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Sir Peter Wolfstöter - Der Prächtige

von

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Zweifel

Peter und seine Geschwister befanden sich alle in Aslans Lager. Er hatte es irgendwie geschafft seine Geschwister vor den Wölfen zu retten. Ja mehr noch: Der Alpha war tot. Dennoch, dabei handelte es sich um reines Glück. Peter hatte das Schwert günstig in die Höhe gehalten, und der Wolf sich durch den Sprung selbst aufgespießt. Wie sollte er nur seine Geschwister beschützen? Sich wieder nur auf Glück verlassen? Aslan und die anderen hatten so große Erwartungen in sie. Lucy war zu klein und Susan wollte er diese Bürde auch nicht aufhalsen – also blieb nur mehr er, Peter, als großer Bruder und Vaterersatz übrig.
 

Verzweifelt starrte er an die Decke seines Zeltes. Man behandelte sie gut, mehr als nur gut, und trotzdem: Was, wenn sie ihre neuen Freunde enttäuschten? Würden sie genauso grausam bestraft werden, wie es die Weiße Hexe tat? Peter strich sich einige Strähnen seines dunkelblonden Haares aus dem Gesicht und seufzte schwer. Edmund hatte sie außerdem verraten. Das war seine Schuld, ganz sicher. Hätte er ihn nicht so zusammengestaucht, dann wäre er geblieben. Wie sollte er dessen Verschwinden seinen Eltern beibringen? Wie wollten sie überhaupt nach Hause zurückkommen? Wollten sie zurück? Hier herrschte Krieg, genauso wie in der anderen Welt, aus der sie kamen.
 

Gedankenverloren griff er nach dem Schwert, welches er neben sein Lager geworfen hatte. Langsam zog er die Klinge aus der Lederscheide und betrachtete sein Spiegelbild in der blank polierten Waffe. Das Licht der Fackeln, welches von draußen hereindrang, spiegelte sich im kalten Stahl des Schwertes wider. Er war kein Held, er war einfach nur ein fünfzehnjähriger Junge, Peter Pevensie. Wie konnten man überhaupt glauben, dass ein paar Halbwüchsige der Aufgabe, ein ganzes Land zu retten, gewachsen sein könnten? Sie waren hier so vielen seltsamen Wesen begegnet. Sprechende Tiere, Zentauren, Zwerge – alles Gestalten aus Märchen und Sagen. Träumte er? Nachdenklich zwickte er sich in den Unterarm, als ihn ein amüsiertes Lachen aufschrecken ließ.
 

Aslan hockte in seinem Zelteingang. Der Löwe lächelte und beobachtete Peter bei dessen Tun. „Du kannst es noch immer nicht glauben, dass dies hier alles real ist? Kein Traum, keine Halluzination – Narnia ist real. So real, wie du und deine Geschwister es sind.“ Aslans Stimme war melodisch und kräftig, aber doch auch ruhig und sanft. Schmunzelnd schüttelte er seine Mähne und trabte zu Peter an dessen Bettstatt. „Machst du dir Sorgen, der Aufgabe nicht gewachsen zu sein?“, erkundigte sich der Löwe. Peter zögerte. Sollte er wirklich die Wahrheit sagen? Was, wenn Aslan böse wurde?
 

„Peter“, begann Aslan und hockte sich wieder hin, „Es ist normal, Angst zu haben. Daran ist nichts verwerflich, im Gegenteil: Angst ist etwas Gutes. Sie hält uns am Boden, warnt uns vor Gefahr, rettet manchmal sogar unser Leben.“ Der Löwe streckte seine rechte Pranke aus und bettete sie auf Peters Beinen. „Aber, es gibt auch Momente, in denen sie unbegründet ist, fast schon hinderlich. Du hast einen der Henker der Weißen Hexe getötet, und das mühelos.“
 

Peter schüttelte energisch den Kopf. „Aslan, das war pures Glück. Der Wolf ist in mein Schwert gesprungen. Ich hatte bisher noch nie eine Waffe in den Händen. Warum auch? Ich bin 15, und kein Soldat, schon gar kein Krieger.“ Irgendwie tat es gut, sich die Sorgen von der Seele zu reden. Auch wenn Aslan ein Löwe war, so hatte seine Präsenz etwas Beruhigendes an sich. Aufmerksam hörte die Raubkatze zu, während ihr Peter sein Herz ausschüttete. „Ich weiß nicht einmal, wie ich mit diesem Ding umgehen muss“, flüsterte der Teenager leise und drehte die Klinge in seiner Hand.
 

„Warum nimmst du dir nicht ein Beispiel an deiner kleinen Schwester, Peter?“ erkundigte sich der Löwe ruhig und klopfte sanft mit der Pranke auf Peters Beine. „Lucy ist viel jünger als du, und glaubt dennoch fest daran, der Aufgabe gewachsen zu sein.“ Der Junge schüttelte daraufhin den Kopf: „Aslan, sie ist ein kleines Mädchen. Für sie ist das alles nur ein Abenteuer. Sie kann die Gefahr gar nicht richtig abschätzen, der wir täglich ausgesetzt sind.“ Leise seufzte die Raubkatze und schüttelte erneut ihre Mähne. Lucy war deutlich unkomplizierter als ihre Geschwister. Peter war der Schlimmste. Er zweifelte so an sich, obwohl dies nicht nötig war.
 

Langsam zog Aslan seine Pranke zurück und richtete sich auf. Er konnte ein lautstarkes Gähnen nicht unterdrücken, was Peter dazu veranlasste, zusammenzuzucken. Obwohl der Löwe sich als Freund entpuppt hatte, so war sein Gebiss immer noch mehr als nur furchteinflößend. „Peter“, begann Aslan und lächelte breit. „Deine Zweifel sind unbegründet. Möchtest du, dass du dich ihrer entledigst?“ Der Junge schrägte kurz den Kopf, nur um dann eifrig zu nicken. „Nun denn, schließe deine Augen und lege dich auf dein Bett zurück“, forderte ihn Aslan auf. Zögernd tat Peter wie ihm geheißen. Der Löwe beugte sich über ihn und hauchte dem Teenager seinen warmen Atem ins Gesicht. Sekunden später schlief er auch schon tief und fest.
 

„Sei frei von Zweifel, Peter, Sohn des Adam. Mögest du auf deiner Reise lernen, welche versteckten Fähigkeiten in dir schlummern.“ Damit zog sich der Löwe aus dem Zelt zurück. Er lächelte dabei. Auch wenn das Älteste der Pevensie-Kinder das Komplizierteste war, so wohnte ihm ein rechtschaffener Geist inne. Frei von Zweifeln würde er einen aufrechten, strammen Krieger, genauso wie einen milden und gütigen Herrscher abgeben. Der Weg dorthin war schwer, aber nicht unmöglich zu erreichen. Ein letztes Mal schüttelte Aslan sich, ehe er davontrottete und Peter im Schein der Fackeln seinem Abenteuer entgegentreten ließ.

Der Spießrutenlauf

Peter befand sich einem alten Gemäuer. Die Steine, aus welchen das Bauwerk einst hergestellt worden war, wirkten verwittert und abgeschliffen. Moos wucherte über den dunklen Granit, der von einem Meer aus Fackeln erhellt wurde. Im Gegensatz dazu war der Boden blank poliert und sauber, geradezu neuwertig. Eine Decke schien nicht zu existieren. Dort wo normalerweise auch Stein sein Heim gefunden hätte, oder zumindest Holz, war nichts als gähnende Leere.
 

