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Koma

,,Ich kann das Licht sehen"
von

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Das weinende Mädchen

,,Papa, ich hab dich lieb", rief die euphorische Stimme eines Kindes.

,,Halt deinen Mund!"

,,Papa, kannst du mir bei den Hausaufgaben helfen?"

,,Mach deinen scheiß selber!"

,,Papa, ich möchte mit dir in den Park gehen!"

,,Vergiss es!"

»Mein Vater hatte nie etwas übrig für mich. Ich war immer allein und hatte niemanden. Dadurch lernte ich auch schnell, für mich und mein Vater zu sorgen, denn meine Mutter war nicht in der Lage dazu. Ich würde lügen, wenn ich sage: ,,Ich vermisse sie nicht." Aber es war schon skurril. Ich vermisse jemanden, den ich nicht einmal kannte. Meine Mutter müsste eigentlich mich aufziehen, aber das hatte sie nicht , da sie zu meiner Geburt starb.

Mein Vater verlor sich nach meiner Geburt und den Tod seiner großen Liebe der Alkoholsucht. Er hatte nie etwas für mich übrig gehabt. Da ich nie Liebe von meinem Vater erfuhr, kam ich für 9 Jahre zu meinen Großeltern. Als die aber auch von uns gegangen waren, musste ich wieder zurück nach Hause. Am Anfang freute ich mich ziemlich auf meinen Vater, aber er war genauso wie die Male, die er mich besucht hatte. Er zeigte mir keinerlei Beachtung und saß eigentlich den ganzen Tag auf dem Sofa und Trank.

In meinem zehnten Lebensjahr gab es dann einen Tag an dem mein Vater sich gar nicht mehr unter Kontrolle hatte. Er schlug so lange auf mich ein, bis ich mich nicht mehr regte. Bis heute war nur ich die Jenige, die an dieses Ereignis Erinnerungen hatte. Ziemlich schlimme sogar. Denn genau das sorgte dafür, dass ich unter Berührungsängsten litt.

Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Michiru Kaioh und ich bin 15 Jahre alt. Ich besuche die zehnte Klasse einer Schule in Japan. Und ja... Das ist meine Geschichte!«
 


 

>Pieeep... Pieeep... Pieeep<

Das nervende Geräusche sorgte immer mehr dafür, dass die junge Künstlerin ins Hier und Jetzt kam. Die Nacht war ziemlich kurz gewesen, aber ausschlafen war heute nicht mehr möglich. Ein lautes Murmeln durchdrang den finsteren Raum, dessen Fenster mit alten Vorhängen verhangen waren.

>Pieeep... Pieeep!<, war es wieder zu hören.

Ein weiteres Murmeln. Und dann war da der Gedanke an die Schule. Fast in Sekundenschnelle war sie wach. Der Gedanke daran, fremde Menschen in irgendeiner Weise zu berühren, sei es nur ein Anrempeln, machte ihr Angst. Aber bisher wusste niemand davon, außer sie und ihre Ärztin, die dagegen aber nichts unternahm. Mit einem Zittern setzte sie sich auf.

Da aber die Schulpflicht bestand, kam sie nicht drumrum. Aber über die Jahre war nie einige 'Strategien' eingefallen, die dafür sorgten, dass ich so gut wie keinen Körperkontakt mit anderen Menschen hatte.

In Gedanken versunken schaltete sie den Wecker aus.

Auf das Mobbing ihrer Mitschüler hat es überhaupt keine Lust. Letztes Schuljahr hatte so einen Typ mal versucht mit dem Feuerzeug ihre Haare an zu brennen. Und dann waren da noch die Mädels in ihrer Klasse, die immer so überheblich wirken und immer rumzickten. Dazu kam noch, dass ihre Noten nicht die besten waren. Kurz gesagt - sie hatte eine super Schulzeit.

Das türkishaarige Mädchen sah sich im Raum um. Es war dunkel, aber neben den Vorhängen drangen trotzdem einige Sonnenstrahlen in den Raum. Fast ein wenig traurig ließ sie sich für einen kurzen Moment zurück ins Bett fallen, als könne sie somit der Realität entkommen. Nur leider brachte es nichts.

Die Lampe war der einzige Gegenstand, der sich gerade in ihrem Blickfeld befand. Sie war weiß. Weiß wie die Lehre.

Erneut erklang der Wecker, der ihr zeigen sollte, dass es nun wirklich nötig war aufzustehen.

,,Okay! Dann mal los", schnaufte sie noch ziemlich müde.

Der erste Griff war zum Handy. Natürlich, 400 Nachrichten, die ihre Klassenkameraden geschrieben hatten, um ihr die Schulzeit noch schwerer zu machen. Allerdings las sie diese nicht, stattdessen schaltete sie die Musik an. Einen Moment lang konzentrierte sich ganz auf die Klänge der Violine. Sie schloss dabei genießend die Augen.

,,Du bekommst das schon hin, Michiru", seufzte sie, aber gleichzeitig wusste sie, dass sie das nicht tun würde.

Gegen ihre Klassenkameraden konnte sie sich nicht wehren und da war niemand, der sie verteidigen würde. Gedankenversunken erhob sie sich und setzte sich vor ihren Spiegel. Ein wenig Make-up musste sein. Ohne dem getraute sie sich kaum aus dem Haus und damit konnte sie auch einigen Beleidigungen aus dem Weg gehen.

Nachdem sie fertig war, ob sie sich wieder, um sich anziehen zu können. Ihre Uniform war das einzig Schöne an der Schule. Auch die war schnell angezogen und dann musste sie auch schon runter.

Und da holte die Realität sie erst recht ein. Im Wohnzimmer brannte noch Licht und Stimmen waren zu hören, die ja nur vom Fernseher stammen konnten. Ihr Vater hatte es wieder einmal nicht ins Bett geschafft.

Enttäuscht senkte die Türkishaarige den Kopf. So war es doch immer, oder nicht? Schon immer... Seitdem sie lebte und ihre Mutter gestorben war. Ihr Vater enttäuschte sie jedes Mal aufs Neue, aber anscheinend hat er nicht mal das geringste Interesse etwas zu ändern. Eine einzelne Träne floss über ihre Wange. Sie hatte Mitleid, aber immer wenn sie an die Sache, die ihr mit 10 Jahren passiert war, dachte, war das Mitleid weg und wandelte sich ihr in Angst um. Michiru fürchtete sich vor ihrem Vater, aber konnte nichts dagegen machen. Sie liebte ihn ja trotzdem sehr.

Um ihre Vermutung zu bestätigen, ging Michiru in das Wohnzimmer. Ihr Vater lag vor dem alten Fernseher, der eigentlich komplett sinnlos lief und ringsherum standen leere Flaschen. Kein schöner Anblick.

Michiru seufzte. Obwohl sie schon nicht viel Geld hatten, da ihr Vater nicht arbeitete, vertrank ihr Vater den Rest des Geldes. Wenn die Künstlerin etwas Geld haben wollte, musste sie hier und da mal helfen. Am Ende floss das verdiente Geld dann trotzdem in das Essen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie wirklich langsam los musste. Also holte sie ihre Jacke, griff nach der Tasche und dann noch nach dem Geigenkoffer. Die Violine war einst das Eigentum ihrer Mutter gewesen. Doch als sie starb, bekam sie die Violine und ihre Großeltern sorgten dafür, dass sie schon bald das Instrument perfekt beherrschte. Der Gedanke an ihre Großeltern ließ sie noch trauriger werden.

,,Oh Mist! Ich muss los!"

Seit der ersten Klasse war sie wegen des Schulweges auf dem Bus oder dem Zug angewiesen. Andere wurden jedes Mal von ihren Eltern gefahren und die Künstlerin dürfte jeden Tag 5 Uhr aufstehen, obwohl die Schule erst 8:30 Uhr begann, da sie weit weit weg von ihrer Schule lebte. Ihre Großeltern hatten die Schule für sie ausgesucht, da es damals so hieß, dass es da kein Mobbing geben würde. Aber natürlich hatte dieses Gerücht nicht der Realität entsprochen. Aber auch schon da musste sie mit dem Bus fahren, da die Großeltern nie ein Auto besessen hatten.

Es war kurz nach 5:30 Uhr und sie hatte nicht mehr ganz so viel Zeit, jedoch befand sich die Haltestelle ein Glück auf der anderen Straßenseite. Michiru packte sich den Temperaturen angemessen ein. Die Kopfhörer schloss sie an ihrem Handy an, danach beschallte sie sich wieder mit den Klängen einer Violine, welche sie ungemein beruhigten.

Erst dann trat sie in die Kälte hinaus. Es war nicht sehr kalt, aber im Haus war es um einiges angenehmer.Ihr Viertel gehörte zu der ärmeren Sorte und das wussten ihre Klassenkameraden auch.

Die Sonne war natürlich noch nicht aufgegangen. Gerade mal die Laternen erleuchteten die Straßen. Gegenüber an der anderen Straßenseite an der Bushaltestelle standen bereits ein paar Leute, die aber nicht auf die gleiche Schule wie Michiru gingen. Und nun begann der Kampf, den sie seit ihrem zehnten Lebensjahr jeden Schultag durchleben musste: Sie wollte keinen Körperkontakt. Mit niemanden. Auch nicht mit ihren Klassenkameraden, denn die wünscht ihr eh nur alles Schlechte. Angst machten sich in Form von zittern bemerkbar, denn der Gedanke, von irgendjemanden angerempelt zu werden, war schrecklich.

Schweigend lief die Türkishaarige über die Straße, während sie den Blick starr auf den Boden gerichtet hatte. Auf der anderen Straßenseite angekommen, stellte sie sich ziemlich abseits von den anderen hin. Die Leute sahen sie nicht mehr komisch an, das war ja schließlich normal, oder? Und außerdem kannten sie das bereits von der Schülerin.

Der Wind wehte einige Haarsträhnen ihr in das Gesicht, wovon sie sich aber nicht stören ließ. Stattdessen lauschte sie der Musik.
 

Es dauerte nicht lange, bis der Bus kam. Natürlich drängelten sich die anderen vor und wollte der Erste sein, als hätten sie Angst, nicht mitgenommen zu werden. Es gab zwar nur eine begrenzte Anzahl an Plätzen, aber um diese Uhrzeit gab es noch genug Platz zum Setzen. Michiru seufzte, denn das Verhalten war irgendwie kindisch, dabei waren einige von ihnen vielleicht sogar älter als sie. Als die Gruppe eingestiegen war, standen nur noch die Schülerinnen und eine ältere Dame vor dem Eingang. Michiru wollte erst eher einsteigen, doch sie entschied sich dagegen. Das wäre unhöflich. Also stieg die ältere Frau eher ein. Michiru zeigte ihren Busschein, der ihr erlaubte, sich sofort hinzusetzen ohne bezahlen zu müssen.

Zu ihrem Glück waren noch Plätze frei. Die Jugendlichen, die sich eben noch gestritten hatten, wer als Erster einsteigen durfte, hatten sich alle einzeln eingesetzt, neben sie konnte aber auch keiner mehr Platz nehmen, da sie da ihren Rucksack abgestellt hatten. Zwar machte Michiru es nicht anders, aber im Gegensatz zu ihnen, schrie sie dann nicht im Bus herum, um mit den anderen kommunizieren zu können. Das war eine Logik, die sie absolut nicht verstehen konnte.

Die Blicke wieder gesenkt setzte sie sich hin, stellte die Tasche auf ihren Schoß und den Geigenkoffer neben sich ab. Gut, nun war auch kein Platz mehr neben der Künstlerin frei, aber sie würde auf jeden Fall Platz machen, wenn jemand sich nicht setzen könnte.

Der Blick blieb während der Fahrt gesenkt und wurde auch nicht für eine Sekunde erhoben. Viel zu sehr hatte sie Angst davor, komisch angesehen oder gar ausgelacht zu werden.
 

Die Fahrt verging sehr ruhig und dieses Mal hatte sie Ruhe vor den Menschen aus ihrer Schule, die ihr nichts Gutes wollten. Nach einer Weile befanden sich zwar auch diese Menschen im Bus, doch sie ließen sie in Frieden. Anscheinend hatten sie über die Ferien vergessen, dass sie mal jeden Tag das Leben einer Mitschülerin zu einem Albtraum gemacht hatten.

Beim Aussteigen war auch sie die letzte, die den Bus verließ. Während die Menge nun Richtung Schulgebäude lief, schlug die Türkishaarige den Weg zum Supermarkt ein, da sie noch etwas zu Essen für die Schule benötigte.

Der Laden war fast wie ausgestorben, da er eben erst geöffnet hatte. Einige Regale waren noch nicht einmal aufgefüllt. So mochte sie die Läden viel lieber - wenn niemand da war. Kassiererinnen gab es hier nur wenige, da fast alles schon automatisch ging.

Nachdem sie sich einige Snacks geholt hatte, machte auch sie sich Richtung Schulgebäude. Mittlerweile war es bereits 8 Uhr. Die restliche Zeit wird sie ja auch wohl noch rum bekommen.
 

Mit einem Grinsen fuhr die Blonde sich durch die Haare, dessen Pony ihr wild ins Gesicht hang. Für ein Styling hatte sie am morgen nun mal keine Zeit. Ihr fast schon maskulines Gesicht war im Gegensatz zu anderen Damen ungeschminkt und trotzdem vollkommen marklos. Eine nagelneue Schuluniform versteckte ihren durchtrainierten Körper. Man hätte sie für einen Jungen halten können, doch die Brüste machten dem einen Strich durch die Rechnung, denn da machte sie sich nicht mal ansatzweise die Mühe diese zu verstecken. Außerdem wollte sie gar nicht mehr für einen Jungen gehalten werden.

Fast schon ein wenig überheblich stolzierte sie in das für sie noch vollkommen unbekannte Schulgelände. In ihrer alten Schule wurde sie allein schon für ihr Aussehen angeschaut. Aber hier? Keine würdigte ihr des Blickes, wenn sie sich so umsah. Erkannten die ganzen Schüler hier etwa Haruka Tenoh nicht? Vielleicht würde sie hier wohl nicht so beliebt werden, wie sie einst gedacht hatte. Das war ein Rückschlag für ihren Ego.

»Pfff... arrogante Kinder!«, schoss es ihr durch den Kopf.

Die Rennfahrerin sah sich um. Das Schulgebäude war recht groß, aber nichts besonderes. Ansonsten waren nur noch Bäume, Bänke und ein Pavillon zu sehen, indem eine Person saß. Es war eine Schülerin, welche sie gerade ansah. Aber nicht so als würde sie sie kennen. Wahrscheinlich sah sie eher in ihre Richtung, weil die Blondine einfach nur neu aussah. Aber dann war Haruka sich gar nicht mehr sicher, denn fast schlagartig änderte sich ihre Miene. Das unbekannte türkishaarige Mädchen wirkte fast ein wenig traurig... Und einsam.
 

Michiru war durch Zufall diese neue Personen aufgefallen. Nur bemerkte sie schnell, dass auch er zu ihr sah, weshalb sie sich wieder von ihm abwendete. Er war auch einfach nur ein Neuer, der schnell mit dem Strom mitschwamm, um cool zu sein. Deshalb sah sie auch schnell wieder weg.

Ein wenig traurig warf sie ein Blick auf die Nachrichten, die er in den vergangenen Stunden geschrieben wurden. Und so wie immer waren es keine guten.

~Du bist so hässlich~

~Geh sterben~

Und doch mal eine positive: ~Danke. Hast du die HA gemacht?~

~Bor,  hau ab, du Nu**e!~

Jeder einzelne, der ihr doof kam, wurde sofort blockiert, doch sie fanden immer einen Weg, ihr wieder zu schreiben. Diese Nachrichten verstärkten die Angst nur noch mehr. Jede noch so kleine Berührung löste manchmal eine Panikattacke in ihr aus.
 

,,Darf ich vorstellen? : Eure neue Mitschülerin Haruka tenoh. Bitte behandelt sie gut", sprach der Lehrer.

Die Sportlerin glaubte sogar, ein wenig Freude in seiner Stimme zu hören. Mit leichten Herzklopfen sah sie sich jeden einzelnen Schüler an und wirkte trotzdem dabei so cool und selbstbewusst wie immer. Nur ihre manchmal ziemlich arrogante Art durfte sie nicht zeigen, den niemand hier schien die Rennfahrerin zu erkennen. Das türkishaarige Mädchen aus dem Pavillon konnte sie leider nicht sehen. Anscheinend ging sie wohl nicht in diese Klasse.

»Schade eigentlich. Mit ihr hätte ich mich vielleicht anfreunden können. Das Mädchen hatte ziemlich einsam gewirkt.«

Ihrer neuen Klasse war natürlich sofort aufgefallen, dass sie weiblich war. Insgesamt wurde sie auch recht schnell gut aufgenommen. Schon während des Unterricht hatten einige Schüler sie in Gespräche verwickelt.
 

Bei Michiru lief es nicht man halb so gut. Im Matheunterricht fiel es ihr bereits am ersten Tag schwer dem zu folgen und außerdem war sie kurz vor den Tränen, wodurch sie sich nicht mal ansatzweise konzentrieren konnte. Ihre Haare waren sicher bereits schon voller Papierkugeln, womit ihre Klassenkameraden sie schon die ganze Zeit über beschossen. Ein Papierflieger landete direkt auf ihrem Schoß. Zugegeben, die Person hatte gut geschossen, aber sie wusste bereits schon, was auf dem Papier geschrieben wurde. Darum faltete sie diesen auch nicht erst auseinander.

Die erste Träne ist suchte ihren Weg über ihre Wange. Der Blick war natürlich wieder gesenkt und ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Ihre Lehrerin sagte nichts - so wie immer. Einige Wortfetzen erreichten die Geigerin und ließen sie daraus schießen, dass gerade über sie getuschelt wurde.

,,Okay. Löst bitte die Aufgabe drei auf Seite 21", sprach die Lehrerin.

Das Gespräch hinter der Künstlerin nahm endlich ein Ende. Die kleine Hoffnung, sie würden nun aufhören, brodelte in der Türkisen, aber gleichzeitig wusste sie, dass es vor ihrem Schulabschluss kein Ende nehmen wird.

Nach einer ganzen Weile begann die Lehrerin durch die Reihen zu gehen. Michiru startre panisch auf das noch vollkommen leere unbeschriebene Blatt vor sich. Nicht mal ihr Buch aufgeschlagen. Sofort verschnellerte sich ihr Herzrhythmus. Die Zeit verging wie in Zeitlupe. Eigentlich sollte sie wenigstens jetzt anfangen mit der Aufgabe, jedoch bewegte sie sich keinen Millimeter.

,,Michiru? ", ertönte die Stimme ihrer Lehrerin hinter ihr und eine Hand legte sich auf ihre Schulter.

Für einen Moment lang glaubte sie, ihr Herz würde aussetzen, doch gleichzeitig schlug es unwahrscheinlich schnell. Auf einmal wurde ihr übel und fast in der gleichen Sekunde hatte sie einen extremen Schweißausbruch.

»Oh Gott. Ich muss hier raus«, war im Moment das einzige was sie denken konnte.

,,Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte die Lehrerin etwas besorgt, aber das nahm die Schülerinnen gar nicht mehr wahr.

Diese stand nur auf und rannte aus dem Zimmer.

Nur noch weg von hier... Mehr wollte sie nicht, doch sie können sie ja nicht schwänzen, also versteckte sie sich vorerst auf dem Mädchenklo.
 

Da der Unterricht für Haruka viel zu langweilig war, beschloss sie, die Quelle der Langenweile namens Lehrer für einige Minuten zu verlassen.

,,Entschuldigen Sie? Darf ich bitte auf die Toilette?", meldete die Blonde sich.

,,Ja, du kannst gehen."

Grinsend, als hätte sie etwas Außergewöhnliches getan, legte sie den Stift beiseite, stand auf und verließ das Zimmer.

»Bor, endlich raus da... Den Rotz kann ich mir nicht länger anhören«, dachte sie.

Da sie sich auf dieser Schule nicht die Mühe machte, als Junge den Unterricht zu besuchen, ging sie nicht auf die Jungen- sondern auf die Mädchentoilette. Als sie den Raum betrat, hörte sie ein komisches Geräusch. Sofort blieb sie stehen und versuchte so leise wie möglich zu sein. Als es noch einmal ertönte, wusste sie sofort was es war. Dort weinte jemand.

Haruka gehörte definitiv nicht zu der kälteren Sorte Mensch. Manchmal war sie zwar ein wenig arrogant, aber kühl war sie nicht.

Im Raum war keine Menschenseele zu sehen, also muss sie sich in einer der Kabinen befinden. Da im Moment Unterricht war, wollte sie unbedingt wissen, wer das war. Vielleicht würde sich das Problem lösen lassen. Darum beschloss die Rennfahrerin dem Mädchen zu helfen. Die Tür hinter sich ließ sie ins Schloss fallen. Spätestens jetzt müsste das weinende Mädchen sie bemerkt haben. Aber sie machte sich nicht mal die Mühe leiser zu machen. Vielleicht wollte sie ja auch, dass jemand ihr half.

,,Gehen Sie weg, Frau Okudera!", ertönte die Stimme schluchzend.

,,Tut mir ja sehr leid, aber ich bin nicht diese Frau...", erwiderte die Blonde einfach so.

Anhand eines erschreckten Schreies wusste Haruka, dass das Mädchen sie nun bemerkt hatte.

,,Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?", rief sie extra laut.

Während sie ihr nicht antwortete, sah sie für einen kurzen Moment aus dem Fenster. Eine ganze Weile herrschte Stille. Das Schluchzen hatte mittlerweile aufgehört und die Blonde blieb still. Es könnte natürlich auch sein, dass sie gar keine Hilfe haben wollte, aber das würde Haruka sicher nicht dulden. Immerhin hatte sie eben ihre Hilfe angeboten und das passierte weiß Gott nicht oft. Aber auch nach einigen Sekunden kam keine Antwort.

,,Hier, Es tut mir ja sehr leid, dass ich drängle, aber eigentlich habe ich Unterricht. Ich würde dir sehr gerne helfen", sagte sie.

Da Haruka allerdings nicht das geringste Interesse verspürte, in den Unterricht zu gehen, lehnte sie sich vollkommen gelassen gegen die Tür einer Kabine, in der sie das weinende Mädchen vermutete.

,,Dann geh lieber wieder in den Unterricht zurück, du fehlst sicher schon zu lange", sagte sie.

Haruka musterte leicht genervt ihre Schuhe. Noch waren sie glänzend, aber das würde sich in der nächsten Tage schnell ändern.

,,Aja",  sprach die Neue,

,,Und was ist dann mit dir?"

Da sie jetzt nicht einfach rausgehen wollte, griff aie einfach nach der Türklinke. Das Mädchen hatte nicht abgeschossen, wodurch sie problemlos einfach die Tür der Kabine öffnen konnte.

,,Hey, Kleines",  kam es nur von ihr.

Erst danach fiel der Sportlerin auf, dass in der Kabine das Mädchen von heute morgen aus dem Pavillon saß.

Völlig aufgelöst saß die Schülerin auf dem Boden. Ihre Augen sahen geschockt in Harukas Richtung. Sie waren starke gerötet vom Weinen. Nach einigen Sekunden wendeten sie ihre Blicke aber wieder ab.

,,Kann ich dir irgendwie helfen?", fragte die Blonde fast ein wenig fürsorglich.

Das Mädchen antwortete allerdings nicht. Als wäre sie von irgendwas besessen, starrte sie auf dem Boden. Obwohl ihr gerade Hilfe angeboten wurde, nahmen sie diese nicht an. Haruka wurde ein wenig stutzig, dann so reagierte doch sonst keiner. Es war sichtbar, dass die Türkishaarige mit sich ringte. Sie wirkte fast so, als würde sie vor Haruka nicht weinen wollen.

,,Willst du mir erzählen was passiert war? Warum weinst du?", fragte sie, aber es kam keine Antwort.

»Sehr freundlich«, dachte sie.

,,Willst du nicht mit mir reden?"

Keine Reaktion.

Haruka begann zu mustern. Eigentlich sah sie er sehr freundlich aus. Wenn nicht sogar engelsgleich.

»Sie passt eigentlich sogar in mein Beuteschema..«, dachte sie.

,,Okay, dann bringe ich dich eben zurück in deine Klasse. Komm", sprach die Blonde nun etwas strenger, doch eigentlich wollte sie damit nur erreichen, dass das Mädchen endlich sprach.

,,Ich... werde gemobbt...", sagte sie nun endlich.

,,Und dir ist es zu viel geworden. Deswegen bist du rausgegangen. Habe ich recht?"

Sie nickte.

,,Hat dein Lehrer sich mal dazu geäußert?", wollte Haruka wissen.

,,Nein." Mehr kam da nicht.

Mit zittrigen Händen wischte sie ihre Tränen weg. Da das Mädchen ihr leid tat, beschloss sie, ihr wenigstens ein wenig zu helfen. Dass sie aber nachgefragt hatte, war nun doch nicht mehr so eine gute Idee, da sie nun wieder mit weinen begann.

,,Hey...  Kann ich dir irgendwas bringen?", fragte die Rennfahrerin und wie aus Reflex legte sie eine Hand auf das Knie des türkishaarigen Engels.

Diese zuckte sofort erschrocken zusammen. Dadurch begangen sie nur noch mehr zu zittern.

,,Oh, entschuldigung. Ich wollte dich nicht erschrecken.''

Natürlich nahm sie ihre Hand wieder zurück. Aber diese Reaktion war schon ein wenig merkwürdig, doch dann nahm sie in Betracht, dass die Schülerin eventuell mal etwas traumatisches erlebt hatte, durch das sie bei Berührungen ängstlich reagierte.

,,Weist du... ich glaube nicht, dass es eine so gute Idee ist, wenn du dich die ganze Zeit hier versteckst. Du bekommst nur Ärger..."

Haruka versuchte so einfühlsam wie möglich zu sein. Zwar hatte sie noch nie so eine Situation ergibt, allerdings wusste sie, dass es weh tat, wenn man von einem Klassenkameraden gemobbt wurde. Denn Haruka hatte selbst einmal jemanden gemobbt und danach hatte sie alles wieder zurückbekommen.

,,Ja,  vielleicht sollte ich wirklich zurück", holt ihre Stimme Haruka wieder aus den Gedanken.

,,Okay, komm."
 

Nachdem sie sie zurück in die Klasse gebracht hatte, fiel der Sportlerin auf, dass sie nicht mal gefragt hatte, wie sie hieß oder in welche Klasse sie ging. Ihr war nur aufgefallen, dass es auf keinen Fall eine 10. Klasse war. Aber sicherlich würden die beiden sich wieder sehen. Immerhin besuchen Sie die gleiche Schule.

Das zweite Gespräch

Natürlich ging die Blonde wieder in den Unterricht. Dabei ließ sie sich aber sehr viel Zeit. Es vergingen bestimmt fünf Minuten, bis sie in aller Seelenruhe an der Tür anklopfte. Eigentlich konnte sie sich bereits ausmalen, dass der Lehrer nicht erfreut sein wird. Der noch blieb sie vollkommen ruhig.

,,Herein", hörte sie die doch leicht wütende Stimme des Lehrers.

Da sie es eh schon erwartet hatte, ging sie ebenso gelassen in die Klasse.

,,Warum hast du so lange gebraucht?", wollte der Lehrer wissen.

,,Ach... Hab so Mädchenprobleme...", zuckte Haruka unschuldig mit den Schultern.

,,Und da braucht man so lange? Was hast du getrieben?''

Seine Stimme wurde wütender als eh schon. Es wäre jetzt schön blöd von ihr, wenn sie ihm nicht antworten würde. Und Stress am ersten Schultag an einer ganz neuen Schule musste auch nicht sein. Aber den türkishaarigen Engel wollte sie auch nicht verpetzen.

,,Mir war schlecht... Und ich glaube da muss ich gar nicht weiterreden, was ich auf der Toilette getrieben habe", sagte sie.

Das der Lehrer so genau wissen wollte, was sie gemacht hatte, ging ihr jedoch etwas gegen den Strich. Deshalb ging sie auch dann einfach an ihren Platz und wartete gar nicht erst auf seine Antwort ab. Alle Augen hangen auf ihr, denn so etwas getraute sich kaum jemand.

Nach zehn Minuten war aber auch wieder die Pause, wodurch Haruka es nicht für nötig hielt, von der Tafel abzuschreiben.
 

Haruka war so ziemlich die Erste, die das Klassenzimmer verließ.

Die Gänge waren voll mit Schülern. An so einer dermaßen überfüllten Schule war Haruka noch nie gewesen. Es war schwer sich überhaupt in der Masse zu drehen und zu wenden. Aber irgendwie ging es dann trotzdem. Aber nur ein Stück, denn dann begegnete ihr auf einen Korridor ein bekanntes Gesicht.

,,Haruka! Oh mein Gott! Was machst du denn hier?", rief Setsuna ganz aufgeregt.

Mit viel Mühe versuchten sie irgendwie raus auf den Hof zu kommen.

,,Ich habe die Schule gewechselt" , begann die Pianistin zu sprechen, nachdem sie draußen angekommen waren,

,,Aber ich hätte nicht gedacht, dass du auch hier bist."

,,Klar. Habe ich aber auch nie erwähnt", lächelte die Grünhaarige.
 

Die beiden stellten sich ziemlich abseits der Menge, um etwas zu reden.

,,Und? Wie findest du die Schule bisher?",  wollte Setsuna wissen.

,,Naja, ziemlich voll... Aber insgesamt ist es ganz okay hier."

,,Hast du hier denn schon jemanden kennengelernt?"

Setsuna packte ihre Bentobox aus und setzte sich einfach auf dem Boden. Und da es eh trocken war, bestand da auch kein Problem darin.

,,Ja, hab ich", erwiderte Haruka und setzte sich neben sie.

Haruka kannte Setsuna aus dem Kindergarten und danach hatten sie sich auch manchmal noch gesehen.

,,Und wen?"

,,Keine Ahnung. Ich kenne ihren Namen nicht... Aber sie war ziemlich süß" , erzählte die Blonde.

,,Uuuuuh... hast du dich etwa schon verguckt? So schnell?", lachte die Schülerin ziemlich amüsiert.

Während Setsuna zu essen begann, suchten Harukas Augen nach der Schönheit von heute morgen. Es waren hunderte von Schülern, nur leider nicht sie, zu sehen. Dass Haruka sich irgendwie komisch verhielt, fiel auch Setsuna auf.

,,Was ist los? Suchst du jemanden?"

,,Ja, das Mädchen von heute...", murmelte sie, da sie ja darauf konzentriert war, das Mädchen zu finden.

,,Und du weißt nicht wie sie heißt?"

,,Nein... Ich habe heute nicht daran gedacht zu fragen..."

,,Wie hast du die überhaupt kennengelernt?"

Die Pianistin gab es auf, da sie sie einfach nicht fand. Vielleicht hatte sie sich ja auch abholen lassen. Wäre verständlich.

,,Ich war heute im Unterricht mal auf dem Klo und da habe ich bemerkt, dass da ein Mädchen auf dem Klo war, das weinte..."

,,Hm, ok... Wie sah sie denn aus?", murmelte Setsuna während des Kauens.

,,Türkise Haare... Wunderschön! - "

Haruka wollte noch etwas anhängen, doch Setunsa wusste sofort wen Haruka da morgens auf dem Mädchenklo kennengelernt hatte.

,,Du meinst Michiru... Habe ich mir aber schon gedacht...", zuckte die Grüne mit den Schultern.

,,Michiru? Wie ist sie so? "

Harukas Interesse war geweckt. Zwar war es im Moment eher ihr Aussehen, aber aber dennoch wollte sie diese Schönheit unbedingt näher kennenlernen. Und das um jeden Preis.

,,Willst du sie sehen? Ich weiß wo sie ist", begann die andere breit zu grinsen.

,,Woher weißt du das? Ich sehe sie nirgends!"

,,Ja, aber sie verbringt ihre Pause immer am gleichen Ort."

Haruka war schon längst aufgesprungen und wollte los marschieren, doch Setsuna war noch nicht soweit. Fast ein wenig zu langsam packte sie ihr Frühstück ein, was aber ihr dazu diente, Haruka etwas zu testen. Diese war sofort genervt, da es ihr zu langsam ging.

,,Warum so hippelig?"

,,Weiß ich auch nicht. Nun mach schon!", begann sie nun auch noch zu drängeln.

,,Ja doch!", lachte Setsuna und stand endlich auf.
 

Setsuna führte die neue Schülerin quer über den Schulhof. Aber schon von Weitem erkannte sie diese Michiru. Der Name gefiel der Rennfahrerin mehr als gut, aber viel mehr auch ihr Aussehen. Dem Mädchen sah man bereits an, dass sie einen guten Charakter besaß.

,,Aber bitte pass auf, was du sagst..." meinte Setsuna plötzlich.

Haruka sah ziemlich verwundert zur Seite und blieb schlussendlich auch stehen.

,,Wieso? Hä? Hab ich was falsches gemacht?", wurde sie ein wenig unruhig.

,,Nein, hast du nicht. Du weißt doch, dass ich mich viel mit der Psyche von Menschen beschäftige. Und ich mag es zu behaupten, dass mit Michiru etwas nicht stimmt. Und außerdem wird sie an unserer Schule gemobbt", sprach sie.

,,Ja, das hat sie mir heute morgen auch gesagt. Aber mal ganz ehrlich! Wie kann man so eine Schönheit mobben?! "

,,Ich weiß es nicht, ich gehöre nicht zu diesen dummen Leuten. Aber so weit ich weiß ist sie nicht gerade gut in der Schule. Sie gehört eher zu den 4 schlechtesten vom Notendurchschnitt hier."

,,Na und? Ich finde sie hat das nicht verdient...", meinte Haruka,

,,Aber was soll denn an ihr nicht stimmen, hm?"

,,Sie ist sehr scheu."

,,Hm.. Okay."

Setsuna sah ihr gegenüber fast ein wenig warnend an.

,,Deswegen sollst du aufpassen was du zu ihr sagst. Nicht, dass sie denkt, du willst ihr was Schlechtes."

,,Okay, ich hab verstanden", nickte die Blonde, doch gleichzeitig hatte sie nun ein wenig Angst.

Angst, dem engelsgleichen Wesen gegenüber etwas Falsches zu sagen, was diese verletzen könnte. Etwas unsicher blickte sie ihre Schulfreundin an, wobei ihr auch auffiel, dass sie sie sie an grinste. Nur warum?

,,Was ist? Habe ich etwas im Gesicht?", wollte sie daraufhin wissen.

,,Nein, aber es wäre vorteilhaft, wenn du ihr nicht unter die Nase reibst, dass du auf Frauen stehst."

,,Ich gehe nun mal offen damit um!", zuckte sie mit den Schultern.

,,Ich wollte dir nur einen Rat geben. Nicht, dass sie gleich denkt dass du etwas Sexuelles von ihr möchtest. Was du daraus machst, ist dir überlassen", lachte die Gründe,

,,So... Das letzte steht zu ihr wirst du sicher selbst finden."

Harukasuka sie gar nicht länger und lief los.
 

Michiru war die Blonde von heute morgen bereits aufgefallen. Umso verwunderter war sie, als sie gemeinsam mit einer anderen Schülerin stehen blieb. Wahrscheinlich hatten sie sich doch umgestimmt, was der Türkisen auch ihr lieber war. Schon heute morgen war ja aufgefallen, dass der Junge, für dass sie die Blonde erst gehalten hatte, nachdem sie sie aus dem Pavillon gesehen hatte, eigentlich ein Mädchen war. Erstens sah man das an ihrem Vorbau und zweitens konnte man das ein wenig auch an ihrer Stimme hören.

Während die Blonde dann aber doch wieder auf sie zulief, konzentrierte Michiru sich ganz allein auf die Musik, die durch die Kopfhörer an ihre Ohren drang.
 

Haruka blieb vor dem Mädchen stehen und sah diese an, aber anscheinend schien sie die Rennfahrerin nicht zu bemerken, da sie sie immer noch nicht angesehen hatte. Ihr waren natürlich die Kopfhörer in ihrem Ohren aufgefallen. Deswegen entschied sie sich auch dafür, sich erstmals neben sie zu setzen. Und auch da kam wie erwartet keine Reaktion. Also musste sie irgendwie die Aufmerksamkeit von ihr auf sich lenken.

,,Hey... Erkennst du mich noch?", fragte die Blonde extra laut.

Dabei bemerkte sie auch, dass diese Michiru sogar noch ein Stück wegrutschte. Vielleicht wollte sie auch gar nicht mit dir reden?
 

Setsuna war schon von weitem aufgefallen, dass das Gespräch nicht so verlief, wie Haruka es sich vorgestellt hatte. Erst wollte sie die beiden nicht stören, aber als sie dann sah, dass die türkishaarige Schülerin wegrutschte, lief sie dann doch auf sie zu. Es war stark wahrscheinlich, dass Haruka das Gespräch einfach falsch begonnen hatte.

Als sie vor ihnen angekommen war, sah die grünhaarige Schülerin erstmals zu der Pianistin.

,,Was hast du gesagt?", fragte sie misstrauisch.

,,Nur, ob sie mich noch erkennt", meinte Haruka.

,,Und auch nicht mehr", hob sich dir Augenbraue der Grünen an.

,,Nein! Das würde ich nicht tun! Ich will dir doch gar nichts Böses!"

Setsuna wandte sich nun direkt Michiru zu, auch da reagierte sie nicht.

,,Guten Morgen, Michiru. Ich kann dir versichern, Haruka will wirklich nichts Böses von dir."

Es schien so, als würde die Künstlerin die Schulkameraden ignorieren.
 

Michiru war natürlich aufgefallen, dass die beiden mit ihr ein Gespräch beginnen wollten, aber auch nachdem sie ihr versichert hatten, dass die beiden ihr nichts böses wollten, vertraute sie den eigentlich völlig Fremden nicht. Gerade mal ein paar Worte hatte sie mit der blonden neuen Schülerin gewechselt - mehr war da nicht. Und mehr wollte Michiru auch nicht mit ihr zu tun haben. Aber natürlich hatte die Türkise mitgehört, dass die neue >Haruka< hieß.

»Schön klingt der Name schon...«, schoss es ihr ungewollt durch den Kopf.

Um wenigstens ein wenig mehr Ablenkung zu bekommen, drückte sie auf einer der Knöpfe an ihrem Handy, wodurch die Musik noch lauter wurde. Zwischenzeitlich waren noch einige Worte von der Blonden zu hören, dennoch wurde den beiden keine Beachtung geschenkt.
 

Haruka sprach der noch weiter, vielleicht würde das wunderschöne Mädchen ihr doch irgendwann zu hören. Aber nach einer ganzen Weile gab es es auf. Es war aussichtslos, denn demnach wollte die Kleine einfach nicht. Trotzdem war die Rennfahrerin enttäuscht. Noch vor wenigen Stunden hatte sie sie weinend auf dem Klo gefunden und ihr geholfen - und dabei hatte sie auch Ärger von der Seite des Lehrers in Kauf genommen. Und das war der Dank? Ignoranz?

Obwohl Haruka dieses Mädchen namens Michiru nicht kannte, war sie trotzdem der vollen Überzeugung, dass das Mädchen einen tollen Charakter hatte.

,,Ich glaube... das hat keinen Sinn", seufzte sie ein wenig enttäuscht in die Richtung Setsunas.

Noch einen kurzen Moment schenkte sie dem türkisen engelsgleichen Wesen die Aufmerksamkeit, doch diese hatte sich schon die ganze Zeit von ihnen abgewandt. Erneut verließ ein Seufzen die Lippen der blonden Pianistin, danach stand sie auf.

,,Wer nicht will, der hat schon. Wenn sie uns ignorieren muss, dann bitte", war die Meinung von Setsuna.
 

Die Geigerin sah den beiden hinterher, wie diese sich immer weiter entfernten.

Klar, war ja aufgefallen, dass man sie angesprochen hatte, aber sowas wollte sie einfach nicht. Warum konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen? Warum mussten ständig irgendwelche Leute sie ansprechen oder sie gar berühren? Es gab doch so viele Menschen auf dieser Welt, die man ansprechen konnte. Warum denn ausgerechnet so ein scheues Mädchen wie Muchiru? Ein Mädchen, was dachte, es sei nicht mal hübsch?

