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Shuichi Akai - Agent auf Abwegen

von

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Gefangen

Es war früh am Morgen als der Arzt Shuichi Akai begrüßte.

"Wie geht es Ihnen heute?" Die Standartfrage erfolgte gleich danach.

"Seit Ihrem letzten Besuch hat es sich deutlich gebessert.", gab Akai dem Arzt an.

"Also weder Übelkeit noch Schwindel?", erkundigte dieser sich wieder und setzte sich auf dem Stuhl neben dem Bett.

"Nur noch ab und zu ein dumpfer Schmerz im Auge, mehr nicht." Akai versuchte es so gut wie es ging zu verharmlosen. Er wollte immer noch schnellstmöglich aus dem Krankenhaus raus.

Der Arzt tastete noch einmal kurz die gleichen Stellen in Akai's Gesicht ab wie letztens, mit der Frage, was er dabei fühlen würde und ob er Schmerzen hätte.

"Nicht mehr ganz so taub wie beim letzten Mal, Schmerzen vernehme ich dabei nicht.", meinte Akai.

"Die Rötung ist auch schon etwas zurückgegangen, es verheilt relativ gut.", stellte der Arzt fest, als er sich das Auge genauer angesehen hatte. Bevor Akai die Frage stellen konnte, welche ihm auf der Zunge lag, hatte der Arzt sie auch schon beantwortet: "So wie es jetzt aussieht, kann ich Sie direkt entlassen. Ich verschreibe Ihnen noch Augentropfen, die sie 3 mal täglich verwenden sollten und nur für alle Fälle ein paar Schmerztabletten."

Akai war gleichermaßen überrascht wie erleichtert. "Dann kann ich heute also bereits gehen?"

"Ja. Bitte bedenken Sie, dass sie den Augenschutz noch mindestens einen Monat lang tragen sollten. Aber auch nicht ständig. Damit das Auge gut verheilen kann, darf es weder zu feucht noch zu trocken werden. Daher empfiehlt es sich das Auge am Tag mehrmals offen zu lassen. Beim Haare waschen sollten sie besonders vorsichtig sein, es darf keinerlei Fremdkörper oder Seife ins Auge gelangen, das könnte eine spätere Rehabilitation ihrer Sehkraft beeinträchtigen."

Akai stutzte. "Rehabilitation? Das heißt, ich könnte wieder auf dem rechten Auge sehen?"

"Naja, vollständig wird ihre Sehfähigkeit mit Sicherheit nicht mehr hergestellt werden können, zumindest nach dem momentanen Stand der Medizin. Da aber ihre Netzhaut nicht beschädigt wurde, sondern lediglich die Hornhaut auf dem Auge mit dem Muskelring der Iris, wäre es in einem Jahr vielleicht möglich diese durch eine künstliche Linse zu ersetzen. Ich will Ihnen da aber nicht zu viel versprechen. Es müsste dann von einem Arzt erneut überprüft werden, ob es wirklich möglich ist oder nicht."

"Verstehe.", sagte Akai. Das waren gute Neuigkeiten.

"Sie müssen aber nichts überstürzen. Nehmen Sie sich die Zeit, die sie brauchen beim Verlassen des Krankenhauses.", gab der Arzt noch Bescheid, als er fast an der Tür angekommen war. "Vorausgesetzt Sie fühlen sich auch wirklich dazu in der Lage?" Er warf seinen Kopf über die Schulter und sah Akai nachdenklich an.

"Doch, es geht schon.", entgegnete er. Ebenso hatte er vor nicht lange zu warten, umso schneller er das Krankenhaus verlassen würde desto besser.

"Ihre Klamotten befinden sich im Schrank.", wies die Schwester ihn auf den Schrank neben dem Tisch hin, bevor sie Akai noch eine gute Besserung wünschte und den Raum verließ.
 

Kaum war sie aus der Tür erhob sich Akai aus dem Bett und eilte zum Schrank. Zu seiner Überraschung befanden sich dort frische Klamotten drin. Scheinbar musste Jodie diese vorbei gebracht haben, ebenso wie die Badsachen. Insgesamt war es jedoch nicht viel, was der Agent zusammenpacken musste und er konnte innerhalb einer halben Stunde das Krankenhaus verlassen.
 

Als Akai durch die große Eingangstür schreitete, atmete er tief durch. Erleichterung breitete sich in ihm aus. Keinen Tag länger hätte er es dort ausgehalten. Einen ungefähren Plan, wie es jetzt weiter gehen sollte, hatte er bereits. Auf jeden Fall würde er dorthin gehen, wo er Gin niemals wieder über den Weg laufen würde. Zu einem Ort, wo er genug Ablenkung von diesem Mann bekommen würde.

Akai stellte sich kurz an die Seite, um ein Telefonat zu beginnen. Er wollte Jodie zumindest noch Bescheid sagen, dass er entlassen wurde. Nach kurzer Zeit nahm die Frau den Anruf auch schon entgegen. "Shu? Was ist los?"

"Ich wollte dir nur mitteilen, dass ich gerade entlassen wurde. Mir geht es wieder gut.", erklärte Akai kurz.

"Das freut mich. Soll ich dich abholen?", fragte Jodie, doch ihr Kollege hatte scheinbar vor dieses Angebot abzulehnen: "Das ist nicht nötig. Ich komme schon klar... außerdem möchte ich mich für längere Zeit verabschieden - zumindest solange, bis meine Beurlaubung vorbei ist."

"W-Was? Aber wo willst du denn hin? Etwa zurück nach Amerika?", verwirrt war Jodie über seine Entscheidung schon, doch ihre Frage hätte man schon in Betracht ziehen können.

"Wahrscheinlich.", murmelte Akai. Es klang jedoch etwas verunsichert, was Jodie schon ein wenig in Sorge versetzte. Doch zu Wort kommen ließ Akai sie nicht mehr: "Also, ich melde mich demnächst wieder. Bis dann." Mit diesen Worten beendete er das Gespräch und ließ das Handy in seine Hosentasche gleiten.

Gerade wollte er den Bürgersteig entlang Richtung Kudo Villa gehen, da dort noch immer sein Auto stand. Als er glaubte zwischen den Personen, die sich am Rand der Straße aufhielten, ein vertrautes Gesicht gesehen zu haben.

"Gin!", schoss es ihm durch den Kopf, doch dann schloss er kurz sein Auge und rief sich zur Besinnung.

"Das kann nicht sein.... Oder?" Ihm fiel sein Traum wieder ein. Es wäre durchaus möglich, dass das ehemalige Organisationsmitglied seinen Aufenthaltsort herausgefunden hatte und ihm nun den Rest geben wollte. Zur Sicherheit musterte Akai die betreffende Person, welche den Kopf gesenkt hielt und auf ein Handy starrte.

"Nein, das ist nicht Gin. Er würde nie so einen grünen Kapuzenpullover und ausgewaschene Jeans tragen!" Erleichtert, aber irgendwie auch enttäuscht wandte sich Akai ab. Irgendwie hatte er wohl doch gehofft, Gin noch einmal zu treffen.

Ein paar Straßen weiter entdeckte Akai einen ruhigen Park und da es ihn sehr anstrengte bei den vielen Leuten und dem starken Verkehr auf den Straßen unterwegs zu sein, beschloss der Agent sich hier eine kleine Pause zu gönnen. Hier draußen machte sich sein eingeschränktes Sehfeld stärker bemerkbar und es kam häufig vor, dass er den Zusammenstoß mit anderen Personen nicht oder erst im letzten Moment verhindern konnte.
 

Aus einiger Entfernung beobachtete Jemand, wie Akai den kleinen Park betrat. Langsam war der großgewachsene Mann mit heruntergezogener Kapuze dem Agenten seit dem Krankenhaus gefolgt. Er war zufällig in der Nähe gewesen, als Akai das Krankenhaus verlassen hatte und konnte das kurze Telefonat belauschen.

"Eine bessere Gelegenheit wird sich nicht bieten.", dachte Gin, als er ebenso den Park betrat. Die Augenbinde war ihm gleich aufgefallen, als der Agent ins Freie getreten war und hatte ihm einen seltsamen Stich durchs Herz gejagt. Doch jetzt war er voll in seinem Element. Als erfahrener Mörder wusste er, wie man Leute am Besten beschattete und unauffällig verfolgte. Der kurze Moment, in dem Akai ihm ins Gesicht sehen konnte, war eine kleine Nachlässigkeit gewesen, die sein Vorhaben zum Glück aber nicht beeinflusste. Auf dem Weg hier her hatte er sein Opfer genau beobachtet und so wusste er, dass die rechte Seite durch die Augenbinde ein Schwachpunkt für Akai sein musste. Natürlich wäre es auch möglich, dass sein Erzfeind ihn sehr wohl bemerkt hatte und nun nur so tat. Aber sein Gefühl sagte ihm das Gegenteil. Akai hatte sich noch nicht an sein eingeschränktes Sehfeld gewöhnt.

Im Park entdeckte er Akai an einem Wasserspender, wo er sich etwas Wasser ins Gesicht spritzte.

"Er wirkt müde.", stellte der Mörder fest. In dem Park waren zwar ein paar Andere unterwegs, aber nicht besonders viele. Je nachdem wie der Mörder es sah, war das sowohl von Vorteil, als auch von Nachteil. Gäbe es mehr Leute, könnte er dem Agenten unauffälliger näher kommen, so gab es aber auch weniger Zeugen. Akais eingeschränktes Sichtfeld brachte ihm zudem noch einen gewaltigen Vorteil ein.

Sein Erzfeind befand sich noch immer am Wasserspender und mit ruhigen Schritten näherte sich Gin. Das Knirschen der Kieselsteine unter seinen Schuhen würde dem Agenten zwar sein Nahen ankündigen, da es jedoch ein kleiner Park war, würde sein Erzfeind zunächst glauben, er wäre nur ein weiterer Parkbesucher, der zu dem einzigen Wasserspender wollte. Gin kam von Akais rechter Seite und bevor sein Opfer den Kopf gedreht hatte um ihn zu sehen und zu erkennen, wäre es zu spät.

Kalte Berechnung ging jeder von Gins Handlungen voraus und während er immer näher kam, aktivierte er den Elektroschocker in der Tasche seines Kapuzenpullis. Als er nur noch zwei Schritte entfernt war, begann Akai sich zu ihm zu drehen.

Gin vergrößerte seine Schritte etwas und während er laut sagte: "Hey! Lange nicht gesehen!" zog er die Hände aus den Taschen und umarmte den überraschten Agenten, bevor er ihm den Elektroschocker in den Nacken drückte.

Akai hatte kaum genug Zeit, um das Erkennen und den Schreck in sein Gesicht zu lassen, bevor er ihm bewusstlos in die Arme sank. Daraufhin begann Gin den besorgten Bekannten zu spielen, immerhin waren noch andere Personen im Park.

"Was hast du denn? Geht es dir schon wieder nicht so gut? Dein Kreislauf ist noch nicht so stabil, der Arzt hat doch gesagt, du sollst vorsichtig sein!"

Ein einzelner Passant näherte sich ihnen langsam. "Geht es ihm gut? Kann ich irgendwie helfen?"

Gin lächelte den Mann freundlich an. "Nein, danke. Ich habe mein Auto ganz in der Nähe stehen und weiß, wo er wohnt. Ich bringe ihn nach Hause."

"Ok, dann alles Gute und ihrem Freund gute Besserung."

"Danke, ich richte es ihm aus." Gin trug den bewusstlosen Akai zu seinem Auto, welches aber nicht mehr sein geliebter Porsche 356A war, sondern ein gewöhnlicher Mietwagen. Auf dem Weg dorthin vermied der Silberhaarige es weitere Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Er legte Akai auf dem Rücksitz ab und setzte sich dann an das Steuer. Als er den schlafenden Agenten im Rückspiegel betrachtete, begann ein hinterhältiges Grinsen sein Gesicht zu zieren.

Wiedersehen

Benommen öffnete Akai sein Auge. Es dauerte einen Moment, bis er sich seiner Situation bewusst werden konnte. Das Erste, was ihm auffiel: Sein Atem wurde durch Fesseln an seiner Brust unterdrückt. Ein Versuch seine Arme zu bewegen schlug fehl, ebenso seine Beine konnte er nicht rühren. Erst dann bemerkte er, dass er sich in einer sitzenden Position auf einem Stuhl befand.

"Wo bin ich… Was ist passiert?" Akai versuchte sich zu erinnern. "Ich war im Park und dann…" Weiter wusste er nicht mehr.

Offenbar musste ihn jemand ausgeknockt haben. "Doch wer...?"

Trotz seines eingeschränkten Sichtfeldes versuchte er sich in dem kleinen Raum etwas umzusehen, der etwas verdunkelt wirkte. Die Sonne konnte aufgrund zugezogener Vorhänge nicht ganz in das Zimmer scheinen. Die Einrichtung war recht schlicht. Nur ein Bett, ein Schrank und ein Regal mit Bücher konnte Akai vorerst erblicken, was sich auf der rechten Seite befand, konnte er nicht sehen. Von vornherein war ihm klar, dass ihm die kleinräumige Umgebung nicht bekannt war und er sie zum ersten Mal sah. Doch was ihn interessierte: Ob ihm die Person, die ihn hierher gebracht hatte, ebenso fremd war. Akai hatte seinen Entführer nur flüchtig gesehen. Die Zeit diesen zu erkennen, war ihm nicht geblieben.

Der Agent startete einen weiteren Versuch auf dem Stuhl herumzurutschen, doch so unbequem diese Position auch war, die Fesseln waren eindeutig zu fest. Erst in diesem Augenblick, als Akai sich beruhigt hatte und wieder versuchte gleichmäßig zu atmen, bemerkte er, dass sein Atem nicht der Einzige im Raum war. Er spürte die Aura einer anderen Person, welche sich offenbar gerade in seine Richtung zu bewegte. Allerdings von der rechten Seite, so konnte Akai ihn nicht sehen, auch wenn er seinen Kopf noch so sehr drehte.
 

"Du hast wirklich nachgelassen, mein Lieber..." Gin ging langsam auf seinen Erzfeind zu. Dessen klägliche Versuche die Fesseln zu lockern, hatten den Silberhaarigen wirklich amüsiert. Fast hätte er angefangen zu lachen, dieser hilflose Anblick, der sich ihm gerade bot, war wirklich hinreißend.
 

Akai erstarrte. Diese Stimme würde er immer wiedererkennen.

"Schön zu wissen, dass sich der Aufwand gelohnt hat und du wieder ganz du selbst bist." Äußerlich gefasst, war Akai innerlich alles andere. "Gin! Ich hab mich also nicht geirrt... Aber warum? Was hat er vor?"

"Ich hab dich nie darum gebeten.", kam die kalte Antwort. Noch immer stand Gin rechts hinter Akai, außerhalb seines Blickwinkels.

"Natürlich nicht! Du wärst natürlich viel lieber ein kleiner Junge geblieben...", meinte Akai sarkastisch.

"Ich hätte auch allein einen Weg gefunden an das Gegenmittel zu kommen!" Gin stand jetzt ganz dicht hinter Akai.

"Sicher doch! Weil du als 12-Jähriger auch ganz bestimmt davon überzeugt gewesen wärst, dass du eigentlich viel älter bist und..." Akai brach ab, als ihm von rechts unten etwas schmales, kaltes gegen den Hals gedrückt wurde. Erst dachte er an ein Messer, doch er spürte keine scharfe Kante. Es war nur schmal, glatt und abgerundet... langsam, aber bestimmt drückte Gin mit dem Schlagstock gegen Akais Hals. Der Agent wurde gezwungen zum Luftholen den Kopf zurückzulehnen, kam damit aber nicht weit, da der Silberhaarige hinter ihm stand.

"Wieso hast du dich da eingemischt?", während Gin diese Frage stellte, ließ er den Schlagstock immer höher an Akais Kehle entlang gleiten, bis dieser schließlich gezwungen war seinen Kopf in den Nacken zu legen.

Als Gin bei seinem Kinn angekommen war, hatte er Akai somit gezwungen Blickkontakt herzustellen. Der Agent bemerkte, wie Gins andere Hand an seiner rechten Schläfe langsam nebenher strich.

Trotz der Einschüchterung und der Tatsache, dass sein Herzschlag beinahe aussetzte, überwand Akai sich zum antworten: "Ich dachte, du hättest bereits begriffen, warum ich einfach kommen musste. Dabei hatte ich es dir doch so oft gesagt..."

Das Sprechen fiel durch die Unterdrückung des kalten Schlagstockes an seinem Kinn etwas schwer, weshalb seine Stimme leise klang. Umso größer war die Erleichterung, als Gin das längliche Teil nach seinem nächsten Satz wieder von ihm entfernte.

"Etwa aus dem lächerlichen Grund, dass du es nicht ertragen könntest, wie mich jemand anderes vor dir erledigt?", fragte Gin spöttisch, zwar war dieser Vorwurf nicht ganz unwahr gewesen, doch trotzdem verwirrte er Akai. Er erinnerte sich, wie er dem kleinen Gin doch immer mitgeteilt hatte, dass er ihn um jeden Preis vor Rum beschützen würde.

Während er nachdachte und Gin nicht antwortete, hatte er aber nicht mit der Wut gerechnet, die sich inzwischen in diesem gesammelt hatte. "D-Du..-", setzte er an, doch wurde sofort von dem Silberhaarigen unterbrochen. "Schnauze!"

Damit kassierte Akai einen heftigen Schlag von Gins Hand an der rechten Seite. Der Schmerz ließ den Agenten kurz aufschreien.

"Tut es weh? Das kommt davon, wenn man sich in Dinge einmischt, die einen nichts angehen!" Wie zornig Gin wirklich war, konnte Akai zusätzlich an dessen Handgriffen einschätzen, welche sich danach in seine Schultern krallten.

Da wanderte Gins Blick wieder zu Akais Augenklappe.

"Du bist wirklich ein Idiot.", meinte er und ließ seine Hand unter die Befestigung der Binde wandern, offenbar wollte er einen Blick riskieren.

"Schon gut. Ich kann verstehen, dass du sauer bist." Akais Worte lenkten Gin von seinem Vorhaben ab.

"Bitte? Du verstehst es?" Die Frage von ihm klang ironisch, dennoch sprach Akai weiter, erwähnte aber bewusst nicht direkt, was er meinte: "Ich hätte das wirklich nicht tun dürfen…"

Er erinnerte sich an den Kuss, den er mit dem kleinen Gin geteilt hatte.

"Diese Nacht...." Akai wagte es erst gar nicht, sich die Szenarien wieder zurück in sein Gedächtnis zu rufen. "Es war ein Fehler mich da mitreißen zu lassen... Es ist vollkommen logisch, dass er mich dafür leiden lässt. Immerhin habe ich die Situation ausgenutzt... Ich habe das verdient..."

Gin machte das hingegen nur noch wütender. Doch seine Handlungen wurden wieder ruhiger und zielgerichteter.

"Er versteht es also? Er will wissen, was mich so aufregt?" Irgendwie hatte Gin das Gefühl, dass dies nicht der Fall war.

"Wenn dem wirklich so ist, warum hast du dann dieses Risiko auf dich genommen?"

"Was?" Gins Frage verwirrte Akai nur noch mehr. "Wovon genau sprechen wir jetzt?", fragte er sich, doch dann musste Akai einen weiteren Schmerzensschrei unterdrücken. Gins freie Hand krallte sich schmerzhaft in seine Schulter.

"Antworte mir!", kam die gefährlich leise Anweisung.

"Ich konnte nicht anders! In dieser Situation..." Selbst in Akais eigenen Ohren hörte sich seine Antwort lächerlich an.

"Hör auf mich zu veralbern!", kam wie erwartet die verärgerte Reaktion, doch mit dem nächsten Schritt hatte Akai nicht gerechnet. Gins Hand strich ihm von der Schulter langsam über den Arm nach unten, was Akai wieder an jene Nacht erinnerte. Doch als die Hand seines Erzfeindes an seinem Unterarm angekommen war, drückte er an einem bestimmten Punkt zu.

Akais Hand wurde schlaff und kurz darauf schrie er vor Schmerz und Überraschung. Gin zog ihm den Schlagstock schmerzhaft über die Handinnenfläche. Doch bei bei einem Schlag blieb es nicht. In seiner Position war es dem Agenten nicht möglich, sich zu rühren und so landete der Schlagstock wieder und wieder auf der empfindlichen Haut.

Als Gin schließlich aufhörte, spürte Akai in seiner Hand nur noch schmerzhaftes Pochen, davon abgesehen war sie taub. Die Finger konnte er nicht mehr bewegen, auch als Gin den Griff von seinem Unterarm löste.

Keuchend ließ Akai den Kopf etwas hängen und versuchte seinen Puls und seine Atmung wieder zu beruhigen. Der schnelle Herzschlag vergrößerte nicht nur die Schmerzen seiner Hand, sondern auch die in seinem Auge. Auch mit seiner lauten Atmung konnte der FBI Agent hören, wie Gin um ihn herum ging und sich zum ersten Mal seit der Entführung in sein Blickfeld begab.

"Ich bin lang genug im Geschäft, um zu wissen wie ich meine Antworten bekomme und glaub mir, das werde ich."

Dem Gefesselten lief ein kalter Schauer über den Rücken. Gleichzeitig gab Akai die Hoffnung auf, welche er tief in seinem Herzen wohl noch festgehalten hatte: Die Warmherzigkeit und Freundlichkeit des Kindes waren in diesem Mörder wirklich gestorben. Vor ihm stand nur eine Person: Sein Erzfeind, der ihn um jeden Preis töten und quälen würde.

Akai richtete seinen Blick direkt auf Gin und sagte leicht lächelnd: "Das habe ich auch nie bezweifelt."

"Gut!" Gin grinste ihn hinterhältig an. "Dann werden wir wohl noch eine Weile Spaß miteinander haben."

Sein Grinsen wurde breiter. "Oder besser gesagt: Ich mit dir. Deine Kollegen werden dich ja für eine ganze Weile nicht vermissen.", womit Akais Vermutung bestätigt wurde, dass Gin sein Telefonat mitbekommen hatte. Zu Beginn fragte sich Akai noch, wie Gin ein so gutes Timing haben konnte, ihn genau nach diesem Gespräch abzufangen, doch als er ihn vollständig sehen konnte, war ihm diese Vermutung gekommen. Gin trug noch immer einen Kapuzenpullover und Jeans.
 

Während sich Gin seinem Gefangenen wieder näherte, versuchte Akai sich gedanklich auf das Kommende vorzubereiten. Was auch immer das sein würde.

"Vielleicht sollte ich einfach das Risiko eingehen und ihn direkt fragen. Verschlimmern kann sich meine Situation eh nicht mehr.", dachte Akai. Doch als er den Mund öffnete, um Gin anzusprechen, kam kein Wort über seine Lippen. Schneller als sein Auge der Bewegung folgen konnte, hatte Gin den Schlagstock auf ihn gerichtet. Dicht vor sein linkes Auge.

Akai erstarrte und versuchte weiter kontrolliert und ruhig zu atmen. Hektische Bewegungen würden schnell fatal werden.

Gin lächelte zufrieden über die Reaktion seines Erzfeindes. "Schön vorsichtig mein Lieber. An deiner Stelle würde ich aufpassen, was ich sage oder tue."

Langsam wanderte der Schlagstock von Akais linken Auge zu seinem rechten. Gin ließ das Metall über Akais Nasenflügel unter den Verband wandern und schob diesen mit dem Stab hoch.

Akai verharrte regungslos. Er konnte nur darauf vertrauen, dass Gin ihn nicht so verletzen wollte. Nicht auf diese Art. Aber jede Bewegung seinerseits konnte für das Abrutschen des Stabes und somit für großen Schaden sorgen. Letztlich konnte er nicht verhindern, dass Gin seine Augenbinde komplett beiseite schob.

