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Ein Chef zum Verlieben

Mann mit Kind sucht Mann mit Saldenlisten
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Willkommen zum ersten Kapitel dieser total seriösen AU. Weil sie so seriös ist, kommt sie auch mit einer gleich seriösen Playlist, die noch im Werden ist, aber schon mal die ersten drei Songs zu diesem Kapitel umfasst. Hört sie euch hier an und leidet mit Kai.
- Bei Yuuya habe ich den Namen aus dem englischen Dub genommen, weil das Ganze in London spielt und ich hier mehr Briten brauchte. Ein ähnliches Schicksal hat Max erfahren, der mit Nachnamen Tate heißt. Vielleicht something something amerikanischer CEO something something. Bitte, das ist alles voll durchdacht.
- Die Frauen von Stepford sind eine Anspielung auf den gleichnamigen Film. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
- Ich entschuldige mich gleich im Voraus bei allen Karens und Stacys dieser Welt.
- Ich habe noch nie vorher Mariam geschrieben, bin daher sehr offen für Kritik, was ihren Charakter angeht.
- Yuriy ist in dieser Chefdaddy AU natürlich heavily inspired by trashyartz' mittlerweile berühmt-berüchtigtem Fanart, auch wenn er hier noch keine grauen Haare hat.
- Hier ist ein Plan der London Tube für alle Streber, die Yuriys U-Bahn-Fahrt nachverfolgen wollen.
- Die Playlist für das heutige Kapitel beginnt bei The Smiths und endet beim Red Army Choir. Ja, es ist ein wild ride.
- Подмосковные вечера = Moskauer Nächte
- Если б знали вы, как мне дороги подмосковные вечера [Esli b snali wy, kak mnje dorogi padmoskownie wetschera] = Wenn ihr wüsstet, wie teuer mir diese Moskauer Nächte sind Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
- Ich mag dieses Kapitel nicht so, aber es ist auch eher mehr ein Übergang, schätze ich.
- Die heutigen Playlistsongs sind Helplessness Blues von Fleet Foxes und Your Turn To Drive von David Bowie.
- Dank geht an die Supportgruppe, die mir den Rohrbruch eingegeben hat. <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
- Die heutige Playlist beginnt bei Caught von Florence + The Machine und endet bei Time Is Now von Moloko. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
- Die heutige Playlist-Begleitung beginnt bei Bubbly von Colbie Calliat und endet bei Sing It Back von Moloko.
- Holy fuck hat Yuriy Eier in der Hose. Es war nicht geplant, das Kapitel so abzuschließen, aber Loverboy hatte andere Pläne. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
- Dieses Kapitel ist ein bisschen kürzer, weiß auch nicht warum.
- Das Tattoo stelle ich mir so vor.
- Die heutige Playlist beginnt bei Dorogoi Dlinnoyu von BigRock Balalaikas und Never Tear Us Apart von The National. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
lady_j hat mit der Berlin-AU gestern Peitsche gegeben, ich serviere euch heute das ausgleichende Zuckerbrot. Lest das hier nicht, wenn ihr eine Abneigung gegen Fluff habt, es ist stellenweise widerwärtig. Übrigens geht auf Jays Kappe auch der Kapiteltitel. <3 Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
- Habe ich für Kais Haus basically dieses hier mit ein paar kleinen Änderungen und kreativen Ergänzungen gewählt? Vielleicht.
- Yuriy bezieht sich in seiner Aussage zu Hugh Grant und Julia Roberts natürlich auf den Klassiker Notting Hill.
- Dank und Lob für den Titel und die emotionale Unterstützung wieder an die Supportgruppe! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Dieses Kapitel ist total messy und der Aufbau könnt probably auch besser sein, aber ich haue euch das jetzt dennoch um die Ohren. Das nächste wird besser. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Oh Gott. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Dank für dieses Kapitel geht an FreeWolf, die mir beim Denken geholfen hat. ❤️ Und für den Titel Extradank an WeißeWölfinLarka, die mich so tatkräftig mit Ideen versorgt, wenn ich schwächle! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Vorletztes Kapitel! Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Letztes Kapitel! Es kommt noch ein Epilog, keine Sorge.

Hijos de puta = span. Hurensöhne. Komplett anzeigen
Vorwort zu diesem Kapitel:
Uuuuund da wären wir am Ende. Es war mir ein Volksfest, danke fürs Dabeisein!

lapatschka = russ. Pfötchen; ein Kosename
solnyschko = russ. Sonnenscheinchen; ein Kosename
Papenka = keine richtige russiche Koseform von Papa (zumindest meines Wissens nach nicht), aber ich stell‘s mir lieb vor, wenn Gou ein bisschen die Verniedlichung von Yuriy übernommen hat und auf manche Dinge anwendet. Komplett anzeigen

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Pretty Accountant

„Tja, und dann habe ich ihm gesagt: ‚Mit so einer Fresse würde ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen‘“, beendete Yuriy achselzuckend seine Schilderung, „und ich stehe immer noch dazu.“

Julia starrte ihn an wie ein besonders faszinierendes Insekt, die Wasserflasche auf halber Höhe zu ihrem Mund verharrend. Schließlich schüttelte sie den Kopf, trank einen Schluck und schraubte die Flasche wieder zu. „Ich will nicht sagen, dass du es herausgefordert hast, gefeuert zu werden, aber…“

„Nicht gefeuert, es war noch Probezeit“, korrigierte Yuriy, dann seufzte er und rieb sich über eine Braue. „Aber ich gebe zu, dass das undiplomatisch war.“

„Du bist viel, aber nicht diplomatisch“, stimmte Julia zu und klopfte ihm auf die Schuler. „Und was machst du jetzt?“

„Was wohl“, sagte Yuriy düster, „ich suche mir was anderes. Irgendwelche Nebenjobs gibt‘s immer. Man kann nicht viel über London sagen, aber es ist auf jeden Fall ziemlich groß.“

Julia stieß einen tiefen Seufzer aus und musterte ihn, als er sich von ihr wegdrehte, um noch einmal den rechten Arm zu dehnen. Eigentlich machten sie gerade nur Pause bei ihrem wöchentlichen Tanzkurs; die anderen Tanzpaare hatten sich überall im Saal verteilt und lehnten an beziehungsweise saßen bei den verspiegelten Wänden. Immer wieder streifte sie und Yuriy ein neugieriger Blick. Julia warf sich selbstgefällig den Pferdeschwanz über die Schulter. Sie wusste, dass sie beide ein gutes Paar abgaben. Zumindest beim Tanzen.

„Du hättest echt was Besseres verdient“, sagte sie schließlich, „du bist doch Buchhalter, verdammt! Du kannst das doch auch alles auf Englisch!“

„Schon“, sagte Yuriy düster, „aber letzteres autodidaktisch. Erstaunlicherweise akzeptiert man auch in London Buchhalter eher nur mit entsprechenden Leistungsnachweisen. Britischen Nachweisen.“

Julia seufzte. Es war wirklich zum Mäusemelken. Yuriy war attraktiv, dynamisch und hatte einen Kopf für Zahlen, der seinesgleichen suchte. Das einzige, was ihn von Job zu Job tingeln ließ, war die Tatsache, dass er eigentlich Russe war, der sich erst seit knappen eineinhalb Jahren in London befand. Er hatte zwar die Erlaubnis, hier zu leben und zu arbeiten, aber mit einer Arbeit als Buchhalter haperte es, wenn die ganzen Nachweise auf kyrillisch für das russische Buchhaltungssystem gemacht waren. „Mach‘ ne Prüfung!“

Yuriy zog die Brauen hoch. „Geld? Wir haben darüber schon mal gesprochen.“

„Du brauchst einfach einen reichen Liebhaber“, befand Julia, „das würde mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen.“

„Schlägst du mir gerade vor, in den Eskortservice zu gehen?“

Julia dachte einen Moment lang ernsthaft darüber nach. „Ehrlich gesagt, ich würd dich bezahlen“, sagte sie dann nachdenklich und duckte sich rechtzeitig, als Yuriy mit dem Handtuch nach ihr schlug. „Was? Hat bei Richard Gere und Julia Roberts auch funktioniert, und die war nicht mal Eskort, sondern nur Prostitution!“

„Ich eskortier‘ dich gleich, und zwar raus“, sagte Yuriy empört. Wie immer, wenn er sich aufregte, trat der Akzent in seinem ansonsten tadellosen Englisch stärker heraus, bis das R geradezu mahnend über Julia hinwegrollte. Es war irgendwie sexy, also beschwerte sie sich nicht gerade.

„Schön“, sagte Julia mit einem tiefen Seufzer und machte sich bereit, wieder in Position zu gehen. Sie hatte ein persönliches Interesse daran, dass Yuriy ein halbwegs vernünftiges Einkommen heranzog, damit er sich Späße wie diesen Kurs weiterhin leisten konnte. Anders als alle anderen ihrer früheren Tanzpartner hatte Yuriy schnell verstanden, wie weit er sie lenken konnte und wie sie miteinander kooperieren mussten.

Yuriy zog sie schwungvoll an sich und legte den rechten Oberarm an ihren Rücken, während er mit der Linken ihre Hand nahm. Sein Griff war sicher und kräftig, ohne sie zu zerdrücken und sein angenehmer, herber Geruch kitzelte sie in der Nase. Sie richtete sich auf, legte den linken Arm gespiegelt zu seinem an seinen Rücken und blickte wie für einen Tango üblich über seine rechte Schulter - und hatte eine spontane, aber gloriose Eingebung.

Die Firma, in der sie als Grafikerin arbeitete, suchte gerade nach einem Buchhalter, weil der alte spektakulär gegangen worden war. Das wusste sie, weil ihr Bruder Chef der Personalabteilung war - ihr Bruder, der sicher beide Augen über (noch) fehlende Referenzen von britischen Stellen zudrücken würde, wenn sie ihn gebührend bearbeitete. Es war ja nicht so, als ob Yuriy nicht wusste, was er tat, sie hatte ihn immerhin nicht umsonst ihren Steuerausgleich machen lassen. Und der CEO von Hiwatari Enterprise war dafür bekannt, dass er sich mit Personaleinstellungen auf den unteren Ebenen nur selten beschäftigte. Außerdem - und Julia sah es immer klarer vor sich, ja, es zog wie ein Film vor ihren Augen vorbei und sie weidete sich gründlich daran - außerdem war er single, sexy und auch nicht auf den Kopf gefallen. Mit ein bisschen Schubsen hier und ein bisschen Schubsen da kam Yuriy vielleicht doch noch zu seinem Richard Gere, und was war der schon ohne seine Julia Roberts? Es war tatsächlich wie der Plot einer dieser kitschigen Liebesfilme, die Raul immer so gerne schaute.

„Yura“, sagte sie, während der Tanzlehrer alle Paare dazu aufforderte, Haltung einzunehmen, „ich habe da eine Idee.“

Vater (32), dauermüde, sucht

„Ich will aber niiiiiiiiiicht!“

Kai schloss die Augen und rieb sich die Schläfen, was Gou allerdings nicht davon abhielt, hingebungsvoll in sein Kissen zu schluchzen, als ob sein Vater ihm gerade verkündet hätte, dass er ihn in den Weiten Schottlands aussetzen wollte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben war Kai gerade nicht weit davon entfernt. 

„Ich schneid‘ Löcher rein!“, heulte Gou. Kai war sich sehr sicher, dass er selbst nie so dramatisch gewesen war. 

„Gou“, sagte er schließlich gepresst, „dann zieh das Shirt eben nicht an, sondern ein anderes. Du hast gesagt, dass ich eins für dich aussuchen soll.“

„Ein cooles!“

Kai ermahnte sich, dass er über dreißig Jahre alt war und wirklich nicht das Coolheitssiegel seines Dreikäsehochs von Sohn brauchte, um sich zu fühlen, als ob er etwas erreicht hatte. Getroffen hatte es vielleicht dennoch ein bisschen. Er blickte auf die Uhr und unterdrückte ein Seufzen. 

„Die Schule wartet nicht auf dich“, erinnerte er seinen Sohn angespannt, was dem allerdings vollkommen egal war. Kai zählte stumm bis fünf, dann riss er den Kleiderschrank auf und holte fünf Shirts heraus, die er Gou vor die Nase legte. Es wurde Zeit für die harten Bandagen.

„Eins davon wird’s“, sagte er resolut, „sonst rufe ich Mama an.“

Daraufhin hörte das Geschluchze prompt auf. Einen Moment lang war es still. Dann rappelte Gou sich mit rotzig-verdrossenem Gesicht auf und starrte die Shirts an, um sich schließlich ein blaues mit Fröschen über den Kopf zu ziehen. In Unterhose und Hose hatte Kai ihn immerhin schon reingebracht, weshalb nun nur noch übrig blieb, ihm mit der Jacke zu helfen.

„Nimm bitte deinen Rucksack mit“, sagte Kai und griff selbst nach der Aktentasche, die schon an der Tür des Kinderzimmers auf ihn wartete. Gou murmelte etwas, das nicht verständlich war, aber sehr trotzig klang, tat aber wie geheißen und trabte ihm hinterher, als Kai die Treppen hinunterging und den Kopf in die Küche steckte.

„Mathilda“, sagte er, „wir können das Frühstück leider nicht-“

„Habe ich mir schon gedacht, Mr. Hiwatari“, sagte sein Au-Pair mit aller Ruhe und einem sanften Lächeln. Mathilda war von irgendeinem guten Geist geschickt worden, so viel war sicher. Kai wurde in dieser Ansicht bestätigt, als sie ihm zwei Pakete in die Hände drückte und dabei sagte: „In dem einen ist Gous Frühstück, in dem anderen ist Ihres und was Kleines für den Lunch. Hier ist der Kaffee.“

Kai lächelte dankbar, als sie seinen Kaffeebecher To-Go ebenfalls in seine Hand drückte. „Sie sind ein Engel.“

Mathilda lächelte und wandte sich an Gou, dem sie über die Haare strich, ehe sie nach einem Taschentuch griff und sein Gesicht säuberte. Er wich nicht aus, verzog aber den Mund auf eine Art und Weise, die Kai an sich selbst erinnerte. Trotzdem nickte er still, als Mathilda zu ihm sagte: „Ich hole dich dann zu Mittag ab, okay?“

„Sag auf Wiedersehen“, sagte Kai zu ihm.

Gou legte trotzig die Stirn in Falten, murmelte dann dennoch einen Abschied und sauste vor ins Vorzimmer. 

Kai hob ein wenig hilflos die Hände. „Ich weiß nicht, was heute mit ihm los ist. Er hat auch ein ewiges Theater beim Anziehen gemacht.“

„Wir haben alle unsere Momente“, sagte Mathilda beschwichtigend. 

Das konnte Kai nicht leugnen, also nickte er nur und verabschiedete sich. Im Vorzimmer stieg er in seine eigenen Schuhe aus schwarzem Nappaleder. Dann begann er aus Zeitmangel auch Gous Schuhe zu schnüren - etwas, das Gou eigentlich schon selbst konnte. Normalerweise achtete Kai auch darauf, es ihn selbst machen zu lassen, aber heute drängte die Zeit. Voll bepackt mit Aktentasche, Kind, Kaffee und Fresspaketen schaffte er es irgendwie, den Autoschlüssel aus der Glasschüssel auf der Anrichte im Vorzimmer zu fischen und sie hinaus zu seinem schwarzen Audi A8 zu lotsen. Als er endlich alles im Auto verstaut und Gou am Rücksitz angeschnallt hatte, ohne den Kaffee über sich oder seinen Sohn zu schütten, war er bereits außer Atem und sehnte sich nach einer Zigarette. 

„Peppa Pig!“, forderte Gou auch prompt, noch ehe Kai den Motor starten konnte. Offensichtlich hatte er seine Motivation wieder gefunden. 

„Geht nicht irgendwas anderes?“, fragte Kai und hörte das Flehen in seiner eigenen Stimme, während er den Kaffeebecher in den dafür vorgesehenen Halter steckte, sein eigenes Fresspaket auf den Nebensitz legte und das andere nach hinten reichte. „Iss das bitte.“ 

„Nein, ich will Peppa“, befand Gou nach einem Moment resolut, aber immerhin hatte er das Nutellabrot herausgefischt und zu essen begonnen. 

Kai machte einen tiefen Atemzug, dann ergab er sich in sein Schicksal und startete sowohl den Motor als auch das Pepper-Pig-Album, auch wenn der erste Grunzer aus dem Lautsprecher ihn bereits an den Rand der Verzweiflung brachte. Er leitete ein milliardenschweres Unternehmen und verhandelte täglich mit kaltblütigen Finanzhaien, und trotzdem war das, was ihn auf die Knie zwang, die Endlosschleife eines nervigen Schweins mit viel zu hoher Stimme. Jeder Tag begann und endete mit diesem Schwein. Gelegentlich hatte er einen Ohrwurm von der Titelmelodie, während er in einem Meeting saß und um Preise feilschen musste. Es gab kein Entkommen, bis Gou eine andere Obsession gefunden hatte, und nur die Götter mochten wissen, wann das der Fall sein würde.

„Bekommt das Kind, haben sie gesagt”, murmelte er vor sich hin, wohlweislich so leise, dass Gou nichts verstehen konnte, „das wird die beste Zeit eures Lebens!”

Das war natürlich gemein und entstand vor allem aus der Tatsache heraus, dass Kai in der letzten Nacht vielleicht drei Stunden geschlafen hatte, weil Gou unbedingt zu ihm ins Bett hatte wollen und ein Kind war, das nachts sehr viel strampelte. Kais Schienbein war grün und blau von den Tritten, mit denen sein Sohn ihn beschenkt hatte. Es war nicht so, dass er Gou nicht liebte. Er liebte ihn heiß, er hätte einen Mord für ihn begangen und fühlte sich jedes Mal mit glühenden Nadeln ins Herz getroffen, wenn Gou lieber zu seiner Mutter oder Großmutter wollte. Aber manchmal war es einfach nur unfassbar anstrengend. Zwischen der Firma und Gou blieb wenig Zeit für irgendetwas anderes und wenn dann nach einer durchwachsenen Nacht ein Chor aus Schweinen mit pfeifend hoher Stimme immer wieder „Peppa Pig! Peppa Pig!” brüllte, hingen die Nerven gelegentlich am seidenen Faden. 

Immerhin war Gous Laune wieder rapide gestiegen und bis sie bei seiner Primary School angekommen waren, hatte er sein Frühstück verputzt. Kai hielt nicht ganz legal in unmittelbarer Nähe zur Schule, wischte ihm noch einmal  mit einem der Feuchttücher, die mittlerweile Standardausrüstung seines Autos waren, über das Gesicht und ging dann mit ihm über die Straße. Es war Gous erstes Schuljahr und in den ersten Wochen hatte er darauf bestanden, dass Kai mit ihm bis in die Klasse ging und ihn an seinem Platz verabschiedete. Mittlerweile wollte er beim Schultor verabschiedet werden, wo Kai deshalb pflichtschuldig in die Hocke ging und Gou fest umarmte. 

„Hab’ einen schönen Tag, okay?”, sagte er und Gou nickte, bevor er ihm feierlich über die Krawatte strich. 

„Du auch, Papa, und keinen Papierkram mitnehmen! Wir schauen heute Abend Frozen und du darfst nicht wieder einschlafen!”, mahnte er, dann war er zum Schultor hinein, bevor er Kais entsetztes „Oh Gott, nicht schon wieder” noch mitbekommen konnte. Es war wohl das Beste so. 

„Ah, Mr. Hiwatari!”

Kai erstarrte wie das Kaninchen vor der Schlange, dann überlegte er einen raschen und geordneten Rückzug, aber es war bereits zu spät: Gous Klassenlehrerin Mrs. Roberts walzte unaufhaltsam wie eine Feuerwand im australischen Busch auf ihn zu und schenkte ihm ein Halogenlächeln. Eigentlich war sie laut eigenen Angaben verheiratet, aber das hielt sie nicht davon ab, ihm bei jedem Sommerfest in den Hintern zu kneifen, wenn sie glaubte, dass er es im Gedränge nicht mitbekam. 

Es half nichts. Kai setzte ein höflich-distanziertes Lächeln auf und nickte ihr zu. „Mrs. Roberts, guten Morgen.”

„Guten Morgen, guten Morgen!”, zwitscherte sie mit einer Stimme, die ihn an das verfluchte Schwein erinnerte und viel zu hoch war für eine Frau in ihren Fünfzigern. Oder für irgendeine Frau, wirklich, wenn man es so überlegte. „Ich will Sie auch gar nicht lange aufhalten, ich weiß ja, was für ein vielbeschäftigter Mann Sie sind. Es geht nur um den Welt-Picknick-Tag nächstes Monat.”

„Den Welt-Picknick-Tag”, wiederholte Kai langsam.

Mrs. Roberts lächelte strahlend. Es erinnerte Kai an den Haifisch in Shark Tale. „Eine wunderbare Gelegenheit, um Eltern und Kinder miteinander in Kontakt kommen zu lassen! Alle Eltern werden dabei sein, wirklich alle.” Womit sie ihm durch die Blume zu verstehen gab, dass er gefälligst auch aufzutauchen hatte, wenn er nicht wollte, dass sein Sohn wie ein einsames Waisenkind auf der Wiese saß und er dastand wie der ärgste Rabenvater. „Wir haben eine Aussendung per E-Mail gemacht, aber vielleicht haben Sie sie nicht bekommen. Ihr E-Mail-Fach muss ja überquellen, so beschäftigt, wie Sie sind.”

„Äh”, sagte Kai, der besagte E-Mail eventuell gezielt gelöscht hatte, weil er absolut keine Lust auf gemeinsames Picknick mit den gespritzten Schrecksen von Müttern der Kinder aus Gous Klasse hatte, „ja. Manchmal versagt der Spamfilter, wissen Sie. Dumme Technik. Ich werde danach suchen.”

„Ausgezeichnet!”, zwitscherte Mrs. Roberts, „sagen Sie mir dann nur Bescheid, was Sie zum Picknick beitragen möchten. Für die Inventarlisten, Sie verstehen?”

„Natürlich”, sagte Kai.

„Und selbstgemacht”, fügte Mrs. Roberts hinzu und lachte glockenhell, „damit die Kinder den Wert von Essen verstehen, nicht wahr? Natürlich kann man einem Mann von Ihrem Format nicht zu viel Kochen zumuten, aber etwas Kleines genügt ja vollkommen. Vielleicht etwas Traditionelles aus Ihrer Kultur? Wir sind ja immer so interessiert an originalem, exotischem Essen, wir haben auch Elanis Eltern um afrikanisches Essen gebeten-”

„Natürlich”, sagte Kai, dessen Wunsch nach einer Zigarette immer weiter wuchs, je mehr Unsinn Mrs. Roberts’ Mund verließ, „ich muss jetzt nur leider wirklich-”

„Natürlich, natürlich!”, rief Mrs. Roberts aus und zwinkerte ihm zu, während er mit einer kleinen Verbeugung ihre fleischige Hand drückte. „Ich warte dann sehnsüchtig auf Post von Ihnen, Mr. Hiwatari.”

Kai unterdrückte ein weiteres, automatisches „Natürlich” und machte, dass er davonkam. 

In der Sicherheit seines Wagens trank er erst einmal einen großen Schluck lauwarmen Kaffee, dann atmete er tief durch, ging den Online-Papierkorb nach der Picknick-Mail durch und schickte schließlich eine Telegram-Nachricht an Ayaka: Gou hat in vier Wochen am 12. Klassenpicknick, bist du da in der Stadt? Ich war schon letzten Monat mit dem Welt-Pinguin-Tag dran.

Ayaka war nicht online und je nachdem, wo sie sich gerade auf der Welt befand konnte eine Antwort auch noch dauern, also packte er das Handy weg, schnallte sich an und schaltete von Peppa Pig zu David Bowies Under Pressure. Noch ein Schluck Kaffee, dann startete er los und reihte sich nahtlos in den Morgenverkehr ein, der ihn nach Westminster brachte. Der Stau war lang und absurd wie fast jeden Morgen, aber das war nun einmal London, und es inspirierte ihn immerhin dazu, zu Bowies London Bye, Ta-Ta zu schalten. Jeden Tag nahm er sich vor, einfach die Tube zu nehmen, und dann tat er es doch wieder nicht. Er hing zu sehr an diesen wenigen Minuten des Tages, wo er mit niemandem reden musste und auch nicht von irgendwelchen Leuten umgeben war. Spätestens wenn er in der Garage ausstieg und den Lift nach oben in das Firmengebäude der Hiwatari Enterprise stieg, war es damit sowieso vorbei.

Als er im obersten Stockwerk ausstieg wartete bereits sein Assistent auf ihn mit dem zweiten Kaffee des Tages, den er dankbar entgegen nahm. Wyatt war ein junger und dynamischer Brite und betete den Boden an, über den Kai ging, was alles ausgezeichnete Voraussetzungen waren, um länger als zwei Wochen in der Position seines Assistenten auszuhalten. Auch jetzt beeilte er sich, mit Kai Schritt zu halten und presste dabei ein Klemmbrett gegen die rote Krawatte.

„Ihre Mutter hat angerufen, außerdem Mr. Tate”, sagte er dabei, „und Mr. Fernandez möchte Sie wegen der zu besetzenden Buchhalterstelle sprechen, er hat da scheinbar einen Kandidaten gefunden.”

„Schicken Sie ihn rauf zu mir”, sagte Kai und öffnete schwungvoll die Tür seinem Büro, dessen Panoramafenster einen Blick über fast ganz London erlaubte. Die Themse glitzerte in der Vormittagssonne, aber Kai verschwendete keine Zeit darauf, innezuhalten und die Boote darauf zu beobachten, sondern stellte die Aktentasche neben dem Schreibtisch ab, legte das Fresspaket auf den Rollcontainer daneben und fuhr den Computer hoch. „Hat sich Tokio gemeldet?”

„Noch nicht.”

„Dann haken Sie mal bei Hashimoto-san nach, das kann ja wohl nicht wahr sein. Entweder er will den Deal oder nicht.”

„Sehr wohl, Sir. Mrs. Bedford hat sich übrigens wegen der 4%-Rendite gemeldet und gemeint, dass das angesichts des von ihr geforderten Investments ein viel zu kleiner Gewinn ist-”

„Blutsaugerin”, schnaubte Kai und begann dabei bereits eine Antwortmail an seinen Rechtsanwalt zu tippen, der eine Auskunft zur Gründung einer neuen Unterfirma benötigte. Sein Assistent hatte ihm bereits eine Flasche gekühltes Mineralwasser samt Glas auf den Tisch gestellt, das er jetzt vollschenkte, um durch das Koffein nicht innerlich zu vertrocknen. „Ich kümmere mich drum. Schicken Sie mir Fernandez, ich brauche einen vernünftigen Buchhalter.”

„Sehr wohl, Sir.”

Die Tür fiel hinter ihm zu. Kai schickte die E-Mail ab und begann die nächste zu schreiben, wurde jedoch von einem Anruf unterbrochen. Die Diskussion mit einem seiner Investoren benötigte zwanzig Minuten, nach denen Kai erst einmal den Rest des Kaffees hinunter kippte und tief durchatmete. Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es halb zehn war. Kai dehnte seinen Nacken, dann tippte er noch eine E-Mail und rief „Herein”, als es klopfte.

Raul Fernandez trat ein und lächelte nervös. Er war immer ein wenig nervös, wenn er Kai begegnete, aber es war nicht zu leugnen, dass er ein Händchen für Personal hatte. Nun fegte er ein paar unsichtbare Fussel von seinem dunkelblauen Anzug, dann von der grünen Seidenkrawatte und räusperte sich. 

„Mr. Smithwright meinte, dass Sie da eventuell einen Buchhalter für mich gefunden haben”, sagte Kai ohne Umschweife und wandte den Blick wieder auf die E-Mail. 

„Nun”, sagte Mr. Fernandez und knetete seine Hände, „äh, ja. Ich hatte schon ein persönliches Gespräch mit ihm. Ein bisschen raubeinig, aber...”

„Stimmen die Referenzen?”, fragte Kai.

„Nun”, sagte Mr. Fernandez erneut, „äh, er-”

Kais Handy vibrierte. Er warf einen Blick darauf und sah, dass Ayaka geantwortet hatte, auch wenn es nicht die Antwort war, die er sich erhofft hatte: Sorry, da bin ich in Dubai. Schick halt ansonsten das Kindermädchen hin.

Als ob er der armen Mathilda die Frauen von Stepford antun konnte. Kai schnaubte und rieb sich die Nasenwurzel. Er konnte leichte Migräne hinter seiner Schläfe spüren. 

„Wissen Sie was”, sagte er zu Mr. Fernandez, „stellen Sie ihn ein. Solange er was draufhat, ist es mir scheißegal, ich brauche einen neuen Buchhalter und zwar am besten gestern. Er kann gleich morgen anfangen. Heute wäre noch besser. Ich vertraue Ihrem Urteil, also enttäuschen Sie mich nicht. ”

Mr. Fernandez wurde blass, nickte jedoch und stammelte hastig ein paar Worte der Versicherung, ehe er schleunigst den Rückzug antrat. Kai schüttelte den Kopf und begann zu drucken. Der Mann machte gute Arbeit, aber manchmal hatte er eindeutig zu dünne Nerven. Er fluchte, als der Drucker zu stottern begann und dann mit roter Warnleuchte vermeldete, dass er nicht mehr genug Papier hatte. Irgendwie fühlte es sich an wie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.

„Wyatt!”, brüllte Kai, „bringen Sie mir Papier!”

Wyatt steckte den Kopf zur Tür rein. „Sehr wohl, Sir. Äh, Ihre Mutter-”

„Ich rufe sie an”, sagte Kai mit einem tiefen Seufzer und griff nach dem Handy. Schlimmer konnte es sowieso nicht mehr kommen. Hoffentlich taugte wenigstens der neue Buchhalter etwas.

Schlaflos in der Buchhaltungsabteilung

„Ohhhhh mein Gott, der neue Buchhalter ist heiß.”

„Schau nicht so auffällig hin, er sieht uns sonst noch!”

„Entschuldige bitte, aber wie soll ich da nicht hinschauen? Ich war noch nie so glücklich, in dieser Abteilung zu arbeiten.”

„Jaaa, den will man auspacken wie ein Weihnachtsgeschenk.”

„Also ich würd’ seine Zuckerstange lutschen, wenn du weißt, was ich meine.”

„Karen!” Schrilles Gackern, das wenig erfolgreich hinter zwei Tassen versteckt wurde. Dann sagte Nicht-Karen: „Glaubst du, ich sollte ihm Kaffee anbieten? Wenn der nur halb so durstig ist wie ich…”

„Amen, Schwester. Der kann mich gern jederzeit addieren und multiplizieren, wenn du weißt, was ich meine.”

„Wem sagst du das. Der macht sicher schöne Kinder … und dieser Undercut sieht so weich aus. Steht ja nicht vielen, aber…”

„Und du weißt ja, was man über Rothaarige im Bett sagt.”

Erneutes Kichern.

Yuriy unterdrückte ein Augenrollen und versuchte sich auf die Ordner vor ihm zu konzentrieren, aber die gackernden Gänse neben der Kaffeemaschine, deren Namen er sich nicht merken konnte, weil er sie sich nicht merken wollte, machten es ihm nicht gerade leicht. Seit einer Viertelstunde standen sie dort herum und rührten geräuschvoll in ihren Tassen. Es waren schon für geringere Verbrechen Morde begangen worden, vielleicht würde man ihm mildernde Umstände zugestehen. Er seufzte und zupfte behutsam einen losen Faden aus seinem Sakko. Man hatte ihm versichert, dass Business Casual für den Büroalltag in der Buchhaltungsabteilung absolut in Ordnung war, wofür er durchaus dankbar war. Er stand auf Kriegsfuß mit Krawatten, aber so konnte er die beiden obersten Hemdknöpfe offen lassen, solange er darüber sein schwarzes Sakko trug. Als er sich eine Haarsträhne zurückstrich, die aus dem penibel gedrehten Manbun gefallen war, seufzte eine der Gänse selig. Aus Mangel an Schusswaffen in Griffweite verdrehte Yuriy einfach nur ein zweites Mal die Augen. 

„Einfach ignorieren.”

Irritiert blickte er auf. Mariam war vor ihm stehen geblieben und musterte ihn mit ihren jadefarbenen Augen. Objektiv gesehen war sie eine schöne Frau, die in schwarzem Bleistiftrock und roter Bluse mit dazu passendem Haarband eine gute Figur machte und sich auf ihren schwindelerregend hohen Absätzen bewegte, als ob sie in diesen Schuhen geboren worden war. Sie brachte ihn dazu, sich unangenehm der etwas verblichenen, bereits einmal reparierten Säume seines Sakkos und der nicht gerade maßgeschneiderten Qualität seines Hemds bewusst zu werden, auch wenn sie selbst keinen Blick darauf verschwendete. Die Steuerberaterin der Hiwatari Enterprise war es gewesen, die ihn in diesem Laden in Empfang genommen hatte und offensichtlich sah sie es als ihre Pflicht, ihm beim Einarbeiten zu helfen - oder zumindest immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass sie ihn im Auge hatte, im Guten wie im Schlechten. Er wusste nicht, ob er mit ihr nach Feierabend noch etwas trinken gehen wollte, aber bisher war die Zusammenarbeit mit ihr in den zwei Tagen, die er schon hier war, angenehm gewesen. 

„Sowieso“, sagte er als Antwort auf ihre Empfehlung und gestikulierte dann auf die Ordner. „Wissen Sie, was das für ein unübersichtlicher Wahnsinn ist?“

„Der alte Buchhalter ist wortwörtlich aus seinem Amt gestorben“, sagte Mariam ohne mit der Wimper zu zucken, „war sehr eigen mit seiner Ordnung. Hat sein System, glaube ich, seit den Achtzigern nicht mehr verändert. Es hat funktioniert, solange er es fest in der Hand hatte und wir weniger Töchterfirmen hatten, die an der Buchhaltung dranhängen.“ 

„Das merke ich“, murmelte Yuriy und rieb sich die Braue. „Ehrlich gesagt, es wird dauern, mich da durchzugraben und das neu zu sortieren.“ 

Mariam schenkte ihm ein Lächeln, das an den Mundwinkeln seltsam gespannt wirkte. „Konzentrieren Sie sich mal, die aktuellen To-Dos abzuarbeiten und in den Griff zu bekommen. In zwei Wochen werden die Zahlungslisten von allen Firmenteilen fällig und das wird auch gleich Ihr Prüfstein.“

Yuriy unterdrückte die Anmerkung, dass es dafür hilfreich gewesen wäre, zumindest beim System für das letzte Jahr durchzublicken und nickte nur. Er stand hier am untersten Ende der Leiter und hatte dementsprechend nicht viel zu sagen. Noch. In zwei Wochen würde die Sache schon ganz anders aussehen, und wenn er dafür Überstunden bis in die Nacht schieben musste. Wenn er schon gemäß des Brecht-Zitats „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“ gegen seine Prinzipien verstieß und für ein riesiges Unternehmen arbeitete, dann wollte er es wenigstens verdammt nochmal richtig machen. Wobei Hiwatari Enterprise immerhin nicht das schlimmste war, was ihm jemals hatte passieren können, denn wenigstens entwickelte und investierte das Unternehmen in Umwelt- und Energietechnologie und verkaufte auf der ganzen Welt. Das war laut seiner Recherchen nicht immer so gewesen, aber der neue CEO schien zumindest einen besseren Kurs zu verfolgen als sein Vorgänger. Fast hoffte er darauf, beim Durchsehen der Finanzen keine Leichen im Keller zu entdecken, aber das seitenlange Non-Disclosure-Agreement, das er hatte unterzeichnen müssen, gab ihm nicht gerade viel Hoffnung, auch wenn man ihm versichert hatte, dass es Standard für alle neu beginnenden Angestellten war. 

„Ich gebe mein Bestes“, sagte er schließlich.

Mariam schenkte ihm ein weiteres Lächeln, das schmal war, aber immerhin ihre Augen erreichte. „Ich weiß. Sie sind mir sympathisch, verbocken Sie es nicht.“

„Danke für die aufbauenden Worte“, sagte Yuriy. Er wandte sich bereits wieder den Ordnern zu, aber er konnte noch ein amüsiertes Schnauben von ihr hören, ehe sie sich mit entschlossen klackenden Schritten entfernte und die beiden Gänse zurück an ihre Plätze scheuchte. Danach herrschte angenehme Ruhe, sodass er tatsächlich mehrere Stunden in Papierkram abtauchen und verzweifeln konnte, bis ein Schnipsen vor seinem Gesicht ihn wieder aufblicken und verwirrt blinzeln ließ. Sein Kreuz tat weh. Ein Blick auf die Handyuhr verriet ihm, dass er vier Stunden ohne Pause durchgearbeitet hatte und es schon drei Uhr nachmittags war. 

Vor ihm stand Julia mit gehobener Braue und setzte einen Becher und eine Schüssel vor ihm ab.

„Poke Bowl mit Erdnuss-Tofu“, sagte sie, „und Kaffee. War mir erst nicht sicher, ob dir Earl Grey nicht lieber wäre-“

„Eher erschieße ich mich, als dass ich dieses gestreckte Brackwasser trinke“, sagte Yuriy prompt. 

„-aber dann habe ich mich daran erinnert, dass du sehr starke Meinungen zu Schwarztee hast und der britische in deinen Augen generell nicht an den russischen rankommt“, beendete Julia ihren Satz und setzte sich auf das Eck seines Tischs. Yuriy unterdrückte einen Aufschrei und rettete einen Ordner vorm Fallen.