Michiru schossen direkt Tränen in die Augen, mit den Gedanken, dass jemand sie am Arm berührte: so wie ihre Lehrerin heute. Das war einfach nur ein Alptraum gewesen!

Als sie ihre Blicke mal erhob, fiel ihr auf, dass die Pause bereits vorbei war. Die Zeit war doch ziemlich schnell vergangen. Umso besser, denn bald war der Tag endlich vorbei und sie konnte nach Hause.

Eine stressige Heimfahrt

Dieses Mädchen ließ Haruka einfach nicht los. Während des Unterrichtes konnte die Rennfahrerin sich kein kleines bisschen konzentrieren. Allein schon ihr Verhalten war komisch. Und warum musste diese Michiru Haruka unbedingt ignorieren, wenn sie ihr am morgen doch erst geholfen hatte? Warum sagte sie ihn nicht einfach, dass sie kein Gespräch führen wollte? Da waren Fragen über Fragen, auf die ist im Moment noch keine Antworten gab. Aber die würde sie schon bekommen. Immerhin teilte die Blonde die Schule mit dem türkishaarigen Mädchen.
 

Endlich klingelte es, also war der Unterricht vorbei. Als das erlösende Klingeln ertönte, war Michiru direkt ein wenig glücklich. Jetzt musste nur noch die Busfahrt gut gehen. Aber gleichzeitig war ihr schon klar, dass irgendwas heute noch den Tag versauen würde. Entweder war es die Busfahrt, ihr betrunkener Vater zu Hause oder beides. So wie sie ihre Klassenkameraden kannte, würden diese sich auf dem Heimweg sicher irgendwie daneben benehmen und dir damit weh tun. Jedoch konnte Michiru dem kaum aus dem Weg gehen. Nach Hause laufen ging nicht- da würde die Künstlerin erst bei Mitternacht ankommen. Sie wohnte einfach viel zu weit weg.

Es dauerte einige Minuten, bis alle Schüler den Raum verlassen hat. Die Geigerin hatte natürlich vor, als Letzte den Raum zu verlassen. Theoretisch könnte sie ihre Hausaufgaben auch noch in der Bibliothek machen und dann erst heim fahren, allerdings machte sie eh immer alle Aufgaben während der Fahrt. Immerhin hatte sie 2,5 Stunden Zeit.

Fast ein wenig langsam packte sie jedes Buch oder Heft sorgfältig in ihre Schultasche. Die Schüler mitsamt dem Lehrer hatten bereits den Raum verlassen. Klar, auf den Korridoren war noch einiges los, aber in fünf Minuten konnte sie sich schon dahin trauen. Seufzend schloss sie ihre Tasche. Erst dann erhob die Türkise sich und lief auf das Fensterbrett zu, worauf ihr Geigenkoffer lag. Den hatten die Schüler nicht beschädigt. Vielleicht auch eher, weil sie genau wussten, dass es da ordentlich Ärger gäbe. Nicht von Michiru, sondern von den Lehrern.

Für einen kurzen Moment musste die Künstlerin an ihre Mathematiklehrerin denken, die sie heute eher aus Besorgnis an der Schulter berührt hatte. Michiru war durchaus bewusst, dass die Lehrerin ihr nichts Böses wollte, jedoch war ihr diese Berührung einfach zu viel gewesen, zumal ihre Mitschüler sie davor verspottet und geneckt hatten. Dennoch wäre eine Entschuldigung gegenüber die Lehrerin angebracht. Immerhin hatte sie einfach ohne Erlaubnis den Unterricht verlassen. Zwar hatte die Lehrerin nichts dazu gesagt, als Michiru von Haruka zurück in den Unterricht gebracht wurde, aber trotzdem. Eigentlich gehörte sich sowas ja nicht.

So langsam wurde es ruhiger in den Gängen. Dies sah die Türkise als ihre Chance an. Fast ein kleines bisschen zu eilig verließ sie nun das Klassenzimmer. Dabei vergaß sie auch, die Tür zu schließen. Während des Rennens girl sie einige Male fast hin oder ließ ihre Schultasche fallen.

Einige Schüler befanden sich nämlich noch in den Korridoren. Eigentlich fiel sie so ja eher auf, aber so war sie auch schneller aus diesem schieß Schulgebäude raus.

Mit einer scharfen Bremsung kam sie vor dem Spind zum Stehen. Eilig suchte sie danach den Schlüssel heraus, schloss den Spind auf und holte noch die restlichen Sachen wie die Jacke heraus.

Michirus Herz raste fast. Trotz das niemand sie überhaupt nur angesprochen hatte, war die Angst vorhanden. Jederzeit könnte jemand sie ansprechen, doch wenn sie sich beeilte?
 

An der Bushaltestelle angekommen hatte sich die Angst doch ein wenig gelegt. Die Schüler standen meist alle auf einen Haufen, doch Michiru befand sich natürlich abseits der Menge. Die Musik dröhnte ihr wie immer in die Ohren, wobei sie das um sich herum komplett vergaß. Die Zeit verging ein glück auch relativ schnell und als der Bus bereits von Weitem schon sichtbar war, stellte Michiru sich auf ein Gedrängel ein. Dass ihr Herz am rasen war, ist sicher nicht erwähnenswert.

Am Fußweg gab es eine Stelle, an der sich meist der Eingang des Buses befand, wenn dieser hielt, wo sich nun der Großteil der Schüler versammelte, obwohl der Bus noch gar nicht angehalten war. Bereits jetzt wurde geschubst und gedrängelt. Daran beteiligten sich vorwiegend die kleineren Schüler. Wahrscheinlich hatten sie Angst, nicht mit einsteigen zu können.

Tatsächlich war das um diese Uhrzeit gar nicht so selten, da die Buse immer voll sind - vor allem im Berufsverkehr.

Der Bus war bereits am Fußweg angekommen, wurde langsamer und blieb letztendlich stehen. Und ab da wurde das Gedrängel noch schlimmer als eh schon. Michiru fiel auf, dass der Bus relativ leer war, ansonsten wären heute wirklich nicht alle mitgekommen.
 

Der Busfahrer war über das Geschubse und Geschreie nicht sehr erfreut. Deshalb ließ er gleich alle Schüler wissen, wie schlecht seine Laune in diesem Moment war.

,,WENN HIER NOCH EINER SCHREIT ODER SCHUBST, DANN WERD ICH IHN EIGENHÄNDIG AUS DEM BUS WERFEN! Also haltet euch unter Kontrolle!", begann er sofort zu schreien. Sofort herrschte Stille und die Schüler stiegen wie ausgewechselt ein.

Erst als jeder eingestiegen war, stieg auch Michiru in den Bus es war total voll und Sitzplätze gab es schon lange nicht mehr.
 

Es dauerte sicher eine Stunde, eh ein Platz frei wurde und das türkishaarige Mädchen sich setzen konnte. Neben ihr saß ein älterer Herr, der aber zum Glück schlief. Ihr Herz raste immer noch und dadurch umso mehr, da er aber schlief, hatte er sie sicher nicht bemerkt und ansprechen würde er sie sicher auch nicht.

Bis zu diesem Zeitpunkt war alles okay, aber dann ging es bereits los. Irgendwas konnte sie an ihren Haaren spüren. Die Künstlerin war sich sicher, dass jemand sie mit irgendetwas beschoss. Und als etwas auf ihrem Schoss landete, war ja auch klar mit was - Es waren Kekse.

Sofort schossen Tränen in ihre Augen. Sicherlich waren das die Mädchen aus ihrer Klasse.

Nach kurzem hörte es allerdings wieder auf.

Michirus Gedanken schweiften zu der blonden Jungen Frau und dieser Meioh Setsuna. Heute auf dem Schulhof war die Türkise vielleicht doch ein wenig unhöflich gewesen.
 

Hausaufgaben wurden ihr bis morgen nicht aufgegeben, aber lernen konnte man immer. Dies tat sie jedoch erst, als sie einen eigenen Sitzplatz hatte, wo sie allein war. Und mit der Zeit war es eh etwas leerer geworden.
 

2,5 Stunden waren wirklich viel und in dieser Zeit konnte man eine Menge machen. Doch heute verging die Zeit relativ schnell. Aber noch ging es nicht nach Hause. Der Vater der Geigerin kam nämlich nie auf die Idee einkaufen zu gehen. Deshalb musste Michiru den Einkauf selbst erledigen. Das einzig Gute war, dass der kleine Job nicht allzu oft nötig war.
 

Nachdem diese Aufgabe auch erledigt war, ging es endlich heim. Mit der Schultasche, dem Geigenkoffer und dem Einkauf war es schwer zu laufen.

Die Abenddämmerung war bereits angebrochen. Sicher war es bereits 19 Uhr. Solange war Michiru tatsächlich noch nie außer Haus gewesen, jedoch wird keiner auf sie warten, denn ihr Vater lag sicherlich schon betrunken auf der Couch.

Ihr Kopf war gesenkt, Tränen schossen in ihre Augen. Fast jeden Tag den selben Ablauf, so langsam kotzt er es die Geigerin an. Sie ging selbst so gut wie jeden Tag einkaufen, da sie so länger von zu Hause weg war.
 

Haruka seufzte. Gerade eben hatte wieder jemand an der Tür geklingelt und sie wusste genau wer es war : Die Presse, die sie wegen ihrer neuen Schule interviewen wollte. Dafür musste die Blonde nicht mal nachdenken. Für einen kurzen Moment überlegte sie sogar, die Tür zu öffnen. Die junge Frau ging sogar in den Flur, doch dann entschied sie sich doch dagegen.

Also setzte sie sich wieder hin. Zwar klingelte es noch ein weiteres Mal, jedoch kam keine Reaktion von ihr darauf. Ganz entspannt nippte sie an ihrem Kaffee und schaute in die Ferne.

Ganz Tokio war beleuchtet. Sterne waren allerdings nicht zu sehen. Für Haruka war dieser Anblick ganz gewöhnlich.

Übrigens- Das Mädchen von heute ging immer noch nicht aus dem Kopf.
 

20 Uhr. Der Heimweg hatte relativ lange gedauert. Ihre Laune war schon den ganzen Tag nicht gerade gut gewesen, aber nun war sie wirklich im Keller.

Michirus Vater besaß eine kleine Wohnung im Nirgendwo. Durch das Fenster kannte Michiru, dass darin Licht brannte. Sie seufzte. Ihre Hand zitterte ein wenig, als sie den Schlüssel in das dazugehörige Schlüsselloch stecken wollte. Dieser Kampf und dieser Schmerz, den sie gleichzeitig in ihrer Brust verspürte, waren jedes Mal aufs Neue vorhanden.

Nachdem die Tür geöffnet war, griff sie wieder nach dem Gepäck. Währenddessen drangen Stimmen vom Fernseher in ihre Ohren. Dennoch existierte noch ein Fünkchen Hoffnung, dass ihr Vater nicht komplett betrunken vor dem Fernseher lag. Nur ganz langsam betrat sie das kleine Wohn- und Esszimmer. Eine Flasche Wodka stand neben dem betrunkenen und schlafenden Vater.  Enttäuscht ging sie wieder in die Küche. Dann verstaute sie den Einkauf im Kühlschrank.

Als sie die älteren Bierflaschen in der Ecke stehen sah, platzte ihr der Kragen. Weinend verschwand sie in ihrem Zimmer und ließ den Rest des Einkaufes einfach stehen.

Manchmal war das einfach zu viel - zu viel, jeden Tag ihren Vater in einem nicht ansprechbaren Zustand aufzufinden. Ihr war nicht mal mehr klar, wann genau sie das letzte Mal mit ihrem Vater ein Wort gewechselt hatte.

Die Tür war verschlossen und sie wusste dass jetzt keiner hereinkommen würde. Dadurch wurde sie etwas ruhiger, doch Tränen liefen noch immer.

Um sich abzulenken, zeichnete sie an einem Bild weiter, doch eigentlich brachte es nichts. Aber sie fühlte sich trotzdem irgendwie besser, da sie wusste, dass sie wenigstens nach Ablenkung gesucht hatte. Auch wenn es nicht half.

Manchmal war da der Wunsch, jemanden zu haben, wo sie einfach mal eine Nacht unter kommen konnte, doch sowas hatte sie nicht und mit ihren Berührungsängsten war es auch gar nicht mal so einfach Freunde zu finden. Sicher hielten einige sie für scheu oder gar für eingebildet, weil sie kaum sprach. Aus diesem Grund hatte die Künstlerin auch keine Freunde. Gerade wenn es ihr schlecht ging, benötigte sie jemanden, aber niemand und auch sie selber waren nicht bereit dafür.

Oder doch?

,,Guten Morgen"

,,Ja, ich weiß. Geht klar, dann kannst du heute Nachmittag vorbeikommen und mit mir alles besprechen! Ja dann.. Tschüss'', sprach Haruka und legte.

Es war ein recht guter Kumpel der Blonden gewesen, welcher sie zu einem Shooting eingeladen hat. Bei ihm war es immer etwas anderes. Ansonsten gingen die Fotografen ihr ziemlich auf die Nerven.

Trotzdem ein wenig genervt warf sie einen Blick auf die Uhr. Eigentlich hatte sie noch viel Zeit eh sie losfahren musste, jedoch zog sie sich schon jetzt an und machte sich auf dem Weg zur Schule.
 

Michiru seufzte.

Es war mal wieder ein eiskalter Morgen und der Wind war auch nicht so angenehm. Zitternd lief die schon auf eine Stelle, um sich irgendwie warm zu halten, doch als jemand durch das 'Laufen' auf sie aufmerksam wurde und sie ansah, hörte sie sofort auf damit.

»Der Bus kommt bald, Michiru!«

Immer wieder hielt sie sich das vor Augen.

Das Lied in ihren Ohren wurde immer leiser und verstummte letztendlich. Danach ertönte ein ziemlich emotionales Lied, was die Türkishaarige sofort wegdrücken musste. Sowas konnte sie momentan nicht anhören.

Endlich kam der Bus. Die Künstlerin war auf einer gewissen Weise froh der Kälte entfliehen zu können, doch als sie sah wie voll der Bus war, überlegte sie sogar für einen Moment nicht einzusteigen. Jedoch konnte sie sich das nicht getrauen. Denn dann wäre sie in der Schule unentschuldigt und dann würde man ihren Vater Bescheid geben, dass seine Tochter nicht zum Unterricht erschienen ist. Viel zu groß war die Angst erneut geschlagen zu werden.

Also stieg sie ein - aber natürlich als Letzte. Sie hatte Glück, dass bei der Haltestelle sich eine ältere Frau doch noch entschied auszusteigen, wodurch ein Sitzplatz frei wurde. Neben ihr war es ein Glück auch frei.
 

Die Busfahrt verlief relativ gut. Niemand beschloss sie mit diversen Sachen oder sprach sie gar an. Jedoch war ihr etwas aufgefallen, als sie schon das Fahrzeug betreten hatte. Und sie hörte es trotzdem Musik: Weiter hinten im Bus wurde über sie gesprochen und selbstverständlich nicht positiv. Michirus Gesicht war dabei ein Thema, den Rest verstand sie nicht. Vielleicht reichte das Make-up gar nicht aus? Eigentlich sollt ihr das egal sein, doch das war es nicht. Die Geigerin möchte nicht ständig das Gesprächsthema der ganzen Klasse sein. Zumal es auch nie etwas Positives war über das sie sich unterhielten.

Krampfhaft versuchte Michiru das Gespotte irgendwie zu ignorieren, doch die Stimmen drangen immer weiter vor. Dabei hatte sie sich extra direkt hinter den Busfahrer gesetzt.
 

Schweigend lief sie noch das letzte Stück zur Schule. Weiter vorne liefen einige kleinere Schüler, die so lebensfroh gemeinsam lachten. Manchmal waren solche fröhlichen Kinder echt zu beneiden.

Michiru war in Gedanken versunken und lief den anderen Schülern einfach hinterher. Irgendwann war sie dann vor dem Eingang angekommen. Nun hatte sie wie immer noch ein wenig Zeit, die sie totschlagen musste. Eigentlich war die Tür der Schule bereits offen und die Künstlerin hätte rein gehen können, doch sie verbrachte liebe ihre Zeit noch draußen. Also schlug das Mädchen den Weg zum Pavillon ein. Zu ihrem Glück war dieser auch nicht besetzt. Es war niemand zu sehen, da die Schüler, die bereits jetzt schon da waren, reingegangen waren.

Seufzend ließ sie sich auf der Bank im Pavillon nieder. Diese Ruhe war angenehm. In der Ruhe kam man meist gar nicht in die Nähe dieses Sitzplatzes, da es jedesmal voll war. Michiru sah auf das Display ihres Handys - keine Nachricht. - Gewissermaßen war das sogar gut, denn meistens waren es irgendwelche Beleidigungen ihrer Mitschüler.
 

Auf dem Parkplatz angekommen brachte die androgyne blonde ihren Sportwagen zum Stehen. Heute war sie extra eher in die Schule gekommen, da Setsuna ihr bei einer Ausarbeitung helfen wollte. Da hatte sie natürlich nicht nein gesagt.

Bisher waren kaum schon Lehrer da, wodurch sie sich einfach mal so frech auf dem Parkplatz gestellt hatte, der eigentlich für die Lehrer vorgesehen waren.

,,Okay, mein Baby, bis heute Nachmittag", grinste die Blonde stolz.

Den Wagen hatte sie selber gekauft. Eigentlich durfte sie noch gar nicht auf der Straße fahren, doch das Rennenfahren hatte da einige Vorteile mit sich gebracht.

Als Haruka dann den Schulhof betrat, sah sie sofort das Mädchen von gestern : Michiru. Erst überlegte die Blonde, ihr einen schönen Tag zu wünschen, doch dafür war sie viel zu weit weg und müsste erst hinlaufen. Und wer weiß? Vielleicht würde sie dann wie gestern reagieren. Also entschied sie sich dagegen und steuerte wieder das Schulgebäude an.

In diesem Moment trat Setsuna heraus.

,,Oh, guten Morgen. Ich dachte du wärst in der Bibliothek?", meinte Haruka und umarmte die Grünhaarige kurz.

,,Eigentlich wollte ich da auch rein, aber die ist so voll! Da kann man sich gar nicht konzentrieren. Aber wir können das ja auch draußen machen", lächelte die andere.

Haruka nickte.

Gemeinsam suchten sie sich eine Bank. Dabei bemerkte Setsuna, dass die türkishaarige Schülerin Michiru im Pavillon saß.

,,Michiru ist ja schon da", sagte die Grünhaarige und sah wieder zu Haruka.

,,Ja, ich wollte erst einen guten Morgen wünschen, aber ich weiß ja nicht wie sie reagiert..."

,,Wollen wir mal zu ihr gehen? Wir können doch gleich die Aufgaben im Pavillon machen", schlug Setsuna vor.

,,Was? Meinst du wirklich? Nicht, dass sie mich für einen Spinner hält?", sprang Haruka auf.

Setsuna lachte.

,,Ach quatsch. Komm jetzt! Wir gehen zu ihr."
 

Michiru fiel sofort auf, dass die Zwei von gestern auf sie zu liefen. Noch hatte sie die Hoffnung, dass sie wo anders hinwollten, doch als sie immer näher und näher kamen, war diese Hoffnung verschwunden.

,,Guten Morgen. Geht es dir heute besser?", fragte Haruka sehr freundlich und gleichzeitig wirkte sie so selbstbewusste, dass Setsuna fast angefangen hätte zu lachen, so unsicher wie Haruka eben noch gewesen war.

Haruka dachte dabei an gestern, als die Türkishaarige auf der Toilette so geweint hatte. Doch Michiru erwiderte nichts.

Stattdessen erhob sie sich, griff nach der Tasche und dem Geigenkoffer und lief davon. Haruka war total entgeistert und das sah man ihr auch an.

,,Das ist typisch für sie", sagte Setsuna und legte eine Hand auf Harukas Schulter.

,,Meinst du? Was, wenn es ihr heute sogar noch schlechter geht als gestern? Immerhin wird sie gemobbt..."

Die Rennfahrerin machte sich wirklich Sorgen um die jüngere Schülerin, was Setsuna total verwunderte.

,,Was ist los Ruka? Du bist doch sonst nicht so besorgt um andere."

,,Ach... Gar nichts. Komm, wir machen jetzt die Ausarbeitung!"
 

Der Tag verging relativ schnell. Haruka arbeitete wie fast immer im Unterricht nicht mit und Michiru tat genau das Gegenteil und wurde in Ruhe gelassen. Zwar wurde über sie getuschelt, da sie am vorherigen Tag einfach so ohne Erlaubnis den Unterricht verlassen hatte, doch Michiru bekam davon zum Glück nichts mit.

In der heiß ersehnten Mittagspause traf Haruka wieder auf die Violinistin, doch beide sagten nichts. Michiru hatte sie nicht einmal angesehen.
 

Nun war die schlimmste Zeit des Tages da: Sport. Michiru konnte dieses Fach absolut gar nicht leiden. Zwar hatte sie nur mit den Mädchen, doch das machte keinen großen Unterschied.

Als die Geigerin die Umkleide betrat, wurde sie direkt von allen angestarrt. Jede noch so kleine Regung wurde von allen Mädchen studiert. Natürlich raste ihr Herz und diese Situation war ihr mehr als nur unangenehm. Sie war absolut fehl am Platz. Letztes Schuljahr hatte sie sich jedes Mal auf der Toilette umgezogen, doch nun konnte sie das nicht mehr machen, denn die Lehrer hatten ihr gegenüber eine Verwarnung ausgesprochen, auch wenn das für Michiru keinen Sinn ergab. ,,Dafür sind die Umkleiden gedacht!", hatten sie damals vor den Ferien gesagt. Dabei wussten sie ja gar nicht was sie jedes Mal aufs Neue über sich ergehen lassen musste.

Den Blick auf den Boden gerichtet setzte sie sich auf einen freien Platz. Sofort rutschten die Mädchen daneben einige Zentimeter weg, das konnte sie erstens im Augenwinkel sehen und zweitens hörte man das auch. Als sie einen kurzen Moment den Blick erhob, wusste sie, dass jeder sie noch immer musterte. Die Künstlerin stellte ihre Sachen auf der Bank ab. Das Umziehen war dann noch ein größerer Alptraum. Die anderen spekulierten, welche Körpchengröße sie hatte und das ihre Brust zu klein war. Michiru versuchte sich wenigstens etwas zu schützen in dem sie sich der Wand zudrehte. Doch das Getuschel hörte natürlich nicht auf. Warum auch? Deshalb machte sie aber absichtlich schneller. Als sie fertig war, verließ sie den Raum auch relativ schnell.

Tränen hatten sich schon lange gebildet. Dadurch flüchtete sie auch auf die Toilette. Dabei war ihr völlig gleich, ob sie Ärger bekommen würde.

Zitternd brach sie in der Toilettenkabine auf dem Boden zusammen. Und wenn das nicht schon genug wäre, kamen die Mädchen auch noch auf das Mädchenklo. Als sie dies hörte, schloß die Türkise sofort die Tür ab.

»Ich will nach Hause... Ich will nach Hause...«

Leise schluchzend saß sie da auf dem Boden und hoffte, dass sie gehen würden.

,,Michiru?  Warum versteckst du dich denn?'', hörte sie eine gehässige Stimme sagen.

Außerdem war ein Klopfen zu vernehmen, doch Michiru würde die Tür niemals für diese Zicke öffnen. Als sie dann aber nach oben sah, suchte eine Ladung kaltes Wasser den Weg zu ihr nach unten. Michiru versuchte noch dem auszuweichen, doch dies war nicht mehr möglich. Außerhalb der Kabine, was ja nur die Mädchen sein konnten, lachte jemand und war darüber sehr erfreut, dass die Geigerin litt.

Ihr war es nun egal ob man sie hörte. Das Weinen und Schluchzen war nicht mehr zurückhaltbar.

Michiru fragte sich immer öfter, wie man einen Menschen nur so hassen konnte. Tatsächlich hatte sie den Zicken aus ihrer Klasse nie etwas getan. Nicht einmal ein Schimpfwort. Warum also mussten sie ihr das Leben so zur Hölle machen?

Sie fühlte sich schutzlos ausgeliefert. Und auch wenn eine Tür sie vor den Mädchen schützte, fühlte sie sich verfolgt. Verfolgt von diesen Mädchen, die ihr unbedingt einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schütten mussten. Michiru war bis auf die Unterwäsche durchgeweicht, so konnte sie sich nicht heraus trauen.

Es war mucks- mäuschen- still, keiner sagte etwas, nicht einmal Michiru gab einen Ton von sich. Waren sie heraus gegangen? Nachdem es dann geklingelt hatte, war sie sich sicher. Sie war allein. Und eines war noch sicher - Die Türkise würde sicher nicht beim Sportunterricht erscheinen.

Eine besorgte Lehrerin

Den nächsten Schultag sehnte sie gar nicht herbei, doch auch dieser kam. Die Busfahrt am Morgen verlief relativ gut und die kommenden Stunden ebenfalls.

So wie jeden Tag sehnte sie die Pause herbei. Bei der Lehrerin vom Montag , welche sie aus Besorgnis berührt hatte, hatte sie sich bereits entschuldigt. Jedoch hatte die türkise Künstlerin nicht damit gerechnet, dass genau die Lehrerin am heutigen Tag mit ihr ein Gespräch führen wollte. Dafür blieb die Frau extra die letzte Stunde da, obwohl sie da schon gehen könnte, und Michiru müsste für diese eine Stunde nicht in den Unterricht. Warum wusste das Mädchen nicht. Aber irgendwie war sie froh, dass die Lehrerin mit ihr ein Gespräch suchte.
 

In der Pause suchte die Geigerin sich eine leere Bank ganz hinten in der Ecke des Schulhofes, an der sie sonst auch immer saß. Die Musik drang ihr durch die Kopfhörer in ihre Ohren. Eigentlich kannte sie jedes Lied bereits in- und auswendig, da es doch ziemlich viel war, was sie am Tag an Musik hörte.
 

Haruka verbrachte den Anfang der Pause bei Setsuna, die allerdings für eine Arbeit in der kommenden Stunde lernen musste.

,,Hast du die Kleine heute noch mal gesehen?'', fragte Setsuna, als diese bemerkte, dass Haruka ziemlich gelangweilt war.

,,Bisher noch nicht. Weißt du wo sie ist?", wollte die Blonde wissen.

,,Du kannst es auch nicht lassen, oder?'', lachte die Grünhaarige.

Denn eigentlich hatte Michiru klare Hinweise gegeben, doch Haruka gab demnach noch nicht auf.

,,Du bist ziemlich an ihr interessiert. Habe ich recht?", grinste Setsuna.

,,Gar nicht wahr!"

Allerdings war es eindeutig, dass die Blonde  kurz rote Wangen bekam.

,,Ich will einfach nur befreundet mit ihr sein!"

,,Also bist du an ihr interessiert."

,,Ja..."

Die kommende Minute herrschte Stille zwischen den beiden.

,,Sitzt sie wieder hinten?", fragte sie, als ihr wieder langweilig wurde.

,,Wahrscheinlich. Schau einfach nach."

Sofort stand Haruka auf und lief los. Am Morgen hatte sie das Mädchen nicht gesehen. Also musste sie das jetzt unbedingt nachholen.

Das wunderschöne und engelsgleiche Wesen - So sah sie Michiru. Dass das guten Morgen am letzten Tag von ihr ignoriert wurde, nahm sie ihr gar nicht übel. Die Rennfahrerin wollte unbedingt mit ihr wenigstens befreundet sein. Und dafür würde sie so einiges geben. Außerdem wollte sie helfen, denn so wie sich diese Michiru verhielt, stimmte irgendetwas nicht mit ihr. Aber bevor sie dem Mädchen helfen konnte, brauchte sie erst einmal ihr Vertrauen. Und das war gar nicht mal so einfach.

Schon von Weitem konnte die Pianistin Michiru sehen, da sie da als Einzige ganz allein auf der Bank saß. Denn sonst war hier fast keiner allein. Mit jedem Meter, den sie dem Mädchen näher kam, wurde der Herzrhythmus um ein Vielfaches schneller.
 

Vor dem türkishaarigen Mädchen angekommen, erhob diese ihren Kopf, doch sie sagte nichts.

,,Darf ich mich neben dich setzen?", fragte die Blonde etwas zurückhaltend.

Aber wie erwartet kam keine Antwort. Haruka wurde ein wenig unsicher, was sie sonst eigentlich nie war. Langsam atmete sie aus, dann wieder ein und letztendlich wieder aus.

Es war eindeutig nicht leicht mit dieser engelsgleichen Schülerin Kontakt zu knüpfen. Aber sicher war es nicht unmöglich. Also nahm Haruka neben ihr Platz.

,,Wie war dein Unterricht?", wollte sie nun wissen.

Michiru war sofort genervt. Eigentlich hatte sie nicht gewollt, dass jemand sich neben sie setzte. Aber sie konnte ja wohl schlecht etwas dagegen machen. Die Künstlerin hatte natürlich gehört, was genau die Blonde gefragt hatte, dabei war aber keine Antwort eingeplant. Doch Haruka gab nicht auf.

,,Haben dich deine Mitschüler wieder geärgert?"

Die Geigerin war sichtlich genervt. Als dann noch weitere Fragen kamen, reichte es ihr.

,,Mir geht es gut, okay?", sagte sie gereizt.

Für Haruka war das fast wie ein Traum.

Hatte sie wirklich gerade geantwortet?

,,Was hast du jetzt für Unterricht?"

,,Mathe", kam es promp und immer noch gereizt.

In der Türkishaarigen bestand nicht das geringste Interesse für ein Gespräch.

,,Cool, ich habe jetzt Sport", lächelte die Blonde, doch Michiru sah das glückliche Lächeln nicht.

,,Aha..."

,,Was hörst du für Musik?", wollte Haruka von ihr nun wissen.

,,Warum willst du das wissen?", murmelte Michiru.

,,Einfach so. Du redest mal mit mir und das freut mich wirklich sehr."

Die Künstlerin glaubte sich verhört zu haben. Sie freute sich, weil sie ihr eine Antwort gegeben hatte? Aber warum? Die zwei kannten sich nicht einmal. Warum freute sie sich dann?

,,Du hast du mir heute morgen nicht geantwortet. War denn alles in Ordnung mit dir? Ich habe mir echt Sorgen gemacht", meinte die Blonde nun.

Und da war gleich der nächste Schock: Sie hatte sich Sorgen um Michiru gemacht. Um sie, obwohl sie sich nicht einmal kannten.

,,Ja, klar. Alles in bester Ordnung", log die Türkishaarige gekonnt.

Über die Jahre hatte sie gelernt, auch mal zu lügen, ohne, dass etwas auf auffiel, obwohl es ihr nicht gut ging.

,,Und du heißt Michiru, habe ich recht?", fragte Haruka euphorisch.

,,Ja", kam es von der anderen nur.

,,Dein Name ist übrigens wunderschön. Ach ja! Ich weiß nicht, ob ich mich schon vorgestellt habe, aber mein Name ist Haruka. Haruka Tenoh."

Michiru bekam große Augen.

DIE Haruka Tenoh? Die Rennfahrerin? Die berühmte Rennfahrerin, die bei so vielen Jugendlichen beliebt war?

,,Du bist die Rennfahrerin?", getraute das Mädchen zu sagen.

,,Wow, du bist die Erste, die mich kennt!", lachte die Pianistin bitter.

,,Oh, okay", kam es von Michiru jedoch wieder leiser.

Da Haruka merkte, dass sie wieder ruhiger wurde, fragte sie gleich die nächste Frage.

,,Verbringst du deine Pause immer hier?"

Michiru nickte bloß.

,,Ähm...", begann Haruka die nächste Frage und wurde rot dabei,

,,Kann ich deine Handynummer haben?"

Die Geigerin zuckte zusammen. Warum wollte sie denn ihre Nummer haben? Wozu?

,,Ich... habe kein Handy" , kam gleich die nächste Lüge, ohne dass etwas auffiel.

Dachte sie.

,,Ich habe aber gesehen, dass du eins hast. Aber gut, es war ja nur eine Frage gewesen. Du musst ja nicht", lächelte die Blonde.
 

Der Rest des Tages verlief problemfrei. Man ließ Michiru ein Glück in Ruhe. Und die letzte Stunde hatte sie das Gespräch mit der Lehrerin. Diese hatte dem Lehrer, bei welchen die Künstlerin eigentlich gehabt hätte, Bescheid gesagt. Klar, die Klasse war ziemlich verwundert, als der Lehrer Michiru sagte, sie dürfe gehen und sie dann auch den Raum verließ.

Schweigend und so leise wie möglich lief sie durch den Gang. Natürlich hatte sie ziemlich große Angst vor dem Gespräch. Immerhin hatte sie ihre Probleme nie jemanden erzählt. Außerdem hatte sich keiner je dafür interessiert. Ihre Lehrerin war tatsächlich die Erste.

Ängstlich stand die Künstlerin nun vor der Tür, getraute sich aber gleichzeitig nicht, diese zu öffnen. Woher sollte sie denn auch wissen, wie andere auf ihre Situation reagierten?
 

Es waren bereits einige Minuten vergangen. Da die türkishaarige Schülerin nicht erschien, beschloss die Lehrerin diese zu suchen. Nachdem sie die Tür geöffnet hatte, war sie fast ein wenig erschrocken, als sie sie sich vor sich sah. Michiru war auch ziemlich erschrocken. Aber als sie sich wieder gefangen hatte, trat sie einige Schritte zurück.

,,Da bist du ja. Ich habe mich schon gefragt wo du bleibst! Komm rein", lächelte die Frau.

Michiru nickte und ging mit rasenden Herzen an der Lehrerin vorbei in das Zimmer.

Gemeinsam setzten sich die beiden an einen Tisch.

,,Also...", begann sie.

Michiru hatte den Blick auf ihren Schoß gerichtet.

,,... willst du einfach los erzählen oder... Ist dir was anderes lieber?"

,,Nein nein... Also... Ich..."

Michiru schwieg für einige Sekunden, die sich ewig lang anfühlten. Währenddessen raste ihr Herz und ihr war furchtbar warm.

,,Ähm... Ich weiß nicht genau, wie ich anfangen soll..."

,,Geb dir ruhig Zeit. Wenn wir länger brauchen und du deinen Bus verpasst, fahre ich dich nach Hause."

,,Aber dann müssen sie einen riesen Umweg fahren!"

,,Lass das mal mein Problem sein, Michiru. Alles gut" , lächelte sie.

Die Geigerin war verwundert wegen dieser Freundlichkeit.

Michiru benötigte noch einige Sekunden, eh sie mit sprechen begann.

,,Meine... Meine Mutter ist seit vielen Jahren tot. Genauer gesagt starb sie zu meiner Geburt."

Schon jetzt kamen ihr die Tränen.

,,Mein Vater war vorher anders. Aber nun ist er abhängig vom Alkohol... Als ich fünf Jahre alt war, ist ihm die Hand ausgerutscht..", sprach sie weiter.

,,Er hat dich geschlagen?"

,,Naja... Er hat mich so lange geschlagen, bis ich mich nicht mehr geregt habe..."

,,Okay... Aber das ist ja nicht in Ordnung. Ich hoffe, das weißt du. Wie ist er denn jetzt? Hat er sich etwas verändert?"

,,Nein... nicht wirklich. Ich gehe manchmal arbeiten, damit wir etwas zu essen haben... Aber manchmal bin ich total überfordert damit..."

,,Aber Michiru! Das ist doch kein Leben! Das geht nicht!"

,,Ich weiß , aber ich liebe meinen Vater und ich möchte weiterhin mit ihm leben!", schluchzte die Künstlerin,

,,Er ist der Einzige, den ich noch habe..."

,,Okay...hm... Du bist zusammengezuckt, als ich dich am Montag an der Schulter berührt habe. Seitdem mache ich mir wirklich große Sorgen um Dich!", sagte die Lehrerin.

Michiru war nicht sicher, ob sie wirklich alles erzählen sollte. Denn so fühlte es sich an, als würde sie ihren Vater in den Rücken fallen. Doch gleichzeitig wusste sie, dass es danach vielleicht besser werden würde.

,,Ich habe Angst vor Berührungen", sagte sie.

Ihre Hände zitterten.

,,Bist du in Therapie?"

Die Stimme der Lehrerin klang so besorgt und gleichzeitig so fürsorglich. Michiru vertraute ihr und hoffte auf ihre Hilfe, welche sie mit Sicherheit auch bekommen würde.

,,Nein, ich will das einfach nicht. Ich habe mir mal Hilfe geholt, sonst würde ich das bis jetzt nicht wissen, aber die hat mir dann Medikamente verschrieben, die ich aber nicht nehmen wollte. Danach habe ich die Behandlung abgebrochen...", erzählte die Türkise.

,,Das ist natürlich nicht schön. Ich bin ja nun kein Vertrauenslehrer, aber ich möchte dir trotzdem irgendwie helfen", meinte sie.

,,Das ist wirklich nicht nötig! Wirklich nicht" , winkte Michiru kopfschüttelnd ab.

,,Was ist mit dem Mobbing? Hast du jemanden davon erzählt?"

,,Nein, das geht schon. Alles Gut", versuchte sie zu lächeln, doch das funktionierte nicht so gut.

,,Du musst dir unbedingt Hilfe holen! Wirklich. Hast du Freunde an der Schule?"

,,Nein, ich bin lieber allein."

,,Und was ist mit der neuen Schülerin, die dich am Montag wieder in den Unterricht gebracht hat? Haruka hieß sie glaube ich. Sie scheint ganz freundlich zu sein", schlug die Lehrerin ihr vor.

,,Ich weiß. Heute in der Pause wollte sie unbedingt mit mir reden. Sie sucht mich irgendwie jede Pause", antwortete die Künstlerin murmelnd.

Die Lehrerin lachte, aber beide wussten, dass es nicht böse gemeint war.

,,Das ist doch schön! Lass dir diese Chance nicht entgehen. Ich habe selber noch mal mit ihr gesprochen. Und ich denke ihr könntet euch wunderbar anfreunden. Du musst dich nur trauen, Michiru! Und dabei möchte ich dir unter die Arme greifen. Und wenn du Hilfe bei irgendwas benötigst, dann komm einfach auf mich zu! Ich werde dir helfen", lächelte die Frau.

Die Geigerin war sprachlos und trotzdem irgendwie erfreut über das wirklich freundliche Angebot. Die Lehrerin war die erste Person in ihrem Leben, zu der sie mit ihren Problemen kommen konnte.

,,Vielen Dank. Das ist wirklich sehr freundlich von Ihnen."

Michiru war überrumpelt von dem Ganzen.

,,Keine Ursache. Ich glaube ich gebe dir mal meine Nummer, aber bitte sag es keinem", zwinkerte sie der Türkisen zu.

Nun musste Michiru lachen. Und tatsächlich hatte sie das schon lange nicht mehr getan.

,,Okay, ich sage es niemanden. Dürfen Sie das etwa gar nicht?"

,,Ich denke schon. Aber ich weiß es nicht genau."

Ein Klingeln und unterbrach die die beiden, da nun der Schultag zu Ende war. Da die Lehrerin aber noch etwas Wichtiges sagen wollte, ließ sie sich davon keinen Druck machen.

,,Keine Angst, ich fahr dich heim. Noch etwas Wichtiges - Alles, was du mir gesagt hast, bleibt hier in diesem Raum. Ich werde es niemanden erzählen. Und wenn Du am Wochenende einfach mal raus willst oder dein Vater die Fassung verliert, dann ruf mich bitte an. Solange du anderweitig noch keine Hilfe bekommst, sei es nur durch Freunde, werde ich dir helfen."
 

Die Lehrerin hatte Michiru tatsächlich heimgefahren.

Am Abend schlief sie das erste Mal seit langem glücklich ein.

Nun konnte es ja nur noch besser werden.