Dieser konnte sich sein großes Interesse auch nicht erklären, diese Verletzung genauer betrachten zu wollen. Er reagierte jedoch anders, als von sich erwartet. Ein Stich durchfuhr ihn und seine Augen weiteten sich, als er dieses leere Auge erblickte,

was fast geschlossen war.

"Bist du jetzt zufrieden?" Akai konnte Gins Neugier zwar schon etwas nachvollziehen, doch was er damit erreichen wollte, war ihm unklar. Er selbst hatte es sich bisher nicht einmal gewagt, sein Auge anzusehen. Daher hatte sein Entführer wohl die Ehre damit der Erste zu sein. Doch Gin schien wie gelähmt, plötzlich sagte er nichts mehr und ließ seinen Arm nach unten gleiten, was auch gleichzeitig die Augenbinde zu Boden fielen ließ, die zuvor noch am Schlagstock hing. Er konnte seinen Blick nicht von dieser Verletzung abwenden. Obwohl er es wegen der Schuldgefühle, die ihn plötzlich übermannten, lieber getan hätte.

Akai hingegen hätte niemals daran gedacht, dass Gin sich jetzt schuldig fühlen würde oder irgendwas derartiges.

"So schlimm?", fragte er deshalb, da er Gins Gesichtsausdruck nicht deuten konnte. Er hatte selbst nicht wirklich eine Vorstellung, wie es unter der Augenbinde nun aussah.
 

"Sind das gerade etwa... Schuldgefühle?" Gin ballte seine Hand zur Faust. "Nein, das kann nicht sein! Warum sollte ich mich dafür schuldig fühlen?!"

Kurz sah er zur Seite und versuchte sich wieder zu sammeln. "Es gibt keinen Grund dafür!"

Akai beobachtete Gin genau. Dessen war sich Gin auch bewusst. Er durfte ihm keine Schwäche zeigen. Gin schloss kurz die Augen und richtete den Blick dann wieder fest auf Akai. Für einen Moment überlagerte sich Akais müdes, geschundenes Gesicht mit dem Bild vor wenigen Tagen, als Akai ihn mit deutlicher Erleichterung in den Augen angesehen hatte. Kurz bevor der Schuss von Rum kam. Gin vertrieb dieses Bild, was ihm einen weiteren Stich ins Herz gab.

"Ich bin nur mal wieder von Rums Fähigkeiten verblüfft.", sagte Gin möglichst abfällig.

"Was?", fragte Akai verwirrt.

Gin musterte ihn von oben herab. Noch immer konnte der Agent den Gesichtsausdruck seines Entführers nicht deuten.

"Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, er wollte dir mit dem Schuss ans Leben und hat nur zufällig daneben geschossen? Er hat das..." Gin berührte Akais linke Gesichtshälfte mit dem kalten Schlagstock und ließ den Agenten überrascht davor zurückschrecken. "...mit Absicht gemacht. Es gab also wohl noch irgendetwas, was er von dir wissen wissen wollte.", überlegte Gin laut.

"Und? Er ist tot, das spielt doch jetzt keine Rolle mehr.", erwiderte Akai mutwillig. Zwar erinnerte er sich noch, dass Rum ihn gefragt hatte, wie er überhaupt noch am leben sein könnte, ließ es jedoch bewusst aus, es zu erwähnen.

"Die Antwort hätte von mir kommen können.", gestand Gin sich ein, sonst interessierten ihn tote Leute auch nicht sonderlich, doch in dem Fall wollte er Antworten.

"Aber in deiner Situation würde ich mir gut überlegen, ob du solche Antworten nicht besser für dich behalten solltest!" Gin krallte seine Hand in Akais Hals, worauf diesem ein Keuchen entwich. "Sag es mir, was er wissen wollte."

Um sein Opfer eine Chance zum antworten zu geben, lockerte er seinen Griff etwas.

Als Akai wieder nach Luft schnappen konnte, hustete er etwas, sah dann wieder zu Gin auf.

"Kannst du dir das nicht denken? Du warst doch mit dabei.", sagte er dann, auch um herauszufinden, ob Gin sich vielleicht noch an diesen kurzen Zeitraum erinnern würde. Dessen Miene verfinsterte sich.

"Ich kann mich aber nicht..." Er fuhr seinen Gedanken nicht fort. Die Tatsache, dass er sich nicht an das Geringste erinnern konnte, ließen ihn desto wütender werden.

"Den Teil deiner Ankunft hab ich aber leider verpasst. Ich war eine Weile bewusstlos." Was vermutlich auch wirklich der Fall war. Sicher war sich Gin aber doch nicht ganz. Dennoch ließ sich Akai wohl davon überzeugen und beantwortete Gins Frage. Dabei behielt er ihn jedoch im Auge.

"Er wollte wissen, wieso ich noch am leben bin."

"Gute Frage...", dachten sowohl Gin, als auch Akai. Dabei bezogen sie sich aber mehr auf die momentane Situation, als auf die Vergangenheit.

"Das hätte er wohl besser Kir fragen sollen.", meinte Gin nur, bevor er sich seiner nächsten Frage widmete. "Da war doch bestimmt noch mehr."

Akai sah weg.

"Was wollte er noch wissen?"

"Das hat er nicht gesagt.", behauptete der Agent. Gins Wut, die sich irgendwann scheinbar beruhigt haben musste, kam mit einem Schlag wieder.

"Wieso sagt mir mein Gefühl, dass du mich belügst?", fragte er gefährlich leise. Eine Antwort erwartete er jedoch nicht. Bevor Akai sich versah, war Gin wieder aus seinem Blickfeld verschwunden. Angespannt lauschte er und versuchte so Gins Position zu erfahren, doch es half nichts. Nur kurz sah Akai die Faust, welche sich von links näherte und ihm in den Magen schlug. Gin hatte gewusst, dass er besonders auf seine rechte Seite achten würde und war bewusst von links gekommen.

Keuchend schnappte Akai nach Luft. Die Fesseln strafften sich um Akais Oberkörper und verhinderten tiefe Atemzüge, als sich sein Körper automatisch vorbeugen wollte.

Einen kurzen Moment sah der Agent schwarze Flecken vor seinem Auge, die sich jedoch mit seiner nur langsam ruhiger werdenden Atmung wieder auflösten. Tränen, welche der Agent bei dem Schmerz nicht länger hatte zurückhalten können, liefen ihm die linke Wange hinunter, während sein rechtes Auge schmerzhaft stach.

Da spürte er eine sanfte Berührung an seiner Handinnenfläche, welche Gin zuvor bearbeitet hatte. Diese war noch immer empfindlich und die Berührung ließ den Agenten Schlimmes vermuten.

"Ich muss dir deine Situation wohl noch etwas mehr verdeutlichen.", flüsterte Gin seinem Gefangenen ins rechte Ohr.

"Da-uhh!" Akais Antwort ging in seinem gedämpften Schrei unter, als Gin ihm eine Hand auf die rechte Schulter legte und den Stuhl mit einem gezielten Tritt und seitlichem Druck auf Akais Schulter diesen zu Fall brachte. Da Akais Hände hinter die Stuhllehne und seine Füße an die Stuhlbeine gefesselt waren, konnte er nichts tun, um den Sturz zu verhindern. Zwar konnte er seinen Kopf noch nach rechts wenden und eine Kopfnuss mit dem Boden verhindern, doch das brachte ihm auch nicht viel.

Stechender Schmerz fuhr ihm durch seinen linken Oberarm und die Schulter, welche zwischen Stuhl und Boden eingequetscht wurden. Begleitet von einem fast unerträglichen Schmerz in seinem Auge, welches die schnelle Höhenänderung gar nicht leiden konnte.

So verlor Akai kurz nach seinem Aufprall das Bewusstsein. Die Schmerzen waren zu viel und sein Körper richtete sich gegen Verstand des Agenten, dem die Gefahr einer Bewusstlosigkeit klar war.
 

Gin brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass vom Agenten erst mal keine Regung mehr erfolgen würde.

"Hey, bist du etwa schon am Ende deiner Kräfte?", kam es etwas lauter von dem Silberhaarigen. Er wollte sich sicher sein, dass Akai auch wirklich das Bewusstsein verloren hatte. Da dieser ihm nicht mehr antwortete, schien das offenbar wohl wirklich der Fall zu sein.

"Echt schwach..." Gin sah auf Akai herab und auf dessen Wunden.

"So macht das keinen Spaß...", dachte er scheinbar schmollend. Doch umso weiter er seinen erschöpften Feind betrachtete, machte sich gleichzeitig ein anderes Gefühl bei ihm bemerkbar.

"Er tut mir nicht leid.", redete Gin sich ein und versuchte nicht weiter darauf einzugehen. Gerade, als er sich abwenden wollte, wäre er fast auf Akais Augenbinde getreten, welche vorhin zu Boden gefallen war.

Gin hob sie auf und wandte sich nochmals dem Agenten zu. Irgendein Teil in Gin wollte Akai nicht so reglos am Boden verweilen lassen, ein Anderer sagte ihm jedoch, dass man sich nicht weiter darum kümmern sollte.

Er fasste sich an die Stirn. Letztlich ging er im zügigen Schritt zum Mülleimer und entsorgte die Augenklappe. Die wäre nun eh unbrauchbar gewesen. Zugleich fragte Gin sich, wie er Akai den Verband überhaupt wechseln sollte.

"Will ich das denn wirklich?" Er überlegte noch einmal, immer noch war er sich unschlüssig.

"Aber nur, damit ich den Anblick dieser Wunde nicht länger ertragen muss!" Er seufzte und ging in den Flur. Dort hatte er Akais Sachen abgelegt, die dieser dabei gehabt hatte. Gin musste sie mitnehmen, da er schließlich den besorgten Bekannten gespielt hatte.

Er durchwühlte die kleine Tasche auf der Kommode. "Wenn ich nichts finde hast du Pech...", wandte er sich gedanklich an Akai, doch fand plötzlich, wonach er gesucht hatte. Scheinbar hatte das Krankenhaus vorgesorgt und Akai ein paar Reserveaugenbinden mitgegeben.

Gin nahm eine davon und ging zurück zu Akai. Er richtete den Stuhl wieder auf und legte dann etwas gereizt den Verband an. Gin hasste sich gerade selbst dafür, besonders, weil irgendetwas in seinem Inneren ihm sagte, dass es die richtige Entscheidung war, zu helfen. Er musterte seinen Erzfeind ein wenig, schlug ihm dann links und rechts leicht auf die Wange. Dieser Versuch, Akai wieder zu wecken, war wohl vergeblich.

"Nichts zu machen...", murmelte Gin und beschloss kurz darauf die Fesseln zu lösen. Mit der Annahme, Akai würde in einer angenehmeren Körperhaltung vielleicht schneller aufwachen, trug er ihn auf das Bett.

Kaum hatte er den Agenten dort hingelegt, kam ihm schon der nächste Gedanke: "Wann er wohl zuletzt etwas gegessen hat?" Gin schüttelte hastig den Kopf. "Was interessiert mich das?!"

Erneut war er sich unstimmig mit sich selbst, dabei wusste er nicht mal woher diese Unstimmigkeit eigentlich kam, weshalb sie sich überhaupt bemerkbar machte.

"Andererseits..." Gin begann plötzlich übel gesinnt zu grinsen. Ihm fiel wieder ein, wie Akai ihn mal zum essen gezwungen hatte, auf eine demütigende Art. Jetzt wäre der perfekte Moment, um es ihm heimzuzahlen. Vorher jedoch kramte er aus dem Nachtschrank ein paar Handschellen heraus und wandte sich zum Bett zu. Wie, als ob er gerade anfing an Karma zu glauben, nahm er Akais rechten Arm und kettete ihn an das Bett fest.

"Geschieht dir recht.", gedanklich lachte er.
 

Erst mal zufrieden gestellt, ging Gin in die Küche und durchsuchte die Schränke. Viel essbares fand er nicht, nur eine Büchse mit Spinat. Da der Silberhaarige ohnehin nicht gut kochen konnte, empfand er, dass das wohl ausreichen würde. Daraufhin begann er den Spinat zu kochen.

Verzweiflung

Als Akai endlich wieder bei Bewusstsein war, fiel ihm auf, dass der Raum bereits von künstlichen Licht erhellt wurde, offenbar war es schon Abend. Gleich danach machte sich ein unangenehmer Geruch in seiner Nase breit.

Als er sein Gesicht etwas verzog, realisierte er ebenso, dass er sich in einer liegenden Position befand. Ungläubig, dass Gin ihn wohl wirklich aus dem Stuhl befreit hatte, versuchte er sich aufzurichten.

Akai bemerkte sogleich die Handschellen an seiner rechten Hand.

"Welch Ironie…", dachte er, irgendwie empfand er diese Lage als witzig und traurig zugleich. Was allerdings auch anders war: Sein Auge war wieder verdeckt von einer neuen Augenklappe.

"Hat er wirklich…" Akai wollte mit der linken Hand an den Verband fassen, doch da durchfuhr ein Schmerz seinen linken Oberarm. Während er vor Schmerzen sein Gesicht verzog, schrie er innerlich.

Hatte er sich etwa beim Sturz vorhin den Arm gebrochen?

"Bitte nicht…" Ein Schauer überlief ihm. Akai wusste, wenn Gin davon Wind bekäme, würde er sich das definitiv zu Nutze machen. Also musste Akai möglichst versuchen, die Schmerzen zu verdrängen.
 

"Du bist ja endlich wach!", kam es vorgespielt erleichtert von Gin, doch gleichzeitig wurde dieser Gestank von vorhin immer größer. Akai bemerkte daraufhin die Schale, welche Gin bei sich trug und ahnte Schlimmes.

"Ich dachte mir, du hast bestimmt Hunger." Der Silberhaarige gesellte sich zu Akai auf das Bett.

"Und dann wärmst du mir deinen Abfall auf? Das wäre doch nicht nötig gewesen..." Der Agent wendete sich ab, als er das grünliche Zeug in der Schale erblickte. "...wirklich nicht." Am Liebsten hätte er gewürgt, unterdrückte es aber.

"Spinat nennt sich das. Und das wirst du jetzt brav essen." Gin grinste hinterhältig und hielt seinem Erzfeind plötzlich einen vollen Löffel vor die Nase.

"Kannst. Du. Vergessen." Akai pausierte bewusst zwischen den einzelnen Worten, dieses Zeug würde er auf keinen Fall zu sich nehmen.

"Mund auf!", kam es befehlend von Gin und er drückte Akai den Löffel an den Mund, welchen dieser fest geschlossen hielt. "Du willst doch nicht verhungern?"

Auf Gins Frage ging Akai nicht ein und er versuchte sich weiter abzuwenden, was nicht wirklich viel half. Reflexartig, weil dieses Gefuchtel mit dem Löffel ihn nervte, schlug er diesen mit seiner linken Hand Gin aus der Hand. Sofort versuchte Akai seinen Schmerzensschrei zurückzuhalten. Er hatte seinen gebrochenen Arm längst wieder vergessen gehabt.

Gin hingegen bemerkte dadurch, dass etwas mit Akais Arm nicht stimmte und zählte wegen des Sturzes eins und eins zusammen.

"Hast du dir etwa was gebrochen?", tat er einen auf bemitleident und presste Akais Oberarm gegen die Wand. Der Agent spürte wie plötzlich seine Knochen begannen zu knacken und er schrie auf.

"Willst du nicht doch lieber etwas essen?" Ein hämisches Grinsen legte sich auf Gin's Lippen.

"Besser du tust es, andernfalls..." Sein Griff in Akais Arm wurde fester. "Zudem würde ich dir dann nie wieder was zu essen zubereiten.", fügte er an, doch niemals hätte er mit Akais Reaktion gerechnet.

"Dann esse ich eben nichts mehr!", schrie er. Keinesfalls würde er sich weiter von Gin so erpressen lassen, sollte er ihn doch verhungern lassen. "Das ist mir lieber als weiter von dir gequält zu werden.", setzte er gedanklich fort.

Gin hingegen wirkte plötzlich abwesend. "Dann will ich nichts essen!", schallte seine eigene Stimme durch seine Gedanken, welche ihm trotzdem irgendwie fremd erschien.

Der Agent bemerkte die Veränderung in seinem Erzfeind und beobachtete ihn misstrauisch.

"Was ist los?", fragte er sich verwundert, aber auch erleichtert über die verringerten Schmerzen. Der Blick seines Peinigers war unfokussiert und er hatte den Griff um Akais Arm gelockert.
 

Der kaltblütige Mörder hingegen bekam nichts mehr von seiner Umgebung mit.
 

Er fand sich plötzlich in einer fremden Küche wieder. Gin hörte Merlots nervtötendes Lachen und sah, wie Shuichi ihm einen Löffel voller Rührei mit Speck vor die Nase hielt.

"Lass ihn doch, er ist immerhin kein Kind mehr!" Dieser Satz lenkte die Aufmerksamkeit seines Retters auf die seltsame Frau und Gin ergriff die Gelegenheit vom Stuhl zu springen.

"Ich geh ins Wohnzimmer!", sagte er noch bevor er eilig und mit schlechtem Gewissen die Küche verließ. Shuichi hielt ihn nicht auf. "Gin!" ... rief ihm nicht hinterher... "Gin!" .... oder doch? … "GIN!"
 

Mit einem tiefen, zittrigen Atemzug kehrte Gin in die Realität zurück. Vor ihm befand sich an das Bett gekettet und mit einem möglicherweise gebrochenem Arm sein Erzfeind Akai. Den Blick in seinem einen Auge konnte Gin nicht deuten, doch er klang besorgt, als er erneut seinen Namen aussprach.

"Gin? Geht es dir gut?"

"Warum macht sich dieser Idiot Sorgen um mich?", fragte sich der Mörder verwirrt. "Er sollte in dieser Situation viel mehr...." Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die Schüssel fallen gelassen hatte und der Spinat auf dem Hemd des Agenten gelandet war.

"Wann...?", wunderte sich Gin. Ihm war nicht bewusst, den Löffel losgelassen zu haben. Zudem waren seine Hände schweißnass und es wirkte weniger so, als würde er mit seiner Hand an Akais Arm diesem Schmerzen bereiten wollen, als sich viel mehr daran festhalten.

"Was ist hier los?" Gin war total verunsichert. Aber Unsicherheit war in seinem Job nicht möglich. Nicht erlaubt. War verboten. Unsicherheit führte zum Tod. Er hatte bereits ganz zu Beginn seiner Ausbildung gelernt, keine Schwäche zu zeigen und Unsicherheit in Wut und Stärke umzuwandeln.

Anstatt auf Akais Frage einzugehen, festigte er seinen Griff wieder um dessen verletzten Arm bis der Agent ein Stöhnen nicht mehr unterdrücken konnte. "Meine Gesundheit ist das Geringste deiner Probleme."

"S-Stimmt.", versuchte Akai trotz der Schmerzen zu antworten und sah nach unten, um auf sein Hemd aufmerksam zu machen, welches nun durch den Spinat verunreinigt war. Jetzt wandte sich auch Gin dem Missgeschick wieder zu.

"Glaub bloß nicht, dass ich dir Klamotten von mir leihe.", kommentierte er den größeren Fleck, löste jedoch gegen Akais Erwartung seinen Griff von dessen Arm.

Akai hatte auch keine neue Kleidung von Gin erwartet, das wäre zu viel der Gnädigkeit gewesen, welche dieser nicht besaß.

"Hab ich auch nie geglaubt.", erwiderte der Agent nur leise. Ihm fiel plötzlich auf, dass sein Gegenüber scheinbar über etwas nachdachte. Während Gin ihn unschlüssig ansah, warf er ihm eher einen verwirrten Blick zu.

"Was überlegst du?", hätte er gern gefragt, ließ es aber sein, aus Unsicherheit doch etwas Falsches zu sagen. Im Moment wusste Akai nicht, was Gin alles provozieren würde, deshalb war es besser vorsichtig zu sein.

Plötzlich aber löste sich sein Peiniger aus der Starre. Wortlos zog er einen Schlüssel aus seiner Hosentasche und begann die Handschellen zu lösen.

"Eine falsche Bewegung und du wirst es bereuen.", drohte Gin seinem Erzfeind, als er dessen verwunderten Gesichtsausdruck bemerkte. Kurz darauf begann er Akais verschmutztes Hemd hastig aufzuknöpfen. Die Augen des Agenten begannen sich zu weiten. Ehe er sich versah, wurde ihm sein Hemd über die Schultern gezogen und komplett entledigt.

"W-Was hast du vor?" Er konnte Gins Vorhaben nicht deuten und schnappte es beinahe falsch auf, als dessen kalte Hände seine Haut berührten. An Akais Bauch hatte sich eine leichte Rötung gebildet.

"Das Zeug war wohl noch heiß…", vermutete Gin daraufhin und ließ die Frage von Akai unbeantwortet. Da tauchte plötzlich eine weitere Szene vor seinen Augen auf.

"So warm... ich will mehr davon spüren... so angenehm." Gin schluckte und seine Hände auf Akais Bauch begannen zu zittern. Das war eindeutig sein eigener Gedanke gewesen. Doch er wusste nicht, woher dieser kam.

"Schluss damit!", hörte er dann Akais ernste Stimme in seinem Kopf. "Das ist nichts für Kinder.", fuhr sie fort.

"Wie bitte?!" Gin blickte auf und sah den jungen Mann vor sich wütend an. Im Nachhinein wurde ihm erst bewusst, dass Akai gar nichts gesagt und er dessen Stimme nur gedanklich gehört hatte.

Erstaunt sah der Agent seinen Erzfeind an. Da er sich die Wut der Person vor ihm jedoch sehr bewusst war - ebenso wie der Tatsache, dass er ihm gerade kaum etwas entgegensetzen konnte - gab Akai seinem Bedürfnis, erneut zu fragen ob es Gin gut ginge, nicht nach. Stattdessen beantwortete er einfach Gins Frage: "Was hast du vor?"

Gin sah ihn immer noch wütend an. Obwohl er sich bewusst war, dass Akai ihn gerade nicht als Kind und somit unreif bezeichnet hatte, änderte es nichts daran, dass er das wohl schon zuvor getan hatte.

"Das geht dich nichts an!", schleuderte er dem Agenten daraufhin entgegen. Als er sich jedoch mit Akais Hemd in der Hand aufrichtete, griff dieser mit seiner rechten Hand nach dem Arm des Mörders. Aus welchem Grund Akai das getan hatte, konnte er später selbst nicht mehr sagen. Doch diese Aktion ließ seinen Erzfeind endgültig ausrasten.

"Ich hab dich gewarnt auch nur eine Bewegung zu machen!", schrie ihm Gin entgegen und bevor Akai sich versah, drehte der Mörder den Griff herum. Nun wurde Akai von Gin festgehalten und mit einer schnellen, geübten Bewegung drehte er ihm den Arm auf den Rücken und presste den Agenten so auf die Matratze, dass dieser sich nicht mehr rühren konnte.

Langsam schob Gin Akais Arm immer höher. Akais Gesicht war in der Matratze vergraben, wodurch Gin das leise, unterdrückte Stöhnen vor Schmerz nicht vernahm. Der Mörder griff nach den Handschellen, welche er Akai zuvor abgemacht hatte, befestigte das eine Ende wieder an Akais rechtem Handgelenk und zog das Andere Ende um eine Stange am Bett, bevor er den zweiten Ring um Akais linken Oberarm befestigte. Zu seinem Glück waren die Handschellen groß genug dafür.

Zufrieden mit seinem Werk erhob sich Gin vom Bett. Er ließ seinen Blick über den Gefesselten wandern und er ertappte sich dabei nach den Kratzspuren zu suchen, die er vor einigen Tagen im Keller seines Elternhauses gesehen hatte. Doch diese waren längst verheilt. Er bemerkte, dass der Agent den Kopf gedreht hatte. Entweder um besser Luft zu holen oder um ihn sehen zu können. Was der Grund auch war, es würde ihm nicht viel bringen.