„Organe bringen echt viel Geld auf dem Schwarzmarkt“, zischte er, aber Julia lachte nur.

„Entspann dich“, sagte sie, dann sah sie auf den Ordnerwahnsinn auf und um Yuriys Schreibtisch und ergänzte: „Okay, entspann dich vielleicht nicht zu sehr. Kommst du wenigstens weiter?“

„Besser, wenn du nicht auf meinem Schreibtisch sitzt“, sagte Yuriy, aber sie hatte ihm Essen gebracht und er war keine zwanzig mehr, wo er durch manche acht-Stunden-Schichten mit nichts anderem als einem Müsliriegel und zwei Energydrinks gegangen war und es trotzdem mit minimalen Folgen weggesteckt hatte, also hatten seine Worte keine wirkliche Hitze und er begann zu essen. Beinahe hätte er aufgestöhnt, als tatsächlich Geschmack in breitem Arrangement auf seiner Zunge explodierte.

„Ist Stacy dir schon beim Kaffee aufgelauert?“, fragte Julia und nippte dabei an einer eigenen Tasse, „du bist genau ihr Typ.“

„Ist das eine von den Gänsen? Ich geh‘ einfach nicht zur Kaffeemaschine.“

„Feigling“, sagte Julia und grinste ihn an. 

Yuriy zeigte ihr den Mittelfinger und schluckte herunter. „Es passt, dass sie Stacy heißt, sie wirkt, als hätte sie ihre singuläre Hirnzelle bei Tesco im Sonderangebot gekauft.“

Julia verbiss sich sichtlich nur schwer ein Losprusten. „Ich wusste schon, warum ich dich hier haben wollte. Obwohl ich wetten würde, dass du das nicht sagen würdest, wenn es statt Stacy John aus der Finanzabteilung wäre.“

Yuriy kratzte sich gedankenvoll am Kinn und schaufelte ein paar weitere Bissen in sich hinein, ehe er zugab: „Dem würde ich die Dummheit eher nachsehen, wenn er einen guten Arsch hat.“

„Hat er. Auch außerhalb der Hose.“

„Ms. Fernandez, Sie Luder“, sagte Yuriy prompt amüsiert, „welche Geheimnisse verstecken Sie noch?“

Julia zwinkerte ihm zu. „Die scharfe Olivia aus der Administration hat ein Muttermal auf ihrer rechten Titte. Und diese Titten sind auch außerhalb ihres Spitzen-BHs so stabil, wie es ihr Dekolleté verspricht.“

„Mit wievielen Leuten hier hast du schon geschlafen?“

Sie winkte ab. „Lässt sich echt an einer Hand abzählen, und die Firma ist groß. Ich versuche in jeder Abteilung nur einmal zu wildern, hat bisher gut funktioniert.“

„Ich bin milde beeindruckt.“ Er aß auf und warf den Kartonbehälter in den Mülleimer, dann zog er wieder den Ordner heran, an dem er gesessen hatte. „Ich hingegen habe nicht vor, hier irgendwelche Affären zu beginnen, sondern werde lediglich Ordnung ins Chaos bringen.“

„Hm. Tja. Mal sehen.“ Sie ließ den Blick über besagtes Chaos schweifen. „Mit den Affären hättest du auf jeden Fall weniger Aufwand. Fahren wir dann gemeinsam heim?“

Er schüttelte den Kopf. „Ich werde länger bleiben. Das ist sonst nicht zu bewältigen. Und mir fehlen noch Verträge, die ich zum Abgleichen mit den gestellten Rechnungen brauche. Glaubst du, John aus der Finanzabteilung kann mir da zur Hand gehen?“

„Darling, der Mann wird dir sicher bei so allerlei zur Hand gehen, wenn du ihn nett anlächelst“, sagte Julia grinsend und glitt nun doch endlich vom Schreibtisch. „Wenn du Hilfe brauchst, dann meld’ dich.”

„Nichts für ungut, Juletschka”, sagte Yuriy, „aber ich habe sowohl deine Definition von Ordnung als auch dein Gespür für Zahlen bereits erlebt und beides ist quasi nonexistent. Danke trotzdem für Speis’ und Trank.”

Julia warf ihm eine Kusshand zu, ehe sie mit motiviert wippendem Pferdeschwanz in Richtung Aufzüge schritt. Yuriy blickte ihr einen Moment lang schmunzelnd nach, dann konzentrierte er sich wieder darauf, einen Schlachtplan zu entwerfen.

Es war neun Uhr und er hatte eine zwölf-Stunden-Schicht hinter sich, als er das mittlerweile dunkle Firmengebäude wieder verließ. Sein Genick war steif wie ein Brett, aber sein Herz war voller Befriedigung über die Tatsache, dass es ihm gelungen war, eine neue Struktur zu konzipieren und das bisherige Buchhaltungssystem endlich zu durchschauen. Wenn er es schaffte, die neue Struktur bis Ende dieser Woche zu implementieren, hatte er eine reelle Chance, anständige Zahlungslisten am Ende des Monats zu produzieren, die die alten wesentlich übertreffen würden. 

Das änderte nichts daran, dass er auf der einstündigen Heimfahrt zu der Wohnung in Barking, die er sich mit Boris teilte, beinahe einschlief. Er hatte Glück gehabt, dass die District Line, die durch Westminster lief, auch die war, deren Barking Station in Gehweite von seiner Wohnung war und er somit eine direkte Verbindung hatte. Von Barking Station war es nur noch ein Fußmarsch von etwa zehn bis fünfzehn Minuten, je nachdem, wie motiviert er war. Und für jemanden, der Moskaus durchschnittliche Reisezeit von zwei Stunden zwischen zwei Punkten in der Stadt gewohnt war, war eine Stunde Fahrt eigentlich nicht besonders viel. Das Ruckeln des Waggons war dennoch einschläfernd genug, dass er beinahe seine Station verpasste und gerade noch so durch die Türen nach draußen sprang. 

Kühle Nachtluft empfing ihn, zusammen mit den üblichen kaputten Gestalten, die um die Station herum abzuhängen pflegten und ihm zuprosteten, als er die Hand flüchtig zum Gruß hebend an ihnen vorbei marschierte. Sie lebten in einem der heruntergekommensten Viertel von London, was bedeutete, dass es fast wie daheim war. Jetzt, knapp vor zehn, begann sich das Nachtleben zu regen, junge Leute hingen mit Bierflaschen auf Treppenabsätzen ab und füllten die Nacht mit Stimmen, während die altersschwachen Straßenlaternen über ihnen flackerten. Er fühlte sich bittersüß an die turbulenten Jahre seiner Teenagerzeit und seiner Zwanziger erinnert, die noch gar nicht so lange her waren. Dann hatte er einen kurzen, mentalen Zusammenbruch, als er sich fragte, ob er alt geworden war - oder noch schlimmer, spießig. Mit plötzlicher Sorge um sein Image beschleunigte er seine Schritte, sperrte die klemmende Haustür des schäbigen Apartmentkomplexes auf und hechtete die Treppen hinauf zu ihrer Wohnung, ohne sich dabei von Mrs. Alvarez beirren zu lassen, die im zweiten Stock aus der Tür schaute und etwas auf Spanisch hinter ihm her brüllte. Dann war er zur Wohnungstür hinein, ließ seinen Rucksack auf den Boden poltern und die Tür hinter sich ins Schloss fallen.

Er wurde begrüßt von einem offenen Küchenfenster, einer verlockend aussehenden Auflaufhälfte auf dem Herd und schief, dafür inbrünstig gesungenem „Подмосковные вечера“, das vom Ruckeln der Waschmaschine begleitet wurde und aus dem Badezimmer zu kommen schien. Yuriy hängte sorgfältig das Sakko auf, dann öffnete er den Kühlschrank.

„Если б знали вы, как мне дороги подмосковные вечера“, schallte es zu ihm herüber. 

Yuriy verkniff sich ein Lächeln und holte sich einen Cider aus dem Kühlschrank, öffnete ihn mit dem immer bereitliegenden Flaschenöffner und ließ gewohnheitsmäßig seinen Blick über die winzige Küche schweifen, aber Boris war brav gewesen und hatte nach dem Kochen aufgeräumt. Yuriy trank einen Schluck, rollte die Hemdsärmel auf und wanderte ins Badezimmer, wo er wenig überraschend Boris im Schneidersitz auf der ratternden Waschmaschine sitzend fand, den uralten CD-Player neben sich, der seinen Gesang dramatisch untermalte.

„Ich weiß, dass du diese Töne treffen kannst, wenn du willst”, sagte Yuriy und lehnte sich gegen den Türrahmen, „ich glaube an dich.”

Boris senkte sein Handy und grinste ihn an. Sie sprachen immer ausschließlich Russisch miteinander und nach der heutigen Schicht waren Boris’ raue Töne in ihrer Erstsprache geradezu Balsam in seinen Ohren, was vom Inhalt seiner Botschaft allerdings schnell zunichte gemacht wurde. „Willkommen daheim, Klassenverräter! Wie war es in der bourgeoisen Vorhölle?”

„Mein Vorgänger hat teilweise noch nicht die Zugänge zum Online-Banking von manchen Firmenkonten autorisiert, das musst du dir mal auf der Zunge zergehen lassen”, sagte Yuriy und trank noch einen Schluck. „Findest du, ich bin spießig geworden?”

„Du meinst wegen deiner steilen Karriere vom politischen Flüchtling zum Lakai des Kapitalismus? Böse Zungen würden Ja behaupten, aber ich weiß es besser, denn ich bin mir bewusst, dass du und deine Zahlen immer schon ein bisschen spießig wart.”

„Sei lieb zu mir”, sagte Yuriy, der bei dem ganzen Gedudel des Red Army Chors ein bisschen sentimental und müde wurde, „ich tue das nur für deine neue Waschmaschine.”

„So, braucht mein armer Yura Liebe”, sagte Boris und der weiche Ausdruck in seinen Augen stand im Kontrast zu dem Grinsen auf seinem Gesicht. „Dann komm doch mal her und erzähl deinem Borya, was für Liebe du willst. Hast du schon gegessen?”

Yuriy stieß sich vom Türrahmen ab und kam zu ihm, bis er den Kopf auf seine Schulter legen konnte. Er konnte fühlen, wie Boris das Haargummi aus dem Manbun löste und dann mit den Fingern sachte durch seine Haare glitt, bis ihm die Strähnen sanft über Hals und Schultern fielen. „Ich hab’ den Auflauf gesehen.”

„Ansehen ist nicht essen”, sagte Boris und drückte einen Kuss auf seinen Scheitel. Sein Lippenpiercing drückte dabei leicht in Yuriys Kopfhaut, aber er störte sich nicht daran.

Yuriy machte einen tiefen Atemzug und schloss die Augen. „Sagst du das deinen Clubbekanntschaften auch immer?”

„Manchmal.”

Einen Moment lang war es bis auf die ratternde Waschmaschine, die tatsächlich schon aus dem letzten Loch pfiff und herumsprang, wenn man nicht auf ihr draufsaß, sowie dem dudelnden Radio still. Yuriy spürte, wie seine Schultern sich entspannten, je länger er in Boris’ Umarmung war und fragte: „Was muss ich tun, um eine Massage von dir zu bekommen?”

„Blowjob”, sagte Boris ohne mit der Wimper zu zucken, „und du lässt mich eine neue Pfanne kaufen. Teflon-beschichtet.” Er machte eine Pause. „Scheiße, du hast mich mit deiner Spießigkeit angesteckt.”

„Ich glaube, deine dreizehn Piercings retten dich”, sagte Yuriy nach kurzem Überlegen. „Ich hätte mir damals die Tunnel machen sollen. Jetzt bin ich zu alt.”

„Zu spießig”, wisperte Boris und kraulte ihn im Nacken, „aber es ist okay, ich toleriere dich trotzdem.”

„Ich toleriere dich auch”, sagte Yuriy und löste sich genug von ihm, damit sie sich anlächeln konnten. „Wie lange dauert dieses Programm noch?”

„Zehn Minuten”, sagte Boris nach einem abschätzenden Blick auf die Uhr, „genug Zeit für den Blowjob.”

Yuriy zeigte ihm den Finger und stellte die Flasche neben ihm ab, um sich das Hemd aufzuknöpfen. „Du kannst mir beim Duschen zusehen und dir dabei von mir aus einen runterholen. Für mehr Belustigung bin ich heute nicht mehr zu haben. Such’ dir gefälligst wieder eine Freundin.”

„Ich nehme, was ich kriegen kann”, befand Boris und setzte sich zurecht.

Yuriy schüttelte den Kopf, verkniff sich aber ein Schmunzeln dabei. Als er schließlich in die Dusche stieg, war Boris dabei, lauthals Kalinka zu singen und dabei Yuriys Cider zu trinken, und für einen Moment hatte Yuriy das Gefühl, dass sie wieder Anfang Zwanzig in Moskau waren und die Nacht noch jung genug war, um ein bisschen die Welt zu retten.

500 Days of Trouble

Das schrille Klingeln seines Handys riss Kai aus seinem wohlverdienten Schlaf, bevor es der Wecker tun konnte. Einen Moment lang sah er sich desorientiert um, dann tastete er nach dem klingelnden Monstrum und hob ab, die Stimme immer noch rau vom Schlaf: „Hiwatari.”

„Mr. Hiwatari, guten Morgen!”, gellte ihm Mrs. Roberts Stimme entgegen. Kai unterdrückte ein gepeinigtes Stöhnen. 

Dann setzte er sich mit einem Ruck kerzengerade auf. „Ist etwas mit Gou?”

„Da hatte wohl jemand seinen Kaffee noch nicht!”, lachte Mrs. Roberts so glockenhell, dass Kai sich die Schläfen reiben musste. „Nein, mein Lieber, die Schule hat doch heute noch nicht begonnen. Deswegen rufe ich aber an. Sehen Sie, wir hatten einen Rohrbruch.”

„Einen Rohrbruch”, wiederholte Kai und fühlte sich sehr wach, „Ist das ein Witz?”

„Leider nein. Die halbe Schule ist geflutet, wir haben zumindest für die nächsten beiden Tage, wahrscheinlich aber länger, nicht die Möglichkeit, hier Unterricht abzuhalten. Aber wir arbeiten daran, den regulären Betrieb so schnell wie möglich wieder aufzunehmen.“

Sie klang, als ob sie diesen Satz heute schon sehr oft gesagt hatte. Kai rieb sich über das Gesicht und seufzte.

„Danke für die Information“, sagte er dann und wimmelte die Frau ab, ehe sie ihn noch einmal zu dem Picknick befragen konnte, dann überdachte er rasch seine Situation. Zuhause bleiben war keine Möglichkeit. Natürlich hatte er genau heute ein Meeting, das er so kurzfristig weder auf Skype umstellen noch verschieben konnte. Er konnte nur Mathilda beknien, ihren sonst eigentlich freien Vormittag zu opfern und sich der Sache anzunehmen. Mit einem tiefen Seufzer entschied er, dass es sich nicht mehr lohnte, sich noch einmal hinzulegen, also stand er auf und verwendete die Bonuszeit lieber für eine etwas ausgedehntere Dusche, die immerhin ein paar Verspannungen löste. Nur im Handtuch um die Hüften und frisch rasiert spazierte er dann in den begehbaren Kleiderschrank und nahm sich Zeit darüber nachzudenken, ob er heute den schwarzen Anzug von Armani oder den von Dior in dunklem Anthrazit nehmen wollte. Über das Hemd war schnell entschieden; es war ein Hemd in dezentem Marineblau aus der Manufaktur eines kleinen Betriebs direkt in London, bei dem er als Stammgast ein und aus ging. Er stimmte die Krawatte darauf ab, nahm den Anzug von Dior und begann sich anzuziehen. Gerade hatte er die Lade mit den Manschettenknöpfen herausgezogen, als Gou hereinkam, der sich verschlafen die Augen rieb und hochgenommen werden wollte. 

Kai hob ihn hoch, obwohl Gou mittlerweile wirklich kein Fliegengewicht mehr war, dann zeigte er auf die Lade, die Gou als Schatzlade bezeichnete. „Hilfst du aussuchen?“ 

„Vogi!“, sagte Gou prompt und zeigte auf die goldenen Manschettenknöpfe mit dem stilisierten Phönixkopf, der das Zeichen von Hiwatari Enterprise war und die Kai erhalten hatte, nachdem er die Firma aus den roten Zahlen geholt und erfolgreich vor dem Konkurs bewahrt hatte. 

„Hmmm“, sagte Kai und tat so, als ob er lieber ein silbernes Paar nehmen wollte. 

„Papa, nein! Die Vogis!“, sagte Gou empört und griff nach seiner Hand, um sie zur richtigen Stelle zu dirigieren. 

Kai verkniff sich ein Schmunzeln und nickte ernst, als Gou schließlich selbst nach den Manschettenknöpfen griff und sie in seine Handfläche fallen ließ. „Und die passen auch wirklich hier dazu?“

„Ja! Und die beschützen dich!“

„Oh? Wovor denn?“, fragte Kai und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass das die Momente waren, in denen sein Herz buttrig weich wurde. Behutsam setzte er Gou auf der Ankleidebank ab, damit er die Manschettenknöpfe befestigen konnte.

„Vor Monstern“, sagte Gou und schlenkerte dabei mit seinen Beinen, „und vor Blödis.“

„Das ist schon sehr wichtig, ich muss heute mit vielen Blödis reden“, stimmte Kai zu und streckte seinem Sohn die Ärmel zur Inspektion hin, der sie aufmerksam musterte und dann zufrieden nickte. „Ach, übrigens, heute ist keine Schule.”

Gou riss den Mund und die Augen auf. „Keine Schule?! Ist die Frau Lehrer gestorben?”

Kai fragte sich, ob es normal war, dass sein Sohn immer gleich von Null auf Hundert schaltete. „Nein, es gab einen Rohrbruch. Du verbringst heute den Tag mit Mathilda, ja? Ihr könntet ja in den Park gehen.”

Gou war sofort Feuer und Flamme für diese Idee. „Enten füttern!”

Kai strich ihm durch die Haare und hielt ihm dann die Hand hin, sodass Gou von der Ankleidebank sprang und die Finger in seine legte. „Das ist eine gute Idee. Und zum Spielplatz könnt ihr auch.”

„Mag Makoto auch”, verlangte Gou, während er hinter Kai her ins Kinderzimmer trippelte, um das tägliche Ritual des Anziehens zu absolvieren. 

„Hm, der müsste jetzt auch daheim sitzen”, überlegte Kai und atmete erleichtert aus, als Gou eigenständig zu einem Shirt griff und die restliche Kleiderauswahl klaglos seinem Vater überließ. „Ich rufe mal an und frage, ob er mit will.”

Als Gou begeistert über diese Aussicht in die Hände klatschte und so fröhlich von seinen Parkplänen erzählte, dass er sich sogar ohne Schwierigkeiten anziehen ließ, hatte Kai zumindest eine Weile lang das Gefühl, diese Sache als alleinerziehender, berufstätiger Vater halbwegs gut zu meistern. Nachdem niemand ihn auf die Vaterrolle vorbereitet hatte und sowohl sein Vater als auch sein Großvater alles in allem nicht gerade die besten Vorbilder in dieser Hinsicht waren, hatte er oft das Gefühl, nicht genug Energie und Zeit in Gou zu investieren, und wenn es ihm dann doch gelang, kamen wieder Zweifel auf, ob er sich nicht eher mehr der Firma widmen sollte. Gepaart mit den meist wohlmeinenden, im Endeffekt aber dennoch dummen und unnötigen Sprüchen und Ratschlägen anderer Leute zu dieser Situation konnte das manchmal sehr frustrierend sein. Aber jetzt, in diesem Moment, hatte er das Gefühl, eine potentielle Krise abgewandt und eine Lösung gefunden zu haben, die alle Beteiligten zufrieden stimmte. 

Er ahnte allerdings sofort, dass sein Tag nicht verlaufen würde wie geplant, als er wenig später mit Gou in die Küche kam und sah, dass Mathilda unnatürlich glänzende Augen hatte und generell wesentlich zerrupfter wirkte, als er sie kannte.

„Um Gottes Willen”, sagte er höchst alarmiert, „sind Sie krank?”

„Nur eine kleine Erkältung”, sagte Mathilda. Zumindest glaubte er, dass sie das sagte, denn ihre Stimme war quasi nicht vorhanden. Sie krauste einen Moment lang die Nase, dann begann ihr ganzes Gesicht zu wackeln, bis sie schließlich einen Nieser in ihren Ärmel machte, der so gewaltig war, dass Kai vor Schreck einen Schritt nach hinten machte und instinktiv einen Arm vor Gou schob.

Sein innerer Vater kickte ein, bevor er darüber nachdenken und sich dafür bemitleiden konnte, dass er mit Anfang Dreißig überhaupt schon einen inneren Vater hatte. Rasch war er an die junge Frau herangetreten und hatte ihr eine Hand auf die Stirn gelegt, um dann den Kopf zu schütteln. 

„Sie messen jetzt erstmal Fieber”, sagte er und begann dabei ihre matten Einwände ignorierend im Medizinschrank nach dem Fiebermesser zu kramen, „und dann nehmen Sie sich einen Tee und legen sich hin.”

„Aber das Frühstück”, protestierte Mathilda schwach, „und-”

„Und nichts”, unterbrach Kai sie bestimmt und streckte ihr den Fiebermesser hin, „ich wollte Sie bitten, heute mit Gou in den Park zu gehen, nachdem die Schule wegen eines Rohrbruchs ausfällt, aber dann denke ich mir etwas anderes aus.”

Mathilda schnüffelte vor sich hin und steckte den Fiebermesser unter die Achsel. „Ich kann ein Aspirin einwerfen und dann geht das schon…”

„Sie sollten krank nicht arbeiten”, sagte Kai mit gerunzelter Stirn, „damit verschleppen Sie es nur und am Ende stecken Sie Gou auch noch an. Und wir brauchen nicht nochmal eine Grippesituation wie letzten Dezember.”

Sie tauschten ein kleines Lächeln aus. Die Grippe war nicht stark gewesen, aber Gou war gerne sehr dramatisch, wenn er krank war und hatte wirklich besonders unter Gliederschmerzen gelitten. Es war sowohl für Kai als auch für Mathilda in physischer und psychischer Hinsicht eine mehr als anstrengende Woche gewesen.

Kai stellte den Wasserkocher auf die richtige Temperatur für Sencha und bereitete die Teekanne vor, während Gou um seine Beine lief und versuchte, an die Naschlade zu kommen. Das Problem wurde mit dem raschen und wenig kunstvollen Schmieren eines Brotes beseitigt, das Kai ihm vor die Nase setzte, ehe er für sich selbst die Kaffeemaschine anwarf. Als der Wasserkocher sich abschaltete, piepste der Fiebermesser. Kai kam sich vor wie ein Multitaskinggott, als er in einer fließenden Bewegung sowohl die Teeblätter in der Kanne aufgoss, als auch Mathilda den Fiebermesser abnahm und einen Blick darauf warf. Insgeheim hoffte er, dass irgendwo ein Geist in seinem Haus herumspukte, der zu schätzen wusste, wie cool Kai gerade ausgesehen hatte.

„Ja, nein”, sagte er, „Sie bleiben mir heute im Bett, hören Sie? Bestellen Sie sich zu Mittag etwas zu essen.”

„Aber Gou”, protestierte Mathilda.

Kai zuckte mit den Achseln, weil er nun selbst ein wenig ratlos war. Seine Mutter war keine Option; Misaki war geschäftlich für Hiwatari Enterprise bei Verhandlungen in San Francisco. Sein Vater war selbst seit einigen Tagen krank und hatte sich bereits ausführlich darüber beschwert, dass er nicht an seiner neuesten Entwicklung für die Speicherung von Solarenergie weiterarbeiten konnte. Es half nichts, er musste wohl … nein, noch gab er sich nicht geschlagen.

„Ich rufe jetzt Hiromi an”, beschloss er und zückte sein Handy. Er hatte die Kinomiyas in Gous erster Schulwoche kennengelernt. Ihr Sohn Makoto war ein Jahr älter als Gou, aber die Klassenräume lagen nebeneinander und irgendwie hatten die beiden Jungen sich miteinander angefreundet - vermutlich nicht zuletzt, weil sie beide ein ähnliches Mischmasch aus Japanisch und Englisch sprachen, wenn keine Lehrerinnen sie korrigierten. Irgendwie hatten sowohl Hiromi als auch Takao es geschafft, sich mit herzlicher Hartnäckigkeit so weit in sein Leben einzuschleichen, dass er sie tatsächlich als Freunde bezeichnete. 

Glücklicherweise hob Hiromi bereits nach dem zweiten Klingeln ab. „Hab’ mich schon gefragt, wann du dich rührst!”, sagte sie auf Japanisch und Kai konnte das Lächeln, das dabei auf ihrem Gesicht liegen musste, förmlich in ihrer Stimme hören. „Unglaublich, das mit dem Rohrbruch, oder?”

„Kommt leider sehr ungelegen”, sagte Kai ebenfalls auf Japanisch mit einem Seufzer und nahm dabei das Teesieb aus der Kanne, um Mathilda eine Tasse Tee einzuschenken und in die Hände zu drücken. „Mein Plan war, Mathilda mit Gou in den Park zu schicken, aber die Arme ist krank geworden und sollte im Bett bleiben. Die Eltern fallen aus und Ayaka ist nicht in der Stadt. Wäre es sehr unverschämt, zu fragen, ob…?”

„Natürlich nicht, Kai”, sagte Hiromi warm, „du weißt, dass wir Gou immer gern bei uns haben. Allerdings fürchte ich, dass genau heute auch bei uns schlecht ist. Meine Eltern sind extra zu Besuch aus Japan gekommen und freuen sich jetzt schon wahnsinnig, den Enkelsohn den ganzen Tag für sich zu haben.”

„Verflixt”, murmelte Kai und massierte sich die Nasenwurzel, dann hielt er Gou davon ab, aus Langeweile auf die Küchenplatte zu malen. „Verstehe ich natürlich. Einen Versuch war es wert. Sonst alles okay bei dir und Takao?”

„Alles gut. Hör mal, vielleicht können wir ihn Nachmittags holen? Auch wenn dir das wahrscheinlich nicht viel bringen wird, oder?”

„Ich denke darüber nach, aber ich schätze, dann nehme ich ihn einfach mit mir in die Firma”, sagte Kai. „Danke trotzdem auf jeden Fall.”

Nach ein bisschen mehr Smalltalk legte Kai auf und sorgte erst einmal dafür, dass Mathilda, die immer noch sorgenvoll und halbtot in der Küche herum hing, sich ins Bett begab. Kai nahm Gou nicht gerne mit in die Firma und hatte es seit Gous Geburt nur eine Handvoll Male gemacht, wenn wirklich nichts anderes übrig geblieben war. Scheinbar war der heutige Tag ein solcher Fall.

Wie vorauszusehen gewesen war, war Gou nicht begeistert. Verglichen mit einem Tag im Park war sein nunmehriges Schicksal in seinen Augen scheinbar eine einzige Ehrenbeleidigung. Aus diesem Grund verbrachte Kai die Fahrt ins Büro, die eigentlich seine paar Minuten Ruhe pro Tag darstellten, mit einem sehr ungehaltenen Kleinkind, das nur mit sehr viel Peppa-Pig-Soundtrack und einem Märchen-Hörspiel halbwegs zufrieden gestellt werden konnte. Vielleicht, sinnierte Kai im Stau stehend mit beginnender Migräne, vielleicht war es Zeit für ein bisschen Urlaub. Oder einen vorgetäuschten Tod und eine neue Identität.

„Okay”, sagte er zu Gou, als der mit immerhin wieder einigermaßen erträglicher Laune neben ihm im Fahrstuhl nach oben ins Firmengebäude stand, „du bleibst bei mir im Büro. Ich muss einmal mit vielen Blödis im Konferenzzimmer reden, da musst du bei Wyatt bleiben und brav sein, ja? Aber es dauert auch nicht lange.”

Gou gab daraufhin einen so tiefen Seufzer von sich, wie es für einen so kleinen Körper gar nicht hätte möglich sein sollen, dann nickte er aber. „Okay, Papa. Ich will aber Kuchen.”

„Wyatt soll mit dir Kuchen holen”, sagte Kai, erleichtert darüber, dass er sich die Gunst seines Sohnes in diesem Fall erkaufen konnte. 

„Äh”, sagte Wyatt perplex, der wie immer direkt vor dem Aufzug gewartet und den letzten Satz durch die sich öffnenden Aufzugtüren bereits erhascht hatte. Sein Blick fiel von Kai auf Gou, dann wanderte er wieder mit sichtlicher Alarmiertheit zurück. „Äh … guten Morgen?!”

„Guten Morgen”, sagte Kai, als ob alles bei bester Ordnung war, während Gou das Gesicht verzog und Wyatt geradezu missbilligend ansah.

„Ich mag bei dir bleiben”, sagte er dann entschieden an Kai gewandt. 

„Ich weiß”, sagte Kai betont auf Englisch, damit Gou in die gleiche Sprache wechselte, „aber es wird nicht lange dauern, okay? Wyatt, gehen Sie mit Gou Kuchen holen. Oder - was auch immer er will.” Er machte eine Pause. „Okay, nicht alles. Wir wollen bitte den Froschvorfall nicht wiederholen.”

„Das war aber lustig!”, krähte Gou prompt.

Kai begegnete Wyatts Blick und formte mit den Lippen lautlos: „Nichts Lebendes.” Er war zufrieden, als sein Assistent überfordert nickte und blickte auf die Uhr, ehe er sich hinkniete und Gou einen Kuss auf die Stirn drückte.

„Ich bin bald wieder da”, versprach er, „dann malen wir gemeinsam was, okay?”

„Okay”, sagte Gou mit einem weiteren schweren Seufzer.

Kai riss sich von seinen kummervoll dreinblickenden Kulleraugen los, bevor er wieder schwach werden konnte, nickte Wyatt dankbar zu und hastete dann mit der Aktentasche zurück in den Aufzug, um fünf Stockwerke hinunter zum Seminarraum zu fahren, wo das Meeting stattfand. Er nahm sich ein paar Minuten Zeit, seine Haare in Ordnung zu bringen und sein Sakko zurecht zu zupfen, dann atmete er tief durch und betrat den Raum. 

Das Meeting erwies sich als länger und zäher, als er erwartet hatte, war aber schließlich immerhin erfolgreich und Kai konnte zufrieden das Aufsetzen eines neuen Vertrags in Auftrag geben. Sobald er allerdings auf dem Flur stand, galten seine Gedanken sofort wieder seinem Sohn und er machte sich auf den Weg zum Aufzug, um erstaunt innezuhalten, als Wyatt ihm entgegen kam - ohne Gou, dafür mit Angstschweiß auf der Stirn.

Kai schwante Übles.

„Wo ist mein Sohn”, fragte er schneidend, „und erzählen Sie mir ja nicht, dass es diesmal eine Ziege geworden ist, die in der Eingangshalle herumhüpft-”

„Ich habe ihn nur eine Sekunde aus den Augen gelassen, ich schwöre”, platzte Wyatt vollkommen aufgelöst heraus, „er hat darauf bestanden, vor dem Seminarraum auf Sie zu warten, also bin ich mit ihm hinunter gefahren, dann wollte er etwas zu trinken, also habe ich mich an den Automaten gestellt und als ich mich umgedreht habe war er weg!”

Kai entfuhr ein herzhafter japanischer Fluch, dann versuchte er, die aufkommende Enge in seiner Brust aufzuhalten, tief durchzuatmen und logisch zu denken. Auf dieser Ebene befanden sich drei weitere Seminarräume und die Buchhaltung. Es war unwahrscheinlich, dass Gou die schweren Feuerschutztüren zum Stiegenhaus aufbekommen hatte und den Aufzug hätte Wyatt vermutlich bemerkt.

Kai atmete erneut tief durch. Tod vortäuschen, schoss es ihm durch den Kopf, neue Identität annehmen. Wieder kinderlos sein und doch noch Literaturkritiker werden. Als schlimmstes Problem James Joyces Ulysses haben.

Dann verabschiedete er sich von diesem Fantasieleben, das niemals seines sein würde, und rannte los, um seinen Sohn zu finden.

Vier Leuchtstifte und eine Etikettiermaschine

„Ich mag den Regenbogen haben.”

Yuriy, eigentlich gerade damit beschäftigt, eine neue Buchhaltungssoftware zu installieren und daneben die Online-Ablage für die Rechnungen der Hauptfirma und ihrer acht Tochterfirmen zu sortieren, blinzelte und blickte auf.

Dann blinzelte er noch einmal.

Aber alles Blinzeln half nichts, denn der Anblick vor ihm veränderte sich nicht. Da stand ein kleiner Pimpf mit asiatischen Gesichtszügen vor ihm und starrte ihn aus großen, rotbraunen Augen an, während eine seiner kleinen Hände auf die mit militärischer Präzision aufgestellte Reihe an Leuchtstiften auf Yuriys Schreibtisch zeigte. Tatsächlich sah es aus wie ein Regenbogen, weil Yuriy danach sortiert hatte. Irgendwie musste man ja Farbe bekennen.

Yuriy sah auf die Marker. Dann sah er zurück zu dem kleinen Pimpf, der entgegen seiner Hoffnung, dass es sich dabei vielleicht um eine Halluzination durch zu viel Koffein und zu wenig Schlaf in den letzten drei Tagen handeln mochte, immer noch da war. 

„Das ist mein Regenbogen”, sagte er schließlich und ließ dabei unauffällig den Blick durch die Buchhaltungsabteilung schweifen. Irgendwo rannte doch sicher gerade ein Elternteil herum und suchte den Stammhalter. Aber die Abteilung war ruhig; niemandem schien ein Kind abhanden gekommen zu sein. 

„Ich mag auch”, sagte der Pimpf. Dann erhellte sich sein Gesicht und er zeigte auf etwas anderes: „Was ist das?”

Yuriy hielt instinktiv schützend die Hand über die Etikettiermaschine, die er sich auf Kosten der Firma angeschafft hatte. Boris hatte ihn noch zwei Tage später dafür ausgelacht, wie absurd begeistert er von dieser Anschaffung gewesen war. „Eine Etikettiermaschine. Das ist nur was für Leute, die schon schreiben können.”

„Ich kann schon schreiben!”, sagte der Pimpf prompt empört, „Ich mag die Tiermaschine!”

Yuriy hob eine Augenbraue und musterte ihn. Aber das Problem schien sich bis auf Weiteres nicht von selbst zu lösen, also war es vielleicht angebracht, Zeit zu schinden, um sich eine Lösung zu überlegen. Er erhob sich und behielt den Pimpf - besonders seine Griffel - genau im Auge, als er die Trittleiter holte, die vor einem deckenhohen Regal voller Ordner stand. Er stellte sie neben den Schreibtisch, dann ließ er sich wieder in seinen Bürostuhl fallen und schob dem Pimpf einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier zu. 

„Wie heißt du?”, fragte er.

„Gou”, sagte der Pimpf stolz.

„Hm”, sagte Yuriy, der ihn eigentlich seinen Namen schreiben lassen hatte wollen und jetzt feststellen musste, dass er keine Ahnung hatte, wie man Gou schrieb. Eine Improvisation musste her. „Setz dich nieder. Schreib mir mal Hund. Wenn du das kannst, kriegst du die Tiermaschine.”

„Okay!”, sagte Gou begeistert und kletterte auf die Trittleiter, dann besah er sich das Blatt Papier. „Wie schreibt man das?”

Yuriy ermahnte sich, dass er einem kleinen Kind jetzt nicht eiskalt die Fehler in seiner Logik aufzeigen konnte. „Wenn ich dir helfe, dann gilt es ja nicht.”

„Hm!”, sagte Gou, dann wanderten seine Augen zu den Leuchtstiften zurück. „Ich mag trotzdem den Regenbogen haben.”

„Nicht den ganzen”, sagte Yuriy. Irgendwo in den letzten zehn Jahren war er weicher geworden. Das war die einzige Erklärung, die ihm dafür einfiel, dass er das Kind nicht zum Teufel jagte und sich mit einem Aufschrei über seine Marker warf, sondern nach kurzer, innerer Debatte hinzufügte: „Vier darfst du dir aussuchen.”

Gou sah ihn mit großen Augen an. Gut, korrigierte Yuriy seine vorige Einstellung innerlich, es half auch, dass das Kind tatsächlich niedlich war. Er sah zu, wie der Junge die Hand hob und langsam an den Fingern abzählte: „Eins … zwei … drei … vier! Ich kann schon bis zehn zählen!”

„So?”, sagte Yuriy unweigerlich amüsiert, „dann zähl’ mal den Regenbogen ab.”

„Krieg’ ich dann den ganzen?”

Sehr handelsorientiertes Kind. Die Eltern mussten also doch vielleicht welche von den kapitalistischen Anzugträgern aus den oberen Stockwerken sein. „Nein.”

„Dann zähl’ ich nicht”, befand Gou. „Was sind deine Lieblingsfarben bei den Stiften?”

„Rot und Blau”, sagte Yuriy, „außer denen kannst du alle nehmen. Aber nicht damit von diesem Platz weggehen, okay?”

„Okay”, sagte Gou fröhlich, suchte sich vier Leuchtstifte aus und begann summend etwas auf dem Blatt zu veranstalten, das nicht besonders wie Schreiben aussah.