Riesige Säulen aus schwarzem Marmor reckten sich ins Nichts. Alle waren kunstvoll verziert und bearbeitet worden. Jede Stele hatte man mit einer Szene versehen. Ein Zentaur reckte beispielsweise sein Schwert in die Höhe, und viele andere taten es ihm gleich. Ein verzweifelt wirkender Zwerg wurde von einer schillernden Lichtgestalt besucht. So setzte sich das Bild fort. Nachdenklich legte Peter seine rechte Hand auf eine der Säulen und erschrak: Silberne Kettenglieder überspannten seine Finger.
 

Ein Blick an sich herab ließ ihn einen lauten Schrei ausstoßen: Er trug eindeutig eine Kettenrüstung. Das Silber stach aus dem dunklen Gestein hervor und hob sich deutlich von diesem ab. Über dem Kettenhemd trug er einen roten Wappenrock mit einem gelben, sich aufbäumenden Löwen in der Mitte. Auf seinem Rücken befanden sich sein Schwert und der Schild, den ihm der Weihnachtsmann gegeben hatte. Jeden Schritt, den er machte, war von einem Klappern begleitet. Metall schabte über den Stein.
 

Wo war er überhaupt? Was hatte Aslan mit ihm gemacht? Träumte er jetzt im Traum? Wurde er allmählich wahnsinnig? Was war mit seinen Geschwistern? Verzweiflung machte sich in dem Jungen breit. Er war kein Krieger, und wollte es eigentlich auch nicht sein. Wie kam er von hier wieder weg? Sein Blick fiel dabei auf den einzigen Ausgang: Ein großes, goldenes Tor. Die Streben waren aus massivem Metall gefertigt. Peter musste mehrmals blinzeln und schüttelte dann den Kopf.
 

Vor dem Tor waren wie aus dem Nichts verschiedene Gestalten aufgetaucht. Ein Zentaur mit schulterlangem, schwarzen Haar und einem weißen Pferdeleib. Neben ihm stand ein alter Zwerg, dessen Bart bereits ergraut war. Dieser hatte seine Hand auf einen Fuchs gelegt, der dabei den Kopf schrägte. Ein bullenähnliches Wesen mit zotteligem, weißen Fell, schwarzen Hörnern und einer schweren Plattenrüstung scharrte mit dem rechten Huf. In seiner rechten Pranke hielt er eine Streitaxt. Neben diesem Hünen war ein Riese aufgetaucht, der alle anderen, was Größe anging, in den Schatten stellte. Seine Figur war dicklich, sein Gesicht feist und abgesehen von seinen buschigen Augenbrauen komplett haarlos. Er trug ein einfaches Leinenhemd und eine dazu passende Stoffhose. Seine Füße waren nackt und entblößten Zehen, die von der Größe her Peters Armlänge erreichten. Nach und nach gesellten sich noch weitere Wesen dazu: Ein Faun, ein Satyr, ein Feuervogel, ein Einhorn… Sie alle schienen auf ihn zu warten.
 

Zögernd ging Peter auf den bunten Haufen zu. Was wollten sie von ihm? Was wollte er von ihnen? „Du bist hier, um den Spießrutenlauf auf dich zu nehmen, Junge?“, erkundigte sich der Zwerg und streichelte dabei den Fuchs. Peter schüttelte den Kopf: „Nein, ich will eigentlich nach Hause.“ Der ergraute Zwerg sah ihn lange an und entgegnete dann lächelnd: „Wenn dem so wäre, dann wärst du nicht hier.“ Der Zentaur verschränkte die Arme vor der Brust und fuhr mit einer ruppigen Stimme fort: „Der Spießrutenlauf ist die ultimative Prüfung für Körper und Geist. Wer ihn besteht, der wird als Krieger zurückkehren. Er wird ein Anführer ohnegleichen sein, eine Inspiration für alle, die ihm folgen.“ Peter schluckte schwer. Der Minotaurus öffnete sein Maul und stieß einen grellen Schrei aus. „Der Spießrutenlauf verlangt Opfer, die nur wenige bereit sind zu bringen. Wir alle haben sie einst gebracht, zum größeren Wohl – wirst du das auch, Adamssohn?“ fragte er Peter schnaubend. Dieser zögerte erneut. „Was, was, wenn ich dabei versage?“ erkundigte sich der Junge ängstlich. „Dann wirst du von der Schwärze verschluckt“ entgegnete der alte Zwerg.
 

Die ganze Gruppe stimmte eine Art Singsang an. Das Lied war schaurig und ermutigend zugleich. Sie muteten wie ein geisterhafter Chor an. Langsam aber sich verblasste jede einzelne Gestalt vor Peters Augen. Zuerst wurden sie durchsichtig, dann waren sie kaum noch zu sehen, und beim nächsten Blinzeln waren sie komplett verschwunden. Er war wieder alleine. Sollte er diesen seltsamen Spießrutenlauf wagen? Welche Prüfungen würden ihn erwarten? Wenn er versagte, dann…
 

„Habe Mut und Vertrauen in dich“ echote eine Stimme von irgendwoher. Schluckend trat Peter an das Tor heran und atmete tief durch. „Ich will mich den Prüfungen des Spießrutenlaufs unterziehen, um ein wahrer Krieger zu werden“, brüllte er in die Leere hinaus. „Wer reinen Herzens ist, der mag passieren. Ich frage dich nun, Peter Pevensie, Sohn des Adam, fünfzehn Lenze alt: Sind deine Motive edel? Ist dein Herz rein?“, fragte ihn eine weitere Stimme aus dem Nichts heraus.
 

Peter zögerte mit seiner Antwort. Sollte er lügen? War dies bereits seine erste Aufgabe? War er zum Scheitern verurteilt? Sollte er Selbstsicherheit vortäuschen? „Angst zu haben ist nichts Schlimmes“, erinnerte er sich an Aslans Worte. „Ich möchte Narnia vor der Weißen Hexe retten. Ich möchte meine Geschwister beschützen und ich möchte nach Hause“, antwortete der Junge. Eine Zeit lang passierte nichts, aber dann donnerte die Stimme erneut: „Du hast meine Frage nicht beantwortet. Ist dein Herz rein? Bereust du die Dinge, die du getan hast?“ Peter schluckte und ließ die Zeit verstreichen. Aus Sekunden wurden Minuten, aus Minuten Stunden, oder waren es nur flüchtige Momente? Schlussendlich fasste er eine Entscheidung nahm all seinen Mut zusammen: „Nein, mein Herz ist nicht rein. Egal wer du auch bist, ja, ich bedauere einige Dinge in meinem Leben. Ich kann meine Eltern nicht beschützen, genauso wie ich meine Geschwister nicht beschützen kann. Ich habe Angst, Aslan zu enttäuschen, genauso wie ganz Narnia. Vor allem.“ Peter stoppte beim letzten Satz. Was er nun sagen wollte, war eine Art Schuldeingeständnis: „Vor allem bedauere ich es, dass mein Bruder Edmund davongelaufen ist. Wäre ich fürsorglicher gewesen, liebevoller, dann wäre er wahrscheinlich geblieben. Ich habe als sein großer Bruder versagt.“
 

Wind kam aus dem Nichts. Er pfiff durch Fugen und Ritzen, die nicht da waren, brachte die Fackeln fast zum Erlöschen. Peter hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Der brüllende Wind wurde zu einem Sturm, der ihn beinahe von den Füßen riss. Mit aller Kraft stemmte sich der Junge gegen die tosende Naturgewalt. „Ist das deine Antwort, Peter Pevensie, Sohn des Adam?“, donnerte die Stimme. „Ja! Ja, ist es!“, brüllte Peter.
 