Normalerweise würde Gin jetzt vor Freude über die missliche Situation, in der sich sein Gefangener befand, lächeln - doch irgendwie war ihm jetzt nicht danach.

"Was ist nur los mit mir?", fragte sich Gin erneut. Er könnte jetzt einfach gehen und Akai ungewiss über das Folgende lassen, doch selbst das gelang dem Mörder nicht. Deswegen sagte er so kalt und schadenfroh wie möglich: "Gute Nacht, schlaf schön....Verräter!" Fast wäre ihm Akai über die Lippen gerutscht. Entschlossen und diesmal wütend auf sich selbst, verließ Gin den Raum und schloss die Tür hinter sich.
 

"Gute Nacht, Koibito-san...", erwiderte Akai noch laut, obwohl er sich darüber im Klaren war, dass Gin dies längst nicht mehr hören würde. Betrübt schloss er sein Auge. Er konnte sich denken, dass er in dieser Position bestimmt jämmerlich aussah. Daher war er froh, sich nicht selbst betrachten zu müssen.

Seine Beine und Hüfte waren das Einzige, was er noch ausreichend bewegen konnte, was trotzdem nichts an der unbequemen Lage änderte. Schlafen schien so wohl unmöglich, offenbar war das auch Gins Ziel gewesen.

Akai versuchte nochmal alle seine Gedanken zu sammeln und den Tag für sich zusammenzufassen: Am Anfang des Tages noch voller Entschluss, sich weit genug von Gin entfernen zu wollen. Dann wurde er genau von diesem wegen seiner Unachtsamkeit entführt und fand sich später gefesselt auf einem Stuhl wieder. Letztlich endete der Tag damit, dass er abgesehen von nur einem Auge jetzt auch noch einen gebrochenen Arm und verletzte Gefühle hatte.

"Echt zum heulen.", stellte Akai fest. Er seufzte.

"Hätte ich mich von Jodie abholen lassen, wäre das wahrscheinlich hier alles nicht passiert.", begann er sich nun Vorwürfe zu machen, doch erkannte schließlich, dass das auch nicht mehr helfen würde.

"Es spielt keine Rolle mehr, was passiert wäre, wenn ich anders gehandelt hätte. Es ist zu spät.", folgerte er und schob sich somit für sein Leid selbst die Schuld zu. Er erwartete eine lange Nacht, voller Gedanken und Schuldgefühle, die ihn quälen und wach halten würden. Von Einschlafen war ohnehin nie die Rede gewesen.

Der Agent sehnte sich nach den Abenden, als er mit dem kleinen Gin gemeinsam ein Bett geteilt hatte. Als er den warmherzigen Jungen fest im Arm hielt und sie friedlich zusammen eingeschlafen waren.

Umso tiefer Akai daran zurückdachte, desto mehr suchte ihn die Einsamkeit heim und ließ seinen Körper kalt werden. Er spürte, wie er eine Gänsehaut bekam. Da ihm aber nichts Anderes blieb, hatte er erst mal nicht vor, sich wieder aus seinen Gedanken zu befreien.

"Wenn er zurückkommt, b-bin ich dann tot?"

Akai konnte Gins verängstigte Stimme von damals hören, als wäre der Silberhaarige wieder neben ihm. Wie er selbst neben dem Bett gehockt hatte und Gin darin unsicher angesehen hatte.

"....egal was passiert, du wirst nicht vollständig verschwinden....du bist ein Teil von ihm....", war die damalige Antwort von Akai gewesen. Nun war ihm bewusst, dass er da gelogen hatte. Der Junge war definitiv in dem kaltherzigen Gin gestorben.

"Es tut mir so leid...", murmelte er und man konnte deutliche Traurigkeit aus seiner Stimme entnehmen. Kurz darauf lief ihm eine Träne über die Wange und landete auf dem weißen Bettlaken.
 

Zeitgleich lag Gin mit offenen Augen in seinem Bett. Auch ihn ließen die Ereignisse des Tages nicht in Ruhe, was für den kaltblütigen Mörder eine Seltenheit war. Schlaf war wichtig um Aufträge konzentriert und erfolgreich durchführen zu können. Wenn jemand denn unbedingt über etwas nachgrübeln musste, dann in der Pause, bei einer langweiligen Beschattung oder in der Kaffeepause. Manchmal noch bei Teambesprechungen mit den Kollegen zusammen, um den besten Plan auszuarbeiten. Aber NIE allein oder vor dem einschlafen. Das konnte schlimme Folgen haben. Doch Gins Selbstkontrolle war durch die Ereignisse der letzten Zeit ganz offensichtlich in Mitleidenschaft geraten. Alle guten Vorsätze brachten nichts und er lag jetzt wach im Bett und grübelte über seinen Erzrivalen, seine seltsame und bruchstückhafte Erinnerung, das Gift, Rum, Merlot, seine Kindheit und Akai nach.

"Warum schleicht sich dieser Typ jetzt auch noch doppelt in meine Aufzählung!!!", fragte Gin sich wütend und drehte sich auf die andere Seite. Er bekam den Agenten einfach nicht aus dem Kopf. Bilder des an den Stuhl oder Bett gefesselten, je nachdem welches Bild gerade dran war, wechselten sich mit Erinnerungen aus dem Kampf gegen Rum, aus ihrer gemeinsamen Zeit auf Missionen für die Organisation und Momentaufnahmen in einem unbekannten Haus ab.

"Warum fühle ich mich so schlecht?....Was sind das für seltsame Gefühle, die ich bei seinem Anblick habe? .... Was ist passiert, als ich bei ihm war? Ich kann mich nur an ein paar Tage erinnern. Wie hat er es geschafft, Merlot ausfindig zu machen?", zumindest konnte sich Gin noch daran erinnern, dass er Akai von der Wissenschaftlerin erzählt hatte.

Plötzlich fiel ihm die Situation im Krankenhaus wieder ein.

"Sowohl der Arzt, als auch Akai haben da so komisch reagiert...ob da zuvor auch etwas vorgefallen ist? Hat das Gift etwa auch eine Wirkung auf das Gehirn?", überlegte Gin. "Die Wahrscheinlichkeit dafür scheint recht hoch zu sein...dann...weiß Akai davon?.....Ob er mir mehr davon sagen kann?"

Wäre Gin nicht so verzweifelt, hätte er über den Gedanken gelacht. Nie hätte er geglaubt den Verräter nach etwas zu fragen. Erst recht nicht etwas so Persönliches. Erneut drehte sich Gin auf die andere Seite und versuchte zugleich an etwas Anderes zu denken.

"Ich habe es endlich geschafft Rum zu töten. Ich habe ihn endlich übertreffen können....aber der Preis...." Gin musste an Akais Auge denken. Die blasse Leere darin hatte ihn zu tiefst geschockt.

Die Augen waren entscheidend für jeden Scharfschützen. In ihrer Sturheit und ihrem Stolz über ihre Fähigkeiten standen sich Gin und Akai in nichts nach. Nur widerwillig hatte Gin das während ihren gemeinsamen Missionen anerkennen müssen. Doch der Respekt, den er dadurch empfand war etwas, was er nie verloren hatte. Akai war ein würdiger Gegner.

"Scheiße!", fluchte Gin laut. Er war schon wieder bei dem FBI Agenten gelandet. Irgendwie hatte Gin das Gefühl, dass Akai nicht der Einzige war, der in dieser Nacht kein Auge zu bekommen würde…

Antworten

Wie erwartet war Gin noch wach, als die Sonne aufging. Er hatte die ganze Nacht kein Auge zu bekommen und munterte sich mit dem Gedanken auf, dass es bei seinem Gefangenen auch nicht anders gewesen sein konnte.

Gin versuchte nicht weiter darauf einzugehen und konzentrierte sich eher auf den Entschluss, welchen er gestern gefasst hatte: Er wollte Akai noch ein paar Fragen stellen.

Also suchte der Silberhaarige, nachdem er sich angezogen hatte, das Zimmer des Agenten auf. Er wusste nicht, ob er über dessen Anblick darin schadenfroh sein oder eher Mitleid haben sollte.

Sein Erzfeind lag noch genau so auf dem Bett, wie er ihn gestern Abend positioniert hatte.

Als Gin sich auf das Bett setzte, glaubte er zuerst, dass Akai schlafen würde. Doch beim genauen Hinsehen erkannte er, dass es sich wohl eher um ein leichtes Dösen handelte.

"So hätte kein normaler Mensch schlafen können.", war Gin sich sicher. Kurz darauf bemerkte auch Akai seine Gesellschaft. Der Agent schien jedoch abwesend und gab vor sich nicht für Gin zu interessieren.

"Bei meinen Krankenhausaufenthalt hatten du und der Arzt kurz etwas von Amnesie erwähnt... Was meintet ihr damit?" Dieser stellte dennoch seine Frage und versuchte dabei so ernst wie möglich zu klingen.

Es erfolgte keine Reaktion von Akai. Trotz der Tatsache, dass er wach war, ließ er sein Auge geschlossen. Er spürte die zusätzlichen Schmerzen, die er hinzu der Müdigkeit noch bekommen hatte. Sein linker Arm fühlte sich nun halb taub an und Nackenschmerzen quälten ihn, die sich bis hinunter durch seinen Rücken verteilten. Bewegen war unmöglich.

"Antworte!", ertönte es befehlend von Gin, fast wütend, dass sein Feind ihn immer noch ignorierte.

"...tut weh..", murmelte dieser plötzlich leise. Gin verstand es kaum.

"Du nervst, weißt du das?!" Gereizt nahm Gin den Schlüssel für die Handschellen aus seiner Tasche und befreite Akai von den Dingern. Der geschwächte Körper sank einfach auf das Bett, ohne sich zu bewegen.

Gin war gezwungen ihn zusätzlich auch noch auf den Rücken zu drehen und die Arme seitlich von Akais Körper zu platzieren. Auf dessen Handinnenfläche hatten sich wegen der unsanften Behandlung von Gestern nun blaue Flecken gebildet, was der Silberhaarige ebenso bemerkte.

"Also, antworte mir.", startete er noch einen Versuch, sein Geduldsfaden war dabei fast gerissen.

Akai erwiderte nur mit einem Kopfschütteln. Gin hatte keinerlei Ahnung wie sehr die Schmerzen sein Opfer eigentlich quälten, es schien ihn ohnehin nicht zu kümmern. Gerade als Gin noch etwas sagen wollte, kam Akais Magenknurren ihm zuvor.

Kurz herrschte Stille, bis der Kaltherzige glaubte, Akai durchschaut zu haben.

"So so... du hast also vor mir solange nicht zu antworten, bis ich dir ordentliches Essen zubereite. Vergiss es!" Doch Gins Augen wurden groß, als der Agent erneut nur langsam den Kopf schüttelte. Um Akai zum Reden zu bringen, hatte er erst vor, diesen eine Faust in den Bauch zu verpassen, doch kurz davor stoppte seine Hand. Wie von allein. Warum er nicht einfach zugeschlagen hatte, konnte er sich selbst nicht erklären.

"Ich habe dir gestern gesagt, dass ich meine Mittel habe Antworten zu bekommen, also-"

"-sei doch still." Akai unterbrach Gin und öffnete sein Auge. Der müde Augenring darunter ließ den Silberhaarigen kurz sprachlos werden, also nutzte Akai die Gelegenheit um weiterzureden: "Folter mich doch weiter, dann werde ich dir bald überhaupt nicht mehr antworten können."

Wütend, aber seltsamerweise auch verunsichert, sah Gin seinem Gefangenen ins Auge. "Ich weiß wie-"

"-Hör doch endlich auf! Dieses Spielchen bringt weder dir, noch mir irgendetwas."

Gin versuchte Akai dafür eine Ohrfeige zu geben, doch seine Hand ballte sich nur auf seinem Schoß zur Faust.

"Was meinst du mit Spielchen?", fragte er stattdessen mit bedrohlicher Stimme, doch Akai ließ sich davon nicht beeindrucken. Er sah seinem Entführer weiterhin fest in die Augen und sagte: "Genau das."

Bevor Gin nachhaken konnte und sich dadurch nur noch lächerlicher machen würde, da er sich von seinem Gefangenem wissentlich an der Nase herumführen ließ, sprach der Agent weiter: "Du bist nicht du selbst."

"So ein Unsinn!", fuhr Gin ihn an, wurde aber sofort wieder ruhig, als Akai weiter sprach: "Wenn du noch immer der kaltblütige Mörder der Organisation wärst, hätten meine Kollegen drei statt zwei Leichen in dem Keller gefunden. Selbst wenn du mich nicht da gleich erledigt hättest, würdest du dir nie die Mühe machen, mich zu entführen. Du hättest mir einfach im Vorbeigehen eine Kugel durch den Kopf gejagt. Du bist nicht der, für den du dich noch ausgeben willst."

"Aber der unschuldige Junge bist du auch nicht mehr.", fügte Akai gedanklich hinzu. Der Agent hatte die ganze Nacht über Gins seltsames Verhalten nachgedacht. Seine merkwürdigen Reaktionen und die Aussetzer, die ihn an die Zeit erinnerten, bevor Gin seine Erinnerungen als Mörder ganz verloren hatte.
 

Gin war währenddessen wie erstarrt. So sehr er es auch leugnen wollte: Akai hatte Recht. Er benahm sich nicht wie ein kaltblütiger Mörder. Allein die Tatsache, wie ruhig Akai jetzt neben ihm lag, war Beweis genug.

"Aber was soll ich denn machen?", fragte er sich. Alles was Gin gelernt hatte und was er je getan hatte, war auf Morde, Folter und Bestechungen bezogen. In seinem jetzigen Zustand würde er Akai wirklich nicht zum reden bringen können. Das wurde ihm jetzt klar.

"Aber wie soll ich dann an die Antworten kommen, die ich von ihm brauche?" Gin ließ seinen Blick langsam über Akais Körper nach oben wandern. Wann er den Blick gesenkt hatte, konnte er nicht sagen. Erst als er bei Akais Gesicht angelangt war, wurde ihm bewusst, dass er den muskulösen Körper des Agenten soeben bewundert hatte. Zum Glück hatte Akai sein Auge vor Erschöpfung wieder geschlossen, wodurch ihm die leichte Röte auf Gins Wangen entging.

"Er sieht wirklich nicht gut aus...", gestand Gin sich ein.

"Vielleicht sollte ich wirklich erstmal was anständigeres zu essen besorgen...Ich kann mein eigenes Zeug auch schon nicht mehr sehen.", beschloss er schließlich und stand entschlossen auf.

Bevor er es sich noch anders überlegen konnte, verließ Gin das Zimmer. Ganz auf seinen Entschluss konzentriert, vergaß er nicht nur Akai an das Bett zu fesseln, sondern auch die Tür abzuschließen, als er sich auf den Weg zu einem kleinen Imbiss um die Ecke machte, von dem er schon öfter Ramen geholt hatte. Die würde der Agent hoffentlich annehmen.

Ohne sich dem Stimmungsumschwung bewusst zu sein, ging Gin gut gelaunt die Straße entlang. Am Imbiss erwartete ihn derselbe Verkäufer wie immer. Auch für den alten Mann war Gins Gesicht nicht unbekannt.

"Lange nicht gesehen. Das Gleiche wie immer?", begrüßte er seinen Kunden.

"Ja. Nur diesmal für zwei Personen.", meinte Gin, während er den passenden Geldbetrag aus seiner Tasche kramte und dann dem Verkäufer übergab.
 

Während Gin circa eine viertel Stunde auf seine Bestellung gewartet hatte, bekam er plötzlich ein Gefühl, etwas vergessen zu haben.

"Bilde ich mir das nur ein...?" Er lief grübelnd den Weg zurück nach Hause. Erst als er wirklich gründlich zurückdachte, traf es ihn.

"Die Tür... verdammt!" Ihm war wieder eingefallen, dass er vergessen hatte abzuschließen und vor allem noch wichtiger: Akai die Handschellen wieder anzulegen. Das letzte Stück bis zu seinem Haus rannte Gin so schnell er konnte, dabei hatte er schon längst den Verdacht, dass sein Erzfeind diese Fluchtmöglichkeit genutzt hatte.
 

Akai hingegen hatte nur flüchtig bemerkt, dass Gin überhaupt das Haus verlassen hatte. Dennoch fragte er sich, wohin der Silberhaarige gegangen war. Er nutzte die Gelegenheit, um sich etwas zu entspannen und sich auszuruhen. Zwar wusste Akai, dass es bestimmt nicht Gins Absicht gewesen war, ihn einfach so dort liegen zu lassen und dann ohne abzuschließen zu gehen, doch er hatte auch nicht vor wegzulaufen.

Da riss auch schon jemand die Tür wieder auf. Gin stand keuchend im Türrahmen und war offensichtlich völlig außer Puste. Der Agent setzte sich auf.

"Du hast wohl was vergessen?", fragte er, obwohl er es längst wusste.

"D-Du... bist noch hier?" Gin starrte seinen Gefangenen mit großen Augen an, verwundert warum dieser überhaupt noch am selben Fleck wie vorhin war.

"Warum sollte ich nicht?", entgegnete Akai ruhig. Er hoffte zumindest, so ein wenig von Gins Vertrauen gewinnen zu können. Dieser schien trotzdem aufgebracht zu sein, doch seine Verwirrung im Gesicht passte nicht dazu.

"W-Weil ich vergessen habe abzuschließen und ich dachte, du-"

"-da denkst du offenbar falsch von mir.", unterbrach Akai Gin. "Was war denn der Grund dafür, dass du außer Haus musstest?", erkundigte er sich danach.

"Ich hab uns etwas zu essen gekauft..." Der Silberhaarige senkte den Kopf, als er das Wort uns aussprach. In diesem Moment klang es für ihn wie ein Fremdwort.

Akai konnte an dem angenehmen Geruch erkennen, dass Gin wohl wirklich gutes Essen gekauft hatte. Erleichtert, dass es dieses Mal keinen Spinat oder derartiges gab, erhob sich der Agent aus dem Bett.

"Danke.", während er an Gin vorbei ging, lächelte er ihn an. Das war das erste ernst gemeinte, freundliche Lächeln von Akai seit der Auseinandersetzung mit Rum.
 

Noch immer ganz verblüfft blieb Gin erst wo er war, doch als sich Akai der Tür näherte, ergriff er dessen Arm.

Akai zog durch den starken Griff die Luft ein, beschwerte sich aber nicht über die Schmerzen. Dennoch lockerte Gin seinen Griff etwas. Als Akai sich zu ihm umdrehte, sagte Gin fest: "Du bleibst hier."

Eine einfache Aussage, hinter der aber mehr als nur das lag. Gin hatte entschlossen und bestimmt geklungen und doch konnte Akai noch immer Unsicherheit in dem Gesicht seines Koibitos erkennen.

"Was hat das Alles nur mit uns gemacht...", fragte sich der Agent. Ihm war bewusst, dass sich nicht nur Gin verändert hatte. Auch er selbst war sich über Gefühle bewusst geworden, die besser verborgen geblieben wären.

"Ich werde nicht fliehen.", versprach er Gin. Der Griff um seinen Arm wurde für einen kurzen Moment wieder fester.

"Ich meine damit: Du wirst diesen Raum nicht verlassen!", formulierte Gin seine vorherigen Worte um.

Akai sah ihm fest in die Augen. Jeder der Beiden versuchte die Gedanken des Anderen zu lesen. Akai versuchte Gins Stimmung und die momentane Situation zu verstehen. Obwohl er nach außen ruhig, gefasst und zielstrebig wirkte, war er innerlich zwischen seinem Verstand und seinen Gefühlen zerrissen. Sein Verstand riet ihm, Gins Unsicherheit auszunutzen, um zu fliehen. Würde er seinen Gefühlen nachgehen, würde sich Gin gleich in einer Umarmung wieder finden, in welcher er von Liebe und Verlangen überschüttet werden würde.
 

Gin hingegen war verzweifelt, unsicher, verwirrt und von den Geschehnissen und seinen Gefühlen überfordert. Verzweifelt versuchte er die Fassade des kaltblütigen Mörders aufrecht zu erhalten, was ihm jedoch immer weniger gelang. Seine Erinnerungslücken verunsicherten ihn und die Verwirrung, welche Akai mit seinen unerwarteten Reaktion auslöste, half dabei kein bisschen. Zu dem Ganzen kamen auch noch ungewohnte und neu, aber auch längst vergessene Gefühle wie Besorgnis, Schuld und sogar Angst. Die anderen Gefühle weigerte sich Gin zu benennen.
 

Nach wenigen Sekunden, welche ihnen wie eine kleine Ewigkeit vorkam, hatte sich Akai zu einem Kompromiss seiner zwei widersprüchlichen Seiten durchgerungen. Er senkte leicht den Blick und ging einen kleinen Schritt auf Gin zu.

Dann nahm er ihm den Beutel mit dem eingekauften Essen ab und fragte seinen Entführer noch immer mit einem leichten Lächeln auf den Lippen: "Dann essen wir also hier?"

Gin nickte, worauf sich sein Gegenüber wieder wegdrehte und mit der Tüte zurück zum Bett ging. Dabei ertappte der Silberhaarige sich, wie er seinem Erzfeind nur hinterher starrte und sich nicht von der Stelle rührte. Er kniff kurz die Augen zu.

Während Akai längst auf dem Bett platz genommen hatte, verfolgte dessen Blick Gin verwundert, wie er im Schrank wühlte. Eigentlich hatte Gin vor das nicht zu tun, doch er nahm einen Pullover und warf ihn Akai zu.

"Zieh den an, wenn du fertig bist.", kam es befehlend von Gin, als er sich neben seinen Gefangenen gesellte. Dabei würdigte er diesen keines Blickes.

"Warum das jetzt so plötzlich?", fragte Akai verwirrt, da er sich noch deutlich daran erinnerte, wie Gin gesagt hatte, er würde ihm keine Klamotten leihen.

"Ist doch egal, frag nicht!" Dieser ließ seinen Kopf gesenkt. Er hatte seine Aussage ebenso wenig vergessen, doch bevor er Akais Körper noch einmal bewundern würde, war es ihm so lieber. Fehlte nur noch, dass der Agent dies beim nächsten Mal bemerkt hätte.

"Hier.", machte sich Akai bemerkbar und hielt Gin eine Box mit Ramen hin, da er dessen Abwesenheit bemerkt hatte. Danach drückte er ihm noch die dazugehörige Plastegabel in die Hand. Beinahe hätte Gin sich dafür bedankt, schluckte das Wort aber wieder runter, bevor es ihm entweichen konnte.
 

Erst herrschte Stille, als die Beiden gemeinsam aßen. Doch Gin wollte erneut versuchen, Akai auf dem Vorfall im Krankenhaus anzusprechen.

"Wirst du mir jetzt Antworten geben?", fragte er, blieb dabei vorerst ruhig.

Akai sah ihn mit vollem Mund an. Er aß ziemlich schnell, was noch mehr verdeutlichte wie hungrig er wirklich gewesen war. Nachdem er den Bissen herunter geschluckt hatte, ging er auf die Frage ein: "Hab ich denn eine andere Wahl?

"Nein...", entgegnete Gin gedanklich, doch wollte es irgendwie nicht aussprechen. "Warum hatten du und der Arzt damals etwas von Amnesie erwähnt?", fragte er stattdessen.

„Weißt du, es gab Phasen, da konntest du dich nicht mehr dran erinnern, wer du eigentlich warst. Dein Gedächtnis hat sich sozusagen zurückentwickelt, zu der Zeit, als du noch ein Kind warst.“, sprach Akai nun mit gesenktem Kopf, während er in seinem Essen herumstocherte.

„Anfangs war es nur kurz, doch später wurden sie immer länger...“, fügte er leise an.

Gin überlief ein Schauer und ließ die Plastegabel fallen. Ein Schamgefühl breitete sich in ihm aus.

„Und warum hast du mir das damals nicht gleich gesagt?!“ Er versuchte sein beschämendes Befinden mit Wut zu verdrängen.