Yuriy sah ihm einen Moment lang zu, dann fragte er sich, wie er zu diesem Punkt seines Lebens gekommen war und nahm das Handy in die Hand, um sich in eine Büroecke zu stellen und Julia anzurufen.

„Julia”, zischte er, sobald diese abgehoben hatte, „ich habe da ein Kind!”

Einen Moment lang war es still. Dann sagte Julia: „Also, das ging jetzt schnell. Wie lange arbeitest du jetzt in der Buchhaltungsabteilung? ’Ne knappe Woche? Du Maschine.”

„Sei nicht albern”, sagte Yuriy mit einem Augenrollen, „es ist nicht meins.”

„Das sagen sie alle”, sagte Julia mit Grabesstimme, „und dann muss man ihnen erstmal mit Gericht und Exekutor drohen, damit sie den Unterhalt aufbringen-”

„Julia, da sitzt ein fremdes Kind, das nicht schreiben und nur bis zehn zählen kann und hat es auf meine Etikettiermaschine abgesehen, okay? Weit und breit keine Eltern zu sehen und ich musste ihn jetzt mal mit vier Leuchtstiften abspeisen, um-” 

„Nein!” Julia schnappte dramatisch nach Luft. „Nicht die Leuchtstifte! Nicht die Etikettiermaschine! Man kann einen Mann ins Gefängnis stecken, man kann seine Familie ermorden, aber niemals darf man drohen, ihm seine Etikettiermaschine zu entreißen!”

„Ich entreiße dich gleich”, brauste Yuriy auf, „und zwar dem Leben! Komm’ jetzt rauf und hilf mir, du kennst dich hier besser aus und weißt vielleicht, wem man dieses Kind zuordnen kann! Zwing’ mich nicht, Stacy oder Karen zu fragen, da komm’ ich nie wieder lebend raus.”

„Ich bin zu nett für diese Welt”, seufzte Julia und legte auf.

Yuriy ließ sich wieder auf seinen Bürostuhl fallen und atmete zischend aus, als sein Blick auf den ohne Verschlusskappe herumliegenden grünen Leuchtstift fiel. Er streckte seine Hand aus und machte den Stift rasch wieder zu, bevor er am Ende noch austrocknen konnte. Dann atmete er tief durch und versuchte sich wieder auf seinen Bildschirm zu konzentrieren. Die Situation war vollkommen unter Kontrolle. Julia benötigte etwa zehn Minuten hinauf, so lange hielt er durch. Er hatte schon Schlimmeres überlebt. Aber Kinder waren so verdammt unberechenbar, vor allem die kleineren, dass sie ihn immer ein wenig beunruhigten.

„Das sind keine Buchstaben”, sagte er schließlich, nachdem er sich dabei erwischt hatte, wie er fünf Minuten lang nur reglos den Jungen bei seinen Aktivitäten beobachtet hatte, anstatt zu arbeiten. 

Gou schaute auf und krauste die Nase. „Ich mal’ jetzt lieber Fische. Ich mag’ was anderes machen für die Tiermaschine.”

Yuriy hob eine Augenbraue. „Das war aber nicht die Abmachung.”

„Mag’ eine neue Abmachung machen.”

„Und was ist, wenn ich nicht mag?”

„Dann bist du ein Blödi”, erklärte Gou sachlich und beugte sich wieder über das Blatt. 

Yuriy sank von so viel wasserdichter Argumentation getroffen in seinen Stuhl zurück. Er trank einen Schluck Kaffee, überprüfter mit halber Aufmerksamkeit eine Zahlliste aus dem letzten Jahr und blickte mit höchster Erleichterung auf, als Julias rasche Schritte über den Boden in seine Richtung kamen.

Sie warf einen Blick auf ihn, dann auf Gou, der kaum aufblickte, sondern mit konzentriert herausgestreckter Zungenspitze etwas malte, das ein Hund sein konnte, vielleicht aber auch ein Pferd mit schweren Gelenkproblemen. Dann weiteten sich ihre Augen, bevor sie auf beunruhigende Art und Weise zu glänzen begannen.

„Scheiße, Mann”, sagte sie, „wo hast du den her?”

„Was soll das heißen, ,Wo hast du den her’, der ist mir zugelaufen! Was mache ich jetzt mit dem? Er lässt ständig die Stifte offen!”

„Scheiße, Mann”, wiederholte Julia mit beunruhigender Begeisterung in der Stimme, „das ist der Sohn vom Chef.”

„Vom Chef”, wiederholte Yuriy langsam und fragte sich, welcher Assistent da so dermaßen verkackt hatte, dass der Sohn des Chefs in der Buchhaltungsabteilung gelandet war. „Der … CEO? Ist der nicht irgendwie noch so ein Milchbubi? Wieso hat der schon ein Kind?”

„Der ist zweiunddreißig, der ist gerade mal ein Jahr oder so jünger als du”, sagte Julia. 

„Oh Gott”, sagte Yuriy verstört, „das ist viel zu jung für ein Kind.”

„Der Mann leitet ein milliardenschweres Unternehmen, der wird schon mit einem kleinen Kind zurechtkommen. Auch wenn die Mutter und er getrennt leben. Sie ist nicht viel in der Stadt, hab’ ich gehört - angeblich arbeitet sie als Übersetzerin für die Regierung.”

„Woher weißt du das alles?”, verlangte Yuriy zu wissen.

„Du stehst echt nicht oft genug bei den Druckern in deiner Abteilung herum”, stellte Julia fest. Man konnte ihr ansehen, dass sie nur krampfhaft ein lautes Gelächter zurückhalten konnte, und dennoch wirkte sie gleichzeitig geradezu aufgekratzt. „Du solltest den Jungen unbedingt persönlich zurückbringen. Ja. Das ist eine gute Idee.”

Yuriy starrte sie misstrauisch an. „Warum?”

„Damit ihm auf dem Weg dorthin nichts passiert”, sagte Julia so schnell und aalglatt, dass er sofort wusste, dass das nicht der eigentliche Grund war.

Er verengte die Augen und starrte sie ohne zu blinzeln an, doch das Teufelsweib war seinen bohrenden Blick mittlerweile fast so gewöhnt wie Boris und hielt ihm mit aller Ruhe stand. Einen Moment lang starrten sie sich stumm an, während Gou im Hintergrund zu einem neuen Leuchtstift griff, womit Yuriy das Starrduell unterbrach, um über den Schreibtisch zu greifen und hastig den zuvor benutzten Leuchtstift zuzumachen. 

„Gou!”

Drei Köpfe blickten auf, als der Ruf durch die Buchhaltungsabteilung ging. Es war eine männliche Stimme mit sehr angenehmen, aber leicht verzweifeltem Klang. Julia und Yuriy wechselten einen Blick. 

„Hier bin ich, Papa!”, schrie Gou munter in einer Lautstärke zurück, die Yuriy, der direkt neben ihm saß, ein wenig zusammenzucken ließ. 

„Sag’ ihm, wo wir sind!”, zischte Julia ihn an.

„Wieso ich?”, zischte Yuriy zurück, erhob sich dann aber, um den Kopf zur Tür seines Büros hinauszustrecken. „Hier sind wir! - Heilige Scheiße.”

Letzteres entfuhr ihm als leiser Ausruf, den der Auslöser hoffentlich nicht gehört hatte, denn da kam ein wahres Prachtexemplar von Mann auf ihn zu. Das erste, was er sah, waren die eigentümlichen, rotbraunen Augen, die er sich mit seinem Sohn zu teilen schien. Sie funkelten aus einem entschlossenen Gesicht mit markanten Zügen und einem Mund, in dessen Unterlippe Yuriy sofort und unbedingt seine Zähne sinken lassen wollte. Ein Schopf glänzender schwarzer Haare, in dem bereits Grau zu sehen war, ein perfekt sitzender Anzug und, wie Yuriy beim Herankommen des Unbekannten mit dem größten Vergnügen feststellte, der dezente Hauch eines Aftershaves, das ihm weiche Knie bescherte. Er hielt sich sicherheitshalber am Türrahmen fest. 

Dann blinzelte er, als der Mann, der Kai Hiwatari sein musste, wie angewurzelt stehen blieb und ihn anstarrte wie vom Donner gerührt, als ob Yuriy eine Offenbarung war.

Yuriy kannte diese Art von Blick.

Normalerweise kam diese Art von Blick aber nicht von seinem gottverdammten neuen Chef, der so unfassbar heiß war, dass Yuriy das Gefühl hatte, sich schon die Fingerspitzen verbrannt zu haben, indem er die gleiche Luft wie er atmete. Gott, vielleicht brauchte er auch einfach nur wieder Sex. Vielleicht ging es Hiwatari da nicht viel anders. Yuriy widerstand dem Drang, sich etwas befangen über den Undercut zu streichen, sondern räusperte sich stattdessen.

Das schien den anderen immerhin aus seiner Starre zu lösen. Er blinzelte, wirkte dann fast verlegen und strich sich über die Krawatte, die Yuriy am Liebsten packen wollte, um ihn daran zu sich zu ziehen, gegen die Wand zu drücken und-

„Sie haben meinen Sohn?”, fragte Hiwatari vorsichtig.

„Ah”, sagte Yuriy, der seine Fantasien nur widerwillig losließ, um Worte formen zu können. „Ja, er sitzt in meinem Büro.”

„Ah”, echote Hiwatari und rührte sich nicht. Erneut starrten sie sich an. Yuriy fragte sich, ob es moralisch gerechtfertigt war, seinen neuen Chef mitten im Gang der Buchhaltungsabteilung zu besteigen wie einen Maibaum. Dann versuchte er sich von diesem, wie sein Penis befand, genialen Plan abzuhalten, indem er sich vor Augen hielt, dass ein vernünftiges Monatseinkommen wirklich dringend benötigt wurde und er Boris die neue Waschmaschine versprochen hatte. 

Hiwatari hatte verdammt schöne Hände. Yuriy fragte sich, wie sie wohl um sein Bettende geschlungen aussehen mochten, während er ihn so richtig-

„Sie sind der neue Buchhalter?”, fragte sein Chef. Seine Augen lagen mit einem geradezu hungrigen Blick auf Yuriys Gesicht, was nicht gerade dazu beitrug, dass sich sein Blutdruck in irgendeiner Weise beruhigte.

„Äh, ja”, sagte Yuriy und streckte reflexartig eine Hand aus, „ich bin Yuriy Iwanov.”

„Willkommen bei Hiwatari Enterprise”, sagte sein Chef. Er hatte einen sehr angenehmen Händedruck, kühl und fest, ohne dabei Finger zu zerquetschen. „Ich bin der CEO, Kai Hiwatari. Sie werden mir also nächste Woche die Zahllisten dieses Monats präsentieren?”

Er sagte Zahllisten auf eine Art und Weise, die Yuriy einen lustvollen Schauer über den Rücken jagte. „Ich … ja. Ich habe hart daran gearbeitet und hoffe, dass Sie befriedigt sein werden. Zufrieden, meine ich! Zufrieden.”

Die Augen seines Chefs blitzten auf eine Art und Weise auf, die Yuriy vermuten ließen, dass er ganz und gar nichts gegen seinen Versprecher einzuwenden hatte. Gerade öffnete er den Mund zu einer Aussage, die Yuriy mit einer Mischung aus Entsetzen und Erregung erwartete - da platzte das Kind zum Gang hinaus, in den Händen Yuriys heißgeliebte Etikettiermaschine.

„Papa!”, rief er, „Ich mag auch eine Tiermaschine haben!”

Der Bann war gebrochen. Yuriy schnappte nach Luft, Gou wirkte sehr zufrieden mit sich selbst und Hiwatari schien gleichzeitig erleichtert und resigniert zu sein.

„Was zum Teufel hast du da?”, fragte er und zog Yuriys Etikettiermaschine aus den Griffen seines Sohns, um sie ihm zu reichen. Yuriy versuchte sich nicht zu fühlen wie König Artus, dem das Schwert Excalibur von der Dame vom See überreicht wurde. „Die gehört wohl Ihnen?”

„Ich wollte noch was schreiben damit!”, beschwerte Gou sich umgehend.

„Du kannst nicht schreiben, das haben wir schon ausprobiert”, sagte Yuriy prompt, ehe er sich aufhalten konnte, und drückte dabei die Etikettiermaschine an seine Brust. 

Gou verzog den Mund zu einem zugegeben niedlichen Flunsch, aber sein Vater wirkte glücklicherweise eher amüsiert als empört über Yuriys Worte. Er nahm seinen Sohn an der Hand und richtete dann seine Glutaugen wieder auf Yuriy, ehe er sagte: „Danke. Ich hoffe, er hat nicht zu viele Umstände bereitet.”

„Oh, nein, überhaupt nicht”, sagte Yuriy rasch und war dankbar dafür, dass sich zwischen ihnen ein Kind und eine Etikettiermaschine befand. Ansonsten wäre die Gefahr groß gewiesen, dass er den Mann anfiel wie eine ausgehungerte Löwin eine Antilope beim Wasserloch. 

„Dann ist ja gut”, erwiderte Hiwatari, der einen Moment lang zögerte, als ob er noch etwas sagen wollte und sich dann sichtlich einen Ruck gab, um Yuriy stattdessen nur zuzunicken. „Dann, äh. Einen schönen Tag noch. Bis nächste Woche.”

„Auf Wiedersehen”, sagte Yuriy und blieb stehen, die Etikettiermaschine weiterhin an sich gedrückt, um kaum atmend den Hintern seines Chefs anzustarren, als der ihm den Rücken zudrehte und die Aufzüge ansteuerte. 

Dann machte er auf dem Absatz kehrt und ging zurück in sein Büro, um Julia anzustarren, die mit glänzenden Augen auf ihn gewartet hatte.

„Du falsche Natter”, zischte er, „hättest du mich nicht vorwarnen können, dass der so heiß ist?”

Julia gackerte vor sich hin. „Sieh es so: Da wird das Vorlegen der Zahllisten gleich nochmal ein bisschen prickelnder.”

„Ich brauche einen Schnaps”, stöhnte Yuriy und ließ sich in seinen Bürostuhl fallen, um die Etikettiermaschine auf den Tisch und dann eine Hand über seine Augen zu legen. 

Julia tätschelte seinen Arm. „Ich bringe dir Kaffee”, sagte sie, „und dann kannst du mir ganz ausführlich erzählen, wie durstig du für ihn auf einer Skala von eins bis zehn bist.”

Zahlliste für dich

„Und jedenfalls glaube ich, dass ich gerade am Rand eines Nervenzusammenbruchs bin“, beendete Kai seine Ausführungen und trank noch einen Schluck zwölf Jahre alten Whiskey. „Und ihr könnt jetzt aufhören, mich auszulachen, ich weiß, dass es lächerlich ist. Aber ihr habt nicht gesehen, wie heiß er ist.“

Hiromi hielt sich eine Hand vor den Mund, während Takao alle Sutbtilität schon längst aufgegeben hatte und herzhaft lachte, ehe er Kai fest genug auf die Schulter schlug, dass der sich beinahe am Whiskey verschluckte. 

„Bitte sag‘ uns nochmal, wie heiß der Buchhalter ist“, sagte er amüsiert.

„So heiß“, sagte Kai prompt, „so heiß wie ein Meteorit, der in die Atmosphäre eingetreten ist.“

„Oh mein Gott“, sagte Hiromi undeutlich hinter ihrer Hand hervor, aber das Gelächter stand deutlich in ihren dunklen Augen.

Kai nahm noch einen Schluck Whiskey. Sie hatten es sich auf seiner Terrasse gemütlich gemacht und Gou war bereits im Bett, weshalb er es sich erlaubte, sich absolut gehen zu lassen. Es war ein sonniger Abend und die Terrakottafliesen unter seinen nackten Füßen hatten sich genug aufgewärmt, dass er die Zehen gerne dagegen presste. Es war angenehm, seine Freunde bei sich zu haben. Es war auch angenehm, dabei ungehemmt Japanisch zu sprechen, was er selten tun konnte. Sein einziger Wermutstropfen war, dass Takao und Hiromi seinen Schmerz absolut nicht ernst nahmen.

„Du kannst nicht deinen Buchhalter flachlegen“, sagte Hiromi nun einigermaßen seriös, „das ist echt bedenklich vom Machtgefälle her.“

Kai gab ein unwilliges Stöhnen von sich, lehnte sich in seiner Sonnenliege zurück und warf den Arm über seine Augen. „Du würdest das nicht sagen, wenn du seine Schlüsselbein gesehen hättest.“

„Seine Schlüsselbeine“, wiederholte Takao.

Kai nickte langsam. „Das sind Schlüsselbeine zum Niederknien. Die Hände sind auch zum Niederknien. Und der Akzent-“

„Zum Niederknien?“, half Hiromi aus.

„Ja!“, sagte Kai enthusiastisch und warf den Arm zurück, um sich wieder etwas aufzusetzen. „Dieses rollende R, als er ‚befriedigt‘ gesagt hat …“ Er seufzte.

Takao und Hiromi wechselten einen Blick. 

„Ich sag‘s nur ungern“, sagte Takao dann, „aber kann es sein, dass du einfach mal wieder ein bisschen Liebe brauchst?“

„Ja“, sagte Kai überzeugt, „russische Liebe. He, ist es weniger verwerflich, wenn er mich flachlegt?“

„So funktioniert das nicht“, lachte Hiromi und legte eine Hand auf seine. „Ist eine Weile her, seit du von jemandem so begeistert warst. Ich würde jetzt echt gerne ein Foto von dem Kerl sehen.“ 

„Ich würde dir gerne den Kerl selbst zeigen“, murmelte Kai, „dann würdest du nicht so blöd reden.“ Er seufzte tief. „Was soll ich nur machen?“

„Ihn fragen, ob er Single ist“, schlug Takao umgehend vor. „Muss er nicht sowieso wegen irgendwas mit Zahlen zu dir?“ 

„Zahllisten, ja“, sagte Kai, „die bekomme ich in ein paar Tagen von ihm … was mache ich, wenn er inkompetent ist?“ Er hielt inne. „Auf der anderen Seite, wenn er inkompetent ist und ich ihn feuere, dann ist es nicht mehr moralisch verwerflich, ihn nach einem Date zu fragen.“

„Kai, ich weiß nicht, ob es dir aufgefallen ist, aber das ist schon leicht psychopathisch“, sagte Takao entschieden, „außerdem bin ich mir relativ sicher, dass er dann nichts mehr mit dir anfangen wollen wird. Normalerweise ist es eher ein Lustkiller, wenn man auf einmal ohne finanzielle Sicherheit dasteht.“

„Das Leben ist so schwierig“, seufzte Kai und rieb sich die Schläfe. „Es ist vor allem sowieso eine dumme Vorstellung. Ich meine, ich bin Vater eines Fünfjährigen und sein Vorgesetzter, was sollte ihn an mir reizen?“

„Der Arsch“, sagte Hiromi sofort.

„Die Arme“, sagte Takao beinahe in der gleichen Sekunde. Sie sahen sich beide mit einem wissenden Grinsen an, dann fuhr Takao fort: „Jedenfalls gibt es so einige Gründe, warum jemand auf dich stehen sollte.“

Kai konnte nicht leugnen, dass das sein Ego streichelte. Dennoch seufzte er erneut und trank einen Schluck Whiskey. „Glaubt ihr wirklich?“

„Aber natürlich“, sagte Hiromi und tätschelte seinen Kopf. „Es gibt für jeden Topf einen Deckel. Du musst nur daran glauben.“

 

Kai glaubte eigentlich nicht an sehr vieles.

Er glaubte an sich selbst. Das reichte normalerweise aus. Er glaubte meistens nicht an andere Leute, und das war oft ein Problem. Ayaka und er hatten unter anderem deswegen nicht langfristig funktioniert, weil sie in dieser Hinsicht viel zu ähnlich waren und selbst ein gemeinsames Kind änderte daran nicht besonders viel. Weder Ayaka noch er glaubten an die Liebe, was im Endeffekt auch nicht besonders förderlich für ihre Beziehung gewesen war. 

Nicht, dass er dachte, dass die Sache mit dem Buchhalter Liebe war.

Er kannte den Mann ja nicht einmal. Er hatte einen Blick auf ihn geworfen und war durstig genug geworden, dass er ihn augenblicklich hatte erklimmen wollen wie Reinhold Messner den Mount Everest. Und Kai war erwachsen genug, um zu wissen, dass Lust nicht gleich Liebe bedeutete. Die Zahl der Menschen, die er liebte, hielt sich stark in Grenzen. Er liebte seine Mutter. Er liebte seinen Sohn. Auf schwierige Art und Weise liebte er auch seinen Vater und Großvater. Es war einfach, Hiromi und Takao zu lieben, weil diese ihm keine andere Wahl dazu gelassen hatten. Aber ansonsten war er immer gut damit gefahren, andere Menschen - besonders potenzielle Partnerinnen und Partner - eher auf Abstand zu halten. Anziehung lag zu einem Großteil an Hormonen, die vermutlich auch schuld daran waren, dass er sich in den nächsten paar Tagen immer wieder bei dem Gedanken erwischte, mit Mr. Schlüsselbein in einer Sushibar zu sitzen und seine Hand zu halten wie ein verliebtes Schulmädchen, oder mit ihm durch die Straßen von London zu schlendern und ihm kitschige Geschenke zu machen. Schrecklich. Kitschig und absurd. Der Mann arbeitete vielleicht in seiner Firma, aber er wusste nichts über ihn, außer dass seine Augen hell und klar waren wie Gletschereis und er einen Undercut hatte, über den er mit seinen Fingerspitzen streichen wollte. Und dass er das R auf eine Weise rollte, die in Kai den Wunsch aufkommen ließ, Dinge mit ihm zu tun. Am Ende war er noch ein gesuchter Verbrecher - doch nein, da gingen die Pferde mit ihm durch. Fernandez hatte ihn mit seiner Arbeit bisher noch nie enttäuscht, was die Sorgfalt bei der Evaluierung einer Person anging.

Er ließ sich dennoch am Tag der Zahllisten vor dem Treffen mit Mr. Hot And Handsome von Wyatt die Personalakte bringen. 

Immerhin hatte er als Chef ein Anrecht darauf, seine Angestellten zu kennen. Und viel würde vermutlich sowieso nicht drin stehen, darauf stellte er sich schon einmal ein. Aber er wollte einfach mehr wissen und die Google-Suche, die er gestern Abend durchgeführt hatte, hatte relativ wenig ergeben außer einem Facebook-Profil, das auf privat gestellt war. Er musterte die Personalakte, dachte um Zeit zu gewinnen darüber nach, dass man das alles endlich endgültig auf digitale Ablage umstellen sollte, und schlug sie dann auf.

Wie zu erwarten gab es nicht viel. Da war die Bewerbung mit Lebenslauf, bei dem Kai ein wenig länger hängenblieb, weil das Foto darauf seinen heißen Buchhalter zeigte, der mit geradezu herausforderndem Blick und ohne zu lächeln in die Kamera starrte. Keine Auskunft über die Eltern oder den Familienstand. Das Design war sehr klar, geradlinig und auf das Wesentliche beschränkt. Der Lebenslauf gab immerhin Auskunft darüber, dass er fast zwei Jahre älter war als Kai und in Moskau geboren worden war. Der Schulabschluss war erst mit - Kai rechnete rasch nach - zwanzig gemacht geworden, was erstaunlich war. Er hatte nicht studiert, in Moskau aber eine mehrjährige Stelle in der Finanzabteilung einer Firma innegehabt, was immerhin für ihn sprach. Auch die Stellen danach waren zumindest durchschnittlich zwei Jahre lang ausgeübt worden, alle in einem ähnlichen Sektor und sogar in internationalen Firmen. Außerdem gab die Personalakte Aufschluss darüber, dass er vor nicht ganz zwei Jahren nach Großbritannien gekommen war und eine Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung besaß. So weit, so gut. 

Was er nicht sah, waren britische Buchhalterzertifikate.

Kai runzelte die Stirn und ging noch einmal Dokumente durch, aber er hatte nichts übersehen. Das war in der Tat seltsam. Hatte Fernandez am Ende doch den erstbesten Buchhalter eingestellt, nur damit die Position besetzt wurde?

Er griff nach dem Telefon, um Fernandez zu sich zu zitieren, dann hielt er inne und zögerte. Einen Moment lang überdachte Kai rasch und reglos seine Optionen. Dann griff er doch zum Telefon, wählte aber die Durchwahl seines Assistenten.

„Schicken Sie den Buchhalter mit den Zahllisten hinauf“, sagte er.

Dann legte er auf, lehnte sich in seinen ledernen Bürostuhl zurück und drehte sich damit um, bis er mit übereinander geschlagenen Beinen und nachdenklich aneinander getippten Fingerspitzen auf die glitzernde Themse blicken konnte. Er stellte fest, dass er Mr. Gletscheraugen nicht feuern wollte, schon gar nicht über ein paar fehlende Referenzen. Und das hatte - vermutlich - nichts damit zu tun, dass er heißer war als die Wüste Gobi, was die monatlichen Besprechungen so viel besser machen würde als jene mit dem bisherigen Buchhalter.

Mr. Prettyhands ließ sich immerhin nicht lange bitten und klopfte schon nach etwa zehn Minuten an, was bei den besetzten Aufzügen um die Uhrzeit eine durchaus beachtliche Leistung war.

„Herein!“, rief Kai.

Er wartete, bis der Buchhalter den Schritten zu urteilen etwa in der Mitte des Büros angekommen war, dann drehte er sich schwungvoll um - schwungvoll, aber nicht schwungvoll genug, um sich zu weit zu drehen und lächerlich zu machen. Die präzise Bewegung, mit der er sich Mr. Iwanov zudrehte und mit dem Schreibtischstuhl genau so zum Stehen kam, dass er in einer fließenden Bewegung die Ellbogen auf der Tischplatte abstützen und die Personalakte darauf schließen konnte, was hundertmal von ihm geprobt worden. Gott, aber der Mann sah im Sonnenlicht der oberen Etagen gleich noch viel besser aus. Und er hatte neben einem mitgebrachten Ordner ein Klemmbrett. 

„Mr. Iwanov“, sagte Kai und verfluchte sich ein wenig für seinen trockenen Mund, der deutlich etwas von der Coolness des Moments wegnahm. „Ich habe Sie erwartet.“

Der Buchhalter blieb stehen und starrte ihn an. „Haben Sie das extra geübt?“

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, erwiderte Kai und nickte zu dem Stuhl ihm gegenüber. „Bitte, nehmen Sie Platz. Sie haben meine Zahllisten?“

„Natürlich, fix und-“ Beim Herantreten fiel der Blick des Buchhalters auf die Personalakte, die Kai bewusst nur zugeschlagen, aber nicht weggeräumt hatte. Augenblicklich verhärtete sich sein Kiefer. Er schien einen Moment lang zu überlegen, dann richtete er den Blick auf Kai, der sich wie elektrisiert von dem direkten Augenkontakt fühlte. Einen Moment lang starrten sie sich stumm an, dann fragte Mr. Iwanov: „Gibt es einen Grund, warum Sie sich meine Personalakte durchlesen?“

Ein Mann, der offensichtlich keine Konflikte scheute. Kai hielt sich davon ab, die Mundwinkel in die Höhe zu ziehen, sondern schulte seinen Gesichtsausdruck zu einer sorgfältigen Maske der Neutralität. Er beobachtete Mr. Iwanovs Reaktion sehr genau, als er schließlich erwiderte: „Ich wollte mir noch einmal ansehen, mit wem ich hier zusammenarbeiten soll. Und dabei konnte ich nicht umhin, als festzustellen, dass Sie keine britischen Buchhalterzertifikate aufweisen.“ 

Einen Moment lang sagte Mr. Iwanov nichts. Dann machte er einen tiefen Atemzug und fixierte Kai mit einem derart intensiven Blick, dass ihm einen Moment lang beinahe das Herz aussetzte.

„Sie haben Recht“, sagte er ruhig und sein Akzent war dabei noch ein wenig stärker als zuvor, was einen lustvollen Schauer über Kais Rücken jagte. „Ich besitze keine. So wie ich das sehe, haben Sie jetzt zwei Optionen, Mr. Hiwatari.“

Bevor er sich selbst aufhalten konnte leckte Kai sich über die Lippen. Ihm entging nicht, dass der Buchhalter der Bewegung mit brennenden Augen folgte, die seinen eigenen Blutdruck in die Höhe trieben. Kai räusperte sich, dann fragte er: „Und welche Optionen wären das Ihrer Meinung nach, Mr. Iwanov?“

„Nun“, sagte Mr. Iwanov, „Sie können mich natürlich rauswerfen, weil ich kein Stück Papier besitze, das bestätigt, was ich Ihnen gleich beweisen werde, nämlich, dass ich weiß, was ich tue. Das wäre Option eins. Option zwei-“ Er nahm den mitgebrachten Ordner mit, dessen Rücken sogar mit einem ausgedruckten Etikett statt nur handschriftlich beschriftet war, und stellte ihn zwischen sich und Kai auf den Schreibtisch. „Option zwei wäre, dass Sie einen Blick in diesen Ordner werfen und zu dem Schluss kommen, dass ich die ideale Besetzung für diesen Job bin, ob mit Zertifikat oder ohne.“

Kai sah ihn an. Mr. Iwanov sah ohne zu blinzeln zurück. Gott, er wollte ihm das Jackett vom Leib reißen und ihn reiten wie einen Mustang beim Rodeo. Stattdessen griff er nach dem Ordner und schlug ihn auf, nur um unwillkürlich den Atem anzuhalten.

Der Mann hatte ein Inhaltsverzeichnis für den Ordner erstellt. 

Die Trennkarten folgten einem strengen farblichen Schema, das sich von selbst erklärte. Er hatte nicht nur die Zahllisten perfekt formatiert, sondern auch die erläuternden Belege für die größeren Eingangsrechnungen als Kopie im Anhang beigefügt. Kai blätterte stumm durch und dachte sich, dass er lange schon nicht mehr so nahe an einem trockenen Orgasmus gewesen war, was wiederum vermutlich einiges über sein Liebesleben aussagte. 

Er sah auf. Mr. Iwanov hob eine verwegene rote Braue. Kai hielt den Ordner fest und räusperte sich, dann sagte er möglichst neutral: „Ich will, dass Sie dieses Zertifikat so schnell wie möglich nachmachen, haben Sie mich verstanden?“

„So schnell wie möglich“, wiederholte Mr. Iwanov, „glasklar verstanden.“

Kai biss sich auf die Innenseite seiner Wange, dann konnte er sich nicht helfen und fragte: „Warum haben Sie es bis jetzt nicht gemacht?“

Mr. Iwanov war einen Moment ruhig und blickte hinab auf das Klemmbrett, während er mental mit sich zu debattieren schien. Dann hob er in plötzlicher Entschlossenheit den Kopf und sagte, in vollkommen neutralem Tonfall, der die Hitze in seinem Blick Lügen strafte: „Mr. Hiwatari, wenn Sie Einzelheiten über mein Leben wissen wollen, dann müssen Sie mit mir essen gehen.“

Kai klappte der Unterkiefer herunter. Zumindest innerlich. Äußerlich war er zu einer Salzsäule gefroren, die seinen Buchhalter wortlos anstarrte. 

Was zum Teufel, sagte eine kleine Stimme in seinem Kopf plötzlich, was solls.

„Schön“, sagte er schließlich in ebenso neutralem Tonfall, „passt Ihnen dieser Freitag, Mr. Iwanov? Um acht vielleicht?“

Nun war es an dem Buchhalter, ihn anzustarren. Dann aber breitete sich langsam, aber deutlich ein Lächeln auf seinen Zügen aus, das irgendwo zwischen heller Ekstase und leichtem Wahnsinn lag. „Ich hole Sie von der Arbeit ab, Mr. Hiwatari. Gibt es etwas, das Sie nicht essen?“

„Ich bin entgegen der gängigen Meinung nicht anspruchsvoll.“

„Ich werde es gut für Sie machen“, versicherte Mr. Iwanov in einem Tonfall, der Kai stumm darum beten ließ, dass es sich nicht nur auf das Essen bezog.

„Aber sicher doch“, sagte er mit trockener Kehle und blickte dann auf den Ordner, „dann lassen Sie uns doch jetzt mal ein paar Zahlen durchgehen.“

„Mit Vergnügen“, schnurrte Mr. Iwanov und zückte das Klemmbrett. Er hatte sogar an einen Kugelschreiber gedacht.

Freitag, dachte Kai. Die Woche hatte sich noch nie so lange angefühlt.

Wie binde ich ihn an mich ... in 10 Tagen?

„Ich sollte den Termin absagen und mich besaufen gehen“, sagte Yuriy zu Boris, als sie dicht aneinander gedrängt in der District Line auf dem Weg nach Whitechapel standen. Er trug immer noch seine Arbeitskleidung. Boris hatte ihn von der Hiwatari Enterprise abgeholt und direkt in die Tube verfrachtet, damit sie nicht zu spät kamen. Er hatte einen Blick in Yuriys Gesicht geworfen und ihn augenblicklich darüber ausgequetscht, was passiert war und ob etwa die Zahllisten nicht gestimmt hatten. Alleine die Annahme war eigentlich eine persönliche Beleidigung, aber angesichts der Umstände ließ es Yuriy ihm durchgehen und packte aus.

Boris lachte seit fünf Minuten. Jedes Mal, wenn es abflaute und Yuriy dachte, dass er fertig war, sah er Yuriy an und lachte wieder los. Es klang wie eine größenwahnsinnige Hyäne mit Schluckauf.

Yuriy stieß ihm wiederholt den Ellbogen in den Magen und die Seite, prallte aber in schöner Regelmäßigkeit an Boris‘ stählernen Muskeln ab, was die Frustration ins Unendliche steigerte. „Ich hasse dich“, zischte er schließlich empört auf Englisch, „du schläfst heute auf der Couch!“

„Gib‘ ihm, Junge!“, krähte ein altes Muttchen von der Bank.

Leider hielt auch das Boris nicht auf, aber als die Tube einen überraschenden Schlenker machte, legte er instinktiv einen Arm um Yuriy und zog ihn an sich, um dessen Kollision mit einer Haltestange zu verhindern. Grummelnd legte Yuriy die Wange an seiner festen Schulter ab.

„Ich bin im Arsch“, sagte er düster und wechselte dabei wieder auf Russisch, „nicht auf die lustige Weise.“

„Wenn man sich ansieht, dass dein Chef genauso notgeil sein dürfte wie du, ist die lustige Weise nicht ausgeschlossen“, sagte Boris prompt und schien wieder kurz vor einem Lachanfall. „Ehrlich, Junge, steh zu deinen Stahleiern!“

Yuriy gab ein frustriertes Geräusch gegen Boris‘ Schulter von sich. „Es waren aber keine Stahleier, es war einfach die Flucht nach vorn in Kombination mit einem Hirnaussetzer über seine Augen! Außerdem hätte ich nie gedacht, dass er zusagt!“

„Notgeil, sage ich ja.“ Boris tätschelte seinen Rücken, dann schob er ihn durch die Türe hinaus. Whitechapel empfing sie in all seiner schäbigen Glorie und einem Stimmengewirr, in das sie sogleich untertauchten. 

„Die Frage ist, was mache ich jetzt“, nahm Yuriy das Gespräch wieder auf, nachdem sie ein paar Meter gegangen waren, „wo gehe ich mit ihm hin?“

„Das ist egal, solange du es ihm danach richtig gut besorgst“, sagte Boris pragmatisch und wich elegant aus, als Yuriy ihm auf den Hinterkopf schlagen wollte. 

„Kannst du bitte einmal vernünftige Vorschläge machen?“, zischte er. 

„Tue ich doch“, erwiderte Boris empört, „du willst den Fick. Er will den Fick. Logische Konsequenz? Gib ihm den Fick.“ 

„Du solltest Bankberater werden mit dieser Eloquenz“, sagte Yuriy.

„Du kannst mich eloquent am Arsch lecken“, sagte Boris freundlich und zog ihn am Pferdeschwanz, woraufhin Yuriy die Schulter gegen seine stieß und ein „Das hättest du wohl gerne“ zurückfeuerte.

Sie näherten sich dem Seaborg, das das Ziel ihrer Reise darstellte. Der Ladenbesitzer und Mann der Stunde stand vor dem Tattoostudio und rauchte - ein Berg von einem Mann mit kurz geschorenem Haupthaar und majestätischem, blondem Bart, in den ein paar Zöpfe geflochten waren, was ihm zusammen mit den Tattoo Sleeves und den Baggy Pants das Aussehen eines in der Neuzeit gestrandeten Wikingers gab. Bei Yuriys und Boris‘ Anblick hob er grüßend eine Hand, rauchte aus und drückte die Zigarette in einem am Eingang stehenden Aschenbecher aus.

„Na?“, sagte er begleitend zu den Begrüßungshandschlägen, Schulterklopfern und Wangenküssen, „bereit, gestochen zu werden?“ Im Gegensatz zu Boris und Yuriy war Sergei seit seiner Kindheit in Großbritannien, weshalb sich der Cockney-Akzent sogar in sein ansonsten tadelloses Russisch geschlichen hatte.

