Hm?“

„Können wir das hier jetzt öfter machen?“

Ich spürte, wie Dies Hände sachte über meinen Rücken wanderten. Sein Kopf lehnte an meinen, warmer Atem kitzelte meinen Hals. Ich vergrub das Lächeln an seiner Schulter.

„Gerne. Und machst du eigentlich demnächst wieder Schokolade für mich? Um mir zu zeigen, wie wichtig ich dir bin. Denn die war echt gut.“

„Es gibt durchaus andere Mittel und Wege, dir das begreiflich zu machen. Und die wären sicher einfacher als selbstgemachte Schokolade. Ich finde nämlich jetzt noch vereinzelt Reste in meiner Wohnung.“

„Deine Katze hat die nicht schon längst entdeckt?“

„Doch, aber sie hat sich, glaube ich, in den Wochen, als ich für dein Geschenk geübt habe, daran überfressen.“

Zufrieden schmunzelnd ließ ich meine Hände über Dies warmen Rücken wandern, während ich dem angenehmen Kribbeln in mir nachspürte, das allmählich meinen gesamten Körper flutete. Mir war nie bewusst gewesen, dass ich solch eine Nähe vermisst hat, nur jetzt, wo ich sie einmal spürte, wollte ich nicht mehr ohne sie sein.

„Wenn das so ist, müssen wir uns wirklich etwas anderes einfallen lassen. Damit ich nicht vergesse, was ich dir bedeute. Und du mir.“
 

Ende



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Kommentare zu dieser Fanfic (2)

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Von:  -Pharao-Atemu-
2023-12-07T16:06:50+00:00 07.12.2023 17:06
Es ist so dermaßen süß *Schokolade weg schieb*
Da brauch ich nicht mal was zu knabbern bei XD
Aber igendwie ist es ja traurig, dass Kaoru sich (in diesem Punkt) so wenig Wertschätzung selbst entgegenbringt *schnüff*
Gut dass er Daisuke dafür hat.
Antwort von:  QueenLuna
25.12.2023 11:09
Tja so ist es halt xD Kaoru meinte ja in einem Interview mal er hat nie was zum Valentinstag bekommen und seine Mutter hat ihm was gegeben ^^

Freut mich dass es dir gefallen hat ^^
Von:  yamo-chan
2023-02-14T18:58:37+00:00 14.02.2023 19:58
Waaaas? Wie kann das denn sein, dass Kao keine Schokolade bekommt? O_ô
Das geht doch nicht.
Das muss sich (/Die) ändern!

Einen schönen Valentinstag <3
🍫🍫🍫
Antwort von:  QueenLuna
19.02.2023 15:09
haha ja der arme Kerl hat das letztes Jahr mal in seinem Podcast erzählt xD

danke dir ^^


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