Ihr Vater

Haruka stellte wie immer ihren Wagen auf dem Lehrerparkplatz ab. Heute war sie extra eher losgefahren, um Michiru wiederzusehen und um mit ihr sprechen zu können. Dass die beiden gestern wirklich miteinander gesprochen hatten, war für sie fast und verstellbar. Denn Setsuna hatte ihr mal erzählt, wie schwer es eigentlich war mit Michiru zu sprechen. Deshalb freute die Pianistin sich umso mehr.
 

Michiru seufzte. Eigentlich musste sie nun aussteigen, doch es war so ein Gedränge, sodass sie sich gegen das Ausstiegen entschied. Denn man konnte auch einfach eine Haltestelle weiter fahren. Zwar musste man da noch einige Minuten laufen, doch so entankam sie dem Gedränge. Dies hatte sie übrigens herausgefunden, als einige Schüler sie nicht aussteigen lassen wollten. Seitdem fuhr sie manchmal einfach weiter, nur um in Ruhe aussteigen zu können. Die Schüler, die mit ihr auf die Schule gingen, waren bei der richtigen Haltestelle ausgestiegen, dennoch war es noch ziemlich voll im Bus. Michiru lauschte wie immer der Musik. Dadurch war sie in der Lage alles um sich herum auszublenden. Es dauerte einige Minuten bis der Bus an der nächsten Haltestelle hielt und die Künstlerin aussteigen konnte.

Heute war es mal wieder sehr kalt und als sie in die Kälte trat, war es doch ein wenig unangenehm. Aber es war ja nicht weit bis zur Schule. Den Blick auf dem Boden gerichtet lief sie am Straßenrand entlang und näherte sich immer mehr der Schule. Jedoch kam dann das Unerwartete - eine Baustelle, an der Michiru nicht vorbeigehen konnte. Man musste einen Umweg gehen. Das war nicht gut. Denn der Umweg dauerte sicher länger, doch zu spät kommen konnte sie nicht.

Ein genervtes Seufzen konnte sie nicht zurückhalten. Das würde Ärger von ihrem Lehrer geben. Aber vielleicht hatte sie ja noch Glück. Denn die erste Stunde hatte sie mit ihrer Mathematiklehrerin. Die Künstlerin überlegte für einen Moment, ihr bescheid zu sagen, da die Lehrerin gestern sie auch gefragt hatte, ob sie in der Schule erscheinen würde. Nicht, dass sie sich Sorgen machte? Sind entschied sich sie anzurufen. Also zuckte sie ihr Handy.

Erst war das bekannte >Piep< zu hören und dieses Geräusch war sogar ziemlich lang hörbar, doch dann ging sie doch noch ran.

,,Ja? Alles in Ordnung, Michiru?", ertönte die Stimme ihrer Lehrerin.

,,Guten M-Morgen. Also... Ich glaube ich werde heute etwas zu spä-"

In diesem Moment würde das Telefonat beendet. Verwundert sah sie auf das Display des Handys. Warum hatte sie aufgelegt?

In diesem Moment hielt ein Wagen neben ihr. Total erschrocken trat Michiru einige Schritte zurück. Ihr Herz raste sofort und sie hatte sogar ein wenig Angst, dass die Person sie entführen wollte. Gerade wollte sie wegrennen, als eine Lehrerin ausstieg und Michiru diese als ihre Mathelehrerin enttarnte.

,,Ich habe dich schon vom weiten gesehen, deswegen hab ich aufgelegt", lächelte die Frau.

Michiru war natürlich froh, dass es nur ihre Lehrerin und nicht jemand anderes war.

,,O-Okay", stotterte die Schülerin.

,,Komm steig ein. Ich will doch nicht, dass du zu spät zu meinem Unterricht kommst'', zwinkerte die Frau.

Es fühlte sich komisch für die Geigerin an. Immerhin kannte ihre Lehrerin ihr großes Geheimnis.

Dass die Lehrerin sie mitnahm, war wirklich freundlich von ihr. In dem Auto roch es ziemlich angenehm. Das lag an einem Duftbäumchen, welches nach Vanille hoch.

,,Bist du falsch ausgestiegen?", wollte sie wissen.

,,Ja, weil es so voll war. Ich wollte mich nicht durchdrängeln... Es ist jedes Mal aufs Neue ein ein Albtraum..." , zitterte Michiru nun.

,,Das glaube ich dir. Wenn du magst, dann fahre ich dich öfter."

,,Niemals! Das ist nicht nötig!", schüttelte die Türkisehaarige schnell den Kopf.

,,Ich sage ja nicht, dass ich dich immer fahre, aber ab und zu geht schon."

Als der Wagen auf dem Schulparkplatz fuhr, fiel der Lehrerin auf, dass der letzte Parkplatz, welche nur für Lehrer gedacht war, besetzt war. Darauf stand ein roter Sportwagen, von dem die Lehrerin wusste, dass er keinem ihrer Kollegen gehörte. Also konnte es ja nur von einem Schüler sein.

,,Ganz schön dreist", kommentierte die Frau dies.

,,Ist etwa kein Parkplatz mehr frei?", fragte Michiru.

Durch die Heckscheibe sah sie das Schulgebäude, was sie eigentlich über alles hasste, doch irgendwie war das Ganze nun ein wenig erträglicher. Vielleicht war der Grund dafür die Hilfe ihrer Mathematiklehrerin. Sie war die Einzige, der sie immer ihre Probleme erzählen könnte, auch wenn es ihre Lehrerin war.

,,Doch klar, aber ich muss erstmal einen suchen. Aber du kannst ja schon aussteigen", lächelte die Frau.

Michiru nickte und schnallte sich ab, um danach auszusteigen. Bevor sie aber die Tür des Autos schloss, holte sie noch ihre Schultasche heraus. Vielen Dank, dass Sie mich mitgenommen haben. Ich wäre sonst zu spät gekommen", bedankte das Mädchen sich.

,,Keine Ursache."
 

Der Schulhof war eigentlich fast vollkommen leer. Dies war relativ unnormal, da meist so gut wie jeder einige Minuten vor dem Unterricht da war. Wahrscheinlich befand sich der größte Teil der Schüler, die bereits da waren, schon im Inneren der Schule. Michiru war darüber z.b. ganz erfreut.

Erst in diesem Moment fiel der Türkisen auf, dass sie ihren Geigenkoffer vergessen hatte. Als sie überlegen wollte, ob sie ihn überhaupt von zu Hause mitgenommen hatte, wurde sie angesprochen.

,,Guten Morgen, Michiru", lächelte die blonde Rennfahrerin ihr entgegen.

Haruka freute sich regelrecht darüber, dass sie die Künstlerin noch vor Unterrichtsbeginn angetroffen hatte.

,,Äh... also..."

Michiru war ziemlich erschrocken und nahm sogar mehrere Schritte Abstand.

,,Oh, Verzeihung. Ich wollte dich wirklich nicht erschrecken!"

,,Nein, nein. Alles gut, guten Morgen..."

Die Küsterin fühlte sich irgendwie unwohl, ohne dass sie dafür einen Grund kannte. Doch von dem bekam Haruka nicht viel mit. Diese war ziemlich aufgeregt.

,,Okay... Du bist heute etwas später da... Gibt es dafür einen Grund?"

Die Pianistin war sich nicht sicher, was sie sagen sollte, aber irgendwas musste ja von dir kommen. Immerhin wollte sie ein Gespräch mit dem türkishaarigen Engel führen.

,,Ähm... Ich musste einen anderen Bus nehmen. Habe verschlafen...", log Michiru.

Das musste sie allerdings machen, da ihre Lehrerin sie immerhin ein Stück mitgenommen hatte und Michiru keine Ahnung hatte, ob dies überhaupt in Ordnung war.

,,Ok. Wohnst du sehr weit weg?" , fragte Haruka.

,,Schon. Über zwei Stunden Fahrt..." , zuckte Michiru mit den Schultern.

,,Hui... Du tust mir echt leid."

,,Alles gut. Ich habe das all die Jahre geschafft", lächelte sie.

Haruka grinste verlegen. Die Schülerin hatte zum ersten Mal in ihrer Gegenwart gelächelt.

,,Alsooo....  was machst du so in deiner Freizeit? Was hast du für Hobbys?", fragte Haruka ganz interessiert und das war nicht gespielt.

Sie war wirklich an ihr interessiert und mittlerweile war es gar nicht mehr ihr Aussehen. Sie wollte unbedingt wissen, warum Michiru so scheu war und sie einfach kennenlernen.

,,Ich zeichne...", meinte sie.

,,Okay und was?"

,,Alles mögliche... Und ich spiele Violine und gehe manchmal schwimmen."

,,Ok dein Geigenkoffer habe ich schon mal gesehen. Aber das sind echt schöne Hobbys, wirklich", lächelte die Blonde überaus freundlich.

,,Ich fahre Rennen und spiele Klavier", grinste Haruka,

,,Da können wir ja mal zusammen spielen."

Dies war zwar eine gute Idee, doch Michiru konnte dem kein Versprechen geben. Dazu müssten sie miteinander Zeit verbringen und dazu würde Michiru sich auch nie trauen. Wahrscheinlich würde sie wohl noch jeden Ton komplett schief spielen.

Nein, das konnte sie auf gar keinen Fall tun.

,,Ähm... vielleicht irgendwann mal", kam ein unsicheres Murmeln von der Künstlerin.

Haruka war auch über dieses Gespräch sehr erfreut. Denn nun kannte sie sogar die Hobbys von der jüngeren Schülerin.

Kapitel 6: Ihr Vater. (2)

Als es dann jedoch klingelte und damit das Gespräch unterbrochen wurde, dachten beide unterschiedlich darüber. Michiru freute sich eher darüber und Haruka das komplette Gegenteil.

,,Schade. Aber vielleicht sehen wir uns ja in der Pause wieder. Viel Spaß", lächelte sie.

Natürlich sahen die beiden sich wieder. Michiru war sogar ein ganz kleines bisschen erfreut darüber. Wie sehr sich Haruka darüber freute, ist sicher nicht erwähnenswert.

Der Tag verging schneller als gedacht. Michiru sprach noch mal mit ihrer Lehrerin, welche sie weiterhin dazu ermutigte, Haruka kennenzulernen.
 

Doch als Michiru heim kam, der Schock. Ihr Vater war zwar betrunken, nur war er dieses Mal wach, was wirklich selten war. Erst machte sie sich Hoffnungen, mit ihrem Vater seit langem mal wieder sprechen zu können, doch gleichzeitig wusste sie, dass es nicht so sein würde.

,,Ich habe Hunger! Koch was!", maulte er sie ohne Grund an, nachdem er sie gesehen hatte.

,,V-Vater! Setz dich bitte erst mal!'', rief sie und tatsächlich war sie um ihn besorgt, was er  eigentlich gar nicht verdient hatte,

,,Ich schaue mal nach was wir da haben."

Aber sie wusste, dass im Moment nichts da war.

,,Warst du einkaufen?", fragte sie unsicher.

Leicht panisch ging sie in die Küche und sah in den Kühlschrank. Und das sogar mehrere Male, als würde er sich dadurch von ganz alleine füllen. Aber natürlich tat er das nicht. Er blieb genau so leer.

Ängstlich ging sie wieder in den Wohnraum und sagte:

,,Also... Ich muss vorher einkaufen gehen... Ich... Also...", stotterte sie ängstlich.

,,Raus! Ich will aber jetzt was essen! Mach schon! Soll ich das noch in dich einprügeln?!", schrie er sie an.

Er holte sogar mit der Hand aus, um sie zu schlagen, aber diese konnte noch gerade so ausweichen. Michiru begann sofort zu weinen. Aus Angst rannte sie in ihr Zimmer und schloss die Tür ab.

Komplett aufgelöst und zitternd holte sie ihr Handy aus der Jackentasche der Jacke, die sind noch trug, und rief die Lehrerin an.
 

Ea dauerte einige Sekunden, bis am anderen Ende der Hörer abgenommen wurde. Michiru war total fertig. Schon lange hatte sie nicht mehr so viel Angst vor ihrem Vater gehabt. Ihr ganzer Körper zitterte, Tränen flossen über ihre Wangen und das Schluchzen war kaum überhörbar.

,,Ha- Hallo?", kam es panisch von ihr.

,,Was ist los, Michiru? Alles in Ordnung?"

,,Nein, gar nicht! M- Mein... Mein Vater ist gerade komplett ausgerastet! Ich weiß nicht was ich machen soll!?", meinte Michiru.

,,Wo befindest du dich gerade? Bist du in Sicherheit?" , wurde die Lehrerin nun auch ein wenig panisch.

,,Ja, ich bin in einem Zimmer..."

,,Soll ich dich abholen Michiru? Am besten ich rufe die Polizei!"

,,Was?! Nein! Bitte machen Sie das nicht! Bitte!", begann Michiru zu betteln.

Ihre Augen brannten wie Feuer und waren stark gerötet.

,,Aber dann hole ich dich wenigstens ab!", darauf beschloss die Lehrerin.

Michiru könnte zwar nein sagen, nur würde die Frau nicht darauf hören.

,,Bitte verlass dein Zimmer nicht! Deine Adresse kenne ich ja, bis dann! Ich beeile mich!"

Danach wurde das Telefonat beendet.

Michiru hatte fürchterliche Angst. Fast hätte ihr Vater sie wieder erwischt. Sie war wirklich froh darüber, dass sie noch rechtzeitig dem ausweichen konnte. Ihr Herz raste und die Tränen liefen ununterbrochen. Ihr ganzer Körper war irgendwie verkrampft und am liebsten würde sie die ganze Zeit einfach nur Löcher in die Gegend starren, denn klare Gedanken waren absolut nicht möglich. Bis ihre Lehrerin sie abholen würde, musste allerdings noch ein wenig Zeit vergehen. Und für das Warten brauchte sie Ablenkung, sonst würde sie noch kollabieren.

Musik half nichts, doch etwas anderes würde wahrscheinlich nicht helfen.

Die ganze Zeit über starrte sie die Decke über sich an und achtete gar nicht auf die Musik.
 

Es dauerte gar nicht mal so lang bis Michirus Handy wieder klingelte. Sofort nahm sie das Gespräch mit ihrer Lehrerin an.

,,Ich bin jetzt da. Denkst du, du kommst sicher aus dem Haus?", fragte die Frau.

,,Ich glaube schon. Ich packe noch paar Sachen ein...", sagte die Künstlerin.

,,Klar ich warte. Mach vorsichtig!"

Michiru eilte durch ihr Zimmer, wusste aber nicht genau, was sie einpacken sollte.

»Okay, Michiru... du brauchst die Schulsachen und die Uniform.«

Nach einigen Minuten war sie fertig und verließ leise ihr Zimmer.

Die erste Berührung

Michiru hatte die ganze Nacht über nicht geschlafen, obwohl ihre Lehrerin sich so fürsorglich um sie gekümmert hatte. Sie kam trotzdem nicht zur Ruhe.

Dementsprechend war sie am nächsten Morgen sehr müde, obwohl sie sogar länger als sonst schlafen konnte.

Mit der Schuluniform begleitet trat sie in das völlig fremde Wohnzimmer. Ihre Lehrerin war bereits wach. Sie saß auf dem Sofa mit einer Tasse Kaffee in der Hand und sah fern.

Bisher hatte sie ihre Schülerin noch nicht

bemerkt.

,,Gu- Guten Morgen", stotterte Michiru, den Blick auf den Boden gerichtet.

,,Oh, Verzeihung. Ich habe dich gar nicht bemerkt! Guten Morgen", war sie erst etwas verwundert,

,,Wie hast du geschlafen?"

Michiru getraute sich erst nicht, sich zu ihr zu setzen, doch als die Frau sie zu sich deutete, tat sie es doch.

,,Ich wünschte ich könnte sagen, dass ich gut geschlafen habe, doch das wäre gelogen...", kam es ganz leise von der Türkisen, sodass man es gerade so verstehen konnte.

,,Das kann ich dir sogar glauben. Magst du etwas frühstücken?"

Diese Freundlichkeit war Michiru gar nicht gewohnt.

,,Nicht unbedingt..."

,,Dann nimmst du aber etwas in die Schule mit. Isst du Sandwiches?"

,,Ich weiß es nicht..."

,,Ich mach dir einen. Soll ich dir einen Kakao oder einen Kaffee für jetzt machen?"

Dass der Künstlerin so viel angeboten wurde, überforderte sie fast schon ein wenig. Denn einen Kaffee konnte sie sich eigentlich nie leisten, sie wusste auch gar nicht wie so etwas schmeckte.

,,Einen Kakao, wenn es keine Mühe macht. Ich helfe auch gerne!", bot sie an.

,,Alles gut. Werd erstmal wach. Ich bin gleich wieder da" , damit verschwand die Frau wieder.

Wahrscheinlich in der Küche. Michiru saß widerwillig auf dem Ledersofa und fühlte sich irgendwie schlecht. Immerhin könnte sie wenigstens helfen! Da die Unmut zu stark wurde, ging sie in die Richtung, in der ihre Lehrerin verschwunden war. Da gab es zwar noch eine zweite Tür, dieser war allerdings verschlossen. Die andere war auch offen, also ging sie dort hinein. Erst wollte sie fragen was sich hinter der anderen Tür verbarg und diese Frage wäre sicherlich nicht schlimm gewesen, dennoch traute sie sich nicht.

Schweigend trat sie neben ihrer Lehrerin, welche am Tisch stand und anscheinend schon begonnen hatte, das Sandwich zu machen. Der Kakao stand auch da und war bereits fertig.

,,Willst du mir unbedingt helfen?", lachte die Frau sichtlich amüsiert.

,,Ja, ich fühle mich sonst schlecht."

,,Gut, dann kannst du ja schon mal vier Scheiben Toastbrot in den Toaster schmeißen. Er steht da drüben", ihre Hand zeigte zu das Spüle, neben der auch das besagte Gerät stand. Michiru nickte und tat wie ihr geheißen.

,,Das sind ziemlich viel Zutaten, oder?"

,,Ja, ich hoffe es wird dir schmecken."
 

Michiru konnte sogar den Luxus genießen, zur Schule gefahren zu werden. Natürlich war sie total dankbar dafür. So viele Gefallen auf einmal hatte ihr noch keiner gemacht. Auf der Fahrt hörten sie Musik und auch wenn es nicht Michirus Geschmack war, machte es sie glücklich.

Am Parkplatz der Schule angekommen, ließ sie Michiru nicht sofort aussteigen.

,,Willst du heute wieder heim?"

,,Ich habe meine Sachen mit, ja. Ich danke Ihnen vielmals! Ich glaube das hätte sonst keiner für mich gemacht..." , seufzte sie am Ende.

,,Keine Ursache, Michiru. Und vergiss nicht!", zwinkerte die Frau plötzlich,

,,Wenn Haruka versucht irgendwie mit dir zu sprechen, dann lehne es nicht ab! Sie könnte für dich zu einer guten Freundin werden."
 

Wahrscheinlich hatte Michiru noch nie in ihrem Leben den Schulhof mit erhobenem Haupt betreten, doch heute war es anders. Die Angst war noch da, keine Frage, allerdings fühlte sie sich sicherer. Und das war doch gut, oder nicht?

Wie sie bereits erwartet hatte, war Haruka bereits auf dem Hof zu sehen. Natürlich ging es sie nicht zu ihr, denn Haruka nahm es ihr bereits ab.

,,Guten Morgen", lächelte die Blonde freundlich.

Das am vergangenen Abend ist nicht ohne Folgen an Michiru vorbei gegangen. Sie wirkte weiterhin sehr eingeschüchtert und das schlimmer als sonst. Haruka zögerte. Sollte sie nachfragen? Es interessierte sie brennend, da sie Michiru am liebsten helfen wollte. Selbst ein guten Morgen hatte die Künstlerin nicht erwidert. In dem Moment, als die blonde Pianisten nachfolgen wollte, klingelte es und die restlichen Schüler gingen in das Schulhaus. Nun wollte Haruka nicht mehr nachfragen, nicht dass ein anderer Schüler zuhörte. Denn manche Dinge verbreiteten sich auf dieser Schule wie ein Lauffeuer. Als Michiru ohne ein einziges Wort zu sagen los lief, hoffte die Blonde, dass die Schulstunden schnell vergehen würden. Denn sie machte sich wirklich Sorgen.
 

Mathematik. Für Michiru war es nun ihr Lieblingsfach, doch eigentlich lag es nichts daran, dass es ihr leicht fiel, denn es fiel ihr ganz und gar nicht leicht, es lag eher an der Lehrerin. Noch vor einigen Tagen war sie hier mit einer Panik herausgerannt und nun? Ihre Mathelehrerin war zu ihrer Lieblingslehrerin geworden. Aber bevorzugt wurde sie natürlich nicht, aber das hatte Michiru sich ehrlich gesagt auch gar nicht erhofft.

Eigentlich sollte sie im Unterricht aufpassen, doch ihre Gedanken befanden sich ganz woanders: Und zwar bei ihrem Vater. Nach einer Weile schaltete sich auch noch das Hungergefühl ein. Welche Schüler kennt es nicht? Ein Knurren im Unterricht, am besten noch während einer Klassenarbeit, ist doch etwas Tolles! Michiru hatte keine Lust mehr. Am liebsten würde sie erneut den Unterricht verlassen, aber das ging natürlich nicht.
 

Danach hatte sie noch Biologie und Japanisch.

Als das Klingeln ertönte, machte sich ein erlösendes Gefühl in ihrer Magengegend breit. Sofort stürmten alle Schüler heraus auf dem Pausenhof, so schnell konnte die Lehrerin gar nicht schauen. Aber auch sie ging ohne ein Wort heraus. Nun saß nur noch Michiru im Raum. Mit Tränen in den Augen. Schon die ganze Zeit wurde sie mit den schlechten Erinnerungen an ihren Vater bombardiert.

Der Tag war ein Albtraum.

Da heute schönes Wetter war, waren so gut wie alle Schüler draußen. Da sie sicher auf dem Weg nach unten auf den Hof jemanden anrempeln würde, entschied sie sich im Haus zu bleiben. Außerdem war sicherlich die Bank bereits besetzt, auf der Michiru immer saß.

Also suchte sie sich am Ende des Korridors einen Platz, da dort fast nie Schüler waren. Dort setzte sie sich auf den Boden.
 

Haruka suchte den ganzen Schulhof gemeinsam mit Setsuna ab, doch sie fanden die jüngere türkishaarige Schülerin nicht. Die Blonde hatte erzählt, dass irgendwas mit Michiru sein musste und Setsuna hatte sich für das Suchen bereiterklärt.

Ziemlich geschafft blieb Setsuna irgendwann stehen. Haruka seufzte ebenfalls ein wenig erschöpft.

,,Wir müssen kurz Pause machen'', schniefte Setsuna.

,,Und was ist, wenn sie drin ist?", fragte Haruka.

,,Stimmt. Aber da gehst du allein. Ich bleib draußen", erwiderte die Grüne schulterzuckend.

,,Klar wir sehen uns. Bis später."

Danach trennten sich die beiden.

Eigentlich musste die ehemalige Rennfahrerin nicht so lange suchen, da Michiru auf dem Korridor kaum übersehbar war.

Für einen Moment blieb die Pianistin stehen. Ihr Herz war schneller als sonst. Ob es nun an dem Rennen oder eher an dem türkisen Engel lag, wusste sie nicht. Einmal atmete sie tief durch und brachte somit die Atmung wieder ein wenig unter Kontrolle. Danach überbrückte sie noch die letzten Meter.

,,Hey", kam es ziemlich unerwartet unsicher von Haruka.

Michiru sagte aber kein Wort.

,,Was ist los? Irgendwas ist doch mit dir, habe ich recht?"

Wieder kam keine Antwort.

Also beschloss sie, sich einfach neben sie zu setzen. Nachdem sie dann nun neben ihr saß, rutschte Michiru ein Stück weg, da es ihr zu nah gewesen war,  was auch natürlich  Haruka aufgefallen war. Schon auf der Toilette war ihr so eine ähnliche Reaktion aufgefallen. Und das war sicher nicht normal.

Sie sah zur Seite. Es war klar und deutlich erkennbar, dass das Mädchen Tränen in den Augen hatte.

,,Magst du es mir erzählen? Ich bin gerne für dich da."

Michiru zögerte, doch die Tränen konnte sie nicht zurückhalten. Sie konnte doch nicht jedem ihre Probleme erzählen!

Haruka zögerte ebenfalls, da sie Michiru auf keinen Fall bedrängen wollte. Erst wollte sie den Arm um sie legen, doch sie tat es nicht.
 

In diesem Moment war es vorbei. Die Tränen flossen über ihre Wangen und sie begann zu schluchzen. Der Schmerz war so gut wie unaushaltbar. Sie zog die Beine an und machte sich so klein wie es nur ging.

Die Geigerin war wie ein Häufchen Elend. Das sah jeder. Auch die, die unbedingt an ihnen vorbei gehen mussten. Sie tat Haruka total leid. Und dann tat sie es.

Ganz vorsichtig hatte die Blonde den Arm um sie gelegt. Zwar war Michiru total erschrocken und ihr Herz raste abnormal sehr, doch eine Panikattacke war es nicht. Die Türkise war regelrecht geschockt, wegen ihrer eigenen Reaktion.

Total fürsorglich hielt Haruka sie dann sogar im Arm, nachdem sie noch ein Stück näher gerutscht war.

,,Es wird alles wieder gut. Ich verspreche es dir'', hauchte Haruka, sodass es nur die beiden verstehen konnten.

,,Mein... Mein Vater... Er... ", stotterte Michiru komplett überfordert.

,,Sssht", versuchte Haruka sie zu beruhigen,

,,Ganz ruhig. Gib dir Zeit beim Reden."

Fast schon ein wenig liebevoll wurde der Arm der Geigerin gestreichelt.

,,Was ist passiert? Kann ich dir irgendwie helfen?"

,,Ich... Also...", stotterte sie immer noch ein wenig aufgeregt, allerdings im negativen Sinne,

,,Mein Vater... Er hat gestern versucht mich wieder zu... zu schlagen..."

,,Wie bitte?"

,,Ja... Ich... Also.. ich bin bei... bei meiner Mathematiklehrerin unterge- ... untergekommen..."

Sowas hatte sie nicht erwartet.

,,Du.. aber du bist jetzt in Sicherheit, oder?"

Haruka wusste selber nicht was sie sagen sollte, dennoch wirkte sie ruhig.
 

Michiru fühlte sich seltsam wohl. Zwar war die Angst irgendwie da, doch sie wurde weniger. Aus einem unerklärlichen Grund. Es war ein Gefühl, welches sie nicht zuordnen konnte.

Nach einigen Minuten wurde die Künstlerin ruhiger. Sie zitterte zwar noch etwas und ein Schluchzen war auch manchmal zu hören, doch es wurde besser.

,,Hat er das schon einmal gemacht?", wollte die blonde Schülerin von ihr wissen.

,,Ja, als ich noch klein war... Ich..."

,,Weiß deine Mutter davon?", fragte Haruka nun. Die Geigerin senkte den Kopf.
 

Vor einigen Jahren hatte sie ihre Mutter mal auf einem Bild gesehen. In einem Fotoalbum. Ihr Vater war auf den Bildern ebenfalls sichtbar - aber glücklich, was er nur mit seiner Frau war. Mit Michiru war er es nie gewesen.
 

,,Sie ist tot... Ich habe sie nie kennengelernt", sagte Michiru.

Haruka fragte nicht weiter nach, das musste nicht sein. Es war ja klar, dass sie zu ihrer Geburt verstarb.

,,Ich wuchs bei meinen Großeltern auf. Sie lebten hier ganz in der Nähe, aber auch sie starben. Seitdem lebe ich bei ihm...", erzählte das Mädchen weiter.

,,Und kümmert er sich um dich?"

,,Nein. Er hatte nie etwas für mich übrig gehabt. Außerdem ist er nicht mal mehr imstande zu reden. Bestimmt hat ihm der Alkohol schon den größten Teil seines Gehirns zerstört."

Haruka war wirklich geschockt.

,,Das tut mir echt leid..."

,,Alles gut. Ich bin es gewohnt..."

Michiru wirkte niedergeschlagen und sie war es auch. Innerlich sowie äußerlich.

,,Kann ich dir vielleicht irgendwie helfen?", fragte die Pianistin.

,,Ich glaube nicht. Aber trotzdem vielen Dank", hauchte ihre beschlagene und traurige Stimme.

,,Aber irgendwas muss ich doch tun können!", protestierte sie fast.

Sie wollte es Michiru irgendwie leichter machen. Fast schon fieberhaft dachte Haruka darüber nach, bis ihr dann letztendlich eine Idee kam.

,,Weißt du was? Ich gebe dir mal meine Handynummer mit. Wenn es dir schlecht geht oder die einfach da ist, dann melde dich. Wir können auch jederzeit telefonieren. Ich werde immer rangehen."

Die Türkise schwieg. Konnte sie so ein Angebot annehmen?

Dass sie keine Angst mehr in diesem Moment verspürte, machte ihr große Angst.

»Was ist nur los? Wieso kann sie sich wir nähern? Das... Das...-«

In den Gedanken verloren bemerkte sie gar nicht, dass Haruka ihr eine Nummer bereits auf einen Zettel geschrieben hatte.

,,Hier bitte", gab die Blonde ihr einen Zettel.

Eher heraus Reflex nahm die türkishaarige Schülerin den Zettel an.

,,Also... Ich werde dir immer helfen. Wenn du etwas brauchst, ich bin gerne für dich da."
 

Der Rest der Pause war schnell vergangen. In der Zeit hatten sie kein einziges Wort mehr gewechselt, sondern einfach nur dagesessen. Als es klingelte, sprang Michiru sofort auf. Für Haruka kam diese Reaktion so rüber, als hätte sie das Ende der Pause herbeigesehnt. Tatsächlich lag sie da gar nicht mal so falsch. Denn die Künstlerin war es nicht ganz geheuer, dass sie auf Berührungen dieser Schülerin so reagierte.

Schweigend stand sie nun vor Haruka, den Zettel mit der Nummer in der Hand und ziemlich aufmerksam, da so langsam die Schüler in das Schulgebäude kamen. Aufgrund ihrer Angst wollte sie dem Gedränge im Schulkorridor aus dem Weg gehen. Und zu ihrem 'Glück' wurde es immer recht schnell voll.

,,Ähm... also... Ich danke dir", stotterte das Mädchen leicht hektisch.

Danach lief sie davon.

Fast ein wenig benommen blieb Haruka zurück.

»Komisch... Was war das denn gerade?<<

,,Willst du wirklich nach Hause?"

Michirus  Mathematiklehrerin war nicht gerade erfreut darüber, dass Michiru wieder heim wollte. Die Sorge um ihre Schülerin war doch ziemlich groß.

Doch immerhin wird sie das Mädchen nach Hause begleiten. Die Lehrerin hatte sogar für einen Moment überlegt, sich den Herrn Kaioh vorzuknüpfen. Jedoch hatte Michiru sie um genau das Gegenteil gebeten.

Als die junge Frau auf dem Parkplatz der Schule ankamen, sah sie Michiru bereits von weitem. Sie stand neben dem Wagen der Lehrerin und hatte den Blick auf den Boden gerichtet. Sie wirkte in keinster Weise glücklich. Woran das wohl lag? Sie hatte bereits eine Vermutung. Besorgt trat sie weiter auf das Mädchen zu, bis diese sie bemerkte. Die Künstlerin sah ihre Lehrerin nur ganz kurz an, doch dann sah sie wieder weg. Man bemerkte sofort, dass etwas nicht stimmte.

,,Was ist passiert? Kann ich dir helfen?''

Michiru gab daraufhin jedoch keine Antwort, was die Lehrerin zu Misstrauen aufrief.

,,Ist es wegen deinem Vater? Ich halte es auch nicht für eine so gute Idee, dass du wieder zu seinem Vater kommst.''

Die Türkishaarige wollte einfach nur los.

,,Können wir bitte losfahren?"

Es war deutlich sichtbar, dass sie sich unwohl fühlte.

,,Okay, also willst du wirklich heim...", seufzte die Lehrerin.

Also stiegen sie ein, ohne dass jemand großartig davon mitbekam.

Michiru wollte wirklich nicht reden. Viel zu sehr verwunderte es sie, dass Haruka sie in den Arm genommen hatte. Die androgyne Schülerin hatte die Künstlerin wirklich mit Nähe getröstet - und es hatte Wirkung gezeigt!

Um ein Gespräch mit der Mathematiklehrerin aus dem Weg zu gehen, setzte sich das Mädchen auf die Rückbank. Natürlich kam der Verwunderung auf.
 

Es herrschte Schweigen im Auto. Irgendwie fühlte die sich komisch für beide an, aber Michiru wollte nichts sagen. Die Luft knisterte regelrecht. Die Lehrerin wollte etwas sagen, getraute sich aber nicht, während die Schülerin darauf betete, dass keine Fragen kommen würden.

Michiru begann allmählich auf ihren Lippen herumzukauen. Ihr war die Situation sehr unangenehm.

,,So lasse ich dich nicht heim. Was ist passiert? Ich sehe doch, dass dich irgendwas bedrückt. Bitte sag es mir'', fragte die Lehrerin doch dann irgendwann.

,,Ich bin heute auf Haruka getroffen...", platzte es ihr direkt heraus und erst danach dachte sie darüber nach.

,,Und? Hat sie dir etwas angetan?"

Die Frau beobachtete ihre Schülerin durch den Spiegel, obwohl sie sich eigentlich auf den Straßenverkehr konzentrieren musste.

,,Nein...", meinte sie,

,,Nur... Also... Sie ist in der Pause zu mir gekommen. Ich habe ihr erzählt, was gestern war...", sprach sie weiter, doch dann brach sie ab.

,,Sie hat dir also wehgetan..."

,,Nein. Sie war total nett... Nur... Ich bin ziemlich geschockt von mir selbst...... Sie hat mich einfach in den Arm genommen!

,,Das ist doch schön. Das beweist, dass sie dir wirklich helfen und sich um dich sorgt. Denkst du nicht, dass es positiv für dich sein kann? Ich glaube du wirst dich wunderbar mit ihr anfreunden, glaub mir. Du musst es nur zulassen, Maus."

Michiru war durchaus klar, dass es nur gut gemeint war.
 

Der Schultag war für die Schülerin ziemlich anstrengend gewesen. Deshalb beschloss sie irgendwann für eine kurze Zeit die Augen, allerdings wurde sie bereits vor der Ankunft ihres Hauses wach. Gewissermaßen hatte sie sogar Angst davor, immerhin war sie ganz plötzlich verschwunden. Noch im gleichen Moment wurde dem Mädchen klar, dass keiner daheim sich Gedanken um sie gemacht hatte.

Sobald Michiru das kleine alte Haus in dem sie eigentlich wohnte sah, raste ihr Herz, da die Erinnerung am letzten Vorfall wieder hochkam, jedoch bekam ihre Lehrerin von der Angst nichts mit. Tränen waren zwar noch nicht geflossen, aber sie hatte Angst jeden Moment damit anzufangen. Und schreien wollte sie am liebsten auch noch. Doch sie bewegte sich nicht, starrte einfach nur auf den Schoß, in der Hoffnung, dass irgendetwas passieren würde. Natürlich passierte nichts. Was auch?
 

Die Lehrerin brachte den Wagen zum Stehen und seufzte.

,,Ich bin nicht gerade beeindruckt, dass du zurück gehst. Soll ich mit reinkommen?", sagte sie mit einem seltsamen besorgten Ton.

,,Ich glaube nicht, dass es nötig ist. Danke, dass Sie so freundlich zu mir waren. Ich bin Ihnen wirklich dankbar. Aber ich bekomme das schon hin", sagte sie so selbstsicher, dass man ihr wirklich Glauben schenken konnte.

,,Hm... Okay. Wenn etwas ist, dann ruf mich bitte so schnell wie möglich an. Versprich mir das!"

,,Mache ich", lächelte die Schülerin.

Danach nahm sie ihre Sachen, die neben ihr auf dem Rücksitz lagen. Nur ganz langsam verließ sie wieder das Auto.

,,Also dann... Noch einen schönen Abend", danach fiel die Tür zu.

Es war eine Herausforderung.

Das Atmen fiel ziemlich schwer.

»Okay Michiru...  Das schaffst du schon«, versuchte sie sich das Positive einzureden.

Erst danach trat sie auf das alte kleine Haus zu.

In der Gegend sah nicht jedes Haus so heruntergekommen aus, wie das ihres Vaters. Dennoch bemerkte man stark, dass dies hier eine ärmliche Gegend war. Peinlich war ihr das nie gewesen, doch nun war es ihr peinlich, weil ihr Vater nicht mal mehr in der Lage war, die Außenfassade des Hauses pflegen.

Michiru atmete noch einmal tief durch, bis sie dann auf das Haus zulief. Den Schlüssel besaß sie natürlich, wodurch ein Klingeln nicht nötig war. Das Aufschließen war schnell gemacht. Doch bevor sie das Haus betrat, sah sie auch einmal über ihre Schulter. Das Auto ihrer Lehrerin stand noch da, aber sie konnte nicht zurück. Also betrat sie das Haus, auch wenn es schwer war.

In der Wohnung war es stockdunkel und still. Michiru bekam noch ein wenig mehr Angst, denn das war untypisch. Dennoch ging sie weiter hinein und schloss die Tür hinter sich. Der erste Handgriff ging zum Lichtschalter und dann bemerkte sie auch ihren Vater, welcher schlafend auf dem Sofa lag. Er schien tief und fest zu schlafen, also würde sie sicherlich auch nicht bemerken. Natürlich verschwand sie sofort in ihrem Zimmer.
 

Haruka wartete auf eine Nachricht oder einen Anruf, doch sie wusste nicht warum. Ungeduldig saß sie auf ihrer Couch, während ihr Bein auf- und abwippte. Warum ließ sie sie auch einfach so warten? Sie glaubte gar nicht mehr daran, dass überhaupt noch etwas von der Türkisen kommen würde. Seufzend griff sie zur Fernbedienung und wechselte den Kanal. Allerdings kam auch auf dem weiteren Sendern nichts was sie interessierte, weshalb sie den Fernseher kurz darauf zum Schweigen brachte. Ruhe war doch ein wenig angenehmer.

Mit einem Lächeln musste sie an die vergangenen Tage zurückdenken. Dabei fiel ihr wieder das Gespräch mit Michiru an dem Morgen ein, als sie über ihre Hobbys gesprochen hatten. Dass dieses engelsgleiche Wesen Violine spielte, verwunderte die Blonde ein wenig, doch irgendwie passte es zu ihr. Außerdem hatte die Türkishaarige gesagt, dass sie sehr gern schwimmen ging. Also Haruka brachte man unter keinen Umständen ins Wasser. - Quasi wie der Großteil der Katzen. Als sie sich Michiru in Badebekleidung vorstellte, wurden ihre Wangen ziemlich rot. So würde man Haruka wahrscheinlich doch ins Wasser bekommen.

»Oh Gott! Was denkst du denn da!?«
 

Der Magen knurrte, allerdings wollte sie den Hunger nicht befriedigen, denn dafür müsste sie  runter in die Küche gehen und das wollte sie nicht. Ob ihr Vater sie bemerkt hatte? Wahrscheinlich nicht. Immerhin hatte er tief und fest geschlafen.

Die nächsten Gedanken widmete sie Haruka.

Diese Berührungen warf sie komplett aus der Bahn, denn für Michiru war das unbegreiflich, dass sowas passiert war. Es war jetzt nicht atemberaubend gewesen, doch ihr war nicht nach wegrennen gewesen.

»Was, wenn sich daraus wirklich Freundschaft entwickelt?«, fragte sie sich.

Richtige Angst hatte die Künstlerin aber gar nicht mehr.

Nach langem Überlegen wurde der Hunger immer schlimmer, wodurch sie sich entschied, doch etwas Essbares zu holen.