Boris begann wieder loszulachen. „Du hast keine Ahnung, wie bereit Yura zum Stechen ist.“

„Ich hasse dich“, erklärte Yuriy zum zweiten Mal an diesem Tag, „ich lasse mir jetzt ein Arschgeweih stechen, aus Protest. Serjoscha, vergiss die bisherige Skizze, mach mir einen Wolf.“ 

„Über deinem Arsch?“, fragte Sergei mit der Ruhe eines Mannes, der schon viel gesehen und erlebt hatte. „Ich meine, wenn du willst, aber ich würde für das Geld eher davon abraten.“

„Don’t shoot the messenger just because you can’t handle the truth“, sagte Boris und kraulte dann Yuriys Undercut. „Du bist eben ein verwegener Idiot, deswegen funktioniert das hier.“

„Schließ nicht immer von dir auf andere“, grummelte Yuriy, war aber bereits besänftigt, als Boris ihm einen Kuss auf die Wange drückte. 

Sergei schüttelte den Kopf und hielt ihnen die Türe auf. „Will ich wissen, was jetzt schon wieder passiert ist?“

„Nein“, sagte Yuriy. 

„Fix“, sagte Boris im gleichen Atemzug und fügte sofort hinzu: „Yuriy hat seinen Chef nach einem Date gefragt, um ihn davon abzuhalten, ihn vor die Tür zu setzen.“

„Du verdrehst hier die Tatsachen!“, beschwerte Yuriy sich augenblicklich und folgte Sergei mit Boris auf den Fersen ins Studio hinein.  

„Was zum Teufel?“, fragte Sergei entgeistert und starrte sie beide abwechselnd an, dann schüttelte er den Kopf. „Okay, Yura, du parkst deinen Hintern jetzt hier auf diesem Stuhl und ziehst dich aus-“

„Ich wette, das hätte Mr. Chefschnuckel auch gern gesagt“, feixte Boris.

Sergei hielt Yuriy recht problemlos davon ab, seinen Kopf in Boris‘ Magen zu rammen und bugsierte ihn auf besagten Stuhl. „-und dann will ich hören, was da läuft, während ich die Skizze vom Transferpapier auf deinen Arm übertrage.“

Daraufhin verbrachte Yuriy geschlagene zehn Minuten damit, zu schildern, wie heiß sein Chef eigentlich war und dass er knapp daran gewesen war, gefeuert zu werden. 

„Diese scheiß Zertifikate“, sagte er erbittert, „seit Jahren schufte ich wie ein Tier und dann wollen sie trotzdem, dass ich mit einem überteuerten Stück Papier beweise, dass ich gut bin.“ Er hielt inne und fügte zufrieden hinzu: „Tja, alle außer meinem Chef. Ich will nicht sagen, dass ich seit achtundvierzig Stunden nicht mehr geschlafen habe, um diesen Zahllisten-Ordner perfekt zu machen, aber ich würde auch nicht das Gegenteil behaupten.“

„Du musst wissen, er ist wahnsinnig“, sagte Boris an Sergei. Er hatte sich einen Hocker herangerollt und lümmelte jetzt am Rand von Yuriys Blickfeld neben ihm herum, um dann eine Hand zu heben und liebevoll Yuriys Pferdeschwanz zu zausen. „Aber es ist die charmante Art von Wahnsinn.“ 

Sergei verkniff sich ein Schmunzeln und zeichnete sorgfältig weiter. „Der Chefschnuckel hat also einen Blick auf den Ordner geworfen und sich in was, deine Trennkarten verliebt?“ 

„Ihm ist auf jeden Fall ziemlich einer dabei abgegangen.“ Yuriy seufzte tief. „Er ist der Richtige für mich.“

„Armer Irrer“, sagte Boris weiterhin liebevoll und tätschelte seinen Kopf.

„Visionäre hat man schon oft in der Geschichte irre genannt“, sagte Yuriy salbungsvoll und fuhr dann fort: „Jedenfalls hat mein Hirn dann ein bisschen ausgesetzt, als er meinte, ich soll die Prüfung so bald wie möglich nachmachen und dann passt das, und dann habe ich ihm gesagt, dass er mit mir essen gehen soll. Und jetzt bin ich am Arsch, weil ich keine Ahnung habe, wo ich mit ihm hin soll.“ 

„Die üblichen Lokale fallen flach, weil…?“, erkundigte Sergei sich, ohne aufzublicken. Dann ließ er den Stift sinken. „Schau’s dir bitte nochmal an, bevor ich weitermache.“

Yuriy besah sich aufmerksam den Falkenkopf auf seinem rechten Unterarm, der in einen sich zur Spitze verjüngenden geometrischen Vogelkörper überging und nickte zufrieden. Es waren für die erste Sitzung erst einmal nur die Outlines des Ganzen und teilweises Shading des Kopfs, aber der geometrische Stil würde es trotz fehlender Details schon gut aussehen lassen. Und mehr war für den Moment nicht drin. Er war zwar nicht gefeuert worden und die heutige Sitzung war das Resultat langer, sorgfältiger Finanzplanung, aber man konnte nie wissen, was das Leben für einen bereithielt. Es musste nur morgen irgendein Rohr in ihrer Wohnung platzen und die ganze monetäre Einteilung war hinüber. Alleine diese Etappe war eigentlich schon sehr frivol, aber Yuriy hatte beschlossen, dass er sich manchmal etwas gönnen durfte. Außerdem hatte es seine preislichen Vorteile, mit dem Tätowierer befreundet zu sein. Und er wollte dieses Tattoo zu Boris‘ Ehren spätestens seit ihrer Abreise aus Russland. Boris war mit ihm durch dick und dünn gegangen, seit sie Kinder gewesen waren. Er war ein unauslöschlicher Abdruck auf seiner Seele, der es verdiente, nach außen hin gezeigt zu werden, wenn Yuriy ihm seine unbeirrbare Loyalität schon nicht anderweitig als mit seinem ganzen Herzen vergelten konnte.

„Sieht grandios aus“, meinte er dementsprechend aufrichtig, was Sergei zum Strahlen brachte. „Kannst loslegen. Und was die üblichen Lokale angeht-“ Er gestikulierte vage mit der linken Hand. „Da kann ich nicht mit Kai hin. Der ist sicher andere Sachen gewöhnt, auch wenn er meinte, dass er nicht anspruchsvoll ist.“

Boris schnaubte, während Sergei verstehend seufzte und sich Latexhandschuhe überstreifte, ehe er zur Tätowiermaschine griff. Yuriy lächelte, als Boris ihm einen Schmatzer auf die Schläfe drückte und verkündete: „Wenn er ein Bonzenarschloch ist und darüber nen Aufstand macht, dass es nicht das Ritz ist, dann ist er dich und deinen Schwanz sowieso nicht wert. Andere Mütter haben auch schöne Söhne mit weniger elitären Löchern.“ 

„Notfalls bleiben wir bei unserem ursprünglichen Plan und heiraten einander, falls wir bis vierzig noch immer niemanden haben“, stimmte Yuriy zu. 

„Geh einfach picknicken mit ihm“, sagte Sergei und begann zu tätowieren. „Ist die Firma nicht sowieso in Westminster? Da ist der Hyde Park doch ums Eck.“

Yuriy biss die Zähne zusammen, weil der Schmerz aushaltbar, aber gewöhnungsbedürftig war. „Das ist schon ein ziemliches Klischee. Was ist das hier, eine Romcom?“

„Vielleicht ist das aber keine schlechte Idee“, überlegte Boris, ohne auf seinen Einwand einzugehen. „Dann kannst du ihn mit deinen Sandwichkünsten für dich gewinnen. Ich weiß, wie sehr du aufs Sandwichmachen stehst.“

„Es ist einfach eine hohe mathematisch-physikalische Kunst, das perfekte Sandwich zu kreieren, aus dem nichts rausfällt und das sich auch nicht durch ein gewisses Ungleichgewicht in den Zutaten auszeichnet“, sagte Yuriy prompt im Brustton der Überzeugung, dann überlegte er. „Hm. Das könnte schon romantisch sein. Und ein bisschen Frischluftgefummel hat schon was.“

„Du gehst mir zu diesem Date nicht ohne Kondom in der Brusttasche“, verkündete Boris entschieden. „Der muss dir nur seinen überzüchteten Knöchel zeigen und und bist auf ihm drauf wie der Bulle auf der Kuh.“

„Ja, Mama“, sagte Yuriy mit einem kleinen Schmunzeln. 

„Mir liegt dein Wohl eben am Herzen“, sagte Boris augenrollend, aber seine Fingerspitzen kraulten dabei wieder Yuriys Undercut auf eine Art, die sagte, dass er es ernst meinte. Yuriy legte die Hand auf seine - glücklicherweise war Boris schlau genug gewesen, sich nicht auf die Seite zu setzen, auf der Sergei herumfuhrwerkte - und sah zu ihm auf. 

„Ich weiß“, sagte er leise auf eine Art, die sagte, dass er es ernst meinte - und dass er noch so viel mehr meinte als das, mehr, als es Worte dafür gab. Boris, der Yuriys Worte nie gebraucht hatte, lächelte nur und drückte seine Hand so fest, dass Yuriy den Herzschlag seines Lebensmenschen in den eigenen Fingern spürte. Sergei lächelte vor sich hin, während er konzentriert die Tinte mit tausenden Nadeln unter Yuriys Haut trieb.

„Ich mein‘s ernst, Yura“, sagte Boris schließlich, „mach‘ dir nicht zu viele Gedanken drum. Im Notfall ziehst du dich aus.“

„Was ist los mit dir.“

„Ein You Can Eat Buffet quasi“, sagte Boris und grinste breit, „verstehst du? Du bist das Buffet, Yura.“

Yuriy entzog ihm die Hand und legte sie sich über die Augen. „Bitte hör auf zu reden.“

„Ihr geht Cocktails trinken, aber der Cocktail ist in deiner Hose.“

„Warum bist du so?!“

„Kindheitstrauma“, sagte Boris, dann: „He, notfalls schmier dir Erdnussbutter auf die Brust und sag, dass du das Sandwich bist.“

„Oh Gott“, sagte Sergei, „ich habe mir noch nie so sehr gewünscht, taub zu sein. Wenn du weiterredest, dann verlange ich zusätzliches Schmerzensgeld.“

„Wie bitte?“, sagte Yuriy empört, „ich kann nichts dafür, ich leide selber!“

„Mir fällt sicher noch ein Witz auf deine Kosten ein, der was mit Gurken zu tun hat“, überlegte Boris laut. 

Yuriy gab im gleichen Moment wie Sergei einen tiefen, gepeinigten Seufzer von sich und starrte an die Decke. Es stimmte wohl, was sie sagten, reflektierte er mit einem gewissen Amüsement: Bei den Menschen, die man liebte, tolerierte man eine ganze Menge Bullshit. Er konnte nur hoffen, dass es anderen mit ihm selbst auch so ging.

Der Tag des toten Sandwichs

Es war halb sechs Uhr abends und Kai hatte schon wieder einen kleinen Nervenzusammenbruch. Das schien mittlerweile zu einer gewissen Gewohnheit zu werden.

Es war einfach zu lange her, seit er sein letztes Date gehabt hatte. Nach der Trennung von Ayaka hatte er zwar hie und da jemanden getroffen, aber es war nie etwas Ernstes daraus geworden und alle Ansätze waren recht schnell im Boden versickert, nachdem er realisieren musste, dass Kind und Job den Großteil seiner Energie verschlangen. Mit einem Wort: Er war erbärmlich, sein Liebesleben war erbärmlich und noch erbärmlicher war, wie heiß ihm bei der Vorstellung wurde, dass er sehr bald Mr. Zahlengott gegenübersitzen würde - ohne Kind im Schlepptau, ohne Listen zwischen ihnen, nur sie beide und Essen und die unerträgliche Spannung in seiner Hose.

„Oh Gott“, murmelte Kai und vergrub das Gesicht in seinen Händen, dann atmete er tief durch und erhob sich aus seinem Bürostuhl, um zu der Bar zu gehen, die er normalerweise nur bei wichtigen geschäftlichen Meetings verwendete. Jetzt allerdings goss er nur für sich selbst einen Zentimeter Whiskey in das passende Glas und stellte sich vor die Glasfront, um daran zu nippen und seiner eigenen, geisterhaften Reflexion im Glas fest in die Augen zu sehen.

„Reiß dich zusammen“, befahl er sich selbst laut, „wie alt bist du eigentlich, vierzehn? Du bist ein erwachsener Mann, dein Sohn wird den ganzen Abend lang vorzüglich betreut und du wirst jetzt verdammt nochmal cool sein.“

„Ähm“, sagte Wyatt behutsam hinter ihm, aber es war unvermittelt genug, das Kai sich vor Schreck beinahe am Whiskey verschluckte und zu ihm herumwirbelte, um ihn mit wilden Augen anzusehen. Sein einziger Trost war, dass sein Assistent mindestens genauso peinlich berührt dreinblickte, wie Kai sich fühlte. „Ich … kann später wiederkommen, wenn Sie eine Minute brauchen …?“

„Wie kommen Sie darauf?“, sagte Kai so würdevoll wie möglich und war stolz darauf, dass sowohl seiner Stimme als auch seinem Gesicht keine Regung anzumerken war. Er hatte immer noch den Whiskey in der Hand, aber welcher CEO trank nicht gern einmal ein Gläschen, wenn der Feierabend nahte? „Was tun Sie eigentlich noch hier? Es ist Freitag, gehen Sie heim.“

Wyatt starrte ihn an, als ob ihm ein zweiter Kopf gewachsen war. Dann warf er einen Blick über seine Schulter, als ob er befürchtete, von einer Kamera gefilmt zu werden, ehe er schließlich wieder Kai geradezu besorgt fixierte. „Es ist erst kurz vor sechs.“

„Gehen sie“, wiederholte Kai, woraufhin Wyatt instinktiv salutierte und dann hochrot peinliche Worte des Abschieds stammelnd hinausstürzte. Kai trank noch einen kräftigen Schluck und fragte sich, was es über ihn aussagte, dass sein Assistent eine Sinnkrise bekam, wenn sein Chef es freitags vor sieben Uhr abends gut sein ließ. Dann wiederum war es wohl kein Zufall, dass er ein Date mit seinem Buchhalter hatte. Den er in seiner eigenen Firma kennengelernt hatte. Der ihn von seinem Büro abholen würde. War es überhaupt eine gute Idee, Mr. Gletscheraugen zu daten? Ein guter Buchhalter war schwieriger zu finden als ein guter Liebhaber, egal wie hart er davon fantasierte, die Oberschenkel um diesen Kopf zu pressen und die Finger in rotes Haar zu vergraben, bis -

Es klopfte.

„Herein!“, sagte Kai etwas lauter als nötig mit warmen Wangen und setzte das mittlerweile ohnehin leere Glas ab. Er hatte gerade noch Zeit, sich rasch durch die Haare zu fahren, dann trat der rothaarige Teufel seiner Träume ein, die Aktentasche in der einen und etwas, das aussah wie ein Picknickkorb in der anderen Hand. Ehe Kai ein Wort sagen konnte, war sein Blick auf dem Glas gelandet und die Mundwinkel schürzten sich zu einem amüsierten Lächeln, das Dinge mit Kais Eingeweiden anstellte.

„Müssen Sie sich die Sache erst schön trinken?“, fragte er, „Dann gehe ich jetzt nämlich und esse all das hier mit Ms. Fernandez aus der Grafikabteilung auf.“

„Ms. Fernandez ist freitags nie im Haus“, sagte Kai automatisch, „schon gar nicht um diese Uhrzeit. Wenn Sie aber nett zu mir sind, nehme ich die Flasche mit.“

Das Lächeln vertiefte sich. „Ich mag die Art, wie Sie denken.“ Er senkte ein wenig die Augenlider und sah Kai mit einem Blick an, der sein Herz kurzzeitig auf seine Hauptaufgabe vergessen ließ. „Reicht ein kleines ‚Bitte‘ oder möchten Sie einen Kniefall von mir?“

Es war unmöglich, die Flut von Bildern aufzuhalten, die sich umgehend vor Kais innerem Auge abspielte. Irgendwie schaffte er es dennoch, mit ungerührter Stimme zu erwidern: „Vielleicht ein bisschen später.“

„Ich komme darauf zurück“, schnurrte Buchhalterbabe.

Es kostete Kai bei diesem Tonfall die letzte Hirnzelle, würdevoll zu nicken und erst seinen eigenen Aktenkoffer, dann die Whiskeyflasche zu ergreifen, ehe er an ihm vorbeiging. Wie erwartet folgte Buchhalterbabe ihm und schloss recht bald mit seinen langen Beinen zu ihm auf. Die Firma war um diese Uhrzeit praktisch ausgestorben, die Lichter abgedreht, sodass das verbleibende Sonnenlicht von draußen die einzige Lichtquelle war. Sie schwiegen, während sie zu den Aufzügen gingen und Kai ermahnte sich, dass es keinen Anlass zur Nervosität gab, auch wenn die ganze Aktion irgendwie surreal war.

Als die Türen des Aufzugs sich hinter ihnen geschlossen hatten und sie hinunterfuhren, drehte Kai sich zu seinem Saldengott.

„Sobald wir durch die Türen dieser Firma gehen und auf der Straße stehen“, sagte er, „bin ich Kai. Okay?“

„Oh, Gott sei Dank“, sagte Buchhalterbabe prompt, „ich bin ja immer für ein bisschen Roleplay zu haben, aber das wäre dennoch ein sehr seltsames Picknick geworden. Dann bin ich aber Yuriy.“

„Yuriy“, wiederholte Kai und hatte den Eindruck, dass der andere wohlig schauderte, was ihn wiederum dazu bewog, ihn anzublinzeln. Einen Moment lang sahen sie einander versonnen lächelnd an, dann fixierten sie beide wie auf ein stummes Signal hin etwas peinlich berührt die Aufzugwände. Kai stellte fest, dass er dringend etwas gegen dieses nervtötende Gedudel unternehmen musste, mit dem sie fortwährend beschallt wurden, während sie Stockwerk um Stockwerk überwanden, bis sie endlich im Erdgeschoss ausstiegen. Auch der Portier war nicht mehr an seinem Posten und die Eingangshalle war leer, als sie sie durchquerten und tatsächlich auf der Straße standen. Yuriy schien einen genauen Platz vor Augen zu haben, denn er gab Kai ein Zeichen, ihm zu folgen und marschierte los.

Das Wetter war fast perfekt für ein Picknick: Wie eigentlich immer war der Himmel über London zwar bewölkt, aber es sah nicht nach Regen aus und es würde noch eine Weile hell bleiben. Ihre Strecke führte sie in Richtung Themse, dann über die Westminster Bridge, die wie üblich vor Touristinnen und Touristen wimmelte. Kais leichter Missmut über diese Tatsache verflog, als Yuriys Schulter wiederholt sie seine streifte und er von der Seite her angelächelt wurde. Außerdem fragte er sich unwillkürlich, wie er wirken musste - Aktentasche in der einen Hand und halbvolle, sündteure Whiskeyflasche in der anderen, neben sich ein Kerl, der tatsächlich zum Niederknien war. Kai beschloss, dass man ihn nur beneiden konnte. Der Rest der Menschheit konnte sich unbefriedigend ficken gehen.

Ohne darüber nachzudenken fragte er: „Wieso ausgerechnet ein Picknick?“

„Es ist nicht umsonst ein Klassiker“, sagte Yuriy und blinzelte ihm zu. „Nur du, ich, tausend andere Pärchen mit der gleichen Idee und die Natur um uns herum, während ich dir Häppchen reiche und verzückt seufze, wann immer sich unsere Finger berühren oder ich einen deiner Knöchel sehe.“

Kai verkniff sich ein Lachen. „Da hat wohl jemand zu viele Jane-Austen-Verfilmungen gesehen.“

„Da hat wohl jemand nicht genügend Verfilmungen von russischen Klassikern gesehen“, konterte Yuriy augenblicklich, „weißt du, wieviele Szenen es in der russischen Literatur gibt, in dem sich ein adeliges Paar über den Verlauf einer Picknickdecke hinweg anschmachtet?“

„Ich würde ja gerne sagen, dass du der Graf Wronskij zu meiner Anna Karenina sein kannst, aber ganz ehrlich, Wronskij ist ein Arsch und ich verdiene jemanden, der kein Arsch ist.“

Das war vielleicht ein bisschen zu ehrlich für das erste Date und Kai bereute seine Aussage augenblicklich, aber Yuriy entschärfte die Situation, indem er ihn zuzwinkerte und sagte: „Ich werde dich also nur mit meinem schneidigen Äußeren und dem leidenschaftlichen Verlangen für mich gewinnen. Und den Gurkensandwiches.“

Ich bin gern das Sandwich zu deiner Gurke, dachte Kai und wollte sich am liebsten selbst eine dafür reinhauen. Stattdessen sagte er kokett: „Ich wette, das sagst du all den Leuten, die du zu einem Date einlädst.“

Yuriy blinzelte ihm zu. „Funktioniert es denn bisher?“

„Das entscheide ich, wenn ich diese Sandwiches gesehen habe“, sagte Kai und konnte eine gewisse Zufriedenheit nicht unterdrücken, als Yuriy daraufhin lachte, was Kai die Gelegenheit zu der Feststellung gab, ein Grübchen in seiner Wange zu bewundern. Süß.

Sie ließen den Westminster Palace links liegen und wanderten die Great George Street entlang, sodass Kai sich recht sicher wurde, dass Yuriy ihn in den St. James Park führen wollte. Es veranlasste ihn dazu, Yuriy eine Anekdote zu schildern, wie er nach dem Lesen von Good Omens vor vielen Jahren extra durch den Hyde Park spaziert war, um nach Geheimagenten Ausschau zu halten, die gemeinsam Enten fütterten. Yuriy lachte erneut, als Kai ihm seine Enttäuschung darüber vermittelte, nicht mit absoluter Sicherheit irgendwelche Spione ausgemacht zu haben, dafür aber eine Reihe von Pensionisten, die ihm sehr misstrauische Blicke entgegen geworfen hatten.

„Ich meine, das war schon sehr enttäuschend, aber wahrscheinlich nicht die größte Enttäuschung in meinen Zwanzigern“, beendete er seine Geschichte, während sie durch die Eingangstore des Parks spazierten und Yuriy begann, Ausschau nach einem geeigneten Platz zu halten.

„Jetzt will ich aber wissen, was die größte Enttäuschung war“, sagte dieser dann sogleich prompt und deutete auf einen etwas weiter entfernten Platz unter einem Baum, der in malerischer Nähe zum See lag, ohne dass sie nahe genug daran waren, um von Stechmücken aufgefressen zu werden. „Sollen wir darauf mal zusteuern, übrigens?“

„Klingt gut“, stimmte Kai zu und dachte währenddessen eine Weile nach. „Es gab eine Reihe von Enttäuschungen“, gab er dann zu, „mit den ganzen Gerichtsprozessen um die Firma und interne Familienkrisen war das gar keine so einfache Zeit. Aber es gab auch genügend gute Dinge, also will ich mich eigentlich gar nicht beschweren.“

Yuriy warf ihm ein kleines Lächeln von der Seite zu. Er musste sich über die Prozesse informiert haben - diese ewig langen Schlammschlachten, die er und seine Mutter sich mit Großvater geliefert hatten, als er die Firma durch aufgedeckte linke Deals mehr oder weniger in den Ruin getrieben hatte. Es war anstrengend gewesen, ihre kläglichen Überreste zu nehmen und Hiwatari Enterprises wie den Phönix aus der Asche auf einem komplett neuen Gebiet aufsteigen zu lassen, aber in den letzten zwei Jahren hatte es endlich begonnen, sich zu lohnen. Kai war ein wenig erleichtert, dass Yuriy nicht in diese Richtung nachhakte, sondern nur meinte: „CEO eines internationalen Unternehmens werden, zum Beispiel? Kind und, ähm, bezaubernde junge Frau?“

Kai schmunzelte ein wenig. „Subtil.“

„Ich bin bekannt für meine Subtilität. Also?“

„Ach, das mit Ayaka - das ist Gous Mutter - war so eine Sache. Sehr leidenschaftlich, aber eigentlich waren wir uns immer viel zu ähnlich, als dass es langfristig funktionieren konnte. Gou war ein Hoppla, auch wenn das irgendwie so abwertend klingt - eine Schwangerschaft war jedenfalls eigentlich nicht geplant. Wir haben es dann noch eine Weile ihm zuliebe versucht, aber es ist nicht gut gelaufen. Außerdem hat sie einen Job, bei dem sie viel international zu tun hat - sie ist Übersetzerin für die UN -, also haben wir eine Regelung gefunden, die uns gut passt und uns freundschaftlich getrennt. Seitdem verstehen wir uns auch wieder deutlich besser.“

„Dein Sohn ist also überwiegend bei dir?“ Yuriy hob eine Augenbraue. „Wie machst du das mit dem Job daneben?“

„Es gibt immer noch Gous Großeltern, außerdem habe ich ein Au-Pair.“

Yuriy blinzelte. „Was hat die Oper damit zu tun?“

Kai verkniff sich ein Lachen. „Au-Pair. Praktisch ein Kindermädchen, eine Studentin aus Deutschland, die in meinem Haushalt wohnt und mir mit diesem Haushalt und Gou hilft. Ohne sie würde ich das sowieso nicht hinbekommen.“

Sie waren unter dem Baum angekommen. Yuriy stellte Aktentasche und Korb auf den Boden, dann entnahm er letzterem eine orange-weiß karierte Decke und breitete sie schwungvoll auf dem Gras aus, ehe er mit einer gespielt übertriebenen Verbeugung und einer weitschweifigen Armgeste darauf deutete. „Bitte, nehmen Sie Platz.“

Kai schenkte ihm eine seiner schönsten Verbeugungen nach japanischer Art, dann schlüpfte er aus den Schuhen und ließ sich auf die Decke fallen. Er stellte Whiskeyflasche und Aktentasche neben sich ab und lockerte sich die Krawatte, während er zusah, wie Yuriy ebenfalls die Schuhe neben der Decke abstellte, das Sakko über die Aktentasche warf und dann begann, mit geschäftiger Miene Dinge aus dem Korb zu räumen, die in militärischer Präzision auf den Karos aufgereiht wurden: Wasser in Glasflaschen, mehrere Tupperdosen gefüllt mit Gott wusste welchen Köstlichkeiten, eine Flasche Wein - Gott, Kai hoffte, dass Yuriy nicht erwartete, dass er sich mit Wein auskannte -, zwei Gläser, Servietten, Teller mit einem zierlichen, bereits ziemlich verblassten Blütenmuster an den Rändern und Besteck.

Kai beäugte die Ausstattung mit ehrlicher Faszination. „Ich bin beeindruckt, dass sich das alles in diesem Korb ausgegangen ist.“

„Das ist alles nur eine Frage der richtigen Volumenberechnung“, erwiderte Yuriy prompt, dann starrte Kai ihn fasziniert und mit trockenem Mund an, als ein Strom von Formeln über seine Lippen glitt wie das sündige Lockungslied einer Sirene, während seine Hände geschickt Behälter öffneten und Teller, Besteck und Gläser verteilten, bis er seine Ausführungen schließlich schloss mit: „Dennoch müssen wir jetzt alles aus einem Glas trinken, aber nachdem du jetzt auch noch Whiskey mitgenommen hast, glaube ich, dass wir über den Stilbruch bald hinwegkommen.“

„Ich glaube auch, dass wir bald kommen. Hinweg, meine ich! Über den Stilbruch!“ Kai räusperte sich. „Ich glaube, ich bleibe erstmal beim Whiskey.“

Yuriy lachte ihn schamlos aus und nahm ihm die Flasche weg, um ihnen beiden einzuschenken. „Dann schließe ich mich an, damit du nicht alleine trinken musst.“

„Das ist sehr gütig von dir.“ Kai nutzte die Gelegenheit, um den Bestand an Essen zu inspizieren. Da waren die versprochenen Gurkensandwiches, aber auch selbstgemachter Coleslaw, Obstsalat, Nudelsalat mit Fetakäse und Tomaten, gefüllte Teigschnecken und Cookies. Er hob den Kopf. „Bist du in deiner Freizeit irgendwie verhinderter Koch oder so?“

„Das ist alles nicht so schwierig und geht relativ schnell, noch dazu, wenn man Hilfe hatte“, sagte Yuriy, wirkte aber höchst zufrieden über Kais Aussage. „Außerdem habe ich vielleicht nur eine Chance, dich zu beeindrucken und die wollte ich nutzen. Cheers.“

Sie stießen miteinander an. Kai trank einen kräftigen Schluck, dann sagte er: „Du hast mich schon mit diesem Zahllistenordner beeindruckt. Und dem Klemmbrett. Glaub nicht, dass mir nicht aufgefallen ist, dass es farblich zum Ordner gepasst hat.“

Yuriy schenkte ihm ein Raubtierlächeln und senkte ein wenig die Augenlider, während er ihn hinter dem Rand seines Glases hervor betrachtete. „Das hat dir gefallen, hm? Was war mit dem Inhaltsverzeichnis?“

„Scharf“, sagte Kai umgehend und biss sich bewusst auf die Lippen dabei. Es befriedigte ihn zu sehen, wie Yuriys Blick seiner Bewegung folgte. „Und die Schriftart, die du verwendet hast …“

„Garamond“, gurrte Yuriy und das Wort glitt von seinen Lippen wie Champagnerperlen, „Arial ist so …“

„Standard?“, half Kai aus.

„Mmmmh.“

Sie starrten einander stumm und erhitzt an, die Gläser vergessen in ihren Händen, bis Yuriy sich schließlich räusperte. „Nun, greif zu. Ich gebe zu, mein Favorit ist der Nudelsalat, aber ich bin voreingenommen.“

„Ich beginne mit einem dieser Gurkensandwiches, für die du so kräftig Werbung gemacht hast“, erwiderte Kai umgehend und ließ den Worten Taten folgen. „Gibt‘s eigentlich einen Grund, warum alles hier vegetarisch ist?“ Er war ein wenig erstaunt von dem überraschten Blick, der ihm daraufhin zugeworfen wurde. „Was denn, habe ich etwas Falsches gesagt?“

„Ich mag es, wie aufmerksam du bist“, stellte Yuriy fest. Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, sanfter als die Male, bei denen er zuvor gelächelt hatte. „Ja, ich bin Vegetarier. Ich meine, ich esse Eier und Milchprodukte, aber weder Fleisch noch Fisch.“

„Gibt es einen bestimmten Grund dafür?“, erkundigte Kai sich.

Yuriy zuckte mit den Achseln. „Ich habe für mich die Entscheidung gefällt, dass ich nicht will, dass ein lebendes Wesen für mich sterben muss. Es ist mir schon klar, dass die Probleme der Tierhaltung auch die Produktion von Milch und Eiern mit einschließen, aber das versuche ich zu umgehen, indem ich da halbwegs auf faire Produkte achte, wenn es die Finanzen zulassen. Außerdem schmeckt mir Fleisch mittlerweile gar nicht mehr. Es ist alles auch ein bisschen Gewohnheit.“

„Fair“, befand Kai, nahm dann einen Bissen vom Sandwich und unterdrückte ein Stöhnen. „Scheiße, das ist ja wirklich gut.“

„Danke für dein Vertrauen“, lachte Yuriy.

„Kann ich dich für das Picknick anheuern, zu dem ich von Gous Schule gezwungen werde?“, fragte Kai und nahm noch einen Bissen. Ein Eichhörnchen flitzte über den Stamm des Baums hinter ihnen und betrachtete sie neugierig aus glänzenden, schwarzen Knopfaugen. „Ich kann nicht kochen, will für dieses Picknick auch nicht kochen und kann trotzdem nicht mit leeren Händen aufkreuzen, weil es sonst wirkt, als wäre ich ein inkompetentes, seelenloses Arschloch von Vater.“

„Da hat jemand Probleme“, stellte Yuriy zwischen zwei Bissen Nudelsalat fest, „das klingt mehr nach Müttermafia als nach Picknick. Unter diesen Umständen sehe ich es als meine Pflicht, dein Haus und deine Küche zu stürmen und dir beizubringen, wie du die perfekten Sandwiches machst. Es ist wirklich alles nur eine Frage der optimalen Kalkulation.“

„Oh, du darfst gerne jederzeit quer durch meine Küche kalkulieren“, sagte Kai und griff nach einer der Teigschnecken, um mit einem überraschten Stöhnen festzustellen, dass auf seiner Zunge durch die Tomaten-Spinat-Füllung eine Geschmacksexplosion verursacht wurde. „Geil?!“

Yuriy verkniff sich sichtlich nur schwer ein Lachen. „Die sind nicht von mir, sondern von Boris“, erklärte er, „er kann sowas echt gut.“

Kai horchte auf. „Boris?“

„Mein Lebensmensch“, erklärte Yuriy und nahm einen Schluck Whiskey. Aus den Augenwinkeln stellte Kai fest, dass das Eichhörnchen näher kam, aber er vergaß sogleich wieder darauf, als Yuriy weitersprach. „Wir kennen uns, seit wir Kinder waren. Waren oft bei den gleichen Pflegeeltern, als wir beide im System gesteckt sind, weil die schnell realisiert haben, dass wir zu zweit erträglicher und damit leichter zu vermitteln sind.“ Kai runzelte die Stirn und überlegte, ob er eine Frage zu dem Pflegeheimsystem stellen wollte oder ob diese Themen für ein erstes Date zu schwierig waren, aber Yuriy ließ ihm dazu ohnehin keine Zeit, denn er fuhr gleich fort: „Seitdem waren wir eigentlich immer zusammen. Boris hat mir mehr als einmal den Arsch gerettet - wenn er nicht wäre, würde ich vielleicht gar nicht mehr hier sitzen.“

Kai hob die Augenbrauen und versuchte sich seine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. „Bist du sicher, dass du mit mir auf diesem Picknick sein solltest?“

Yuriy lächelte beschwichtigend. „Auf die Art ist das nicht mit uns beiden, keine Sorge.“

„Auf die Art? Welche denn?“, fragte Kai unwillkürlich.

Er wurde einen Moment lang so intensiv von blauen Augen gemustert, dass nicht nur der Whiskey ein Brennen in seiner Magengrube hinterließ. Dann stellte Yuriy auf eine bewusste Art und Weise den Teller beiseite, die ihn das Glas senken ließ. Er sah mit einer Mischung aus Nervosität und augenblicklicher Erregung dabei zu, wie Yuriy mit leuchtenden Augen geradezu raubtierhaft auf allen Vieren am Essen vorbei die Deckendistanz überwand, bis er so nahe an Kai war, dass sich ihre Schultern und Knie berührten und er seinen Atem auf der Wange spürte. Sie sahen sich an. Dann nahm Yuriy ihm behutsam das Glas ab und stellte es beiseite, ohne den Blickkontakt mit ihm zu unterbrechen oder auch nur in irgendeiner Weise von Kai daran gehindert zu werden. Er blähte die Nasenflügel, als Kai nicht mehr widerstehen konnte und ihm mit einer federleichten Berührung eine weiche, rote Strähne hinter das Ohr strich, ehe er erneut zu ihm aufsah.

„Wenn du mich lässt, dann zeige ich dir, welche Art ich meine“, wisperte Yuriy, die glühenden Augen unverwandt auf Kai gerichtet.

Kai, der seit Tagen über nichts anderes fantasierte als diesen Mann, dachte überhaupt nicht daran, irgendetwas anderes zu tun als zu nicken - und dann hatte er plötzlich die Finger in rotem Haar vergraben, während er von Yuriy um den Verstand geküsst wurde. Ah, Nudelsalat, stellte die eine nicht-dauergeile Hirnzelle in seinem Verstand fachmännisch fest, dann wurde sie schlichtweg überrollt von einer Woge aus Verlangen, die ihn dazu brachte, Yuriy näher an sich zu ziehen und die Lippen für ihn zu öffnen. Der Geruch von Yuriys herbem Aftershave kitzelte ihn in der Nase; er fühlte sich wie benommen von der Art und Weise, wie Yuriy ihn küsste, fest und entschlossen und zärtlich, mit einer Hand an Kais Wange, deren Daumen über seinen Wangenknochen streichelte.

Oh Gott, stellte die eine nicht-dauergeile Hirnzelle mit unpassender, eiskalter Klarheit fest, du könntest dich in ihn verlieben.

Natürlich war das der Augenblick, in dem das Eichhörnchen beschloss, zusammen mit mehreren Artgenossen in einem Blitzkrieg die Gurkensandwiches zu attackieren. Die Momente, die dieser Attacke folgten, nachdem Yuriy den Kuss löste und „Nicht die Gurkensandwiches, ihr Heiden!“ brüllend mit einem absolut ins Auge gehenden Hechtsprung zum Gegenschlag ausholte, waren immerhin turbulent genug, dass Kai den Gedanken ganz rasch dort vergraben konnte, wo er nicht so beängstigend und gleichzeitig so aufregend war.

Frühstück bei Kai

„Du hast da ‘n Stück Gurke im Haar“, sagte Boris, nachdem Yuriy heimgekommen war und sich neben ihn auf die Couch hatte fallen lassen.

Yuriy zeigte ihm den Mittelfinger und neigte ihm dann den Kopf zu. Boris pflückte die Gurkenscheibe aus seinen Haaren, musterte und steckte sie sich dann achselzuckend in den Mund, bevor Yuriy ihn aufhalten konnte.