„Das wollte ich-“

„-Nein, wolltest du nicht!“, unterbrach der Silberhaarige Akais zögerliche Antwort.

"Stimmt...wollte ich nicht.", gestand der Agent sich ein. Sicher war er sich selbst nicht mehr. Er erinnerte sich nur an das, was Merlot ihm fast jeden Tag klar gemacht hatte – dass Gin ihn so definitiv töten würde, wenn er sich an alles erinnern könnte.

„Ich erwarte immer noch eine ehrliche Antwort von dir.“, machte dieser ihm gerade erneut bewusst.

„Naja… weil ich es für besser hielt, du wüsstest es nicht.“ Akai wollte nicht ganz mit der Wahrheit rausrücken, was Gin auch bemerkte.

„Ich will es aber wissen!“, entgegnete er streng. Obwohl er Schlimmes vermutete, da die Sache schon peinlich genug für ihn schien, konnte er diese Gedächtnislücken nicht länger ertragen. Er hatte keine Lust auf Akais Geheimnistuerei, wo er doch der Einzige war, der ihm da helfen konnte.

Doch Akai schwieg weiterhin. Er brachte es einfach nicht über sich. Abgesehen davon, dass ihm der kleine Gin ans Herz gewachsen war und das bei weitem mehr als er sollte, fühlte sich Akai auch schuldig. Er hatte Gins Hilflosigkeit ausgenutzt und abgesehen von der verdienten Reaktion, die er von Gin erwartete, sobald dieser es wusste, schaffte er es einfach nicht die Worte über seine Lippen zu bekommen. Er starrte einfach auf die Ramen, setzte an noch etwas davon zu nehmen und ließ es doch bleiben. Wie dem Kleinen Gin war ihm der Appetit vergangen.

Gin war das Essen mittlerweile zwar auch egal geworden, er wollte aber auch keine erneute Sauerei beseitigen müssen, also stellte er seine Schale vorsichtig auf den Boden. Dabei behielt er Akai genau ihm Auge. Offensichtlich gab es da ein paar Dinge, die der Agent auf keinen Fall preisgeben wollte....doch Gin wäre wirklich nicht mehr er selbst, wenn er so einfach aufgeben würde.

Anstatt einfach auf dem Thema zu beharren, womit er bei dem Agenten irgendwie nicht voran kam, versuchte er die Stimmung erstmal wieder etwas zu entspannen. Gedanklich seufzte der Mörder.

"Warum genau mache ich das nochmal auf diese Weise?", fragte er sich. "Verdammt nochmal, ich weiß ja nicht mal was ich ihn stattdessen überhaupt fragen soll!"

Noch immer hatte Gin die Gestalt des Agenten nicht aus den Augen gelassen. Dieser aß nun langsam, aber mit deutlich gezügeltem Appetit weiter seine Ramen. Dabei drehte er sich aber ein wenig von seinem Koibito weg.

Dadurch fiel Gins Blick wieder auf Akais Rücken und während sein Blick unbewusst alle Konturen und jeden Muskel verfolgte, fielen Gin wieder die Kratzspuren ein, die er im Keller in jener Nacht gesehen hatte. Ohne groß darüber nachzudenken, fragte er den FBI Agenten: "Hast du mit Merlot geschlafen?"

Akai verschluckte sich an seinen Nudeln und spuckte sie hustend wieder in die Schale. Gin hingegen war von seiner eigenen Frage geschockt und wandte den Blick ab. Zurücknehmen wollte er die Frage aber auch nicht, das wäre peinlich gewesen und die Antwort interessierte ihn schon.

Als sich Akais Husten langsam beruhigte, sagte er mit rauer Stimme nur ein Wort: "Was?"

"Was hat diese Frau ihm bitte erzählt? Offensichtlich hat sie ihr Spiel nicht nur mit meinen Kollegen getrieben! Wenn ich sie nochmal erwische....", fluchte Akai gedanklich. Da Gin auf seine kurze Frage auch noch nicht reagiert hatte, wischte sich Akai den Mund mit dem Handrücken ab und sah zu seinem Koibito. Dieser hatte sich jedoch etwas von ihm weggedreht und er konnte sein Gesicht nicht sehen.

"Was hat sie dir erzählt?", spezifizierte Akai seine Frage, jetzt wieder mit scheinbar gefasster Stimme.

"Also stimmt meine Vermutung....", dachte Gin und war überrascht von dem Stich in seinem Herzen. Den ignorierte er jedoch und beantwortete stattdessen Akais Frage: "Sie hat gar nichts gesagt."

Erleichtert entwich Akais Anspannung. Er stellte seine fast leere Schale genau wie Gin auf den Boden und ließ sich nach hinten aufs Bett sinken. Mit geschlossenem Auge sagte er schließlich: "Ich habe NICHT mit ihr geschlafen, allein die Vorstellung daran ist widerlich!"

Überrascht drehte sich Gin um und musste ein Keuchen unterdrücken, als er Akai so vor sich liegen sah. Wortlos tasteten Gins Augen den Körper seines Erzfeindes ab. Er war so in den Anblick versunken, dass er fast die nächsten Worte von Akai überhörte: "Wie kommst du denn darauf?"

Peinlich berührt lenkte Gin seinen Blick woanders hin. "Die Kratzspuren auf deinem Rücken waren mehr als deutlich. Merlot meinte, du hättest Einiges auf dich genommen um mich zu verbergen, also wirst du nicht viel Gelegenheit gehabt haben....es zu tun."

Ohne es zu merken, redete Gin einfach drauf los um seine Nervosität zu verbergen.

"Da sie so gut Bescheid zu wissen schien, war das doch die logische Schlussfolgerung. Immerhin wirst du nicht so unvorsichtig gewesen sein Jemand anderen einzuladen und ein Kind...." Gin brach ab.

"Dein Körper mag zwar erwachsen sein, aber innerlich bist du immer noch ein Kind..", hallte eine Stimme, Akais Stimme, in seinem Kopf wieder.

"Es stimmt. Ich habe niemanden eingeladen.", redete dieser nun wirklich neben ihm und richtete sich auf. Er teilte Gin bewusst nicht mehr mit. Der Silberhaarige erschauderte. Ihm wurde klar, dass sonst niemand weiter übrig blieb und er zugleich an Akais Aussage in seinem Kopf zurückdachte, kam er zu einer ungebetenen Erkenntnis. Bevor er fragen konnte, kam der Agent ihm zuvor.

"Es gab einen ersten Prototypen.", begann er leise. Seine Stimme klang etwas rau. Die Unsicherheit dahinter bereitete Gin noch mehr Sorgen, was Akai wohl als nächstes preisgeben würde. Wenn auch, wie es schien, er dies gerade ungern tat.

"Erster Prototyp...?", wiederholte Gin gedanklich, als plötzlich Merlots Stimme in seinem Kopf zu hören war..
 

„Du willst doch, dass man dir hilft, oder?!" Sie klang leicht aufgebracht.

Langsam nahm das Szenario in Gins Kopf Gestalt an.
 

Er befand sich weinend auf einem Sofa und wurde dort von Merlot festgehalten.

"Shuichi! Shuichi was ist mit dir?! Er schrie nach seinem Retter, welcher nur reglos an einer Stelle stand. Erst im letzten Moment legte sich dessen Hand auf Gins Schulter.

"Hab keine Angst. Ich bin bei dir." Akai hatte offenbar vor ihn zu beruhigen.

"Aber du sagtest wir können uns vielleicht nicht mehr wiedersehen!" Die Tränen häuften sich und er fühlte plötzlich, wie die Angst und Trauer in ihm immer stärker wurden.

"Ich bleibe und geh nicht weg, versprochen." .… "Ich werde nicht fliehen." .… "Bleibt er deshalb bei mir?!"

Die Erinnerungen verblassten und in Gins Kopf war wieder Platz für seine momentanen Gedanken. Alles schien so durcheinander.

Bitte bleib hier

...."Gin?!", ertönte auf einmal die besorgte Stimme von Akai aus der Realität. Gin hatte nicht gemerkt, wie er sich die ganze Zeit an dem Kopf gefasst und sein Körper gezittert hatte. Erst jetzt nahm er seine Kopfschmerzen wahr, danach die Hand von Akai auf seiner Schulter. Mit geweiteten Augen sah Gin seinen Erzfeind an.

"Geht es dir gut?", fragte der Agent.

"Was kümmert dich das?!" Er schlug Akais Hand von seiner Schulter, doch diese schloss sich dann plötzlich um Gins Handgelenk.

"Hast du dich an etwas erinnert?", erkundigte sich Akai.

"Ich glaub schon...", entgegnete Gin verunsichert, obwohl er eigentlich davon überzeugt war.

"An was denn?", kam eine weitere Frage von Akai, welche sein Koibito aber nicht beantwortete, sondern ihm selbst eine Neue stellte.

"Kann es sein, dass ich zwischenzeitlich meinen alten Körper zurückerlangt hatte?"

"Wegen dieses Prototyps war dir das möglich, ja.", beantwortete Akai die Frage unvollständig, da eigentlich noch viel mehr dahinter steckte, was Gin wissen sollte. Doch Akai brachte es nicht über seine Lippen und senkte einfach nur den Kopf, dabei lockerte er seinen Griff um Gins Handgelenk wieder.

Dieser sah den Agenten an. Der Mörder spürte, dass ihm noch immer nicht alles verraten wurde, doch seine Kopfschmerzen verhinderten, dass er klar denken konnte. Wie lange er vor dem Agenten verbergen konnte, dass ihm auch immer wieder die Sicht verschwamm und er mehr oder weniger deutlich Stimmen aus offensichtlich früheren Gesprächen hörte. Doch ein Gedanke half ihm noch in der Realität zu bleiben: "Wenn er das mitbekommt....wird er verschwinden…"

Als Gins Gedanken und Sicht sich für mehr als ein paar Sekunden ganz auf die momentane Situation richteten, beschloss er das auszunutzen.

Akai saß noch immer mit gesenktem Kopf und scheinbar auch gedankenversunken neben ihm auf dem Bett. Auch die Handschellen waren noch in Reichweite.

Gin legte seine Hände auf die Schultern seines Erzfeindes und stützte sich mit seinem Gewicht auf ihn. Dadurch fiel der überraschte Agent nach hinten. Schnell hatte Gin einen Arm des Agenten hochgezogen und ihn mit den Handschellen wieder ans Bett gefesselt. Für eine Sache hatte Gins Berechnung jedoch nicht ausgereicht: Seine Kopfschmerzen verschlimmerten sich durch das nach vorne fallen und obwohl er es mit eisernem Willen noch schaffte sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, verlor er direkt danach das Bewusstsein und brach über Akai zusammen.
 

"Gin...?" Akai betrachtete den scheinbar bewusstlosen Koibito auf seiner Brust. Es erfolgte keine Reaktion mehr.

Gerade als Akai seinen gesunden Arm um ihn legen wollte, hinderten ihn die Handschellen daran. Blieb nur noch der gebrochene Arm.

Mühselig legte er diesen Arm um Gin und unterdrückte dabei kurz den stechenden Schmerz in seinem Gelenk. Ihm fiel ein, wie er am gestrigen Abend noch daran gedacht hatte, wie schön es war mit Gin zusammen einzuschlafen. Ein wenig glücklich war Akai nun schon darüber, dass sein Wunsch damit wohl soeben in Erfüllung gegangen war. Er genoss einfach den Moment und streichelte langsam über Gins Rücken. Bemühte sich dabei jedoch ihn nicht aufzuwecken.

Da drückte der Silberhaarige seinen Kopf plötzlich fester an Akais Brust und legte seine Hände auf dessen Schultern ab. Der Agent war froh, dass Gin fest schlief und somit auch die Röte auf seinem Gesicht nicht sehen konnte. Ihm wurde erneut bewusst, wie sehr er sich nach solchen Momenten gesehnt und ein paar liebevolle Gesten von Gin wirklich vermisst hatte.

Zufrieden schloss er sein Auge und versuchte einzuschlafen. Auch wenn er sich schon denken konnte, dass er die Sache irgendwie bereuen würde, wenn er wieder erwachte.
 

...
 

Nach und nach kam Gin wieder zur Besinnung. Er war noch halb im seinem Traum, wie er friedlich mit Akai zusammen in einem Bett schlief.

"Oder doch kein Traum...?" Gin vermutete, dass dies vielleicht auch eher wieder eine Erinnerung war.

"Warum fühle ich mich so wohl?" Er wusste, dass er sich in einer liegenden Position befand. Doch er spürte diese Wärme, die ihm das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gab. Er hörte ein ruhiges Herzpochen an seinem Ohr. Erst jetzt stellte er fest, dass er auf Jemandem lag und als er sich zurückerinnerte, was vor seiner Bewusstlosigkeit passiert war, erkannte er auch auf wem er sich befand. Bei dieser Erkenntnis schreckte er hoch und weckte somit den schlafenden Akai unter sich mit auf.

"Was ist passiert?!" Gin wich zurück und ließ sich neben dem Agenten wieder fallen.

"Du hast das Bewusstsein verloren.", teilte dieser ihm müde mit und öffnete sein Auge.

"Das weiß ich auch!" Soviel war Gin auch schon klar, doch fragte er sich warum er gerade auf seinem Erzfeind aufgewacht war.

"Warum fragst du dann?", kam es von diesem verwirrt.

"Ehm... also... Warum hast du mich nicht einfach beiseite gestoßen?" Nach dem unbewussten Stottern fiel Gin doch wieder seine eigentliche Frage ein.

"Sollte ich das?" Akai gab vor nicht zu wissen, wo das Problem lag. Genau das ließ Gin annehmen, dass Akai es bereits gewohnt sein musste mit ihm im Arm zu schlafen oder es zumindest schon mehrere Male passiert war. Das wiederum bestätige, dass es sich bei dem Traum wirklich um eine Erinnerung gehandelt hatte.

Gin betrachtete Akai. Dieser versuchte zunächst ihm sein Gesicht zuzuwenden, doch da Gin sich auf Akais rechte Seite gelegt hatte, konnte er den Kopf nicht weit genug drehen. Eine Tatsache über die Gin verdammt froh war, denn er war gerade hoch rot geworden.

Es herrschte ein paar Minuten Schweigen, in denen Gin versuchte seine Fassung wieder zu gewinnen und Akai sein Bestes gab die Schmerzen in seinem linken Arm zu ignorieren. Im Ersten Moment war es ihm nicht aufgefallen, aber durch Gins plötzliches Aufrichten schmerzte dem Agenten sein Arm erneut. Solange er ihn nicht bewegte, konnte er den Bruch sonst sogar vergessen.

Schließlich stand Gin wortlos auf und ehe sich Akai versah, hörte er wie eine Tür geschlossen wurde.

"Es ist wohl aussichtslos, offenbar werde ich nie wieder sein Vertrauen gewinnen können...", dachte Akai verzweifelt und war ziemlich enttäuscht über Gins plötzliches Verschwinden.

"Aber das sollte er, wenn er sich wieder an alles erinnern will..." Akai senkte seinen Kopf und fasste um seinem gebrochenen Arm, die Schmerzen waren gerade noch erträglich. "Und ich sollte mit der ganzen Wahrheit rausrücken..."

Eigentlich war ihm bewusst, dass er selbst auch nicht richtig vorging und es unfair gegenüber Gin war, nicht alles über die vergänglichen Ereignisse preiszugeben. Er vermochte es aber nicht, sich vorzustellen, wie diese Worte aus seinem Mund klingen würden, wenn er Gin von jener Nacht erzählen würde. Obwohl der Agent nichts mehr zu verlieren hatte, würden Gins kalte und abweisende Reaktionen immer wieder aufs Neue weh tun.

Kurz darauf nahm Akai seine Augenklappe ab. Sein Arm war nicht das Einzige was ihn quälte. Auch sein rechtes Auge bereitete ihm wieder Schmerzen. Aufgrund dessen, dass der Arzt gesagt hatte, sein Auge bräuchte ab und zu etwas Frischluft, hielt sich Akai daran und gönnte seinem Auge eine Pause von dem Verband – auch wenn sich die Luft immer noch ein wenig fremd für die Verletzung anfühlte.
 

Zeitgleich kauerte Gin hinter der Schlafzimmertür. Momentan konnte er einfach nicht mit Akai in einem Raum sein, doch wollte sich irgendwie auch nicht ganz von dem jungen Mann entfernen.

"Was ist nur los mit mir..." Gin verstand seine gespaltenen Gefühle gegenüber seinem Erzfeind nicht. Er wusste nicht einmal, ob er diesen überhaupt noch so nennen konnte, nach allem, was sich die letzten Tage in seinem Kopf abgespielt hatte. Obwohl die Erinnerungen deutlicher wurden, konnte Gin sie nicht ordnen und empfand sie teilweise als mehrdeutig.

Die Lösung seines Problems lag eigentlich direkt hinter ihm. Hinter der Tür gegen welcher er gelehnt war. Er müsste Akai nur fragen und gemeinsam könnten sie vielleicht das Puzzle in seinem Kopf wieder zusammenfügen. Bevor er noch tiefer in seine Gedanken versinken konnte, hörte er plötzlich wie sein Name gerufen wurde. Scheinbar wollte Akai etwas von ihm.

Gin schluckte und blieb einfach sitzen. Er fühlte sich aus irgendeinem Grund nicht fähig, dem Agenten unter die Augen zu treten. Gleichzeitig war da aber diese Neugier. Er fragte sich, ob es vielleicht wichtig sein könnte.

Wieder rief Akai nach ihm, etwas lauter als zuvor.

Gin kam nicht länger gegen seine Neugier an und riss die Tür hinter sich auf.

„Was ist?!“, schrie er.

Akai starrte ihn erleichtert an. „Zum Glück bist du noch da.“, meinte er dann.

Gins Blick hingegen hatte sich wieder kurz in dieses leere Auge von Akai verfangen. Immer übermannten ihn bei dem Anblick dabei Schuldgefühle, welche er aber nicht fühlen wollte.

„Warum hast du die Augenbinde abgenommen?“, fragte er deshalb angespannt und ging auf seinen Gefangenen zu.

„Mein Auge braucht ab und zu frische Luft… und der Verband müsste sowieso bald gewechselt werden.“

Gin verdrehte die Augen. "Hält der mich für seine Krankenpflegerin?!"

Aber das war nicht der Grund, weshalb er kommen sollte. „Also, was wolltest du von mir?“, erkundigte er sich darum.

„Naja...“, begann Akai und senkte seinen Kopf. Gins Miene wirkte nun interessiert, doch wandelte sich umgehend zu bitterer Enttäuschung um, als Akai fortfuhr: „Eigentlich müsste ich mal auf die Toilette.“

Gedanklich schlug der Silberhaarige sich die Hand gegen seine Stirn. Da fiel ihm ein, dass Akai seit der Entführung nicht mehr die Gelegenheit hatte, auf Toilette zu gehen.

„Du bist wirklich anstrengend...“, kam es finster von Gin und er löste schließlich genervt die Handschellen und zog Akai vom Bett zu einer Nebentür, welche sich im gleichen Raum befand. Dort drin war ein kleines Bad.

„Und zieh dir endlich was an!“, schrie Gin noch hinterher, während er zum Bett ging. Er warf Akai den Pullover zu, welcher noch immer dort gelegen hatte.
 

Dieser schloss die Tür hinter sich und zog den Pullover an. Das fiel ihm erst sehr schwer, da seine Schulter bei jeder Bewegung schmerzte. Daher ging dadurch ein wenig Zeit verloren. Bei der Gelegenheit trank er nach dem Händewaschen gleich ein wenig Wasser aus dem Wasserhahn, da sein Durst zugenommen hatte und er von Gin sicherlich nichts zu trinken bekommen würde.

Als Akai alles erledigt hatte, trat er wieder aus dem Bad. Davor wartete Gin ungeduldig und ergriff sofort wieder seinen Arm.

Akai wurde unerbittlich zurück zum Bett gezerrt.

„Wenn das alles war, kann ich ja wieder gehen.“, meinte Gin, während er ihn auf das Bett schubste.

„Nein.“ Akais Hand krallte sich in Gins Pullover, als sich dieser wieder abwenden wollte. „Bitte bleib hier.“

"Warum sollte ich?", erwiderte Gin so kühl wie möglich, erhoffte sich aber zugleich einen guten Grund. Ihm selbst war keiner eingefallen. Doch von Akai kam keine Antwort.

Aufgebracht entzog sich Gin dem Griff, drehte den Kopf aber noch kurz zu Akai. Er bemerkte den gesenkten Blick des Agenten und.... "Scheiße! ich hab die Handschellen vergessen!"

Akai spürte nur wie das Bett plötzlich nachgab und als er den Blick hob, sah er Gin direkt vor sich.

"Was?" Sofort schoss Röte in das Gesicht des Agenten. "Will er etwa...?" Er wagte es nicht, den Gedanken zu beenden.

Da spürte er plötzlich etwas kühles, aber mittlerweile schon fast vertrautes um sein Handgelenk. Betrübt sah Akai auf die Handschellen. Der Stich in seinem Herzen war durch die freudige Erwartung zuvor noch stärker und er musste darum kämpfen, dass die Tränen, welche ihm ins Auge stiegen, nicht auch wirklich zum Vorschein kamen.

Erneut bewegte sich die Matratze und ohne aufsehen zu müssen, wusste Akai, dass Gin das Bett verlassen hatte.

"Danke, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Ich hätte das fast vergessen.", sagte Gin halb ernst, halb sarkastisch. Dabei ging er aber sicher, dass nur der Sarkasmus in seiner Stimme zu hören war.

Akai hörte, wie Gin um das Bett herum ging und als er den Blick schließlich hob konnte er sehen, wie Gin die Suppenschalen vom Boden aufhob und mit ihnen das Zimmer verließ. Es gelang ihm nicht noch einmal Gin aufzuhalten.
 

Als Gin die beiden Schalen in den Müll entsorgte, dachte er noch weiter über den Agenten nach, welchem offensichtlich noch etwas auf der Seele gelegen hatte.

"Er wollte mir noch etwas sagen..." Nachdenklich ging Gin in der Küche auf und ab.

"Oder doch nicht?" Er war sich letztlich nicht sicher. Für Akai gab es bestimmt einen Grund der genügte, seinen Koibito nicht gehen zu lassen. Doch Gin selbst konnte diese wortlose Reaktion nicht deuten, weshalb er liebend gern Akais Gedanken in diesem Augenblick gelesen hätte. Mit seinem Verschwinden hatte Gin schließlich auch nichts erreicht.

"Was hätte ich denn sonst tun sollen?" Da er nicht wirklich zufrieden mit seiner Entscheidung war, suchte er fast schon verzweifelt nach einem Grund, wieder zu Akai zurückzugehen. Er hatte ihn nach seinen Worten nicht mehr angesehen. Das letzte Bild was Gins Blick beim Anlegen der Handschellen erhaschen konnte, war der gesenkte Kopf seines Gefangenen.

Während der Silberhaarige durch den Flur ging, nachdem er die Küche wieder verlassen hatte, fiel ihm plötzlich die kleine Tasche von Akai ins Auge.

"Seine Augenbinde..." Gin erinnerte sich wieder, wie der Agent ihm mitteilte, dass man den Verband noch wechseln müsste. Das war für Gin erst mal Grund genug, um wieder zurückzugehen.
 

Fest entschlossen nahm Gin eine neue Augenbinde aus der Tasche und eilte zurück zum Schlafzimmer.

"Warum beeile ich mich überhaupt?!" Vor der Tür bremste er seinen Gang und blieb stehen. Als er sich wieder gesammelt hatte, trat er ein.

Daraufhin hob Akai auf dem Bett plötzlich verwundert den Kopf an. Die liegende Position verriet, dass er wohl gerade vorgehabt hatte zu schlafen.

"Was ist?", fragte er, während er sich aufsetzte.