Im Wohnzimmer angekommen, fand sie natürlich ihren Vater auf, der immer noch schlafend auf der Couch lag. Alles war noch nie vor ein paar Stunden, als mit Michiru heimgekommen war, was zu schließen ließ, dass er noch nicht aufgewacht war. Allerdings kam ab und zu ein Murmeln von ihm, was Michiru zum schneller machen animierte. Schnell holte sie sich eine Packung Instantnudeln und den Wasserkocher, welchen sie mit Wasser befüllte. Als sie die Küche wieder verlassen wollte, fielen noch die fehlenden Essstäbchen auf.

Gerade wollte die Türkishaarige die Treppe hinaufgehen, als ihr Vater plötzlich mit schreien begann.

,,Hau doch endlich ab! So eine dumme Tochter brauche ich nicht! Du kleine Schlam*e du!", rief er wütend.

Michiru war sofort zusammengezuckt. Angsterfüllt und mit einem zitternden Körper sah sie zu ihrem Erzeuger, der sich aber mittlerweile wieder beruhigt hatte. Seine Augen waren immer noch geschlossen und er lag noch genauso da.

»Er schläft...«, erkannte das Mädchen und war sichtlich erleichtert deswegen.

Danach verschwand sie wieder auf ihrem Zimmer.
 

Trotz, dass ihr Vater geschlafen hatte, machte das Gesagte von ihm ihr große Angst, aber sie schaffte es, nicht zu weinen.

Die Nudeln waren schnell gemacht und noch schneller verschlungen. Danach zeichnete die Künstlerin an einem neuen Bild.

Das Geständnis

Die ehemalige Rennfahrerin freute sich riesig auf die Schule. Und das lag nicht an dem Lieblingsfach Sport, was heute bei ihr anstand, sondern an Michiru. Sie hatte ihr zwar keine Nachricht gesendet, doch Haruka nahm ihr das nicht übel. Es konnte ja noch werden! Am vergangenen Abend hatte sie sich aber noch viel Gedanken gemacht. Auch über ihre eigenen Gefühle und Haruka hatte da so eine kleine Vorahnung, aber dabei wollte sie nicht überstürzen.

Für Haruka war Homosexualität immer etwas vollkommen Normales gewesen, da sie damit aufwuchs. Denn ihre Tante hatte eine Partnerin gehabt solange die Blonde überhaupt denken konnte. Ihr Comming- Out war auch komplett problemlos verlaufen und niemand hatte je schief geklotzt, wenn Haruka eine Freundin mit heim brachte. Der Gedanke an ihre Eltern machte sie traurig. Immer wurden Probleme in ihrer Familie geklärt. Keiner wurde verurteilt oder gar für eine Verhaltensweise bestraft - die Tenohs waren quasi eine Bilderbuchfamilie. Deshalb machte der Rauswurf ihr sehr zu schaffen. Denn ihre Eltern hatten bei einem gewissen Thema absolut kein Verständnis: Drogen. Haruka war nämlich genau dem eine zeitlang verfallen. Als ihre Familie davon bemerkte, war plötzlich keiner mehr imstande das Problem zu lösen. Den Grund dafür kannte die Pianistin bis heute nicht.

Dass Michiru wegen ihres Vaters so litt, machte sie umso wütender. Am liebsten würde sie einen Keil zwischen ihn und seiner Tochter treiben, aber das ging nicht, da sie damit mit hoher Wahrscheinlichkeit Michiru verlieren würde - und das wollte dir Blonde natürlich nicht.

Die Autofahrt verlief gedankenverhangen und ein Glück ohne einen Unfall.

Michiru traf sie vor der ersten Unterrichtsstunde nicht mehr an, da sie direkt in der Schulbibliothek verschwand. Ihr war tatsächlich entgangen, dass heute ein Test in Japanisch ihr bevor stand. Und da ihr dieses Fach nicht besonders gut lag, musste sie nun lernen.
 

Der Unterricht verlief für beide problemfrei. Bei Michiru blieben zumindest die Attacken ihrer Mitschüler aus, doch die Angst plagte sie so wie immer.

Heute stand für die Türkise auch kein Mathe bevor. Leider mochte sie den Großteil der Lehrer nicht besonders sehr.

Allerdings dauerte es unendlich lang bis die Pause endlich an der Zeit war. So wie immer war der Großteil der Klasse schon noch 2 Sekunden verschwunden. Wahrscheinlich hatten sie den Unterricht genau so langweilig empfunden wie Michiru.

Als Michiru als Vorletzte, da die Lehrerin sich auch noch im Zimmer befand, hinausgehen wollte, rufte genau die Frau ihren Namen. Die Künstlerin konnte diese Frau absolut nicht ausstehen.

,,Ich muss mal kurz mit dir reden", sprach sie und ihre Stimme hatte einen komischen Unterton.

Auch das noch.

Bis eben hatte sie sich auf die Pause gefreut, doch davon wird ihr nicht viel über bleiben.

,,Ja, natürlich", meinte die Schülerin freundlich, aber innerlich hatte sie absolut gar keine Lust mehr.

,,Ich muss mit dir unbedingt über deine inakzeptablen Noten sprechen. Wenn es weiter so geht, wirst du das Schuljahr wegen Englisch nicht schaffen."

Damit hätte Michiru absolut gar nicht gerechnet. Noch mehr Probleme.

,,Du musst dir langsam wirklich einen Kopf machen! Du bist ständig nur woanders mit deinen Gedanken. Die Schule steht an erster Stelle und nichts anderes!", versuchte die Lehrerin ihr klarzumachen.

Das war wohl die Lehrerin, die die Künstlerin am wenigsten leiden konnte. Denn momentan waren andere Dinge in ihrem Leben viel wichtiger als Schule.

,,Ich werde dich morgen zu einem mündlichen Test dran nehmen. Bereite dich vor!"

Mehr als ein Nicken kam von der Türkishaarigen nicht, da die Angst langsam wieder überhand bekam. Sie wollte einfach nicht mit dieser Person allein in einem Raum sein. Irgendwann kam von beiden nichts mehr.

,,Gut, also dann noch einen schönen Tag."

Danach lief die Frau hinaus.

,,Ich fass es nicht", stöhnte das Mädchen genervt.

Aber immerhin hatte dieses Gespräch kürzer als erwartet gedauert.

Als die Schülerin zu ihrem Spind lief, um ihre Jacke zu holen, hörte sie ihre Englischlehrerin mit der Mathematiklehrerin, die Michiru so geholfen hatte, reden und tatsächlich ging es um sie.

,,Frau Sato... Diese.. Diese Kaioh.. Sag mal, manchmal kommt es mir so vor, als würde sie denken, sie sei etwas besseres! Das Mädchen geht mir so auf die Nerven!", meckerte die Frau.

Es war deutlich, dass Frau Sato, also die Mathematiklehrerin, gar kein Interesse an diesem Gespräch hatte.

,,Du weißt doch gar nix", sagte sie dann wütend, da sie das Gespottete nicht weiter hören wollte. Michiru wollte selber auch nicht mehr weiter zuhören, also ging sie einfach weiter auf den Hof.

Dass sie in Englisch nun so schlecht stand, bereitete ihr noch zusätzliche Sorgen.
 

Lustlos ließ sie sich auf einer Bank fallen und natürlich dauerte es nicht lang, bis Haruka sie gefunden hatte. Dass die Blonde sie aber so schnell gefunden hatte, war ziemlich verwunderlich, da kaum jemand sich an dieser Ecke des Schulhofes befand.

,,Guten Morgen, Michiru. Darf ich mich zu dir setzen?", fragte die ehemalige Rennfahrerin.

Ihr war sofort aufgefallen, dass irgendetwas mit der Geigerin nicht stimmte.

Von ihr kam nur ein Schulterzucken.

,,Hey... Was ist los?", fragte Haruka sofort, nachdem sie sich neben Michiru gesetzt hatte.

Die Künstlerin fragte sich jedes Mal aufs Neue, warum es jedes Mal auffiel, wenn irgendetwas sie bedrückte. War das etwa so eindeutig?

Von Michiru kam keine Antwort, also fragte die Blonde einfach nochmal nach.

,,Komm schon.. Irgendwas ist doch passiert."

Michiru zögerte und sah auf ihr Handy, in deren Hülle sich immernoch der Zettel mit der Handynummer befand, die Haruka ihr gestern gegeben hatte.

»Ich habe sie nicht angeschrieben... Bestimmt ist sie mir böse und will nun nix mehr mit mir zu tun haben..«

,,Es tut mir leid, dass ich dich nicht angeschrieben habe. Das kommt sicher sehr eingebildet rüber. Ich wollte dich gestern eigentlich mehrere Male anschreiben, aber ich habe mich nicht getraut", gestand sie.

Haruka schüttelte den Kopf.

,,Mach dir keine Vorwürfe. Aber irgendwas ist mit dir. Magst du mir davon erzählen?"

Michiru senkte beschämt den Kopf. Nicht jeder schrieb so schlechte Noten wie sie und das war ihr schon ein wenig peinlich.

,,Wahrscheinlich schaff ich das Jahr nicht. Eigentlich stehe ich in fast allen Fächern schlecht, aber Englisch ist besonders schlimm...", brach es geradezu aus Michiru heraus.

,,Aber du hast doch noch genug Zeit das auszubügeln. Du musst dir nur-"

Ein Schluchzen, was ja nur von Michiru kommen konnte, unterbrach Harukas Worte.

,,Wenn mein Vater das erfährt, bin ich... geliefert", wimmerte die Türkise.

,,Bitte mach dir keinen Kopf, Michiru. Weißt du was? Ich werde dir Nachhilfe geben. Ich bin zwar auch nicht in jedem Fach gut, aber Englisch passt schon", zwinkerte dir Blonde ihr zu.

Aber eigentlich hatte Haruka da gelogen. Ihre Noten in Englisch waren auch nicht besten, aber für sie würde sie sich auch jeden Abend hinsetzen und lernen, nur um gemeinsam mit Michiru dann noch lernen zu können.

Als sie wieder den Arm um die Geigerin legte, zuckte diese gar nicht zusammen. Es wurde sogar zu einer richtigen Umarmung, wovor Michiru doch immer so geflohen ist. Statt Angst, war da ein Kribbeln in ihrer Magengegend.

Für schlechte Gedanken war gerade kein Platz.

Beide genossen die Berührung sehr.

Michiru war von sich selber total überrascht, aber nicht geschockt. Ihr Herz raste, doch eigentlich wollte sie nicht fliehen. Denn in diesem Moment benötigte sie Trost, denn auf irgendeiner Weise war das Trost, oder nicht?

Die Pianistin hatte genießend ihre Augen geschlossen. In ihrem Bauch kribbelte es und obwohl sie dieses Gefühl schon einige Male erlebt hatte, genoss sie dieses Gefühl bewusster als sonst. Dennoch fiel ihr auf, dass Michirus Arme schlapp herunter hingen.

,,Du bist sehr schüchtern", begann Haruka zu sprechen ohne die  Umarmung zu unterbrechen,

,,Gibt es dafür einen besonderen Grund?"

Die Geigerin riss erschrocken die Augen auf. Warum wollte sie das wissen?

»Will sie mich etwa aus fragen?!«, kam da der Gedanke.

Mit all ihren Mut fragte sie sofort:

,,Warum möchtest du das wissen?"

Ihr Misstrauen und die Angst konnte sie dabei Meister dich verstecken.

Nun nahm die Umarmung doch ein Ende.

,,Weil ich mir Sorgen mache. Es muss schrecklich sein, sowas von den Klassenkameraden ertragen zu müssen. Und die Sache mit deinem Vater... Ich glaube, dass sind mehrere Gründe warum es dir nicht gut gehen könnte. Deswegen habe ich gedacht, du könntest mit jemanden über deine Sorgen sprechen",  erklärte die Blonde.

,,Was... Nur weil ich schüchtern bin soll es mir nicht gut gehen?"

,,Man sieht es dir an, Michiru. Ich kann mir gut vorstellen, dass es dir nicht gut geht."

Michiru  Konnte diesem Herzensmensch nicht zutrauen, dass sie ihr etwas Böses wollte. Das passt einfach nicht zusammen.

,,Ja, du hast recht", gab das Mädchen offen und ehrlich zu,

,,Aber weißt du was? Die ist Pause wird nicht reichen, es zu erklären. Ich rufe dich heute Abend sobald ich Zeit habe an. Und wenn du es da immer noch wissen möchtest, kann ich es dir ja erklären."

Stille. Sie herrschte sogar einige Sekunden, wodurch Michiru sofort überlegte, ob sie etwas falsches gesagt hatte.

,,Sorry,  falls das jetzt etwas falsch klang", fügte sie dann doch sicherheitshalber dazu.

,,Alles gut. Dann ruf mich heute Abend an. Ich bin jederzeit für dich da", lächelte Haruka ehrlich und das war wirklich toternst gemeint.

,,Gut.., das mache ich...", wurde ihre Stimme plötzlich leiser. Sie hatte tatsächlich noch nie mit jemanden telefoniert.

Abgesehen von ihrer Mathelehrerin.

Den Rest der Pause sprachen sie nicht viel miteinander.
 

Die Schule verlief ansonsten recht gut.

Die Heimfahrt für Michiru wollte einfach nicht vorübergehen. Der Bus war leer, es herrschte so gut wie Stille, aber es war furchtbar langweilig. Nach langen Überlegen beschloss die Künstlerin ihr zu schreiben. Langsam zog sie den kleinen Zettel aus ihrer Handyhülle hervor. Es waren nur einfache Nummern, aber sie konnten so viel verändern. Vielleicht wird Haruka wirklich zu einer guten Freundin werden?

»Und was, wenn sie mich rein legt?«

Das konnte nicht sein. Daran wollte sie nicht einmal im Traum denken. Also gab sie die Nummer ein und erstellte einen neuen Kontakt.

~Guten Tag, hier ist Michiru Kaioh~

Mehr schrieb sie nicht. Natürlich ging sie nicht davon aus, dass sofort eine Antwort kommen würde. Also las sie die anderen Nachrichten mal durch. Diese waren überwiegend von Klassenkameraden. Beleidigungen, wie immer. Aber da bemerkte sie noch eine Nachricht von ihrer Mathelehrerin:

~Ich habe dich heute kaum gesehen :o. Ich hoffe dir geht es gut :) ~

Michiru konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie schrieb zurück:

~Ja, mir geht es gut:) . Haruka hat mich heute umarmt! Und gerade eben habe ich sie angeschrieben XD~

Die Nachricht wurde sofort gelesen.

~Das hört sich aber gut an OwO . Ich freue mich für dich. :) ~
 

Endlich war die Fahrt geschafft. Um diese Uhrzeit war die Türkishaarige die einzige Schülerin, die an dieser Haltestelle ausstieg. Doch anstatt nach Hause zu gehen, ging sie zum nächsten Supermarkt.
 

Zu Hause angekommen fand es sie ihren Vater wie gewohnt auf. Natürlich. Er hatte sich keine Sorgen gemacht. So senkte sie den Kopf.

»Vielleicht hat sie doch recht... Er tut mir nicht gut«

Das Bild ihres Vaters rief jeden Tag eine große Enttäuschung auf. Aber dagegen machen konnte sie nichts, auch wenn sie so gerne es wollte. Er wollte sich ja nicht nicht damit aufhören.

So leise wie möglich versuchte sie ein Abendessen zu zaubern. Dabei war es so leise wie möglich, da sie absolut nicht wollte, dass ihr Vater dadurch wach wird. Für ihren Vater stellte sie alles bereit, ihres nahm sie  allerdings mit auf das Zimmer.
 

Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, rief sie direkt Haruka an. Ihr Herz raste und sie hatte wieder ein flaues Gefühl im Bauch.

,,Ja?",  hörte sie die Stimme.

,,Ähm... also... G- Guten Tag. Hier ist Michiru", stotterte sie, da Haruka anscheinend nicht wusste wer die fremde Nummer war.

,,Oh, Verzeihung. Ich habe ja sogar eine Nachricht von dir. Habe ich gar nicht bemerkt", kam es leicht verlegen,

,,Und? Alles okay bei dir?"

,,Ja, ich habe mir gerade Essen gemacht."

,,Uuuh. Was gibt es? "

,,Reis... für meinen Vater habe ich zwar noch etwas dazu gemacht, aber es war mit Pilze. Deswegen esse ich nur trocknen Reis..."

,,Okay.. Bist du auf deinem Zimmer oder ist dein Vater bei dir?", wollte die Pianistin wissen.

,,Ich bin auf meinem Zimmer. Ich esse nie mit meinem Vater gemeinsam...", verriet das Mädchen.

,,Aber gibt es gibt es doch sicher Gründe, hab ich recht?"

,,Schon, weil er eh immer nicht ansprechbar ist."

Michirus Stimme klang kühl, als würde ihr das ganze vollkommen egal sein,  Aber das war es ganz und gar nicht.

,,Du wolltest du mir etwas erklären. Darf ich jetzt schon danach fragen?"

Die Künstlerin nickte und sie musste kurz grinsen, als ihr auffiel, dass Haruka sie ja nicht sehen konnte.

,,Darfst du",  fügte sie dann also noch hinzu,

,,Um es kurz zu fassen: ich habe Berührungsängste. Dazu kommt noch, dass ich sehr sehr schüchtern bin, was es mir nicht ermöglicht, ohne Angst in die Nähe anderer Menschen zu kommen. So jetzt ist es raus.."

,,Damit habe ich nicht gerechnet. Also, dass du schüchtern bist schon. Aber solche Ängste...? Das muss echt schwer sein..."

,,Ist es", stimmte Michiru ihr zu.

,,Hast du auch Angst vor mir?"

Haruka war furchtbar unsicher und die Nervosität legte sich auf ihre Magen. Denn sie hatte sich eines für diesen Abend vorgenommen - sie wollte Michiru sagen, dass sie lesbisch ist. Allerdings hatte die Blonde Angst vor ihrer Reaktion. Als sie aber dann erfuhr, was Michiru Tag für Tag das Leben schwer machte, wurde die Unsicherheit größer.

,,Nein", hörte sie endlich die Stimme des Mädchens.

Haruka hatte schon Angst gehabt, dass die Türkise in ihrer Gegenwart Angst empfand. Als sie dann nun das Nein hörte, stoß sie ein erleichtertes ,,Puh" aus.

,,Das ist ja das komische",  Sprach die Geigerin weiter,

,,Ich gebe zu, dass ich anfangs noch Angst vor oder er bei dir hatte, aber das hat sich gelegt. Und ich frage mich warum. Ich meine, ich kenne Dich kaum! Ich kann mir das nicht vorstellen... Bei jedem, wirklich bei jedem habe ich ein ungutes Gefühl... Und bei dir... Keine Ahnung."

,,Willst du mich denn kennenlernen?", fragte Haruka mit Bedacht.

Dann blieb es eine ganze Zeit still.

Die Pianistin wollte ihr die Zeit geben, die sie benötigte. Mit einem Lächeln auf den Lippen zeichnete sie mit ihrem Finger Herzen auf die Decke, denn irgendwie beruhigte dies ein wenig.

,,Ja, will ich", kam dann die Antwort.

Natürlich erfreute diese Entscheidung die Androgyne,  jedoch wollte sie sich diese Freude nicht anmerken lassen.

,,Erzähl ja etwas über dich", bat Michiru sie.

,,Wirklich?!", kam es überrascht von Haruka.

,,Ja,  sonst hätte ich es ja nicht gesagt."

,,Okay... also... Was genau möchtest du denn wissen?"

,,Keine Ahnung. Warum bist du neu auf der Schule?"

,,Ich bin umgezogen. Das hat eine ziemlich lange Vorgeschichte. Ich wünsche dir im Grunde genauso eine Familie, wie ich sehe einst besessen habe", begann die ehemalige Rennfahrerin zu sprechen.

,,Was soll das bedeuten? Ist deiner Familie etwas passiert?"

,,Nein, nein. Ähm...  wir...",

,,Wir Sachen die eine Bilderbuchfamilie. Bei uns gab es keine Probleme. Über alles wurde besprochen. Ich hatte eine Tante, die lesbisch war. Also ich mich dann outete, nahm es jeder super auf."

,,Du Stehst auf Frauen?"

,,Tue ich. Ist das schlimm?"

,,Nein, finde ich nicht."

,,Gut. Jedenfalls hatten sie absolut nichts dagegen. Als meine damalige Freundin aber die Beziehung mit mir beendete, nahm ich eine ganze Zeit Drogen zu mir. Sowas geht ja nicht spurlos an einem vorbei. Meine Eltern bemerkten sogar recht schnell davon. Dafür bin ich Ihnen auch sehr dankbar. Nur wollten sie ab diesem Punkt nichts mehr mit mir zutun haben. All die Jahre haben wir immer all die Probleme geklärt, aber das war nicht möglich. Meine Familie warf mich sogar raus. Ich bin danach weit weit weg von ihnen gezogen und bin dann in Tokio gelandet..."

Michiru hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört.

,,Das tut mir soo leid. Ehrlich. Das ist echt scheiße von deiner Familie. Wirklich. Ich bin komplett sprachlos."

,,Alles gut. Ich verlange auch gar kein Mitleid deswegen."

,,Aber ich hätte echt nicht gedacht, dass du das lesbisch bist. Trägst du deswegen auch die Jungen - Schuluniform?", fragte die Künstlerin unwissend.

,,Nein", lachte Haruka amüsiert auf,

,,Ich trage die Jungen - Uniform, weil ich mich darin wohler fühle. Aber du hast recht. Ich erfülle das Klischee", grinste sie.

,,Oh... ich hoffe ich habe jetzt nichts falsches gesagt."

,,Alles In Ordnung. Ich will dir aber damit sagen, dass ich..."

Weiter sprach die Pianistin nicht, da sie sich aufeinmal nicht mehr so sicher war. War das Geständnis ihrer Gefühle wirklich eine gute Idee?

»Nein. Michiru ist ein herzensguter Mensch. Sie würde mich dafür nicht verabscheuen.«

,,Ja?", hakte  Michiru plötzlich nach.

,,Was ich damit sagen möchte ist..., dass ich anscheinend gerade dabei bin, Gefühle für dich zu entwickeln", gestand sie unendlich.

Michirus Augen weiteten sich. Sie hatte eher gedacht, dass er Haruka bereits jemanden besaß. Dieses Geständnis kam für sie vollkommen unerwartet. So leise wie es nur möglich war stieß sieht die Luft aus. Ihr war durchaus bewusst, dass es enorm an Anmut benötigte, so ein Geständnis zu machen, allerdings fühlte sie nicht genau so wie Haruka.

,,Es tut mir wirklich leid, aber ich muss dir einen Korb geben. Es ist mir klar, dass das jetzt echt fies ist, aber ich fühle nicht so wie du. Es tut mir wirklich leid. Danke, dass du dich getraut hast mir das zu erzählen."

Das Reden fiel der Violinistin sonderbar leicht. So gut wie gar nicht hatte sie sich versprochen. Wieder etwas Unerwartetes.

,,Ja, ist gut. Ich meine, das ist ja auch nicht schlimm... Es wäre ja auch komisch, wenn es dir genauso ginge."

Haruka lachte.

Obwohl ihr eigentlich gar nicht danach war, aber sie wollten damit ihre Enttäuschung runterspielen.

,,Okay... dann... Ich habe noch ein bisschen zu tun. Wir sehen uns ja morgen", warf dir Blonde plötzlich ein.

,,In Ordnung. Bitte sei nicht traurig. Noch einen schönen Abend. Tschüss."

Danach wurde das Gespräch beendet.

Klartext

Haruka hatte nicht vor, Abstand von den türkishaarigen Engel zu nehmen. Im Gegenteil. Die Blonde erhoffte sich wenigstens eine Freundschaft.

Sicherlich war ihr die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, aber sie kam ganz gut damit klar.
 

Als sie mit ihrem Wagen auf den Parkplatz der Schule fuhr, waren alle Lehrerparkplätze besetzt. Es war keiner mehr frei, also musste sie sich noch einen suchen.

,,Na toll", seufzte sie ein wenig genervt.

Um wieder auf die Straße zu gelangen, war Umwenden nötig. Dies machte sie in Sekundenschnelle. Gerade wollte sie abbiegen, als ein andere Autofahrer ihr die Vorfahrt raubte. Mit einer Vollbremsung wollte sie dem Auto ausweichen, allerdings war es zu spät.

,,Du Arsch!", schrie sie nun wütend.

Es war ein älterer Herr, der nun ausstieg.

,,Sag mal spinnen Sie!?", schrie er die Schülerin an.

,,Was!? Sie haben mir die Vorfahrt genommen!",  meckerte sie zurück.
 

Michiru wurde in Englisch zu einem mündlichen Test aufgerufen. Und was da abgefragt wurde, war Michiru fast völlig friend. Das Thema hatte sie vielleicht vor einem dreiviertel Jahr! Die Türkise war sich sicher - ihre Englischlehrerin hatte dies mit Absicht gemacht. So wie sie gestern über die Schülerin gesprochen hatte!? Ihr war die Note schon egal gewesen, als sie bemerkt hatte, was abgefragt wurde.

,,Also weißt du nichts?", fragte die Frau und stützte die Arme in die Hüfte.

Auf die Frage kam keine Antwort. Was hätte Michiru auch sagen sollen? ,Nein, ich versteh nur Bahnhof?'

,,Gut. Dann setz dich. Was du für eine Note hast, ist dir sicher klar. Wenn du dich nicht langsam mal anstrengst, wird das so enden, wie ich dir das schon gesagt habe. Die Schule steht an erster Stelle! Nichts anderes! Wenn du so weiter machst, werde ich deine Klassenlehrerin bescheid sagen."

Ihre Stimme zeigte, dass sie Schadenfreude empfand. Ein kurzer Moment war Ruhe. Michiru setzte sich in dieser Zeit wieder und die Lehrerin trug die schlechte Note ein. Bekomme das endlich in deinen Kopf rein, begann sie dann wieder, dann musst du halt alles andere in den Hintergrund rücken. So langsam reicht es. Das ging einfach nicht. Der Geigerin standen Tränen in den Augen. Ihre Wut musste sie irgendwie loswerden. Michiru ging es noch nie so, aber da war das Gefühl, dass es im Moment raus musste.

,,Mal ehrlich... Ist dass Ihr ernst? Ich lebe zu Hause unter Angst. Ich bin krank! Wenn einen etwas bedrückt, kann man sich nicht konzentrieren. Ist mein Leben oder die Schule wichtiger? Ich weiß, was mir wichtiger ist."

Nun liefen doch die Tränen. Keiner sagte irgendwas. Es war noch ziemlich unüblich, dass Michiru mal den Mund aufmachte.

,,Soll ich mich mal nur um die Schule kümmern? Wissen Sie was? Ich würde verhungern oder wahrscheinlich zusammengeschlagen werden!"

Danach nahm sie sich die Freiheit und verließ das Klassenzimmer.

Es waren gerade erst mal ein paar Sekunden vergangen und Michiru bereute es schon jetzt. Nun wusste jeder, dass bei ihr irgendwas nicht in Ordnung war. Aber es stimmt doch. Wenn sie nicht kochen oder einkaufen gehen würde, würde sie hungern. Und dann es wäre nur eine Frage der Zeit, bis ihr Vater dann ausrasten würde.

Michiru blieb mitten im Gang stehen. Sie war überrascht und irgendwie irritiert und auch geschockt.

Hatte sie das gerade eben wirklich gesagt?

»Oh nein...  Was mache ich denn jetzt?«

Zögernd sah sie zu der Tür, aus der sie gerade den Unterricht verlassen hatte. Nein, da konnte sie nicht mehr rein.

»Das wird Folgen haben...«

Wegen der Fassungslosigkeit waren die Tränen nicht schon längst ausgeblieben.

Ihre Sachen hatte sie im Zimmer gelassen, also konnte sie ihre Mathelehrerin nicht einmal schreiben. Abhauen kam für sie eh nicht in Frage, allerdings wollte sie im Moment auf keinen Fall zurück in den Unterricht. Ihr blieb nichts weiter übrig, als ins Lehrerzimmer zu gehen und nach der Lehrerin zu fragen. Das Mädchen benötigte länger als sonst zum Lehrerzimmer. Als sie aber dann dort angekommen war, klopfte sie direkt an. Nach einigen Sekunden öffnete sich die Tür. Ein alter dicker Mann stand vor ihr. Er war auch Mathelehrer, aber Michiru hatte noch nie Unterricht bei ihm gehabt.

,,Brauchst du Kreide?", fragte seine kratzige Stimme.

,,Nein", begann sie zu sprechen,

,,Ich suche Frau Sato. Ist sie hier?"

Sicherlich waren ihm bereits die verweinten Augen aufgefallen, aber zum Glück sagte er dazu nichts. Nachdem sie ihr Anliegen geäußert hatte, richtete sie ihren Blick wieder auf dem Boden.

,,Ja sie ist hier. Frau Sato? Hier will eine Schülerin zu dir", rief er etwas lauter.

Michiru war wirklich erleichtert doch mit ihr reden zu können. Es dauerte gar nicht lange bis sie da war. Schon als sie Michiru erblickte, war ihr klar, dass irgendwas passiert sein musste.

,,Oje. Was ist denn passiert?", fragte sie sofort und legte den Arm auf die Schulter der Schülerin,

,,Warum weinst du denn?"

,,Kann ich bitte alleine mit Ihnen sprechen?", fragte die Künstlerin.

Anhand des Schluchzen war klar, dass sie jeden Moment wieder weinen musste.

,,Aber natürlich."
 

Das Problem war schnell erklärt. Die Lehrerin war entsetzt, dass ihre Kollegin sich so verhalten hatte und das wird auf keinen Fall ohne Folgen bleiben.

,,Mach dir erstmal keinen Kopf, Michiru. Ich denke deine Klasse wird dich dadurch nicht mehr ärgern. Vielleicht hören sie ja mal auf damit, wenn es jetzt wissen, dass es dir schlecht geht. Jedenfalls werde ich dafür sorgen, dass das nicht noch einmal passieren wird. Das war Bloßstellen was sie gemacht hat und das geht nicht. Gut, dass jeder jetzt weiß, dass etwas bei dir zu Hause nicht stimmt, ist wahrscheinlich nicht gerade angenehm für dich. Daran kann ich auch nichts mehr ändern. Aber das bekommen wir hin. Ich werde dann direkt zum Direktor gehen."

Die Geigerin nickte.

Sie war froh, dass sie jemanden hatte, da ihr half. Haruka würde zwar auch helfen, aber die hatte ja Unterricht.

,,Sagen Sie... Soll ich wirklich die Schule in den Vordergrund rücken?''

,,Eigentlich sollte man das, wenn man schlechte Noten hat. Allerdings geht das in deiner Situation nicht. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass du dich nicht konzentrieren kannst."

,,Okay."

,,Ach... Haruka hatte heute morgen einen Autounfall", fiel der Lehrerin plötzlich ein.

,,Was? Wo ist sie? Geht es ihr gut?"

Es ging nicht anders. Die Lehrerin musste einfach Grinsen.

,,Ihr geht es gut. Sie ist vorhin erst rein. Magst du mit ihr reden?"

,,Ist sieht denn gar nicht im Unterricht?"

,,Nein, sie ist noch völlig durch den Wind", lachte die Lehrerin.
 

Haruka befand sich im Sekretariat, da die Polizei noch da war und sich noch mit der Sekretärin unterhielt. Da es ja aber zu lange dauerte, hatte sie sich auf einer Bank niedergelassen.

Als Michiru dann plötzlich vor ihr erschien, war die Blonde ziemlich verwundert.

,,Haruka! Da bist du ja! Wie geht es dir?", rief Michiru und setzte sich ein wenig aufgeregt neben sie.

,,Warum bist du nicht im Unterricht?", wollte die ehemalige Rennfahrerin sofort wissen.

,,Es gab da einen kleinen Vorfall", versuchte das Mädchen des ganze wegzulächeln.

,,Aha...", hob Haruka skeptisch die Augenbraue,

,,Ich hatte einen Unfall. Mir hat ein älterer Herr die Vorfahrt genommen. Aber mir geht's gut."

,,Da bin ich beruhigt", seufzte Michiru erleichtert.

,,Und bei dir? Wie geht es dir?"

Die Künstlerin merkte sofort, dass Haruka kein Problem damit hatte, dass sie ihr einen Korb gegeben hatte. Darüber war sie doch ziemlich erfreut, denn so langsam war die Gegenwart der Blonden doch ganz angenehm.

,,Naja, der Unterricht war gerade nicht angenehm gewesen", zuckte das Mädchen mit den Schultern.

,,Wieso das denn?"

,,Ich habe mich halt geoutet..."

,,Hä?"

Meine Lehrerin hat mich vorgerufen zu einem mündlichen Test. Sie hat aber nur die Sachen abgefragt, die ich letztes Jahr oder so dran hatte. Dann bin ich ausgerastet, als sie sagte ich solle die Schule mehr in den Vordergrund stellen."

,,Was hast du denn gesagt?"

,,Dass ich, wenn ich mich nur noch um die Schule kümmere, verhungern und man nicht zusammenschlagen würde."

,,Oh..."

,,Vor der ganzen Klasse. Ich habe absolut nicht überlegt."

,,Ach. Jeder kann mal ausrasten. Alles gut, mach dir mal nicht so viele Gedanken, hm?"

Lächelnd legte sie den Arm um die Türkishaarige.

,,Du bekommst das hin und wenn du Hilfe brauchst, dann kannst du jederzeit mich um Hilfe beten."
 

Der Unterricht war schnell vorbei. Beide waren natürlich noch Unterricht gewesen. Frau Sato hatte sich um das Problem in Englisch gekümmert und die Note wurde daraufhin zurückgezogen.

Michiru wartete wie immer noch eine ganze Weile im Zimmer, um den ganzen Gedränge aus dem Weg zu gehen. Stöhnend suchte sie den Spindschlüssel aus ihrer Schultasche. Heute hatte sie gar keine Lust auf den Heimweg. Der Lehrer war auch schon weg, nur sie befand sich noch in diesem Zimmer.

Der Korridor war bereits leer und die Künstlerin hätte nun auch gehen können, doch sie stand einfach nur so da und rührte sich nicht.

»Ich will nicht heim...«

Eine einzelne Träne lief über ihre Wange.

,,Michiru?", ertönte eine Stimme.

Die Geigerin wusste wer es war, doch warum suchte sie Michiru auf? Es war die androgyne blonde Schülerin, die sich in sie verliebt hatte.

Langsam drehte sie sich zu ihr.

,,Ja? Ist etwas?"

,,Also... Ich wollte fragen, ob du bei mir mitfahren willst."

,,Ach... Ich muss in eine ganz andere Richtung", winkte die Türkishaarige ab.

,,Ich weiß zwar nicht wo genau die ist, aber ich wollte heute mal bisschen herum fahren. Warum kann ich dich da nicht heimfahren?"

,,Ist dein Auto gar nicht kaputt?", fragte Michiru.

,,Nein, es ist nichts schlimmes", grinste die Blonde.

,,Hm...", war nun das einzige, was von der Türkisen kam.

,,Bitte..." Leicht verwundert sah sie in die blaugrünen Augen Harukas, da sie so etwas nicht erwartet hatte. Sie wollte sie allerdings nicht enttäuschen.

,,Also gut...", gab Michiru dann endlich nach.

Haruka war erfreut über Ihre Entscheidung mitzufahren.

,,Gut. Soll ich dir etwas abnehmen? Ich habe vorhin schon meine Sachen ins Auto gebracht", lächelte die Pianistin ihr Gegenüber an.

,,Nein, es geht schon."

Erst griff sie nach ihrem Geigenkoffer, danach nach der Schultasche. Bevor die beiden allerdings die fast vollkommen leere Schule verließen, musste Michiru ihre Jacke aus dem Spind holen.

Gerade wollten sie die Tür hinaus auf dem Hof durchqueren, als plötzlich ein Schüler gegen Mädchen krachte, da er aus Spaß in einer Schlägerei verwickelt war. Die Türkishaarige konnte sich gerade so noch fangen, sonst wäre sie die Treppe hinuntergestürzt. Ihr Herz raste und sofort wurde ihr heiß und kalt zugleich.

,,Oh, tut mir echt leid", meinte der Junge.

Haruka hatte Michiru zu sich gezogen und diese stand wie angewurzelt da. Das Atmen fiel ihr schwer, für sie fühlte es sich an, als würde jemand ihr den Hals zuschnüren.

,,,Alles gut", ergriff Haruka dann auch das Wort , da dieser auffiel, dass die Violinistin für eine Antwort nicht imstande war.

Danach drängte sie Michiru regelrecht auf dem Parkplatz. Erst vor ihrem Sportwagen blieben sie stehen und erst da konnte die Jüngere erst wieder richtig atmen.

,,Danke...", murmelte sie dann.

,,Immer gerne."

Heruka war in diese Situation ihrer Rettung gewesen. Ohne sie hätte das Mädchen nicht weiter gewusst.

,,Geht es dir gut?", fragte die Blonde etwas besorgt,

,,Du siehst blass aus."

,,Nein, nein. Alles gut. So geht es mir nach sowas öfters...", winkte sie nur ab.
 

Während  der Fahrt sprachen beide nicht viel.

Es dauerte sehr lange eh jemand von ihnen sprach.

,,Wenn ich einmal bei dir bin, dürfte ich mir die ganze Situation bei dir daheim ansehen?", fragte Haruka vorsichtig,

,,Also du kannst auch nein sagen!"

,,Ist schon okay. Du kannst dann mit reinkommen."

,,Ich hoffe, das ist für dein Vater auch okay" , sagte Haruka noch.

Michiru senkte den Kopf und sah auf ihre Oberschenkel.

,,Ihn wird es nicht interessieren. Er wird wahrscheinlich nicht einmal etwas davon mitbekommen", erwiderte sie.

Haruka sagte nichts weiter diesbezüglich, da sie die Künstlerin nicht noch mehr verletzen wollte.

Den Rest der Fahrt konzentrierte sich die Pianistin auf den Straßenverkehr. Durch die anderen Fahrer rastete sie fast aus, aber das konnte sie vor ihrer Mitfahrerin sich absolut nicht leisten, denn momentan war es so entspannt mit ihr. Das wollte sie auf keinen Fall wieder wegschmeißen.
 

Haruka ließ sich von ihren Navigationsgerät leiten. Als es nur einige hundert Meter noch waren und sie in eine ärmliche Gegend zog, wusste sie eigentlich schon Bescheid wo Michiru lebte: in Armut. Die Frauenstimme, die sie den ganzen Weg hier hin geleitet hatte, sagte nun, dass sie an ihrem Ziel angekommen waren. Das Sportwagen hielt vor einem heruntergekommenen Haus. Ihr Wagen fiel garantiert hier total auf. Es war nicht so, dass sie sich unwohl fühlte, nur weil hier ärmlichere Menschen lebten, aber Michiru tat ihr fürchterlich leid.

,,Bist du nun abgeschreckt?", fragte die Türkise bitterlich lachend.

,,Nein, bin ich nicht. Nur weil du hier wohnst? Bist du deswegen ein schlechterer Mensch?"

Die Geigerin hatte diese Antwort nicht kommen sehen.

Erneut senkte sie wieder ihre Blicke.

,,Nein..."

,,Siehst du?", zuckte die andere mit den Schultern.

Da Michiru absolut nicht wusste wie sie sich verhalten sollte, blieb sie einfach still.

Eine Spannung lag in der Luft. Keiner sagt etwas.

Die Pianistin war sehr froh, dass das Mädchen ihr nicht aus dem Weg ging, obwohl sie es ihr am vergangenen Abend erzählt hatte. Demnach hatte sie wohl nichts gegen Regenbogenmenschen.

,,Gut", seufzte die Blonde leicht aufgeregt, denn immerhin wird Sie gleich ihren Vater zu Gesicht bekommen.

,,Wollen wir reingehen?"

,,Ja."
 

Michirus Hand zitterte, als diese sich langsam dem Schloss näherte. Das entging Haruka natürlich nicht. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie es endlich schaffte, die Haustür zu öffnen.

,,Habe keine Angst. Ich bin notfalls doch da", legte sie die Hand auf ihre Schulter.

Sie zuckte nicht. War das ein Vertrauensbeweis? Die Reaktion auf diese beruhigenden Worte war nur ein Nicken.