Yuriy starrte ihn an. „Warum?“

„Ich hab‘ ja nix zu verschenken“, sagte Boris, „wenn ich jetzt die Nudel auf deinem Hemd noch kriege, dann ist es fast schon ein Abendessen. Das war übrigens nicht, was ich mit All You Can Eat Buffet gemeint habe, Yura.“

„Wir wurden von Eichhörnchen attackiert“, sagte Yuriy düster und pflückte die erwähnte Nudel von seinem Hemd. „Wir waren gerade richtig schön im Knutschen, dann kommen diese Viecher und glauben, dass sie sich über mein Essen hermachen können.“

„Und, wer hat gewonnen?“

„Wir“ sagte Yuriy weiterhin düster und reichte Boris die Nudel, „aber zu welchem Preis? Ich muss dieses Hemd jetzt in die Wäsche werfen.“

„Das ist der Preis? Da haben es dir diese Eichhörnchen aber echt hart gegeben.“ Boris grinste und zauste ihn sachte. „War es das Geknutsche wenigstens wert?“

Yuriy gab ein Grollen von sich, beugte sich vor und vergrub das Gesicht in den Händen. „Ja. So, so sehr.“

„Warum bist du dann so fertig?!“

„Weil er so süß ist!“, erwiderte Yuriy aufgebracht zwischen seinen Fingern hindurch. „Ich halte das nicht aus, Borja, ich schaffe das nicht! Ich wollte die ganze Zeit seine verdammte Hand halten, wie schwul ist das?“

„Ja, das ist schon ziemlich schwul“, sagte Boris und sah drein, als ob er nur mühsam ein Lachen unterdrückte. „Ich fürchte, der Straight-Zug ist für dich aber spätestens abgefahren, als du mit sechzehn den Sohn der Karamasovs geküsst hast.“

„Er hieß Alexej und ich hatte eine harte Dostoewskij-Phase, kann mich irgendwer dafür verurteilen?“, fragte Yuriy automatisch und sah auf. „Das ist aber nicht der Punkt.“

„Nein“, sagte Boris fast schon beschwichtigend, „der Punkt ist, dass du ihn nicht nur scharf findest, sondern verknallt bist und jetzt Panik schiebst. Was bescheuert ist, weil ich echt nicht weiß, was du dir erwartet hast, wenn du mit dem Kerl ein verdammtes Picknick mit deinen Gurkensandwiches machst.“

„Und ich zeige ihm am Sonntag in seiner fetten Kapitalistenküche, wie mein kommunistischer Nudelsalat gemacht wird.“

„Und du zeigst ihm am Sonntag in seiner fetten Kapitalistenküche - wie bitte?“

„Ich brauche eine Zigarette“, erklärte Yuriy und erhob sich, um in die Küche zu marschieren und das Fenster zu öffnen, hindurchzusteigen und sich auf die Feuerleiter zu setzen. Wenig später kletterte Boris hinterher, zwei Flaschen Bier und eine Packung Zigaretten in der Hand, und setzte sich neben ihn. Bier und Glimmstängel wurden verteilt, dann holte Boris das Feuerzeug aus der Hosentasche und gab Yuriy Feuer, ehe er seine eigene Zigarette anzündete. Yuriy lehnte sich gegen seine Schulter und nahm einen tiefen Zug, dann noch einen, bis das Nikotin ihn beruhigte. Oder er es sich zumindest einbildete.

„Ich hab das Gefühl, dass das eine schlechte Idee ist”, gab er dann nach einem Moment zu. „Es hat sich zu gut angefühlt. Zu richtig. Sowas geht nie gut.”

„Du bist ein Lappen”, erklärte Boris gewohnt liebenswürdig und öffnete sein Bier. „Überdenk’ das alles doch nicht so hart. Du tust ja so, als ob du ihn heiraten müsstest, um ihn vor der sozialen Schande zu bewahren, sobald ihr miteinander gevögelt habt. Geh’ am Sonntag in seine Kapitalistenküche, sing’ die Internationale und dann zeig’ ihm, was du alles mit Nudeln machen kannst. Und damit meine ich nicht nur den Salat.”

„Das habe ich schon verstanden, bitte erklär’ es jetzt nicht-”

„Ich meine Penisse, Yura. Zeig’ ihm, was du alles mit Penissen machen kannst.”

„Ich hasse dich”, erklärte Yuriy zutiefst überzeugt, wurde aber nur ausgelacht, ehe Boris sich zu ihm lehnte und mit der Unterseite des Daumens sachte über Yuriys Braue glitt, bis diese nicht mehr gerunzelt wurde. 

„Du bist doch sonst nicht so”, sagte Boris und musterte ihn aufmerksam. 

Yuriy zuckte mit den Achseln und schwieg. Er konnte nicht recht erklären, warum er das Gefühl hatte, dass es hier jetzt schon um mehr ging als nur einen raschen Fling. Sicher, ein Grund dafür war die Tatsache, dass Kai sein Vorgesetzter war, aber das war nicht alles. Er schüttelte den Kopf über sich selbst und aschte durch das Geländer der Feuerleiter hindurch. Um sie herum begann London, sich für das Nachtleben bereit zu machen und das Glitzerkleid auszupacken. Yuriy dachte an Kai und sein Lächeln und hielt das Glühen in seiner Brust fest, das sich dabei in ihm breitmachte. Boris hatte vermutlich Recht: Es war besser, die Sache nicht allzu hart zu überdenken, sondern einfach zu genießen, solange sie anhielt. 

 

Er hatte mit Kai ausgemacht, dass er sonntags eher am Nachmittag bei ihm aufkreuzen würde. Als Kai ihm die Adresse getextet hatte, hatte er allerdings erst einmal geschluckt, denn sein Weg führte ihn mitten in das Herz von Hampstead, einem der Bezirke Londons, in dem die reichste Bevölkerung lebte. Spätestens als er trotz Sonnenbrille mit zusammengekniffenen Augen an der edwardianischen Fassade von Kais Heim hinaufstarrte, fühlte er sich in der beinahe gespenstisch adretten Gegend in seinen schwarzen Hosen und dem Shirt mit Vintage-Sowjet-Propaganda relativ fehl am Platz.

Er zuckte zusammen, als sein Handy vibrierte. Ein Blick auf den Bildschirm verriet ihm, dass es Julia war.

„Hast du Bock, mit mir nach Camden zu fahren?”, fragte sie ohne Umschweife. „Ich brauche einen neuen Nachttisch und wollte stöbern gehen.”

„Geht nicht”, sagte Yuriy, „Ich bin gerade der Hugh Grant zu Mr. Chefschnuckels Julia Roberts, nur dass ich Buchhalter und kein Buchhändler bin und er in fucking Hampstead wohnt und nicht Notting Hill.”

Einen Moment lang war es still. Dann fragte Julia: „Wo zum Fick bist du?”

„Hampstead”, sagte Yuriy ungeduldig, „bitte hol’ mich ab. Ich hab’ es mir anders überlegt, kein Arsch der Welt ist es wert, hier Nudelsalat zu machen. Ich hab’ das Gefühl, dass mich gleich die Frauen von Stepford abholen.”

„Scheiße, Mann”, sagte Julia, die absolut keine Berechtigung hatte, so schamlos begeistert zu klingen, „bist du gerade bei unserem Chef daheim?!”

„Ich glaube, so weit schaffe ich es gar nicht”, sagte Yuriy und ließ den Blick durch die Nachbarschaft wandern, „ich bin mir relativ sicher, dass mich schon mindestens drei scharfgemachte Drohnen im Blick haben und der Nachbar nur darauf wartet, die Rottweiler von der Swarovski-Leine zu lassen.”

„Sei nicht so dramatisch”, sagte Julia, „und schick mir dann Fotos vom Haus. Oh mein Gott, das ist so aufregend. Ich hätte nie gedacht, dass das wirklich klappt.”

„Klappt?”, hakte Yuriy verdattert nach, „was meinst du mit ‘klappt’?”

„Ach, gar nichts, das war nur so dahergesagt. Na gut, dann meld dich nachher bei mir, ich will sämtliche Details hören! Und verwend’ ein Kondom!”

„Julia”, zischte Yuriy, aber sie hatte bereits aufgelegt und ihn zurückgelassen. Mit einem tiefen Seufzer steckte er das Handy ein, musterte noch einmal die Fassade und fasste sich dann ein Herz, um entschieden die Klingel zu drücken. 

Es dauerte einen Moment, bis die Tür aufging und Yuriy war beinahe schon erleichtert, Kai zu sehen - dann musste er ein Lächeln unterdrücken. Kais Haare waren vollkommen zerzaust. Er trug zu Yuriys großer Erleichterung ebenfalls ein T-Shirt - Bowie in seiner Ziggy-Stardust-Phase, wie er mit Amüsement feststellt - zu ausgeblichenen Jeans und auf seiner Nase saß eine Brille, die Yuriy noch nie gesehen hatte, ein fast schon grotesk hässliches Ding mit dickem schwarzem Rahmen, das seinem Gesicht keinen Gefallen tat. Er blinzelte einen Moment, dann lächelte er Yuriy warm und ein wenig verlegen an und öffnete die Tür weiter. 

„Hi”, sagte er und Yuriy konnte seine Hand an seinem Oberarm spüren, als er sich automatisch zu ihm beugte und ihn links und rechts auf die Wange küsste. „Äh, ich wollte mich ehrlich gesagt noch ein bisschen herrichten für dich, aber wir hatten sowas wie eine Krisensitzung, also musst du mit dem hier vorlieb nehmen.”

„Mir gefällt, was ich sehe”, schnurrte Yuriy und drückte erneut einen Kuss auf Kais Wange, woraufhin er spürte, wie sich dessen Finger einen Moment lang tiefer in seinen Arm drücken, ehe er losgelassen wurde. „Ganz ehrlich, es ist immerhin Sonntag. Es wäre mir unheimlich gewesen wenn du …” 

Ihm stockte einen Moment lang der Atem angesichts der Eingangshalle, die sich ihm präsentierte: Ein eleganter, ovaler Raum mit Marmorboden, von dem mittig eine Treppe wie aus Vom Winde verweht in ein oberes Stockwerk führte, links und rechts davon jeweils eine Tür. Die linke davon war offen, sodass man hinter ihr einen weiteren Raum erahnen konnte. Er hatte gewusst, dass Kai Geld hatte, aber die fetten Ölschinken mit halbnackten Menschen im Foyer und die nach oben gereckte Marmorstatue eines tanzenden Fauns machten ihm diese Tatsache erst so richtig bewusst. Gott, worauf hatte er sich da eingelassen?

„… wenn du wie aus dem Ei gepellt aussehen würdest”, beendete er seinen Satz schließlich und hoffte, dass die Pause nicht zu lang gewesen war. „Schuhe aus?”

„Bitte”, sagte Kai mit einem Lächeln und deutete auf einen Schrank, der so passgenau in die champagnerfarbene Tapete des Foyers eingebettet war, dass Yuriy ihn zuerst gar nicht wahrgenommen hatte. „Willst du Kaffee? Ich brauche nämlich definitiv Kaffee.”

„Bitte”, sagte Yuriy, der sich recht sicher war, dass es noch nicht gesellschaftsfähig war, um diese Uhrzeit nach Schnaps zu fragen, auch wenn ihm danach eher als nach Kaffee gewesen wäre. Er stellte seine Schuhe in den Schrank, der sich als begehbare Garderobe herausstellte - natürlich - und folgte dann Kai durch den Türbogen links von der Treppe, nur um erneut den Kopf zu schütteln. 

Ein viereckiger Raum mit dunklem Parkettboden öffnete sich vor ihm, der sicher so groß war wie das ganze Apartment, das er sich mit Boris teilte. Auf der gegenüberliegenden Seite von der Tür, durch die er eben getreten war, sorgten vier deckenhohe, schwarz gerahmte Fenster und ein dazwischenliegender, mit ebenso hohen Fenstern ausgekleideter Erker, in dem ein Flügel stand, für ausreichend Licht. Der rechte Teil des Raums wurde fast vollständig von einer Küche in Beschlag genommen, die an der Wand entlang lief und durch einen Küchenblock in Anthrazit abgerundet wurde, an dem auf einer Seite bequem wirkende Barhocker mit rotem Samtbezug standen. Die linke Seitenwand wurde vollständig von einem deckenhohen Bücherregal gefüllt, in dem nicht nur, aber vor allem Bücher standen, die tatsächlich so wirkten, als ob sie gelesen worden waren. Auf einem teuer aussehenden, cremefarbenen Teppich mit Randmustern in dem gleichen Rotton wie jenem der Barhocker stand ein Dinnertisch aus dunklem Holz, der mit seinen cremefarbenen Stühlen zehn Leuten Platz bot. Was Yuriy am meisten faszinierte war die Galerie mit ihrem elegant gedrechselten Geländer aus dunklem Holz, die etwa zwei Meter unter der Decke verlief und vermutlich vom oberen Stockwerk aus betreten werden konnte. 

„Will ich wissen, wieviel das hier gekostet hat?”, fragte Yuriy und riss sich los, um sich zu Kai in die Küche zu gesellen und ihm dabei zuzusehen, wie er mit einer Kaffeemaschine hantierte, die absolut nichts mit der Filtermaschine gemeint hatte, die von Boris angeschafft worden war. 

Kai zuckte mit den Achseln und drückte einen Knopf, woraufhin die Maschine begann, Bohnen frisch zu mahlen und wenig später eine weiße Porzellantasse mit Kaffee zu füllen. „Ganz ehrlich? Mein Großvater hat vor zirka vierzig Jahren einen verdammt guten Deal gemacht. Das hier war mal eine Bibliothek, die insolvent gegangen ist, also hat er sie gekauft, als Wohnhaus hergerichtet und das Haus ist seitdem in Familienbesitz. Heute würde ich mir das vermutlich auch nicht mehr leisten - weder können noch wollen. Es ist absurd viel Platz für drei Leute. Früher waren es wenigstens mein Großvater, meine Eltern und ich. Milch? Zucker?”

„Milch, bitte”, sagte Yuriy und nahm wenig später die Tasse entgegen. „Du bist also hier aufgewachsen?”

Kai nickte. „Ich denke immer mal wieder darüber nach, es zu verkaufen, aber ich hänge daran. Außerdem haben wir es so mühsam durch die ganzen Prozesse gerettet, das würde mir dann fast wie … es klingt bescheuert, aber es würde mir fast wie Verrat vorkommen. Außerdem liebe ich den Garten.”

„Bekomme ich eine Hausführung?”, fragte Yuriy und blinzelte Kai über den Rand seiner Tasse hinweg an.

„Wenn du eine möchtest, bekommst du natürlich eine”, sagte Kai mit einem Lächeln und schenkte sich selbst eine Tasse Kaffee ein, dann rückte er sich mit einer sichtlich unbewussten Geste die Brille auf der Nase zurecht. Yuriy biss sich auf die Lippen, dann trat er ohne nachzudenken näher und schob Kai eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht, fing seinen Blick ein, als er mit dem Daumen über seinen Wangenknochen glitt, dann sachte über seinen Mundwinkel.

„Natürlich möchte ich”, murmelte er, die Kaffeetasse vergessen in der Hand, die nicht über Kais Unterkiefer und Hals streichelte, „ich will alles von dir sehen.”

„Gottverdammt”, knurrte Kai, packte ihn am Shirt und zog ihn zu sich, bis ihre Lippen aufeinander krachten. Seine Brille verrutschte, als Yuriy seine Tasse neben die von Kai stellte und ihn dann an den Hüften packte, um ihn gegen den Küchenblock zu drücken. Er konnte fühlen, wie Kais Hände unter sein Shirt glitten und seine Fingernägel sich in seine Schulterblätter gruben, als sie sich küssten und küssten und küssten. Das Herz hämmerte gegen Yuriys Rippen; er drückte sich gegen Kai, fuhr mit den Fingerknöcheln über dessen Rückenwirbel, bis er ihn schaudern spürte, biss ihm sachte in die Unterlippe und küsste sich dann über sein Kinn hinab, tiefer, tiefer. Er konnte Kai erneut aufgrollen hören und begann zu kalkulieren, ob es funktionierte, ihn hier auf diesen Küchenblock zu setzen, die Jeans von den Hüften zu reißen und - 

„Hallo, Papa, was machst du da mit dem Regenbogenmann?”, fragte da eine helle Stimme so plötzlich und so empört, dass sie erschrocken auseinander fuhren. 

Yuriy starrte nach unten und stellte fest, dass er von dem Pimpf angestarrt wurde, der erst ihn, dann seinen Vater geradezu anklagend musterte und leider herzallerliebst aussah in seinem Captain-America-Shirt und den dazupassenden blauen Shorts.

„Nichts”, sagte Kai mit der schuldbeladenen Stimme eines Vaters, der beinahe von seinem Buchhalter in der Küche gevögelt worden war. Er sah noch zerzauster aus als vorher und rückte sich die Brille zurecht, die vollkommen in die Schräglage geraten war. Yuriy blickte auf seine geröteten Lippen und wünschte sich eine Zeitmaschine, die ihn zurück in den Moment vor dreißig Sekunden brachte. 

„Du darfst den Papa nicht aufessen, ich hab nur einen”, belehrte Gou Yuriy, dann wanderte er zielsicher an ihm vorbei und machte Anstalten, auf die Theke zu klettern. Scheinbar bestand für ihn kein Anlass, Yuriys Anwesenheit hier zu hinterfragen.

Kai und Yuriy sahen sich an. Dann hob Kai geradezu resigniert in einer stillen Entschuldigung die Hände und streifte ihn auf eine elektrisierend flüchtige Art und Weise, als er seinem Sohn zu Hilfe eilte, der darauf bestand, eine Schüssel Müsli zu bekommen. Yuriy rieb sich über die Stirn, dann band er sich seinen Pferdeschwanz neu, während er dabei zusah, wie Kai das Müsli gegen eine Banane eintauschte und Gou sämtliche Barhocker und Dinnerstühle ignorierte, um sich stattdessen mit der Banane und einem Bilderbuch mitten auf den Pianohocker zu setzen.

„Sorry”, wisperte Kai, während Yuriy erneut seine Kaffeetasse an sich genommen hatte, um wenigstens irgendwas zwischen den Händen halten zu können. 

„Keine Entschuldigung notwendig”, erwiderte Yuriy sachte, warf einen Blick auf Gou und wagte es, Kai zumindest ein wenig näher zu sich zu ziehen und die Finger mit seinen zu verschränken. Er wagte einen Blick in Kais Gesicht, der ihn zwar nicht ansah, sondern betont konzentriert in seine eigene Tasse blickte, aber dennoch ein Lächeln nicht verbergen konnte. Yuriy biss sich auf die Lippen und schüttelte zumindest innerlich den Kopf über die Schmetterlinge in seinem Bauch. 

„Weißt du”, sagte er schließlich, „das Piano, die fette Soundanlage, der große Raum, hier kann man sicher ganz wunderbar tanzen.”

Kai schnaubte in seine Tasse. „Ich habe zwei linke Füße. Der einzige, der hier tanzt, ist Gou, wenn er mich mit dem gottverdammten Schweine-Soundtrack quält.”

„Will ich wissen, was der Schweine-Soundtrack-”

„Nein”, sagte Kai mit einer vehementen Entschiedenheit, die an Horror grenzte. „Wir reden nicht über das Schwein. Lass dich auch ja nicht von ihm in eine Unterhaltung darüber verwickeln.”

„Kai”, sagte Yuriy kopfschüttelnd, „all das hier und du kannst nicht tanzen? Was sagen die ganzen reichen Säcke, auf deren Cocktailpartys und Galadinners du eingeladen bist?”

„Bitte erinnere mich nicht. Ich muss nächstes Monat wieder zu so einem Charity Event und es ist jedes Mal ganz furchtbar. Ich weiß nicht, warum man mich weiterhin zum Tanzen auffordert, ich bringe die Frauen reihenweise zum Weinen.”

„Weil du so schön bist?”

„Nein, weil ich ihnen so oft auf die Füße trete.”

Yuriy verbiss sich ein Lachen. „So geht das aber nicht, Kai. Wenigstens ein Walzer muss drin sein. Wenn du willst, bringe ich dir einen ganz einfachen Boxschritt für den Anfang bei, wenn wir den Nudelsalat fertig haben.”

Kai starrte ihn an. „Woher zum Teufel kannst du klassisch tanzen?” 

„Hey, eine Menge Leute kann klassisch tanzen”, sagte Yuriy und versuchte, einen beleidigten Stich dabei zu ignorieren. „Ich bin durch einen Ex dazu gekommen und hab festgestellt, dass ich es gern mache. Dann hab ich’s ausgebaut.”

„Du bist faszinierend”, stellte Kai fest. Da war etwas in seiner Stimme, das erneut ein Brennen in Yuriys Brust auslöste und den leichten, irritierten Stich fortwischte. „Wenn du mir wirklich etwas beibringen kannst, an dem alle vor dir gescheitert sind, nehme ich dich mit zu diesem Dinner und du darfst mich vor den ganzen Singlefrauen retten.”

„Das ist aber lieb von dir, dass du mich den Wölfen zum Fraß vorwirfst.”

„Es gibt gratis Alkohol und Essen in rauen Mengen.”

„Und ich kann dich ständig in deinem sexy Anzug mit den sexy Manschettenknöpfen befummeln, wenn gerade niemand hinsieht?”

Kais Augen glitzerten sichtlich angetan und amüsiert. „Von mir aus auch, wenn jemand hinsieht.”

„Deal”, sagte Yuriy und tauschte ein Lächeln mit Kai aus, das ihm eindeutig dabei half, Boris’ Ratschlag auch weiterhin treu zu bleiben und das Gefühl zu ignorieren, dass er sich da in eine Welt hineinmanövrierte, die nicht die seine war und auch nie sein konnte.

Der Teufel trägt Aktenkoffer

Kai versuchte immer, Verständnis für Ayaka und ihren Lebensweg aufzubringen. Als er auf Gous Schulpicknick saß, hielt sich dieses Verständnis aber in Grenzen.

„Ich habe unlängst eine Statistik darüber angefertigt, wie hoch der Prozentansatz von Ayakas Teilnahme an Schulevents ist“, teilte er seiner Mutter mit, die er als moralische Unterstützung mitgebracht hatte. Einen wilden Augenblick hatte er gestern, als Yuriy in seiner Küche gestanden war und seinen Nudelsalat zusammengepanscht hatte, mit dem Gedanken gespielt, ihn ums Mitkommen zu bitten und sich dann doch dagegen entschieden. Das wollte er ihm dann doch nicht antun.

Seine Mutter hingegen war Kummer gewöhnt. So lächelte sie auch nur milde und reichte Gou eine Packung Apfelsaft, als er dahergerannt kam. Kai musste Gous Schnürsenkel neu binden, während Gou atemlos davon berichtete, dass er gerade ein Tor geschossen hatte, dann war sein Sohn auch schon wieder fort.

„Eine Statistik darüber, wie oft Ayaka bei Schulevents teilnimmt?“ Misaki schüttelte amüsiert den Kopf. „Nun? Was war denn das Ergebnis?“

„19.3 Prozent“, sagte Kai düster. „Ich habe ein Pie Chart daraus gemacht und es ihr ohne Worte geschickt, aber sie hat den subtilen Hinweis eindeutig nicht verstanden, weil nur ein Daumen nach oben zurückgekommen ist.“

Misaki lachte herzlich. „Gut, dass ihr nie geheiratet habt, sonst könnte Gou wahrscheinlich besser in Zeichen sprechen als in Worten.“

Kai legte die Stirn in Falten und studierte erst seine Mutter, dann die Schüssel mit Nudelsalat zwischen ihnen und schließlich seinen Sohn, der sorglos mit zwei Klassenkameradinnen auf der Wiese spielte. Dann sagte er: „Ich will einfach nicht, dass er glaubt, dass seine Mutter und ich ihn nicht lieben. Und ich verstehe nicht, wie sie diese Angst nicht auch haben kann.“

Misaki seufzte ein wenig. „Bei dir war auch ich meistens an der Front, Kai. Dein Vater liebt dich trotzdem.“

Kai schwieg taktvoll und dachte sich seinen Teil. Misaki sah es ihm dennoch an und tätschelte seine Schulter. Manche Dinge mussten zwischen ihnen nicht ausgesprochen werden, weil sie beide sowieso Bescheid wussten und es nichts mehr an den Tatsachen änderte. Über andere Dinge wiederum sollte er vielleicht ein paar mehr Worte verlieren.

Er stellte sicher, dass weder Mrs. Roberts noch eine der besonders unangenehmen Mütter in Hörweite waren, dann räusperte er sich und entschloss sich, nicht zu sehr auf den heißen Brei herumzureden. „Ich habe da übrigens jemanden kennengelernt.“

„Ich weiß“, sagte Misaki milde.

Kai starrte sie an. „Wie bitte? Beobachtest du mich? Du warst in den letzten Wochen großteils nicht mal in der Stadt!“

„Kai“, sagte Misaki schmunzelnd, „du bist mein Sohn und ich liebe dich. Aber mittlerweile kenne ich Mathildas Handschrift und der heutige Beitrag zu diesem Picknick trägt sie nicht. Und deine schon gar nicht, dafür ist es weder verbrannt noch aufgeweicht genug.“

„Na schönen Dank auch“, sagte Kai beleidigt.

Misaki tätschelte seine Hand, ohne sich zu entschuldigen oder zu rechtfertigen. Stattdessen fragte sie mit zurückhaltender Neugier: „Nun? Wie heißt sie denn?“

„Er heißt Yuriy“, sagte Kai nach einer kleinen Pause.

„Oh?“, erwiderte seine Mutter, ohne mit der Wimper zu zucken, „Ist er denn auch Japaner?“

Kai ließ den Atem entweichen und schüttelte den Kopf. „Russe. Er ist Buchhalter. Ähm. In meiner Firma.“

Misaki schmunzelte erneut. „Und ich habe mich gerade gewundert, wo du jemanden kennengelernt hast. Du gehst zu wenig fort, Kai, du musst ein wenig auf dich selbst achten.“ Ehe Kai noch im Protest den Mund öffnen konnte, fragte sie schon weiter: „Und was machen seine Eltern?“

Kai hielt inne. Hatte Yuriy überhaupt noch Eltern? Er sprach nie davon, aber Kai erinnerte sich an die Bemerkung zum Pflegeelternsystem. Mit einem Seufzer gab er zu: „Ich weiß es nicht.“

„Oh, naja, das ist ja heutzutage auch nicht mehr so wichtig. Wie hat sich das denn überhaupt ergeben?“

Kai schmunzelte. „Gou ist schuld, eigentlich.“ Er erzählte seiner Mutter in raschen Worten, wie Yuriy und er sich das erste Mal gesehen hatten, nur dass er ihr dabei unterschlug, wie unfassbar dumm vor Geilheit er geworden war, ohne den Mann auch nur ein bisschen näher zu kennen. Misaki lachte, als er ihr von dem perfekten Zahlungslistenordner vorschwärmte, den Yuriy ihm vorgelegt hatte, dann lachte sie noch einmal, als er seine Geschichte schließlich mit Yuriys wagemutigem Vorstoß zu einem Date abrundete.

„Nun, du kannst ihm immerhin nicht aberkennen, dass er sein Interesse sehr deutlich macht“, stellte sie amüsiert fest, „und wieso auch nicht? Versteht er sich denn auch gut mit Gou?“

„Er war gestern bei uns und hat mit den Picknickvorbereitungen geholfen“, gab Kai zu, „Gou mag ihn. Er hat ihm seine ganzen Autos einzeln vorgestellt und ihn dann gezwungen, eine Lego-Garage für ihn zu bauen.“

„Und?“

„Es ist eine ziemlich gute Garage geworden, auch wenn er dabei sehr viel auf Russisch geflucht hat.“

Misaki musterte ihn aufmerksam. Dann stellte sie mit einem stillen Lächeln fest: „Du magst ihn.“

„Natürlich mag ich ihn. Sonst hätte ich ihn nicht zu mir eingeladen.“ Er rieb sich über das Gesicht. „Aber ich weiß noch nicht, ob es eine gute Idee ist.“

„Kai“, sagte seine Mutter sachte, „ich weiß, du bist zu alt, um auf deine Mutter zu hören, aber man weiß sowas nie, bevor man es versucht. Grundsätzlich spüren Kinder und Tiere aber, ob jemand vertrauenswürdig ist oder nicht.“

Kai seufzte erneut sehr tief. „Ich weiß nicht, ob ich mir Liebe leisten kann.“

Das war anders herausgekommen, als er beabsichtigt hatte. So war es ein bisschen zu ehrlich dafür, dass er weder betrunken war noch mit seinen besten Freunden sprach, sondern zu seiner Mutter auf einem Schulpicknick. Er rieb sich erneut über das Gesicht und beschloss dann, seinem Sohn eine Apfelsaftpackung zu klauen, weil er darauf jetzt mehr Lust hatte als auf die Flasche Wasser, die er pflicht- und gesundheitsbewusst für sich eingepackt hatte.

„Ach, Kai“, sagte Misaki mit einem tiefen Seufzer. Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem geklauten Apfelsaft, um dem kummervollen Blick ihrer dunklen Augen auszuweichen. „Du solltest sie dir leisten.“

Kai wollte am Liebsten anmerken, dass er sie sich wohl nicht mit einem fähigen Buchhalter leisten sollte, dann hielt er sich doch noch davon ab. Seine Mutter hielt ihm immer den Rücken frei, aber er war sehr sicher, dass sie ihm sagen würde, dass das Herz wichtiger war als die Firma, obwohl sie für das Überleben der Firma genauso hart gekämpft hatte wie er. Aus dem gleichen Grund war es nicht möglich, Hiromi und Takao danach zu fragen. Takao war sowieso ein absoluter Herzmensch und verstand nicht, wieso man Arbeit und Liebe manchmal besser trennen sollte. Hiromi war zwar eine gute Geschäftsfrau, aber in Liebesdingen handelte auch sie alles andere als berechnend. Es war gut, dass er diese Leute um sich hatte, damit er nicht zu sehr verkopfte, aber manchmal brachte es ihn nicht unbedingt weiter.

Er dachte immer noch darüber nach, als er abends Ayaka anrief, um ihr einen Guilttrip dafür zu verpassen, dass sie sich nicht genug um ihren Sohn kümmerte. Leider war Ayaka das relativ egal, denn sie stürzte sich lieber auf das leichte Anzeichen von innerer Schwäche, das sie in Kais Stimme vernahm.

„Okay, was beschäftigt dich?“, fragte sie mitten in seine Ausführungen zur Wichtigkeit von stabiler Elternschaft zur Minimierung von Therapiekosten des Nachwuchses hinein.

Kai seufzte und rieb sich die Nasenwurzel. Aber niemand dachte so sehr wie er, wie es Ayaka tat - meistens ein Fluch, aber manchmal auch ein Segen. „Okay. Pass auf. Es werden doch jetzt irgendwann die Saldenlisten aus dem letzten Jahr fällig, oder?“

„Ja, schon.“

„Und der vorige Buchhalter war eine wandelnde Katastrophe, auf die man viel zu spät aufmerksam wurde, nicht?“

„Definitiv. Ich wünschte, die Mafia hätte ihn früher ausgeschalten.“

„Hör auf zu erzählen, dass es die Mafia war.“

„Dann hat die Mafia gewonnen, Ayaka, und wenn ich nicht die Mafia sein kann, dann darf es niemand sein.“

„Du bist unmöglich“, stellte Ayaka fest, aber er war sich relativ sicher, dass sie lachte und es nur nicht zugeben wollte. „Du hast meinen Ratschlag gar nicht verdient. Ich gehe jetzt schlafen. Und hey, ich bin ab nächstem Dienstag wieder in der Stadt, dann nehme ich Gou eine Woche zu mir, okay? Wenn du mir jetzt wieder eine Power-Point-Präsentation über den Einfluss abwesender Mutterfiguren auf die Kindesentwicklung schickst, muss ich dir leider einen Ziegelstein durch dein sündteures Maßfenster werfen.“

„Na schön, ich lasse die Finger davon.“

„Gut. Power-Point-Präsentationen sind nämlich nicht sexy, Kai, hör auf, das erzwingen zu wollen.“ Sie hängte grußlos auf, aber damit hatte er gerechnet.

Die Sache war, dass Ayaka einfach keine Ahnung hatte, was sexy war und was nicht. Zugegeben, Ayaka hatte an ihm immer am meisten seine Zunge geschätzt: Erst in den drei Sprachen, die er fließend sprach, dann auf ihrem Körper. Aber hatte sie schon einmal über die elektrisierende Wirkung einer fehlerlosen Präsentation nachgedacht? Über die Erotik einer perfekten Kartenkartei? Sicher nicht. Kein Wunder, dass sie irgendwann Verständnisschwierigkeiten gehabt hatten.

Yuriy hingegen …

Yuriy lag genau auf seiner Wellenlänge. Kai hatte eindeutig den Blick gesehen, mit dem er den dreiteiligen Schreibtisch-Organizer aus Gold mit seinen Initialen, der auf seinem Bürotisch stand, gemustert hatte. Gott, er musste aufhören, sich etwas vorzumachen. Der einzige Grund, warum er Yuriy vergangenen Sonntag nicht genagelt hatte wie einen tibetischen Schneeschuh war, dass Gou sie kaum eine Sekunde verlassen hatte, bis Yuriy heimgefahren war. Der Mann war ein sexy Teufel und Kai war einfach nur ein Opfer der sexy Umstände. Man konnte ihn wirklich nicht für das, was er tat, verantwortlich machen, wenn es Yuriy betraf.

Damit begründete er auch, dass er erstarrte und Yuriy einfach nur anglotzte, als der am nächsten Tag in sein Büro platzte.

Er kündigte sich nicht an. Er klopfte nicht. Er trat einfach nur fast die Tür ein, rauschte in Kais Büro und schlug die Tür hinter sich fast in Wyatts Gesicht, um mit einem Ruck den Schlüssel im Schloss zu drehen. Er sah aus, als ob er seit Sonntag nicht mehr geschlafen hatte. Die beiden obersten Hemdknöpfe waren geöffnet und enblößten den Ansatz eines unwahrscheinlich gutaussehenden Schlüsselbeins. Eigentlich hätte Kai ihn anfahren sollen, was er sich dachte, einfach hereinzustürmen, wenn er eigentlich mitten in der Vorbereitung für eine Konferenz am Nachmittag war. Stattdessen starrte er einfach nur auf dieses Schlüsselbein, bis Yuriy heran war und mit flackernden Augen die Handflächen auf den Tisch knallte.

„Kai“, zischte er, „was zum Fick war los mit deinem alten Buchhalter? Wieso hat den niemand früh genug aufgehalten?“

Kai blinzelte und fand seine Sprache wieder, auch wenn sein Mund sehr trocken war. „Er war ein hochrangiges Mitglied bei Opus Dei.“

„….Was?!“

„Du hast keinen Termin“, sagte Kai.

„Ich scheiße auf einen Termin“, sagte Yuriy. Eines seiner Augenlider flatterte, aber er hatte sich ein wenig vorgebeugt und Kai bekam eine Nase voll von seinem Aftershave - etwas mit Tannennadeln, etwas sehr Einnehmendes, und sein Blick war auf die Schattenkuhle fixiert, die sich zwischen Yuriys Schlüsselbeinen offenbarte. „Dieses Unternehmen hat zu viele Tochterfirmen. Ich habe euer ganzes Buchhaltungssystem eigenhändig auf Online-Funktion umgestellt. Dass bisher keine größeren Summen verlorengegangen sind, ist einfach nur schieres Glück oder, keine Ahnung, die Brillanz eines Wahnsinnigen. Ich bin hier, um zu verhandeln.“

Kai spürte ein Prickeln in seiner Leistengegend. „Oh? Faszinierend. Ich bin gespannt.“

Yuriy verengte die Augen und stieß sich vom Tisch ab, um ihn zu umrunden. Kai hielt den Atem an, als er die Hände stattdessen auf die Lehnen seines Stuhls lehnte und auf ihn herabstarrte. Einen Moment lang fühlte er sich ähnlich wie Michael Douglas vor Sharon Stone in Basic Instinct, zumindest bis Yuriy den Mund aufmachte. „Verarschst du mich? Nimmst du mich nicht ernst? Denn ich bin auf hundertachtzig. Ich habe zwei Wochen Zeit, um diese Saldenlisten aufzustellen, mit Mariam Shields zu prüfen und dann noch einmal zu überarbeiten, bevor du sie bekommst. Das ist einfach zu wenig Zeit, Kai.“

„Du bekommst eine Gehaltserhöhung“, sagte Kai, „geht‘s dann schneller?“

„Du bekommst gleich eine Maulschelle“, zischte Yuriy und sah dann drein wie jemand, der realisierte, dass er seinem Chef gerade mit physischer Gewalt gedroht hatte. Einen Moment lang starrten sie sich stumm und reglos an.

„Ich sollte dich feuern“, stellte Kai dann fest.

Yuriy musterte ihn. „Wirst du es denn tun?“

„Scheiße, nein“, sagte Kai, bevor er tat, was er schon seit Wochen tun wollte, indem er Yuriy am Jackett packte und die Lippen auf seine krachen ließ.

Es eskalierte danach relativ schnell.

... Und dann kam Kai

Im Nachhinein würde Yuriy auf sein Leben zurückblicken und feststellen, dass es wahrscheinlich nicht die beste Aktion gewesen war, seinem Chef mit einem Schlag in die Fresse zu drohen. Dann wiederum gab der Erfolg der Aktion ihm unverdient Recht, denn es war schon etwas Einmaliges, von Kai Hiwatari in dessen glamourösem Büro um den Verstand geküsst zu werden.

Zugegeben, er zierte sich nicht gerade, sondern hatte relativ schnell die Finger in Kais Krawatte gekrallt, um ihn an sich zu ziehen. Wie konnte er auch nicht? Wochenlang hatte er geträumt von Kai unter sich, über sich, egal wie, Hauptsache irgendwie. Und Kai schien es nicht anders zu gehen. Er konnte kaum die Lippen von ihm lösen.