"Dein Verband muss doch gewechselt werden.", entgegnete Gin so ernst wie möglich, damit seine Stimme sich nicht zu fürsorglich anhörte. Er blieb vor Akai stehen, welcher ihm dann die Augenbinde abnehmen wollte, um sie sich anzulegen. Gin zog sie jedoch weg, bevor Akai danach greifen konnte.

Der Agent weitete sein Auge und wartete Gins Vorhaben ab, welcher ihm die Augenbinde offenbar selbst anlegen wollte.

Während Gin dies tat, nutzte er die Gelegenheit, um den Blick seines Gegenübers genau zu analysieren und dessen verbundene Gedanken damit entschlüsseln zu können. Er zog den eigentlich kurzen Augenblick in die Länge und strich vorsichtig über Akais Schläfen, als er den Verband angelegt hatte.

"Was wolltest du mir vorhin sagen?" Gin konnte es nicht deuten und egal wie sehr er sich bemühte, Akai blieb ihm in dem Moment ein Rätsel.

Kurz war es, als könnte Gin seinen Blick nicht mehr abwenden. Er starrte in das smaragdgrüne Auge vor sich und ließ, ohne es zu merken, seine Hände weiter über Akais Wangen gleiten.

"Gin...?" Die leise Stimme voller Verwirrung von seinem Gegenüber ließen ihn schließlich wieder zur Vernunft kommen. Gin nahm umgehend seine Hände von den bereits geröteten Wangen und drehte sich peinlich berührt um.

Eine Weile herrschte Stille. Akai wollte irgendetwas sagen, doch aus Angst seine Worte könnten Gin zum gehen anregen, ließ er es sein.

"Was mach ich nur mit dir...", murmelte dieser plötzlich. Danach presste er jedoch die Hand auf seinen Mund. Er hatte nicht vorgehabt, diesen Gedanken auszusprechen. Aber es war schon zu spät. Akai hatte es gehört und er antwortete ihm auch: "Du willst doch deine Erinnerungen zurück, deshalb bin ich hier."

Gin wandte sich dem Agenten überrascht zu.

"Dann lass mich dir helfen.", fügte dieser dabei hinzu.

Die Wahrheit

"Was hast du vor?", fragte Gin misstrauisch, doch irgendwie tat es ihm gut zu wissen, dass ihm sein Retter auch weiterhin helfen würde.

"RETTER?!?!" Gin schüttelte den Kopf um den Gedanken zu vertreiben. "Dieser dämliche Verräter ist noch immer mein ERZFEIND! Nur weil er mir mal geholfen hat, ist er noch lange nicht mein Retter!"

Enttäuscht senkte Akai den Kopf. Gins Kopfschütteln und sein offensichtliches Misstrauen ihm gegenüber war Antwort genug.

"Ich muss....also irgendeinen Weg finden ihm anders...zu helfen…" Doch es war zu schmerzhaft. Er musste daran denken, wie Merlot ihn damit aufgezogen hatte – nein, immer wieder daran erinnert und ihn davor gewarnt hatte - was passieren würde, sobald Gin sein Gedächtnis zurück erlangte. Da hatte er noch geglaubt, er würde damit umgehen können. Das es nicht anders als zuvor sein würde.

"Ich habe mich geirrt. Es ist viel, viel schlimmer."

Ein dunkler Fleck tauchte plötzlich vor Akais gesenktem Blick auf dem Pullover auf, den Gin ihm gegeben hatte. Kurz darauf ein zweiter. Erst jetzt bemerkte der Agent seine eigenen Tränen, welche ihm die Wange herunter liefen.
 

Ein Stich durchfuhr Gins Herz. "Sind das...wirklich Tränen?", fragte er sich ungläubig.

Akai bemerkte erst im Nachhinein, dass Gin seine Tränen nicht entgangen waren. Daran konnte er aber nun nichts mehr ändern. Schon zu lange hatte er die Tränen unterdrückt und gab es auf, sie zurückhalten zu wollen.
 

Gin hingegen stand da wie erstarrt. Akai so zu sehen, hatte einiges in ihm ausgelöst. Noch immer konnte er seinen Augen nicht trauen und ging ein paar Schritte auf den niedergeschlagenen Agenten zu. Gerade tat er ihm leid, egal ob er sich das letztlich eingestehen wollte oder nicht.

"Warum..." Gin überlegte kurz, was überhaupt der Auslöser für Akais plötzliche Tränen gewesen sein könnte.

"Etwa nur meine Reaktion...?" Inzwischen stand er direkt vor seinem Erzfeind, welcher ihn mit keinem Blick würdigte. Jetzt vernahm Gin auch ein leises Schluchzen.

"Macht er das mit Absicht?!" Gerade wollte er zu einen Kommentar ansetzen, verkniff es sich aber dann. Irgendwie sagte ihm etwas, dass Akais Gefühle in diesem Moment echt und eindeutig verletzt waren. Gin wusste nicht, was er tun sollte. Je länger er reglos da stand, umso schlechter fühlte er sich.

Seine Hände begannen sich einfach wieder um Akais Wangen zu legen und hoben dessen Kopf an.

Auf einmal übermannte Gin ein Verlangen. Er wusste nicht, woher dieses kam. Doch er wollte unbedingt dafür sorgen, dass die Tränen aus Akais Gesicht verschwanden. Der traurige Blick von dem Agenten und wie das grüne Auge durch die Tränen glitzerte, ließen Gins Verstand für einen Moment aussetzen.

Als Akai klar wurde, was sein Gegenüber gerade vorhatte, hielt er seinen Atem an. Der Silberhaarige kam ihm immer näher und beugte sich weiter zu ihm herab. Gin gab wirklich vor, ihn küssen zu wollen. Plötzliche Hoffnung kam in Akai hervor.

"Will er mich wirklich...", begann er seinen Gedanken erwartungsvoll. Gerade als er seinen Mund leicht öffnete und seinem Koibito entgegen kommen wollte, wurde diesem wieder bewusst, was er da gerade tat.

Gin hielt inne.

Die Enttäuschung holte Akai wieder ein und schmerzte aufs Neue, was ihm Gin an seiner Miene ablesen konnte. Er wischte dem Agenten die letzten Tränen unter dem Auge weg.

"Es gibt doch keinen Grund, jetzt zu weinen." Seine ernste Tonlage passte nicht zu seiner momentanen Stimmung.

"Wenn du meinst..." Akai versuchte seinen Kopf wieder von Gin wegzudrehen, doch dessen inzwischen fester Griff um seine Wangen war unerbittlich. Akai war gezwungen ihn weiter anzusehen.

"Wo liegt das Problem?", wollte der Silberhaarige von ihm wissen. Die ernste Tonlage hatte er immer noch nicht abgelegt.

Akai schwieg einfach. Doch damit würde er Gin nicht davon kommen. Er war bereits zu sehr daran interessiert, den Grund für seine Tränen zu erfahren. Gin wollte in diesem Augenblick nicht mehr, als seinen Gefangenen verstehen zu können. Er sprach in einem ruhigeren Tonfall weiter: "Bitte sag es mir."

Er hoffte zumindest so beim Agenten weiterzukommen. Scheinbar funktionierte das auch, immerhin bekam er eine Antwort: "Du vertraust mir nicht."

Gins Augen weiteten sich als er die leise Aussage gehört hatte.

"W-Was?", entgegnete er verwirrt.

"Wenn du deine Erinnerungen wieder haben willst, solltest du lernen, mir zu vertrauen."

Es stimmte. Gin hatte ihm nicht vertraut und das auch offen gezeigt. Doch jetzt merkte er, dass sein Gegenüber recht hatte. Aber so einfach würde Gin sich nicht darauf einlassen.

"Und Vertrauen beginnt bei solchen Sachen." Akai hob seine Hand, die mit den Handschellen ans Bett gekettet war.

"Würde dir so passen, was? Du willst doch nur-"

"-Ich habe dir gesagt, dass ich nicht fliehen und bei dir bleiben werde!", unterbrach Akai Gin.

Dieser wirkte keinesfalls überzeugt. "Warum sollte ich dir das glauben?!"

"Weil du mir wichtig bist!" Inzwischen waren Beide laut geworden. Akai jedoch stockte nach seiner Antwort der Atem. Aus versehen hatte er seinen Gedanken laut ausgesprochen, was nicht seine Absicht gewesen war.
 

Stille breitete sich im Raum aus und Gin konnte beobachten, wie sich Akais Gesicht rot färbte. Da der Agent noch immer von Gin festgehalten wurde, konnte er nur sein Auge schließen. Er wollte Gins Reaktion nicht sehen.

"Scheiße....", fluchte der Agent gedanklich.

Gin war hingegen geschockt und... "...erleichtert? Warum? Wieso ist es mir so wichtig?"

Er konnte den Blick nicht vom Gesicht des Agenten lösen. Er konnte ihm auch nicht antworten. Obwohl der Mörder seinen Gefangenen anschreien, auslachen, verprügeln wollte - für diese Worte konnte er nichts davon tun.

Plötzlich spürte Akai eine Feuchtigkeit auf seiner Wange. Etwas nasses, das nicht von ihm kam. Überrascht öffnete er sein Auge, um herauszufinden, was es war. Nichts hätte ihn auf den Anblick vorbereiten können, der ihn erwartete.

Akai sah in das weinende Gesicht seines Koibitos.

Gerade bahnte sich eine weitere Träne einen langsamen Weg über Gins Wange und landete auf dem Agenten. Der Mörder machte keine Anstalten die Feuchtigkeit aus seinen Augen zu wischen und starrte Akai nur weiter an. Dieser wagte es nicht, sich zu rühren. Zwar hatte Akai Gin in der gemeinsam verbrachten Zeit bereits öfter weinen gesehen, doch es war immer der Junge, das unschuldige Kind gewesen. Die Tränen des Erwachsenen hatten eine ganz andere Wirkung, die nicht durch Worte zerstört werden durften.
 

Sekunden verstrichen und fühlten sich für Beide wie eine Ewigkeit an. Schließlich schloss Gin die Augen und wandte sich ab. Die Magie des Momentes war gebrochen.

Gin wischte sich unwirsch und vielleicht auch etwas beschämt die Tränen ab und drehte Akai dabei den Rücken zu.

Der Agent überlegte kurz und beschloss die Situation zu nutzen.

"Es ist in Ordnung, zu weinen.", sagte er sanft. "Und...es tut mir Leid."

Beim letzten Satz zögerte er etwas, denn er war sich nicht ganz sicher für was genau er sich entschuldigte. Aber das war genau genommen egal. Es gab genug Gründe.

Gin sah das aber offensichtlich anders. Er schnaubte und sah den Agenten wieder an. "Was tut dir Leid?"

Akai wich dem bohrenden Blick nicht aus und kam nicht umhin die leichte Röte durch das Reiben im Gesicht seines geliebten Koibitos zu bemerken. Es erinnerte ihn an die leichte Röte, die im Gesicht des Jungen immer wieder mal zu sehen gewesen war....

Akai zuckte zusammen, als sein linker Arm schmerzhaft ergriffen wurde. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er die Frage noch immer nicht beantwortet hatte.

"Du behauptest du willst mir helfen, auf meine Fragen gehst du aber nie ein!", wurde ihm wütend vorgeworfen. Doch irgendwie bekam Akai ein anderes Gefühl von Gin. Als ob dieser mit seiner Wut nur etwas anderes verbergen wollte...
 

"Mir tut eben...Alles leid.", meinte Akai daraufhin ausweichend, ohne auf einzelne Dinge einzugehen. Er bekam sofort zu spüren, wie unzufrieden Gin mit dieser Antwort war.

Mit einem Ruck hatte der Silberhaarige den Agenten auf das Bett gedrückt und sich über ihn gebeugt. Seinen Griff um Akais linken Arm lockerte er nicht, was diesem nun durch den Druck auf die Matratze noch mehr Schmerzen bereitete.

"Definiere alles!" Gin versuchte sich Klarheit zu verschaffen, doch Akai wich ihm immer noch aus.

"Das ist jetzt noch nicht wichtig..." Er drehte seinen Kopf auf die linke Seite, um Gin nicht ansehen zu müssen. In dem Augenblick war Akai das ganz recht so, denn er spürte förmlich den finsteren Blick seines Entführers auf sich. Er erwartete jetzt irgendeinen aufgebrachten Kommentar von Gin. Dass er weiter von ihm angeschrien werden würde.

Akai konnte Gin schon verstehen und wie dieser sich jetzt fühlen musste. Doch es passierte erst mal nichts.

Gin schwieg und eine weitere Träne entwich seinem Auge. Sie tropfte auf Akais Augenbinde, so nah war er ihm schon gekommen.

Akai wusste nicht was er sagen sollte. Er hatte Angst durch falsch gewählte Worte Gin noch mehr zu verletzen. Besonders fragte er sich, ob die Wahrheit das Richtige in diesem Moment wäre, so sensibel wie Gin gerade zu sein schien. Ein unangenehmes Gefühl begann sich ebenso bemerkbar zu machen, denn diese Lage erinnerte Akai fast an diese bittere Wahrheit. Wie Gin in jener Nacht versucht hatte, ihn unter sich gefangen zu halten.

"Gin, bitte geh runter von mir..." Um dieses Gefühl zu verbannen, versuchte er ein wenig Abstand vom Silberhaarigen zu gewinnen.

"Das alles hast du dir doch selber zuzuschreiben!" Während Gin keinerlei Einsicht zeigte, stellte er sein Knie versehentlich zwischen Akais Beine. Für diesem genau auf der ungünstigsten Stelle. Ein leichtes Stöhnen entwich ihm.

"Du bist Schuld!", wollte Gin erst hinzufügen, doch er war von Akais Reaktion überrascht. Ihm war, als kannte er so eine Situation bereits. Gin bemerkte, wie plötzlich die Atmosphäre im Raum dunkler wurde, aber das Bild vor ihm war noch ungefähr das Gleiche.

"Du hast es versprochen!", hallte seine eigene Stimme durch seinen Kopf. Sie klang beinahe wie ein Kind, welches unbedingt sein Willen durchsetzen wollte.
 

Kurz darauf konnte Gin Traum und Wirklichkeit nicht mehr voneinander unterscheiden. Es musste ein Traum sein, denn nie würde er sich herab beugen und....
 

Als er warme, feuchte Lippen an seinen eigenen und den warmen Atem einer anderen Person über seine Wangen streichen spürte, riss Gin die Augen auf.

"Wann habe ich...?", fragte er sich verwundert. Doch der Kuss fühlte sich unerwartet gut an. Seltsam vertraut und doch - diese Sanftheit, die Zurückhaltung passten ihm nicht. Ohne sich dessen bewusst zu werden, schloss Gin seine Augen wieder leicht und intensivierte den Kuss. Fordernd drang seine Zunge tiefer, eroberte alles, was sie erreichen konnte.

Langsam ließ Gin die Hand, welche den Agenten nicht festhielt zu dessen nackter Brust wandern, um sie-

Gins Hand ertastete jedoch keine nackte Haut, sondern einen rauen Pullover. Erst war er nur irritiert, doch dann wurde ihm bewusst, was hier gerade schief lief.

Mit einem Ruck richtete er sich auf und sprang vom Bett. Akais Stöhnen ignorierte er dabei. Wer wusste schon, ob es vor Schmerz oder enttäuschter Lust war....
 

Aus scheinbar sicherer Entfernung beäugte Gin das Bett und den Agent darauf, der sich nicht regte. Doch Gin sah sehr wohl wie hektisch sich die Brust seines Gefangenen hob und senkte. Ihm fiel auch noch etwas auf: die deutliche Beule in der Hose des anderen Mannes, welche der von Gin wohl in nichts nachstand, wie er errötend feststellen musste.

"Was mache ich hier? Was habe ich bereits schon getan?" Obwohl Akai ihm mit seinen Antworten immer ausgewichen war, wurde Gin langsam klar, was genau vorgefallen sein musste. Jetzt stellte er sich aber andere Fragen: "Wie weit sind wir gegangen? Warum hat er mich nicht aufgehalten?"

Die letzte Frage beantwortete vermutlich Akais Beule in der Hose. Was Gin zur letzten, aber ebenso wichtigen Frage wie der ersten brachte: "Wie oft?"

Noch immer hatte der gefesselte Agent keine Anstalten gemacht, sich zu bewegen. Die Atmung beider Männer beruhigte sich langsam, was den erfahrenen Mörder aber nicht nachlässig werden ließ. Da seine Beine von der Größe der Erkenntnis anfingen etwas zu zittern, ließ sich Gin langsam zu Boden sinken. Den Blick wandte er aber keine Sekunde von Akai ab.

Unbewusst hob er langsam eine Hand und strich sich mit den Fingern über die Lippen, spürte der kurzen Empfindung nach.
 

So verstrichen einige Minuten der Stille. Gin wartete auf eine Reaktion von Akai.

Dieser wollte und konnte sich aber nicht bewegen und dazu sagen konnte er auch nichts. Gin würde keine weiteren Ausflüchte akzeptieren und die Wahrheit brachte er nach wie vor nicht über die Lippen. Zu groß war die Angst vor der Zurückweisung, die unweigerlich erfolgen würde. Der Agent würde sich gern aufrichten oder den Kopf drehen, um zu sehen, wo Gin jetzt war. Ob er sich überhaupt noch im Raum befand. Sein verletzter Arm weigerte sich nach den letzten Strapazen aber überhaupt nur einen Muskel zu bewegen, ohne ihm lähmende Schmerzen über die Schulter bis in den Kopf zu senden und sein anderer Arm war noch immer an das Bett gekettet.

Durch Gins plötzliche Aktion war Akai soweit nach unten gerutscht, dass dieser Arm jetzt schmerzhaft gestreckt wurde. Um sich bewegen zu können, müsste er also erst seinen Oberkörper auf den anderen Arm stützen, was aus besagten Gründen nicht möglich war. Zudem musste Akai feststellen, dass sich seine Erregung auch nach mehreren Minuten nicht beruhigen wollte.

"Jetzt kann ich wohl nur hoffen, dass er mich nicht zu lange foltert, bevor er mich umbringt.", dachte Akai bedauernd. Fast hätte er gelacht.

"Selbst jetzt bereue ich es nicht und hoffe noch auf die kleinste Gelegenheit ihm näher zu kommen..." Unfähig irgendetwas anderes zu tun, schloss Akai sein Auge und ergab sich der Dinge, die da kommen würden.

"Egal wofür Gin sich entscheidet. Ich werde es hinnehmen und akzeptieren. Ich gebe mich ihm voll und ganz hin."
 

Nach einer viertel Stunde erkannte Gin, dass sich der Agent wohl wirklich nicht bewegen oder anderweitig auf die letzte Aktion reagieren würde. Es vergingen daraufhin noch mehrere Minuten des Schweigens, in denen Gin schließlich beobachten konnte, wie die vielsagende Ausbeulung in Akais Hose sank.

Schließlich rang er sich dazu durch eine der Fragen laut auszusprechen, die ihm die letzte Halbe Stunde durch den Kopf gegangen waren: "Wieso ist es dazu gekommen?"

Eine Frage auf die er einfach keine Antwort fand.

"Weil ich die unwissenden Neckerein und unbekümmerte Unschuld eines Kindes ausgenutzt habe und mein Verlangen nicht zügeln konnte." Die trockene, ehrliche Antwort überraschte Gin. Er hatte nicht mit einer Antwort gerechnet.

Erneut senkte sich Stille über den Raum. Die nächste Frage war schwerer auszusprechen. Gin schluckte nervös bevor er sie aussprach. Die Antwort war entscheidend, doch die Frage offenbarte bereits eine Schwäche: Er konnte sich noch immer nicht an alles erinnern.

"Wie weit....sind....wir....?" Gin brach ab. Es war zu schwer auszusprechen.

Akai verstand sofort, was Gin meinte und erkannte natürlich auch die Wahrheit hinter der Frage. Aber er wollte Gin helfen und hatte bereits beschlossen, sich dem zu fügen. was auch immer Gin tun würde. Es spielte keine Rolle mehr, ob sich Gin an alles erinnerte oder nicht.

"Er hat meinen Körper erkundet, sich langsam vor getastet und schnell die richtigen Stellen gefunden.", erklärte Akai tonlos.

"Wir haben zusammen masturbiert.... und meistens haben wir zusammen in einem Bett geschlafen... er hat meine Nähe gesucht. Hat sich im Schlaf an mich gekuschelt.... er hat mir sein volles Vertrauen geschenkt." Obwohl sich Akais Tonlage nicht veränderte, wurde er doch immer leiser und Gin musste sich anstrengen den nächsten Teil noch zu verstehen.

"Ich wollte diese Unschuld beschützen. Durch seine Alpträume eine Ahnung davon bekommen, was er durchleben musste...." Jetzt wurde Akais Stimme wieder deutlicher: "Doch das stimmt nicht. Er hat das noch nicht durchleben müssen. Du warst das, Gin. Du warst derjenige mit den Alpträumen, nicht wahr?"
 

Gin schluckte und ließ die Frage offen im Raum stehen. Er konnte nicht darauf antworten, denn er war sich nicht sicher oder besser gesagt: Er wusste es nicht.

Obwohl er versuchte sich äußerlich nichts anmerken zu lassen, übermannte ihn ein tiefer Schock, der mit jeden weiteren Wort von Akai größer wurde. Ihm war wärmer geworden und beinahe hätten seine Hände angefangen zu zittern. Er versuchte vergeblich ruhig zu bleiben und kniff einen Moment die Augen zusammen, um sich wieder zu sammeln und die Wahrheit über sich ergehen zu lassen. Die Hintergründe davon brachten ihn noch mehr aus der Fassung.

"Er konnte zu viel über mich erfahren..." Ohne, dass Gin es merkte, ballten sich seine Hände zu Fäusten.

"Wir haben zu viel miteinander getan..." Er ging seiner Erkenntnis in Gedanken weiter nach, dabei entgingen ihm fast Akais darauf folgende Worte.

"Alles okay?" Die Besorgnis dahinter war jedoch kaum zu überhören. Akai lag immer noch auf dem Bett und hatte seinen Kopf nur leicht zu Gin gedreht.

Dieser starrte den Agenten nur mit geweiteten Augen und leicht geöffneten Mund an.

"War das alles wirklich mein eigener Wille?!" Er antwortete nicht auf Akais Frage, erhob sich aber und ging stattdessen auf diesen zu. Gin stützte sich noch einmal über seinen reglosen Erzfeind, um in dessen Gesicht sehen zu können.

"Wollte ich seine Nähe so sehr?" Er konnte es einfach nicht wahr haben.
 

Akai hingegen machte Gins Reaktion stutzig, die er nicht deuten konnte. Besonders, weil es ihm so viel Mut und Überwindung kostete seinem Koibito endlich ehrliche Antworten zu geben, ahnte er jetzt Schlimmes, als dieser auf ihn zu kam.

Sein Herz schlug schneller. Er biss schon die Zähne zusammen, als Gin seinen Arm anfing in seine Richtung zu bewegen.

Akai bereitete sich auf kommende Schmerzen vor. Desto größer war jedoch die Verwunderung, während Gin nur langsam über seine Haare strich.

"Vielleicht war ich letztlich nicht ganz unschuldig...", dachte Gin und vermutete, dass seine Handlungen als Kind Akai zusätzlich beeinflusst haben könnten. Gerade als der Silberhaarige überlegte die Stille zu unterbrechen, tat Akai dies schon für ihn: "Ich glaube... Mir hat noch nie wirklich ein Mensch so sehr leid getan."

Er versuchte dabei Gins Wange zu streicheln, doch durch die Schmerzen in seinem Arm kam er damit nicht weit. Gin ergriff zudem sein Handgelenk.

"Das ist alles zu viel für mich.", gestand er Akai mit rauer Stimme.

Für diesen war das vollkommen verständlich. Es war immerhin nicht mal für ihn selbst leicht.