Danach stieß sie die Tür auf.

Für Haruka kam ein kleiner dunkler Raum zum Vorschein. Es war ziemlich aufgeräumt, aber es war klar, wer sich hier um den Haushalt kümmerte. Ganz leise betraten die beiden Raum und zogen bei der Stufe die Straßenschuhe aus. Haruka war nur noch aufgeregter als eh schon. Ob sie ihn kennenlernen wird?

Michiru führte sie für einen kurzen Moment in den Wohnraum und da lag er : Schnarchend auf dem Sofa.

Ein Stich in Harukas Herz versetzte sie einige Sekunden in einen Schockzustand.

»Oh mein Gott.«

Den Mann, den sie da zu Gesicht bekommen, war so erschreckend, dass Haruka einen Schritt Abstand nehmen musste. Mal abgesehen davon, dass er total ungepflegt war, sah man ihm die Gewalt bereits an.

Sie konnte sich absolut nicht vorstellen, dass Michiru gemeinsam mit ihm leben musste. Sie selber könnte das garantiert nicht aushalten.

,,Lass uns hochgehen", schlug Michiru leise vor.
 

Ihr Zimmer war schöner als gedacht. Aber das meiste, was ich in diesem Raum befand, hatte sie sich selber gekauft, erzählte Michiru ihr. Und dafür musste sie arbeiten gehen.

,,Momentan gehe ich aber nicht arbeiten", zuckte sie mit den Schultern.

,,Ich bin der Meinung, dass das absolut nicht geht. Hast du mal jemanden davon erzählt, abgesehen von Frau Sator? Jemand, der dich hier rausholen könnte?", fragte die Blonde und dabei klang sie nicht gerade freundlich. Michiru wusste allerdings, dass sie sich nur Sorgen machte.

,,Nur meine Ärztin."

Sie redeten eine ganze Weile noch. Die Zeit verging schneller, als es sich anfühlte. Erst als es bereits dunkel war, fiel der Pianistin die Uhrzeit an ihrer Armbanduhr auf.

,,Tut mir echt leid, aber ich muss noch zu einem Freund", entschuldigte sie sich.

,,Kein Problem. Danke dass du da warst", lächelte Michiru ihr entgegen.

,,Immer gerne. Ich bin immer für dich da."

Ganz leise schlichen sie sich runter.

Haruka fiel es schwerer als gedacht sie zu verabschieden, da sie sich schon wieder Sorgen machte.

Date?

Die Wochen vergingen wie im Flug.

Michiru gewöhnte sich allmählich immer mehr an die Gegenwart der Blonden. Auf Berührungen mit ihr reagierte sie wie ein ganz gesunder Mensch, allerdings bezog sich das nur auf Haruka und auf niemanden anderen. Sie war noch genauso ängstlich gegenüber Menschen wie vorher auch.

Die Nachmittage verbrachten sie ab und zu gemeinsam und das fiel natürlich auch Setusna auf.
 

~Naaaaaaaaaa :] ~, schrieb die Grünhaarige ihr an einem Samstagmorgen.

Es dauerte nicht mal 10 Sekunden, bis die ehemalige Rennfahrerin die Nachricht las.

~Morgen :*~

~ Und? Heute schon was vor? XD~

~Wieso fragst du?

Willst du was mit mir heute machen? O.O~

~Nope.~, kam die Antwort von Setsuna.

Haruka lachte.

~Aber ich habe gemerkt, dass du dich mit Kaioh super verstehst ;] ~

~Ja, wieso?~

~Lad' sie doch mal zu einem Eis ein!~

Haruka  machte große Augen. Wie ein Date? Nein, wahrscheinlich würde nur sie das so sehen. Aber Freunde gehen ja auch immer Eis essen, oder?

~Das ist gar nicht mal so eine schlechte Idee..~

~Ja XD~

~Okay, ich frag sie mal :) ~

Anstatt zu schreiben, rief sie lieber an, da sie die Antwort jetzt haben wollte. Aber es bestand die Möglichkeit, dass Michiru noch gar nicht wach war. Erst neigte sie dazu, eher später anrufen, allerdings hielt sie es dann doch nicht mehr aus.

Sie war aufgeregt.

In ihrer Magengegend wüstete dieses flaue Gefühl, das sie immer vor einem Rennen immer hatte, aber irgendwie auch anders. Haruka brauchte keine Erklärung dafür, sie konnte dieses Gefühl bereits.

Michiru ging ein Glück ran.

,,Guten Morgen", kam es total verschlafen.

Haruka war so aufgeregt, dass sie daraufhin erst nichts erwiderte.

,,A-Also... Guten Morgen."

Die Pianistin war geschockt. Warum stotterte sie? Es kam kein normales Wort raus.

,,Hab ich dich geweckt?"

,,Nein, nein. Alles gut. Ich muss eh mal aufstehen!", kam es dann.

,,Hast du-... Hast du für heute schon was geplant?", fragte sie endlich.

,,Nein, wieso?"

,,Also, es ist so... Ich hab heute übelst Langeweile und da hab ich mir gedacht, dass ich was mir dir machen könnte", schlug die Blonde vor.

,,0 -Okay... Gerne. Was willst du denn machen?"

,,Ein Eis essen gehen", sagte sie.

,,Hm... In Tokio?"

,,Ich kann dich abholen."

,,Wir machen es so: Ich fahr mit dem Bus und so nach Tokio, danach gehen wir Eis essen und dann, wenn du magst, kannst du mich heim fahren. Denn ich muss noch einkaufen gehen", schlug das Mädchen vor.

,,Können wir so machen."

Waehm sie dann noch eine Stunde miteinander redeten, wussten die beiden nicht. Es gab so viele Themen die ausgerechnet jetzt noch besprochen werden mussten. Allerdings musste Michiru dann das Gespräch beenden, da sie Frühstück machen musste. Natürlich für ihren Vater.
 

Als sie in den Wohnraum trat, erblickte sie nicht ihren Vater. Er lag nicht auf den Boden oder auf seinem Futon.  Die Angst befiel ihren ganzen Körper, keine Bewegung war mein möglich. Sie verharrte auf der Treppe.

»Wo ist er? Warum liegt er nicht da? Ist er etwa wach?«

,,Va- Vater?", rief sie mit Bedacht.

,,Hm?", kam ziemlich energisch zurück.

Sie sah ihn nicht mal im Augenwinkel, also musste er in der Küche sein.

Sie redete sich ein, dass er ihr nichts tun würde, was relativ gut klappte. Deshalb schaffte sie es auch, in die Küche zu gehen.

,,Gute Morgen."

Es fühlte sich komisch an mit ihm zu sprechen. Immerhin war er imstande zu laufen. Er saß auf einem Stuhl am Tisch in der eher russisch aussehenden Küche. Das lag daran, dass Michirus Mutter Russin gewesen war und ihr der Stil von japanischen Küchen nicht gefiel. Dennoch sah Michiru eher nach einer Japanerin aus.

,,Hmmm.. Morgen", erwiderte er.

,,Ich mach das Frühstück. Willst du auch etwas haben?"

Er nickte, ohne ein Wort zu sagen.

Auch das Essen zu sich zu nehmen, während ihr Vater ihr  gegenüber saß, war irgendwie komisch. Genau deswegen wuchs das kleine Fünktchen Hoffnung, dass ihr Vater sich ändern wird.
 

Danach machte sie sich fertig für ihren Ausflug heute. Auch sie war fürchterlich aufgeregt, was sie sich kaum erklären konnte. Das erste Problem mit dem sie konfrontiert wurde, war die Frage, was sie tragen sollte. Es gab nicht sonderbar viel Auswahl, aber irgendwie passte auch nichts zu so etwas. Sie wollte ja nicht, dass sie zu übergestylt oder zu arm aussah.

,,Mist...", kam es ihr über die Lippen, als ihr einfiel, dass sie beim letzten Mal die Klamotten achtlos in den Schrank geworfen hatte.

»Also muss ich auch noch bügeln«, stellte sie fest.

Sie stand noch eine Weile davor, wühlte auch einige Male in den Stoffmengen herum, aber fand nichts Passendes.

,,Und was zieh ich jetzt nun an?"

Leicht durch den Wind und genervt lief sie zur Waschmaschine, um die Dreckwäsche durchzusuchen und als sie die Treppe hinter sich gebracht hatte, sah sie wieder ihren Vater: Heute Morgen hatte sie sich eine Hoffnung in ihr gebildet, doch nun wurde sie wieder komplett zerstört. Aber immerhin würde sie sich somit unbemerkt aus dem Haus schleichen können.

Im Wäschekorb fand Michiru allerdings auch nichts - Zumindest nichts was zu solch einem Ausflug passen würde. Ihr blieb wohl nichts anderes übrig, als das Kleid herauszusuchen. Dabei hatte es noch nie einen richtigen Anlass gegeben, es zu tragen. Eigentlich war es nur ein einfaches Kleid, doch es war das Einzige, was sie besaß.

Bis vor einigen Jahren war es noch das Eigentum ihrer Mutter gewesen. Warum sie es bekommen hatte, wusste sie nicht. Ihr Vater hatte es ihr irgendwann mal gegeben.
 

Bekleidet, gestylt und geschminkt stand sie vor dem Spiegel. Tatsächlich fand sie sich recht hübsch. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Einige Male drehte sie sich um ihre eigene Achse, um sich  von allen Seiten sehen zu können. Überall waren Makell, die aber durch das Kleid nicht mehr so extrem auffielen.

Die restliche Zeit setzte sie sich auf ihr Bett. Eigentlich hatte sie mit Haruka keine Zeit ausgemacht. Also ging sie einfach mal davon aus, dass es nachmittags sein sollte. Dann fiel ihr noch auf, dass sie keinen Treffpunkt ausgemacht haben. Also musste sie sie doch anrufen.

Es dauerte ein bisschen, bis das Gespräch angenommen wurde. Michiru hatte sich bereits darauf eingestellt, dass keiner rangehen würde. Dementsprechend war sie ziemlich verwundert, als ein ,,Ja?" zu hören war.

,,Ähm... Ich wollte fragen wann und wo wir uns treffen" , fragte die türkise mit einer leicht zittrigen Stimme.

,,Puuuuh... Ich hole dich am Hauptbahnhof in Tokio ab. Wann ist mir eigentlich egal. Bist du schon fertig?", sagte die Stimme der Androgynen.

,,Ja, ich bin soweit fertig."

,,Dann kannst du ja den nächsten Bus oder Zug nehmen. Und du schreibst mir, wenn du bald da bist. In Ordnung?", schlug Haruka vor.

,,Okay, machen wir so."
 

Es war so voll, wie jeden Samstag. Typisch.

Michiru überlegte tatsächlich immer wieder, nicht einzusteigen. Sie wollte keinen berühren. Niemanden.

Vor ihr blieb der Zug stehen, in den sie einsteigen musste. Die Tür hielt genau vor ihr. Dadurch kamen Leute, die ebenfalls einsteigen wollten, ihr immer und immer näher.

Ihr Herz raste und es fühlte sich so an, als würde etwas ihren Hals zuschnüren - Sie bekam kaum noch Luft. Dadurch gefiel sie eine Panik, wodurch ihr heiß wurde.

»Oh Gott. Ich will weg hier!«

Aber dann kam es ihr wieder in den Sinn, dass etwas mit Haruka ausgemacht war. Sie musste einsteigen, aber es ging einfach nicht. Michiru konnte trotz der Lautstärke ihren Herzschlag hören.

Mittlerweile waren die fremden Menschen ihr noch näher gekommen, aber sie stand wie angewurzelt da. Einige Passagiere stiegen aus und kamen mir entgegen. Wahrscheinlich gingen sie davon aus, dass sie zur Seite ging, aber sie blieb stehen, bis jemand sie rammte.

Da war es komplett vorbei.

Der junge Mann stoß so sehr gegen sie, dass sie zu Boden fiel. Aber anstatt zu helfen, ging er weiter. Keiner half ihr. Hilfe hätte sie auch nicht angenommen. Sie war nicht mehr in der Lage aufzustehen.

»Hilfe..«
 

Sie hat keine Ahnung wie lange sie dort saß, aber dazu war schon lange weggefahren. Es waren sogar noch zwei weitere gekommen.

Der Künstlerin tat es fürchterlich leid, dass sie Haruka warten ließ.

~Es tut mir leid~, schrieb Sie.

~Was ist los, Mausi?~,  kam es zurück.

~Kannst du mich kurz anrufen?~

~ Klar. ~

Kurz darauf kam der Anruf.

,,Was ist los? Ist irgendetwas passiert?"

,,Es tut mir so leid, aber ich konnte einfach nicht in den Zug einsteigen...", sagte sie und dabei kamen ihr die Tränen.

,,Das ist doch nicht schlimm, Michiru! Bist du wieder zu Hause?"

,,Nein, ich bin noch am Bahnhof."

,,Dann geh bitte heim."

,,Aber ich will doch mit dir ein Eis essen gehen!"

Kurz blieb es still.

,,Wirklich?", fragte die Blonde noch mal nach.

,,Ja..."

,,Dann hole ich dich ab. Lauf' der Weile wieder nach Hause und ich hole dich dort ab."
 

Haruka nahm ihr das nicht übel.

Und sie fuhr gern so eine lange Strecke zu ihr. Allerdings dauerte die Fahrt mehr als zwei Stunden, da etwas Stau war.

Aber irgendwann war sie angekommen. Anstatt an der  Haustür zu klingeln, da ihr Vater nicht unbedingt aufwachen sollte, schrieb sie ihr eine Nachricht:

~Bin da <3~

Kurz darauf kam der türkishaarige Engel aus dem alten Haus. Sie trug ein Kleid, was ihrer Figur wunderbar schmeichelte. Darin wirkte sie ganz anders wie in der Schuluniform. Unbewusst schlich sich ein Lächeln auf die Lippen der Pianistin. Sie bemerkte es erst, als ihre Mundwinkel zu zucken begann. Schnell versuchte sie ihre gute Laune runter zu spielen.

Als Michiru an ihrem Sportwagen angekommen war, stieg sie aus.

,,Hey...", sagte die Blonde aufgeregt,

,,Du siehst wunderschön aus."

Neugierig beobachtete sie die Reaktion ihres Gegenübers.

Diese errötete ein wenig und sah verlegen auf dem Boden.

,,Danke."

,,Wie geht es Dir?" , fragte Haruka danach.

,,Ganz gut. Nur die Sachen mit dem Bahnhof muss ich erstmal verarbeiten."

Auf der Fahrt erzählte die Türkise, dass sie heute Morgen mit ihrem Vater gefrühstückt hatte. Auch Haruka war davon ziemlich überrascht.
 

Nach Tokyo fuhren sie nicht ganz, da Haruka keine Lust mehr zum Fahren hatte. Immerhin musste sie noch ein bisschen heute fahren.

Auf dem Parkplatz eines kleinen Cafés kam das Auto dann zum Stehen. Das Café gehörte einem älteren Ehepaar, welche die Blonde durch einen zufälligen Besuch kennenlernen durfte.

,,Keine Angst. Hier sind selten Gäste. Wir sind wahrscheinlich sogar die einzigen", lächelte die Pianistin freundlich.

,,Alles gut", erwiderte das Mädchen.

Tatsächlich war da so gut wie keiner. Ein Mädchen, was er ein Teenager war, kaufte sich zwar etwas, ging allerdings danach wieder. Also waren sie wirklich allein.

Der Raum war relativ klein. Vier kleine Tische waren für die Kunden gedacht und da war dann noch eine weitere Tür, welche wahrscheinlich zur Küche führte. Es war ein schönes kleines Café, was aber sicherlich nicht viel Kunden hatte.

Die beiden waren keine Sekunde eingetreten, da kam schon eine ältere Frau aus der Tür geschossen.

,,Schönen guten Tag. Setzen Sie sich doch bitte", lächelte die alte Frau ganz freundlich.

Angestrengt blickte sie durch die kleinen Gläser ihrer Brille.

,,Ach! Herr Tenoh, wenn ich mich recht erinnere! Sie waren ja lange nicht mehr da!", rief sie plötzlich.

,,Ja, ich hatte wenig Zeit. Aber es wird in Zukunft mehr" , war die Antwort der Blonden.

,,Wegen der Arbeit? Du warst Bäcker, oder?"

,,Nein, ich gehe noch zur Schule. Sie haben mich sicherlich mit jemand anderen verwechselt", sagte Haruka.

Michiru schwieg.

Es war eindeutig, dass die Frau sich an einiges nicht mehr erinnern konnte. Die Alte bat ihnen erneut einen Platz an, deswegen setzten sie sich schnell.

,,Kann sie sich nicht erinnern?", flüsterte Michiru, nachdem die Frau wieder hinter der Tür verschwunden war.

Wahrscheinlich holte sie die Karten.

,,Ja, sie vergisst sehr viel", meinte Haruka nachdenklich,

,,Ich denke, das ist das Alter."

,,Kann sie da überhaupt noch arbeiten, wenn sie so viel vergisst?", wollte Michiru wissen,

,,Nicht, dass sie sich mal verletzt oder so."

,,Ich glaube nicht, dass das passieren wird. Aber solange sie noch Spaß daran hat und nichts schlimmes passiert, finde ich es okay, dass sie noch arbeitet."

Weiter kamen sie nicht, da die Frau wiederkam. Mit den Karten.

,,Bitte", kam es nur, aber irgendwie wirkte sie verwirrt.

Haruka ging darauf nicht ein und nahm die Karten dankend entgegen.
 

Nach einer ganzen Weile war bestellt, allerdings hatten sie das bei dem ihr Mann der Frau gemacht. Michiru sprach nicht gerade viel, aber sie genoss die Zeit mit ihrer Schulkameradin.

Nach dem Eis essen liefen sie noch ein bisschen im Ort herum. Es war nicht so viel los, deswegen waren sie eigentlich fast ungestört. Haruka wollte eigentlich einige Fragen stellen, die sie gerne von der Künstlerin wissen wollte, aber diese Fragen schob sie erstmal beiseite.

,,Wie fandest du den heutigen Tag?", fragte die Blonde.

,,Es war sehr schön", kam gleich darauf die Antwort.
 

Am Abend fuhr die Pianisten sie natürlich wieder nach Hause. Michiru war aber so kaputt von dem heutigen Tag, dass sie auf der Heimfahrt einschlief.

Als die Fahrerin an der Ampel stehend für einen Moment zu Seite sah,  bemerkte sie das schlafende Mädchen neben sich. Ihre Brust bewegte sich gleichmäßig auf und ab. Die geschlossenen Augen und der leicht geöffnete Mund brannten sich in ihr Gehirn.

»Diese Lippen...«, schoss es ihr durch den Kopf.

Sie starrte sie an, konnte nicht mehr wegsehen. Eine wunderschöne Stupsnase zierte ihr wundervolles Gesicht. Auch die leicht rosigen Wangen viel ihr ins Auge.

» Ich will sie be-«

In der gleichen Sekunde erklang das Hupen eines Autos. Sofort gab sie Gas - ihr war gar nicht aufgefallen, dass es grün geworden war.
 

Eine Enttäuschung breitete sich in ihr aus, als sie bei Michiru daheim ankam. Da sie noch nicht so schnell von ihr weg wollte, holte sie die Türkise nicht gleich aus dem Schlaf. Stattdessen starrte  sie wieder das engelsgleiche Wesen an.

Die Lippen waren immer noch leicht geöffnet und noch im gleichen Moment drang der Gedanke, sie zu küssen, in ihr hervor.

» Nein, das kann ich nicht machen! «

Haruka war ja im Wissen, dass sie ihre Gefühle nicht erwiderte. Dazu kam, dass die Blonde auch gar nicht wusste, ob das ungeahnte Folgen haben würde. Es war eindeutig, dass sie nicht mehr die Angst wie vor anderen Menschen hatte, aber einen Kuss war dann doch relativ intim. Das konnte sie nicht machen.

Noch eine ganze Weile musterte sie die Künstlerin, bis ein Murmeln sie aus ihren Gedanken holte.

War sie selber das gewesen?

Aus Angst, Michiru geweckt zu haben, sah sie zu ihr - ihre Augen waren geöffnet.

,,Wo- wo sind wir?", murmelte das Mädchen noch recht verschlafen.

,,Noch in meinem Auto", antwortet die Blonde.

Ein Blick aus dem Fenster verrät der Geigerin, dass sie vor ihrem Haus standen.

,,Schade", kam es von ihr.

,,Ich fand es wirklich schön heute. Wir können das gerne wiederholen. Aber dann hole ich dich gleich von daheim ab", zwinkerte Haruka.

,,In Ordnung. Und danke nochmal. Ich habe den Tag sehr genossen."

Beide sahen aneinander an. Die Pianistin überlegte, ob sie sie umarmen sollte, während Michiru fieberhaft überlegte, wie sie noch länger bei ihr bleiben könnte.

,,Also dann... Wir sehen uns am Montag. Aber du kannst dich jederzeit melden."

Michiru merkte, dass es sich nicht mehr weiter rauszögern ließ, also musste sie sich verabschieden, obwohl es nicht ganz freiwillig war. Von ganz alleine beugte sie sich zu Haruka herüber, um diese zu umarmen. Sie war innig und irgendwie auch ein bisschen kribbeln. Es dauerte sehr lange und es fühlte sich so an, als wäre die Zeit angehalten. Haruka getraute sich kaum zu atmen. Ihre Arme umschlagen das Mädchen regelrecht. Sie umarmte sie so, als wäre es die letzte Umarmung,

,,Also dann..."
 

Die Gedanken kreisten immernoch um den heutigen Tag. Auf ihren Lippen lag durchgängig ein Lächeln, was einfach nicht weggehen wollte. Irgendwas war nun aber anders, nur was? Nach dem heute war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob das nur Freundschaft von ihrer Seite war.

Mit einem Seufzen und der Violine in der Hand stellte sie sich vor ihren Schreibtisch. Die Türkishaarige hatte sich vorgenommen ein Lied zu komponieren. Allerdings waren ihre Gedanken mehr bei Haruka, als bei den Noten. Aber dann fing sie doch an.

Das Resultat war eher ein Lied für Haruka geworden, was nicht ganz ungewollt war.
 

,,Es war es schön heute. Am liebsten hätte ich sie gar nicht gehen lassen", lachte Haruka in das Mikrofon Ihres Handys.

,,Das freut mich. Also war es doch eine gute Idee von mir gewesen", erwiderte die grünhaarige Schülerin.

,,Ja, war es, Setsuna."

Es herrschte ein paar Sekunden Stille.

,,Oh Mist. Es ist schon so spät! Tut mir echt leid, aber ich muss auflegen. Wir schreiben morgen."

Haruka war gar nicht in der Lage zu antworten, da sofort aufgelegt wurde.

Lächelnd legte sie dann auch das Handy beiseite.

Die gute Laune wollte einfach nicht vorbeigehen. Die Gedanken hangen bei einer ganz bestimmten Person.
 

Als es Abend wurde, hielt Haruka es nicht mehr aus. Ihre Hand griff fast automatisch nach Ihrem Smartphone. Ohne auf den Bildschirm zu sehen, gab sie den PIN ein und ging auf den Chat mit Michiru.

~Hey... Was machst du so? ~

Da die Künstlerin bereits online war, wurde die Nachricht sofort gelesen.

~ Hat da jemand Sehnsucht?:] ~

~Mein bisschen...~

Ich habe gerade Violine gespielt :) ~

~ Okay, ist was Gutes rausgekommen?~

~ Ja XD~

~ Jetzt bin ich aber neugierig!~

~Hmm.... ~, schrieb die Türkishaarige, danach ging sie offline.

Ihr Geständnis

Sonntag. Diesen Tag verbrachte sie immer bei sich im Zimmer, genau wie der Samstag. Der vergangene Tag war eine Ausnahme gewesen, aber sonst hatte sie nie einen Grund für das Verlassen des Zimmers, abgesehen von der Schule und dem Kochen. Einkaufen war nicht nötig, da sie dies eher über der Woche erledigte.

Heute braucht sie die Zeit und etwas Ruhe für sich, denn da war etwas, was was ich komisch anfühlte. Eigentlich ging es ihr bereits gestern Abend so, aber heute war es noch schlimmer. Fieberhaft überlegte sie schon nach dem Aufwachen was der Grund sein sollte.

Nachdem sie immernoch nicht den Grund ihres Befinden fand, erhob sie sich und verließ das Bett. Schweigend stand sie vor dem stoffverhangen Fenster, als ihr ein Lichtlein aufging. Wegen des Schocks wanderte ihre Hand zu ihrem Mund.

»Aber... Es kann nicht sein!«

Ihr war klar, dass Haruka Gefühle für sie hatte, aber was war mit ihr selber? Was empfand SIE gegenüber der blonden Schülerin? Jetzt war es eigentlich recht eindeutig.
 

Den ganzen Tag machte sie sich Gedanken darüber wie sie es Haruka erzählen sollte. Oder sollte sie die Gefühle eher für sich behalten? Sie war sich nicht ganz sicher, aber letztendlich beschloss sie, es ihr zu erzählen. Da am kommenden Tag aber Schule anstand, wollte sie das erst danach erzählen.

Ein wohliges Kribbeln machte sich in der Magengegend der Türkishaarigen breit. Es war ein ungewohntes Gefühl, aber irgendwie auch angenehm.
 

Haruka schlief bis in die Mittagszeit hinein, da sie am vergangenen Abend einfach nicht zur Ruhe gekommen war. Die Aufregung hielt bis tief in der Nacht an.

Als sie dann aufwachte und sich die Uhrzeit ausmalen konnte, griff sie sofort zu ihrem Handy:  2 Nachrichten von Michiru. Ein Lächeln bildete sich auf den Lippen der Pianistin und für einen kurzen Moment schloss sie genießend ihre Augen.

»Ich vermisse sie... Ich wünschte, ich könnte sie heute auch sehen. «

Erst danach las sie das Geschriebene von Michiru.~Guten Morgen. ;*~

~Bist du schon wach?

Ich fand es gestern echt schön ;D~

Da die Künstlerin sicher schon auf eine Nachricht von ihr wartete, schrieb sie auch sofort zurück.

~Guten Morgen, mein süßer Engel. Wie hast du geschlafen?~

Danach ging sie in die Küche, um sich etwas zu Essen zu machen und natürlich nahm sie das Handy mit.

Gerade als der Kaffee fertig wurde, kam ein Anruf bei ihr rein.

,,Naaaa", grinste die Blonde in sich hinein.

,,Guten Morgen", ertönte die Stimme der Türkisen,

,,Wie war die Nacht?"

,,Es ging. Bin aber wo erst nach Mitternacht eingeschlafen", kam es leicht lachend von Haruka.

,,Oh, darf ich fragen wieso?"

,,Natürlich darfst du Fragen. Es gab da jemanden, der mir einfach nicht aus dem Kopf ging."

Auf ihren Lippen lag ein doch recht trauriges Lächeln, da sie wohl nie Chance bei der wunderschönen Künstlerin haben wird. Die Erkenntnis war soeben ihr wieder in den Sinn gekommen.

Ein lautloses Seufzen entfloh ihr, aber davon bekam Michiru nichts mit.

,,Oh, okay. Ich hoffe du konntest trotzdem gut schlafen", holte ihre Stimme Haruka wieder ins Hier und Jetzt.

,,Ach... Klar. Ich kann immer schlafen."

Sie redeten noch eine ganze Stunde, eh Haruka dann erstmal aufhören musste, da sie noch Sport treiben wollte.
 

Den Rest des Tages machte Michiru sich Gedanken, wie sie Haruka von ihren Gefühlen erzählen konnte. Letztendlich entschied sie sich mit der Sportlerin nach der Schule noch etwas zu unternehmen. Nur was wusste sie nicht.
 

Es war schnell Morgen.

Zwar war es draußen noch stockdunkel, aber für Michiru war nun Aufstehzeit. Eine Stunde Schlaf hätte sie auf jeden Fall auch noch vertragen.

Das Aufstehen fiel ihr nicht gerade leicht und als sie dann noch das Licht einschaltete, wurde es noch schlimmer. Wegen der Helligkeit zogen sich fast automatisch ihre Augen zu sammeln.

»Oh Gott. Wann bin ich gestern bitte eingeschlafen?!«

Die Künstlerin wusste nur noch, dass sie sich wohl bis in die Nacht Gedanken gemacht hatte.

» Das wird wohl der Grund sein... «

Mühevoll schleppte sie sich an ihren Tisch, wo sie sich erstmal schminkte.

Nach ungefähr einer Stunde verließ sie fertig das Haus. Ihren Vater hatte sie zwar gesehen - allerdings schnarchend vor dem Fernseher mit einer Flasche Wodka in der Hand. Anscheinend hatte sie sich da ganz umsonst Hoffnungen gemacht.
 

Der Schultag wollte einfach nicht zu Ende gehen. Die Zeit verging total langsam und eigentlich machte sie sich sogar Gedanken über Dinge, die sie sonst nie interessierten.

Aber irgendwann war die Zeit dann doch vorüber gegangen.

Mit einer recht guten Laune lief sie über den Schulhof und machte sich währenddessen keine Gedanken, dass jemand sie berühren könnte. Stattdessen hatte sie die ganze Zeit eine ganz bestimmte Person im Kopf.
 

Langsam drängte sich das nervige Dröhnen in Haruka Bewusstsein, aber sie wusste nicht genau was es war. Da sie aber das Geräusch loswerden wollte, um weiterschlafen zu können, musste sie kurz ihre Augen zum Nachschauen öffnen.

Es war ihr Wecker.

»Oh shit«

Sofort sprang sie aus dem Bett und rannte ins Bad. Das Zähneputzen dauerte keine 30 Sekunden und das Frischmachen ließ sie gleich komplett aus. Eine Minute später hatte sie schon die Uniform an und den Motorradhelm in der Hand. Kurz bevor sie aus der Tür verschwand, griff sie noch nach einem zweiten Helm.

Während sie die Treppe hinunter sprintete, nahm sie noch eine Sprachnachricht für Michiru auf.

,,Guten Morgen, Ich habe verschlafen. Wir sehen uns in der zweiten Pause, Ciao."

Mit einem Affenzahn sauste sie durch die Straßen, aber eigentlich musste sie sich gar nicht mehr beeilen, da der Unterricht eh schon begonnen hatte. Das Konzentrieren auf die Straße fiel ihr ziemlich schwer.

»Wie konnte ich auch den Wecker

überhören?!«, dachte sie ziemlich genervt.

Nach einigen Minuten bog sie dann auf dem Schulparkplatz ein und zu ihrem Glück war kein Parkplatz mehr frei.
 

Michiru machte sich ziemlich Sorgen, auch wenn eigentlich klar war, dass alles in Ordnung mit Haruka war. Allerdings hatte die Blonde ihr nicht geantwortet, obwohl sie schon wach sein sollte.

» Wahrscheinlich hat sie einfach nur verpennt«, dachte sich und ein amüsiertes Lächeln bildete sich auf ihren Lippen.

,,Kaioh? Was gibt es denn da zu lachen?", rief ihr Geschichtslehrer mit einer strengen Stimme.

,,Was? Nichts. Ich war in Gedanken... Also...", begann die Türkishaarige erschrocken zu stottern.

Ihr war klar, dass sie in dem Moment vor der ganzen Klasse angestarrt wurde und diese Tatsache war ihr sehr unangenehm.

Heute morgen ging es mal mit der Angst. Zum ersten Mal seit langem konnte sie sich ablenken und musste nicht an das denken, was sie so fürchtete. Aber nun? Die Angst wurde wieder Präsenz.

,,Na dann kannst du mir doch sicher wieder geben, was ich gerade eben gesagt habe."

War ja klar, dass so etwas kommen würde.

,,Ich... habe nicht zugehört", gestand sie ehrlich.

Hinter sich hörte sie es lachen und tuscheln, als hätten sie nichts besseres zu tun.

,,Na dann ist ja eine 6 eine großzügige Note für deine Leistung, oder?", sagte der Mann.

Die Künstlerin starrte den Schülerpult vor sich an. Sie wagte es nicht mal irgendeine Regung von sich zu geben.

,,Kaioh? Was meinst du?"

Anscheinend wollte er von ihr unbedingt eine Antwort haben. Aber warum? Was brachte ihm eine Zustimmung der Schülerin? - Gar nichts. Denn er würde sie ihr so oder so geben.

,,Wenn Sie der Meinung sind mir eine 6 zu geben, weil ich für ein paar Sekunden in Gedanken war, dann machen Sie das doch. Wenn sie sich dadurch besser fühlen", sprach sie und erst danach wurde ihr klar, was sie da gesagt hatte.

» Oh Mist...«

,,Ab zum Direktor!"
 

Die Stunde wollte einfach nicht vergehen, obwohl die Pianistin schon später angekommen war. Dass sie Michiru heute Morgen nicht gesehen hatte, bereitete ihr etwas schlechte Laune.

Japanisch war absolutes Hass - fach. Und die Tatsache, dass sie genau dieses Fach gerade hatte, nervte sie total. Obwohl sie sich eigentlich konzentrieren sollte, hängen ihre Gedanken  bei Michiru. Sie stellte sich vor, wie es wäre, wenn sie Michiru vorgestern geküsst hätte, aber wahrscheinlich wird das nie passieren. Auf keinen Fall wollte sie mit ihren Gefühlen diese Freundschaft zerstören. Das wollte sie nicht in Kauf nehmen. Aber da ja niemand ihre Gedanken mitbekam, können sie sich dieses ruhig vorstellen. Als ihre Mitte anfing zu pochen bei diesem Kopfkino, wurden ihre Wangen sofort rot.

» Sowas darfst du nicht denken, Haruka!«

Ewig lange arbeitete die Klasse an einer einzigen Aufgabe, aber Haruka hatte nicht mal angefangen. Konzentrieren ging in diesem Moment einfach nicht.

Komplett hin und weg von diesem Kopfkino sah sie ganz kurz zu der Uhr, die über der elektrischen Tafel hin.

»Noch 17 Minuten und 23 Sekunden. Bald ist Pause!«, ermutigte sie sich.

,,So... Noch 15 Minuten dann sammle ich die Aufgabe von jedem ein", gab der Lehrer preis.

Die ehemalige Rennfahrerin hatte zwar verstanden was er gesagt hatte, aber sie begann trotzdem nicht mit Aufgabe.

Die letzten Minuten vergingen relativ schnell und als die Zettel dann eingesammelt wurden, gab die Blonde ein unbeschriebenes Blatt ab.
 

Ein Seufzen verließ die Lippen der türkishaarigen Schülerin. Wäre ihre Mathematiklehrerin nicht, hätte sie wohl eine Strafe bekommen. Aber dank Frau Sato, die sie verteidigt hatte, kam sie ohne davon.

Als sie dann realisierte, dass Pause war und sie Haruka gleich sehen würde, wurde sie ganz aufgeregt. Aber bevor sie sich auf den Hof begeben konnte, musste sie erst zurück ins Klassenzimmer.

»Hoffentlich ist Haruka überhaupt da!«

Ganz langsam trat sie in den Gang und da bemerkte sie auch, welche Massen an Schülern sich gerade um sie herum befanden. Sofort versteifte sich ihr ganzer Körper. Ihr Hals schnürrte sich wie zu, wodurch sie kaum noch Luft bekam. Das einzige, was ihr in diesem Moment durch den Kopf ging, war, dass sie da weg musste. Allerdings konnte sie sich nicht bewegen. Ängstlich sah sie in die Massen.

»Hilfe...«
 

Als sie Michiru zitternd vor der Tür des Sekretariat erblickte, legte sie den Armen um diese, zerrte sie mit leichten Druck in eine Ecke. Damit die Künstlerin um sich herum nichts mehr sah, umarmte sie sie.

,,Alles gut. Es wird alles gut", sagte die Blonde mit einer beruhigenden Stimme.

Abwartend sah sie in das Gesicht Michirus, die aber noch einen Moment benötigte. Mit einem zitternden Körper sah das junge Mädchen nach oben in Harukas Augen. Beiden schlug in der nächsten Sekunde das Herz bis in den Hals.

» Nicht küssen, Haruka!«

,,Wo sind wir?", murmelte die ängstlichen Stimme.

,,In Sicherheit", lächelte Haruka und gab ihr einen kurzen sanften Kuss auf die Stirn.

Das eigentlich alle sie ansahen, bemerkte Michiru gar nicht, da sie nur Augen für Haruka hatte. Diese wusste zwar, dass sie jeder an anstarrte, ließ sich allerdings nichts anmerken.

,,Haruka?", sagte Michiru leise.

,,Ja?"

,,Ich liebe dich."

Es war ganz leise gesagt, aber die Pianistin hatte es ganz genau verstanden. Erst glaubte sie sich verhört zu haben, aber das war kein Irrtum. Nach diesen Geständnis schlug ihr Herz sogar noch mehr. Und natürlich macht er es sie überglücklich.

,,Wirklich?"

,,Ich liebe dich, Haruka."

Mit einem glücklichen Lächeln schloss die Blonde sie noch fester in ihre Arme.

,,Ich liebe dich auch, Michiru", flüsterte sie.
 

Die ganze Pause standen sie so da und irgendwann waren sie vollkommen alleine in dem Gang.

,,Ich bringe dich ins Zimmer, okay?", ertönte Haruka Stimme.

,,Warum jetzt schon?"

Michiru erhob ihren Kopf.

,,Weil es in 5 minuten klingelt", grinste Haruka.

,,Schon?"

Verwundert drehte die Kleinere sich um ihre eigene Achse, bis sie die Uhr sah.

,,Stimmt."

Der Abschied fiel beiden schwer, aber Haruka versprach, sie später noch heim zu fahren.

,,Also dann, mein Engelchen. Ich hole Dich dann hier ab, in Ordnung?", lächelte sie.

,,Danke..."

»Sie hat mich Engelchen genannt!<

Mit einem Lächeln ging sie an ihren Platz. Erst als sie sich gesetzt hatte und noch mal zur Tür sah, ging Haruka, nachdem sie ihr noch mal gewunken hatte.

Heimfahrt

Nach dem Klingeln, welches sämtliche Schüler von ihren Leiden befreite, war auch für Haruka eine Erlösung. Während der Stunde war sie dreimal auf der Toilette gewesen, aber dadurch ging die Zeit auch nicht schneller vorbei. Sie wollte unbedingt zu Michiru, aber mitten in der Stunde war das kaum möglich. Und die Hoffnung, dass Michiru auch auf die Toilette ging, wurde sich auch nicht wahr. Aber immerhin hatten sie im selben Gang Unterricht.

Dementsprechend war die Blonde froh über die Erlösung. In binnen von Sekunden hatte sie die Schulsachen eingepackt und war aus dem Zimmer gesprintet. Als sie dann vor der Tür angekommen war, öffnete sie leise die Tür. Die Schüler waren gerade am Zusammenpacken und einige Sekunden danach stürmten sie aus dem Raum. Schon nach einigen Sekunden war der Raum so gut wie leer. Nur noch der Lehrer und Michiru befanden sich noch drin. Als Haruka sie erblickte, bildete sich fast automatisch ein Lächeln auf ihren Lippen. Da ja so gut wie keiner mehr drin war, ging Haruka einfach hinein.

,,Und? Hast du mich vermisst?", grinste sie.

,,Haruka! Nicht so laut", flüsterte sie.

Die Blonde lachte.

,,Nur keine Scheu. Wie war der Unterricht?", sagte Haruka und sah zu, wie Michiru die Bücher und Hefte in ihre Tasche verstaute.

,,Es war in Ordnung. Heute haben sie mich nicht geärgert."

,,Oder du warst so in Gedanken, dass du es nicht bemerkt hast", kam es von Haruka grinsend.

,,Was? Nein, das stimmt gar nicht!"

Auf ihren Wagen hatte sich ein leichter Rotschimmer gebildet und dadurch sah sie beschämt auf dem Boden. Haruka bemerkte dies sofort, deswegen wollte sie sofort die Situation lockern.

,,Also... Mir ging es so, wenn ich ehrlich bin. Deshalb habe ich mich auch so beeilt. Ich wollte so schnell wie möglich zu dir", gestand die Blonde offen und ehrlich.