Der Schreibtischstuhl wackelte gefährlich unter ihnen, als Yuriy praktisch in Kais Schoß kroch und ihm das Jackett von den Schultern riss. Die Armlehnen drückten ihn in die Oberschenkel, aber da war auch Kais Mund, heiß und fordernd, und seine Finger, die sich in seinen Hintern drückten. Yuriy dachte gar nicht darüber nach, sein Hirn hatte sich schon längst verabschiedet, er rieb sich grollend an Kai wie ein wildes Tier und wurde von der gleichen Intensität begrüßt.

Dem Stuhl war das zu viel. Die einzige Vorwarnung war ein lautes Quietschen, dann ein ziehendes Gefühl in Yuriys Magengegend, bevor der Stuhl unter ihnen nachgab und er eine winzige Sekunde Zeit hatte, Kais Kopf mit seinen Armen abzuschirmen, bevor sie auf den Boden polterten - wenige Zentimeter an dem majestätischen Panoramafenster vorbei. Der Fall und die kurze Todesangst hätten Yuriys Libido abkühlen sollen. Weil irgendwas in seinem Gehirn falsch verkabelt war, machte das Adrenalin ihn aber nur noch geiler - und Kai schnitt ihm fast die Luft ab, so heftig packte er ihn am Kragen, um ihn tiefer auf sich zu ziehen.

Sie waren halb unter den Schreibtisch gelandet. Da lag ein kreischend pinker Kugelschreiber unter einem der beiden Tischbeine, den Yuriy aber geflissentlich ignorierte, nämlich spätestens als Kai mit fliegenden Fingern sein Hemd öffnete. Er gab ein Grollen von sich, als Kais Hüften sich seinen entgegen hoben und begann, sich hitzig an seinem Hals hinabzuküssen.

Kai fluchte lauthals und versuchte nach seinen Haaren zu greifen, stattdessen grub er die Finger in Yuriys Brust. „Was hast du vor?“

„Was glaubst du, was ich vorhabe?“, fragte Yuriy zwischen zwei Küssen zurück und setzte sich auf, um Kais lächerlich teuren Gürtel zu öffnen, dann seine Hose, bis er endlich die Finger in seine schwarzen Boxer Briefs. Kais Augen glitzerten; er wand sich ihm entgegen und zog ihn erneut zu sich hinab.

Gerade, als Yuriy ihm in den Hüftknochen beißen wollte, klopfte es an der Tür.

Kai und er erstarrten. Sie wechselten einen Blick - mit schwerem Atem, halb ausgezogen und unter Kais Glastisch liegend.

„Mr. Hiwatari?“, erklang Wyatts Stimme zögernd auf der anderen Seite der Tür, „ähm, Mr. Mianmoto würde Sie um einen Rückruf bitten, es geht um das Kapital für die Borg-Tochterfirma.“

Kai atmete aus. Yuriy hob eine Augenbraue, dann grinste er herausfordernd. Kai verengte die Augen und machte eine warnende Handbewegung, die Yuriy absolut ignorierte. Stattdessen schloss er eine Hand um Kais Erektion und breitete das Grinsen, als Kai zischend die Luft einsog.

„Na los“, formte er mit den Lippen, „mach weiter.“

Kai zeigte ihm den Mittelfinger. Dann räusperte er sich vernehmlich und sagte etwas rau, aber mit fester Stimme: „Vertrösten Sie ihn auf Nachmittag, Mr. Iwanov und ich haben hier … unnnh … eine wichtige Besprechung.“

„Wegen der Saldenlisten“, schnurrte Yuriy und senkte den Kopf, ehe er die Lippen um seine Spitze schloss.

„Wegen der S- Ah!- Saldenlisten!“, brüllte Kai und schlug mit der Faust gegen das metallene Tischbein. Irgendetwas fiel vom Tisch herunter, verfehlte aber glücklicherweise sie beide.

„Oh“, sagte Wyatt zögernd und schien sich deutlich Mut zuzusprechen, ehe er ansetzte: „Soll ich ihm etwas Bestimmtes sagen? Die Prozentsätze sind doch recht wichtig, dachte i-“

Yuriy glitt mit der Zungenspitze über den Schlitz in Kais Eichel. Der fluchte, dann schrie er: „Halten Sie mir die Leute vom Hals, bis ich diese Tür eigenhändig wieder aufmache, Wyatt, verdammt nochmal!“

„Ja, Mr. Hiwatari, natürlich, Mr. Hiwatari!“, rief Wyatt rasch und entfernte sich hörbar.

„Fuck“, zischte Kai und ließ den Kopf mit einem dumpfen Geräusch nach hinten auf den sündteuren, aber auch enorm hässlichen Teppich fallen.

Yuriy summte und senkte den Kopf noch ein Stückchen tiefer, bis Kai die Finger in seine Haare grub. Er hatte immer schon eine gewisse Vorliebe für das sanfte Prickeln gehabt, das bei einem herzhaften Haargriff durch seine Kopfhaut wanderte, und Kai hatte einen ausgezeichneten Griff - nicht zurückhaltend, aber auch nicht so fest, dass Yuriy dagegen rebellieren wollte. Seine Hände hielten Kais Hüften etwas kräftiger, damit er gar nicht in Versuchung kam, ihm zu fordernd entgegen zu zucken, woraufhin Kai schwer den Atem entweichen ließ. Yuriy verlor sich in ihm und der Art, wie er sich anfühlte, wie er schmeckte, wie er sich bewegte. Kai machte es ihm leicht. Er war da, vollkommen da, genauso intensiv auf Yuriy fokussiert, wie er es auf Kai war. Es war schon seltsam: Yuriy blies gerade seinem Chef in dessen Büro einen, was eines der kinkigsten Dinge war, die er bisher durchgezogen hatte, und trotzdem konnte er nicht anders, als daran zu denken, wie gut er ihm tun wollte. Das Blut rauschte in seinen Ohren; er war so schmerzhaft hart, dass er seine eigenen Hüften gegen den Boden drückte, um ein wenig Erleichterung darin zu finden, aber sein Fokus lag nicht einmal so sehr auf ihm selbst.

„Yuriy“, zischte Kai irgendwann leise und verkrampfte die Finger warnend in Yuriys Haaren.

Der gab nur ein beschwichtigendes Summen von sich, ließ den Kopf motivierend noch ein Stück tiefer rutschen und spürte ein Flattern des Triumphs in seiner Brust, als Kai mit einem erstickten Laut kam. Yuriy war kein Drückeberger und schluckte, dann setzte er sich auf und wischte sich über den Mund, um Kai triumphierend anzugrinsen. „Na?“

„Na du selbst“, sagte Kai, packte Yuriy am Gürtel und zog ihn zu sich heran. Dann ging er daran, Yuriy sehr eindeutig zu beweisen, dass er mit seinem Mund nicht nur schlagfertige Antworten geben konnte.
 

Als Yuriy eine halbe Stunde später aus Kais Büro trat, waren sein Hemd zerknittert und seine Haare zerzaust. Er wankte die ganzen Stiegen hinunter bis in die Buchhaltungsabteilung und wusste nicht genau, wie er eigentlich an seinen Platz gekommen war. Dann starrte er sehr lange ohne zu blinzeln die Marker an, die immer noch vor ihm aufgereiht waren. Er war sich sehr bewusst, dass er vermutlich nach Sex roch. Gott, eigentlich sollte er früher Schluss machen und heimgehen. Er war sich relativ sicher, dass sein Chef nichts dagegen haben würde.

Es dauerte eine ganze Weile, bis Yuriy realisierte, dass er die Sache mit dem viel zu frühen Abgabetermin für die Saldenlisten noch immer nicht wirklich geklärt hatte.

Was Chefdaddys wollen

Es war danach schwierig, die Finger von Yuriy zu lassen.

Glücklicherweise ging es dem nicht so viel anders - oder vielleicht war es gar kein so großes Glück, denn Kai legte Wert auf eine gewisse Professionalität am Arbeitsplatz und dazu gehörte eindeutig nicht, permanent lauten Sex im Büro mit seinem Buchhalter zu haben. Er musste sich täglich davon abhalten, irgendeinen dämlichen Grund zu erfinden, um entweder hinunter in die Buchhaltungsabteilung zu gehen oder Yuriy zu sich hinauf zu zitieren. Yuriy machte es nicht unbedingt besser, weil er einmal schon eindrucksvoll bewiesen hatte, dass er willens war, den Notfallknopf im Fahrstuhl zu drücken, nur um eine Viertelstunde lang zwischen dem vorletzten und dem letzten Stockwerk mit seinem Chef zu knutschen, bis man sie befreite. Kai war sich nicht ganz sicher, ob seine Security nicht etwas mitbekommen hatte; er konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, ob er der Installation von Kameras im Aufzug zugestimmt hatte oder nicht, aber der Security-Chef hatte auf eine sehr bestimmte Art und Weise gegrinst, als man die Aufzugtüren geöffnet hatte.

Es war ein Glück - auch hier die Frage, ob es wirklich Glück war -, dass Yuriy ehrlich mit den Saldenlisten beschäftigt war und vier Tage nach ihrem Stelldichein im Büro den Arsch aufzureißen begann, um rechtzeitig fertig zu werden. Kai hatte ihm ein paar Tage Aufschub gewährt. Das resultierte aber nur darin, dass er den Mann immerhin nach Feierabend bei sich hatte, statt ihm hinterher zu schmachten und auf schmutzige SMS zu warten wie ein vierzehnjähriger Teenager mit Fernbeziehung.

Und er hatte es vermisst, nicht alleine einzuschlafen.

Es war absurd. Kai war ein erwachsener Mann und an den meisten Abenden unter der Woche ohnehin zu erschöpft, um darüber nachzudenken, ob er einsam war oder nicht, wenn er ins Bett kroch und sich in Morpheus‘ Arme fallen ließ. Außerdem war es nicht so, dass er nicht einen Fünfjährigen bei sich hatte, der regelmäßig Zuflucht bei ihm suchte, weil er Angst hatte, dass der gottverdammte Fuchs aus Dora The Explorer seine Unterhosen stahl (niemand wusste, warum ausgerechnet die Unterhosen, aber Kai hatte gelernt, manche Dinge einfach nicht zu hinterfragen). Yuriy war nicht einmal jede Nacht bei ihm, nicht einmal jede zweite, aber er begann doch damit, ein- oder zweimal in der Woche zu übernachten und es war … nett. Es war angenehm, sich gegen seinen nackten Rücken zu schmiegen oder in seinen Armen einzuschlafen, bis sie beide genug von der ganzen Körperwärme hatten und sich in andere Richtungen drehten, immer noch so, dass sich zumindest ihre Zehen lose berührten. Yuriy hatte die Tendenz, im Schlaf beunruhigende Dinge wie „Wenn dieser Pinguin noch einmal meine Nagelschere klaut, ist er dran“ und andere Aussagen auf Russisch zu murmeln, aber es war eher unterhaltsam als erschreckend, also konnte Kai damit leben.

Und der Sex blieb phänomenal.

Klar, es war manchmal nicht so einfach, sich durch die Gegend zu bumsen wie zwei Karnickel auf Koks angesichts der Tatsache, dass sie viel Zeit im Büro verbrachten und Kai nun einmal ein Kind bei sich daheim hatte, das er nicht frühzeitig traumatisieren wollte. Aber Himmel, Yuriy wusste, was er mit seinen Händen tun musste und er war ein aufmerksamer Liebhaber, der sich auf Kai einstellte. Und es war eine Freude, sich umgekehrt auch auf ihn einzustellen. Kai musste nur die Finger in die Gürtelschlaufen seiner Jeans haken und ihn an sich ziehen oder über die weiche Stelle unter seinem Ohr streicheln oder mit der Unterseite seines Daumens über Yuriys Unterlippe gleiten und der Mann war ihm vollkommen verfallen. Er hatte davor nie darüber nachgedacht, an wievielen Orten in seinem Haus man miteinander rammeln konnte wie notgeiles Rotwild (was vermutlich einiges über ihn und Ayaka aussagte), aber er und Yuriy wurden sehr erfinderisch.

Es war also alles glänzend, auch wenn ihm nicht ganz einleuchtete, warum Yuriy nicht öfter bei ihm übernachtete. Immerhin war es sehr ersichtlich, dass er einen solchen Lebensstandard nicht unbedingt gewohnt war und Kai wollte ihn am liebsten mit allem Komfort versorgen, der ihm bisher gefehlt hatte. Dabei schien Yuriy manchmal geradezu darauf zu beharren, es sich nicht gut gehen zu lassen, schon gar nicht auf Kais Kosten, auch wenn es dem nicht wehgetan hätte, und er kommentierte diverse Aspekte von Kais Leben mit einem gewissen Spott. Nach dem Anblick von Kais begehbarem Schrank etwa nannte er ihn einen ganzen Tag lang nur noch „Ms. Bradshaw“ nach der Hauptfigur aus Sex and the City, Kais extra aus Manhattan bestellte Kaffeemaschine hielt er für einen in Stahl gegossenen Alptraum mit viel zu vielen Optionen und als Kai ihm die Betriebskosten des großzügigen Pools im Garten verraten hatte, hatte er entsetzt die Hände zusammengeschlagen. Obwohl er Mathilda mochte und sich auf Anhieb gut mit ihr verstand, betitelte er das Konzept eines Au-Pairs als „bourgeois“ und die Tatsache, dass Kai zwei Putzhilfen und einen Gärtner beschäftigte, als „Gefahr für den Sozialismus“, was, wie Kai im Verdacht hatte, höchstens zur Hälfte scherzhaft gemeint war. Nachdem er mitbekommen hatte, dass Kai seine Anzüge dampfreinigen und von der Putzerei zurückbringen ließ, war Yuriy eine Viertelstunde lang hinter ihm her spaziert und hatte Do You Hear The People Sing aus dem Les Miserables-Film geträllert. Gou, der keine Ahnung von Politik, aber viel Liebe für Lärm und Radau hatte, vergötterte Yuriy naturgemäß.

Zugegeben, dachte Kai an einem ruhigen, warmen Sommersonntag, als er mit der Kaffeetasse am Fenster stand und hinaus in den Garten sah, wo Yuriy sich gerade in nichts als einer Badehose ein Wasserpistolenduell mit Kais Sohn lieferte, eine Person konnte mehr Fehler als Yuriy in Kais Augen haben, solange sie sich ernsthaft mit Gou auseinandersetzte. Und Yuriy behauptete zwar steif und fest, dass er nicht gut mit Kindern war und es auch nicht sein wollte, aber er nahm Gou ernster als so manch anderer und reagierte sensibel auf seine Grenzen. Außerdem ließ er ihn nie merken, dass seine Anwesenheit ihn störte, selbst wenn Gou einmal hereinplatzte, während Yuriy versuchte, seine Hand in Kais Hose zu versenken.

Das Geräusch der Türklingel schreckte Kai ein wenig aus seinen Gedanken aus. Hiromi und Takao hatten vor einer Stunde angerufen und sich wenig subtil zu seinem Pool eingeladen, weshalb er ihre und Makotos Gestalten nun wenig überraschend auf der Türeingangskamera sah und ihnen öffnete. Hiromi sah entzückend aus in ihrem rosa Kleid und dem breiten Strohhut und Takaos braun gebrannte Arme drückten Kai herzlich an sich, ehe Kai dazu kam, auch Makoto die Hand zu geben, der in seinen grünen Badehosen und dem weißen T-Shirt darüber schon ungeduldig zappelte. „Wollt ihr euch mit dem Auto in meine Garage stellen? Dann heizt es sich nicht auf.“

Takao schüttelte den Kopf. „In deiner Einfahrt ist schon okay, wir werden es überleben.“ Er reckte neugierig den Kopf. „Wo ist er denn nun?“

„Wasser!“, verlangte Makoto und marschierte prompt einfach an den Erwachsenen vorbei, auf den Fersen gefolgt von Hiromi, die nur rasch auf dem Marmorboden im Vorzimmer ihre Sandalen abstreifte und dann so schnell wie möglich hinterherkam, um einen Blick auf Kais Liebhaber zu werfen, dessen Anwesenheit er bei dem vorigen Telefonat beiläufig, aber absichtlich erwähnt hatte.

„Könnt ihr bitte nicht peinlich sein?“, zischte Kai ein wenig verlegen, als Takao und Hiromi sich wie in einem schlechten Agentenfilm hinter die Fenster seines Wohnzimmers duckten und hinaus in den Garten glotzten, wo Yuriy gerade einen tödlichen Wassertreffer in die Brust erlitt und sehr langsam und dramatisch mit vielen Windungen vor Gous Füßen starb, der nur lachend in die Hände klatschte. Kai musste sich vermutlich Gedanken über diese Kaltblütigkeit machen, aber momentan war er einfach nur zu amüsiert.

„Fuck, diese Bauchmuskeln“, stellte Hiromi fest und stieß Takao den Ellbogen in den Magen, der daraufhin röchelte, aber nur nickte.

„Bisschen zu lang und dünn für meinen persönlichen Geschmack“, sagte er dann und zwinkerte dafür Kai zu, der nur schmunzelnd mit den Augen rollte. Sie beobachteten, wie Makoto hinaus auf die Wiese stakste und skeptisch den Rothaarigen beäugte, der schließlich schnaufte, die Augen öffnete und sich aufsetzte. Er sagte etwas zu Makoto, dann reichte er ihm die Hand, die feierlich geschüttelt wurde. Genauso feierlich übergab Yuriy dem Kleinen seine Wasserpistole, dann kam er auf die Beine und steuerte zielsicher das Haus an.

„Scheiße, er kommt!“, zischte Takao und wich vom Fenster zurück, während Kai amüsiert den Kopf schüttelte.

Im Gehen fuhr Yuriy sich mit den Fingern durch das feuchte, offene Haar und strich es zurück. Einzelne Wassertropfen landeten wie in einer schlechten Filmsequenz auf seinen nackten Schultern und dem Bauch und fesselten Hiromis Aufmerksamkeit so sehr, dass sie wie angewurzelt stehen blieb. In einem Nicolas-Sparks-Film hätte er nun Blickkontakt mit Kai aufgenommen. Stattdessen blinzelte er auf Hiromi herunter, die ihn anglotzte wie eine pornoröse Marienerscheinung und reichte ihr mindestens genauso huldvoll die Hand, die sie ein wenig benommen schüttelte.

„Sie müssen Hiromi sein“, sagte er dabei mit samtiger Stimme und rollendem R. „Ich bin Yuriy, Yuriy Iwanov.“

Kai nickte Yuriy über ihre Schulter anerkennend für diesen filmreifen ersten Auftritt zu.

„Äh, ja, hi“, sagte Hiromi prompt, „das da draußen ist mein Sohn und das da ist mein Mann Takao, aber Iwanov gefällt mir als Nachname schon sehr gut.“

„Sie macht nur Witze“, sagte Takao empört und drängte sich vor, um Yuriys Hand zu schütteln. „Endlich lernen wir uns auch mal kennen! Ich bin Takao, Kais bester Freund und Kummerkasten.“

Augenblicklich wurde Yuriys Blick wesentlich interessierter, als er es bei Hiromi gewesen war und er senkte ein wenig die Augenlider, während er Takaos Hand wesentlich länger als nötig schüttelte. „Freut mich wirklich, wirklich sehr, Takao. Kai meinte, dass Sie Kendomeister sind?“ Als Takaos nickte, lächelte Yuriy auf eine Weise, die etwas in Kais Magengegend prickeln ließ. „Ich hab‘ was übrig für Männer, die wissen, wie man mit Schwertern umgeht.“

„Wenn Sie wollen, bring‘ ich Ihnen gern mal das ein oder andere bei“, sagte Takao grinsend.

„Oh, ich bitte darum“, schnurrte Yuriy und ließ den Blick an ihm entlang gleiten, ehe er ihm wieder in die Augen sah, „vielleicht, wenn Kai es sich einmal mit mir verscherzen sollte.“

„Soll ich euch kurz allein lassen?“, erkundigte Kai sich amüsiert, „dann gehe ich nämlich inzwischen mit Hiromi an den Pool und spinne gedanklich irgendwelche eifersuchtsgetriebenen Racheszenen oder so.“

„Ich mache mir jetzt ein Sandwich“, erklärte Yuriy ihm, „ich bin gerade von deinem Sohn tödlich verwundet worden und brauche eine Stärkung. Und weil ich nett bin, mache ich für euch alle welche mit. Ich hoffe, ihr mögt Gurken.“ Er grinste. „Die sind nämlich meine Spezialität.“

Er spazierte pfeifend in die offene Küche und begann mit dem Kühlschrank zu hantieren. Kai schmunzelte und schob die Kinomiyas hinaus in den Garten, sodass sie den Pool von seiner Sicherheitsplane abdecken konnten, weil die Kinder nun genügend Beobachtung hatten, damit nichts passieren konnte.

„Glaubst du, er weiß, dass er einen Sonnenbrand auf seinen Schultern hat?“, fragte Hiromi Kai, als sie die Sonnenliegen herrichteten und den Sonnenschirm aufspannten.

„Glaub mir“, sagte Kai, „das weiß er schon.“

Irgendwann kam Yuriy nicht mit einem Riesenberg Gurkensandwiches zurück, sondern auch mit einem Krug mit selbstgemachter Limonade, die er am Vorabend gemeinsam mit Gou gemacht hatte. Sie verbrachten einen faulen Nachmittag, an dem Yuriy wenig subtil von Hiromi und Takao nach Strich und Faden ausgequetscht wurde, aber sehr geduldig Antwort gab. Ohne viel Drama darum zu machen oder näher ins Detail zu gehen erzählte er, dass er aus schwierigen Familienverhältnissen kam und deswegen seine Kindheit und Jugend vorwiegend im Moskauer Pflegefamiliensystem verbracht hatte. Die Tatsache, dass er schnell und leicht lernte, hatte ihn durch diverse Schulen getragen, obwohl er oft durch problematisches Verhalten aufgefallen war.

„Schulen haben meistens nicht viel Verständnis für Problemfälle“, sagte er und trank dabei einen Schluck Limonade, während er den Arm ausstreckte, damit Makoto mit neugieriger Faszination über die geometrischen Linien des Falkentattoos auf seinem Arm fahren konnte. „Dafür ist das System zu heruntergewirtschaftet. Aber ich hatte einen Lehrer, der sich gekümmert hat. Der hat erkannt, dass ich gut mit Zahlen bin und mich nach dem Schulabschluss in einem Betrieb untergebracht, der mir alle Buchhaltungszertifikate bezahlt hat. In Moskau bin ich damit recht weit gekommen.“

„Und warum bist du nach England?“, wollte Hiromi neugierig wissen. Mittlerweile waren sie schon auf einem vertrauteren Level miteinander. „Bessere Jobchancen?“

„Nö“, sagte Yuriy, „ich musste abhauen, bevor ich in irgendeinem sibirischen Gefängnis lande und dort vermodere, oder gleich irgendwann am Heimweg einfach klammheimlich erschossen werde.“

Einen Moment lang herrschte Stille, während er angestarrt wurde. Kai, der Yuriys tragische Hintergrundgeschichte schon vor ein paar Tagen freigeschalten hatte und dementsprechend nun recht unbeeindruckt war, nippte entspannt an seinem Glas und überlegte, sich einen Martini zu mixen.

„Bitte?“, sagte Takao dann. „Was hast du angestellt?“

Yuriy kratzte sich am Hinterkopf. „Ich kann meine Klappe schlecht halten und das wird in Russland nicht gern gesehen. Man muss sich nur politisch gegen ein paar Missstände engagieren und mit ein bisschen was an Reichweite Kritik an Putin üben, da wird man dann rasch sehr intensiv beobachtet. Oh, und es hat nicht geholfen, dass ich schwul bin wie ein Rudel Friseure, wie Boris es gerne ausdrückt, und damit auch nicht gerade hinterm Berg gehalten habe. Aber leider juckt es die britische Regierung wie die meisten Regierungen zu wenig, dass man aufgrund seiner sexuellen Orientierung verfolgt wird, um Asyl zu erteilen, deswegen war‘s vermutlich gut, dass Boris und ich auch auf andere Themen bezogenen politischen Unfug betrieben haben.“

„Furchtbar“, murmelte Hiromi und sah unwillkürlich zu Makoto hinüber, der sich schon wieder von Yuriy entfernt hatte und nun von Gou seinen neuesten Dinosaurier zeigen ließ. „Unsere Familien sind schon seit zwei Generationen hier in London, aber da haben Kriege und Co. eine Rolle für ihren Weggang aus Japan gespielt.“

„Ich bin zweigeteilt aufgewachsen“, gab Kai zu, „London und Tokio. Irgendwann sind wir dann ganz hierher übersiedelt und das war‘s dann.“

„Ich hab eindeutig die spannendste Geschichte hier“, befand Yuriy, dann sah er Takao mit hochgezogenen Brauen an. „Obwohl ich irgendwas davon gehört habe, dass ihr ein tausendjähriges Schwert oder sowas in eurem Dojo habt.“

„Oh Gott, nicht die Familienlegende der Kinomiyas“, sagte Kai prompt, stellte sein Glas ab und erhob sich. „Ich schaue mal nach, was wir zum Abendessen verwursten können.“

„Ich helfe dir“, bot Hiromi an und begleitete ihn in die Küche, wo sie tatsächlich genügend Dinge fanden, um ein etwas chaotisches, aber nahrhaftes Abendessen herzustellen, sodass sie nicht einmal Pizza bestellen mussten. Mathilda, die ihren freien Sonntag bei ihrer unbekannten Liebhaberin verbrachte und erst spät abends zurückkehren würde, wäre sicher stolz auf ihn gewesen, wenn sie hier gewesen wäre.

Während sie auf den Theken arbeiteten, stieß Hiromi ihn irgendwann freundschaftlich mit dem Ellbogen an. „Eure Lebensrealitäten liegen ziemlich weit auseinander, hm?“

Kai zuckte ein wenig mit den Schultern, während er emsig weiter den Salat in einer riesigen blauen Schüssel mischte, von der er lange nicht einmal gewusst hatte, dass er sie besaß. „Das macht nichts, glaube ich. Wir passen gut zusammen.“

„Du hast ihn gern“, stellte Hiromi lächelnd fest und hielt inne, um ihn anzusehen. „Nicht nur so auf Crush-Art, sondern richtig. Deswegen hast du ihn uns auch vorgestellt, oder?“

„Es war mir wichtig, dass ihr ihn euch mal anseht“, gab Kai zu.

„Willst du mein Urteil?“

„Immer.“

„Charmanter Lügner.“ Hiromi grinste, dann stahl sie eine Cocktailtomate aus dem Salat, aß sie und sagte schließlich: „Ich mag ihn. Er ist direkt, witzig, sieht gut aus und geht super mit den Kindern um. Ich meine, verdammt, vorher ist er mit ihnen in der Wiese gesessen und hat mit seinem komischen Klatschspiel dafür gesorgt, dass sie Zahlen üben und Mathe cool finden. Und er mag dich auch wirklich gern, man merkt es daran, wie er dich ansieht. Es ist echt schön.“

„Das klingt trotzdem irgendwie nach einem Aber“, stellte Kai fest.

Hiromi verzog ein wenig das Gesicht, dann wischte sie sich die Hände sauber und legte eine davon auf seinen Arm. „Ich glaube auch, dass er jemand mit großem Stolz ist, Kai. Das ist nicht immer gut. Und egal, wie gelassen er damit umgeht, ein hartes Leben hinterlässt Spuren. Und wir wissen, dass du manchmal auch ganz schön dickschädelig sein und auf deine Meinung beharren kannst. Ich hoffe einfach, dass das nicht zu Schwierigkeiten führt.“

Kai tätschelte beruhigend seine Hand. „Wir sind erwachsene Menschen, Hiromi-chan. Das werden wir schon ausschnapsen, wenn es zu Missverständnissen kommen sollte.“

„Hoffentlich“, sagte Hiromi mit einem tiefen Seufzer und wandte sich wieder dem Brotschneiden zu. „Sonst brennt er am Ende wirklich noch mit Takao durch und ich muss mit dir in skandalöser Ehelosigkeit als Trophy Wife leben - und dafür bin ich echt zu jung und zu schön.“

Plan D für die Liebe

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Panik, Prinzessin

Das Intermezzo in der Limousine war ein trügerisch guter Einstieg in den Abend, was Kai in eine hochzufriedene Stimmung versetzte, als sie ausstiegen und das Gelände ansteuerten, auf dem die Gala stattfand.

Das Gelände gehörte zu einem kleinen Schloss, das vor einigen Jahrhunderten noch ein Jagdschloss gewesen sein mochte und dem Grafen, der es besaß, nunmehr als Sommerresidenz diente. Der alte Mr. Goodwin verbrachte seine Zeit seit dem Tod seiner Frau mit seinen zwei Pudeln, vier Pfauen und jeder Menge gemeinnütziger Arbeit, damit er eine Ausrede besaß, ein elegantes Fest nach dem anderen zu schmeißen. Das Anwesen von Rosewood Hall bot eine zugegeben wunderbare Kulisse für Bälle, Galas und Vernissagen für den guten Zweck. Das pittoreske kleine Schlösschen mit seinen namensgebenden Rosenranken an der Außenfassade war von einer weitschweifigen Terrasse umgeben, über die am heutigen Abend Reihen an bunten Papierlaternen gespannt worden waren, die ein helles, warmes Licht über den Marmorboden gossen. Kai konnte ein elendslanges Buffet erkennen, ebenso wie viele kleine, runde Tische, die mit weißem Stoff bezogen worden waren. Sie mussten den prachtvollen Garten, der das Schlösschen umgab, überqueren, um zur Terrasse zu gelangen. Auch im Garten hatte man die Wege mit riesigen Gläsern voller armdicker Kerzen ausgeleuchtet. In den Rosensträuchern schaukelten fröhliche Feenlichter und wo keine Sitzmöglichkeiten auf den perfekt gestutzten Rasenflächen aufgestellt worden waren, standen Fackeln und riesige Eisenbehälter, die darauf warteten, zu wärmenden Feuern entzündet zu werden, wenn die Nacht kühl zu werden drohte. Mr. Goodwin kleckerte nicht, also war Kai wenig erstaunt über die Feststellung, dass die musikalische Untermalung von einer Live-Band stammte, die an einem strategisch gut gelegenen Ort zwischen Terrasse und Garten für sanfte, erbauliche Jazz-Klänge sorgte. Gelegentlich wechselte das Tempo, bis es Standardtänze erlaubte - nicht zu altbacken, aber kontrovers sah auch anders aus.

Am begrünten Torbogen, der den Eingang des Geländes markierte, stand ein Mann in Livree und überprüfte ihre Einladungen, um ihnen dann lächelnd einen schönen Abend zu wünschen und beiseite zu treten. Kai konnte Yuriy dicht neben sich spüren, das rote Haar wie eine Wildflamme in dem warmen, spärlichen Licht des Gartens. Sie waren einander so nahe, dass sich gelegentlich ihre Hände streiften.

Zu spät dachte Kai daran, dass er die Hinfahrt eigentlich dafür hatte nutzen wollen, Yuriy auf ein paar soziale Regeln für solche Events vorzubereiten. Nicht, dass er ihm nicht zutraute, sich zu behaupten - aber es war ein Spielfeld, das Yuriy so nicht kannte und das ein paar Kenntnisse voraussetzte, die er nicht besaß, um nicht von den Spielenden verschlungen zu werden. Kai hatte manche Dinge auch auf die harte Tour lernen müssen, und das, obwohl er sich seit seiner Jugend unter diesen Menschen bewegt hatte. Erst, nachdem die Firma an ihn gefallen und neu von ihm aufgebaut worden war, hatte er gemerkt, vor wieviel sein Großvater ihn trotz aller Vorbereitung auf seine Nachfolge immer abgeschirmt hatte. Es war schon schwer genug gewesen, sich mit Vorkenntnissen zu behaupten, auch wenn Kai immer noch seine Mutter hatte, die das Spiel noch besser beherrschte als er. Im Gegensatz zu Kai wählte sie den Weg des Wassers, das sanft, aber unbeirrbar durch die Steine hindurch zu seinem Ziel rann. Manchmal war dies ein besserer Ansatz als jener mit Feuer und Schwert, den Kai gerne verfolgte. Er konnte noch viel von ihr lernen, so viel war sicher.

Sicher war auch, dass Yuriy eindeutig ebenfalls nicht den Weg des Wassers wählte.

Kai holte tief Luft. „Ich habe dir gesagt, dass ich wahrscheinlich gelegentlich mit Leuten sprechen muss. Die werden wohl nicht immer so angenehm sein.”

Yuriy schnaubte. „Ich bin kein kleines Kind, ljubov. Es wird in Ordnung sein. Haben sie Bowle?”

„Wenn sie keine Bowle haben, haben sie todsicher Punsch.”

„Wo ist der Unterschied zwischen Bowle und Punsch?”, fragte Yuriy verdattert.

„Die Bowle ist kalt, außer es ist eine Feuerzangenbowle.”

„Das ist eine der langweiligsten Informationen, die ich jemals in meinem Leben erhalten habe”, stellte Yuriy fest. Sein Blick wanderte interessiert. über das Gelände. Er musterte die Menschen, die zu zweit oder zu mehrt an den Tischen, beim Terrassengeländer, auf den Terrassenstiegen und den Rasenflächen standen und miteinander plauderten, tranken, lachten. Das sanfte Klingen von Gläsern war in regelmäßigen Abständen zu hören und mischte sich mit dem Klirren von Besteck auf Porzellan und der rauchigen Stimme der Jazzsängerin, die sich ganz von Cello, Saxophon und Piano tragen ließ. Für Kai war das alles, so schön es auch war, nichts Neues. Er versuchte es mit Yuriys Augen zu sehen und stellte fest, dass es ihm nicht so ganz gelingen mochte.

Halb erwartete Kai eine Bemerkung über die unglaubliche Verschwendungssucht dieser Veranstaltung, die vermutlich nicht einmal unberechtigt war. Aber Yuriy sagte nichts, auch wenn sein Gesichtsausdruck ein wenig so wirkte, als ob er darüber nachdachte.

„Weißt du was”, sagte er dann jedoch statt eines flammenden Monologs über die Schattenseiten des Kapitalismus, „wir gehen jetzt was trinken. Und dann kann ich dich hoffentlich in einen Foxtrott reintyrannisieren.”

„Das braucht viel Champagner”, sagte Kai prompt.

Yuriy schenkte ihm ein breites, etwas zu scharfes Grinsen. „Ich denke, dass zu wenig von irgendwas auf diesem Event wirklich nicht das Problem ist.”

Kai verkniff sich eine Bemerkung dazu, sondern dirigierte sie nur zielsicher zu dem Alkoholteil des Buffets. Eine Kellnerin mit roten Lippen schenkte ihnen lächelnd die Gläser voll mit Champagner und war ihnen auch gerne behilflich, als Kai den Whiskey beäugte. Bewaffnet mit Gläsern wanden sie sich durch die Menge zu einem ruhigen Plätzchen und stießen an. Der Champagner war zuerst dran und Kai stellte mit einer gewissen Erleichterung fest, dass er nicht schlecht war. Sie waren gerade dabei, über einige der Gäste und ihre Outfits zu lästern, als ein korpulenter Herr und seine perlenbehangene Begleitung sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf sie zubewegte.

„Mr. Hiwatari! Na, so eine schöne Überraschung!”, begrüßte er Kai herzlich und schüttelte ihm die Hand. „Kennen Sie schon meine Frau Isolde?”

„Schön, Sie zu sehen, Mr. Haversham”, sagte Kai aalglatt und reichte auch seiner Frau die Hand. „Wir hatten noch nicht das Vergnügen, denke ich, sehr erfreut. Darf ich Ihnen Yuriy Iwanov vorstellen?”

„Ah, wunderbar, sehr erfreut!”, rief Mr. Haversham, der nicht fähig zu sein schien, in einer angemessenen Lautstärke zu sprechen. Leider war seine Firma ein wichtiger Partner, der Kais Firma mit nötigen Teilen für ihre erneuerbaren Energieressourcen belieferte, weshalb er gute Miene zum bösen Spiel machen musste. „Was tun Sie denn so, Mr. Iwanov?”

„Ich bin im Finanzsektor tätig”, sagte Yuriy so aalglatt und ohne mit der Wimper zu zucken, dass Kai ehrlich beeindruckt war. „Ich habe das Vergnügen, dass Mr. Hiwatari mich für eine gewisse Beratungstätigkeit beschäftigt.”

„Na wunderbar, na sehr gut!”, rief Mr. Haversham, während Mrs. Haversham Yuriy mit mehr Interesse betrachtete, als Kai recht war. „Auch wenn ich mich frage, wann Sie uns endlich einmal eine junge Dame vorstellen, Mr. Hiwatari - mächtige Männer brauchen die richtige Unterstützung an ihrer Seite, nicht wahr? Und ich erinnere mich so gerne an Ms. Hiruta, so eine scharfe Zunge, wahrlich unterhaltsam!”

„Ich kann Ihnen versichern, dass Mr. Iwanovs Zunge mindestens so befriedigend ist”, sagte Kai mit formvollendetem Pokerface. Er traute sich nicht, zu Yuriy zu sehen, um nicht in Gefahr zu kommen, loszulachen.

Mr. Haversham lächelte ein wenig verunsichert, fand aber sofort wieder in seine sanguine Unbeschwertheit zurück und schlug Kai auf den Rücken. „Na, das wollen wir doch hoffen! Kommen Sie doch später bei unserem Tisch vorbei, ich habe gehört, dass es einen Ginwagen um elf Uhr geben soll und Gin trinkt sich am besten in Gesellschaft!”