"Ich weiß...", entgegnete er leise. Gin lockerte seinen Griff danach wieder und tat daraufhin etwas eher Unerwartetes. Er löste die Handschellen, die Akai an das Bett festhielten wieder.

Als der Agent ein Klicken vernahm und begann zu realisieren, sah er Gin nur fragend an.

"Du wirst diesen Raum nicht verlassen, verstanden?", sprach dieser ernst.

Akai erhoffte damit wenigstens ein bisschen von Gins Vertrauen gewonnen zu haben. Es war zumindest ein Anfang.

"In Ordnung.", bestätigte er und lächelte erstmals zufrieden.

Stimmen

Die folgende Nacht konnte Akai das Erste Mal seit seiner Entführung ohne Fesseln verbringen. Das Bett war auch deutlich bequemer, als im Krankenhaus und so schlief er so gut wie schon lange nicht mehr.

Gin hingegen konnte seinen Mörderinstinkt nicht vollständig ablegen und verbrachte die Nacht zur Sicherheit direkt vor Akais Tür. Zwar bekam er nicht gerade viel Schlaf ab, er hatte aber auch viel zu verarbeiten.

So vergingen mehrere Tage in denen Gin langsam erkannte, dass Akai sich an sein Versprechen hielt. Zwar verbrachte der Mörder den größten Teil des Tages im gleichen Zimmer mit dem Agenten, verließ aber auch immer öfter das Haus, da er nicht ständig einen Essens-Service bestellen wollte und sich sein Gefangener schlicht weigerte von ihm zubereitetes Essen zu verzehren.

Die Stimmung zwischen den Beiden veränderte sich mit jedem weiteren Tag. War Gin zu Beginn noch misstrauisch, kontrollierend und innerlich verunsichert, so beruhigte ihn das gleichbleibende, ruhige Verhalten von Akai. Ohne es zu bemerken, war er nicht mehr im Raum, um Akai an möglichen Fluchtversuchen zu hindern, sondern weil er dessen Gesellschaft als angenehm empfand.

Akai wiederum war sich über Gins Unsicherheit bewusst, auch wenn dieser versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Er vermied bewusst alles, was Gin weiter verunsichern würde und versuchte so dessen Vertrauen zu ihm zu stärken. Je entspannter Gin wurde, desto besser fühlte sich auch Akai.

Die anfängliche, angespannte Stille wurde zunehmend von kleinen, lockeren Bemerkungen unterbrochen und es gab immer öfter kurze Gespräche. Selbst wenn keiner von Beiden etwas sagte, war die Stille nicht mehr spannungsgeladen und sie fühlten sich wohl.
 

Gerade war es abends und sie aßen gemeinsam auf dem Bett zwei Nudelboxen, welche Gin zuvor besorgt hatte.

Schon dort auf dem Heimweg hatte ihn der heftige Wind und die Luft, die nach Regen gerochen hatte, stutzig gemacht. Ein Unwetter war laut Wetterbericht eigentlich nicht angekündigt gewesen.

Gin rührte mit einem Löffel noch seinen heißen Pfefferminz-Tee um. Zumindest war Tee kochen für ihn eine einfache Sache, anders als das Zubereiten von Mahlzeiten.

Akai hatte er ebenso einen Tee gemacht. Dieser stand auf dem Nachttisch und dampfte noch.

Der Agent richtete seinen Blick zum Fenster, es war angeklappt. Leider konnte er aber durch das Licht im Zimmer nur schwach nach draußen schauen. Er erkannte nur ein bisschen, dass es bereits dunkel war. Sterne waren nicht zu sehen, der Mond ebenso wenig.

Da momentan Stille im Raum herrschte, konnte Akai von außerhalb das schnelle Wehen des Windes vernehmen, auch das rascheln der Blätter und das Knacken der Äste waren vom Baum vor dem Fenster zu hören.

„Es wird doch wohl kein Unwetter geben?“, warf er eine Frage in den bisherig stillen Raum, um ein Gespräch zu beginnen.

Kurz darauf tropften auch schon die ersten Regentropfen auf die Fensterscheibe, was auch Gins Aufmerksamkeit weckte.

„Scheint so...“, meinte er und nahm einen weiteren Bissen von seinen Nudeln. Den Tee hatte er bereits auch auf dem Nachttisch abgestellt. Getrunken hatte er ihn noch nicht, da er ihn noch als zu heiß empfand.

„Du solltest das Fenster lieber schließen, sonst regnet es noch rein.“, wies Akai wieder zum Fenster hin.

Gerade als Gin ablehnen wollte, nahm der Regen plötzlich zu. Seufzend stellte er seine Nudelbox neben den Tee und bewegte sich mit langsamen Schritten zum Fenster. Während er dies tat, glaubte er einen Blitz bemerkt zu haben. Sicher war er sich jedoch nicht. Das Flackern von Blitzen war in erhellten Räumen nur schwer zu erkennen.

Als er dabei war das Fenster schließen zu wollen, bestätigte sich sein Verdacht. - Ein lauter Donner zog sich durch den Himmel und ließ den Silberhaarigen kurz zusammenzucken.

Akai hingegen saß wie die Ruhe selbst auf dem Bett und musterte ihn.

„Angst?“, fragte er ironisch und konnte sich kein Grinsen verkneifen.

„So ein Unsinn!“, fuhr Gin den Agenten an und knallte das Fenster schließlich zu. Hastig eilte er zurück zum Bett und ließ sich dort schweigend nieder. Kaum saß er, schallte ein weiterer Donner durch den Abend. Ohne es überhaupt zu wollen, hatte sich Gin noch ein zweites Mal erschrocken, fast schon peinlich.

Er kauerte auf dem Bett, da machten sich auf einmal Kopfschmerzen bei ihm bemerkbar. Er fasste sich an die Stirn und schielte zu Akai rüber, der gerade aufgegessen hatte und seine leere Nudelbox auf dem Tisch abstellte, um sich danach seinen Tee zu nehmen.

Jetzt wollte Gin seinen auch trinken, da er aber zu weit davon entfernt war, musste er sich extra wieder aufrichten. Noch im Stehen hatte er vor einen Schluck zu nehmen, doch als wieder ein lautes Donnergrollen die Stille unterbrach, ließ er den Henkel los und ließ die Tasse fallen.

„Scheiße!“, fluchte er unmittelbar danach, was sein Missgeschick aber auch nicht rückgängig machen konnte. Wenigstens blieb die Tasse dabei unversehrt. Nur der Inhalt hinterließ eine Pfütze auf dem Boden.

„Ist alles okay?“, kam es von Akai unsicher. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass dieser Gin Angst vor einem Gewitter haben konnte und doch machte ihn dessen kurze Starre stutzig. Fast hätte er sich angeboten, die Sauerei zu beseitigen, doch das musste er scheinbar nicht.

„Ich hol einen Lappen, du wartest gefälligst hier!“, teilte Gin ihm leicht aufgebracht mit und verließ, ohne auf eine Reaktion abzuwarten, das Zimmer.
 

Im Flur wurde dem Silberhaarigen erst bewusst, wie heftig es inzwischen blitzte. Einer nach dem Anderen erhellte den dunklen Flur. Beim Anblick verschlimmerten sich Gins Kopfschmerzen nur und er beschloss den Lichtschalter zu betätigen.

Beim Umlegen von diesem passierte jedoch nichts. Er versuchte es mehrmals, doch die Lampe ging nicht an. Kurz darauf hörte er, wie Akai vom Schlafzimmer aus rief, dass das Licht ausgefallen war.

„Wieso ausgerechnet ein Stromausfall?!“, dachte Gin verärgert ohne auf Akais Mitteilung einzugehen. Er ging einfach zielgerecht weiter zur Küche, bis Schwindel und sein dadurch verursachtes Schwanken ihn zum stehenbleiben zwangen.

Als er zum Ende des Flurs sah, tauchte plötzlich ein Bild von einem anderen Zimmer in seinem Kopf auf, welches er glaubte nicht zu kennen. Da es nur ein Bruchteil einer Sekunde zu sehen war, konnte Gin auch nicht weiter darüber nachdenken. Das Denken war sowieso unmöglich, da Kopfschmerzen ihn zusätzlich quälten. Er vernahm deshalb fast gar nicht mehr den nächsten Donner. Ohne den Grund dafür zu wissen, begannen seine Hände zu zittern. Jammernde und verängstigte Schreie eines Jungen füllten seinen Kopf. Gin musste feststellen, dass es seine eigene Stimme war.

Er krallte seine Hände in den Kopf und sank mit den Knien zu Boden. Die Schreie wurden lauter, vermischten sich mit seinen eigenen Schreien in der Realität, von denen er nicht einmal merkte, dass er sie von sich gab. Sein Körper krümmte sich. Doch die Schreie sollte nicht die einzige Stimme in seinem Kopf bleiben, eine weitere kam hinzu.

"Sieh mich an… Ich bin hier… Alles ist gut...“
 

Damals kamen diese Worte von Akai. Die Panik fing bereits an von ihm Besitz zu ergreifen und er stand deshalb nun hinter der Schlafzimmertür. Gins Schreie beunruhigten ihn. Er hatte gerade noch genug Beherrschung, um nicht gegen die Tür vor sich zu hämmern.

„Gin!!“ rief er, wie schon einige Male zuvor. Offenbar bekam sein Koibito das nicht mehr mit.

„Du wirst diesen Raum nicht verlassen!“

Dessen Verbot hielt Akai davon ab jetzt auf den Flur zu stürmen und Gin beizustehen.

Ein weiterer Schrei erklang. Fluchend öffnete Akai die Tür, lehnte sich aber nur heraus. Er hoffte etwas erkennen zu können, ohne den Raum wirklich verlassen zu müssen, doch auf dem Flur herrschte absolute Dunkelheit. Er konnte kaum zwei Schritte weit sehen.

"Gin!?", rief er erneut, hoffte seine Stimme würde seinen Koibito jetzt besser erreichen, da sie nicht mehr durch die Tür gedämpft wurde. Doch es erfolgte keine Antwort.

Akais Hand krallte sich in den Türrahmen. Er durfte das Versprechen nicht brechen. Das würde das labile Vertrauen, welches Gin endlich anfing ihm gegenüber aufzubauen, endgültig zerstören...

"Gin?", versuchte er es ein letztes Mal. Nur ein dumpfes Stöhnen antwortete ihm.

Verzweifelt legte Akai seinen Kopf gegen den Türrahmen.

"Was soll ich bloß tun?", fragte er sich. Plötzlich wurde er durch einen hellen Lichtstrahl direkt in sein Auge geblendet. Der Strom war scheinbar wieder zurückgekommen und nun reflektierte irgendetwas das Licht.

Akai drehte instinktiv den Kopf und registrierte dabei, was ihn geblendet hatte.

"Die Handschellen!" Ein Plan nahm in seinem Kopf Gestalt an und entschlossen ging er zum Nachtschrank, auf welchen Gin die Handschellen mit dem Schlüssel gelegt hatte. Ohne den Schlüssel zu beachten, nahm Akai die Handschellen und befestigte sie um eines seiner Handgelenke. Dann führte er beide Arme hinter seinen Rücken und befestigte sie auch um sein zweites Handgelenk. Das würde es ihm zwar deutlich erschweren Gin zu helfen, sollte sich dieser verletzt haben, doch er vertraute darauf, dass ihm dann etwas einfallen würde. Da er sich freiwillig so fesselte würde Gin hoffentlich davon überzeugt werden, dass er den Raum nicht mit der Absicht verließ zu fliehen.
 

Schließlich trat er nach einem tiefen Durchatmen in den Flur. Er brauchte nicht lange, um herauszufinden, wo Gin sich befand.

Akai drehte seinen Kopf leicht nach links und erblickte somit den Silberhaarigen am Ende des Flurs, scheinbar vor der Küchentür. Da der Flur jedoch noch verdunkelt war, konnte Akai nur erkennen, dass Gin auf dem Boden krümmte und sich wohl kaum regte. Der Anblick sorgte dafür, dass die Panik Akais Verstand letztlich doch übernahm.

Während er durch den Gang eilte, erhellten diesen noch einige Blitze, bis wieder ein Donner erfolgte, als der Agent Gin erreicht hatte.

"Gin...! Was ist los?!" Akai ließ sich vor Gin auf die Knie fallen.... weil keine Antwort erfolgte, nahm er stattdessen einen hastigen Atem wahr, welcher ab und zu von einem leisen Stöhnen unterbrochen wurde.

"Hast du Schmerzen...?" Noch ein vergeblicher Versuch eine Antwort von Gin zu erhalten. Akai würde in diesem Augenblick gern dessen Gesicht sehen, doch die silbernen Haarsträhnen darüber ließen das nicht zu.

"Verdammt..." Während der Machtlose fluchte, ertönte noch ein Donner. Daraufhin grub Gin seine Hände in den Kopf, was wirklich nicht gesund aussah. Die zitternden Finger schienen sich regelrecht in die Kopfhaut zu krallen.

Allmählich wurde auch Akais Atem immer schneller. Er konnte sich nur begrenzt vorstellen, was in Gin gerade vorgehen musste. Daher konnte er schlecht einschätzen wie und ob er ihm überhaupt helfen konnte. Akai wollte jedoch nicht länger mit ansehen, wie sich sein Koibito diese Schmerzen zusätzlich selbst zufügte, also handelte er nach der bestmöglichsten Idee, die ihm zuerst einfiel. Er ließ sich nach hinten fallen und verschaffte seinen Beinen ein wenig Freiraum. Zumindest so viel, dass es ihm möglich war, Gins Hände von dessen Kopf wegzutreten.

"Hör auf damit, du tust dir weh!", schrie er dabei, nicht im Glauben daran, dass Gin diese Worte überhaupt erreichen würden. Doch der Tritt schien den Silberhaarigen aufmerksam gemacht zu haben. Er stützte seine Hände auf dem Boden ab und hob seinen Kopf, um Akai ansehen zu können.
 

Dabei wurde es Gin bewusst: Die zweite Stimme in seinem Kopf stammte von seinem Retter. Sie passte zu dem Bild, das sich ihm gerade bot. Genau wie damals, diese panischen, aber auch beruhigend wirkenden Worte, der besorgte Gesichtsausdruck... doch es fehlte diese Wärme. Die Wärme, welche Gin dadurch empfand, weil Akai ihn fest im Arm gehalten hatte. Um diesem fehlenden Gefühl nachzugehen, schlang er seine Arme instinktiv um den Agenten.

Dieser hatte nicht mit solch einer Geste und vor allem nicht mit dem Schwung dabei gerechnet. Beide fielen auf den Boden.

Akai lag durch die Handschellen unbequem auf dem Rücken und Gin auf ihm.

"G-Gin...", brachte Akai vor Verwirrung leise aus sich heraus. Natürlich reagierte dieser nicht. Eher vergrub er seinen Kopf tiefer in Akais Brust und beachtete dabei nicht, dass er dem Agenten dadurch Schmerzen bereitete.
 

Akai versuchte, seine Taille etwas anzuheben, da sein eigenes und Gins Körpergewicht sonst seine gefesselten Hände mitsamt den Armen daran zerquetschen würden. Obwohl er Gin gern in seinen Armen hat und nicht genug körperliche Nähe von seinem Koibito bekommen konnte, lange würde er nicht in dieser Position verweilen können.

"Wie soll ich Gin überhaupt jetzt von mir runter bekommen?" Ihm fiel keine Möglichkeit ein. Gin schien in diesem Augenblick wie benommen. Langsam begannen auch Akais Beine, auf welche er das ganze Gewicht verlagert hatte, zu zittern.

Letztlich ergab er sich und ließ seinen inzwischen erschöpften Körper fallen. Unmittelbar danach durchzog auch schon der erwartete Schmerz seine Arme.

Akai biss die Zähne zusammen und versuchte jeden Laut zu unterdrücken. Würde er jetzt ruhig bleiben, dann würde Gin vielleicht auch irgendwann einschlafen. Er hoffte zumindest, dass der Silberhaarige auf ihm sich vollständig beruhigen würde.
 

Nach einiger Zeit legte sich das Gewitter wieder. Die Blitze erschienen nur noch in weiten Zeiträumen voneinander und der Donner wurde nach und nach leiser. Auch von Gin konnte Akai keinerlei Regung mehr vernehmen.

"Zum Glück...", dachte er erleichtert, als er bemerkte, wie Gin friedlich auf ihm schlief. Trotz der einkehrenden Taubheit in seinen Armen konnte Akai noch ein Lächeln aufsetzen. Gerade erinnerte sein Koibito ihn an das Kind von damals, was er so liebgewonnen hatte. Leider konnte der Agent sich nun aufgrund der unbequemen Liege-Position auf eine wahrscheinlich schlaflose Nacht vorbereiten. Doch es machte ihm nichts aus, solange Gin einen angenehmen Schlaf haben würde, den dieser jetzt wirklich brauchte.

"Was wohl morgen passieren wird, wenn er aufwacht..." Akai fragte sich, ob er sich die Gedanken darüber besser sparen sollte. Ein wenig Angst hatte er schon, Gins Vertrauen zu verlieren. Dann wäre er wieder beim schmerzhaften Anfang, daran wollte er gar nicht erst denken. Seufzend schloss Akai einfach sein Auge und versuchte seinen Kopf zu leeren. Vielleicht hätte er Glück und würde doch irgendwann einschlafen.

Ich glaube dir

Das Erste, was Gin wahrnahm als er anfing aufzuwachen, war eine angenehme Wärme und das ruhige Pochen eines Herzschlages unter ihm, das ihm angenehm vertraut war und Sicherheit vermittelte. Er fühlte sich einfach wohl und wollte sich am Liebsten noch enger an die Person unter sich kuscheln, doch da setzte sein Verstand wieder ein.

"Wieso liege ich hier?" Mit geschlossenen Augen rief er sich die letzten Ereignisse in den Kopf. Es hatte gewittert. Ein Stromausfall... und Kopfschmerzen. "Hat das Gewitter etwas ausgelöst?"

Die Frage beantwortete sich, als er feststellen musste, dass er sich jetzt tatsächlich daran erinnern konnte, wie Akai mit ihm zu einem anderen Haus gefahren war.

"Da sind wir auch in einem Gewitter angekommen…"

"Guten Morgen.", erklang eine raue, müde klingende Stimme über Gin und vibrierte in dem Brustkorb unter ihm. Aus seinen Überlegungen gerissen, öffnete Gin die Augen und drehte den Kopf, um Akai anzusehen.

Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er seine Arme um den Agenten geschlungen hatte und sie sich noch immer im Flur befanden. Genau genommen auf dem Boden im Flur....

Ruckartig richtete sich Gin auf und stützte die Hände dafür neben Akais Körper ab.

"Was machst du hier?!", schrie er den Schwarzhaarigen an.
 

Akai verzog vor Schmerzen leicht sein Gesicht. Seine Erschöpfung hatte irgendwann dafür gesorgt, dass er in einen leichten Schlaf gefallen war. Doch die Schmerzen und die ungünstige Position hatten verhindert, dass sein Schlaf tief, geschweige denn erholsam werden konnte. So wurde er durch die kleinen Bewegungen von Gin geweckt, als dieser erwachte.

Die ruckartigen Bewegungen seines Koibitos sandten Wellen des Schmerzes durch seinen Körper und er musste sich zusammenreißen seinen Schmerz nicht herauszuschreien.

Erst nach ein paar Minuten wurde ihm bewusst, dass sich Gins Körper über ihm immer mehr anspannte und als er sein Auge öffnete, sah er in das kalte Gesicht eines wütenden Mörders. Er hatte nicht mitbekommen, dass dieser ihn etwas gefragt hatte, beantwortete Gins Frage aber dennoch, indem er die Sätze aussprach, an denen er die halbe Nacht gefeilt hatte. Die andere Hälfte hatte er an gemeinsame Momente mit Gin denken müssen.

"Ich habe dich schreien gehört und konnte dich nicht einfach so allein lassen. Ich habe dir bereits versprochen, dass ich dir helfe und das werde ich auch bis zum Schluss tun."

"Du hast dein Versprechen gebrochen, warum sollte ich dir also dabei glauben?", fragte Gin unbeeindruckt.

Bevor der Agent die Frage beantworten konnte, fügte der Silberhaarige noch hinzu: "Woher weiß ich, dass du dir das nicht als Ausrede ausgedacht hast, da ich dich abgefangen habe, bevor du zur Tür gelangen konntest?"

Akai wich dem eiskalten, bohrenden Blick über sich nicht aus.

"Weil ich so nie durch die Tür hätte gehen können." Nach diesem Satz drehte Akai seinen Körper etwas, damit Gin die Handschellen hinter seinem Rücken sehen konnte. Dabei achtete er bewusst darauf, dass sein Gesichtsausdruck gleich blieb und nichts von den Schmerzen zeigte, die diese Bewegung verursachte.
 

Verwirrt runzelte Gin die Stirn.

"Wieso? .... Warum sollte er sich selbst fesseln? Ist das ein Trick von ihm?" Er betrachtete den Schwarzhaarigen genau. Der Gesichtsausdruck hatte sich nicht geändert und er konnte an den Augenlidern Akais Müdigkeit erkennen.

"Es stimmt. Wäre er so nach draußen gegangen, wäre das bestimmt jemandem aufgefallen. Das wäre ihm zwar zu Gunsten gekommen, hätte er mich ausliefern wollen, aber das hätte alles Zeit gekostet und warum den Aufwand auf sich nehmen. Um mich auszuliefern hätte er sich nicht selbst fesseln müssen. Ohne die Handschellen hätte er direkt das FBI kontaktieren können..." Egal wie Gin es betrachtete, er fand keinen logischen Grund aus dem sich der Agent selbst fesseln würde. Noch dazu mit den Händen hinter dem Rücken, was seine Handlungsfähigkeit gewaltig einschränkte. Wären seine Hände vorne, wäre es leichter zu glauben, dass er ihn nur täuschen wollte, doch so…

Gin kam ein Gedanke.

"Wo ist der Schlüssel?" fragte er seinen Gefangenen. "Ich weiß, dass ich ihn direkt neben den Handschellen liegen gelassen habe, hat er ihn also mitgenommen um...."

Gins Gedankengänge wurde von Akais Antwort erneut total aus der Bahn geworfen.

"Noch auf dem Nachtschrank. Ich habe ihn nicht angerührt." Darauf wusste der Silberhaarige nichts zu sagen. Mit finsterem Gesichtsausdruck, da er seinem Gefangenen noch immer nicht ganz glaubte, richtete er sich mit einem "Hmpf!" auf.
 

Erleichtert atmete Akai tief durch. Offenbar hatte er den ersten Test bestanden, dass es nicht nur bei dem Einen bleiben würde, stand natürlich außer Frage.

"Den Rest schaffe ich auch. Am schwersten ist immer der Anfang.", dachte Akai.

"Worauf wartest du?", wurde der Schwarzhaarige von dem Mörder angefahren. "Willst du den ganzen Tag da liegen bleiben?"

Akai lächelte schwach. "Kannst du mir bitte helfen? Meine Arme und das Bein auf dem du gelegen hast sind leider eingeschlafen."

Gins Gesichtsausdruck verfinsterte sich noch mehr. Dennoch ergriff er Akais rechten Arm und zog ihn damit grob auf die Füße.

Akais Beine zitterten etwas und er war froh, dass Gin seinen Arm nicht losließ, bis sie wieder in dem Schlafzimmer waren, in dem er die letzten Tage verbracht hatte. Ohne die Unterstützung des festen Griffes wäre er vermutlich gleich wieder zusammengebrochen.

Gin zerrte Akai bis zum Bett. Dort angekommen gab er dem Agenten einen groben Stoß, wodurch dieser stolperte und mit dem Gesicht voran in der Matratze landete.

"Bleib da!", befahl der Mörder grob und ging zum Nachttisch, auf dem der Schlüssel der Handschellen lag. Als er sich dem Agenten wieder zuwandte, lag dieser noch genau so auf dem Bett wie er gelandet war, nur den Kopf hatte er zum Atmen etwas gedreht.