Michiru konnte ein Lächeln nicht zurückhalten. Tatsächlich machte die ältere Schülerinnen ihr oft klar, dass sie gerne bei ihr war und das erfreute die Künstlerin natürlich.

,,Danke..."

Nachdem Zusammenpacken ihrer Schulsachen wollte sie ihre Schultasche hochheben, aber dabei vergaß sie, dass sie heute ganz schön schwer war, da Michiru heute noch nach der Schule etwas umtauschen wollte.

,,Gib mir deine Tasche. Ich trage sie", gehlt die Pianistin ihr die Hand hin.

,,Nein, nein. Ich trage sie schon", meinte Michiru dann.

,,Doch ich will aber."

Endlich hatte die Türkishaarige ihr die Tasche zum Tragen gegeben, da Haruka nicht nachgeben wollte.

Danach gingen sie noch zu den Spinden.

Einige Schüler sahen den beiden hinterher, da es in der ganzen Schule bekannt war, das Michiru eher ein Einzelgänger war. Aber Michiru bekam davon nichts mit, da sie in das Gespräch mit Haruka konzentriert war. Diese sprach absichtlich ununterbrochen mit ihr, da sie somit Michiru von den ganzen Schülern ablenken konnte und das klappte außerordentlich gut.

Nachdem die beiden das Schulgebäude verlassen hatten, getraut Haruka sich zu fragen.

,,Du... Ich bin heute mit dem Motorrad hier. Würdest du trotzdem mitfahren?"

,,Ist es nicht ein wenig gefährlich zu zweit?", erwiderte das Mädchen.

,,Eigentlich nicht. Aber du musst nicht."

,,Doch, ich würde gerne mitfahren", meinte sie dann.

,,Gut."

Vor dem Motorrad angekommen war Michiru doch ein wenig ängstlich, doch als sie den Helm auf hatte, legte sich das ein wenig wieder.

,,Ich müsste noch mal was umtauschen. Könntest du mich dahin fahren?"

Mithilfe des Handys zeigte Michiru ihr die Adresse.

,,Gut, machen wir."

Haruka stieg als Erste auf die Maschine. Die Künstlerin hatte schon ein wenig Respekt vor diesem Fahrzeug und wusste nicht wirklich wie sie aufsteigen sollte.

,,Einfach hinter mich setzen. Keine Angst."

Ganz langsam und vorsichtig setzte sie sich hinter die Blonde. Aber danach kam gleich das nächste Problem - Wo sollte sie sich festhalten? In Filmen hatte sie gesehen, dass man sich am Fahrer festhielt, aber konnte sie sich das überhaupt erlaubt?

,,Leg deine Arme um meinen Bauch und halte dich an mir fest", bestätigte sie ihre Vermutung.

Michiru zögerte.

Sollte sie wirklich?

,,Hast du Angst?", fragte Haruka und drehte sich besorgt etwas zu ihr.

,,Nein, aber nicht, dass ich dich bedränge...", murmelte sie unsicher.

,,Machst du nicht. Sonst hätte ich dich an der Pause nicht umarmt. Mach dir bitte nicht so viel Gedanken." Die androgyne Schülerin sprach in einer ruhigen Stimme, die Michiru ungemein beruhigte.

,,O- Okay."

Schüchtern musterte sie das Motorrad.

Haruka saß breitbeinig darauf, worüber Mädchen sich aber nicht viel Gedanken machte.

Sicherlich kannte Haruka jedes einzelne Teil, aus dem das Motorrad bestand, aber Michiru kannte nur Lenker, Sitz und Räder. Es gab keine Sicherung, die einem vor dem Herunterfallen bewahrte. Keine Gurte oder so etwas in der Art - gar nichts.

,,Aber... Was will ich herunterfalle?"

,,Wenn du dich gut festhälst, passiert nichts. Den Rest erledige ich", lächelte sie.

Haruka bemerkte, dass sie sich trotzdem leicht unwohl fühlte.

,,Okay. Wir machen es anders. Steig bitte noch mal ab."

Das ist sich so anstellte, war der Künstlerin ziemlich unangenehm und peinlich. Als sie runtersteigen wollte, fiel sie sogar fast noch hin. Ab diesem Moment drängten sich Tränen in ihre Augen, da sie Angst hatte, Haruka würde nun anders von ihr denken.

,,Mach bitte vorsichtig, nicht dass du dir noch weh tust", lächelte sie.

Sie bekam aber nicht mehr als ein Nicken zustande.

Und dann stieg Haruka auch noch ab.

,,Steig bitte als erstes auf und ich setze mich hinter dic", sagte sie.

Es wirkte in keinster Weise so als sei sie irgendwie genervt, was die Türkise etwas beruhigte. Sie tat wie ihr geheißen und ein Glück half die Pianistin beim Aufsteigen. Danach stieg sie auch auf.

,,Lehn dich einfach nur gegen mich. Du brauchst wirklich keine Angst haben."

Michiru fühlte sich wohl in den Armen der Pianistin und die Angst war wie verflogen. Eine angenehme Sicherheit machte sich in der breit und auch wo die Fahrt losging, blieb sie vollkommen ruhig. Allerdings war die Ruhe nur äußerlich, den innerlich schlug ihr Herz ihr bis in den Hals. Ab und zu versuchte die Künstlerin sie anzusehen, aber Haruka bemerkte die Blicke nicht, da sie sich auf den Straßenverkehr konzentrieren musste.

»Ich habe es ihr tatsächlich gesagt!«, wurde ihr klar.

Ein glückliches Lächeln schmiegte sich auf ihre Lippen.

»Ich... Liebe sie... Und sie mich auch. Sind wir jetzt zusammen? Sind wir ein Paar?«

Der Gedanke an eine Beziehung brachte sie zum Grinsen.
 

Nach einer guten Stunde hielt Haruka an dem Laden, wo Michiru wie ausgemacht noch hinmusste. Es war ein Elektronikladen, wo Michiru wahrscheinlich irgendwas umtauschen musste. Was es war, wusste Haruka allerdings nicht. Sie ließ die Künstlerin aber allein hineingehen, auch wenn sie Angst hatte, da Michiru selbst imstande sein musste, in einen Laden zu gehen. Außerdem hatte Haruka in diesem Moment zu wenig Kraft. Während der Fahrt war ihr schon das Konzentrieren schwergefallen. Denn bei ungefähr die Hälfte der Fahrt war die Blonde dazu gezwungen ein wenig stärker zu bremsen. Da Michiru wohl danach wieder etwas ängstlicher geworden war, hatte sie sich stärker an ihr festgehalten. Haruka empfand das natürlich nicht als schlimm, aber wo sie sich festgehalten hatte war nicht sonderlich hilfreich gewesen. Es waren zwar nur ihre Oberschenkel gewesen, aber ihre Mitte pochte sogar jetzt noch.

» Haruka, komm runter. Sie hat sich bloß festgehalten!«
 

Während Michiru den Laden verlassen wollte, empfing sie einen Anruf. Es war ihre Mathelehrerin Frau Sato. Natürlich ging sie sofort ran.

,,Ja?"

,,Guten Tag. Ich wollte nur fragen wie es dir geht, weil ich dich heute auf dem Hof gar nicht gesehen habe" , sagte sie.

,,Nein, mir geht es sogar ausgezeichnet!", erwiderte die Geigerin.

,,Oh. Das hört sich aber gut an."

,, Stellen Sie sich vor! Ich habe Haruka meine Gefühle gestanden!"

Sie erzählte auch, dass es keine einseitige Liebe ist. Als sie aber bei Haruka ankam, beendete Sie das Gespräch wieder.

,,Darf ich fragen wer das war?", kam es etwas leise von der Blonden.

,,Klar. Das war Frau Sato. Sie fragt manchmal wie es mir geht."

,,Ah ok. Das finde ich aber echt freundlich von ihr."

,,Ja, sie hat mir echt viel geholfen, aber jetzt..."

Erst nachdem sie gesprochen hatte, wurde ihr da erst bewusst. Das wollte sie doch nicht ernsthaft sagen, oder?

,,Was ist jetzt?", fragte Haruka ganz neugierig.

,,Jetzt habe ich ja dich..."

,,Hast du. Auf mich kannst du dich verlassen. Ich würde selbst nachts 3 Uhr zu dir fahren, wenn was ist", sprach Haruka mit einem ernsten Ton.

,,Meinst du das ernst?"

,,Ja, meine ich. Wenn du bereit dazu bist, bei anderen Menschen zu schlafen... Meine Tür ist immer für dich offen."

,,Habe vielen Dank", murmelte Michiru und sah schüchtern zu Boden.

,,Michiru... Dafür brauchst du dich nicht bedanken", lachte Haruka.
 

Der Rest der Fahrt verlief genauso wie der Anfang. Haruka ging es aber nun besser, da ihre Hände sich dieses Mal nicht fast in ihrem Schritt befanden.

Als sie dann bei Mädchen gut daheim angekommen war, war die Enttäuschung bei beiden groß. Bevor Haruka abstieg, brachte sie die ziemlich warm gewordene Maschine erstmals zum Schweigen. Dann nahm sie sich und Michiru den Helm ab und half ihr noch runter.

,,Ich vermisse dich jetzt schon", murmelte Michiru und umarmte sie.

Die Tränen liefen bereits über ihre Wangen. Das Zittern entging der Pianistin natürlich nicht, deswegen legte sie die Arme um sie.

,,Wir sehen uns doch morgen", sprach die Blonde auch ein wenig traurig.

Allerdings war es keine lange Zeit, die sie sich nicht sehen können.

,,Wenn du magst dann schreiben oder telefonieren wir später noch. Ich muss dann bloß noch einkaufen gehen. Danach habe ich Zeit für dich. Und morgen können wir vielleicht auch was zusammen unternehmen", schlug sie dann zur Beruhigung vor.

,,Wenn du morgen Zeit hast, gerne."

Michiru freute sich bereits auf den kommenden Tag. In der Gegenwart von Haruka fühlte sie sich wie etwas Besonderes. Jede einzelne Sekunde blieb die Blonde freundlich und respektvoll und dafür war Michiru ihr sehr dankbar. Denn in ihrem Beisein konnte sie so sein, wie sie es ist und musste keine Angst haben.

,,Ich danke dir", kam es einfach so von der Türkisen.

,,Weswegen?", hob die andere die Augenbraue.

,,Dass du so bist wie du bist."

,,Aber da musst du dich doch nicht bedanken. Außerdem müsste ich mich eher bei dir bedanken. Dafür, dass du meine Gefühle erwiderst und dich nicht deswegen verurteilst", meinte Haruka dann.
 

2 Stunden ist es her und Michiru hatte jede einzelne Sekunde an die blonde Schülerin gedacht.

»Ich vermisse sie...«

Da noch nicht allzu viel Zeit vergangen war, beschloss sie später anzurufen. Haruka hatte beim Abschied noch gesagt, dass sie noch einkaufen musste.

Aber ab 19 Uhr konnte sie an absolut gar nichts anderes mehr denken.

Deshalb rief sie sie an.

,,Ja, wenn Engel?", ertönte keine zwei Sekunden danach die ihre Stimme.

,,Du bist aber schnell range Gängen", kicherte Michiru.

,,Ich habe auch auf deinen Anruf gewartet."

,, Hast du?"

,, Ich habe ich. "

Leicht aufgeregt setzte die  Künstlerin sich auf ihr Bett.

,,Hast du schon etwas gegessen?" , wollte Haruka wissen.

,,Nein, habe kein Hunger. "

,,Was machst du heute noch so?"

Mit einem Seufzer ließ sie sich auf die Matratze zurückfallen.

,,Nichts besonderes", antwortete Haruka mit einer leicht verführerischen Stimme.

Michiru glaubte ein komisches Geräusch zu hören, allerdings konnte sie es nicht so richtig zuordnen.

,,Weinst du?", fragte sie besorgt.

,,Nein", kam es leicht amüsiert von der anderen Seite,

,,Eher im Gegenteil."

,,Hä?"

Michiru stand auf der Leitung.

Was genau machte sie, wenn solche Seufzer aus ihrem Mund kamen?
 

Haruka war kurz vorm Lachen. Michiru wusste tatsächlich nicht, was sie tat, aber ihr erzählen wollte sie es auch nicht. Sie sollte schon selber darauf kommen. Da die Türkise es einfach nicht checkte, tat sie es wenigstens etwas leiser.
 

Den ganzen Abend zerbrach sie sich den Kopf darüber, was genau Haruka während des Telefonates getrieben hatte. Erst als sie dann Kopfkino bekam, bekam sie eine Vermutung. Sofort wurden ihre Wangen knallrot, was man aber in der Dunkelheit nicht da.

» Hat sie das wirklich gemacht? «

Sie musste grinsen und kurz darauf schrieb sie der Blonden noch. Eigentlich war es bereits 23:40 Uhr, aber Haruka konnte die Nachricht auch später lesen.

~Jetzt weiß ich was du gemacht hast :] ~.

Allerdings musste sie gar nicht lange auf eine Antwort warten.

~Ach wirklich:]? ~

~Ja;)~

~Na dann ist ja gut, Kleines:] .Ich wünsche dir eine gute Nacht , ly♡~

Fast automatisch bildete sich ein glückliches Lächeln auf ihren Lippen.

~Love u too♡~, schrieb sie zurück.

Wissende Blicke und neue Erfahrungen

Der nächste Schultag war schnell da.

Für Michiru war die Hinfahrt zur Schule schnell vorbei. Die Musik lenkte sie ein wenig von der Langeweile ab. Als der Bus allerdings voll wurde, machte sich wieder die Angst in ihr breit.

Dementsprechend froh war sie, als der Bus endlich an der richtigen Haltestelle hielt und die Schüler ausstiegen. Sie selbst fuhr aber eine Haltestelle wieder weiter. Damit Haruka sich keine Sorgen machte, schrieb sie ihr eine Nachricht.

~Bin eine Haltestelle weiter gefahren. Kann sein, dass wir uns vor dem Unterricht nicht sehen können.~

Trotzdem beeilte sie sich mit dem Laufen, da es eventuell doch noch Zeit gab, Haruka zu sehen.

Nachdem Haruka die Nachricht empfangen und gelesen hatte, war sie beruhigt, da sie an der Haltestelle gewartet hatte, Michiru aber unter den ganzen Schüler nicht gesehen hatte. Also setzte sie sich auf eine Bank und ließ etwas Zeit verstreichen.
 

10 Minuten vor Unterrichtsbeginn tauchte Michiru dann vor Haruka auf.

,,Guten Morgen", schnaufte sie ziemlich geschafft.

,,Du bist schnell gelaufen, oder?", fragte Haruka, stand auf und nahm ihr die Tasche ab.

,,Ja, ich habe mich ziemlich beeilt."

Zum Ausruhen setzte sie sich erstmal hin.

In ihren Gedanken herrschte das Telefonat von gestern, wodurch sie sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte. Und genau dieses Grinsen bemerkte Haruka auch. Den Grund musste sie gar nicht herausfinden - sie kannte ihn bereits.
 

Der Unterricht war für beide qualvoll. Aber immerhin hatte Michiru zwei Stunden mit ihrer Mathematiklehrerin Frau Sato, während Haruka ihr Lieblingsfach Sport hatte. Danach wollte die Zeit einfach nicht vorübergehen.

Die türkise Künstlerin beteiligte sich nicht ein bisschen am Matheunterricht, was Frau Sato auch sofort auffiel. Allerdings wirkte ihre Schülerin keineswegs traurig oder betrügt.

Michiru war vollkommen in Gedanken. Dieses Seufzen gestern Abend ging er nicht mehr aus dem Kopf. Als sie dann aber nur eine Sekunde an ihren Vater dachte, war ihre gute Laune wie wir gegefegt. Sie konnte es kaum glauben, dass sie sich Hoffnungen auf eine Besserung gemacht hatte. Es würde nie besser werden. Ihr Vater hatte noch nie etwas für sie übrig gehabt.
 

Nachdem Harukas Klasse einen Kilometer rennen musste, war selbst Haruka etwas geschafft. Einige hatten aber schon nach 500 Meter schlapp gemacht und aufgehört. Sehr ausgepowert war die Blonde aber nicht.

,,Guut! Dann zieht euch um", sprach der Lehrer.

Sonst immer freute sie sich weniger, wenn der Sportunterricht vorbei war, aber heute war es das ganze Gegenteil.

Sie war zwar die Letzte, die in die Umkleide kam, war aber die Erste, die wieder draußen war. Die anderen Mädchen mussten oft sich erstmal noch schminken oder die Haare neu machen.

In zwei Minuten wird es klingen, also hatte Haruka noch genug Zeit, um in die oberste Etage der Schule zu gehen.

Es war still im ganzen Haus. Man hätte sogar eine Nadel zum Boden fallen hören können. Nur, wenn man direkt an die Tür eines Raumes trat, konnte man vielleicht einen Lehrer sprechen hören. Vor der Tür, hinter der die Künstlerin gerade Matheunterricht hatte, blieb sie stehen.

Es war Ruhe - es war keine Stimme zu hören. Wahrscheinlich lösten die Schüler gerade Aufgaben, weshalb auch keiner sprach.

Irgendwann klingelte es dann und sofort kamen die Schüler aus dem sämtlichen Räumen gestürmt. Haruka musste dabei Lächeln, gleich würde sie Michiru sehen.

Nach einigen Sekunden waren so gut wie alle Schüler draußen, abgesehen von Michiru. Die saß noch an ihrem Platz und packte in Ruhe ihre Sachen.

,,Na", grinste die Blonde.

Michiru fühlte sich ein wenig unwohl und auch ein wenig aufgeregt, da Frau Sato sich noch mit im Raum befand.

Die Lehrerin sah natürlich in die Richtung der beiden, weil sie sich freute und irgendwie auch neugierig war. Als Michiru ihr aber dann zu lächelte, wusste sie, dass alles in Ordnung war und sie gehen konnte.

,,Noch einen schönen Nachmittag ihr beiden", lächelte die Frau wissend.

Haruka konnte in ihrem Blick sehen, dass sie Bescheid wusste. Eigentlich wollte die ältere Schülerin irgendwas sagen, aber kein Ton kam überhaupt nur über ihre Lippen. Erst als die Lehrerin nicht mehr zu sehen war, sah sie zudem engelsgleichen Wesen.

,,Hast du ihr was von uns erzählt?", fragte sie Michiru.

Schweigend kam ein Nicken von den Mädchen, da sie im Glauben war, etwas Falsches getan zu haben.

,,Okay. Hat sie was dagegen?" , wollte sie dann müssen.

Verwundert sah die Künstlerin in das Gesicht der Blonden.

,,Nein, wieso?"

,,Manche haben was dagegen", zuckte sie nur mit den Schultern.

Am heutigen Morgen hatte die ehemalige Rennfahrerin keine Lust gehabt mit dem Motorrad zu fahren, wodurch es letztendlich ihr Sportwagen tat. Auf dem Weg zum Parkplatz sagte Haruka ihr auch, dass sie heute mit dem Wagen fahren würden.

Vor dem Sportwagen blieb die Türkise stehen. Sie wollte lieber noch ein wenig länger mit Haruka Zeit verbringen, aber vielleicht würde das die Zeit ihr gar nicht ermöglichen. Vielleicht hatte die Blonde auch gar keine Zeit für sie. Dabei hatte Haruka ihr am vergangenen Nachmittag so etwas angeboten.

Im nächsten Moment begann ihr Herz zu rasen, als der Gedanke an den vergangenen Abend wiederkam. Haruka hatte ihr trotz, dass sie ihr Tun erst sehr spät kapiert hatte, doch etwas sehr Privates gezeigt. Der Gedanke an das Seufzen machte etwas mit ihr. Sie spürte ganz klar Kribbeln und irgendwie auch ein Pochen weiter unten, aber eine richtige Erklärung dazu besaß ihn nicht.

Verlegen biss sie sich auf ihre Lippe und hoffte gleichzeitig, dass man ihr diese Körperreaktion nicht anmerkte.

Haruka hatte durchaus bemerkt, dass die Geigerin stehen geblieben war und das Auto anstarrte. Ihr entging auch nicht, dass sie auf ihren Lippen herumkaute.

»Was denkt sie gerade?«

Einige Sekunden musterte sie das Mädchen und sagte nichts dazu, aber dann fragte sie sich schon, ob alles in Ordnung war.

,,Michiru? Hallo? Michiru!"

Aber sie reagierte nicht, sondern starrte weiterhin das Auto an. Also ging sie ein Stück auf sie zu und legte einen Arm um die zierlichen Schultern.

,,Was geht dir durch deinen hübschen Kopf, hm?" , flüsterte sie leicht lüstern in ihr Ohr.

Das riss Michiru aus ihrer Gedankenwelt und ein Schauer jagte ihr über den Rücken. Der Ton, mit dem die Blonde sprach, half bei ihrem Gedanken nicht wirklich.

,,Ähm", begann sie zu stammeln,

,,Nix... Also nichts Wichtiges!"

,,Ach wirklich?"

,, J- Ja!"

Nun begann auch die Pianistin auf den Lippen zu kauen.

,,Willst du mit zu mir heim kommen?" , schlug Haruka ohne Nachdenken vor.

,,Was?", rief Michiru leicht verwundert.

Während des Sprechens hatte sie ihre Blicke erhoben und war bei den blauen Augen gelandet. Fast in der gleichen Sekunde hatte die Türkishaarige das Gefühl, sich darin zu verlieren.

Ihr Herz raste und schien aus ihrer Brust fast raus zu springen.

Wo sie sich eigentlich befanden, war schon längst vergessen. Alles schien dunkel, bis auf Haruka, welche sie mit einem gefühlvollen Blick ansah. Sie hatte nur noch Augen für die blonde Sportlerin. Zwar bewegten deren Lippen sich, aber Michiru verstand es nicht. Erst als jemand an ihre rüttelte, wurde sie ins Hier und Jetzt zurück katapultiert.

,,Michiru? Du musst nicht, wenn du nicht magst. Das ist absolut kein Problem!", sagte Harukas Stimme ein wenig enttäuscht.

,,Was? Nein. Nein. Ich würde gern zu... Zu dir..." , rief sie leicht panisch, aber am Ende des Satzes war es nur noch ein Murmeln.

,,Gut", bildete sich nun ein Lächeln auf dem Mund der Blonden.
 

Der Anfang der Fahrt wurde von der Stille beherrscht. Michiru war generell ein eher ruhiger Zeitgenosse und Haruka suchte nach passenden Worten, da sie fragen wollte, ob Michiru vielleicht auch noch bei ihr schlafen würde, aber wahrscheinlich war die Zeit dafür noch nicht gekommen. Letztendlich entschied sie sich nicht zu fragen.

Irgendwann war es dann schon so lange gestillt, dass die Künstlerin kurz vorm Einschlafen war. Da Haruka Angst hatte, ihr wäre langweilig, sagte sie einfach irgendwas.

,,Du, Michiru? Willst du heute Abend mit mir essen gehen?"

Die Jüngere war ein wenig zusammengezuckt, da sie mit so einem freundlichen Angebot nicht gerechnet hatte.

,,Wie? In einem Restaurant oder so?"

,,Ja, habe ich mir so gedacht."

,,Es tut mir wirklich leid. Ich hoffe das enttäuscht dich jetzt nicht. Aber da muss ich nein sagen. Mir wäre es lieber, wenn wir bei dir essen könnten. Also zu Hause", sagte sie etwas leise.

Denn dafür brauchte sie viel mehr Mut, die sie aber nicht besaß. Wegen ihrer Ängste war ein Besuch in einem Imbiss oder ein Restaurant nicht möglich.

,,Tut mir wirklich leid."

,,Kein Problem, wir können auch was bestellen oder selber kochen. Ich will einfach nur den Abend gemeinsam mit dir verbringen", lächelte Haruka.

Schüchtern blickte die Türkise auf ihren Schoß. Wegen solch einer Aussage bildete sich ein Schmunzeln in ihrem Gesicht.

»Sie will den Abend mit mir verbringen!«, dachte sie ziemlich aufgeregt.

Nach wenigen Minuten war sie dann doch eingeschlafen. Der Unterricht war ziemlich anstrengend gewesen und der Schlaf in der vergangenen Nacht war nicht wirklich erholend gewesen.
 

Der Motor ihres Wagens schwieg schon seit einigen Minuten, aber die beiden saßen immer noch drin, da die Pianistin das engelsgleiche Wesen immer noch nicht geweckt hatte. Der Anblick war so fesselnd, dass sie glatt die Zeit vergaß. Mit einem hörbaren Seufzer sah sie durch die Scheibe zu dem großen Wolkenkratzer, in dem hunderte von Fenstern beleuchtet waren.

Schon seit Michiru ihr heute die Gefühle gestanden hatte, dachte sie ernsthaft über den ersten Kuss nach.

Allerdings war sie sich da noch nicht so sicher, da Haruka sie nicht bedrängen wollte.

»Wahrscheinlich muss ich sie einfach fragen«, überlegt sie.

Mit einem leichten Grinsen im Gesicht sah sie zu Seite Michiru an.

»Ich hat mich ganz schön verändert...«, erkannte Haruka.

Eigentlich hatte sie sich nie solche Gedanken um den ersten Kuss gemacht. Sie hat es einfach jedes Mal in die Tat umgesetzt, ohne dabei wirklich auf die Gefühle des Mädchens zu achten. Und ihre arrogante Art hatte sie auch abgelegt. Noch eine ganze Weile war die ehemalige Rennfahrerin in Gedanken, bis ihr dann wieder in den Sinn kam, dass es bereits schon dunkel wurde.

Sachte legte sie ihre Hand auf die Wange der schlafenden Künstlerin.

,,Michiru? Wir sind da."

Ihre Stimme war eher ein Flüstern und die Worte waren gefühlsvoll gesprochen. Anscheinend hatte Michiru nur einen leichten Schlaf gehabt, da sie sofort ihre Augen öffnete. Noch recht verschlafen blickte sie in Harukas Augen.

» Kontrolle zu behalten wird sicherlich schwer<, schoss es der Blonden durch den Kopf.
 

Gemeinsam liefen sie auf das Haus zu. Michiru war sprachlos, dass sie sich absolut nicht vorstellen konnte dort zu wohnen. Haruka betrachtete sie ganze Zeit über mit einem Grinsen. Michiru wird gleich ihre Wohnung betreten. Eigentlich war sie auf generellen Besuch gar nicht vorbereitet. Außerdem hatte sie ziemliche Angst, dass sie Türkise sie als angeberisch abstempeln würde. Denn die Wohngegenden, in denen sie lebten, unterscheiden sich stark. Dennnoch war die Blonde sich sicher, dass Michiru sie nicht anders behandeln wird.

Michiru versuchte sich es nicht anmerken zu lassen, aber innerlich hatte das Mädchen gar keine Lust, die ganze Stockwerke hoch zu laufen. Wer weiß in welchen Stock die Pianisten dann noch wohnte. Trotzdem freute sie sich über die gemeinsame Zeit.
 

Zu Michirus Glück besaß der Wolkenkratzer einen Fahrstuhl, der einem das Laufen ersparte. Es dauerte ein paar Sekunden bis sich die Türen öffneten. Die Blonde ließ sie als erstes einsteigen, danach folgte sie ihr und drückte die 8. Als die Künstlerin neben sich die ganzen Knöpfe für die ganzen Stockwerke sah, war sie ziemlich erstaunt.

,,Wie viele Wohnung gehen gibt es hier?", wollte Michiru wissen.

,,Puuuh... Keine Ahnung. Über 300 sind es auf jeden Fall, wohl sogar noch mehr", antwortete Haruka belustigt.

,,Oha..."

Schon nach weniger Zeit gingen die Türen des Fahrstuhls wieder auf. Danach liefen sie einen breiten Gang entlang. Vor der Wohnungstür 102 blieben sie stehen. Verlegen sah die Geigerin auf den Boden unter ihren Füßen, auf dem sich ein roter Teppich befand. Die Wände waren mit prunkvollen Lampen verziert und die Decke mit Mustern bedeckt - und das allein war erstmal nur der Korridor. Was würde sie wohl hinter der Tür Nummer 102 erwarten? Der ganze Ruhm schüchterte sie ein wenig ein, was sie sich allerdings nicht anmerken ließ.

Die Pianistin zog einen Schlüsselbund hervor, an dem viel zu viel Zeug dranhang. - Haufenweise an Schlüsseln und diversen Anhängern. Trotzdem dauerte es keine Sekunde, bis der Wohnungsschlüssel gefunden war. Ohne hinzusehen zu müssen schloss Haruka die Tür auf.

,,Ich habe nicht geplant, dass du kommst, deswegen sieht es nicht sehr sauber aus", meinte sie dann.

,,Das ist ja nicht schlimm. Ich glaube, ich werde mich trotzdem wohlfühlen", lächelte Michiru leicht aufgeregt.

Danach öffnete sie die Tür und ließ die Türkise eintreten.
 

Das Umfeld war ungewohnt und die Tatsache, dass sie bei Haruka zu Hause war, machte es nicht viel besser. Die Wohnung war luxuriöser als sie je gedacht hatte. Die Möbel wirkten sehr modern, alles war ordentlich und eigentlich auch ziemlich sauber.

,,Du weißt, dass ich alleine lebe, als habe keine Angst", grinste die Blonde und schloss die Tür hinter sich.

Da Michiru die Situation nicht versauen wollte, sagte sie nichts weiter dazu.

Der Raum, in dem sie sich befanden, war das Wohnzimmer, woran auch eine offene Küche angrenzte. Überwiegend standen hier Möbel aus Marmor, was Michiru ziemlich zum Staunen brachte. Aber auch davon ließ sie sich rein gar nichts anmerken.

,,Willst du deine Jacke vielleicht ausziehen?", fragte Haruka

Michiru nickte und zog die besagte Jacke aus. Währenddessen lief die ehemalige Rennfahrerin ein Nachbarzimmer. Michirus Augen folgten ihr, bis sie komplett verschwunden war. Da sie keine Garderobe oder so etwas in der Art sehen konnte, legte sie die Jacke auf die beige Couch.

Ihr Herz raste, aber richtig unwohl fühlte sie sich gar nicht, nur kannte sie diesen Luxus absolut nicht. Schweigend setzte das Mädchen sich. Der Blick war auf den Schoß gerichtet.

»Sie hat so viel Geld... Sicher haben deswegen schon einige sich ihr an den Hals geworfen«, dachte sie.

Gewissermaßen war sie auch froh darüber, dass sie mit wenig Geld aufwuchs, aber Reichtum hat auch seine Nachteile. Weiter darüber nachdenken konnten ist sie gar nicht, da Haruka wieder den Raum betrat. In der Hand hatte sie eine Flasche Wasser und zwei Gläser.

,,Ist Wasser ok? Ansonsten habe ich noch Alkohol da", lachte sie.

,,Nein, nein. Wasser ist gut", winkte Michiru schüchtern ab.

,,Gut ok. Ich würde sagen, wir bestellen heute Abend was", überlegte Haruka.

Nachdem sie das gesagt hatte, biss die Künstlerin sich auf die Lippe, da sie nicht so viel Geld mithatte, mit dem sie eine Mahlzeit hätte bezahlen können.

,,Was denkst du gerade?", sprach Haruka und ihre Stimme klang seltsam.

,,Ich glaube nicht, dass ich das bezahlen kann."

,,Ich lade dich natürlich ein."

So langsam wurde ihr Herz immer schneller. Eigentlich wollte sie, dass Haruka sich neben sie setzte, aber im Moment sah es eher so aus als würde die Blonde sich ja direkt gegenüber setzen wollen. Verlegen dass sie immer wieder einen kurzen Moment nach oben, um sehen zu können, was Haruka machte. Das entging der Pianistin natürlich nicht. Dieses durchaus süße Verhalten brachte Haruka zum Grinsen.

,,Möchtest du, dass ich mich neben dich setze?", fragte sie ziemlich provokant.

Sofort bildete sich ein Rotschimmer auf ihren Wangen.

,,Was? Also... Nicht das... Ähm.."

Ich kann mich gerne auch da hinsetzen", deutete sie auf die Couch Michiru gegenüber.

Was genau sie darauf nun sagen sollte, war ihr nicht ganz klar.

Wäre ein ,,Bitte setz dich neben mich" nicht etwas übertrieben? Denn eigentlich konnte Haruka selbst entscheiden wo genau sie sich hinsetzte.

Da die Geigerin wegen Verlegenheit sie nun gar nicht mehr ansah, nahm sie ihr die schwere Antwort. Übel nahm sie ihr das natürlich nicht, da sie genau wusste wie schwer es Michiru fiel mit Mitmenschen umzugehen. Also setzte Haruka sich neben sie auf die beige Couch.

Michirus Wangen wurden dadurch noch rötlicher als eh schon. Zwar war sie Haruka in der Schule noch ein wenig näher gewesen, aber auch jetzt fühlte es sich bereits schön an, obwohl 1/4 Meter sie noch trennte. Ziemlich nervös griffen ihre Finger zu ihrem Rock und zerknitterten leicht den Stoff.

,,Hast du Angst?", fragte die blonde Schülerin besorgt, nachdem sie ihre Finger beobachtet hatte.

,,Nein, ich bin nur... nur ein wenig aufgeregt."

Haruka begann sofort zu grinsen.

,,Ist schon in Ordnung", lächelte sie,

,,Übrigens... Wenn du irgendwann mal möchtest, kannst du auch mal hier schlafen. Aber das habe ich dir ja schon mal angeboten."

,,Ja, ich denke das Angebot werde ich sicher bald annehmen", antwortete die Türkishaarige.
 

Schon die ganze Zeit über überlegte Haruka sie zu umarmen, allerdings traute sie sich nicht, da sie Michiru nicht verschrecken wollte. Dabei hatte es heute in der Schule auch geklappt. Tatsächlich hatte sie keine Anzeichen von Angst gezeigt.

»Vielleicht sollte ich mir auch nicht so viel Gedanken darüber machen.«

Mit dem Entschluss sie doch zu umarmen, rückte sie ein Stück näher, was dem Mädchen wohl anscheinend gar nicht auffiel. Jedenfalls ließ sie sich nichts anmerken.

,,Michiru?"

,,Ja? Ich bin so froh, dass du meine Gefühle erwiderst. Mich macht es wirklich glücklich. Ich hoffe es war nicht allzu schwer es zu akzeptieren."

,,Nein, nein. So schwer war das gar nicht. Es hat nur etwas gedauert, bis ich es bemerkt habe", lachte die Künstlerin.

Haruka musterte sie von der Seite. Ganz genau sah sie das Mädchen an. Türkise Locken hangen in ihr Gesicht, die Haut sah wie immer zart aus, zwar nicht makellos, aber trotzdem wunderschön. Die Androgyne sah auch, dass ihr Gegenüber sich auf die Lippen biss.

Ganz langsam erhob sie ihren Arm und kam damit Michiru immer näher. Als sie dann den Arm um sie legte und den zierlichen Körper leicht zu sich zog, war diese nicht sehr verwundert. Ohne einen Widerstand lehnte die Türkise sich gegen sie.

,,Wollen wir Sushi bestellen? Ich habe jetzt schon ziemlich Hunger...", bemerkte Haruka.

,,Wenn du magst."

Also griff Haruka zu ihrem Smartphone und wählte die Nummer, welche sie bereits auswendig kannte, da sie oft bei dem Lieferanten eine Bestellung aufgab.

Danach legte sie das Gerät wieder beiseite.

,,Sag mal, fühlst du dich manchmal noch unwohl in meiner Gegenwart?", wollte die Ältere wissen.

,,Nein, gar nicht."

Ein Stein fiel ihr vom Herzen. So konnte sie Michiru vielleicht auch einfach mal umarmen, ohne sich Gedanken machen zu müssen. Es sprach also auch so gut wie nichts gegen einen Kuss.
 

Michirus Herz schlug ihr bis in den Hals, da sie sich bereits vorstellen konnte was Haruka vorhatte. Solch einen Körperkontakt hatte sie noch nie mit einer anderen Personen gehabt. Für sie wäre das das erste Mal. Vorher hätte sie so etwas auch noch nie vorgehabt. Selbst eine Umarmung war immer zu viel gewesen, da sich ihr Verstand schon da immer verabschiedet habe, indem Sie diverse Panikattacken erlitt. Aber in diesen Moment war sie vollkommen entspannt.

Sie spürte, dass Haruka ihr näher kam, obwohl diese selbst aufgeregt war. Langsam aber dennoch bestimmend zog die Blonde sie immer näher zu sich. Der Abstand zwischen ihnen verringerte sich mit jeder Sekunde. Irgendwann war Michiru dazu gezwungen sich irgendwo abstützen, da sie nicht sofort auf Haruka fallen wollte. Also griff sie ohne nachzudenken wo hin. Die Stelle fühlte sich aber nicht wie das Sofa an, eher weicher.

»Oh Gott«

Leicht panisch sah sie zu ihrer Hand, welche sie auf dem Oberschenkel Harukas erblickte. Noch panischer sah sie dann in deren Gesicht. Harukas Lippen hatten sich zu einem breiten Grinsen verformt.

,,T- Tut mir leid", murmelte Michiru denn ich unsicher.

,,Lass deine Hand ruhig da", erwiderte sie mit einer leicht verführerischen Stimme.

Schweigend sah das türkishaarige Mädchen in die Augen ihres Gegenübers. Sie hatten eine dunkelblaue Farbe und schienen sie geradezu zu fesseln. Alles um sie herum war wie vergessen. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt nur noch der blonden Pianistin. Die Zeit verging nur noch wie in Zeitlupe, wodurch der Moment sich noch länger anfühlte. Nachdenken war eh nicht mehr möglich. Als Haruka ihre Hand erhob, um nach ihren Kinn zu greifen, klingelte es plötzlich an der Tür.

»Wer ist das?«, dachte Haruka ziemlich genervt.

Der Lieferant konnte es noch nicht sein - dafür war noch nicht genug Zeit vergangen.

,,Super Timing", sagte Haruka trotzdem ein wenig amüsiert.

Damit erhob sie sich und lief zur Wohnungstür. Michiru blieb wie betäubt zurück.

Als sie aus Michirus Sicht weg war, riss sie förmlich die Tür auf. Ein wenig verärgert war sie wegen der Störung schon. Natürlich war es nicht der Lieferant, sondern eine Nachbarin.

,,Guten Abend, Frau Tenoh. Ich wollte nur fragen, ob bei Ihnen auch der Strom ausgefallen ist?", fragte die leicht pissige Stimme, was die Blonde noch mehr nervte.

,,Nein, bei mir geht alles", antwortete sie sofort.

Eigentlich hätte man merken müssen, wie genervt sie war, aber die Frau schien wohl blind zu sein.

,,Komisch, dann bin ich wohl die Einzige im Haus."

,,Sehr schlimm für Sie. Dann ruf den Vermieter an. Schönen Abend noch", sprach sie dann in einem schnellen Ton, danach knallte sie die Tür zu.
 

Michiru war durchaus aufgefallen, dass Haruka ein wenig genervt war, aber für die Türkishaarige kam die Pause wie gerufen, da sie das Atmen ein wenig vernachlässigt hatte. Ihr Herz wurde eh nicht mehr ruhiger.

»Fast wäre es passiert...«, schoss es ihr fast blitzartig durch den Kopf.

Mit einem lautlosen Seufzen ließ sie sich zurück in das Sofa sinken. Als dann aber die Tür knallte und sie sogar von weitem Harukas Stimme raushören konnte, wie genervt sie war, hatte sie so leichte Bedenken wie der Tag noch vergehen würde. Denn eine genervte Haruka wollte sie nicht unbedingt küssen. Zumindest nicht der erste Kuss.

Keine Sekunde später kam die Sportlerin um die Ecke. Von dem genervten war gar keine Spur mehr. Sie lächelte sogar, was Michiru noch mehr verwunderte.

,,Tut mir echt leid für die Unterbrechung. Eine Nachbarin hat Stromausfall", zuckte sie mit den Schultern.

,,Ah ok, ist nicht so schlimm", lächelte Michiru freundlich.

Gerade als Haruka sich setzen wollte, klingelte ist ein weiteres Mal.