„Natürlich, sehr gerne”, erwiderte Kai und war erleichtert, als das Ehepaar mit fröhlichem Winken weiterzog. Er stürzte den Whiskey herunter, so schnell, dass er ihm augenblicklich zu Kopfe stieg. Das war ihm allerdings im Moment nur recht. Die Jazzband hatte etwas im 4/4-Takt angeschlagen und er wandte sich an Yuriy. „Also los. Lass uns auf die Tanzfläche abhauen, bevor mich noch jemand erspäht, ich bin noch nicht bereit.”

„Na wunderbar, na sehr gut!”, sagte Yuriy grinsend in einer perfekten Imitation von Mr. Haversham, trank ebenfalls den Whiskey aus und nahm Kais Hand, um ihn hinüber auf die freie Tanzfläche zu ziehen.

Kai war sich der Blicke der Umstehenden sehr bewusst. Ein optimistischer Mensch fand sie gerechtfertigt, weil Yuriy absolut wusste, was er tat, als er Kai selbstsicher und elegant über die Tanzfläche führte. Kai war sich überdeutlich bewusst, wie herb-anziehend Yuriys Geruch und wie kräftig seine Hand war. Die kontrollierte Haltung seines Körpers, die Spannung darin, taten Dinge mit Kais Herz und Hose. Gelegentlich streiften sich ihre Blicke, wenn Kai es schaffte, nicht zu sehr an seine Fußfolge zu denken; dann kräuselte Yuriy die Lippen zu einem dunklen, herzschmelzenden Lächeln und sah ihn mit glühenden Augen an, bis Kai sich auf die Lippen biss. Es war gar nicht so schlimm zu tanzen, wenn man von jemandem geführt wurde, der sich damit auskannte, stellte er fest. Er konnte Yuriy viel überlassen und dabei sicher sein, dass der ihn in niemanden hineintanzen lassen würde. Diesem Umstand war es wohl geschuldet, dass Kai sich im Anschluss auch noch in einen Walzer hineintyrannisieren ließ, ehe sie einen Quickstep versuchten, was in einem Desaster, aber auch viel gemeinsamem Gelächter endete.

Sie kehrten zum Buffet zurück und holten noch mehr Champagner. Die Kellnerin reichte auch gleich zwei Glasteller mit Canapés, die Sorten Lachs-Kaviar, Vitello Tonnato und Kräuteraufstrich-Radieschen. Yuriy nahm seinen mit Befremden entgegen, sagte aber nichts, bis sie sich eine Ecke gesucht hatten, in dem sie das Treiben beobachten und erst einmal in Ruhe anstoßen konnten.

„Du machst sowas hier also regelmäßig?”, erkundigte er sich dann zwischen den ersten beiden Schlucken.

Kai seufzte und biss von seinem Vitello-Tonnato-Canapé ab, dann schob er Yuriy sein Kräuteraufstrich-Radieschen-Stück zu. „Das gehört zum Job. Es ist mühsam, aber es muss eben sein.”

Yuriys Augenbrauen wanderten in die Höhe, während er Kai im Gegenzug sein Vitello-Tonnato-Brötchen auf den Teller legte. „Ja, ich sehe absolut, was für ein schweres und trauriges Schicksal das ist. Hast du eine Ahnung, wieviel allein diese Brötchen kosten?”

Gegen seinen Willen fühlte Kai eine gewisse Genervtheit in sich aufsteigen. Bisher war der Abend schön gewesen, wundervoll unkompliziert wie sonst wenig, was seinen Job betraf, und sein Verlangen danach, sich nun mit ernsten Themen oder Fehlern im System zu beschäftigen, hielt sich in Grenzen. Er bezwang sich und aß das Canapé auf, dann nahm er ein paar kräftige Schlucke von seinem Champagner, ehe er antwortete: „Du wirst staunen, aber es ist mir ungefähr bewusst. Unsere Firma - die Firma, für die du übrigens auch arbeitest - veranstaltet ebenfalls immer wieder Events, und lass mich dir sagen, dass nachhaltige Veranstaltungen von einer gewissen Größe auch nicht so billig sind.”

„Ich weiß. Ich sitze immerhin gerade an den Bilanzen.” Yuriy schüttelte den Kopf. „Eine von diesen Champagnerflaschen macht wahrscheinlich mein halbes Monatsgehalt aus.”

Kai gab einen tiefen Seufzer von sich. „Du kannst anderen Menschen nicht sagen, was sie mit ihrem Geld machen sollen.”

„Doch, kann ich.”

„Kannst du”, sagte Kai, „aber du wirst meistens nicht besonders weit kommen. Besonders nicht bei jemandem wie Mr. Goodwin und nicht auf die Weise, wie du es machst.”

Yuriy hob beide Augenbrauen. „Auf die Weise, wie ich es mache? Auf welche Weise denn, Kai?”

„Können wir einfach diesen Abend genießen?”, verlangte Kai statt einer Antwort auf seine Frage und konnte diesmal nicht verhindern, dass sich eine gewisse Gereiztheit in seine Stimme einschlich. „Ich weiß, du bist mein Buchhalter und du liebst Zahlen und den Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit, aber ich hab’ dich eigentlich nicht mitgenommen, um jetzt mit dir auch über Geld zu diskutieren.”

„Nicht über Geld zu diskutieren kann man sich nur leisten, wenn man genügend davon hat”, sagte Yuriy fest. „Und du weißt mittlerweile, wie ich bin.”

Kai seufzte. „Es wäre mir ganz recht, wenn du wenigstens für einen Abend ein bisschen weniger wärst, wie du bist.” Es war ihm herausgerutscht, noch ehe er sich davon abhalten konnte, aber die Reue darüber setzte augenblicklich ein.

„Wow”, sagte Yuriy nach einer unangenehm langen Pause und stellte den Teller auf dem kleinen Tisch neben ihnen ab. „Verstehe. Alles klar.”

Kai hasste nichts mehr, als sich zu entschuldigen. Aber er hatte gelernt, wann es angebracht war, es dennoch zu tun. „Das war unangebracht. Ich wollte das nicht sagen.”

„Du meinst eher, du wolltest es nicht aussprechen”, sagte Yuriy hart.

Vielleicht war es der Alkohol. Vielleicht war es einfach der falsche Zeitpunkt, vielleicht war es auch eine Mischung aus beidem. Fakt war, dass Kai jeglichen Anflug von Taktgefühl vermissen ließ, als er genauso hart sagte: „Meine Güte, Yuriy, lass es einfach einmal einen Abend gut sein, okay? Du bist freiwillig hier, ich habe dich nun wirklich nicht gezwungen.”

„Das nicht”, sagte Yuriy erbittert und stellte das Glas ab. „Aber ich habe dich wohl für einen Menschen gehalten, der du nicht bist.”

„Warum machst du es mir so schwer?”, verlangte Kai gereizt zu wissen. „Du weißt, dass mein Unternehmen und ich uns bemühen, alles ein bisschen besser zu machen. Aber dir muss doch klar sein, dass ich trotzdem innerhalb eines gewissen Systems operieren muss, und das verlangt nun eben manchmal, dass man über Dinge hinwegsieht, mit denen man nicht konform geht!”

„Mit mir hältst du es wohl ähnlich, hm? Gut in der Kiste, nett anzusehen, passabler Tänzer, idealer Buchhalter - über den Rest kann man ja notgedrungen hinwegsehen und wenn es zu politisch wird, klinkt man sich aus!”

„Nun, wenn ich mit Marx im Bett liegen will, kann ich mir auch einfach das Kapital als Nachtlektüre kaufen!”, brauste Kai auf, bevor er sich selbst aufhalten konnte.

Einen Moment lang war es still. Die Geräuschkulisse der Band und des Gemurmels um sie herum wusch über sie hinweg, ohne sie wirklich zu berühren. Wie lange hielt Yuriy ihn schon für einen genusssüchtigen Bonvivant, der sich um nichts kümmern wollte? Wie lange dachte er von ihm als jemandem, der das System unterstützte, statt sein Bestes zu geben, es nach und nach besser zu machen? Und wie zum Teufel waren sie an diesen Punkt gekommen, wenn sie vor ein paar Minuten noch miteinander gelacht hatten? Jetzt, wo er sie gebraucht hätte, blieben Kai die Worte in der Kehle stecken. Da hatte sich eine Schlucht zwischen ihnen aufgemacht, die er nicht zu überbrücken wusste. Oder war sie immer schon da gewesen und er hatte sie wirklich nur immer ignoriert?

Schließlich war es Yuriy, der sich als Erster regte.

„Weißt du was, Kai”, sagte er ruhig, sehr ruhig, „lassen wir’s einfach gut sein.”

„Yuriy-”, begann Kai, wusste nicht weiter, wusste aber, dass er etwas sagen musste.

Yuriy gab ihm nicht die Gelegenheit dazu. Er schüttelte nur den Kopf. „Das hier ist dein Leben, nicht meins. Du hast absolut Recht, du hast mich nicht dazu gezwungen, zu versuchen, Teil davon zu sein.” Er holte tief Luft. „Ich finde allein heim.”

Kai stand wie angewurzelt an der Stelle und blickte ihm hinterher, bis das Wildflammenleuchten seiner Haare zwischen den Schatten des fackelbeleuchteten Gartens verschwand. Es fühlte sich an, als ob sich ihm drei eiserne Bänder um die Brust gelegt hatten. Er konnte kaum atmen, sich kaum regen, der Schmerz war plötzlich und scharf. Wie war das alles nur passiert?

Als er endlich wieder zu sich fand und von der Terrasse hinunter Richtung Eingangstorbogen stürzte, war von Yuriy keine Spur mehr zu finden.

Buchhaltung braucht keine Ferien

Yuriy wurde von Boris geweckt, der sich auf seiner Bettseite niederließ, ein Tablett auf dem Schoß.

„Schwarztee, Saft und Toast“, sagte er und wartete, bis Yuriy sich in eine sitzende Position aufgerappelt hatte, ehe er ihm den Schwarztee reichte. „Fühlst du dich so, wie du aussiehst?“

„Wie sehe ich denn aus?“, ächzte Yuriy und trank einen tiefen Schluck Schwarztee, um sich dann durch die Haare zu fahren und den Toast zu beäugen.

„Wie jemand, den ich gestern um drei Uhr morgens von einer Landstraße zwischen Was-Weiß-Ich-Wo und London aufgegabelt habe, nachdem er in ein Erdloch gefallen ist und von einer Kuh angekaut wurde“, sagte Boris trocken. „Wäre ja an sich schon beschissen, aber noch dazu war es eindeutig nicht das Loch, in das du ursprünglich fallen wolltest, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Ich liebe dich wie einen Bruder, aber wenn du noch ein Wort sagst, muss ich dir eine reinhauen.“ Yuriy trank noch einen Schluck und schloss die Augen. „Ich will nicht darüber reden.“ Wenn er nämlich darüber redete, dann würde die Enge wieder in seine Brust zurückkehren und das war etwas, das er tunlichst vermeiden wollte. Besser nicht darüber reden oder nachdenken. Besser einfach nur den Tee austrinken, den Toast aufessen und dann noch eine Runde schlafen, bis es spät genug war, dass ein Besäufnis gesellschaftlich akzeptabel wurde.

„Okay“, sagte Boris erstaunlich friedfertig, was bedeutete, dass Yuriy wirklich beschissen aussehen musste.

„Keine Männer mehr“, sagte Yuriy, nachdem er einmal von dem Toast abgebissen hatte. „Jetzt habe ich die Schnauze voll. Das sind alles Arschlöcher, Anwesende ausgenommen.“

Boris zeigte, dass er ein guter Mann war, indem er Yuriy nicht darauf hinwies, dass er ja eigentlich nicht darüber reden wollte. Dann verspielte er augenblicklich seine guten Karten, indem er trocken anmerkte: „Das hältst du nicht durch. Vielleicht in einem Universum, wo du sehr asexuell bist, aber selbst da habe ich meine Zweifel.“

Yuriy stöhnte, stellte die Tasse neben sich auf dem Nachttisch ab und ließ sich wieder in die Kissen fallen. „Wiesooooooooooooo-“

Boris tätschelte seine Schulter. „Weil dein Griff für Männer echt unterirdisch ist?“

Yuriy legte sich den Arm über die Augen und atmete tief ein. Ihm tat alles weh, und das lag nicht nur an dem Sturz im Dunkeln und der Kuh, die sehr unangenehm an seinen Haaren gerupft und sich dann erschreckt hatte. „Ich dachte echt, er ist der Richtige. Also, alles in allem. Ich dachte, er ist ein guter Kerl trotz Geld, verstehst du? Ich mochte sogar das Kind!“

Erneut wurde seine Schulter getätschelt. Es war eine Weile still, dann fragte Boris mit einem tiefen Seufzer: „Willst du mir jetzt erzählen, was passiert ist, oder muss ich mir das in ganz vielen kleinen Einzelteilen aus über den ganzen Tag verteilten Schimpftiraden zusammenklauben?“

Yuriy seufzte. „Der Abend gestern hat mir einfach die Augen geöffnet. Er nimmt mich nicht ernst und wir kommen aus zu unterschiedlichen Welten, das kann einfach nicht funktionieren. Er versteht meine Weltanschauung nicht und will sie auch nicht verstehen, und letzteres ist eigentlich das schlimmere Verbrechen.“ Er seufzte und rieb sich über das Gesicht. „Bisher hatte ich immer das Gefühl, dass er mich ernst nimmt und mir zuhört, verstehst du? Aber gestern war davon keine Spur. Er meinte immer nur, dass ich mal nen Abend lang weniger sein soll, wie ich bin und dass er keine Lust auf Debatten hat.“

Boris war so lange verdächtig still, dass Yuriy schließlich den Arm hob und ihn anstarrte. „Was?“

Boris räusperte sich. „Ich meine, du kannst sehr intensiv sein, Yura. Vielleicht wollte er sich auch einmal nur in Ruhe einen Abend lang gönnen.“

„Zu wem hältst du eigentlich?“, verlangte Yuriy prompt empört zu wissen und rappelte sich etwas mehr in eine sitzende Haltung auf. „Es war nicht nur das, Boris - der verdammte gekaufte Anzug, der sicher nen halben Tausender mindestens gekostet hat, die Limousine, die verdammten Canapés, der hundsteure Champagner, sein Haus, in das man locker zwei Kleinfamilien reinkriegen könnte, das spielt alles zusammen! Ich war doch die ganze Zeit nur ein Spielzeug für ihn, eine neue Attraktion, mit der man sich ein bisschen die Langeweile vertreiben kann, bis was Passenderes auftaucht.“

„Also erstmal halte ich immer zu dir und das weißt du auch ganz genau, du Penner“, knurrte Boris und gab ihm einen Schlag auf den Hinterkopf, der Yuriy fluchen ließ. „Wenn du sagst, dass er ein Wichser ist, dann ist er ein Wichser. Soll ich ihm am Heimweg auflauern und ihn zusammenschlagen?“

„Nein.“

„Auge ausstechen? Dreidimensional sehen wird sowieso überbewertet.“

„Nein! Gott, ich weiß ja auch nicht.“ Yuriy fuhr sich über das Gesicht. „Ich knalle ihm am Dienstag die Bilanzen aufn Tisch und dann mache ich erstmal eine Woche Urlaub. Und dann überlege ich mir das weiter, aber ich glaube nicht, dass ich für den Betrieb weiter arbeiten kann.“

Boris seufzte tief. „Da geht mein neuer Geschirrspüler dahin.“

„Du hast sowieso schon die Waschmaschine bekommen, beschwer dich nicht.“

„Ich beschwere mich nie. Ich bin immer total brav.“ Boris beugte sich vor und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Jetzt gehe ich aber erstmal pumpen. Du bleib erstmal im Bett und tu‘ dir eine Runde selbst Leid, das wird dir guttun.“

„Danke, Mama.“

„Wenn ich zurückkomme, mache ich uns eine Reihe Screwdriver, bis wir beide nicht mehr wissen, wie wir heißen“ verkündete Boris salbungsvoll, dann erhob er sich und griff nach seiner Sporttasche. „Ich sehe wahrscheinlich Julia beim Crossfit-Training, soll ich die gleich mit einpacken?“

„Die ist schuld an der ganzen Misere“, grummelte Yuriy, „ja, nimm sie mit, damit ich sie anpflaumen kann.“
 

Leider war Julia ein Mensch mit hoher Anpflaumungsresistenz und zeigte sich dementsprechend unbeeindruckt, als sie mit Yuriy und Boris auf deren Sofa saß und einen geradezu infernalischen Screwdriver aus einem Marmeladeglas trank, während ‚Pretty Woman‘ über den Bildschirm von Boris‘ altersschwachem Laptop flimmerte.

„Schau mal“, sagte sie, „habe ich mir gedacht, dass du was mit deinem Chef anfangen und das große Glück machen könntest? Sicher. Bin mir dennoch keiner Schuld bewusst, immerhin hat dich niemand dazu gezwungen, es wirklich zu machen.“

Yuriy, der schon einen Screwdriver Vorsprung hatte und damit angesichts von Boris‘ Mischverhalten frei nach dem Motto „Bisschen Orangensaft und dann vom Wodka ordentlich - oh - ups - naja“ schon nicht mehr ganz nüchtern war, starrte sie bitterböse an. „Du hast mir diesen Job besorgt! Weil ich die Julia Roberts der Buchhaltung bin!“

„Was zum Fick?“, fragte Boris verdattert.

Julia zuckte weiterhin unbeeindruckt mit den Achseln. „Kai ist kein schlechter Mensch, Yura. Hast du mit ihm darüber geredet, wie du empfindest?“

Yuriy schnaubte und saugte dabei den Screwdriver durch einen Metallstrohhalm. „Gestern? Er hätte sowieso nicht zugehört.“

„Oh mein Gott, du hast natürlich nicht mit ihm gesprochen“, stellte Julia fest und seufzte tief. „Wieso sind Männer solche Idioten?“

„Entschuldige bitte?“, sagte Boris empört.

Julia tätschelte seine Hand und strich ihm dann etwas zu lange über die Oberarmmuskeln. „Auch du hast deine Qualitäten, aber … naja.“

„Naja?!“

„Können wir jetzt bitte wieder über mich reden?“, verlangte Yuriy. „Ihr seid hier, um mich zu bemitleiden!“

„Wir sind in erster Linie hier, um zu trinken“, sagte Julia, aber sie lehnte sich zu ihm und strich ihm über das Haar. „Du hattest immerhin ein paar schöne Monate? Und ich denke nicht, dass Kai dich nur wegen einer Auseinandersetzung hinauswerfen wird, die Art von Mensch ist er nicht.“

„Ja, weil ich zu gute Arbeit mache und Menschen für ihn auch nur Kapital sind“, sagte Yuriy erbittert, aber er lehnte sich etwas mehr in ihre Berührung.

Julia schnalzte mit der Zunge. „Du tust ihm Unrecht. Ganz ehrlich, es kommt ja nicht von ungefährt, dass die Fluktuationsquote in seiner Firma so niedrig ist - für ihn arbeiten ist angenehm und man schaut auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Klar ist es ein Riesenkonzern, aber das muss nicht immer automatisch gleich schlecht sein. Hast du ihn denn wirklich gern oder war es sowieso nur Sex?“

Diese einfache Frage reichte aus, um Yuriy den Klumpen in die Kehle zu treiben, so plötzlich, dass es für ihn selbst überraschend war. Er senkte den Blick in sein Glas und zog noch einmal kräftig am Strohhalm. „Ich will nicht darüber reden.“

„Oje“, seufzte Julia und strich ihm weiterhin über die Haare, aber er bekam ganz genau mit, dass sie über ihn hinweg einen Blick mit Boris wechselte. „Du solltest aber mit Kai darüber reden.“

„Kai kann mich mal“, murmelte Yuriy um den Strohhalm herum.

„Ich gebe es auf“, verkündete Julia, „ihr seid beide sture Idioten und macht euch euer Unglück selbst. Boris, lass uns durchbrennen und eine Shishabar auf Mallorca aufmachen. Wir haben Besseres verdient, als uns das Elend hier zu geben.“

Boris sah einen Moment viel zu interessiert an dieser Idee drein, weshalb Yuriy ihm den Ellbogen in die Seite rammte.

„Später vielleicht“, beschloss Boris daraufhin gönnerhaft und rieb sich über die Seite, ehe er sich erhob. „Erstmal noch mehr Alkohol.“

„Was hast du jetzt vor?“, erkundigte Julia sich bei Yuriy, während Boris pfeifend in der Küche Drinks mixte. „Willst du wirklich kündigen?“

„Ja und nein“, seufzte Yuriy. Julia und leider auch Kai letzte Nacht hatten schon Recht: Kais Firma war eine von den guten. Yuriy wusste es, weil er die Zahlen gesehen und vollen Überblick über Ein- und Ausgaben hatte. Die Gehälter lagen leicht über dem Durchschnitt, die Bemühungen um Nachhaltigkeit in jedem Aspekt der Firma waren vielleicht nicht perfekt, aber durchaus ernst gemeint. Die Arbeit in der Buchhaltung war anstrengend, aber lohnenswert und würde auch besser werden, wenn er endlich auch die letzten Reste des Vorgängerchaos beseitigt hatte. Und gleichzeitig blutete sein Herz bei dem Gedanken, täglich mit Kai in einem Gebäude zu sein und dabei eine seltsame Stimmung zwischen ihnen aushalten zu müssen, wann immer sie sich sahen. Noch dazu kam, dass Boris und Julia nicht Unrecht hatten: Er neigte dazu, bei bestimmten Dingen in die Luft zu gehen, und Kai schien da ein besonderer Auslöser zu sein. Aber dann wiederum war aufrichtige Kommunikation in der Hinsicht nicht wirklich gemacht worden.

Seufzend rieb Yuriy sich über das Gesicht. „Erstmal die Bilanzen“, sagte er, „den Rest lasse ich auf mich zukommen.“
 

Montags ins Büro zurückzukehren fühlte sich dennoch seltsam an. Kai hatte einmal versucht, ihn anzurufen, was er allerdings ignoriert hatte. Danach war sein Handy still geblieben. Er dachte nicht zu viel darüber nach, sondern gab sich mit seinen Kolleginnen und Kollegen so normal wie möglich, während er seine ganze Kraft dem Fertigstellen der Bilanzen widmete, bis sie am Dienstag - wolkig, verregnet, genau seiner Stimmung entsprechend - schließlich fertig in aller Schönheit vor ihm lagen: Alphabetisch nach Haupt- und Unterfirmen geordnet, durch Inhaltsangaben und Trennblätter ergänzt, saubere Listen mit farblich herausgehobenen, besonders wichtigen Zahlen. Eine Kopie von allem ging an Mariam, eine Kopie als PDF schickte er an die ganze Buchhaltungs- und Managementabteilung, und die zweite Kopie …

„Ich kann das zu Mr. Hiwatari raufbringen, wenn du jetzt zu durch dafür bist“, bot Mariam an, nachdem sie sich eine Weile besehen hatte, wie Yuriy schweigend die Ordner vor sich anstarrte.

Yuriy erwachte aus seiner Starre, schüttelte den Kopf und begann, die Ordner in zwei große Kisten zu schlichten, die er auf einer Lastenkarre hinaufbringen würde. „Ich mache das schon.“

„In Ordnung.“ Mariam wartete einen Moment, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Ich rede ja ungern über Privates und vor allem Gefühle, weil das einfach widerlich ist. Aber du bist der fähigste Buchhalter, mit dem ich bisher gearbeitet habe, also will ich nicht, dass du wegen Burnout oder so einem Scheiß abdankst. Also: Ist am Wochenende irgendwas passiert?“

Ihre Körperhaltung und der Gesichtsausdruck, der deutlich signalisierte, wie unangenehm ihr diese Unterhaltung war, ließen Yuriy lächeln. „Bitte tu‘ dir nicht weh, Mariam. Es ist kein Ding, ich bin nur müde.“

Das schien Mariam so unermesslich zu erleichtern, dass sie sogar flüchtig ebenfalls lächelte. „Na gut. Morgen beginnt sowieso dein Urlaub, dann schlaf‘ dich mal richtig aus.“

„Danke, werd‘ ich machen.“

Mariam trat fluchtartig den Rückzug an. Yuriy schüttelte den Kopf, zurrte die Kisten fertig und begann die Lastenkarre zum Aufzug zu bringen. Als er den Knopf nach oben drückte, dachte er daran, wie Gou ihm hier über den Weg gelaufen war und wie er Kai zum ersten Mal gesehen hatte. Die Brust wurde ihm eng. Er holte tief Luft und rollte die Karre in den Aufzug, drückte den Knopf zur Chefetage und lehnte dann die Stirn einen Moment lang gegen den Spiegel, während seichtes Aufzugsgedudel wie im Hohn über ihn hinwegwusch. Wann war das alles so dermaßen vertrackt geworden? Wann hatte er sich tatsächlich in den Mann verliebt?

Er richtete sich auf und setzte eine unbeteiligte Miene auf, als der Aufzug zwischendurch hielt und zwei Leute einstiegen. Bei seinem Stockwerk stieg er aus und atmete noch einmal tief durch, ehe er in das Vorzimmer schritt, in dem Wyatt Smith saß, die Augen intensiv auf den Computerbildschirm vor sich gerichtet.

Als Yuriy hineinkam, hob er aus seiner Tätigkeit gerissen den Kopf, dann fiel sein Blick auf die Ordner, die er mit sich brachte und seine Miene hellte sich auf.

„Wundervoll!“, rief er enthusiastisch und erhob sich, „die Bilanzen! Sie Tausendsassa, auf den Tag genau abgeliefert! Warten Sie einen Moment, bitte, ich sehe nach, ob Herr Hiwatari frei ist.“

Ehe Yuriy auch nur Anstalten zu einer Antwort machen konnte, hatte Smith an der Tür zu Kais Büro geklopft, ein „Ja bitte!“ abgewartet und war dann dahinter verschwunden. Allein mit sich selbst gelassen wartete Yuriy im Vorzimmer und fühlte, wie lächerliche Nervosität ihm die Kehle zuschnürte. Das war es, dachte er: Nicht nur der endgültige Beweis seiner Fähigkeiten, Zertifikate hin oder her, sondern auch seine vielleicht letzte Konfrontation mit Kai.

Smith steckte den Kopf aus der Tür und lächelte ihn an. „Mr. Iwanov? Mr. Hiwatari empfängt Sie nun.“

Tatsächlich ... Bilanzen

Die Tage nach der Gala waren unerträglich für Kai.

Er fühlte sich wie eine unglücklich verheiratete Dame aus dem achtzehnten Jahrhundert, die ihrem unerreichbaren Liebhaber hinterher schmachtete, nur dass er weder eine Dame noch unglücklich verheiratet war. Nun, außer man zählte die Ehe zu seiner Arbeit, was Yuriy vermutlich tun würde. Nach zwei Stunden, in denen er reglos mit einem Gin Tonic neben sich auf der Chaiselongue dahingeschwunden war, musste er allerdings feststellen, dass man sich solches Schmachten offensichtlich nur leisten konnte, wenn Ammen für einen die Kindererziehung übernahmen. Gou hatte nämlich absolut kein Verständnis für das gebrochene Herz seines Vaters und forderte an diesem Sonntag mit Hiwatari‘scher Beharrlichkeit sein Recht auf familiäres Fußballspielen ein. Also raffte Kai sich auf, nur um möglichst erbärmlich aussehend mit Bartstoppeln, in Jesuslatschen, Brille und zerknittertem T-Shirt mit Gou zu seiner Mutter zu fahren. Misaki warf einen einzigen Blick auf sie, dann seufzte sie sehr laut, auf die gleiche Weise, auf die Kai seufzte, wenn Gou wieder einmal Pastasauce über den ganzen Tisch verteilt hatte.

„Oh, Kai“, sagte sie dann und umarmte ihn sehr fest. „Was ist denn passiert?“

Die Nähe seiner Mutter tat gut. Einen Moment lang gestattete Kai sich, sein Gesicht an ihrer Schulter zu vergraben und sich so erbarmungswürdig zu fühlen, wie er wollte. Dann richtete er sich wieder auf, nahm die letzten Reste seiner Würde zusammen und fuhr sich durch die Haare. „Ich weiß nicht. Es war dumm.“

„Dein Buchhalter?“, vermutete Misaki. Als Kai deprimiert nickte, seufzte sie erneut. „Nun, kommt erst einmal herein. Ich habe Tee gemacht.“

Natürlich hatte sie Tee gemacht. Im Gegensatz zu Kai und Ayaka zelebrierte Misaki jede Tasse Tee und brühte die extra aus Japan importierten Blätter noch auf traditionelle Art auf. Gou hatte früh gelernt, sich angemessen zu verhalten und sah es ein wenig als Spiel an, was Kai sehr in Ordnung fand. Außerdem hatte Misaki ein ordentliches Arsenal an Spielsachen, das Gou beschäftigt hielt, weshalb Kai die Gelegenheit bekam, ihr über einer Tasse Tee in aller Ruhe den desaströsen Galaabend zu schildern. Als er fertig war, wog Misaki besorgt den Kopf.

„Ach, das klingt nach einem Schlamassel, aber ich denke, dass ihr nur miteinander reden müsst“, sagte sie schließlich nachdenklich. „Hast du versucht, ihn zu erreichen?“

Kai nickte. „Er geht nicht ran.“

„Ein Sturschädel“, stellte Misaki fest und schmunzelte ein wenig. „Da haben sich wohl zwei gefunden. Nun, dann musst du eben im Büro mit ihm sprechen.“

„Ist das nicht ein bisschen fragwürdig wegen des Machtgefälles und so?“, zweifelte Kai und realisierte gleichzeitig, wie tief Yuriy seine Spuren hinterlassen hatte.

Misaki zuckte mit den Achseln. „Was willst du sonst machen? Probieren geht manchmal über studieren.“ Sie musterte ihn aufmerksam. „Ich sehe, dass er dir etwas bedeutet. Aber für das, was uns etwas bedeutet, müssen wir kämpfen.“
 

Kai dachte noch am nächsten Montag über ihre Worte nach, als er schon wieder in der Firma saß. Was Misaki nicht wusste war, dass er einer Konfrontation mit Yuriy ohnehin nicht entgehen konnte, nachdem die Bilanzen ausstanden und heute der Tag der Tage war. Aber sie hatte so oder so Recht. Also instruierte er seinen Assistenten, Mr. Iwanov von der Buchhaltung zu informieren, dass er bereit für die Besprechung der Bilanzen war. Kai hatte sich nie als feigen Menschen gesehen und wo man durch musste, musste man durch.

Dennoch konnte er nicht leugnen, dass sein Herz bis zum Hals schlug, als die Tür sich nach kurzem Klopfen öffnete. Da war er, der beste Buchhalter, den er jemals gehabt hatte und der doch noch so viel mehr war als das. Kai fühlte sich wie festgefroren, als Yuriy mit kalter Neutralität auf dem Gesicht nach einem kurzen Nicken zur Begrüßung begann, einen Ordner nach dem anderen von der Lastenkarre auf Kais Schreibtisch zu wuchten. Die Kluft zwischen ihnen hatte sich nie größer angefühlt. Kai, erschlagen von der Breite des interpersonellen Grabens, schwieg die ganze Zeit, bis Yuriy fertig war und ein Klemmbrett hervorzog, das er einen Moment lang studierte.

„Es gibt soweit eigentlich wenig Auffälligkeiten, bei der Hauptfirma und den meisten Tochterfirmen ergibt sich sogar ein Guthaben, das ich in den jeweiligen Ordnern noch einmal aufgelistet habe”, sagte er dann in unfassbar neutraler Stimme, „bei den Tochterfirmen, wo Nachzahlungen nötig sind…”

Kai hörte kaum zu, als Yuriy ein Notizbuch öffnete und begann, ihm die Gründe für die Nachzahlungen sowie deren Höhe und Deckungsmöglichkeiten herunterzubeten. Stattdessen starrte er ihn an, saugte seinen Anblick geradezu in sich auf, als ob er ihn noch nie gesehen hatte - oder als ob er ihn nie wieder sehen würde.

Er schreckte erst wieder auf, als Yuriy mit einem Knall das Notizbuch schloss und ihn dann mit einem undeutbaren Blick bedachte.

„Das war’s”, sagte er, „du kannst das in Ruhe durcharbeiten, während ich die nächste Woche auf Urlaub bin. Danach stehe ich für die Beantwortung von Fragen zur Verfügung, während ich über meine Kündigung nachdenke.”

„Kündigung?”, echote Kai. Er konnte geradezu fühlen, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich.

Yuriy taxierte ihn mit grimmigem Blick. „Ich mache einen verdammt guten Job. Aber ich muss mir überlegen, ob diese Zusammenarbeit nach all dem, was passiert ist, für mich noch lohnenswert ist.”

„Das ist doch lächerlich”, platzte Kai heraus, weil er manchmal einzigartig gut darin war, entweder nichts oder das Falsche zu sagen, wenn es darauf ankam.

„Es ist mir recht egal, ob du das lächerlich findest oder nicht”, erwiderte Yuriy kühl und nahm das Klemmbrett an sich. „Schönen Tag noch. Die Lastenkarre lasse ich dir da, du hast sicher irgendeinen unterbezahlten Praktikanten, der die wieder an Ort und Stelle zurückbringen kann.”

„Yuriy-”, begann Kai, aber der gab ihm keine Chance zum Ausreden. Stattdessen machte er auf dem Absatz kehrt und stürmte hinaus.

Krachend fiel die Tür hinter ihm zu. Kai starrte auf die Stelle, an der Yuriy eben noch gestanden hatte und versuchte zu verarbeiten, was soeben passiert war. Das war nicht, was er sich vorgestellt hatte. Das war nicht, was er gewollt hatte. Und mit einem Mal befiel ihn eine Angst, die sich mit keinem rationalen Gedanken beruhigen ließ. Was, wenn Yuriy aus seinem Urlaub nicht mehr zurückkam? Was, wenn er ihn nun wirklich ein für allemal verloren hatte?

Das war endlich genug, um ihn aus seiner Starre zu lösen. Er sprang auf, griff nach Brieftasche und Schlüssel und stolperte beinahe über den Lastenkarren und rauschte hinaus, Smiths verschreckten Blick ignorieren, als er an ihm vorbei durch das Vorzimmer rannte. Der Aufzug brauchte Ewigkeiten, also rannte Kai sämtliche Stockwerke hinunter, um schließlich außer Atem in der Buchhaltungsabteilung anzukommen - nur um Yuriys Büro verlassen vorzufinden, vollkommen ordentlich aufgeräumt und frei von irgendwelchen Anzeichen, dass der Mann bald wiederkommen würde. Er starrte auf den Schreibtisch, an dem sein Sohn vor einigen Wochen noch so unbeschwert herumgekritzelt hatte, dann drehte er um und rannte beinahe in Ms. Shields, die ihn überrumpelt anglotzte.

„Mr. Iwanov”, sagte er außer Atem und ohne Begrüßung, „wo ist er?”

Ms. Shields fing sich wieder und zog eine Braue hoch. „Der wollte gleich von der Besprechung mit Ihnen heim. Hat ein Taxi genommen, soweit ich weiß.”

Kai fluchte und rannte davon. Er erwischte diesmal einen Aufzug und trommelte mit den Fingerspitzen gegen das Geländer, während er sich scheinbar quälend langsam die Stockwerke hinunter in die Garage bewegte. Als die Türen sich öffneten, stürzte er zu seinem Auto, klemmte sich hinter das Steuer und schnallte sich an, ehe er in unwirklichem Tempo ausparkte und aus der Garage schoss.

Der Londoner Verkehr begrüßte ihn mit Zorn und Hupgeheul, was er wohl verdient hatte, nachdem er fuhr, als ob der Leibhaftige persönlich hinter ihm her war. Er wusste aus den Akten, wo Yuriy wohnte, auch wenn er noch nie dort gewesen war, und nun ignorierte er sämtliche roten Ampeln und Tempolimits, um in einem neuen Geschwindigkeitsrekord in die Nachbarschaft zu kommen. Blindlings parkte er soweit wie möglich in der Nähe von Yuriys Apartmentkomplex, schloss das Auto ab und schoss die Hausstufen hinauf. Er hatte Glück: Eine alte Frau sperrte gerade die Tür auf und er drängte sich an ihr vorbei, ohne auf ihr wütendes, spanisches Geschimpfe zu achten. Stattdessen hetzte er die Treppen hinauf, bis er schweißnass und schwer atmend an der richtigen Tür angekommen war. Einen Moment lang gönnte er sich Zeit zum Durchatmen, dann drückte er die Klingel.

Es dauerte einen quälend langen Moment, ehe die Tür aufging.

Kai blinzelte. Der Kerl, der ihm aufgemacht hatte, war eindeutig nicht Yuriy und sah aus, als ob er einen Juwelierladen ausgeraubt und sich die Auslage ins Gesicht gehängt hatte. Einen Moment lang starrten sie sich an, dann räusperte Kai sich. „Ist Yuriy da? Ich bin-”

„Schnöseliger Anzug, schöne Fresse”, sagte der andere, „du bist Kai.”

„Äh”, sagte Kai.

Weiter kam er nicht, bevor er eine Faust im Gesicht hatte.

Mit einem Fluchen stolperte er zurück und hielt sich die Nase, die in einem Feuerwerk aus Schmerz zu explodieren schien. „Was zum Fick?!”