Gin kniete sich neben Akai auf das Bett. Er legte seinem Gefangenen eine Hand zwischen die Schulterblätter und drückte ihn fest in die Matratze. Langsam beugte er sich soweit herab, dass Akai seinen Atem am Ohr spürte.

"Ich vertraue dir nicht.", flüsterte Gin ihm ins Ohr und ließ dem Agenten einen Schauer über den Rücken laufen. Es gab nichts, was Akai tun konnte.

"Ich hab es versucht.", dachte er resigniert. Doch Gins nächste Aktion überraschte ihn. Er öffnete die Handschellen.

"Aber ich glaube dir diesmal." Mit den Worten stand Gin mit den Handschellen in der Hand vom Bett auf.
 

Als Akai dann die Befürchtung bekam, Gin würde den Raum wieder verlassen wollen, versuchte er ihn davon abzuhalten.

"Warte.", meinte er leise, während er versuchte sich auf das Bett zu setzen. Erst nach einigen Bemühungen schaffte er es, eine Sitzposition einzunehmen.

"Hm?", kam es von Gin scheinbar unbeeindruckt, der einfach wartete, bis Akai sich einigermaßen aufgerichtet hatte.

Der Agent klopfte zweimal leicht mit seiner rechten Hand auf die Bettdecke, mit der Andeutung Gin sollte sich zu ihm gesellen. Nachdem dieser misstrauisch eine Augenbraue nach oben gezogen hatte, nahm er neben Akai Platz.

"Was soll schon passieren...", dachte er, dass er dabei seine Achtsamkeit ignorierte, überraschte ihn im Nachhinein selbst. Danach wusste er nicht, ob er dies jetzt bereuen sollte.

Akai hob seine zitternde, rechte Hand und führte sie zu Gins Stirn. Als er diese berührte, fühlte er jedoch nichts. Die noch andauernde Taubheit in seiner Hand ließ die Wärme von Gins Stirn nicht zu ihm durchdringen. Doch trotzdem strich Akai weiter unter den Pony des Silberhaarigen entlang, welcher diese Geste unerwartet aber doch als beruhigend empfand.

"Geht es dir jetzt wieder besser?", erkundigte sich Akai nach dem Zustand seines Koibitos, während er dessen Haare nach oben schob, so dass er Gins Stirn sehen konnte. Die Augenbrauen von Gin waren ebenso silber wie seine langen Haare. Fast wäre Akai diesem schönen Anblick verfallen, wenn Gin nicht seine Frage beantwortet hätte.

"Tut es.", sagte er knapp.

"Wieso ist er immer so fürsorglich wenn es ihm selbst viel schlechter als mir ergeht?!", fragte er sich, aber gedanklich und versuchte das Verhalten des Agenten irgendwie nachvollziehen zu können, als er dessen müdes Antlitz musterte. Er bemerkte eindeutig, wie Akais Hand auf seinem Kopf immer noch zitterte und diese wohl kaum noch Kraft besaß.

"War das alles, was du wissen wolltest?", fügte Gin hinzu, da ihm seine Antwort zu kurz schien und unzufrieden stellte.

Er griff um Akais Hand und ließ sie wieder zum Bett sinken.

"Nein...", brachte der Agent hervor, "Hast du dich gestern an etwas erinnert?"

"Habe ich." Gins Antwort erfolgte schnell.

"Magst du es mir erzählen?", wollte sein Nebenmann daraufhin erfahren. Gin erinnerte sich kurz zurück.

"Wir sind zu einem Haus gefahren, welches ich nicht kenne." Er schloss seine Augen und versuchte das Szenario noch einmal hervorzurufen.

"Dann war ich allein. Es war dunkel und wie gestern Abend hatte es gewittert. Ich habe Schreie gehört, bis sie von deiner Stimme unterbrochen wurden." Wie Gin sich dabei gefühlt hatte, erwähnte er nicht. Diese Angst, die er dabei hatte, verschwieg er Akai einfach, da er es als unangenehm empfand. Doch die darauffolgende Antwort von Akai ließen Gins Atem für einen kurzen Moment stocken.

"Ich hatte damals Angst...", begann der Agent und senkte seinen Kopf, "...um dich."

Erst verstand Gin diese Aussage nicht, doch als Akai weiter fortsetzte, verschwand diese Unverständnis allmählich.

"Du hattest solche Anfälle öfters. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und habe mich so hilflos gefühlt." Akai sprach stets ruhig und behielt seine leise Tonlage bei.
 

Gin blieb, ohne es zu merken, der Mund offen stehen. Es verwunderte ihn, wie dieser Mann einfach so offen ihm seine Gefühle preisgab. Er wusste nicht, was er dazu sagen sollte und ob er auf die Wärme, welche seinen Körper plötzlich erfüllte, eingehen sollte.

"Es freut mich, dass dein Gedächtnis Fortschritte macht." Akai beachtete Gins Schweigen nicht und sprach schließlich weiter.

"Was ist das...für ein Gefühl..." Der Silberhaarige krallte in seinen Pullover, an der Stelle seines Herzens, "...wenn ich diese liebevollen Worte höre..."

Er drehte sich von Shuichi weg. Er wollte ihm sein Gesicht jetzt nicht zeigen, welches eindeutig ausdrückte, wie durcheinander er war.

"Stimmt etwas nicht?" Gins seltsame Reaktion entging dem Agenten selbstverständlich nicht.

"Du solltest dich ausruhen und etwas schlafen. Sicher bist du müde." Gin wich der Frage einfach aus und versuchte wieder klare Gedanken zu fassen. Zwar entsprach das der Wahrheit, doch Akai wollte eigentlich nicht so einfach aufgeben. Gerade wollte er Gin erneut ansprechen, als dieser jedoch plötzlich aufstand. Als sich der Silberhaarige ihm wieder zudrehte, war er wieder ganz das gefasste, unnahbare Mitglied der Organisation.

"Wir können natürlich auch gern weiter reden, dann aber nach meinen Bedingungen.", sagte der Mörder kalt.

Akai sah ihn nur erschöpft an. Nach ein paar Sekunden des Schweigens senkte der Agent schließlich den Kopf.

"Also gut, du hast gewonnen."

Ein leichtes Lächeln zuckte in Gins Mundwinkel, doch er unterdrückte es schnell.

"Leg dich hin!", befahl er seinem Gegenüber stattdessen kalt.

Erstaunt tat Akai, was Gin ihm befahl. Er hatte erwartet, sein Koibito würde einfach den Raum verlassen.

"Will er sich etwa davon überzeugen, dass ich wirklich schlafe?", fragte sich Akai im Stillen. Während er jedoch versuchte es sich auf dem Bett bequem zu machen, musste er feststellen, dass ihm sein linker Arm nun gar nicht mehr gehorchte. Zwar konnte er verhindern, dass sich die Schmerzen in seinem Gesicht zeigten, als er versehentlich etwas Gewicht darauf verlagerte, aber anhand der umständlichen Bewegungen erkannte Gin seinen Zustand schnell.
 

Sobald Akai lag, beugte sich Gin über den schwer atmenden Agenten.

Dieser hatte sein Auge kurz geschlossen, um Luft zu holen und war vollkommen überrascht, das Gesicht des Silberhaarigen plötzlich so nah vor sich zu sehen. Viel Zeit dessen Schönheit zu bewundern blieb ihm jedoch nicht, denn gleich darauf schrie er vor Schmerz und schloss sein Auge instinktiv wieder.
 

Gin hatte dem Agenten nicht ohne Grund befohlen sich hinzulegen. Bereits als er ihm die Handschellen abnahm, war ihm aufgefallen, dass der linke Arm des Schwarzhaarigen dicker war. Selbst die Finger erschienen ihm etwas zu rot und leicht geschwollen.

Sobald Akai also auf dem Bett lag, beugte sich Gin zu ihm herab und schob den Ärmel des Pullovers nach oben. Das war es, was Akai vor Schmerz schreien ließ. Der Ärmel des Pullovers war nicht mehr ganz so weit und die Schmerzempfindlichkeit durch die lange Nacht in sehr ungünstiger Lage deutlich erhöht. Akai hatte sein Auge instinktiv geschlossen, wodurch ihm der kurze, besorgte und fast schon schuldbewusst wirkende Ausdruck auf Gins Gesicht entging.

Als der Agent sein Auge wieder öffnete, hatte sich der Mörder bereits wieder im Griff. Unter Akais Blick, der nun nichts weiter als Erschöpfung ausdrückte, richtete sich Gin auf und verließ das Zimmer.

Als er zurückkam hatte er ein Messer in der Hand. Kurz erweiterte sich Akais Pupille.

"Was hat er vor?" Der Agent konnte das schnelle Schlagen seines Herzschlages nicht verhindern, als ihm der Mörder immer näher kam.
 

Gin setzte sich ohne Worte auf den Bettrand neben Akais Arm und schnitt den Ärmel des Pullovers auf.

Überrascht zuckte Akai zusammen, als sein Arm plötzlich von etwas kaltem berührt wurde. Etwas nass-kaltem.

Er drehte den Kopf und erkannte erst jetzt, dass Gin das Messer zur Seite gelegt hatte. Der Silberhaarige wickelte mit festem Griff eine nasse Binde um den geschwollenen Arm.

Als er damit fertig war, stand er wieder auf und warf nochmals einen Blick auf den Agenten.

"Danke.", meinte dieser ruhig, während er seinen schweigenden Koibito ebenso musterte.

"Schlaf gut.", erwiderte Gin nach einem kurzen Nicken. Seine Tonlage wirkte dabei kalt und doch emotionslos. Scheinbar war ihm das zu viel Nettigkeit auf einmal, welche auch ungewohnt war. Gin musste sich eigentlich noch nie um jemand anderen kümmern geschweige denn pflegen, außer natürlich sich selbst. Aber irgendwie bemerkte er, dass es auch ein schönes Gefühl sein konnte, jemandem zu helfen. Akais zufriedenes Lächeln voller Dankbarkeit bewirkte, dass Gin sich jetzt auch besser fühlte.

Als der Agent sein Auge schließlich schloss und versuchte zu schlafen, verließ Gin leise das Zimmer.

Tiefste Verletzung

Am folgenden Tag hatte die Schwellung an Akais Arm längst nachgelassen. Dafür hatte sich der Arm jedoch blau gefärbt, erkannte Gin, als er Akais Zustand überprüfen wollte. Gerade war er dabei, dessen Arm abzutasten. Dies tat er langsam von oben nach unten. Das Erste, was Gin mit einem Hauch von Erleichterung feststellte, dass Akais Arm schon mal nicht gebrochen war.

Der junge Mann auf dem Bett verzog währenddessen wieder vor Schmerzen sein Gesicht, aber zumindest schien er nicht mehr so ermüdet wie am gestrigen Tag - Gin empfand es so auch als angenehmer, ihn anzusehen.

"Spürst du noch Schmerzen?", erkundigte der Silberhaarige sich.

Akai versuchte zu bestätigen, brachte aber fast keinen Ton aus sich. Gin hätte ihm die Antwort auch genauso an dessen Schmerz verzogenen Gesichtsausdruck ablesen können.

"Hier auch?" Gin drückte vorsichtig seine Finger auf Akais Handfläche. Ein Nicken erfolgte. Gin war in dem Fall froh, dass er damals in den Diensten der Organisation oft auf sich allein gestellt war. Daher wusste er auch, wie man solche einfachen Verletzungen oder derartiges selbst verarztete.

Ein tiefes Ausatmen von Akai lenkte Gins Aufmerksamkeit wieder auf ihn.

"Was ist?", fragte er, da er die Unzufriedenheit bemerkte, die der Agent damit deuten wollte.

"Gar nichts. Das erinnert mich irgendwie nur gerade an meinem Aufenthalt im Krankenhaus." Bei diesen Worten konnte Gin nicht anders als Lächeln, wenn auch überwiegend innerlich.

"Scheinst Krankenhäuser wohl nicht sonderlich zu mögen, was?", sprach Gin, mit einem Hauch Belustigung in seiner Stimme.

Akai versuchte den Schmerz überwiegend zu ignorieren und antwortete: "Krankenhäuser treffen eben nicht meinen Geschmack."

Das wunderte Gin nicht, immerhin konnte er sich selbst nicht vorstellen, tagelang in so einer langweiligen Einrichtung zu verweilen.

"Dann solltest du wohl besser dafür sorgen, dass du dort nicht mehr landest.", erwiderte Gin schließlich. Er ahnte nicht, was er mit dieser, in seinen Augen normalen Antwort, angerichtet und bei Akai ausgelöst hatte.

"Wie sollte ich? Wenn, dann stehe ich doch sowieso zurzeit unter deinen Behandlungen." Der Agent starrte nach diesem Satz auf seinen Arm. Jedoch nicht so lange, dass Gin Zeit hatte, zu reagieren.

"Doch mir ist es so lieber, wenn du dich um meine Verletzungen kümmerst. Verletzungen, die du meist immer selbst verursacht haben würdest." Der letzte Satz war kaum hörbar, dennoch verstand Gin es, wegen der hohen Aufmerksamkeit, die er dem Agenten gerade widmete. Da er sich jedoch plötzlich schlecht zu fühlen schien, wünschte er sich den letzten Satz überhört zu haben.

"Aber das wäre mir dann auch egal." Akai sprach weiter, auch wenn er zwischenzeitlich pausierte. Er sagte einfach, was er dachte, mit der Annahme es gäbe nichts zu verlieren.

"Gegen meiner tiefsten Verletzung könntest du ohnehin nichts unternehmen." Daraufhin senkte Akai den Kopf und schwieg. Was er Gin damit eigentlich vermitteln wollte, nämlich seine verletzten Gefühle für ihn, begriff der Silberhaarige nicht.

Eher konnte er plötzlichen Schuldgefühlen nicht mehr ausweichen, die bei Akais Worten von ihm Besitz ergriffen hatten. Er fühlte sich zu irgendeiner Antwort gezwungen, doch alles was seinem Mund letztlich entwich, war ein stockender, leerer Wortlaut, der nichts außer Ahnungslosigkeit aussagte.

Als Akai seinen Blick wieder zu Gin richten wollte, war dieser längst dabei den Raum zu verlassen.

"Wo willst du hin?"

Gin hielt inne. Seine Hand war auf der Türklinke gelegt, während Akai seine verwirrte Frage gestellt hatte.

"Kurz weg." Mit einer kurzen, uninformativen Antwort drückte Gin die Klinke runter und trat aus dem Zimmer. Die Tür knallte er hinter sich zu.
 

"Was zur Hölle sollte das gerade...?" Gin stand draußen vor der Tür. Während er durch den Flur gestreift war, hatte er sich noch eine Zigarettenschachtel und Feuerzeug aus der kleinen Kommode mitgehen lassen.

Da die Wohnung keinen Balkon besaß, hatte Gin beschlossen vor dem Haus zu rauchen. Eigentlich war er ein Mensch, dem das Rauchen in Räumlichkeiten egal war, doch jetzt brauchte er wirklich erst mal einen kühlen Kopf.

Damals hatte er sich mit Wodka diese Wohnung gemeinsam ausgesucht. Beide empfanden sie als passend, da sie sowohl abgelegen als auch unauffällig war. Doch nun würde er dort allein leben, wenn Akai nicht bei ihm wäre. Denn Wodka war tot...

"Wie komme ich jetzt auf den?!" Gin war eindeutig von seinen Gedanken abgekommen und zertrat seine Zigarette auf dem Boden. Es gab viel wichtigere Dinge, als sich jetzt noch Gedanken um seinen alten Partner machen zu müssen. Die Zeiten waren vorbei.

"Okay, wo war ich..." Gin versuchte sich eher wieder auf sich selbst zu konzentrieren, dabei zündete er sich eine neue Zigarette an. Er fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde seine Erinnerungslücken zu füllen und wann sein Gedächtnis wieder vollständig wiederhergestellt sei. Die Auslöser für zurückkommende Erinnerungen waren zweifellos Ereignisse, die er bereits zu den damaligen Zeitpunkt so ähnlich erlebt hatte. Das ist ihm schon beim Gewitter und dem Kuss mit Akai klar geworden. Wieder unterbrach Gin seine Gedanken. Ein Pärchen auf der anderen Straßenseite weckte aus irgendeinem Grund seine Aufmerksamkeit. Kaum zu glauben, dass solch junge Leute in so einer abgelegenen Gegend unterwegs sein würden.

Kurz hielt die Frau an, um ihren Partner einen Kuss zu geben. Davor hatten sie über irgendwas geredet und zwischenzeitlich gelacht.

Gin nahm einen kräftigen Zug von seiner Zigarette. Er sah auf dem Fußboden und merkte nicht mehr, wie sich das Paar längst entfernte. Der Silberhaarige strich sich mit dem Finger über die Lippen. Er rief sich den Kuss mit Akai zurück ins Gedächtnis.

"Es hat alles gepasst, bis..." Gin fragte sich, ob er wohl noch weiter gegangen wäre, wenn dieser raue Pullover anstatt der nackten Brust von Akai, ihn nicht stutzig gemacht und sein Handeln gestoppt hätte.

Gin stellte sich vor, was er fühlen könnte, wenn er die Ereignisse aus jener Nacht fortsetzen würde.

"Er hat meinen Körper erkundet, sich langsam vor getastet und schnell die richtigen Stellen gefunden...", erinnerte er sich an Akais Worte von letztens. Es war erst ein paar Tage her, seit der Agent es ihm erklärt hatte.

"Ich habe seinen..." Gin begann die Worte für sich umzuformulieren, bereute es aber unmittelbar danach, als sich etwas in seiner Hose regte. Bei dieser schamhaften Erkenntnis lehnte sich Gin gegen die Tür und ließ seine Zigarette fallen.

"Genug jetzt.", ermahnte ihn seine innere Stimme. Draußen war nicht der richtige Ort für solche Gedanken.

Vergeblich

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Stille

Während Gin tief schlief tauchten plötzlich viele Bilder in seinem Kopf auf, die bisher tief verborgen gewesen waren. Und doch kannte er sie und konnte die Szenarien wieder richtig einordnen.

Die Meisten zeigten Akai, welcher hin und wieder traurig wirkte oder andernfalls freundlich lächelte und glücklich schien.

Manchmal schrie er, während er dabei einen panischen Eindruck machte. Doch egal wie viele unterschiedliche Bilder des Agenten sich zeigten, die Tatsache, dass er jegliche Trauer und Dunkelheit in Gins Leben vertrieben hatte, blieb gleich. Unabhängig davon, ob Gin ihn in verschiedenen Situationen gebraucht hatte oder nicht, er war immer da gewesen.
 


 

Langsam wurde sich Gin bewusst, dass er wieder wach war. Kurz darauf fielen ihm auch die Kopfschmerzen auf, während er seine Augen öffnete. Aber das war dem Silberhaarigen egal, denn scheinbar hatte er dafür endlich seine lang ersehnten Erinnerungen zurückbekommen.

Gerade als er seine Umgebung begann wieder wahrzunehmen, bemerkte er auch Akai auf seiner Brust noch friedlich schlafend. Zumindest bis jetzt, unmittelbar nach Gins Feststellung machte der nackte Körper des Agenten die ersten Regungen.

Gin schloss erschrocken wieder die Augen und versuchte möglichst still liegen zu bleiben. Ein Schamgefühl übermannte ihn, als ihm klar wurde, was sie getan hatten, bevor er eingeschlafen war.

"Schon zum zweiten Mal....", erkannte Gin daraufhin. Seine Gedanken begannen zu kreisen. "Und beide Male habe ich mich nicht..."

Erst fragte er sich, warum er sich nicht gewehrt hatte. Jedoch als er in seinen neuen Erinnerungen kramte, fand er den Grund. Egal zu welchem Zeitpunkt, er hatte sich in der Nähe seines Retters genauso sicher gefühlt wie in den Jahren, die er noch mit seinen Eltern verbracht hatte. Zwar würde er gern behaupten es lag nur daran, dass er seine Erinnerungen verloren hatte und daher noch unschuldig jedem vertraut hätte.... doch das entsprach nicht der Wahrheit.

"Ich konnte mich an den Tod meiner Eltern erinnern. An Rum. Die Angst, Wut und Hilflosigkeit...." Er erinnerte sich an die Situation im Bad. Obwohl er zu dem Zeitpunkt der Junge war, hatte er Subaru auf die Probe gestellt. "Immer wenn ich unsicher oder vorsichtig war ist es Akai gelungen das Richtige zu sagen und zu tun.…"

Gin spürte, wie Akai einen tiefen Atemzug tat und endgültig erwachte. Bewusst achtete der Mörder darauf seine ruhige Atmung beizubehalten und durch keine auch noch so kleine Muskelzuckung anzudeuten, dass auch er wach war. "Selbst jetzt spüre ich nicht den Ansatz einer Gefahr....nur Ruhe und .... Zufriedenheit?"

Keiner von Gins Gedanken drang nach außen. Der schwarzhaarige Agent, welcher den Kopf von Gins Brust hob und dessen Gesicht aufmerksam musterte, war überzeugt seinen schlafenden Koibito zu erblicken.

Er strich Gin vorsichtig über die Wange, während er froh war, dass dieser noch friedlich zu schlafen schien. Akai hatte noch nicht die Absicht ihn zu wecken. Das schlafende Gesicht vor seinem Auge wirkte beruhigend. Auch wenn Akai nicht wirklich ruhig bleiben konnte, da seine Gedanken bereits weiter gingen und er sich ausmalte was passieren könnte, wenn Gin aufwachte.

"Wird er sehr sauer sein?", fragte sich Akai im Stillen, danach runzelte er die Stirn. So wirklich schenkte er seiner Vermutung keinen Glauben und doch war er sich unschlüssig. Ein gut gelaunter Gin, welcher ihn jetzt strahlend mit einem zuckersüßen 'Guten Morgen' begrüßen würde, war für Akai ebenso vollkommen ausgeschlossen.
 

"Was tut er? Starrt er mich an?" Gin, der immer noch ein Schlafen vortäuschte, war über die plötzliche Stille von Akai etwas verwundert. Nachdem der Silberhaarige dessen warme Hand nicht mehr an seiner Wange gespürt hatte, war von dem Agenten selbst keine Regung mehr zu vernehmen.

"Oder versucht er wieder einzuschlafen?" Gin würde es wohl nicht herausfinden, wenn er sich nicht vergewissern würde. Er könnte immerhin nicht ewig so liegen bleiben und schlafend tun, wurde ihm soeben bewusst. Also sprang er über seinen Schatten und öffnete langsam seine Augen.

Als er den Kopf etwas anhob, erblickte er sofort seinen Liebhaber von letzter Nacht, welcher ihn mit großen Augen ansah.

"Er hat mich tatsächlich nur angestarrt..." Obwohl es eigentlich harmlos klang, wusste Gin nicht ob er es als unangenehm empfinden sollte, dass Akai ihn beim Schlafen zugesehen hatte. Zeitgleich versuchte er aber auch den Blick des Agenten zu interpretieren.

Das nun gegenseitige Anstarren erzeugte eine gewisse Spannung in der Luft, doch kam es zu keinem Ergebnis. Es folgten nur Gedanken, die ohnehin nicht nach außen gelangen würden.

"Was soll ich sagen? Was will er denn hören?" Gin schien ratlos, was er aber versuchte zu verbergen.
 

Eigentlich wollte Akai etwas sagen, eine normale morgendliche Begrüßung wäre wohl am angebrachtesten gewesen. Aber ihm kam der Hintergedanke, dass jedes Wort falsch und es Gin provozieren könnte. Liebend gern würde der Schwarzhaarige erfahren, was in seinem Gegenüber gerade vorging, wie er jetzt über die letzte Nacht dachte und vor allem, wie er gelaunt ist.
 