,,Ist nicht der ernst, oder?", schniefte sie.

Nun musste Michiru wirklich lachen.

,,Ich glaube aber, dass ist jetzt das Essen" , meinte die Künstlerin, in der Hoffnung Harukas schlechte Laune nehmen zu können.

,,Ja, vielleicht", grinste Haruka,

,,Aber danach mache ich nicht noch mal die Tür auf."
 

Nachdem Haruka dann noch Essstäbchen geholt hatte, setzte sie sich endlich neben die Geigerin.

,,Endlich ungestört", sprach sie,

,,Wollen wir nicht später essen?"

Ihre Stimme war verlockend und verführerisch, aber davon ließ Michiru sich dieses Mal nicht verführen.

,,Nanu? Hattest du vorhin nicht noch Hunger gehabt?", hob das Mädchen verwundert die Augenbraue an.

,,Ich wollte einfach nicht, dass der Lieferant uns nachher stört, was er eigentlich schon gemacht hat" , gab sie zu.

,,Ach, so ist das", kicherte Michiru.

,,So ist es", hauchte ihre Stimme nur noch verführerischer.

Irgendwas in Michiru sagte ihr, dass sie sich eigentlich nicht so viele Gedanken machen musste, allerdings war das leichter gesagt als getan.

,,Du hast Angst, habe ich recht?"

,,Nein, ich bin nur ein wenig aufgeregt."

,,Ich kann dir diese Aufregung gerne nehmen", hielt sie ihr die Hand entgegen.

Verwundert sah die Jüngere die ihr angebotene Hand an.

»Sie hat so schöne Hände«, fiel ihr auf.

Was genau sie vorhatte, konnte sie sich nicht ganz vorstellen. Da sie Haruka aber vertraute, nahm sieht die Hand auch an. Sofort zog Haruka an ihrer Hand, wodurch sie keine Sekunde später auf ihren Schoß saß.

Die Pianistin hatte sie tatsächlich auf ihren Schoß gezogen. Michiru war ziemlich erschrocken und auch ziemlich verwundert.

Aus Angst, Haruka könnte sie zu schwer finden, setzte sie sich nicht auf die Oberschenkel der Blonden. Da ihre Aufregung noch dazu kam, zitterten ihre Beine ein wenig, was Haruka natürlich sofort bemerkte.

,,Du kannst dich ruhig setzen, Michiru", lächelte sie.

Schüchtern senkte das Mädchen den Kopf.

,,Aber nicht, dass ich zu schwer für dich bin...", murmelte Michiru.

,,Du bist ganz sicher nicht schwer. Dich halte ich locker aus."

Ihre Worte klangen ernst gemeint und das waren sie auch. Deshalb schenkte die Künstlerin ihr Glauben und setzte sich auf ihren Schoß.

,,Siehst du? Alles noch ganz."
 

Michiru hätte sich nicht vorstellen können, dass sie sich irgendwann mal in so einer Situation befinden würde. Mal abgesehen von ihren Ängsten, wollte nie jemand etwas mit ihr zu tun haben, auch wenn sie dabei nicht ganz unschuldig war.

Aber Haruka hatte nicht aufgegeben, obwohl Michiru sich anfangs eher kühl gezeigt hatte. Was die blonde Pianistin bewegt hatte sie kennenlernen zu wollen, wusste sie nicht, aber das wollte sie auch nicht hinterfragen.
 

Haruka beobachtete jede Reaktion der Türkisen, was wohl eher aus Angst, etwas Falsches zu machen, war. Allerdings zeigte das Mädchen keine negative Reaktionen. Dass sie ein wenig schüchtern und sehr aufgeregt war, war ihr natürlich bewußt. Deswegen versuchte sie auch Rücksicht zu nehmen und die Sache Schritt für Schritt anzugehen.

Ihr entging nicht, dass Michiru oft verlegen weg sah. Vielleicht sollte sie sie einfach küssen? Könnte sie ihr dadurch vielleicht die Aufregung nehmen?

Vorsichtig griff sie nach ihrem Kinn mit dem Hintergedanken, dass Michiru sie ansah. Und siehe da, Michiru sah ihr länger als nur ein paar Sekunden in ihre Augen. Die Pianisten hätte stundenlang ihre Augen betrachten können.

» Sie ist so wunderschön.«

Nicht nur ihre Augen wurden studiert. Auch die weich aussehende Haut, die Stupsnase und die wunderschönen Lippen sah sie eine ganze Weile an und. Währenddessen fiel Haruka auf, dass die Künstlerin sich auch traute sie anzusehen.

Nun näherten sich langsam ihre Gesichter und damit auch ihre Lippen. Nur noch wenige Zentimeter trennten sie. Um Michiru nicht noch länger zu quälen, überbrückte sie das letzte Stück. Als ihre Lippen dann aufeinandertrafen, lief selbst Haruka ein Schauer über den Rücken. Schon so oft hatte sie jemanden geküsst, aber dennoch war dieser Moment etwas ganz Besonderes. Michiru hatte die Augen geschlossen, Haruka jedoch hatte sie offen gelassen, um sie beobachten zu können. Nachdem sie festgestellt hatte, dass die Künstlerin unverstellbar süß beim Küssen aussah, schloss auch sie die Lider.

Michiru hoffte, dass sie alles richtig machte, obwohl sie da ihre Bedenken hatte. Ihr Herz raste zwar nicht mehr so schnell, allerdings zitterte ihr ganzer Körper und da war noch dieses komische Gefühl, was sich in ihrem Unterleib breitmachte. Vollkommen unbekannt, aber dafür umso stärker.

Haruka  hingegen wusste was sie tat. Würde sie zulassen, sich einfach nur fallen zu lassen, so hätte Michiru keine Sekunde später sämtliche Klamotten los. Allerdings wurde sie nicht so ganz Herr über ihre Hände. Trotz der Kontrolle, die sie ein Glück über sich besaß, wanderten ihre Hände über die eine oder andere Körperstellen Michirus. Erst fuhr sie über ihren Rücken entlang - hoch und runter. Dann erforschen ihre gierigen Finger ihren Po, der auf ihren Oberschenkel saß. Dabei war sie doch ein wenig überrascht, da sie solche Rundungen nicht vermutet hatte.

Natürlich genoss die Geigerin diesen Kuss. Für einen kurzen Augenblick lebte der Gedanke an einen Zungenkuss in ihr auf, allerdings getraute sie sich noch nicht.

Als nächstes wanderten Harukas Hände ihren Bauch hinauf zu der Oberweide der Künstlerin. Dabei bemerkte sie auch, daß Michiru den Bauch anspannte, was wohl von ihrer Aufregung kommen könnte. Dennoch gelitten ihre Hände weiter nach oben.

Eigentlich war das ein ziemliches Risiko. Entweder wurde sie es zulassen und gar keine oder so gut wie keine Angst haben oder sie würde es abblocken. Damit könnte sie sie aber auch verschrecken. Trotzdem tat sie es. Michiru könnte sie im Notfall von sich drücken. Und wenn sie sich da nicht trauen würde, könnte Haruka es auch anhand ihrer Körpersprache bemerken und dementsprechend reagieren. Also überbrückte sie noch die letzten paar Zentimeter nach oben und griff vorsichtig zu. Natürlich war die Blonde sehr vorsichtig und sachte und auch der Druck, welchen sie ausübte, war mit mit Bedacht gewählt. Bevor sie aber darauf achtete, wie es sich anfühlte, achtete sie erstmals auf die Reaktion von Michiru. Diese war allerdings nicht negativ. Sie wirkte zwar ziemlich verwundert, aber mehr war da gar nicht. Es war auch keine besonders positive Reaktion, aber das nahm Haruka ihr nicht so richtig ab. Entweder fühlte es sich für die Türkishaarige nicht gut an oder sie getraute sich nicht, diese Berührung zu genießen. Erst als die Blonde noch fester zupackte, drängten sich leise Seufzer über ihre Lippen. Dies war wir eine Belohnung für Haruka und spornte sie dazu an, noch mehr Leidenschaft in das Ganze zu bringen. Sie nahm das Gefühl mit vollen Zügen war, spürte die steifen Brustwarzen an ihren Handflächen. Doch so langsam verlor auch sie ihren Verstand. Es kostete viel Kraft, sich nicht komplett zu verlieren.

Immer wieder trafen ihre Lippen aufeinander, spielten leidenschaftlich miteinander. Michirus Hände trugen dem aber nicht viel bei. Viel zu sehr war sie damit beschäftigt, die ganzen Eindrücke zu verarbeiten und es auch zu genießen.

Als Haruka begann ihre Brüste zu massieren, war Michiru anfangs erst darauf bedacht nicht zu zeigen, dass es sich atemberaubend anfühlte, doch als Haruka dann noch stärker zugriff, war es um sie geschehen.

Ihr fiel auch auf, dass es zwischen ihren Beinen extremst pochte, was sie sich nicht so ganz erklären konnte. War das sexuelle Erregung?

Im nächsten Moment wanderten Harukas Hände  unter den Rock ihrer Gespielin. Doch obwohl Michiru das absolut nicht störte, zog sie diese sofort wieder die Hand zurück. Irritiert sah die Künstlerin sie an.

,,Es tut mir leid", wollte sie die Sache nicht so schnell angehen,

,,Verzeih mir", sagte Haruka,

,,Wir sollten essen, oder?"

Wenn Michiru ehrlich wäre, dann hätte sie sogar weiter gemacht. Trotzdem war sie froh über die Cut. Vielleicht sollte sie dem doch noch ein wenig Zeit geben.
 

Haruka  wagte es nicht ihr Gegenüber anzusehen. Fast hätte sie die Kontrolle verloren, doch das wollte sie auf gar keinen Fall. Nicht, dass Michiru noch das Gefühl bekam, sie sei nur zum Vergnügen hier. Da waren wirklich Gefühle im Spiel, die Haruka sich garantiert nicht einbildete. Deshalb hatte sie entschieden, mit dem ersten Mal noch zu warten. Da haruka sich nun nicht mehr getraut sie anzusehen, stieg Michiru wieder von ihr herunter.

,,Nimm mir das bitte nicht übel. Es hat sich wirklich wunderbar angefühlt, aber ich glaube, ich muss es nicht unbedingt übertreiben. Denn ich bin davon überzeugt, dass es auch für dich schöner wird, werden wir noch etwas warten. Ist das okay für dich?", erklärte die Blonde.

Michiru musste lächeln.

Jemand hat sich da Gedanken gemacht, oder?

Dafür, dass die Pianistin so mitdachte, könnte Michiru echt dankbar sein.

,,Alles gut. Du hast nichts Falsches gemacht", lächelte das Mädchen immer noch ein wenig betäubt.

Vorsichtig stieg sie dann von Harukas Schoß.
 

Danach aßen sie erstmals das bestellte Essen. Währenddessen sprachen die beiden kein Wort miteinander, da ihnen kein gutes Gesprächsthema einfiel. Erst nachdem das Essen beendet war, getraute Haruka sich etwas zu sagen.

,,Also das soll jetzt nicht so rüberkommen, als würde ich dich loswerden wollen - weil das will ich auf gar keinen Fall-, aber ich wollte fragen, wann wir losfahren wollen. Wir brauchen ja schon an ein wenig Zeit für die Fahrt", sprach die Blonde.

,,Alles gut. Bist du dir sicher, dass du mich fahren willst? Das ist eigentlich gar nicht nötig. Ich kann auch mit dem Bus fahren oder mit der Bahn."

,,Nein nein. Ich fahre dich heim."

Dieser Satz brachte Haruka auf eine Idee. Da entstand ein Gefühl, was man vielleicht mit Freude gleichstellen könnte.

,,Wenn du möchtest, dann kannst du morgen bei mir schlafen. Bring morgen einfach dein Zeug mit und dann nehme ich dich einfach mit" , bot Haruka ihr mit einem stark schlagenden Herz an.

Für Michiru hörte sich dieses Angebot erst gut an, trotzdem war sie sich mit ihrer Entscheidung nicht ganz sicher. Nicht, weil sie der blonden Pianisten misstraute, denn dem war nicht so, sondern wegen ihres Vaters. Musste sie um eine Erlaubnis fragen? Mit einer großen Wahrscheinlichkeit würde er sie nur wegen irgendwas angehen, ihr aber keine richtige Antwort auf ihre Frage geben. Denn bekanntlich konnte man selten einen annähernd normales Gespräch mit ihm führen. Dazu kam noch, dass er sich auch keine Gedanken um seine Tochter gemacht hatte, als diese für eine Nacht bei ihrer Lehrerin untergekommen war.

Michiru gab Haruka nicht sofort eine Antwort. Stattdessen hielt sie sich weiter daran fest, dazubleiben. Nur ungern wollte sie heute noch von Haruka getrennt werden. Zwar hatte sie gar keine Sachen mit, aber war das denn wirklich so schlimm? Die Künstlerin beschloss von ihren Überlegungen zu erzählen. Erst atmete sie tief ein, dann sagte sie:

,,Ich könnte doch auch diese Nacht bleiben, oder nicht?"

Diese Idee hatte die ehemalige Rennfahrerin bereits erwartet und irgendwie hatte sie darauf auch gehofft.

,,Und was ist mit den ganzen Schulbüchern für morgen?", fragte Haruka stattdessen.

Schon im nächsten Moment hätte sie sich auf die Zunge beißen können. Wahrscheinlich klang ihre Frage für Michiru so, dass sie die Übernachtung heute absolut nicht wollte, aber dem war nicht so.

,,Ich habe meine Bücher für morgen im Spind, da ich keine Hausaufgaben bis morgen habe und ich auch nicht vorhatte zu lernen", erwiderte die Türkise sofort.

Keine Sekunde später bildete nicht ein Lächeln auf den Lippen der Pianistin.

,,Klamotten kannst du von mir haben, wird nur etwas zu groß sein. Aber dann scheint dem nichts mehr im Wege zu stehen, habe ich recht?", grinste sie wie ein Honigkuchenpferd.
 

Obwohl Herr Kaioh Michirus Abwesenheit gar nicht richtig bemerken wird, rief sie trotzdem daheim an. Wie sie bereits erwartet hatte, ging nur der Anrufbeantworter ran. Deshalb hinterließ sie für den Notfall eine Nachricht:

,,Hey Vater. Hier ist Michiru. Ich wollte dir nur sagen, dass ich heute Nacht bei einer Schulkameradin schlafe. Aber keine Angst, ich gehe morgen zur Schule. Noch einen schönen Abend", sagte sie eher fröhlich, doch zum Ende hin übernahm eine Traurigkeit ihre Stimmung, da sie ganz genau wusste, dass er es eh nicht anhören würde.

Dann ließ sie einige Sekunden eine Pause.

,,Habe dich lieb", presste sie noch hervor, wo sie sich eingestehen musste, dass diese Aussage er nur gequält über ihre Lippen kamen.

Danach legte sie auf und warf das Handy von sich.

,,Alles in Ordnung mit dir?", fragte Haruka, die soeben aus der Küche kam, da sie den Müll des bestellten Essens entsorgt hatte.

,,Ja, klar", log die Türkise.

,,Du kannst ruhig ehrlich zu mir sein, Michiru", lächelte die Blonde sie an.

Man konnte der Geigerin ansehen, dass ihr die Tränen wohl bald kommen werden. Aus diesem Grund trat Haruka auch vor das noch auf der Couch sitzende Mädchen und schlang die Arme um sie. Das hatte Michiru  gebraucht. Mit über ihre Wange laufenden Tränen vergrub sie das Gesicht in Harukas Bauch, während das T-Shirt Harukas die Tränen auffing.

,,Manchmal macht mein Vater mich fertig. Warum liebe ich eine Person, die eigentlich nie für mich da war?", schluchzte die Türkishaarige, was durch die Stoff gedämpft wurde. Leises Schluchzen war zu hören, weshalb die Pianistin sie noch fester an sich drückte.

,,Ich wünschte, ich wüsste wie ich dir helfen kann. Nur wie?", seufzte die Blonde.

Eine ganze Weile standen sie einfach nur da.

Michiru ließ ihre Tränen freien Lauf, obwohl sie gar nicht so richtig wusste, warum. Even noch war sie, wahrscheinlich wegen des Kusses, super gut gelaunt gewesen und dann zog das Thema bezüglich ihres Vaters sie so runter.

Irgendwann wurde die Künstlerin ruhig. Kein Schluchzen war mehr zu hören.
 

Nachdem Haruka sie, wenn auch nur ohne Worte, getröstet hatte, schlug diese der Türkisen vor, einen Film gemeinsam zu sehen. Da es auch noch nicht allzu spät war, konnten sie das auch getrost tun, ohne dass sie morgen in der Schule müde sein würden, solange sie später auch sofort schlafen würden. Dabei hatten beide aber bedenken. Michiru wusste bereits jetzt schon, dass sie vor Aufregung nicht einschlafen kann, da es auch ein ungewohntes Umfeld war.

,,Welchen Film möchtest du denn anschauen?", wollte Michiru wissen.

Neugierig sah sie zu Haruka auf, die ihr ebenfalls in die Augen sah.

,,Du kannst entscheiden, meine Schöne."

Letztendlich entschied Michiru sich für einen Horrorfilm, obwohl sie eigentlich keine Filme ab 18 ansah. Eigentlich entschied sie sich nur für einen Horrorfilm, weil ja aufgefallen war, dass Haruka viele besaß und sie deshalb vermuten konnte, dass Haruka so etwas gerne sah.

Haruka freute sich über ihre Filmwahl. Zwar war der Film nicht sehr brutal, allerdings wusste sie schon davor, dass die Künstlerin Angst bekommen würde und sie sie dann in den Arm nehmen könnte.

,,Wie du magst."

Selbstverständlich durfte etwas zu Naschen nicht fehlen.
 

Haruka legte den Film ein, während Michiru sich wieder auf das Sofa setzte. Sie hatte sich für eine Ecke entschieden, in die sie sich ganz bequem hinlegen konnte, allerdings war der Platz wohl weit weg von Haruka. Als die Blonde sich herumdrehte und die Türkishaarige musterte, beschloss sie einfach, sich zu Michiru zu setzen. Ohne diese zu fragen gesellte sie sich neben sie auf das Sofa.

,,Darf ich?", fragt sie danach erst, nachdem sie lag.

,,Ähm...", kam ein leichtes Stottern von ihr, wobei ihre Wangen auch leicht erröteten,

,,Klar..., fügte sie noch hinzu.

Am Anfang des Filmes war Michiru noch relativ entspannt, da noch nichts Gruseliges passiert war und sie auch noch gar keine Ahnung hatte was sie in den Film erwartete. Doch schon nach zehn Minuten war es für die junge Künstlerin bereits zu gruselig. Schützend hielt sie sich die Hände vor die Augen, schlunzte aber manchmal zwischen zwei Fingern hindurch.

Die Pianistin begann ein wenig belustig, aber nicht im negativen Sinne, 2 Minuten und 31 Sekunden herunter zu ziehen. Denn den Film kannte sie bereits in- und auswendig, weshalb sie auch wusste, dass in 2 Minuten und 31 Sekunden eine brutale Szene kommen würde, wo Michiru sicher Angst bekommen würde. Unauffällig sah sie zur Seite und beobachtete das Mädchen, welche davon aber nichts im geringsten mitbekam.

» Noch eine Minute...«, dachte sie.

Ganz entspannt, aber schon jetzt äußerst ängstlich, starrte sie in den Fernseher, währenddessen wanderte ihre Hand fast wie fremdgesteuert zu der Schüssel mit den Chips. Da sie aber nicht zu ihrer Hand sah, griff sie erst daneben.

»Jetzt schaut sie sicher hin«, schoss es Haruka durch den Kopf.

Tatsächlich sah Michiru auch zu ihrer Hand und das sogar ziemlich verwundert, da sie die Schüssel verfehlt hatte. Und da bemerkte sie auch, dass die Blondhaarige sie schon die ganze Zeit über ansah.

,,Ist alles in Ordnung?", fragt Michiru.

,,Klar, alles in bester Ordnung" , lächelte Haruka.

Da die Geigerin nicht ganz wusste was sie sagen sollte, erwiderte sie nur ein Nicken und sah dann aber wieder Richtung Fernseher.

»Noch 20 Sekunden.«

Erneut musterte sie die Türkishaarige.

Und dann war es soweit. Ganz überraschend und dafür um so gruseliger. Michiru zuckte erschrocken zusammen und hielt sich die Augen verängstigt zu.

,,Oh mein Gott! Was ist das für ein gruseliger Film?', rief sie.

,,Na ein Horrorfilm. Hast du dir selbst ausgesucht", lachte Haruka ein wenig belustigt.

Trotzdem fragte die Geigerin noch nicht, ob sie sich zu ihr kuscheln könnte. Für einen kurzen Moment dachte die Sportlerin darüber nach, warum sie denn nicht einfach selber fragte. Der Grund dafür war wohl ihr Stolz, welchen sie immer noch nicht verloren hatte.

Doch schon nach dem nächsten gruseligen Moment kam die lang erhoffte Frage. Ihre Stimme klang wie die die eines kleinen schüchternen Mädchen, was in eine neue Schule kommt und sich vor ihrer neuen Klasse vorstellen muss.

,,Kann ich mich an dich lehnen?", fragte sie so leise, dass der Fernseher ihre Stimme eigentlich übertönte.

Hätte Michiru nicht in ihrer Nähe gesessen, hätte Haruka es wohl gar nicht verstanden.

,,Hast du wohl Angst?" , grinste sie eher unbewusst.

,,Ein wenig", gab sie offen und ehrlich zu.

Haruka nickte.

,,Du kannst gerne herkommen."

Michiru war sofort neben mir, so schnell konnte man gar nicht gucken. Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich gegen sie, kuschelte sich sogar etwas ein, sodass die Pianistin gar nicht anders konnte als den Arm um sie zu legen.
 

Mit der Zeit wurden Michirus Lider immer und immer schwerer, dass es gar nicht mehr allzu lange dauerte, bis sie in Haruka Armen eingeschlafen war. Diese begutachtete ihren Einnschlaf - Prozess ganz genau, als hätte sie Angst, Michiru nie mehr in so einem Moment sehen zu können.

~Wie viel Recht doch damit behielt...~

Unter dem Geschrei der Frau, welche gerade abgestochen wurde, konnte man sicherlich nicht gut schlafen, dachte haruka. Deswegen schaltete sie schon nach wenigen Minuten den Fernseher aus, um bald ins Bett zu gehen.

»Vielleicht ist es ja auch besser, wenn wir eher schlafen gehen... «

Nur wie sollte sie das schlafende Mädchen in das Schlafzimmer bekommen? Es gab wohl nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie holte sie aus dem Schlaf oder sie trug sie in ihr Bett. Aber konnte sie Michiru einfach so nahe treten und sie auf ihre Arme heben? Letztendlich entschied sie sich für das Aufwecken. Schweigend musterte sie das schlafende Mädchen in ihren Armen. Deren Mund war ein geöffnet, die Augen natürlich geschlossen, den Kopf gegen ihre Brust gelehnt, was ihr auch erst jetzt auffiel. Sofort war die Aufregung wieder da.

»Sie sieht so unschuldig und süß aus.«

Trotzdem musste sie die Künstlerin wecken. Wahrscheinlich könnte Haruka sie wegen der Aufregung gar nicht halten. Etwas ratlos da sie sich um. Wie genau sollte Haruka sie wecken? Eher liebevoll oder würde Michiru das übertrieben finden?
 

Obwohl sie sich noch im Halbschlaf befand, fühlte sie sich stark beobachtet. Die Künstlerin spürte förmlich die Blicke auf ihrem Körper. Deshalb war sie auch nicht verwundert, als die blonde Sportlerin sie weckte, indem deren Hand vorsichtig über ihre Wange glitt. Michiru schlug ihre Lieder auf. Erst wirkte es für Haruka so als wäre sie erschrocken gewesen, doch Michiru lächelte.

,,Ist der Film schon zu Ende?", fragte sie mit gebrochener Stimme.

,,Nein, ist er nicht. Ich würde es bevorzugen zu Bett zu gehen", meinte Haruka.

,,In Ordnung."

Die Wege trennen sich

Die folgenden Tage vergingen wie im Flug. In der Schule verbrachten sie jede einzelne Minute zusammen. Zwar erhaschten sie sich da auch eine große Hausnummer an negativen Blicken, doch Haruka ermutigte Michiru immer wieder das nicht an sich ran zu lassen. Und irgendwann waren auch für Michiru diese Blicke nicht mehr interessant.
 

Es war ein Montag, der Harukas ganzes Leben veränderte. Ein Tag, der sie zu einem trauernden Menschen machte. Ein Tag, an dem ihr Herz entzwei brach und sie sich die Vergangenheit zurückwünschte.
 

Der Anfang des Tages war so gleich wie jeder andere auch. Der Wecker holte Michiru aus aus ihrem Schlaf, der sonderbar unruhig gewesen war. Erst überlegte sie  gar nicht aufzustehen, doch am Ende entschied sie sich dagegen, weil sie unbedingt Haruka sehen wollte. Außerdem hätte er der schlafender immer noch betrunkener Vater niemals in der Schule anrufen und sie abgemeldet. Letztendlich machte sie sich also fertig für die Schule. Heute dauerte es länger als sonst, ohne dass sie wusste warum. Aus irgendeinem Grund hatte sie ein ungutes Gefühl.

Doch irgendwann kam Herzrasen dazu, welches immer schlimmer wurde. Ganz langsam atmete sie ein und aus, doch auch das tat nichts zu einer Beruhigung bei.

»Was ist nur los heute?«, dachte sie, aber ein richtigen Grund fand sie einfach nicht.
 

Das ungute Gefühl wurde um einiges schlimmer, als sie den Fuß vor die Tür setzte. Die Kälte schmerzte beim Ein- und Ausatmen in der Nase und ihre Beine zitterten ein wenig.

An der Bushaltestelle angekommen, ruckelte sie ihren Rucksack ab, da sie noch ihre Kopfhörer herausholen wollte. Mit leicht zitternden Händen öffnete sie das kleinste Fach und durchwühlte es, doch da war nichts.

»Gott... Nein...«

In dem Moment, als ihr der Gedanke kam sie noch von zu Hause zu holen, kam der Bus angefahren.

»Na toll.«

Dass sie keine Musik hören und sich somit nicht ablenken konnte, nervte sie total. Anscheinend muss sie das heute ohne schaffen.

Wie jeden Tag stieg sie als Letzte ein und als sie ihren Busfahrschein aus ihrer Jackentasche ziehen wollte, fehlte auch dieser.

» Bitte nicht... «

Schüchtern blickte sie zu dem Busfahrer auf, welcher ziemlich genervt wirkte.

,,Könnten Sie sich bitte mal bei beeilen? Ich bin spät dran, junge Dame", sagte er mit einer Stimme, die sie in Panik versetzte.

Einige Leute sahen sie ebenfalls genervt an. Ihr Herz raste wie verrückt.

,,Ich...", stotterte sie und ruckelte noch einmal den Rucksack ab.

»Ich muss irgendwo Geld haben!!!«

,,Wird's bald?!", begann er zu meckern.

In dem Fach ihres Rucksacks wo sich als einziges Geld finden konnte, befand sich keine Yen. 

,,Zisch ab!", rief er nun.

Michirz zuckte zusammen. Was wollte er jetzt damit sagen? Sollte sie aussteigen? Die Künstlerin wusste nicht weiter. Nur ganz ängstlich sah sie ihn an. Doch  der Busfahrer gab hier ein Handzeichen, dass sie nach hinten zu den Plätzen gehen sollte.

,,Vielen Dank."

Einen Sitzplatz bekam sie leider nicht mehr, dafür war der Bus zu voll. Aber immerhin durfte sie mitfahren.

Der Bus setzte sich in Bewegung.
 

Nach einer Weile vielen einige Regentropfen von einem wolkenverhangenen Himmel. Sie wurden immer mehr zu einem Starkregen. Und die Straßen wurden rutschig.

~

,,So ein Mist. Ich kann kaum was sehen!", fluchte der Busfahrer leise vor sich hin, doch Michiru hatte es gehört.

Und einer Frau, die direkt hinter ihm saß, ebenfalls.

,,Das wurde aber schon vorher gesagt. Es soll die nächsten drei Tage ununterbrochen regnen!", sagte sie empört.

~

Vor dem Bus fuhr ein mit alten Autoreifen beladener PKW, der wahrscheinlich gar nicht hätte fahren können können, da die Reifen nur grob mit einem Seil befestigt waren. Dessen Fahrer war wegen des Unwetters vollkommen auf die Straße vor sich fokussiert, dass ihm gar nicht auffiel, dass einer der Reifen sich langsam löste. Der Busfahrer hinter ihm erkannte den fallenden Reifen zu spät, so dass er gegen die Heckscheibe knallte. Mit Panik hat er versucht, noch dem auszuweichen, aber gleichzeitig kam er auf die Spur des Gegenverkehrs. Sogar das Bremsen half wegen des vielen Wassers auf der Straße nicht mehr, wodurch der Bus noch weiter schlitterte. Es half nur noch ausweichen. Den ersten zwei Autos des Gegenverkehrs könnte er gerade so noch ausweichen, doch da kam auch noch ein dritter angefahren. Erneut versuchte er es mit Bremsen, doch dabei kam der Bus erwartet ins Schleudern. Als der Bus mit einem anderen Pkw zusammenkrachte, fiel er kurzerhand auf die Seite.

~

Michiru war die brenzliche Situation sofort aufgefallen. Deshalb hatte sie auch versucht, sich stärker festzuhalten. Mit gebannter Furcht in den Augen hatte sie in Richtung Heckscheibe gesehen. Als der Busfahrer versuchte den anderen Autos auszuweichen, schleuderte es sie zu Boden.

~

Wegen des starken Rucks, der durch den Fall des Busses entstanden war, waren einige Passagiere nicht mehr in der Lage sich festzuhalten. Die Schwerkraft hat den Rest.

Mit voller Wucht krachte die türkishaarige Künstlerin mit dem Kopf gegen irgendetwas Hartes.

~

Michiru war nicht ganz klar was geschehen war. Sie spürte nichts mehr. Das einzige was sie noch sehen konnte, war völlige Dunkelheit. Ihr war fürchterlich kalt und sie bekam keine Luft mehr. So, als würde etwas in ihrem Hals stecken.

Am liebsten wäre sie aufgesprungen, doch wohin? Sie sah doch nichts mehr.

Plötzlich tauchte etwas vor ihr auf. Ein helles Licht, ein warmes Licht.

𝕶𝖆𝖓𝖓𝖘𝖙 𝖉𝖚 𝖉𝖎𝖊𝖘𝖊𝖘 𝖍𝖊𝖑𝖑𝖊 𝕷𝖎𝖈𝖍𝖙 𝖘𝖊𝖍𝖊𝖓?

»Ja, ich kann das Licht sehen...<

~
 

Haruka bog unwissend in das Gelände ihrer Schule ein. Am heutigen Tag hatte sie recht gute Laune. Deswegen hatte sie die Musik auch etwas lauter aufgedreht.

Nachdem sie ihren Wagen wie gewohnt auf dem Parkplatz der Lehrer abgestellt hatte, zuckte sie ihr Handy. Immer noch keine Nachricht von ihrer geliebten Michiru. Das war doch ein wenig verdächtig. Mit einem unguten Gefühl, was sie nun doch befiek, rief sie die Künstlerin an. Doch anstatt Michirus Stimme zu hören, ertönte nur die Stimme der Mailbox - Frau.

»Was ist nur los? Irgendwas ist hier faul...«, schoss es ihr durch den Kopf.

Allerdings hatte sie noch die Hoffnung Michiru doch noch vor dem Unterricht anzutreffen. Dafür blieb sie extra im strömenden Regen auf dem Schulhof stehen, nur um Michiru sofort abfangen zu können. Sie zitterte am ganzen Körper. Durch den Regen war es doch ziemlich abgekühlt.

Von weiten drängten sie Sirenen eines Rettungswagens in ihr Ohr. Es waren mehrere, die kurz darauf am Schulgelände vorbei rasten. Aus reiner Neugier erzählte sie die Fahrzeuge. 7 Stück waren es. Ihr ungutes Gefühl wurde zunehmend größer, denn immer mehr Zeit verging in der Michiru nicht auftauchte.

Langsam erhob sie ihre Blicke. Ihr ganzer Körper  bebte vor Anspannung.

~

Zwei Mädchen betraten mit ihren Regenschirmen, die sie eigentlich vor dem Regen schützen sollten, das Schulgelände. Sie beeilten sich, um schnell ins Trockene zu kommen. Trotzdem unterhielten sie sich über ein Thema, was ihnen Angst einjagte. Dann Haruka erkannte ihrem Gesicht und Furcht und Entsetzen.

Als sie vor Haruka ankamen, sagte eine:

,,Puuh... endlich angekommen."

,,Ja, ich muss schon sagen, das ist echt extrem", sagte die andere.

Harukas Körper war wie geladen.

,,Gibt es eigentlich auch Tote?", fragte die eine dann wieder.

,,Keine Ahnung. Der Unfall war vielleicht vor 10 Minuten."

Diese Worte schienen sich im Gehirn der Blonden wie zu verfestigen. Auf einmal war sie diejenige, die Angst hatte.

,,Wartet", rief Haruka und hinderte die Mädchen daran, die Schule zu betreten.

,,Ja?"

,,Welchen Unfall meint ihr?" , wollte sie wissen.

Eigentlich wollte sie die Antwort nicht kennen. Viel zu groß war ihre Angst, dass SIE darin verwickelt wurde.

,,Ein Bus hatte einen Unfall. Sieht ziemlich schlimm aus", sagte sie.

,,Welche Nummer hat der Bus?! ", schrie die Blonde plötzlich.

,,Boah, beruhig dich mal! Und ich weiß es nicht. Der Bus war total beschädigt" , hob sie unschuldig die Hände.

,,Der Unfall war aber ganz in der Nähe", gab das andere Mädchen dazu.

~

In diesem Moment befiel sie eine Angst, welche nicht zu beschreiben war. Wahrscheinlich war es sogar Panik. Die Angst, dass Michiru etwas zugestoßen war, wurde immer größer. Ihr Herz raste und ihr war warm und kalt zugleich.

»Du musst die suchen!«, sagte eine innerliche Stimme zu ihr.

~

Ihre Beine trugen sie so schnell wie sie konnten, als würde sie um ihr Leben rennen. Der Regen peitschte ihr dabei ständig ins Gesicht und völlig durchnässte Haarsträhnen klebten an ihrer Stirn. Obwohl ein undefinierbarer Schmerz sie am Rennen hintern wollte, trieb das Adrenalin sie immer weiter voran. Es war, als würde ihr Körper gegen ihren Willen ankämpfen.

Während sie rannte, fuhren Polizeiwägen mit Blaulicht an ihr vorbei. Es herrschte Chaos. Doch davon bekam die Blonde nichts mit. Ihr Blick war fest vor sich fokussiert, denn jetzt durfte sie auf gar keinen Fall hinfallen und sich verletzen.

~

Von weitem erkannte sie die Unfallstelle, da sämtliche Fahrzeuge dort an einer Stelle standen. Und Massen an Gaffern, die darum herumstanden und Fotos machten.

Noch immer von Panik befallen, rannte sie zu den Menschen.

,,Was ist mit den verletzten?!, schrie sie eine ältere Frau an, die damit beschäftigt war, Fotos von den völlig zerstörten Bus zu machen.

,,Die wurden schon ins Krankenhaus gebracht."

~

Der Geruch von Desinfektionsmittel. Haruka hasste diesen Geruch abgrundtief, doch das ignorierte sie vollkommen. Stattdessen rannte sie zu der Information rüber. Völlig geschafft stützte sie sich an den Tresen ab. Das Adrenalin schon immer noch in ihr Blut.

,, Michiru ... Michiru Kaioh. Wo ist sie?", fragte sie unter keuchen.

,,Sie sind ein Verwandter von ihr?" , fragte die junge Frau.

Ohne weiter nachzudenken gab sie sich als Mann aus.

,,Ich bin ihr Freund", log sie , doch eigentlich war es ja nicht komplett gelogen.

,,Hmm... Ich schaue nach."

Sie tipote etwas - wahrscheinlich Michirus Namen- in die Tastatur ein.

,,Mmhhh... sie ist noch nicht eingetragen."

,,Ja, weil sie gerade eben einen Unfall hatte."

Obwohl keine ihr das je bestätigt hatte, war sie der festen Überzeugung, dass Michiru in diesem verunglückten Bus gesessen hatte.

,,Okay, ich glaube da müssen sie sich gedulden."

,,Ich will wissen wie es ihr geht!"

Nun liefen doch Tränen über ihre stark geröteten Wangen.

,,Es tut mir sehr leid für Sie, aber Sie müssen warten."

,,Wo ist die Notaufnahme?!"

,,Sie sollten lieber warten. Bitte behalten Sie-"

In dem Moment kam Frau Sato, Michirus Mathematiklehrerin, angerannt.

,,Frau Sato?!", rief Haruka verwundert.

,,Du willst sicher zu Michiru, habe ich recht?", fragte die Frau.

,,Ja", murmelte die blonde unter Tränen.

,,Komm."

~

Als die Sportlerin das Namensschild an der Tür las, setzte ihr Herz fast aus. Ich Herz raste noch immer. Gleichzeitig hatte sie das Gefühl jeden Moment zusammenzubrechen.

,,Du musst es stark sein, Haruka. Der Arzt hat vorhin in der Schule angerufen...", durchdrang Frau Sato Stimme die Stille.

,,Was... Wieso?"

Statt ihre Schülerin eine Antwort zu geben, öffnete sie die Tür.

Es war wohl der größte Schock, den Haruka jemals hatte, als die Michiru zu Gesicht bekam. Auf wackligen Beinen schlürfte sie zu dem Krankenbett.

Die türkishaarige Künstlerin lag wie ein lebloser Körper in dem Bett. Zahlreiche Kabel und Schläuche waren an ihr befestigt - und eine Atemmaske. Haruka sah auch die Geräte, die irgendetwas anzeigten, unter anderem ihre Herztöne. Ein eiskalter Schauer jagte ihr über den ganzen Körper, nachdem sie die ganzen Verbände sah.

Die Blonde stand unter Schock, das konnte sogar Frau Sato sehen. Die legte ihr die Hand auf die Schulter.

,,Haruka?", sprach die Frau mit einer ruhigen Stimme.

,,Was ist mit ihr? Warum sind ihre Augen geschlossen?", jammerte sie.

,,Sie wird ihre Augen nicht so schnell wieder öffnen", sagte sie vorsichtig.

~

Haruka fühlte nur unendliche Leere. Viel zu sehr wünschte sie sich, dass dieser von ihr über alles geliebte Mensch endlich aufwachen würde. Aber Michiru machte keine Anstalten dazu.

» Sie wirkt wie tot. «

Der Gedanke daran brachte sie umso mehr zum Weinen. Wenn das Gerät, was ihre Herztöne aufzeichnete, nicht wäre, hätte sie das wahrscheinlich auch gedacht.

Unzählige Verbände versteckten wahrscheinlich schlimme Wunden. 3 Stück zählt sie. Einen am Kopf, einen am Arm und den dritten am Bein. Das andere Bein sowie ihre Hände waren begipst und ihr Hals schien ähnliche Verletzungen erlitten zu haben.

~

Mit Laufenten Tränen sah sie Richtung Frau Sato. Was ist mit ihr?, fragte sie erneut, aber mit heiserer Stimme.

,,Michiru liegt im Koma", sagte sie.

Ihre Worte schallten.

          Ihre Worte veränderten etwas in Haruka.

              Sie veränderten ihre ganze Personen.

Gibt es Besserung?

»~Liebes Tagebuch,

Michiru liegt nun seit 52 Tagen 5 Stunden und 23 Minuten im Koma. Eine viel zu lange Zeit. :(

Mir ist bewusst, dass sie hört was ich zu ihr sage, aber trotzdem fehlt sie mir unendlich sehr. Jeden verdammten Tag habe ich sie besucht, jeden verdammten Tag muss ich mit dem Anblick kämpfen.