„Arschloch”, sagte der Typ, der, wie Kai dämmerte, Boris sein musste, „wenn du nicht hier bist, um dich zu entschuldigen, gibt’s gleich Nachschlag, haben wir uns verstanden?”

„Was zum-” Kai fluchte erneut und betastete vorsichtig seine Nase, nur um festzustellen, dass Blut daraus tropfte.

„Sau’ mir hier ja nix voll”, sagte Boris wenig gefühlvoll, aber immerhin rief er etwas auf Russisch über die Schulter, ohne Kai dabei aus den Augen zu lassen - als ob er derjenige war, der aussah, als ob er auf regelmäßiger Basis irgendwelche krummen Dinger drehte. Kai funkelte ihn böse an und Boris funkelte böse zurück. So verharrten sie beide eine ganze Weile, bis hinter Boris schließlich Yuriy auftauchte, sichtlich noch in der Arbeitshose, aber das Hemd bereits eingetauscht gegen ein verblichenes Bandshirt wie jenes, das er bei Kai vergessen hatte. Kais Herz schmerzte bei dem Anblick mehr als seine Nase.

„Ich habe Feierabend“, sagte Yuriy langsam, „was willst du hier?“

Kai machte einen tiefen Atemzug. „Dich.“

„Ich kann ihm auch noch den Arm brechen“, bot Boris nach einem Moment der Stille an. „Oder so einen Finger? Das geht schnell.“

Etwas zuckte in Yuriys Gesicht, als ob er nicht recht wusste, ob er lachen oder weinen wollte. Boris knackte voller Vorfreude mit den Knöcheln. Kai funkelte ihn erneut finster an, dann richtete er seinen Blick wieder auf Yuriy.

„Bitte“, sagte er.

Yuriy verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn lange an, was Kai dazu nutzte, um sich die Überreste eines Taschentuchs in die Nase zu stopfen. Dann jedoch nickte er und schenkte Boris einen Blick, der mit einem tiefen Seufzer mit den Augen rollte und sich dann ins Innere der Wohnung trollte. Yuriy zog die Tür hinter ihm zu, und dann waren sie allein. Kai hätte sich eine andere Umgebung als den abgelebten Flur von Yuriys Wohnhaus für ihr Gespräch gesucht, aber er schätzte, dass er dankbar sein musste für das, was er hatte.

„Du hast fünf Minuten”, sagte Yuriy.

Kai holte erneut tief Luft. Dann sagte er sich, dass er in seinem Leben schon einiges gemeistert hatte - elende Gerichtsprozesse, schwierige Firmensituationen, ein Kleinkind, Gespräche mit der Lehrerin von besagtem Kleinkind - und dass er dementsprechend auch diese Situation bewältigen würde. Er musste einfach nur klar und deutlich statuieren, was er empfand und was er wollte. Dumm nur, dass das in Herzensangelegenheiten nicht unbedingt seine Stärke war. Egal. Er musste es versuchen.

„Du bist … ein unfassbar sturer Trottel”, sagte er.

Yuriy starrte ihn an. Dann drehte er sich um und machte Anstalten, die Wohnungstür zu öffnen. Kai, der realisierte, dass das vielleicht nicht der beste Weg gewesen war, diese Unterhaltung zu beginnen, packte ihn in einer Panikreaktion am Ärmel und zog ihn so kraftvoll zu sich, dass ihre Schultern fast schmerzhaft gegeneinander stießen.

Yuriy stieß einen Laut des Ärgers aus, dann zischte er: „Dafür bist du gekommen?”

„Nein!”, rief Kai, der in Momenten wie diesen seine Fähigkeit zur Leitung eines millionenschweren Unternehmens hinterfragte, geradezu verzweifelt. „Ich bin gekommen, um dir zu sagen-”

„Du bist nämlich ein viel sturerer Trottel als ich”, unterbrach Yuriy ihn prompt, weil er scheinbar sein Bedürfnis danach, sich in Rage zu reden, nicht unterdrücken konnte. „Du bist das sturste Arschloch, das ich kenne!”

„Entschuldige mal”, empörte sich Kai, der durch diese Worte ein wenig den Faden verlor. „Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geschaut?”

„Das gleiche könnte ich dich fragen! Schau dich an! Ich habe dir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nicht mit dir reden will und du bist mir sogar bis nach Hause gefolgt!”

„Weil ich dich liebe, du Arschloch!”, brüllte Kai.

Einen Moment lang war es still. Sie starrten sich wortlos an, während im Hintergrund langsam die ältere spanische Frau die Treppen hinaufkeuchte, in ihrem Stockwerk angekommen den Kopf schüttelte und mit einem gemurmelten „Hijos de puta” an ihnen vorbeizog. Sie versäumte es dabei nicht, Kai ihren schweren Einkaufsbeutel in die Seite zu rammen, weil sie den Gang blockierten. Kai, der den blauen Fleck förmlich schon spüren konnte, erlaubte sich ein kleines Röcheln, was Yuriy zu einem kurzen Lachen quittierte.

Das wiederum brach den Bann des Moments. Nachdem ein Stockwerk über ihnen eine Tür zugefallen war, sah Yuriy Kai mit seinen hellen Augen an, in denen zum ersten Mal seit Tagen keine Anklage stand.„Sag’ das nochmal.”

„Bin ich nicht schon geschlagen genug?”, murmelte Kai verdrießlich.

Yuriy grinste flüchtig. Es war schon erstaunlich, wie signifikant sich seine Laune in der letzten Minute gebessert hatte. „Komm’ schon.”

„Du hast es genau gehört”, sagte Kai weiterhin verdrießlicher, als er es vielleicht sein sollte angesichts der Tatsache, dass sich sein Blatt gerade zu wenden schien. „Ich empfinde was für dich. Was Echtes, was Gutes. Mein Sohn vergöttert dich.”

„Und du auch?”

Kai schnaufte. „Schnauze jetzt, lass mich ausreden!”

„Du machst das nicht besonders gut”, stellte Yuriy fest. „Da hat sich ja Mr. Darcy noch besser angestellt als das. Aber bitte, fahre fort.”

Einen Moment lang wusste Kai nicht, was er sagen sollte. Dann rieb er sich über das Gesicht, bereute es aufgrund seiner lädierten Nase augenblicklich und meinte schließlich: „Ich will dich nicht verlieren, okay? Nicht wegen etwas, das wir fixen können.”

„Können wir das?”

„Ja”, sagte Kai mit ehrlicher Überzeugung. „Wir können das. Wir beide können alles miteinander. Wenn du - wenn es für dich wirklich so überhaupt keine Chance mehr hat, dann akzeptiere ich das. Aber ich würd’s nicht gern tun, und es wäre auch nicht leicht für mich. Und wenn’s dir nur ein bisschen ähnlich geht, dann …”

Yuriy schloss die Augen und sagte einen langen Moment, in dem Kai das Blut in seinen Ohren rauschen hörte, absolut nichts. Aber dann öffnete er die Augen wieder und sah ihn an, ehe er nach seinen Händen griff und sie in seinen hielt.

„Es geht nicht nur dir so”, sagte er leise. „Ich hab’ vielleicht ein bisschen überreagiert.”

„Und ich hab’ ein paar Dinge vielleicht nicht ernst genug genommen.”

Sie schwiegen. Yuriy streichelte zärtlich mit der Unterseite seines Daumens über Kais Fingerknöchel, und Kai konnte spüren, wie sein Herz mit jeder Berührung ein Stück leichter wurde, bis ihm beinahe schwindelig war. Er lächelte und Yuriy erwiderte sein Lächeln. Als er sich zu ihm neigte, das Gesicht ein wenig nach oben gereckt, kam Yuriy ihm entgegen. Sie küssten sich ohne Eile in dem engen Gang, und Kais Hände lagen dabei die ganze Zeit in Yuriys. Sicherlich war noch einiges an Arbeit angesagt, aber es war nichts, was sie nicht schaffen konnten - denn sie wollten es, beide. Und gemeinsam konnten sie alles erreichen.

„Komm’ mit mir”, murmelte Yuriy gegen Kais Lippen, und Kai folgte ihm bedenkenlos.

Epilog

„-und anhand der Bilanzen des Vorjahrs lässt sich eine deutliche Gewinnsteigerung ausmachen. Wie aus den Zahlen ersichtlich ist, verzeichnet dabei besonders das Tochterunternehmen White Wolf einigen Zuwachs bei den …”

Kai Hiwatari, seines Zeichens CEO einer der erfolgreichsten nachhaltigen Firmen des Landes und gerade Vorsitzender einer wichtigen Online-Konferenz, verlor den Faden. Grund dafür war sein Sohn, der gerade in einem perfekt sitzenden Versace-Anzug, seinem blauen Paw-Patrol-Köfferchen und einer Sonnenbrille, die definitiv nicht Kai ihm gekauft hatte, zur Tür hereinmarschierte, vollkommen ungerührt einen Stuhl neben Kai schob und darauf kletterte, um dann seinen Koffer auf dem Schoß zu öffnen. Darin lagen lediglich eine Etikettiermaschine, die Kai sehr bekannt vorkam, ein einziger Zettel und eine Armee an Filzstiften, die Gou sorgfältig mit hochkonzentrierter Miene vor sich am Tisch sortierte.

„Wir können jetzt anfangen”, sagte er dann gewichtig und zog seine Braue auf eine Art hoch, die er auch nicht von Kai hatte.

Kai war sich der teils amüsierten, teils resignierten Blicke der anderen Konferenzteilnehmenden deutlich bewusst. Er zwang sich zu einem Lächeln in Richtung des Bildschirms und räusperte sich. „Entschuldigen Sie mich bitte, ich komme gleich wieder.“

„Papa, du kannst jetzt keine Pinkelpause machen, wir haben eine Konferenz“, erklärte Gou ernst und rückte sich die angeklipste Krawatte zurecht. „Hallo, guten Morgen.“

Kai konnte sehen, dass mindestens vier der sechs Anwesenden amüsiert und vielleicht sogar ein wenig gerührt waren, als sie seinen Sohn grüßten, aber dennoch konnte er fühlen, wie seine Ohren heiß vor Scham wurden.

Ein unterdrücktes Gelächter vom Türrahmen aus ließ ihn aufsehen. Da war sein Lebensgefährte von mittlerweile fast zwei Jahren mit dem Rücken gegen den Türrahmen drapiert, gekleidet in einen von Prinzessin Elsa inspirierten blauen Morgenmantel mit weißen Federn an den Säumen, auf den Gou für ihn bestanden hatte, nachdem die Fortsetzung des Frozen-Films seine Leidenschaft dafür neu entfacht hatte. Yuriy hielt ein Martiniglas in der Hand, das einen Zahnstocher mit unmöglich vielen Oliven aufwies. Über die Jahre hatten sie begonnen, Kompromisse miteinander zu schließen und in Yuriys Fall hieß das, dass er angefangen hatte, gelegentlich den Status eines Luxusweibchens genussvoll zu imitieren (oder, wie er es zur Beruhigung seines Gewissens nannte, zu parodieren). Als er Kais Blick auf sich spürte, zwinkerte er ihm zu, hob das Glas an und schloss die Lippen um die oberste Olive, um sie schwungvoll vom Zahnstocher zu ziehen. Kai wurde wieder heiß, diesmal allerdings aus einem anderen Grund.

„Brauchst du noch lang?“, fragte Yuriy, kaute genüsslich an der Olive herum und schluckte sie, ehe er sich über die Lippen leckte. „Boris ist schon da und Takao und Hiromi kommen auch bald.“

„Ich brauch‘ nur zehn Minuten“, sagte Kai, der den Videocall in weiser Voraussicht auf stumm gestellt hatte.

Yuriy grinste. „Wir beide wissen, dass du es bei entsprechender Motivation auch unter fünf schaffst.“ Er lachte Kai lautlos aus, als der ihm einen bösen Blick zuwarf und ihm außerhalb der Sichtweite der Videokamera den Mittelfinger zeigte. „Komm schon, es ist dein Geburtstag.“

„Zehn Minuten!“, wiederholte Kai und nahm Gou, um ihn unter lautem Protest zu Yuriy zu bringen und vor ihm abzustellen. Dann reckte er sich hoch, glitt mit den Fingern sanft durch Yuriys weiche, rote Strähnen und fing seine Lippen zu einem Kuss ein. „Ich mach‘ das hier noch fertig, dann komm‘ ich.“

„Wenn du Hilfe mit den Zahlen brauchst …“, fing Yuriy an.

Kai drückte ihm noch einen Kuss auf. „Bitte genieß deinen Urlaub. Ich verdiene uns noch rasch die Flitterwochen und dann komme ich.“

„Noch hast du keinen Ring“, erinnerte Yuriy ihn, aber er nahm Gou sachte an die Hand, die kein Glas hielt. „Na komm‘, lapatschka, lassen wir Papa arbeiten, okay?“

„Okay, Papenka“, sagte Gou friedfertig. „Darf ich dir meinen Vortrag halten? Ich hab‘ geübt!“

„Natürlich, solnyschko“, sagte Yuriy mit buttrig-zarter Stimme wie immer, wenn Gou gerade dabei war, ihn um den kleinen Finger zu wickeln, dann gingen sie.

Kai erlaubte sich noch einen Moment, ihnen mit einem versonnenen kleinen Lächeln hinterherzublicken. Ja, das Leben war nicht perfekt, aber es war schön. Es war schön, und sie würden daran arbeiten, dass es auch immer schöner wurde.

Mit einem Lächeln wandte er sich ab und ging zurück an die Arbeit.

„Na schön, meine verehrten Anwesenden“, sagte er, „ich habe zehn Minuten, nicht mehr. Das Leben ruft.“



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Von:  WeißeWölfinLarka
2021-04-03T21:27:53+00:00 03.04.2021 23:27
Zwei Jahre! OmG! Zwei Jahre sind vergangen! So ein entspannter Umgang miteinander!
Ich denke gerade darüber nach, dass Gou ja dann auch mitgealtert sein muss. Ist er dann mit … was war er am Anfang, fünf? Sechs? Ist er dann mit sieben oder acht nicht zu alt für Paw Patrol? Wo-bei… immerhin besser als Peppa Pig. XD

Ich habe mich schon gefragt, ob Kai die Videokonferenz nicht stumm schalten will xD
Ich meine, immerhin kennen wir das jetzt alle, wie das geht, es ist kein Hexenwerk mehr – und es fühlt sich nah an, man weiß, wie so eine Konferenz – in der Theorie – abläuft.

Mir gefällt die Bildtechnik der heißen Ohren und des Blutes, das immer woanders dinge heiß wer-den lässt. XD

Und dieses herrliche Zusammenspiel von Mittelfinger und PDA, ich hoffe, das war auch ein biss-chen außerhalb der Kamera?

Die vielen kleinen Verweise: Flitterwochen, (noch nicht existenter) Ring am Finger, Geburtstag… Es ist toll! Gou wickelt Yuriy um den Finger… Ich finde, du solltest dringend so kleine Snippets schrei-ben, in der eben auch awesome Onkel Boris auftaucht und mit Gou Abenteuer unternimmt.

Hach.
Ich liebe Chefdaddy.
Der letzte Satz von Kai ist so von Herzen… Ein sehr schöner Abschluss.


Antwort von:  Mitternachtsblick
05.04.2021 20:12
Es freut mich sehr, wenn es dir Spaß gemacht hat. ❤️ Mal sehen wegen der Snippets, vielleicht als Geburtstags-Oneshot für die ein oder andere!
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
05.04.2021 20:58
ohhhhhh! Ja das wär doch was!
Da stehen ja auch noch ein paar Geburtstage aus, oh je ^^°
Von:  WeißeWölfinLarka
2021-04-03T21:27:42+00:00 03.04.2021 23:27
Ach du liebe Güte. Dieser Aufzug… ich bin sehr versucht, den Schlappen-Aufzug von Kai zu zeich-nen, aber ich fürchte, daran scheitert mein Können… Es ist sehr lieb!

Wie Tee einfach das Universalmittel bei schlechter Laune, guter Laune, Erzählwerk und Liebes-kommer ist! (Gut, Alkohol oft auch, aber ich mag den roten Faden, der in Form von „Tee“ offen-sichtlich in deiner Geschichte alles irgendwie zusammenhält.)

Ich liebe diese … na schon fast antiquiert klingenden fancy Worte, die du benutzt. Tausandsassa im letzten Kapitel, jetzt „Schlamassel“ – wohlgewählte Worte, die in enger Verbindung mit der elegan-ten Dame aus dem 18. Jh. stehen, so bleibt alles wohlgeordnet und verbunden!

Heißt das Titel Bilanzen… weil sie nun endlich die Bilanz ihrer Beziehung ziehen?

Die Jungs können von Glück reden, dass sie beide starke Frauenfiguren in ihrem Leben haben, die ihnen dazu raten, miteinander zu reden. Was zum Fick, Kai und Yuriy, kriegt den Kopf aus dem Arsch und legt los!
… Okay, ja so war das nicht gemeint. Gott, Kai hat weiß Gott wirklcih ein Talent… Sehr anschaulich beschrieben, sehr anschaulich gezeigt. Wolltest du ihn beim Schreiben nicht auch manchmal an die Wand klatschen?
Diese Sturheit, die ist manchmal nicht auszuhalten. Und dieser Leichtsinn, #nofilter, wenn Hirn und Mund nicht zusammenarbeiten… Passt gut für Kai, aber damn, ist er ein Schwachkopf! Kein Wun-der, dass er immer in Eile und am Hetzen ist, weil er für das, was er sagt, die Beine in die Hand nehmen und Wiedergutmachung leisten muss! (Was man nicht im Kopf hat #Filter!, muss man in den Beinen haben, so wahr !)

>> Der Kerl, der ihm aufgemacht hatte, war eindeutig nicht Yuriy und sah aus, als ob er einen Juwe-lierladen ausgeraubt und sich die Auslage ins Gesicht gehängt hatte.<<
Kai, your inner Wanker is showing… Vorurteile much?!
(Ich liebs!)

Ich kann einfach nicht mehr. Omg. Ich habe diese Stelle so erwartet, aber sie endlich zu lesen ist… O:M:G!!!
Kai mit blutender Nase, ein drohender Boris, der wie eine weitaus bedrohlichere Leibgarde der Queen vor Yuriy aufgebaut eben diesen beschützt und Yuriy, halb leger, halb bizziness, nicht Fisch, nicht Fleisch, alle irgendwie verfahren – und dann Kai wieder #nofilter ohne brain eh, ich kann nicht.
I am wheezing! (mit halb gebrochenem Herzen!)
Was ist das das für ein Gesprächsanfang?! Yo, du willst die Wildflamme in deinem Leben zurück? Am besten beleidigst du ihn direkt, zum Einstieg, damit er dir – bestenfalls – die Tür ins Gesicht knallt und – schlechtesten Falls – seinen wilden Mitbewohner auf dich loslässt. Halleluja, wie hat dieser Kerl es überhaupt geschafft, CEO zu werden?! Autsch. (Und damit ist nicht die blutende Na-se gemeint!!)

>> „Weil ich dich liebe, du Arschloch!”<<
Hmmm… So hätte der Titel dieser Story auch lauten können… XD

(Nebenbei ein bisschen Liebe für das arme, alte spanische Mütterchen…XD)

>> Mein Sohn vergöttert dich.”
„Und du auch?”
Kai schnaufte. „Schnauze jetzt, lass mich ausreden!”<<
Ahihihi, komm schon Kai, gib ihm die Genugtuung! Mein kleines, gebrochenes Herz setzt sich gera-de freudehüpfend wieder zusammen :D

>> Yuriy streichelte zärtlich mit der Unterseite seines Daumens über Kais Fingerknöchel, und Kai konnte spüren, wie sein Herz mit jeder Berührung ein Stück leichter wurde, bis ihm beinahe schwindelig war.<<
Oh so sappy! So sappy and happy and GAAAAAAAAYYYY!
Gott, wie ich mich freue!
Dieses Kapitel hat alles: Spannung, Frustration, Witz, Klopperei, Auflösung!
Den Satz >> Und gemeinsam konnten sie alles erreichen.<< finde ich zwar schon fast ein bisschen zu klischeehaft, aber nach dieser Achterbahnfahrt brauche ich mein Happy End!

Mal sehen, was der Epilog noch mit sich bringt :D

Antwort von:  Mitternachtsblick
05.04.2021 20:11
Jooooooo es ist extrem gay und kitschig, aber es ist auch eine RomCom, deswegen war das Kapitel kitschig UND romantisch :D und schöne Grüße an das alte spanische Mütterchen, das auch sicher besonders darüber gefreut hat, dass die zwei hijos di putas endlich vom Gang verschwunden sind. XD
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
05.04.2021 20:57
Ach ja, des war ja eine RomCom XD
Von:  WeißeWölfinLarka
2021-04-03T21:27:26+00:00 03.04.2021 23:27
>>„Schwarztee, Saft und Toast“ <<
Wohl eher: „Schwanztee, Sanft und Trost“ ?
Mensch, durch die Snippets bin ich schon so gespannt, wann Boris Kai die Fresse poliert…
Viel, sehr viel Liebe für Boris und seine freie Schnauze, die sich niemals anleinen lassen wird. Wieso ist Yuriy in einem Loch gelandet? Warum war da eine Kuh? Oh Gott, jetzt denke ich an diesen Co-mic, der in den Weiten des WWW dümpelt, indem eine Kuh nachts – Mission Impossible Style - immer Leuten die Haare anleckt, und dass deshalb morgens die Haare abstehen. (Hab das jetzt als Referenz gegoogelt: da hast du: https://i.pinimg.com/736x/07/30/b1/0730b1e1a2ccc81d5cc14c1e4262a13f--cow-hair.jpg)

Awww noes, my poor Baby! Armer Yuriy-Tropf! Keine Männer mehr? Niemals nicht? So schlimm, hm? Nicht mal Boris traut sich noch Witze zu reißen…
>> Boris zeigte, dass er ein guter Mann war, indem er Yuriy nicht darauf hinwies, dass er ja eigent-lich nicht darüber reden wollte.<<
Ein sehr guter Mann. Lieblingsmensch halt.
Shit, ich liebe es, wie Yuriy lamentiert und sein Ausruf „Ich mochte sogar das Kind!“ ist unglaublich entzückend.
Nononono, mir zieht es sich zusammen. Die Szene ist so leidend… Ich weiß nicht, ob ich weiterlesen soll, damit sie schnell vorbei ist, wie ein Pflaster, das man schnell abreißt – oder ob ich, wie jetzt auch, immer wieder pausiere, um den Kommentar weiter zu schreiben, und mich durch die Szene quälend langsam schiebe, um möglichst viel von dem Leid mitzunehmen?
Es ist aber erquicklich, dass Boris zwar bedingungslos loyal ist, aber Yuriy auch andere Sichtweisen näherbringt. Der Einwand, Yuriy sei manchmal sehr intensiv, ist ja durchaus berechtigt – und ich finde es sehr schön, dass ihre Freundschaft das so zeigt.
Und ich finde, dass Yuriy ja schon noch nach der Urlaubswoche eine Arbeitswoche dran hängen sollte, denn dann hätte Boris wenigstens noch den Geschirrspüler. Wobei… er hat ja einen namens Yuriy ;P

Diese Julia-Boris-Yuriy-Konstellation, egal in welcher Reihenfolge, die berührt mich auf Ebenen… ich wusste nicht, dass ich das vermisst hab, bis du damit angefangen hast, sie so existieren zu lassen!
Schön, dass Julia sich anmaulen lässt, aber das abprallt wie Tränen von einlaminierten Einladungs-karten.
Ich überlege gerade ernsthaft, ob ich mal einen Screwdriver von Boris probieren möchte… Ich mein, meistens mache ich mir selbst in gleicher weise solche, aber… ein bisschen Angst hab ich dann doch vor seinen „künsten“…

>:DDDDD
OMG Julia, du geile Sau, was tätschelst du Boris an und endest deinen Satz mit einem „na ja“?! Shit, sie ist die allergeilste, echt! Die, die im Hintergrund die Fäden zieht, die Strippenzieherin, damit irgendwie alle vielleicht glücklich werden… ich hoffe, sie ist auch mit sich glücklich.
Das Besäufnis war notwendig, und es ist Balsam, zu lesen, dass sowohl Julia als auch Boris ihm gut zureden. Wie Julia könnte ich ja in die Luft gehen, weil immer dieses „Nicht drüber sprechen“ (ein gutes Spannung aufbauendes Tropendingsi) mich WAHNSINNIG macht. Wirklich, da werde ich im-mer ganz fickerig, wenn mir das begegnet. Immerhin stimmt mich Yuriys innere Gedankenwelt hoffnungsvoll, dass er eine mögliche Kommunikation in Betracht zieht – wenn auch das nur gaaaaanz am Rande aufzwitschert.

Ach Ficken, ich hab so lange nicht mehr gelesen, dass ich nicht mehr einordnen kann: Mariam war AUCH eine Kollegin, aber Julia… arbeitet in einer anderen Abteilung? Ich bin verwirrt. (Und du hast keine Charaliste, wein wein! T____T) Mir gefällt, wie du Mariams Körpersprache beschreibst und ihre… awkwardness in Bezug auf Gefühls“duselei“.

Elli omg was ist Wyatt :,,,D
Tausendsassa? Wundervoll? Fehlt noch ein Huzzah, und „Wohlan, Ehrenmann“ – gott, ich musste so lachen XD
Und ugh…
>> Smith steckte den Kopf aus der Tür und lächelte ihn an. „Mr. Iwanov? Mr. Hiwatari empfängt Sie nun.“<<
Wie kann ein so freundlicher Satz so unheilschwanger klingen?

Antwort von:  Mitternachtsblick
05.04.2021 20:04
Omg Larka, „Schwanztee, Sanft und Trost“, ich kann nicht mehr XDD und das Bild mit der Kuh ist zu perfekt!
Julia ist einfach die beste und hat immer recht, und wenn sie mal nicht recht hat, tritt automatisch Regel Nummer eins in Kraft. :D Sie sollte mit Boris die Shisha Bar auf Mallorca eröffnen, finde ich.
Julia macht in Kais Firma Grafikdesign als Freelancing, Mariam arbeitet enger mit Yuriy zusammen und ist seine Kollegin/direkte Vorgesetzte. :3
Wyatt ist arm und überarbeitet, lass ihm seine kleinen Freuden. XD
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
05.04.2021 20:57
XD Arme Wyatt. Aber er kriegt nur ne kleine Dose Mitleid XD
Sie sollte tatsächlich die Shisha Bar aufmachen, sofern das mit den marxistischen Überzeugungen von Boris übereinpasst XD
Von:  WeißeWölfinLarka
2021-04-03T21:27:05+00:00 03.04.2021 23:27
So, komm ich dann jetzt auch mal wieder zum lesen – und kommentieren! Aber das schöne ist, ich komm schnell wieder rein ;D
Ahh, no, das Trügerische macht mich fertig!
Mir kommt grad die Frage in den Sinn, wie das nochmal, war, ob Kai einfach bi ist oder… er es erst später festgestellt hat, dass er auf Männer steht? Ich mein, eigentlich tut es nichts zur Sache, aber ich bin neugierig… vllt sollte ich doch noch mal spekulieren, ob du das schon irgendwo aufgelöst hast.

Gehört die Ortmalerei, also die Beschreibung des Schlosses, wo diese Party stattfindet, zu dieser ominösen Raumtheorie, von der du immer sprichst? Ich mag es einfach sehr, wie du in Szenerei und Umgebung einführst. Ich fühle mich sehr lebendig und „vor Ort“, das möchte ich noch einmal betonen!
Aber was will der Typ Goodwin mit so vielen Pfauen?!

>>…ein Spielfeld, das Yuriy so nicht kannte und das ein paar Kenntnisse voraussetzte, die er nicht besaß, um nicht von den Spielenden verschlungen zu werden.<<
Hmm!
Ich finde es spannend, dass Kai diese Gedanken als gesetzt hinnimmt. Ich meine, woher nimmt er dieses Selbstverständnis? Könnte ja auch sein, dass Yuriy das Spiel beherrscht? Hier bahnt sich schon großartiges Konflikpotential an – zwischen Kai und seiner „Wildflamme“ (zugegeben, dar-über musste ich etwas lachen^^°)
Hm, ja okay, die Erklärung im Anschluss ist logisch. (Für einen Moment dachte ich: Moment, abge-schirmt? Ich dachte, Kai plottet gegen seinen Grovater… oh, das war Berlin Au. Aaah, alles geht durcheinander hier^^)

OMG OMG OMG Yuriy nennt Kai „ljubov“ – THIS IS NOT A DRILL; I REPEAT !!!! AAAHAHHHHHHHHH!
Ahihi, und ihre Hände streifen sich – so romanddisch! :D

DAS ist der einzige Unterschied zwischen Punsch und Bowle? Uff! Wieder was Neues gelernt. (Es ist zwar nicht der langweiligste Fakt für mich, so wie für Yuriy, aber boy, I feel you tho)

Dass Tanzkapaden immer mit Alkohol begründet werden müssen… *ähem* XD
Ich persönlich finde, Champagner verspricht immer mehr, als er halten kann. Da schmeckt normaler Sekt einfach oft besser. :D Darum bin ich froh, dass Kai und Yuriy guten Champagner trinken, der schmeckt. Oh Mann, ich bin trotzdem sehr aufgeregt, wie wann und wo denn jetzt die große Blase platzt!

Isolde? Omg Isolde… Und ich dachte ja, jetzt kommt Mr. Dickenson angewalzt!
Oh Gott ist das herrlich, fasse es nicht und sitze lachweinend vor dem Rechner! Scharfe Zunge, omg, Kai tut ein Gutes, nach seiner Bemerkung über Yuriys Fach“künste“ zu ihm zu schauen. Das hat er doch auch nur gesagt, weil Isolde, die Holde, zu interessiert an Yuriy war! XD (A la „Revier markieren“ und so..) Und es ist einfach wundervoll, wie Yuriy zum Abschluss dieser Szene dann Mr. Haversham zitiert, oh Gott, ich lieb das so! XD Immerhin zeigt Yuriy jetzt, wie aalglatt auch er sein kann und dass Kai ihn bloß nicht unterschätzen sollte… mhm, oh ja!

Oh, Ach jaaa! Yuriy kann in dieser Geschichte tanzen! Tango mit Julia und so! Hervorragend. Und Fuck, wirklich, ich sehe das sehr lebendig vor mir, die Blicke, das Lippenspiel, die FÜHLS in Kais Herz UND Hose, hach…
Den Quickstep musste ich googeln, und ich kann sehr gut das desaströse Potential dieses Schrittes nachempfinden. Scheint eins der Basics zu sein, aber mit zwei linken füßen sicher schwer. Ich freu mich umso mehr, dass sie daran Freude finden und darüber lachen können!
(Ich liebe außerdem die Trope von Tanzeinlagen in Fics!)

Oh weia, oh je! Einerseits kann ich Kais Genervtheit verstehen, weil man manchmal einfach nur genießen möchte, aber eigentlich weiß er, dass Yuriy Recht hat und autsch, die Sache mit der „Art und Weise“ des drauf Hinweisens, uff, that hits home. Ich spüre regelrecht diese sich anbahnende Anspannung, die ich ja schon die ganze Zeit erwartet habe, aber sie kommt doch… na nicht uner-wartet, aber an der passenden Stelle, wo sie richtig wirkt und unangenehm auffällt.

>> „Es wäre mir ganz recht, wenn du wenigstens für einen Abend ein bisschen weniger wärst, wie du bist.” Es war ihm herausgerutscht, noch ehe er sich davon abhalten konnte, aber die Reue dar-über setzte augenblicklich ein.
„Wow”, sagte Yuriy nach einer unangenehm langen Pause und stellte den Teller auf dem kleinen Tisch neben ihnen ab. „Verstehe. Alles klar.”<<
Fuuuuuuuuck, autsch ey. Das tut beim Lesen so weh!
Ich finde es sehr konform, hier merkt man, dass beide nicht aus ihrer Haut können und dass es in ihrer Beziehung Ecken und Kanten gibt, die sie noch nicht ausgelotet haben, und dass sie sich noch nicht wirklich mit wirklich jeder Facette des anderen gemeinsam zusammen auseinandergesetzt haben... Yuriy fasst Kais Einstellung sehr passend zusammen, finde ich.
(Bonvivant, neues Wort gelernt XD)

Zum Ende des Kapitels erstmal Luft holen. Es gibt nur noch zwei Kapitel bis zum Epilog. Ich meine, es gibt ja ein Happy End. Oder? ODER?
Die Metaphorik der Beklemmung ist sehr eindrucksvoll und fesselt mich ebenso.

Antwort von:  Mitternachtsblick
05.04.2021 19:55
Ihihihhihi ❤️
- Kai ist in der Story bi, aber ich weiß nicht, ob ich das irgendwo explizit erwähne. :3
- Die Pfaue sind eine Malfoy-Anspielung, weil ich es nicht lassen konnte XD
- Ich bin auch kein Fan von Schaumwein, schon gar nicht von Champagner, aber muss unter den feinen Leuten halt, nech.
- Ich freu mich sehr, dass du unterhalten warst, bevor die Scheiße den Ventilator getroffen hat. :D
Antwort von:  WeißeWölfinLarka
05.04.2021 20:59
Malfoy hatte Pfauen? Omg. Warum habe ich das vergessen.
Ich erinnere mich gerade lachend an das Aufeinandertreffen dieser beiden trottel, wie geil die instantly aufeinander waren.. herrlich.
Von:  FreeWolf
2020-11-01T18:19:34+00:00 01.11.2020 19:19
Yuriy IMITIERT DIE LUXUSWEIBCHEN. Oh Hott, och habe laut gelacht. 😂
Antwort von:  Mitternachtsblick
04.11.2020 13:48
Das ist seine Art von Kompromiss XDD
Von:  Phoenix-of-Darkness
2020-10-31T06:15:01+00:00 31.10.2020 07:15
Ein gelungener Epilog!!!!
Ich habe tatsächlich ein lachendes und ein weinendes Auge dabei.
Es ist sehr schade, dass die Story jetzt zuende ist. Aber es war ein herzerwärmendes Finale.
Ich liebe es, dass Gou bei der Paw Patrol angekommen ist und wie er nach Außen seinen Papa imitiert (Anzug, "Aktentasche") und dennoch viele Eigenschaften von Yuriy angenommen hat (Stifte sortieren etc).
Antwort von:  Mitternachtsblick
01.11.2020 17:55
Dankeschön! Ich bin froh, dass der Epilog ein gelungenes Ende war. ❤️
Von:  Phoenix-of-Darkness
2020-10-28T15:04:05+00:00 28.10.2020 16:04
Awww ❤
Ich habe feels...viele viele und awwww ❤❤❤
Von:  LittleLionHead
2020-08-07T18:06:21+00:00 07.08.2020 20:06
Vorletztes Kapitel schon? O.O aber die beiden haben doch noch sooo viel zu klären und vertragen müssen sie sich auch noch! Waaaaaaah. Boris liebe ich sehr in diesem Kapitel. Für Yuriy ist er bestimmt manchmal a real pain in the ass, aber man merkt doch dass er nur das Beste für Yuriy will. Wie ne Mama halt. ❤️ Auf die (HOFFENTLICH NICHT LETZTE) Konfrontation zwischen Yuriy und Kai bin ich sehr gespannt. Aber ich hab auch ein bisschen Angst.
Antwort von:  Mitternachtsblick
28.10.2020 15:50
Shhhh es wird alles gut! Das hier ist immerhin eine RomCom. ;)
Von:  Phoenix-of-Darkness
2020-08-07T15:44:23+00:00 07.08.2020 17:44
"...Mr. Hiwatari empfängt Sie nun"..

Uhhh unter anderen Umständen wäre das ein Mr. Grey Moment.
Doch das wird es wohl nicht...
Allgemein bin ich sehr gespannt wie das letzte Kapitel verlaufen wird. Doch nun zu diesem. Es schmerzt, dass es das Vorletzte ist. Boris war wieder mein Held. Mir gefiel auch, dass er kurzzeitig eher auf Kais Seite war und so vielleicht Yuriy auch etwas zum Grübeln gebracht hat.
Übrigens find ich die Combo BoJu auch sehr genial.

Mariam war irgendwie süß...so unbeholfen 😅
Antwort von:  Mitternachtsblick
28.10.2020 15:51
Ahahaha du hast die Fifty-Shades-Anspielung verstanden, sehr gut XD

Ja, ich stelle mir vor, dass Mariam ein bisschen unbeholfen ist, wenn es um den Ausdruck von echten Gefühlen geht, aber das mag ich!
Von:  Phoenix-of-Darkness
2020-07-30T14:14:21+00:00 30.07.2020 16:14
Yuriy ist so ne Dramabitch!!!
Gut, Kai war da etwas sehr barsch...aber ja...ja ich kann ihn durchaus verstehen. Dennoch war es furchtbar ihre Konversation zu lesen. Sie war echt gut geschrieben...aber man kann nur den Kopf über die beiden schütteln.
Ich hoffe inständig, dass Yura checkt...dass er nicht ganz unschuldig an der Situation ist. Immerhin ist sich Kai bereits bewusst, dass es dämlich war.
Antwort von:  Mitternachtsblick
28.08.2020 12:20
Wie Jay so treffend gemeint hat: "Es tut weh, aber die beiden sind nun mal idioten, also was sollen wir machen?" XDD Aber das wird schon, es ist immerhin eine total seriöse RomCom und die kommt mit Happy End!


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