In dem Moment, als die letzte Silbe seine Lippen verließ, beruhigte sich der Wind. Die Fackeln knisterten wieder wie gewohnt. Das Tor schwang auf und gab den Weg zur ersten Prüfung preis. Es führte ins Nichts, in eine unendliche Schwärze. „Ein echter Krieger gibt zu, dass er Angst hat, lässt sich aber nicht von ihr beherrschen. Er ist ehrlich, sowohl zu sich selbst, als auch zu anderen. Seine Fehler lasten schwer auf seiner Seele, doch er muss lernen, dass die Vergangenheit nicht geändert werden kann. Die Zukunft kann er beeinflussen, und versuchen, seine Fehler nicht zu wiederholen. Geh weiter, Peter Pevensie“ forderte ihn die Stimme auf. Der Junge schluckte einmal lautstark und schritt dann in die Schwärze hinein, auf zur ersten Prüfung.

Prüfung des Geistes

Peter betrat einen leeren, rechteckigen Raum, der gleich aufgebaut war wie der Eingangsbereich. Schwarzer Marmor spiegelte das Licht dutzender Fackeln wider, die dem verwaisten Platz etwas Gespenstisches beifügte. Es herrschte absolute Stille. Nichts rührte sich. Das Tor hinter Peter war wie von Geisterhand zugefallen, und so wie es aussah, würde er wohl über diesen Weg auch nicht zurückkehren können. Zögernd machte der Teenager einige Schritte nach vorne.
 

„Ein Krieger muss im Geiste geschult sein. Taktiken, Pläne, Improvisationen; das alles bedeutet nichts, solange dein Geist nicht rein ist. Ich frage dich nun, Peter Pevensie, willst du die Prüfung des Geistes durchlaufen?“, hallte eine tiefe Stimme von überall her auf Peter ein. Was für eine lapidare Frage. Er musste es tun, wie sollte er sonst hier herauskommen? „Ja, ich will mich der Prüfung des Geistes unterziehen!“, rief der Adamssohn. Aus dem Nichts erschienen Rauchsäulen. Schwarze Nebelschwaden irrten wild umher, einen Tanz ausführend, der so absurd wirkte, dass ihm ein menschliches Auge nicht folgen konnte. Über Peter sammelte sich die dunkle Materie, nur um dann, einem Prisma gleichend, auseinanderzuspringen. An jeder Seite erschienen drei schemenhafte Wesen, die Spalier zu einem großen Eisentor standen. Sechs lange Streben versperrten den Weg ins Ungewisse. Ungläubig rieb sich der Heranwachsende die Augen. Woher war das Tor gekommen?
 

Zögernd trat er auf die erste Gestalt zu, einen alten, buckligen Zwerg. Er wirkte mürrisch, und seine Zipfelmütze hing ihm ins Gesicht. Seinen langen Bart, der fast bis zum Boden reichte, hatte er in den Gürtel geklemmt, welcher die Stofftunika und Hose beisammenhielt. Nachdenklich kniff der Zwerg das rechte Auge zusammen, und prüfte Peter eingehend. Die rechte Hand strich dabei über den weißen Rauschebart. „Es reckt sich zum Himmel, wird oft genannt das Dach der Welt. Ein Einzelner davon, so manche Ebene entstellt. Vieh und Hirte, beide lieben den Ort, doch regelmäßig müssen sie fort. Was ist es?“, fragte der Zwerg mit dröhnender Stimme.
 

Rätsel. Etwas, das Peter mehr hasste als alles andere. Nachdenklich fuhr er sich durchs Haar. Etwas, dass sich zum Himmel reckte. Dach der Welt. Hier in Narnia, oder in der Realität? Was entstellte eine Ebene? Vieh und Hirte, die gerne an diesem Ort waren, aber weiterziehen mussten? Ein Feld vielleicht? Eine Scheune? Peter schüttelte den Kopf. Beides war unpassend. Das Dach der Welt. „Kleiner, wir haben nicht eine halbe Ewigkeit Zeit“, blaffte ihn der Zwerg an. Peter starrte auf den bärtigen Griesgram hinab und tippte sich dabei ans Kinn. Sein Gesprächspartner strich sich grummelnd über den Bart. Zwerg – Berg. Peter ging ein Licht auf! Zwerge hausten der Legende nach in Bergen! Sie waren riesig, schälten sich oft aus einer Landschaft heraus, und Vieh trieb man oft in höhere Gefilde! „Du fragst nach einem Berg!“, rief der Adamssohn triumphierend aus. Tatsächlich nickte der Zwerg und mit einem lauten Knall verschwand eine der Streben, welche das Tor blockierten.
 

Beflügelt von seiner Lösung, schritt Peter zum nächsten Schemen. Hierbei handelte es sich um einen stattlichen Zentauren. Er hatte das Antlitz eines Mannes in seinen besten Jahren, mit einem gepflegten Dreitagebart. Die muskulösen Arme hatte das Mischwesen vor der Brust verschränkt. Sein Unterleib war pechschwarz, und er scharrte mit den Vorderhufen. Trotz allem lächelte der Zentaur. Seine Stimme klang melodisch, fast schon einladend, als er Peter fragte: „Viele suchen es, aber nur wenige vermögen es zu finden. Der Tod ist oft der Begleiter, und das Gesuchte dessen treuer Streiter. Egal ob arm, oder reich, am Ende macht das Gesuchte sie alle gleich. Wer Schlimmes tut, dem Schlimmes wiederfährt, wer Gutes tut, der Gutes erhält. Was ist es?“
 

Peter seufzte schwer. Dieses Rätsel war noch schwieriger als das Letzte. Außerdem fiel ihm keine Brücke ein, die zwischen dem Gesuchten, und dem Zentauren passen würde. Nachdenklich schritt der Jüngling auf und ab, die rechte Hand am Kinn. Es wird oft gesucht, aber selten gefunden. Der Tod begleitet es. Es schien auch nicht zu differenzieren. Handelte man schlecht, so bekam man Schlechtes zurück, das Gleiche galt für Gutes. Genervt rieb Peter sich die Augen. Seine Gedanken schweiften ab. Weg von diesem tristen Ort, diesen Prüfungen, nach Hause. Er vermisste den gebackenen Apfelkuchen seiner Großmutter, den sie immer auf die Fensterbank zum Auslüften stellte. Als der Krieg kam, schüttelte sie nur lächelnd den Kopf, als man sie evakuieren wollte. „Ich bin schon alt, und habe mein Leben redlich gelebt. Wenn es eine Gerechtigkeit gibt, dann wird mich der Krieg verschonen. Wenn nicht, dann warte ich eben auf euch alle. Auch die Besatzungssoldaten müssen irgendwann sterben, genauso wie ich, ihr, wir alle. Egal ob arm, oder reich, am Ende besucht uns alle der Tod, und wiegt ab: Haben wir mehr Gutes, oder mehr Schlechtes getan? Dann wird gerecht entschieden, davon bin ich überzeugt.“
 

Schlagartig riss Peter die Augen auf. Seine Großmutter hatte ihm die ersehnte Antwort gebracht. „Gerechtigkeit!“ Der Zentaur nickte lächelnd, und die zweite Strebe löste sich lautstark, und versank im Boden. „Das hast du gut gemacht, Peter. Du wählst deine Antworten mit Bedacht, und handelst nicht überstürzt.“ Peters Wangen glühten vor Stolz. Tatsächlich! Er hatte zwei Fragen bereits absolviert. Das gab ihm Auftrieb. Zumal der Zentaur sehr nett gewesen war.
 