Ich glaube, es ist knapp 53 Tage her, als ich das letzte Mal ein Lächeln auf meinen Lippen hatte. Ich vermisse sie. :(

Ich liebe sie so sehr und obwohl sie mir so nah ist, ist sie doch so weit entfernt. :(«~
 

Seit Michiru ins Koma gefallen war, schrieb Haruka ein Tagebuch. Darin schrieb sie alle Neuigkeiten nieder, die es in ihrem neuen Leben gab- also so gut wie gar keine. Wahrscheinlich ging es in jedem Satz und Michiru, da es um nichts anderes mehr ging.

Mit Tränen in den Augen legte die Blonde ihr Tagebuch beiseite. Wie immer legte sie es gemeinsam mit einem Kugelschreiber auf dem Nachttisch, der neben dem Krankenbett stand. Das tat sie immer, da sie immer nur hier hineinschrieb, deswegen blieb das Buch auch im Krankenhaus.

Haruka seufzte.

In der ganzen Zeit hatte sich Michirus Zustand nicht verbessert. Zwar waren mittlerweile die Verletzungen verheilt, Narben waren dennoch hinterblieben, doch mehr hatte sich besser nicht verändert. Es wirkte beinahe so, als würde sich nie etwas ändern, doch Haruka hatte die Hoffnung noch nicht verloren. Irgendwann würde irgendwas besser werden.

Mit einem traurigen Ausdruck in ihren Augen musterte sie das 'schlafende' Mädchen. Sie wirkte genauso wie an dem Tag, als der Unfall geschah. Ihre Lider zucken genauso wenig wie am ersten Tag. Und sie lag genau so da wie am ersten Tag. So wie zu jedem Besuch sah sie sich ihre Freundin genau an. So wie jeden Tag.
 

Die Situation schien aussichtslos. Haruka war nicht mehr in der Lage in die Schule zu gehen. Sie verlor sich dem Alkohol, kam da zwar auch wieder heraus, doch sie fand nicht den Weg zurück in die Realität und in die Gesellschaft. Sie isolierte sich, bekam psychische Probleme.

Mit 21 Jahren änderte sich für Haruka zumindest ein kleiner Teil in ihrem nun so trostlosen Leben. Sie bekam einen Job in der USA, den sie nach langen Überlegen annahm. Es kostete sie viel Überwindung Michiru in Japan zurückzulassen, aber letztendlich hat sie es trotzdem. Danach wurde sie jahrelang von Schuldgefühlen geplagt.
 

Es war ein warmer sonniger Novembertag. Die Bäume rauschten und die Vögel sangen mit fröhlichen Stimmen ihre Lieder. Der Tag wirkte beinahe so wie jeder andere.

Zum Glück der Patienten im Krankenhaus war eine Violinistin gekommen, die den Kranken mit ihren Instrument Lieder vorspielte. Die einzelnen Noten schallten in dem ganzen Gebäude umher.

Unwissend trat eine Krankenschwester in Michirus Zimmer ein, da sie ein wenig frische Luft für die 'schlafende' Patientin hereinlassen wollte. Mit einer summenden Stimme kippte sie das Fenster an und kontrollierte die Geräte, welche mit Michiru verbunden waren. Es war alles ganz normal - den Umständen entsprechend.

Danach verließ die Frau wieder den Raum.

~

Die Melodie der Violine verstummte, setzte aber nach einem ebenfalls schallenden Applaus zu einem weiteren Lied ein.

Diese Klänge lösten etwa Cindy aus. Die Lieder erinnerten sie an etwas- an ihr Hobby, dem Violine spielen.

Schon vor einigen Tagen wurden bei ihr die Schlafmedikamente heruntergesetzt, da der Arzt so langsam der Meinung war, dass es Zeit zum Aufwachen war.

~

Nach einigen Minuten kam die Krankenschwester wieder in das Zimmer zum Fenster zumachen. Dabei ließ die Frau die Tür auf. Dadurch wurden die Klänge noch lauter.

Es wurden ihr vertraute wieder gespielt, die sie auch öfter gespielt hatte.

Als die Schwester sich wieder umdrehte, bemerkte sie das Zucken der Augenlider.

,,Oh mein Gott!", rief sie ganz aufgeregt,

,,Herr Doktor! Herr Doktor!"

Total durch den Wind rannte sie heraus.

Kurz darauf kam sie gemeinsam mit dem Arzt wieder zurück.

Mittlerweile hatte die Patientin ihre Augen geöffnet. Ganz langsam zwinkerte sie.

,,Guten Tag Frau Kaioh",  sprach der Arzt,

,,Willkommen zurück."

Michiru fragte sich warum er so etwas zu ihr sagte. Deshalb antwortete sie ihm auch nicht. Ihre Lider fühlten sich so schwer an, aber gleichzeitig war sie hellwach, als hätte sie unendlich lang geschlafen. Erneut sagte der weiß gekleidete Mann etwas, der für sie wie ein Arzt aussah, allerdings verstand sie nichts. Mit einem Gerät leuchtete er in ihre Augen, was sie noch mehr verwirrte. Die Künstlerin wollte fragen, was genau er mit ihr vorhatte, doch es kam nichts weiter als ein Grummeln über ihre Lippen. Das Sprechen fiel ihr unglaublich schwer und obwohl sie sich dermaßen anstrengende, war nichts Vernünftiges zu hören. Ihr Herz begann zu rasen, was sie auch durch das Gerät neben ihr hören konnte.

,,Sie brauchen keine Angst haben", lächelte der Mann.

Die Schwester begann die Flexüle an ihrem Arm zu entfernen.

,,Wissen Sie wie Sie heißen?", wollte der Mann wissen.

Mädchen sah ihn noch verwirrter an. Dann aber versuchte sie zu sprechen. Dabei konnte sie sich ihren jetzigen Zustand gar nicht erklären.

,,Mi- chi- ru", murmelte sie ganz langsam.

Währenddessen bemerkte sie, dass sie ihre Lippen kaum auseinander brachte. Der Arzt machte auch noch weitere Untersuchungen, danach verschwand er.

Die Schwester blieb aber im Raum. Mit einem ausdruckslos Blick sah Michiru die Frau an.

,,Wa- s is-t pass-iert", begann sie weiter zu Murmeln,

,,Wo ist Ha-ru-ka?"

Es war ganz deutlich sichtbar, dass die Schwester keinen Plan hatte, was sie sagen sollte und deswegen bekam sie leichte Panik.

,,Ähm...  ich komme gleich zurück, Frau Kaioh", stotterte sie, danach verschwand sie wie ein Blitz.

Michiru bekam allmählich Angst.

,,Was.. Ist hie-r lo-s?", sagte sie vor sich hin und dabei bemerkte sie, dass das Sprechen schon leichter ging.
 

Nach einer Weile kam die Schwester zurück mit einer weiteren Person. Es war eine gut aussehende junge Frau mit sehr langen grünen Haaren. Sie trug auch weiße Kleidung.

,Guten Tag. Ich bin Oberärztin Dr. Meioh. Ich würde sie gerne über ihren Zustand aufklären", sagte sie.

»Oh, Oberärztin«, dachte die Türkise, nur warum?

»Warum liege ich überhaupt im Krankenhaus?«

Die neue dazugekommene Ärztin setzte sich auf einem Stuhl neben ihrem Bett.

,,Also... Vorerst will ich Ihnen sagen, dass Sie bitte keine Panik schieben sollen, wir werden uns weiterhin gut um sie kümmern", sagte sie.

Für die Türkise klang das ziemlich angsteinflößend.

,,Sie... lagen im Koma, Frau Kaioh. 12 Jahre lang", sagte sie nun weiter.

Michiru blieb fast der Atem weg.

,,Bitt-e  hör-en sie auf mich an-zu-lüg-en, bat sie die Ärztin.

,,Ich werde sie niemals belügen, Frau Kaioh. Es ist nur die Wahrheit."

,,Wo ist Ha-ru-ka?", wollte Michiru nun wissen, da sie dem Ganzen noch immer keinen Glauben schenken konnte.

Natürlich wusste Setsuna genau wen ihre Patientin meinte.

,,Sie meinen sicherlich ihre Freundin?", fragte sie und wartete ein Nicken ab,

,,Am Anfang ihrer Bewusstlosigkeit hat Frau Tenoh sie noch täglich besucht, aber irgendwann tauchte sie nicht mehr auf" , sagte Setsuna.

Ihr war natürlich klar, dass ihre Patienten sie als ihre ehemalige Schulkameradin nicht mehr erkennen würde. Dafür war viel zu viel Zeit vergangen und sie hatte sich zu sehr verändert.

Michiru konnte dieser Aussage keinen Glauben schenken, das klang für Sie viel zu absurd.

,,Un-d wo ist mein Va-t-er?"

Setunsa senkte etwas traurig den Kopf.

,,Er hat Sie nur ein einziges Mal besucht. Wir wissen nicht wo er sich momentan aufhält."

Eine einzige Träne floss über ihre Wange.

,,Nein... Nein", sagte sie verzweifelt,

,,Das mu-ss ein Alb-trau-m sein, schluchzte sie.

Die Ärztin fuhr sich in nervös durch die Haare.

,,Es tut mir wirklich leid", sagte sie.
 

Noch am gleichen Tag wurden Massen an Untersuchungen an ihr gemacht, die sie alle über sich ergehen ließ, obwohl sie gar keine Nerven mehr hatte. Es bestand nur noch der Wunsch, endlich aus diesem Alptraum aufzuwachen.

In der Nacht ergriff sie die Chance. Da nur wenig Personal in der Nacht Aufsicht hatte, konnte sie wohl nicht allzusebr auffallen. Es gab keine Maschinen oder irgendwas in der Art, die noch an ihr befestigt waren. Also konnte sie getrost aufstehen. Mit schnellen Schritt lief sie die Treppe nach unten, hinaus aus dem Krankenhaus. Sie wollte weg von diesem schrecklichen Ort, der ihr vorgaukelte, sie hätte 12 Jahre lang im Koma gelegen.

Ihr Herz raste, ihr war heiß und kalt zugleich, dabei war es schrecklich kalt draußen. Doch die Krankenhausklamotten spendeten nicht viel Wärme. Mit Tränen in den Augen sah sie in den Himmel, sah die leuchtende Mond sich an.

,,Was ist mit mir los? Ich will aufwachen", schluchzt sie.

Danach rannte sie weiter. Während sie rannte, wurde ihr Blickfeld grau, so grau, dass sie nichts mehr sehen konnte.

Sie sah das Auto, was die Reifen verloren hatte, den Regen, wie sie herum geschleudert wurde. Schreiend fiel sie auf die Knie nieder . Der Asphalt drückte so tief in ihre Knie, bis es blutet. Ihr Herz schien aus ihrer Brust rausspringen zu wollen so sehr raste es.

Michiru was ich sicher. Das konnte nur ein Albtraum sein, denn so etwas war viel zu unreal. Allerdings bemerkt dass die dann die Schmerzen, die von ihren aufgeschlagenen und blutenden Knien kamen. Das Schmerz fühlte sich so real an. Ein Albtraum kam nicht mehr in Frage.

,,Was war das gerade? Habe ich halluziniert?", fragte sie sich.

Ihr war zwar klar, dass sie geschlafen hatte, aber doch nicht so lange. Wie alt wäre sie dann? 27? Das konnte nicht sein. Und warum war ihr Blickfeld plötzlich so grau geworden? Ein gewisser Druck lag noch immer auf ihren Brustkorb. Dem Anschein nach war das wohl eine Panikattacke.

Mittlerweile hatte sie sich ein wenig beruhigen können. Irgendwann stand sie wieder auf, die Gedanken blieben aber beim gleichen Thema. An das, was bevor sie eingeschlafen war, passiert war, konnte ich sie sich kaum erinnern. Warum hatte sie überhaupt geschlafen und warum das Koma? Doch im Moment war es ihr wichtiger Haruka zu finden, dass sie unbedingt einen Rat benötigte. Was ihr aber sofort aufgefallen war, dass sich Tokio komplett verändert hatte. Alles sah anders aus, neumodiger. Und dazu befand sich keine Menschenseele draußen.

Mit neuer Panik blieb sie stehen. Das war nicht das Tokio, was sie kannte. Eine Angst macht es sich in der breit.

Als sie zu Seite blickte, sah sie sich in einer Fensterscheibe eines Ladens. Was sie dort zu Gesicht bekam, war garantiert nicht sie selbst. Da stand eine erwachsene Frau. Das konnte also nicht wahr sein. Die war 15! Voller Hoffnung drehte sie sich um, doch niemand stand hinter ihr. Erneut sah sie Richtung Fensterscheibe. Diese völlig fremde Frau stand noch immer an Ort und Stelle.

,,Das bin nicht ich", murmelte sie nun wieder mit Tränen in den Augen.

Langsam trat sie auf die Frau zu und auch sie kam immer näher. Sie machte genau die gleichen Bewegungen wie Michiru. Als sie nur noch wenige Zentimeter von der Scheibe und ihrem Spiegelbild entfernt war, riss sie plötzlich ihre Augen auf und schlug mit voller Verzweiflung in ihr Spiegelbild ein.

,,Ich will das nicht sein! Das bin ich nicht!", schrie sie.

Ihre Hand zitterte vor Schmerzen.
 

Die ganze Nacht irrte sie durch die Stadt. Dabei bemerkte sie auch, dass Tokio sich gar nicht dermaßen verändert hatte. Nur einige Gebäude sahen anders oder sogar neu aus. Auch die Straßennamen waren gleich geblieben. Deshalb war sie auch froh, endlich das Haus gefunden zu haben, wo Haruka wohnte. Allerdings stand der name gar nicht mehr an der Klingel. Geschockt ging sie nochmal alle Namen durch, aber weder eine Haruka noch eine Frau Tenoh wohnte hier. Ihr Herz schien entzwei zu brechen. Das konnte doch nicht wahr sein!
 

Sie wusste nicht mehr wohin mit ihr. Nach Hause konnte sie wohl auch nicht, denn Geld für einen Bus besaß sie nicht.

Irgendwann lief sie nur noch durch die Stadt, ohne jedes Ziel.

In der gleichen Sekunde lief eine Person an ihr vorbei- eine Frau. Michiru starrte sie an und ihr Herz schien einen kurzen Aussetzer zu machen, so erschrocken wie sie war. Ganz unauffällig betrachtete sie die Fremde: blonde leicht verwuschelte Haare, Kleidung, die ganz klar sehr viel Geld gekostet hatte und eine Sonnenbrille, obwohl gar keine Sonne schien - es war Nacht.

Während die Frau an ihr vorbei lief, schob die Frau neugierig ihre Sonnenbrille herunter. Für die Frau  war das sicherlich ziemlich einleuchtend, immerhin trug Michriu gerade typische Krankenhauskleidung, was ziemlich auffällig war. Dennoch lief sie weiter, ohne stehen zu bleiben.
 

Irgendwann war tatsächlich Morgen.

Der Hunger plagte sie schon seit einigen Stunden, aber so schnell würde sie nichts bekommen. Was war es jetzt eigentlich? Eine Obdachlose? Sie hatte kein Zuhause, also war sie es wohl.

Es war 10 Uhr morgens laut der Uhr in einem Schaufenster.

Sie machte den Entschluss, das Radhaus aufzusuchen, da sie unbedingt Haruka und ihren Vater finden musste. Zu ihrem Glück befand es sich noch an dem gleichen Ort wie früher.
 

Nach 10 Minuten verließ sie das Haus mit große Enttäuschung, denn die Mitarbeiterin wollte ihr keine Auskunft geben. Und als sie den Namen Haruka Tenoh erwähnt hatte, hatte sie ziemlich große Augen gemacht.

Genervt stieß sie einen Seufzer aus. Obwohl die Sonne schien, war es ziemlich kalt, was man im November auch nicht anders erwarten konnte. Anscheinend wollte das ganze Leben gegen sie spielen, so jedenfalls fühlte es sich für Sie an. Nachdem sie sich in dem Schaufenster gesehen und gründlich darüber nachgedacht hatte, konnte sie der Koma- Sache einen Glauben schenken.

Erschöpft ließ sie sich auf einer Parkbank nieder. Die Müdigkeit hatte sie ebenfalls langsam einen geholt.

»Was soll ich jetzt nur machen?«, fragte Michriu sich.

In dem Moment kam er eine gute Idee. Wenn sich noch nicht allzuviel in Tokio verändert hatte, dann müsste es diese Einrichtung noch geben.
 

Mit einem komischen Gefühl blieb sie stehen.

Der Weg dorthin hatte sie an ihrer Schule vorbeigebracht, die sich in den Jahren kaum verändert hatte. Nur am Schulhof hatte es einige Veränderungen gegeben, doch die Fassade war die Gleiche geblieben. Einzelne Schüler liefen noch über den Hof, obwohl eigentlich schon Unterricht war. Sogar die Schuluniform war so geblieben. Tränen bahnten sich über ihre Wangen.

»Ich möchte noch nicht erwachsen sein. Was ist mit meinem Schulabschluss und meinem 18. Geburtstag? Oder mit dem Anfang meiner 20er Jahre? Die kann ich doch nicht einfach so verpasst haben!", dachte sie.

Die Künstlerin wünschte sich in die Zeit zurück, als sie noch zur Schule ging und als sie Haruka kennengelernt hatte. Haruka... Wo befand sie sich nur?

Mit einem hängenden Kopf lief sie weiter. Ihr Ziel war dabei eine Einrichtung für Obdachlose, die für Betroffene Kleidung aus teilte. Vielleicht werden sie ihr gar nichts geben, da sie nie nicht gerade nach einer Obdachlosen aussah, eher nach einer Geflüchteten, aber ein Versuch war es wohl wert.

Als sie vor dem Haus ankam, war sie schon ein wenig erfreut. Wenigstens musste sie nicht mehr frieren. Es kostete doch ein wenig Mut die Treppe hinauf zu gehen und die Tür zu öffnen. Irgendwie fühlte es sich für sie an, als würde sie etwas Peinliches preisgeben.

Eine junge Frau lief in dem eher kleinen Raum herum, indem Massen an Kleidung lag.

,,Guten Morgen", lächelte sie.

,,G-Guten Tag."

Ihr Herz raste, ihre Angst nahm plötzlich überhand. Laut atmend trat sie einen Schritt rückwärts.

,,Geht es ihnen nicht gut? Brauchen Sie einen Arzt?" , fragte die Frau.

Michriu war schlagartig blass geworden.

,,Nein, also... Es ist alles in Ordnung", sagte die Türkishaarige.

,,Okay, was genau suchen Sie? Wollen Sie vielleicht vorher etwas essen?"

Michriu senkte die Blicke. Das war zwar sehr freundlich, aber trotzdem wollte sie so schnell wie möglich hier raus. Ihre Angst, dass jemand ihr etwas antun könnte, wurde immer größer.

,,Nein, danke. Ich brauche bloß etwas zum Anziehen", blockte sie das Angebot ab.

Die Frau nickte.

,,In Ordnung"

Nach ungefähr 15 Minuten verließ sie die Einrichtung wieder. Die Frau hatte ihr wärmere Kleidung gegeben und sogar noch eine Decke angeboten, doch die hatte Michiru dankend abgelehnt. Als sie dann endlich an der frischen Luft war, konnte sie endlich wieder durchatmen. Die kalte Luft für sie ihre Lunge, danach ließ sie sie wieder heraus strömen.

Den Rest des Tages verbrachte sie damit, durch die Stadt zu irren. Ohne jedes Ziel. Und mit unberechenbaren Hunger, aber den konnte sie nach kurzer Zeit ignorieren.
 

Gegen 22 Uhr begann es zu regnen. Auf solch ein Wetter war sie absolut nicht vorbereitet. Einen Zufluchtsort kann sie jedoch nicht.

Der Himmel hatte schnell eine lilane Farbe angenommen und kurz darauf waren die ersten Blitze zu sehen und zu hören. Auch der Regen wurde schlimmer, doch das ändert sich schon nichts mehr an der Sache: Michriu war komplett durchnässt.

Mit Tränen in den Augen saß sie auf einer Bank eines menschenleeren Parks. Sie zitterte am ganzen Leib. Die Kälte wurde unerträglich. Sie zog die Knie an, versuchte sich so klein wie möglich zu machen, doch auch das brachte keine Wärme mit sich.

Aufgenommen

~»Geschockt starrte ich sie an. Vor ein paar Tagen hatte ich sie in einem gesunden Zustand gesehen und nun hang sie an sämtlichen Maschinen, die sie am Leben erhielten. Wenn ich nicht wüsste, dass sie 'bloß' bewusstlos war, hätte ich einen Nervenzusammenbruch bekommen, weil ich gedacht hatte sie sei tot. Doch das war sie nicht. Sie befand sich aber in einem Schlaf, von dem ich nicht wusste wie lang er anhalten würde. Vielleicht würde sie das auch gar nicht überleben? Ich hätte sie für eine Leiche halten können. Der blasse Körper ließ darauf schließen. Ihre wundervollen Augen, die ich so sehe liebte, waren geschlossen. Und sie bewegte sich keinen Millimeter. Nur ihr Brustkorb hebte sich, allerdings schwacher und ohne der Atemmaske, die ihr halbes Gesicht bedeckte, wäre sie wohl gar nicht in der Lage zu atmen. Ich betrachtete einer der Maschinen, die ihre Herztöne aufzeichnete. Ich starrte die aufgezeichneten Kurven an, bis ein langes monochrones Piepen ertönte.«~

Mit einem lauten Schrei fuhr sie hoch. Kalter Schweiß lief über ihre Schläfen. Kalte nasse Haarsträhnen klebten an ihrer Stirn. Laut atmend versuchte sie ihr Herz wieder zu beruhigen.

,,Es war nur ein Albtraum, Haruka", versuchte sie sich zur Ruhe zu bekommen.

Die Lampe neben ihr auf den Nachttisch war noch eingeschaltet. Sie erhellte den Raum zumindest ein kleines bisschen, denn seit geraumer Zeit konnte sie wegen der ständigen Albträume nachts nicht mehr im Dunkeln schlafen.

,,Michiru....", murmelte sie traurig.

Diese Zeit war zwölf Jahre her, doch darüber hinweggekommen war sie noch nicht. Stattdessen trauerte sie ihr bisher heute hinterher. Die Sportlerin war von ihrem Tod überzeugt. So lange hatte man wohl kaum jemanden im Koma behalten.

Seit zwei Monaten lebte Haruka wieder in Tokio. Die Zeit des Rennfahrens in der USA war für sie beendet. Deswegen war sie auch zurück nach Japan in eine Villa gezogen. Durch das Rennenfahren hatte sie viel Geld zusammen bekommen, dass sie wohl nie wieder arbeiten gehen müsste.

Erst hatte sie noch vor weiter zu schlafen, aber da sie zu sehr durch den Wind war gab sie das ganz schnell auf.
 

Mit einem hängenden Kopf, einer traurigen Miene und lustlos hängenden Armen schlürfte sie in die Küche. Obwohl sie eine Villa besaß, gab es keine Angestellten. Jediglich eine Putzfrau kam zweimal wöchentlich.

In der Küche angekommen machte sie sich einen Kaffee und legte die Tabletten gegen Panikattacken heraus, falls noch eine kommen sollte. Der Kaffee wurde sehr stark. Seufzend griff sie nach der Tasse und ging mit einer Zigarettenschachtel auf eine riesige Terrasse.

Nachdem sie eine geraucht und den Kaffee getrunken hatte, schloss sie die Augen. Irgendwie hatte sie die Hoffnung dadurch etwas ruhiger zu werden.

Nach einigen verstrichenen Minuten öffnete sie wieder ihre Lider, als plötzlich ein kleiner Schatten an ihr vorbei huschte. Im ersten Moment war sie so erschrocken, doch dann sah sie, wer ihr da so Angst eingejagt hatte: Es war ihre Hündin Sammy. Den drei Jahre alten Bernharddiener hatte die Blonde damals in der USA aus einem Heiden geholt.

,,Sam", rief sie.

Es dauerte nicht mal 5 Sekunden, da kam die Hündin schon angerannt.

Ihr Schwanz wedelte aufgeregt umher und da sie  bemerkte wie es ihrem Herrchen im Moment ging, legte sie ihre Pfoten auf Harukas Schoß.

,,Hey, meine Kleine. Wo hast du dich denn herumgetrieben, hm?", sagte sie und graulte ihr den Kopf,

,,Weißt du... Ich hatte wieder einen Albtraum. Es ging mal wieder um Michiru... Ich glaube, du würdest sie lieben, Sam."

Seufzend blickte die ehemalige Rennfahrerin in den Himmel, welcher mit leuchtenden Sternen bedeckt war.

,,Irgendwo da oben ist sie, Sammy."

Tränen liefen nun wieder über ihre Wangen hinab.

,,Ich vermisse sie."
 

Bis es hell wurde blieb sie da draußen gemeinsam mit Sam, die ihre Herren trösten wollte. Gegen 9 Uhr erhob sie sich und machte Frühstück. Auch Sam bekam etwas Frisches. Danach ging es einkaufen. Das erledigte sie prinzipiell immer am Morgen, da zu dieser Zeit meist nicht so viele Menschen unterwegs waren. Seitdem sie wieder in Tokio lebte, hatte sie sich stark zurückgezogen, das war ihr sogar selbst aufgefallen.

Als sie vor die Haustür trat, gab Sammy sofort ein lautes Bellen von sich. Haruka schenkte dem nicht viel Beachtung, da sie dachte, dass sie wohl etwas auf der Straße entdeckt hatte. Je näher sie aber dann dem Tor kamen, desto besser sah sie, was ihre Sammy gemeint hatte.

Vor dem Eingangstor lag eine Person bewusstlos auf dem Boden. Es dauerte einen kurzen Moment, bis Haruka checkte, dass diese Person Hilfe benötigte. Aber dann rannte sie auch. So schnell wie möglich riss sie das Tor auf, rannte zu ihr und drehte sie auf die Seite.

,,Hallo? Hören sie mich? Soll ich einen Arzt für sie holen?", rief sie und schüttelte an der jungen Frau.

Langsam öffnete sie ihre Augen, allerdings nur für eine Sekunde lang.

,,Bitte keine Polizei", murmelte sie.

Haruka sah sie ein wenig geschockt an. Die Kleidung des Mädchens war durchnässt und sie wirkte sehr geschwächt. Zuerst war da ein Zögern von Harukas Seite, doch danach überlegte sie gar nicht mehr - sie handelte nur noch, weil sie der Frau helfen wollte.

,,Ich nehme sie mit in mein Haus", beschloss sie.

Ein kleines Stück konnte das Mädchen mit Harukas Hilfe laufen, doch bei der Hälfte des Weges zur Haustür brach sie in sich zusammen.
 

Ihre Lider fühlten sich unvorstellbar schwer an. Es hatte etwas von dem Tag, als sie aus dem Koma erwachte, aber nicht ganz so extrem. Der Geruch der Umgebung war fremd, aber irgendwie auch vertraut. Jedenfalls roch es nicht nach Desinfektionsmittel, also konnte sie sich nicht im Krankenhaus wieder befinden. Es kostete viel Kraft die Augen zu öffnen. Kraft, die sie in diesem Moment kaum besaß. Nun fiel ihr es wieder ein: Sie war in der Stadt herum geirrt und war letztendlich irgendwo zusammengebrochen. Michiru zog scharf die Luft ein. Die Wände waren in einem zarten Lila gestrichen, was ihr nicht bekannt vorkam. Wie war sie hier reingeraten? Hat jemand sie gefunden oder wurde sie gar entführt? Langsam sah sie zu Seite. In dem Zimmer befand sich keine weitere Person, sie war allein. Ein eiskalter Schauer jagte über ihrem Rücken. Wo war sie? Wurde sie irgendwo festgehalten? Sofort fuhr sie hoch, schlug die Decke von ihrem Körper und stand auf. Jemand sie also in ein Bett gelegt. Der Stoff an ihren Beinen fühlte sich seltsam an. Geschockt sah sie an sich herunter und musste feststellen, dass jemand sie umgezogen hatte. Sie trug ein übergroßes braunes T-Shirt und sogar Kuschelsocken.

»Wer zum Teufel war das?«
 

Haruka war nicht ganz gut zumute. Sie hatte die fremde junge Frau in ihr Gästebett gelegt, obwohl sie sie gar nicht kannte. Aber irgendwie tat sie Haruka total leid. Hätte die Blonde sie nicht gefunden, wäre sie am Ende noch an Unterkühlung gestorben. Die Frau war sicherlich obdachlos, denn die Kleidung sah ziemlich alt und ranzig aus. Doch so generell sah sie sogar etwas gepflegt aus. Vor allem waren ihr die langen türkisen locken aufgefallen, die sie an eine ganz bestimmte Person erinnerten. Haruka wusste jedoch, dass das ziemlich gesponnen war. Die Fremde sah im Gesicht viel zu eingefallen aus.

Aus diesem Grund hatte sie auch eine Suppe für sie gekocht. Wenn sie aufwachen würde, wird Haruka auch entscheiden wie es nun weitergehen sollte. Sam tapste an ihr vorbei. Da sie nicht mit ihr Gassi gehen konnte, hatte Haruka die Hündin wenigstens in den Garten gelassen.

,,Na, Mausi? Was meinst du? War das eine richtige Entscheidung?", fragte sie Sammy.

Die Hündin hechelte und wedelte mit dem Schwanz.

,,Ist klar. Du freust dich, wenn ich Gesellschaft habe, ich weiß."

Mit einem Seufzer sah sie auf ihre Marken- Armbanduhr, dessen Zeiger sich kurz nach der 12 befanden.  Es waren erst zwei Stunden vergangen, doch aus irgendeinem Grund war sie ziemlich ungeduldig.

,,Ich denke ich schaue mal nach. Du bleibst hier, Sammy", sagte sie.
 

Michiru vernahm plötzlich Schritte, welche immer mehr an Lautstärke zunahmen. Das versetzte sie in Panik. Ihr Herz begann sofort zu rasen und nach einem Ausweg suchend schaute sie sich in dem Zimmer nach einem Fluchtweg um. Nun waren die Schritte so laut, dass sie ganz in deiner Nähe sein mussten. In der nächsten Sekunde war Ruhe. Kein Schritt, kein Knarren, gar nichts. Als würde jemand vor der Tür stehen geblieben sein. Das Herz der Künstlerin schien aus ihrer Brust rausspringen zu wollen. Zweimal klopft es an der Tür. Nicht mal eine Sekunde, doch für Michiru kam die Zeit elend lang vor. Und danach erst fragt! Die Tür ging langsam auf, so langsam, dass es wie in Zeitlupe passierte. Michiru blieb der Atem weg. Keine Sekunde danach stand vor ihr die Frau, die ihr mit einer Sonnenbrille mitten in der Nacht begegnet war.

Beide hatten wohl einen verwunderten Blick im Gesicht.

Harukas Pupillen weiten sich. Die Ähnlichkeit war doch größer als erwartet. Allerdings wusste sie, dass ihr Gehirn ihr einen fiesen Streich spielte.

,,Ähm, hallo", presste die Blonde hervor.

Michiru getraute sich kein Wort zu sagen. Ihr Herz raste, ihr wurde fast schlagartig heiß und schwindelig.

,,Ich... Also... Ich habe dich von der Straße aufgesammelt. Du lagst bewusstlos auf dem Asphalt", sagte sie, obwohl sie furchtbar aufgeregt war.

Immerhin befand sich eine fremde Frau in ihrem Haus und die war auch noch obdachlos, was aber nicht heissen musste, dass sie gleich den Klischee entsprach.

Haruka sah auf den Boden. Es war doch etwas länger her, als sie das letzte Mal Gesellschaft hatte.

,,Du sagtest zu mir, ich soll keine Polizei rufen. Das habe ich auch nicht gemacht. Ich hoffe aber, dass du keine Verbrecherin bist".

Michiru schüttelte den Kopf.

,,Ich... Habe dir was zu Essen gemacht. Ich schlage vor du isst erst mal etwas und danach sprechen wir mal darüber, wie es weitergehen wird."

Michiru gab nur ein Nicken von sich.
 

Als die Künstlerin eine große Schüssel voll Suppe vor sich hatte, wagte sie es gar nicht sich zu rühren. Der Löffel lag noch unberührt daneben. Die Angst, es könnte vergiftet sein, war zu groß. Die Frau hatte gesagt, dass sie hoffte sie sei keine Verbrecherin. Da konnte es also auch gut sein, dass sie etwas hineingemischt hatte. Ihr Magen knurrte trotzdem.

Haruka hatte schnell bemerkt, dass sie vor irgendetwas Angst hatte.

,,Da ist nichts schlimmes drin. Soll ich auch etwas essen?", meinte sie.

Es gab keine Reaktion darauf. Also stand die Blondhaarige auf, holte sich ebenso etwas und begann zu essen.

,,Siehst du? Da ist nichts schlimmes drin, sonst würde ich es ja nicht essen."

Es reichte als Beweis für die Fremde. Haruka gefragt es sich, wie lange sie nicht mehr gegessen hatte.

Michiru aß davon. Und obwohl sie sehr großen Hunger hatte, aß ist sie sehr langsam und mit Bedacht. Nachdem die Schüssel leer war, stand Haruka direkt auf und fühlte nach.

,,Also...", begann die Blonde dann irgendwann,

,,Ich würde schon wollen, dass du mal sprichst, weil ich mir irgendwie total fies vorkomme, obwohl ich diejenige bin, die hilft."

,,Sie hätten mich liegen lassen sollen", murmelte die Türkishaarige.

,,Das hätte ich wohl machen sollen. Bitte ein wenig mehr Dankbarkeit zeigen", erwidert Haruka nun sichtlich angenervt.

,,Tut mir leid."

Ich frage mich gerade, warum ich dir geholfen habe. Du bist nicht mal dankbar!"

,,Ich hätte einfach sterben sollen."

Haruka stockte.

,,Was hast du gerade gesagt?", hob sich ihre Augenbraue in die Höhe.

Es kam keine Antwort darauf.

,,Hast du ein Zuhause?", fragte sie nun.

,,Nein, habe ich nicht."

Das war wenigstens eine klare Ansage.

,,Dann kannst du hier bleiben, wenn du das möchtest."

Michiru sah ihr Gegenüber fast ein wenig geschockt an.

,,Was? Ich? Ich bin doch völlig fremd!"

,,Ich habe Mitleid mit dir... Und... Du erinnerst mich an jemanden", sprach sie mit leicht angeröteten Wangen.

,,So? An wen denn?"

,,Das ist nicht so wichtig."

Michiru senkte den Kopf. Das hätte sie vielleicht nicht unbedingt fragen sollen.

,,Also? Für was entscheidest du dich? Willst du lieber auf die Straße zurück oder hierbleiben?", fragte Haruka mit einer klaren Stimme.

Michiru war sich nicht ganz sicher. Was sollte sie antworten? Diese Person vor ihr schien es sehr gut mit ihr zu meinen, dennoch war sie extrem skeptisch. Sie konnte doch nicht einmal eine kleine Summe zahlen, die der Unterkunft gerecht werden könnte.

,,Ich würde ja gern Ihr freundliches Angebot annehmen, aber ich kann Ihnen wirklich nichts dafür geben", erklärte sie.

Auf den Lippen der Blonden bildete sich ein Lächeln.

,,Dankbarkeit wäre dafür die beste Bezahlung."
 

Haruka hatte ihr danach angeboten duschen zu gehen. Daraufhin war die Künstlerin in dem Badezimmer verschwunden. Dabei hatte sie sich über die Situation Gedanken gemacht, wenn diese durchaus freundliche Frau nach ihrem Namen fragen würde.

Es vergingen einige Minuten, irgendwann war das Rauschen der Dusche nicht mehr zuhören. Deshalb ging Haruka auch ins Bad, da sie davon ausging, dass ihr vorübergehender Gast bereits fertig war, ohne irgendeine Hintergedanken. Sie öffnete die Badezimmertür, als sie plötzlich die junge Frau erblickte. Sie war gerade dabei sich abzutrocknen. Haruka sah zwar nur ihren nackten Rücken, doch das was sie sah war überaus schön. Sie bemerkte während des Starrens gar nicht, dass ihr Körper seltsam steif geworden war.

Nur wenige Sekunden vergingen, bis die junge Frau sich umdrehte und sah, dass Haruka sie anstarrte.

,,Oh Gott! Was wollen sie von mir?!", rief sie panisch und griff nach dem Handtuch, was auf dem Klodeckel lag.

,,Verzeihung" , danach drehte die Blonde sich um und schloss die Tür.

Ungläubig starrte Haruka die Wand vor sich an, welche in einem Grauton gestrichen war. Ihr Herzrhythmus war viel zu schnell, ihre Hand lag auf ihrer Brust als wöllte sie, dass die Hand positiven Einfluss zur Beruhigung hätte. Trotzdem erwies sie sich eher als nutzlos.

»Das war doch nicht wirklich mein Ernst, oder?«, dachte sie.

Wut breitete sich in ihrer Brust aus. Sie konnte doch nicht einer Frau, die ihr vor allem fremd war, beim Anziehen zusehen, obwohl sie eigentlich in eine ganz andere Person verliebt war. Haruka war geschockt von sich selbst. Kaum traf sie auf eine Frau, da schlug ihr Gehirn Alarm.

»Das ist doch nicht mehr normal, Haruka!«

Wütend stampfte sie runter Richtung Küche.
 

15 Minuten waren vergangen, als die Türkise in die Küche trat. Sie wollte der Frau sagen, dass sie gehen wollte, da sie viel zu große Angst hatte, dass sie Opfer eines sexuellen Übergriffs wird. Also jedoch die Blonde an den Tisch mit einem schuldbewussten Blick auffand, war sie sich nicht mehr so sicher.

,,Hey, ähm... Es tut mir leid, ich wollte dich nicht beobachten oder so. Ich habe gedacht du bist schon raus, weil ich nichts mehr gehört habe. Ich hätte anklopfen sollen", sagte sie.

Da die Türkishaarige aber nichts erwiderte, sprach sie weiter:

,,Es tut mir wirklich leid. Ich wollte dir echt nichts antun."

Michiru sah sie einfach nur an. Wahrscheinlich wirkte sie vollkommen ausdruckslos.

,,Du hältst mich jetzt sicherlich für einen Spinner, habe ich recht?"

Noch in der gleichen Sekunde musste sie an die Situation denken, als sie vor vielen Jahren Michiru in dem Pavillon ansprechen wollte. Setsuna hatte sie damals dazu ermutigt. Der Gedanke an diese Zeit - an Michiru- ließ keine gute Laune mehr zu. Schlagartig änderte sich ihr Gesichtsausdruck.

,,Ist alles in Ordnung?", zog die Stimme der türkishaarigen Frau sie wieder aus den Gedanken.

,,Was? Nein, alles gut. Ich wollte bloß, dass du weißt, dass es ausversehen war."



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: Tidus17
2019-06-15T20:08:40+00:00 15.06.2019 22:08
Ich hab erst überlegt ob ich einen Kommentar schreiben soll oder nicht. Da ich aber die FF jetzt gelesen hatte, komm ich nicht darüber hinweg.

Am Anfang hattest du geschrieben:
"denn meine Mutter war nicht in der Lage dazu"~"da sie zu meiner Geburt starb". Klingt von einen Satz zum nächsten etwas skurril. Pass besser bei der Wortwahl auf. Deine Zeitformen sind manchmal etwas verwirrend sowie ab und an die Rechtschreibung, da solltest du öfters nochmal dein Text lesen bevor du es hochlädst.

Genau die Blickwinkel von Haruka und Michiru sind manchmal etwas verwirrend, da man anfangs nicht genau zuordnen kann wer jetzt gerade aktiv ist vom erzählen her.

Jedoch freut es mich das du wieder schreiben tust kleine Schwester ;)
Antwort von:  Michirukaioh
23.07.2019 16:41
Hab dein Kommentar gerade erst gelesen, bin momentan nicht so viel am Handy zwecks Klinik.

Die Wortwahl hab ich so gewählt, da es ja eine Schülerin erzählt, die abfällig über ihre Mutter spricht


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