Die nächste Gestalt war ein großer Fuchs, der genüsslich gähnte. Er kratzte sich mit den Pfoten hinter den Ohren und starrte zu Peter hinauf. Seine Zungenspitze lugte aus dem Maul hervor. Er schüttelte sich kurz, bevor das rotbraune Wesen mit einer verschlagenen, aber durchaus freundlich wirkenden Stimme seine Aufgabe präsentierte: „Wenn man so wie ich ist, dann hat man es. Die meisten Wesen besitzen es nicht. Damit kannst du unmöglich wirkende Aufgaben bewältigen. Es macht mich dem Wolf überlegen, obwohl er viel stärker ist als ich. Was habe ich?“
 

Ein Fuchs hatte es. Peter musterte das Wesen eingehend, welches nur erneut gähnte und sich gelangweilt am Bauchfell kratzte. Was besaß ein Fuchs, was die meisten anderen nicht besaßen? War er vielleicht schneller als der Wolf? Kleiner? Konnte man Größe besitzen? „Was hast du…?“, fragte Peter sich selbst, und klopfte dabei auf seine linke Faust. Sein Großvater hätte diese Rätsel mit links lösen können. Er knobelte sehr gerne, und hatte sie früher mit seinen Rätselreimen bespaßt. „Ich bin einfach nicht so ein schlauer Fuchs, wie mein Großvater. Der hätte deine Aufgabe schon längst gelöst“, sagte Peter und seufzte. Der Fuchs lachte und richtete sich auf. „Ich denke, ich kann das so gelten lassen, zumal du mich ja sehr gelobt hast“, kicherte er. Lautstark verschwand eine weitere Strebe. „Schlauheit“, nickte das Tier und bedeutete einem verdutzen Peter, sich der anderen Seite des Raumes zuzuwenden.
 

Peters nächster Rätselpartner war ein Faun. Er hatte entfernt Ähnlichkeit mit Herrn Tumnus, was aber wohl auf die bockartigen Beine zurückzuführen war. Entgegen seines Artgenossens, trug dieser Faun eine schwere, silberne Rüstung, und ein großes Schwert am Rücken. Seine Stimme hatte fast schon etwas Meckerndes, als er seine Frage stellte: „Ohne es, kann keiner von uns leben. Sorgsam geht damit jedoch keiner um. Es ist selbstverständlich für alle. Stirbt es, so sterben wir alle. Die Schöpfung braucht es, auch wenn es manchmal grausam sein kann. Was ist es?“
 

Der Junge betrachtete den Faun eingehend. Seine Gedanken schweiften wieder ab. Was war eigentlich der Unterschied zwischen einem Faun und einem Satyr? Seine Mutter hatte ihm mal, als er vier Jahre alt war, ein Märchen vorgelesen. Ein böser Zauberer wollte einen Wald verhexen, um so die Dorfbewohner zu vertreiben. Viele Fabelwesen, unter anderem Satyre und Faune, lehnten sich auf. Flora und Fauna wehrten sich gegen den bösen Zauberer. „Mit der Natur spaßt man nicht“, hatte ihm seine Mutter lächelnd gesagt, und einen Gute Nacht Kuss verpasst. Natur? Konnte es das sein? Die Natur brauchte jeder, und, wenn Stürme und Hochwasser auftraten, so wirkte sie manchmal grausam. „Die Natur?“, fragte Peter zögernd. Der Faun nickte nur, und eine weitere Strebe verschwand.
 

„Zwei Fragen noch“, ging es dem Adamssohn durch den Kopf. Er brauchte nur mehr zwei Antworten, um weiterzukommen. Bisher hatte er seine Aufgaben mit Bravour gelöst. Was würde wohl die nächste Frage sein? Vor ihm bäumte sich ein riesiger Vogel auf. Dessen Federspitzen schienen zu brennen, während sich das Wesen im Gefieder herumpickte. Es schien Peter gar nicht zu beachten. Der grau-goldene Schnabel suchte im Federkleid nach etwas. „Was ich suche, reinigt, schmerzt aber auch. Es zerstört, bringt aber auch Leben hervor. Es zu kontrollieren ist schwer, das Machen ganz einfach. Was suche ich?“
 

Reinigung? Schmerzen? Etwas, dass zerstört, aber auch Leben hervorbringt? Wider die Natur? Ein Wald, mit einem Bach? Aber was schmerzte an einem Wald? Bisher hatte jedes Rätsel, mit Ausnahme des Zentauren, mit dem Fragensteller zu tun. Peters Blick fiel dabei auf das Federkleid des Vogels. Dessen Tun störte ihn ungemein beim Denken. Konnte das Ding nicht einmal kurz stillhalten? Mal abgesehen davon: Warum ging das Federvieh nicht in Flammen auf? Es brannte eindeutig. Das Feuer musste doch ungemein schmerzen. Erleichtert atmete Peter aus und lächelte. „Feuer“, antwortete er. Der Vogel reckte den Kopf gen der Decke und kreischte laut. Die vorletzte Strebe löste sich.
 

Peter wanderte mit klopfendem Herzen zu seiner letzten Frage. Ein ruppiger Stier auf zwei Hufen schnaubte lautstark. Seine Nüstern blähten sich auf, während das zottelige, pechschwarze Fell, ordentlich durchgeschüttelt wurde. Die weiße Plattenrüstung verpasste dem Wesen einen sehr starken Kontrast. Der große Falchion am Rücken, genauso wie die Streitaxt, und das Schwert an seiner linken Seite, verliehen ihm einen einschüchternden Charakter. „Nun denn, Adamssohn, deine letzte Frage. Überlege dir die Antwort gut, denn liegst du falsch, gehst du in die absolute Schwärze“, murrte der Minotaurus und verschränkte seine Arme vor der Brust. Peter schluckte schwer, nickte dann aber. „Also gut“, begann das Tierwesen mit donnernder Stimme, „Es zu beherrschen, ermöglicht einem, die Welt zu verändern. Es ist eine Kunst für sich. Manche leben nur dafür. Alle deine bisherigen Rätsel spielen eine Rolle darin. Ein Berg kann ein unüberwindliches Hindernis sein. Die Natur es oft aufhalten. Feuer kann ihm nutzen. Wer schlau ist, beherrscht es perfekt, ist seinem Kontrahenten überlegen. Man kann es gerecht führen, oder auch nicht. Das ist aber Ansichtssache.“ Gerade der letzte Satz wurde verächtlich ausgesprochen.
 

Erstaunlicherweise wusste Peter dieses Mal die Antwort sofort. Diese eine Sache hatte sie alle getrennt, ihm und seinen Geschwistern Kummer bereitet. Es veränderte die Welt gerade, und hatte sie bereits ein dutzend Mal verändert. „Was du suchst, das ist der Krieg“, antwortete Peter mit fester und überzeugter Stimme. Die letzte Strebe verschwand, und der Minotaurus nickte. „Durchschreite das Tor, Peter Pevensie, zu deiner nächsten Prüfung. Dein Geist ist scharf, deine Zunge weise.“ Damit verschwanden alle Schemen wieder ins Nichts, und Peter betrat, mit einem mulmigen Gefühl, die nächste Prüfung.

Prüfung des Körpers

Peter stand mitten im Nichts. Es existierte nur drückende Schwärze um ihn herum. Doch konnte das so stimmen? War seine Reise hier bereits beendet? „Nur wer mit dem Herzen kämpft, mit Herz und Reflex, der kann sich sicher sein, dass er jede Begegnung überleben wird“, hallte die fremde Stimme von irgendwoher. Leise war das Klappern von Hufen zu hören. Das Geräusch wurde immer lauter, während sich Peter angespannt umsah. Er konnte in der Dunkelheit nichts ausmachen. Was war das wieder für ein Spiel?
 

Der Teenager spürte einen warmen Atem in seinem Nacken, gepaart mit einem lauten Schnauben. Langsam drehte er sich um und riss die Augen auf. Er starrte zu einem pechschwarzen Minotaurus hinauf, dessen dunkle Iriden weder Mitleid noch Vergebung zu kennen schienen. Mit einem Ruck packte das Fabelwesen Peter am Hals und warf ihn einige Meter zurück. Mit einem dumpfen Laut, und einem schmerzenden Rücken, kam Peter auf dem schwarzen Nichts auf, welches den Boden ersetzte.
 

„Na los, verteidige dich, du Schwächling“, schnaubte das Mischwesen und stapfte langsam auf den Jüngling zu. Im Gehen zog der Minotaurus eine große, doppelschneidige Axt vom Rücken. „Du sollst also unser aller Hoffnung sein? Du willst die Weiße Hexe aufhalten?“ Peter rutschte nach hinten. Das war ein Gegner, dem er nicht gewachsen war, wie denn auch? Der Bulle war doppelt so groß wie er, und mindestens dreimal so kräftig. „Ich habe dich etwas gefragt“, brüllte das Monster und holte mit seiner Axt aus. Im letzten Moment gelang es Peter sich zur Seite zu rollen. Der Axthieb verfehlte ihn um Haaresbreite.
 

Ein Tritt in die Magengrube ließ den Blonden wieder einige Meter überbrücken und Übelkeit in ihm aufkeimen. Um ihn herum drehte sich alles. Was hatte Aslan sich dabei gedacht? Das hier war wirklich kein Spiel mehr. „Wehre dich, los!“ Der Minotaurus stürmte auf Peter zu. Mit bloßer Körperkraft war es nicht möglich, dieser Bestie Herr zu werden. Was sollte er also tun? Erneut rollte der Adamssohn zur Seite und wich dem nächsten Axthieb aus. Das Fabelwesen schien wütender zu werden. „Sei kein Feigling!“, fauchte der Minotaurus und trat mit seinem rechten Huf nach, um Peters Schädel zu zermalmen. „Kein Wunder, dass dein Bruder fortgelaufen ist. Er ist wahrscheinlich ohne dich besser dran.“
 

Mit einem wütenden Schrei duckte sich Peter unter dem Huf hindurch. Zwischen den Beinen des Minotaurus´ durchrutschend, zog er die Knie an und trat dem Monstrum mit voller Wucht in den ungepanzerten Rücken. Der Halbstier brüllte, nur um sich umzudrehen und dabei mit seiner Faust auf Peter zu zielen. Reflexartig riss dieser den Kopf zur Seite und zog sein Schwert. Die Klinge in der rechten Hand, richtete er sich auf und ging auf Abstand.
 

Dieser letzte Satz hatte ihn wachgerüttelt. Er mochte vielleicht damals versagt haben, als Edmund weggelaufen ist, aber nicht hier, und nicht heute. Er würde seine Fehler wiedergutmachen, seine Schwestern beschützen, und Narnia befreien. „Gut, ich kann das Feuer in deinen Augen lodern sehen, Adamssohn.“ Der Halbstier stürmte erneut auf Peter zu, der mittlerweile auch den Schild vom Rücken gerissen hatte. Eilig war er in die Schlaufe für den Arm geschloffen, nur um sich auf den nächsten Angriff vorzubereiten.
 

Ruckartig duckte sich Peter unter dem horizontalen Axthieb hindurch und holte mit dem Schild aus. Die Metallkante traf den Minotaurus an der Brust, was diesen zu einem Röhren veranlasste. „Denke nicht, sondern handle“, ermahnte ihn die Stimme. Er konnte es. Aslan glaubte an ihn, seine Geschwister glaubten an ihn, genauso wie ganz Narnia – er musste es schaffen. „Nein, ich werde es schaffen“, korrigierte sich Peter innerlich und holte zum nächsten Angriff aus.
 

Wieder nutzte Peter den Schild, und donnerte mit der Seite in das Gesicht des Fabelwesens. Sein Gegner schüttelte benommen den Kopf und holte mit der Pranke aus. Der Teenager fiel auf die Knie und entkam so dem Griff des Monsters. Seine Schwertklinge schnitt in die Kniekehle des Kontrahenten, der sichtlich Mühe hatte, das Bein nicht einknicken zu lassen. Peter dachte gar nicht daran, dem zotteligen Riesen eine Verschnaufpause zu lassen. Hastig richtete er sich auf und setzte mit dem Schild nach.
 

„Zeit, ernst zu machen“, murrte das Fabelwesen und richtete sich auf. Mit einer Schnelligkeit, die Peter verblüffte, griff der Minotaurus nach dem Schild seines Gegners und riss ihn von dessen Arm. Mühelos zerdrückte der Hüne das Metall und warf es, nutzlos verbogen, in die Schwärze. „Zeit dieses Spiel zu beenden!“ Der Halbstier ließ ein ohrenbetäubendes Brüllen seiner Kehle entspringen, bevor er sich auf Peter warf und mit der Axt ausholte.
 

In einer schmerzhaften Bewegung ließ sich Peter auf die Knie fallen und entging dem Axthieb diesmal nicht. Sein Rücken bog sich zwar gefährlich durch, doch die Axt schrammte über sein Gesicht und hinterließ einen blutigen Streifen auf seiner Wange. Einen Augenblick später spürte er auch schon die Faust des Monstrums in seinem Bauch, welche sich öffnete, um sich seinen Wappenrock zu krallen. Schnaubend schleifte der Minotaurus ihn über den Boden und warf ihn dann davon. Unter bebenden Schritten stürmte das Monster auf Peter zu, der keuchend nach Luft rang.
 

„Keine Gnade für Schwächlinge!“ Wenn der Blonde hier gewinnen wollte, so hatte er nur eine Chance. Er musste den richtigen Moment abpassen. Immer wieder rollte Peter zur Seite, während der Minotaurus ohne Unterlass begann, mit Axt und Hufen nach ihm zu schlagen und zu treten. Peter holte tief Luft und wartete auf den nächsten Axthieb. Das Blatt der Waffe donnerte knapp neben ihm in den Boden. Mit einem gellenden Schrei holte der Adamssohn aus und zielte auf den Stiel der Waffe. Seine Klinge fraß sich in das dicke, schwarze Holz und trennte es entzwei. Der Minotaurus starrte für einen Augenblick verwirrt auf seine nutzlose Waffe. Peter holte mit dem Schwertknauf aus und donnerte ihn seinem Gegner auf die Nase. Ein hässliches Knacken war zu hören, und der Hüne taumelte benommen zurück.
 

Peter setzte nach und holte erneut mit dem Schwert aus. Die Klinge schnitt durch Fell und Fleisch tief in den rechten Arm seines Gegners. Röhrend warf der Minotaurus den Schädel hin und her und versuchte Peter mit seinen Hörner aufzuspießen. Dieser wich gekonnt aus und zog die Klinge wieder an den Körper heran. Schwarzes Blut benetzte das helle Metall der Waffe. „Zeit diesen Kampf zu beenden“, sagte Peter entschlossen und umfasste den Griff des Schwertes mit beiden Händen. Er verlagerte seinen Stand ein wenig und machte sich auf den letzten Angriff bereit. Entweder er, oder der Minotaurus.
 

Wütend stürmte das Fabelwesen heran, den Schädel gesenkt, um seinen Kontrahenten endgültig zu zermalmen. Peter wartete. Sein Brustkorb hob und senkte sich immer schneller, sein Atem war nicht mehr als ein Hauchen, als er sich zur Seite drehte. Der Halbstier lief ins Leere, während Peter mit aller Kraft das Schwert in den Rücken des Monsters schlug. Die Klinge riss eine breite, tiefe Wunde und ließ das Fabelwesen im Auslaufen zusammenbrechen.
 

Blut rann dem Minotaurus aus den Nüstern und vom Rücken. Er schnaubte laut. Sein Blick wurde glasig, als er den Schädel mühsam zum schwer atmenden Peter drehte: „Ich bin stolz auf dich. Narnia ist bei dir in guten Händen. Befreie mein Volk vom Joch der Weißen Hexe.“ Peter schüttelte ungläubig den Kopf und warf die Klinge beiseite, als er zu dem zotteligen Riesen eilte. Auf den Knien heranschlitternd landete er knapp neben dem Fabelwesen. „Stirb nicht!“ Warum hatte er diese Worte gerade ausgesprochen? Vor gut einer Minute wollte ihn dieses Ding noch umbringen.
 

„Weil du ein Krieger bist, Peter Pevensie. Du hast eine wichtige Lektion gelernt, neben dem Vertrauen in dich selbst und auf deine Fähigkeiten. Man kämpft nur, wenn es notwendig ist. Sollte man dazu gezwungen sein, so vermeidet man es, Leben zu nehmen, wenn nicht notwendig. Wird dennoch die Entscheidung schlagend, so verspüre Mitleid mit deinem Gegner“, erklärte ihm die fremde Stimme, während der Minotaurus langsam vor Peters Augen verblasste.
 

Schreiend fiel Peter ins bodenlose Nichts. Weder Anfang noch Ende schien diese Leere zu kennen, genauso wenig, wie Raum und Zeit hier eine Bedeutung zu haben schienen. Er fiel Stunden, Monate, vielleicht sogar Jahre. Hatte er die Prüfung nicht bestanden? War dies sein Schicksal, auf ewig in der Schwärze zu fallen? Die Antwort folgte auf dem Fuße.

Prüfung des Mitgefühls

Peter landete unsanft in einem Schneehaufen. Die Tannen und Fichten um ihn herum bogen sich unter der weißen Last, die sie zu tragen hatten. Weder Gras noch Blume wuchs an diesem Ort. Nichts lugte durch den Schneemantel, der sich über das Tal gelegt hatte, in dem sich Peter befand. Es war düster, zugezogen, die grauen Wolken hingen drohend über dem Kessel, der rundherum von hohen Bergen eingekreist worden war.
 

Eine Allee aus Laternen, deren Licht keine Wärme ausstrahlte, säumte einen ausgeschobenen Weg, der sich durch die gefrorenen Schneemassen schlängelte. Dem Adamssohn stockte der Atem, als er sah, wohin der Pfad führte. Ein einziger, riesiger Dom aus glitzerndem Eis ragte hoch in den Himmel. Er glitzerte wunderschön, und doch wirkte das kunstvolle Bauwerk nicht sonderlich einladend. Die Kälte hatte das Land erfasst, und mit jedem Schritt, den Peter auf das Gebäude zumachte, wurden seine Beine schwerer. War dies der Sitz der Weißen Hexe? Hatte er es ins Herz des Winters geschafft?
 

Der Junge zitterte bereits am ganzen Körper. Er hatte das Gefühl, sein Atem würde gefrieren. Notdürftig zog er sich den roten Wappenrock über den Mund und stapfte weiter. In der Ferne war das Brüllen eines Tieres zu hören? Ein Bär? Wolfsgeheul? Es knackte und knarzte verdächtig im Unterholz. Sein Herz pochte, hämmerte mit aller Macht gegen seinen Brustkorb. Ihm war, als wolle es zerspringen. Peters Nackenhaare stellten sich auf, und etwas bewog ihn dazu, vom Weg abzugehen.
 

Bibbernd stapfte er durch den kniehohen Schnee und drückte sich mit dem Rücken an eine imposante Fichte, keine Sekunde zu früh. Tatsächlich schälte sich etwas aus dem trüben Dunst hinter ihm. Schwere Tatzen schlurften über den gefrorenen Boden und brachten die dünne Eisschicht, die hie und da aus dem Schnee lugte, zum Brechen. Zwei Eisbären tapsten den Weg entlang. Sie reckten die Köpfe in die Höhe und brüllten ohrenbetäubend, während ein kleiner, zwielichtig dreinblickender Mann wie wild mit der Peitsche auf die Tiere einschlug. Peter fand, der Zwerg hatte etwas von einem überfahrenen Hasen. Sein Gesicht war eingedrückt, platt, und einzig die hässliche Knollennase verlieh ihm ein wenig Wiedererkennungswert. Die rotze Zipfelmütze baumelte links von seinem Gesicht herab und er fluchte unentwegt.
 

Die Eisbären zogen einen Schlitten, dessen Kufen aus purem Gold zu bestehen schienen. Peter hatte so etwas noch nie gesehen. Weißes Elfenbein war mit dem Edelmetall kombiniert worden, um ein Transportmittel zu erschaffen, das selbst Könige vor Neid hätte erblassen lassen. Kunstvoll waren Bärenköpfe in das kostbare Material geschnitzt worden. Die Sitzbänke waren mit rotem Samt bezogen und boten genug Platz, um mindestens sechs Personen zu befördern. Obwohl es schneite, war nicht ein einziger Schneekristall an dem Gefährt zu erkennen.
 

„Na los ihr faulen Dinger, bewegt euch“, knurrte der Zwerg, und ließ die Peitsche erneut knallen. Blutige Striemen hatten sich auf den Rücken der Tiere gebildet. Das weiße Fell war durchzogen von roten Flecken und Linien. Egal wer dieser Zwerg auch war, er schien kein Mitleid, und auch kein Erbarmen mit den Tieren zu können. Etwas in Peter berührte diese ungerechte Behandlung der beiden Zugtiere. Er selbst war tierliebend, und hatte zuhause zwei Hasen gehalten: Benny und Johnny. Beide pflegte er mit großer Hingabe und Liebe, und hatte sie, mit gemischten Gefühlen, bei seiner Mutter lassen müssen.
 

„Das reicht“, murmelte Peter und setzte sich in Bewegung. Ihm schlotterten die Knie, und er war sich nicht sicher, ob das alleine an der Kälte lag. Es war klar, wem dieser Schlitten gehörte. Die Bären waren wahrscheinlich auch nicht freundlich ihm gegenüber, doch Peter erinnerte sich an die Worte seines Großvaters: „Wenn man Unrecht aus Angst nicht bekämpft, ist man ein Feigling. Erst dadurch, kann das Unrecht weiter entstehen, aufblühen.“ Nach einiger Zeit hatte sich der Junge aus den Schneemassen befreit und folgte dem Gezeter des Zwerges. Er holte den Schlitten ein und folgte diesem langsam.
 

Im richtigen Moment sprang Peter hinten auf den Schlitten auf und duckte sich hinter die Lehne. Seine Augen lugten nur knapp über den Goldrand, und es war ihm so möglich den Kutscher zu beobachten, der zu sehr mit sich selbst und dem Quälen der Bären beschäftigt war. Dienten diese Tiere der Weißen Hexe überhaupt aus freien Stücken? Peters Gedanken drifteten zu Benny und Johnny ab. Hatte nicht auch Johnny ihn einmal gebissen? War er nicht traurig und enttäuscht gewesen, als das passierte? Hatte er ihn danach schlechter behandelt? Peter schüttelte den Kopf; nein, das hatte er nicht.
 

Bemüht leise zog sich der Adamssohn in den Schlitten hinein. Der Zwerg bemerkte ihn noch immer nicht. Ohne Unterlass prügelte er auf die Bären ein, die sich trotz der Behandlung nicht schneller bewegten. Das war die Gelegenheit. Der kleine Knilch war zu sehr damit beschäftigt, seine sadistische Ader auszuleben, als dass er sich umschaute oder überhaupt auf seine Umgebung achtete.
 

Mit einem Ruck war Peter hinter ihm, zog dem Zwerg die Zipfelmütze über die Augen und schnappte sich seine Hände, die er hinter dem Rücken zusammendrückte. „Wer bist du, dass du es wagst, den Kutscher der Weißen Hexe anzugreifen?“, maulte der Zwerg und strampelte wie wild. Peter hatte seine liebe Mühe, den Kutscher festzuhalten, ließ aber nicht locker. „Du bist mir ein feiner Kutscher, quälst deine Tiere ohne Unterlass“, erwiderte er mit fester Stimme. Schlagartig hielt der Zwerg inne und schrägte den Kopf ein wenig. Peter konnte dabei einen Blick auf seinen fusseligen, verklebten, grauen Bart werfen.
 

„Du bist doch dieses Rotzgör, oder? Jetzt weiß ich es! Na fein, dir wird die Weiße Hexe heimleuchten, du kleiner, mieser…“, begann der Zwerg erneut zu zetern, doch Peter erfuhr nicht, was er war, denn mit einem Mal setzten sich die Bären in Bewegung. Sie brüllten und schnaubten, und rissen den Schlitten grob über Stock und Stein. Die Tiere kamen vom Weg ab und zogen das Gefährt tiefer in den Wald, weg vom Weg. Im Trubel verlor Peter die Kontrolle und knallte unsanft mit dem Rücken gegen die Lehne. Sein Opfer entkam dabei und zog sich rasch die Mütze über die Augen. Sein kleines, feistes Gesicht war von Sadismus geprägt.
 

„Natürlich bist du dieses Rotzgör. Wenn ich dich zur Weißen Hexe bringe, dann werde ich sicher reich belohnt werden!“ Das war ein ehernes Vorhaben, denn weder er, noch Peter, konnten mehr tun, als sich irgendwo festzuhalten. Die Eisbären waren außer Kontrolle. Sie zerrten am Geschirr, brüllten lautstark und überquerten Felsen, genauso wie umgeknickte Baumstämme und Eisplatten. Nur mit Mühe konnten sich die beiden Passagiere festklammern, um nicht aus dem Schlitten geworfen zu werden.
 

Sie holperten durch das Dickicht und erreichten einen großen, zugefrorenen See. Mit einem Satz sprangen die Bären aufs Eis. Die Deichsel brach und die Tiere entkamen ihrem grausamen Meister. Unkontrolliert schlitterte das Gefährt hin und her, drehte sich dabei mehrfach im Kreis. Die Kufen schnitten in den Untergrund, und Peter konnte mit Entsetzen erkennen, wie sich hinter ihnen immer größere Risse auftaten.
 

Der Zwerg verlor seine Zipfelmütze, die Sekunden später vom einbrechenden Eis verschluckt wurde. Den kleinen, schwarzen Augen war die Furcht deutlich anzusehen, und Peter verstand auch sogleich warum: Die Bären vor ihnen waren bereits eingebrochen. Sowohl der Zwerg, als auch er, befanden sich in der Mitte des Sees, der von allen Seiten her einzubrechen schien. Meister Petz war es möglich, sich einfach wieder an Land zu ziehen, und ihnen machte die Kälte auch wenig aus, aber der Zwerg und Peter würden jämmerlich erfrieren, wenn sie einmal ins kalte Nass fielen.
 

Endlich kamen sie zum Stehen. Peter verschaffte sich einen Überblick und schluckte laut. Rund um sie herum knackte das Eis bedrohlich. Vor ihnen war es bereits weggebrochen, und hinter ihnen bot sich dasselbe Bild. Lange würde das Eis das Gewicht des Schlittens nicht mehr halten können. Gerade als sich Peter aufrichten wollte, bekam er einen Schlag in die Magengrube verpasst, und stürzte nach hinten. „Das ist alles deine Schuld!“, brüllte der Zwerg, und begann, Peter ins Gesicht zu schlagen. Der Junge schmeckte Blut, und ihm wurde schummrig.
 

Durch das Geschaukel und die plötzliche Gewichtsverlagerung brach der hintere Teil des Schlittens ein und kaltes Wasser umspülte das edle Gefährt. Panisch beobachtete Peter, wie sich sein Schädel immer näher dem Loch näherte, in welchem der Schlitten senkrecht einzusinken begann. Der Zwerg taumelte, nur um dann über Peter schreiend hinwegzufallen. In letzter Sekunde griff der Junge nach dem Arm des Bartträgers und hielt ihn fest. Sein eigener Arm schmerzte und pochte, ob des plötzlichen Gewichtes, welches er halten musste. Er ließ aber nicht los.
 

Warum rettete er den Knilch überhaupt? Ihn hätte der Zwerg sicher in den kalten Wassermassen umkommen lassen. Er hätte sich wahrscheinlich sogar noch damit gebrüstet. Sollte er ihn nicht einfach fallen lassen? Den Bären gegenüber war er auch so gleichgültig vorgegangen. Der kleine Kerl war ein sadistisches Monster.
 

„Wer bist du, über andere zu richten?“, fragte er sich dann selbst. Was, wenn der Zwerg eine Familie hatte? War es nicht jedem vergönnt, eine zweite Chance zu erhalten? Mit einem Ruck zog er den kleinen Mann nach oben und warf ihn aus dem Schlitten. Keuchend kam der Zwerg zum Liegen und krallte sich am Eis verzweifelt fest, während Peter schon das eiskalte Wasser an seinen Beinen spürte. Krachend brach der Schlitten komplett ein.
 

Die eisige Kälte kroch Peter in Mark und Bein. Ihm wurde schwarz vor Augen, während er verzweifelt versuchte, sich wieder an die Oberfläche zu kämpfen. Er konnte nicht, es war zu kalt, viel zu kalt. Wenn er wegdämmerte, dann würde er nicht mehr aufwachen, sterben. „Du hast deinen Feind gerettet, der dich nun deinem Schicksal überlässt, Peter Pevensie. Denkst du, ein Krieger hätte wirklich so gehandelt?“, fragte ihn die fremde Stimme donnernd.
 

Hätte ein Krieger so gehandelt? Wahrscheinlich nicht. Doch war Peter ein Krieger? Wollte er das überhaupt sein. Der Junge schüttelte den Kopf und dachte sich: „Es wäre Unrecht gewesen, ihn diesem Schicksal zu überlassen. Wer aus Angst und Furcht andere Leute im Stich lässt, mögen sie noch so böse sein, der ist selbst nicht besser, als das Böse, das er zu bekämpfen sucht.“
 

Langsam fielen Peter die Augen zu. Seine Gedanken gingen zu seinen Eltern, zu seinen Geschwistern, zu Aslan. Er hatte versagt. Auch Benny und Johnny fanden einen Platz in seinen letzten Momenten. Zumindest die beiden Bären waren frei. Er hatte richtig gehandelt, und das wusste er auch. Vielleicht würde der Zwerg doch nachdenken? Vielleicht würde diese eine Tat ihn dazu bewegen, sein Leben zu überdenken?
 

Gerade als es schwarz um Peter zu werden drohte, blendete ihn ein grelles Licht, und er fiel erneut. „Weise Worte, Peter Pevensie. Du hast verstanden, dass Unrecht nicht mit Unrecht bekämpft werden darf. Wer böse ist, muss es nicht immer sein, und es liegt nicht an uns, andere zu verurteilen.“ Staubtrocken und in einer wohligen Wärme, landete Peter im Nichts, welches sich langsam zu verformen begann. Er hatte auch diese Prüfung gemeistert.

Der ultimative Krieger

Peter stand wieder in der Eingangshalle. Der Raum hatte sich verändert. Überall flackerte blaues Leuchter in gusseisernen Halterungen. Die ganze Truppe vom Beginn hatte sich erneut versammelt. Ihre Gesichter wirkten anders, nicht mehr ablehnend, sondern freundlich. Sogar der alte Brummelzwerg schenkte Peter ein Lächeln.
 

„Peter“, nickte der Zentaur und trat langsam auf den Adamssohn zu. „Du hast die Prüfungen des Spießrutenlaufes absolviert.“ Lächelnd legte ihm das Mischwesen die Hand auf die Schulter. „Du hast es schneller geschafft, als wir alle. Wofür wir Wochen, wenn nicht sogar Monate brauchten, hast du weniger als einige Stunden deines Lebens opfern müssen.“ Peter lächelte zwar stolz, doch er war auch nervös: Was kam jetzt? Es gab noch so viele Dinge zu lernen. Der Zentaur schien seine Gedanken zu erraten. „Es gibt nichts mehr, was du lernen könntest. Dein Herz ist rein, dein Geist klar, und du bist ein Naturtalent.“ Zustimmendes Raunen kam von den anderen Wesen im Hintergrund. „Aber was ist mit Reiten, Lanzenstechen, dem korrekten Führen eines Schwertes?“ Der Minotaurus im Hintergrund lachte schallend: „Du hast eine ziemlich gute Figur abgegeben im Kampf vorhin. An deinen Schwertkünsten mangelt es sicher nicht.“
 

Im Gleichschritt rückte das Grüppchen enger um Peter zusammen. Sie bildeten einen Kreis, egal ob groß oder klein, und auch der Zentaur wich zurück. Wie aufs Kommando ging die Gruppe auf die Knie, jene mit Waffen, stützten sich am Knauf dieser ab, und neigten ihr Haupt. „Wir werden dir folgen, Peter Pevensie, Erster unter Gleichen, Sohn des Adam, Wolfstöter, König der Könige, der Prächtige.“ Der Junge besah die Respektsbekundungen der einzelnen Wesen mit Ehrfurcht, aber auch mit Stolz. Er hatte es geschafft, und das alleine. Seine Instinkte und sein Herz hatten ihn geleitet, und die richtigen Entscheidungen treffen lassen. Er gehörte jetzt zu ihnen.
 

„Ja, das tust du“, ließ ihn eine Stimme herumfahren. Aslan hockte außerhalb des Kreises und lächelte stolz. Der Löwe schüttelte seine Mähne und stolzierte langsam auf Peter zu. Der Kreis fächerte auf und bildete einen Keil, wobei auch Aslan die gleiche Respektsbekundung erfuhr, wie es bei Peter der Fall war. „Habe ich dir nicht gesagt, dass jegliche Zweifel unbegründet sind?“, fragte die Raubkatze. Natürlich hatte er das, aber es war einfach schwer gewesen, Aslans Worten zu glauben. „Wir alle haben dich aber eins noch nicht gefragt“, fuhr der Löwe fort, und sämtliche Augen richteten sich auf ihn. „Was denn?“, erkundigte sich Peter neugierig.
 

Schweigend hockte sich die Raubkatze wieder vor den Jungen und starrte ihn eine Weile lang an. „Möchtest du überhaupt kämpfen?“ Eine schwierige Frage. Eigentlich hatte Peter nie kämpfen wollen. Er liebte die Natur, die Tiere, den Wald, und verabscheute Gewalt. Jetzt war es aber anders. Er kämpfte ja nicht, um sich einen persönlichen Vorteil zu verschaffen, oder um sich zu durchzusetzen: Er kämpfte für seine Freunde, seine Familie und für Narnia. Die Krieger hinter ihm standen zu ihm, hatten ihn geprüft, ihm gezeigt, dass er das Zeug dazu hatte.
 

„Ja“, antwortete Peter nach einer Weile mit fester Stimme. „Ja, ich möchte kämpfen.“ Aslan verzog keine Miene, als er nachhakte: „Warum möchtest du nun kämpfen?“ War es nicht albern, mit 15 über solche Motive zu diskutieren? Sie als ehernes Ziel anzugeben? Er war doch viel zu jung. „Lass dein Herz sprechen“, ermunterte ihn der Zwerg hinter ihm, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Peter holte tief Luft. Irgendwie hatte er das Gefühl, Aslan noch überzeugen zu müssen.
 

„Als wir hier angekommen sind, wollte ich so schnell wie möglich weg. Narnia war fremd, unwirtlich und unfreundlich. Wir hatten Angst. Die eisige Kralle des ewigen Winters hält dieses Land gefangen, und auch wenn er ein wenig zurückgedrängt wurde, so kann er nie ganz verschwinden, solange die Weiße Hexe ihr Treiben fortsetzt.“ Das klang gar nicht einmal so schlecht. Ermutigt vom zustimmenden Raunen seiner neuen Freunde, setzte Peter fort: „Jetzt ist es aber anders. Ich habe hier Freunde gefunden, Bewohner von Narnia, die an mich glauben, mir vertrauen und mir auch folgen wollen. Ich möchte sie nicht enttäuschen, ich möchte dich nicht enttäuschen Aslan, auch meine Familie nicht, aber vor allem möchte ich mich selbst nicht enttäuschen.“
 

Eine Zeit lang herrschte absolute Stille. Einzig das Knistern der Fackeln durchbrach die unangenehme Ruhe, bis ein ohrenbetäubendes Brüllen die Halle erfüllte. Sämtliche Wesen jubelten Peter zu, und auch Aslan nickte anerkennend. „Peter“, lächelte der Löwe, „du bist sehr mutig und tapfer geworden. Der überhebliche Junge von einst ist einem stolzen, jungen Mann gewichen. Ich bin stolz auf dich.“ Die Wangen des Menschensohns glühten förmlich und er schlug rasch die Augen nieder, um einige Tränen zu verbergen. Peter sah erst wieder auf, als er zwei große Hände an seinen Schultern spürte. Eine gehörte dem Minotaurus, die andere dem Zentauren. „Auch ein Krieger darf einmal Gefühle zeigen“, schmunzelte das Pferdewesen. Peter nickte und sah mit festem Blick zu Aslan.
 

„Ich bin bereit“, sagte er, und der Löwe nickte. „Wir stehen hinter dir, Peter Pevensie“, rief der Chor einstimmig. Aslan brüllte lautstark und die Umgebung verformte sich erneut. Peter wusste, seine Freunde würden ihn nicht physisch in seinem Kampf unterstützen können, aber sie waren da, tief in seinem Herzen. Auch wenn er ihre Namen nicht kannte, so doch einige ihrer Geschichten, ihre Gesichter, ihre Mimik und Gestik. Jeder von ihnen war einzigartig, und er war stolz, als einer von ihnen akzeptiert worden zu sein. Seine Aufgabe würde nicht leicht werden, doch nun war er vorbereitet, und er würde nicht versagen. „Der Prächtige“, hallte es in seinem Kopf wider. Er würde diesem Beinamen gerecht werden, ganz sicher. Mit diesem Gedanken, und einem Lächeln auf den Lippen, wachte Peter auf, bereit, Narnia zum Sieg zu verhelfen.



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