Die Spannung steigerte sich immer weiter und schließlich senkte Akai den Blick und sagte leise "Es tut mir Leid," bevor er sein Gewicht verlagerte, damit er Gin nicht länger erdrückte.

Langsam und auch etwas zögerlich, den Mörder immer im Auge behaltend, um eventuell einem Schlag oder einer schnellen Bewegung ausweichen zu können, richtete Akai sich auf. Gerade wollte er das Bett verlassen, als Gin sein Handgelenk einfing und festhielt.

Überrascht richtete der Schwarzhaarige seinen Blick auf Gin. Erneut begegneten sich ihre Blicke und erneut breitete sich Stille aus.

Schließlich unterbrach der Silberhaarige diese Stille.

"Was tut dir Leid?", fragte er mit bohrendem Blick und fester Stimme.

Akai konnte den Blick nicht abwenden. Diese Kälte schnitt tief und verletzte ihn mehr als er geglaubt hatte und mit jeder verstreichenden Sekunde, die sich dieser Blick in ihn bohrte, wurde die Wunde größer, doch er konnte den Blick nicht abwenden.
 

Gin beobachtete, wie sein kürzlicher Partner schwer schluckte. Akais plötzliche Entschuldigung hatte ihn überrascht.

"Wofür genau entschuldigt er sich? Letzte Nacht hat es nicht gerade so gewirkt als wäre er unentschlossen. Ich weiß jetzt auch, dass außer diesem einen Mal vorher nichts weiter passiert ist....entschuldigt er sich dafür, dass er mit mir in einem Bett geschlafen hat? Aber ich war doch derjenige, der zuerst eingeschlafen ist.…" Auch wenn sich das Warten noch etwas länger ausdehnte, Gin erhielt keine Antwort. Obwohl er wusste, dass Akai die Frage sehr wohl beantworten konnte, wenn sich dessen selbst nur nicht weigern würde.

"Tze!" Mit dieser verärgert klingenden Bemerkung zog Gin den Agenten wieder auf das Bett, welcher dies ohne jegliche Weigerung zu ließ. Dafür erhob sich der Silberhaarige jedoch aus dem Bett.

"Dann eben nicht.", kam es kalt von Gin, während er Akai dabei keines Blickes mehr würdigte. Dessen leeren Blick hätte Gin ohnehin nicht mehr deuten können. Er konnte nicht hinter Akais Fassade sehen, die all den Schmerz und die Trauer bewusst verborgen hielt.

Ohne noch ein weiteres Wort verschwand Gin im Bad. Einen Moment nachdem die Tür geschlossen wurde, konnte man auch schon das fließende Wasser der Dusche vernehmen. Gin lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück. Er ließ das warme Wasser über seinen Körper gleiten und atmete währenddessen einmal tief durch.

"Versteh mir einer diesen Agenten..." Inzwischen lag es zwar klar auf der Hand wie Akai empfand. Die letzte Nacht war der eindeutige Beweis dafür. Doch diese Gefühle widerlegten wiederum diese von unbegründeten Entschuldigungen gezierte, ständige Verschlossenheit. Die Verschlossenheit, welche verhinderte einfach ehrlich zu sein. Zu sagen, was man denkt.

Gin war nicht in der Lage Akais Gedanken zu lesen, egal wie sehr er sich manchmal dazu bemühte.

"Vielleicht weiß er einfach nicht, was er will...", versuchte es sich der Silberhaarige irgendwie zu erklären.

Er öffnete wieder seine Augen. Inzwischen hatte der Wasserdampf die sonst durchsichtigen Wände herum der Dusche beschlagen.

"Oder bin ich es, der nicht weiß, was er will?", fragte Gin sich in Gedanken. Er fuhr sich mit einer Hand durch die Haare und griff mit der anderen nach dem Shampoo.

"Naja, ist jetzt auch egal. Eins nach dem Anderen.", beschloss er. Während er das Shampoo in seinen Haaren verteilte, widmeten sich seine Gedanken anderen Themen.

"Ich kann mich jetzt an alles erinnern, was in der Zeit geschehen ist, die ich mit Shuichi verbracht habe. Was ist also der nächste Schritt? Ihn beseitigen, da er keinen Nutzen mehr für mich hat? Eine bessere Gelegenheit wird sich wohl kaum bieten...." Gin wusch das Shampoo aus seinen Haaren. Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl ihm würde sich der Magen umdrehen bei dem Gedanken den Agenten endgültig loszuwerden.

"Es eilt ja nicht....vielleicht....nein, er hat sich mit Sicherheit öfter mit Merlot über die Organisation unterhalten, als ich es als Junge mitbekommen habe... Es gibt also noch immer etwas, das ich von ihm erfahren kann." Seltsam erleichtert verließ Gin die Dusche mit neuer Entschlossenheit. Doch erst als er aus der kleinen Kabine trat, fiel ihm ein, dass seine Kleidung noch immer im Schlafzimmer, neben dem Bett, lag.

"Scheiße." Wütend starrte Gin das Handtuch in seiner Hand an während sich auf seine Wangen ein leichter rosa Hauch schlich.

Doch wenn er nicht vor hatte im Bad weiter zu schmoren, gab es ohnehin keine andere Möglichkeit.

"Geh einfach an ihm vorbei und zieh andere Klamotten an...", befahl er sich selbst, während er seinen Körper unter dem langen Handtuch versteckte. Dann trat er durch die Tür.

Jedoch schon beim ersten Schritt verlief es nicht so leicht, wie er gehofft hatte. Wie angewurzelt blieb er in der Tür stehen, da sein Blick den Shuichis getroffen hatte.

Der Agent saß immer noch auf dem Bett. In beiden Blicken schlich sich Erwartung. Der Wunsch nach irgendwelchen Worten, die diese angespannte Stille unterbrechen würden... doch es passierte nichts. Keiner fühlte sich dazu in der Lage, passende Worte zu finden.

So verweilten sie noch kurz in der Stille, bis Akai schließlich realisierte, warum Gin noch nicht einmal angekleidet war.

"Ähm... brauchst du deine-" Er drehte sich um und rückte ein Stück nach hinten, da erblickte er Gins Klamotten neben dem Bett. Gerade als er diese aber nehmen wollte und dann wieder in Gins Richtung sah, war der Silberhaarige längst dabei den Raum zu verlassen. Offenbar hatte er sich die Unterbrechung zu Nutze gemacht, um dem Agenten nun auch den Rücken zu kehren zu können.

"Gin!", hörte er Akais laute Stimme noch hinter sich. Doch er drehte sich nicht um und verbat sich jede Art von Beachtung. Gin wusste, würde er sich wieder umdrehen, wäre es fast unmöglich seine Augen wieder abzuwenden. Dabei wollte er Akai jetzt einfach nicht sehen und dessen Nähe meiden. Also ging er still aus dem Zimmer und schloss die Tür unsanft hinter sich.

EXTRA: Akai in der Dusche

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Das Gute in dir

Nachdem sich Gin angezogen hatte, ging er in die Küche und trank ein Glas Wasser. Er leerte es in großen Zügen und stellte es erst danach auf der Küchentheke ab. Dann lehnte er sich an den Tisch davor und fuhr sich mit seiner Hand durch die Haare.

Ein Seufzer entwich ihm. Kurz schloss er die Augen und lauschte dem Ticken der Uhr an der Wand. Er fühlte sich schlecht. War Unzufrieden, Akai einfach ohne ein weiteres Wort im Schlafzimmer zurückgelassen zu haben. Doch für Gin war einerseits kein Redebedarf von Nöten gewesen.

"Muss man dazu denn noch etwas sagen?" Er war sich nicht sicher, ob dem wirklich so war oder er einfach lieber auf derartige Gespräche verzichten wollte. Sein Partner von letzter Nacht hatte zumindest nicht so gewirkt, als würde er die Sache jetzt einfach vergessen, daher interessierte es ihn andererseits schon, was Akai ihm gern noch mitgeteilt hätte, als er seinen Namen noch rief, bevor die Tür sich endgültig geschlossen hatte. Trotz der offensichtlichen Handlungen des Agenten war es schwer zu deuten, was er währenddessen fühlte und an was er dachte. Manchmal wirkte er verletzt, niedergeschlagen, doch redete als sei nichts und schob es nach hinten.

Inzwischen hatte der Silberhaarige angefangen, in der Küche auf und ab zu laufen. Man könnte sich wirklich stundenlang den Kopf über diesen Mann zerbrechen und zu keinem Ergebnis kommen.

"Egal was ich ihm angetan habe, er hat nie versucht sich gegen mich zu wenden oder gar zu fliehen..." Gin blieb stehen und stützte seine Hände auf dem Tisch ab.

"Er bleibt bei mir, versucht mein Vertrauen zu gewinnen und immer alles richtig zu machen... Ist das der Grund, warum er so verschlossen ist...? Hat er Angst etwas falsch zu machen...?" Beinahe wäre Gin in seinen Gedanken über Akai versunken, hätte ihn nicht plötzlich sein eigenes Magenknurren dabei unterbrochen.

"Ach verdammt, letztlich werde ich es doch nie erfahren!" Vor Verärgerung schlug er leicht mit der Faust auf dem Tisch auf. Dann schweifte sein Blick zur Uhr. Es war kurz nach 12. Kein Wunder, dass er allmählich Hunger bekam - Frühstück hatte es immerhin auch nicht gegeben.

Also ging Gin zum Kühlschrank und warf einen Blick dort hinein. Schon gleich zierte eine gereizte Miene sein Gesicht.

"Auch das noch, die Fertigboxen sind alle..." Mit der Annahme jetzt noch einkaufen gehen zu müssen - worauf er wirklich überhaupt keine Lust hatte - schlug er die Kühlschranktür wieder zu. Doch plötzlich kam ihm ein Gedanke.

"Einen Moment mal..." Er öffnete den Kühlschrank erneut. Es war nicht so, dass er komplett leer war. Es gab schon noch Zutaten und einiges an Essbarem, wofür man aber das Kochen beherrschen sollte, um davon ordentlich satt zu werden.

"Ich kann zwar nicht kochen, aber...." Er erinnerte sich, wie das Essen von Akai immer sehr gut geschmeckt hatte, auch wenn Gin es zum Teil aus verschiedenen Gründen nicht angerührt hatte.

Seine Füße waren schon dabei ihn bis zum Schlafzimmer zu tragen, als sich seine Hände dann doch in den Türrahmen krallten. Er hielt inne.

"Aber ich wollte doch jetzt nicht in seiner Nähe sein..." Dieser Gedanke richtete sich jedoch längst gegen seinen Willen, denn eigentlich wollte er das inzwischen doch, sonst wäre ihm wohl nie diese ungewöhnliche Idee gekommen, Akai das Essen machen zu lassen.

"Ich muss ja nicht mit ihm reden...", spielte Gin seine Unentschlossenheit ab und seine Hände glitten von dem Türrahmen.
 

Nach direkten Weges trat Gin in das Schlafzimmer ein. Unmittelbar nach seinem Eintreten hörte er die Dusche im Bad.

"Wie lange duscht er bitte..." Der Silberhaarige zog eine Augenbraue nach oben und lehnte sich gegen die Wand. Er beschloss noch fünf Minuten zu warten.
 

Er musste sich stark anstrengen, nicht die Geduld zu verlieren. Das Wasser der Dusche lief und lief, unentwegt. Zwischendurch kam Gin schon der Gedanke, der Agent sei dort im Bad kollabiert oder sonstiges, aber das schien absurd.

Letztlich riss Gins Geduldsfaden und sein Hunger wurde durch das Warten nicht weniger. Er klopfte an die Badtür.

"Hey, Shuichi?!" Erstmals versuchte er noch etwas freundlich zu klingen, was aber auch nicht all zu leicht war.

Es erfolgte keine Antwort, das Wasser lief immer noch.

Gin versuchte es ein zweites Mal, wieder gab es weder Reaktion, noch andere Lebenszeichen.

"Ist das denn zu fassen...", dachte Gin und verwarf den letzten Rest seiner Freundlichkeit.

"Wird's bald oder muss ich erst rein kommen?!", schrie er und schlug kräftig gegen die Tür.

Jetzt wurde tatsächlich das Wasser abgestellt.

"Einen Moment noch!", rief Akai im Bad. Irgendwie war Gin darüber ein wenig erleichtert.

"Er lebt noch...", sprach er ironisch in Gedanken und ließ sich auf dem Bett nieder, bis der Agent schließlich angekleidet und mit frischer Augenbinde aus dem Raum kam. Die Tatsache, dass Akai Klamotten trug, erleichterte Gin nur noch mehr. Trotzdem starrte er den Schwarzhaarigen erst mal nur an.

"Was ist denn so wichtig?", fragte dieser daraufhin. Aber anstatt zu antworten, erhob sich Gin von dem Bett und fing Akais Handgelenk ein, als er knapp an ihm vorbei und Richtung Tür lief. Er zog den Agenten hinter sich her, ohne ihn auch nur dabei anzusehen.
 

"H-Hey, was wird das?" Akai glaubte nicht richtig zu sehen. Gin höchstpersönlich hatte ihn gerade aus dem Raum gezogen, den er doch eigentlich unter keinen Umständen verlassen durfte. Er ahnte schon was der Grund dafür gewesen sein musste, als sie in der Küche ankamen.
 

Nun stand Akai vor dem Herd und sah zu Gin rüber, welcher nur beschämt zu Seite blickte.

"Wie süß, jetzt hat er Hunger und weil er nicht kochen kann, soll ich das wohl übernehmen.", erklärte der Agent sich den Scham in Gins Gesicht. Er konnte sich ein schelmisches Lächeln nicht verkneifen.

"Du hast wohl Hunger?", fragte er leicht lachend. Gin ließ sich auf einem Stuhl nieder.

"Ja, also mach jetzt.", kam es dann. Die Anweisung war nicht wirklich klar, aber Akai wusste schon, was sein Gegenüber damit meinte. "Was?", fragte er allerdings trotzdem.

"Fang an zu kochen.", wiederholte Gin sich etwas deutlicher.

"Ja, was möchtest du denn essen?", bekam dieser wieder eine Gegenfrage zurück.

"Mir doch egal, solange du mich nicht vergiftest." Er stützte sich mit dem Ellbogen auf dem Tisch ab.

"Stimmt, jetzt hätte ich die Gelegenheit dazu.", erwiderte Akai, während er irgendwas aus dem Kühlschrank kramte, dann den Herd an stellte und eine Pfanne suchte. Schließlich fand er eine.

"Das machst du nicht.", meinte Gin streng, wobei er sich eigentlich ziemlich sicher war, aus welchen Gründen auch immer.

"Da hast du Recht." Diese Antwort von Akai bestätigte Gins Vermutung. Etwas Neugier übermannte den Mörder schon, als er Akai so vor sich musterte. Er erhob sich vom Stuhl und blickte ihm unauffällig über die rechte Schulter, doch Akai vernahm den Atem an seiner Seite trotzdem.

Nachdem die Pfanne ausreichend erhitzt war, gab Akai etwas Öl und Butter hinzu. Da bemerkte Gin auch die Packung mit den Eiern neben der Herdplatte. Womit er jedoch nicht gerechnet hatte, dass Akai sich plötzlich umdrehte, nach seinem Arm griff und ihn vor dem Herd zog.

Ehe Gin sich versah, stand Akai hinter ihm.

"Wie wäre es, wenn du es selbst einmal probierst? Ich gebe dir auch Anweisungen.", bot dieser sich an.

Gin dachte er hätte sich verhört. Wollte dieser Kerl ihm jetzt wirklich das Kochen beibringen?

"Warum sollte ich?", entgegnete er vorgebend abweisend.

"Es ist besser man kann es, glaub mir." Das stimmte zwar nur teilweise, aber Akai drückte Gin einfach ein Ei in die Hand.

"Schlag es auf den Pfannenrand.", kommentierte er diese Geste.

Gin unterdrückte ein Knurren, aber befolgte die Anweisung. Am liebsten hätte er abgelehnt, doch das wäre irgendwie peinlich rüber gekommen.

"Wenn ich es versaue, ist es auch nur peinlich...", dachte Gin schmollend und schlug dann das Ei auf den Rand der Pfanne. Wie vermutet, schlug er es daneben und das Innere des Eis landete auf der Herdplatte. Ein Seufzen entwich ihm.

"Macht doch nichts, versuch's nochmal.", sagte sein Hintermann im ruhigen Ton. Doch Gin hatte keine Lust, sich weiter blamieren zu müssen, besonders nicht vor seinem eigentlichen Erzfeind.

"Wozu sollte ich das lernen? Ich verbringe sowieso den Rest meines Lebens allein und dafür brauch ich mich nicht bekochen." Gin redete sich einfach raus und wandte sich dem Herd und Akai wieder ab.
 

Den Agenten durchfuhr ein unbeschreiblicher Schmerz, als er den zweiten Satz hörte. Doch er ließ es sich erst mal nicht anmerken und schob seine Gedanken bewusst beiseite.

"Aha.", antwortete er knapp und emotionslos, was Gin aber sofort verdächtig vorkam. Gerade als er etwas sagen wollte, kam Akai ihm mit einer Frage zuvor, die eigentlich nur seine vorherige Antwort wiederholte: "Du hast also wirklich vor, den Rest deines Lebens allein zu bleiben?"

Sie diente wohl dem Zweck, sich noch einmal versichern zu wollen. Diese Frage wirkte allerdings betrübt, beinahe verletzt. Sie klang so leise.

Gin überlegte eine Weile, was er sagen könnte. Obwohl Akais Frage sich deutlich traurig angehört hatte, begriff er den Hintergrund mal wieder nicht oder worauf der Schwarzhaarige eigentlich damit hinaus wollte.

"Ich verstehe wirklich nicht, was dein Problem ist.", meinte Gin daraufhin nur, hatte aber nicht mit Akais Antwort gerechnet und wie sehr ihn diese treffen würde.

"Schon klar... Du verstehst ja nicht mal dich selbst, wie willst du dann mich verstehen?", kam es schlicht und leise, während der Agent Gins Missgeschick von der Herdplatte beseitigte. So sah Akai auch nicht, wie Gins Augen sich weiteten und ihm plötzlich der Atem kurz stehen blieb. Er fühlte sich irgendwie ertappt und ließ es sich gerade deutlich anmerken, da war es ihm ganz recht, dass Akai ihm den Rücken kehrte.

"Es stimmt...", ging es Gin durch den Kopf. Unausweichlich erinnerte er sich an die letzte Nacht zurück. Dort wollte er diesen Kerl so sehr und es hatte ihm gefallen. Jedoch gleichzeitig würde Gin dieses Ereignis lieber ungeschehen machen, was nur stattfand, weil er sich eben wirklich nicht selbst verstanden hatte - was wiederum zu der Unsicherheit geführt hatte. Der Silberhaarige fasste sich an die Stirn.

"Es nützt nichts sich darüber weiter Gedanken zu machen, er hat mich doch schon durchschaut.", wurde ihm letztlich klar.
 

Stille senkte sich über die kleine Küche. Akai fing an, Eier und Speck in der Pfanne zu braten und schon bald breitete sich ein angenehmer Duft aus. Gin war von dem kurzen Gespräch - wenn man das denn so nennen konnte - ganz in Gedanken versunken. Eigentlich hatte er vor, den Schwarzhaarigen bei jeder Bewegung genauestens zu beobachten. Immerhin befanden sich ja auch Messer und andere Gerätschaften in der Küche, die schnell auch zu anderen Zwecken als der Essenszubereitung genutzt werden konnten.

Als jedoch unwirsch und mit etwas Nachdruck ein Teller vor seine Nase geschoben wurde, erkannte der Silberhaarige, dass er so in seine Grübeleien versunken war, dass er die ganze Zeit nur auf die Tischplatte gestarrt hatte, statt den Agenten im Auge zu behalten.
 

Der erste Gedanke, der ihm kam, war: "Wie und wann hat er denn die Teller gefunden?"

Immerhin hatte Gin selbst ewig nach Geschirr gesucht, es aber aufgegeben, da er eh nur irgendwelche Fertiggerichte oder auswärts aß. Die zweite Frage, die er sich stellte: "Warum ist er noch hier?"

Etwas misstrauisch, aber überwiegend überrascht, sah Gin zu Akai und beobachtete mit wachsendem Erstaunen, dass sich dieser einfach ihm gegenüber an den Tisch setzte und nicht die geringsten Anstalten machte, zu fliehen oder ihn zu bedrohen. Was zu seiner dritten Frage führte: "Ich kann ihm also wirklich vertrauen?"
 

Während Akai begann zu essen, stocherte Gin in diesem nur gedankenverloren herum.

"Was ist denn los? Du wolltest doch unbedingt, dass ich dir Essen mache, und jetzt benimmst du dich wie sieben Tage Regenwetter...", meinte Akai daraufhin.

Gin antwortete jedoch darauf nicht und sah Akai ebenso wenig direkt an. Ein Seufzer entwich dem Agenten.

„Worüber zerbrichst du dir denn gerade den Kopf?“ Dass Gin offenbar über etwas nachdachte und er deshalb keine Aufmerksamkeit von ihm bekam, war für Akai nicht schwer zu durchschauen.

„Das geht dich nichts an.“, erwiderte Gin kurz darauf etwas laut, während er weiter auf sein Essen starrte.

Akai wurde sich darüber bewusst, dass er sich die Frage eigentlich auch hätte sparen können und fragte sich deshalb im Nachhinein, warum er sie überhaupt gestellt hatte. Vielleicht wollte er einfach nur die Stille unterbrechen, die jedoch anfing, sich wieder auszubreiten. So lange, bis Gin unerwarteter Weise doch etwas sagte.

„Ich habe mich nur gefragt, warum du nicht fliehst oder irgendetwas gegen mich zu deinem Vorteil verwendest.“, meinte er und fing an zu essen, als hätte er vor diesen Satz einfach so im Raum stehen zu lassen.

Als er glaubte, auch damit durchzukommen, vernahm er plötzlich ein leises Lachen von Akai.

Der Silberhaarige hob seinen Kopf und sah den Agenten an. Der kam Gin gerade zuvor, als dieser schon zu einem Kommentar ansetzen wollte.

„Das habe ich dir bereits gesagt.“, sagte Akai schlicht.

Gin brauchte nicht lange zum überlegen. Diesen Satz hatte er nicht vergessen, was ihn in dem Moment selbst etwas verwunderte. „Ich bin dir wichtig?“

„Sieh an, du weißt es also doch noch.“, erwiderte Akai sofort.

„Aber warum?“ Damals war die kleine Diskussion an der Stelle beendet gewesen, weshalb Gin darauf noch immer keine Antwort wusste, zudem wollte er bis jetzt auch nicht wirklich nachfragen.

Akai besaß im Augenblick nicht den Mut dazu den wahren Grund zu nennen. Die Angst abgewiesen zu werden oder sonstige verletzende Reaktionen zu bekommen, war immer noch viel zu groß.

„Kannst du dir das nicht denken?“, wich er deshalb Gins Frage aus.

„Selbst wenn ich es wüsste, will ich es von dir hören. Außerdem, seh' ich aus wie eine Art Menschenkenner, der dir alles aus dem Gesicht ablesen könnte?“, entgegnete Gin, natürlich mit einer Antwort, die der Agent sich eher nicht gewünscht hatte. Doch Recht hatte sein Gegenüber, das musste er sich eingestehen.

“Leider nicht.“, beantworteten beide Männer gleichzeitig die Frage in Gedanken. Schließlich redete Gin noch weiter: „Und ich kann es mir auch nicht erklären, warum ich überhaupt für jemanden wichtig sein sollte.“

Akai war über diese unerwartete Aussage von seinem Koibito überrascht, welcher nun bedrückt wirkte und den Kopf wieder senkte.

„Man sollte so jemanden wie mich eher hassen.“, fügte Gin leise hinzu, kaum hörbar und gerade noch verständlich. Danach fragte er sich, weshalb er das gerade so offen zugegeben hatte. Das klang eben bestimmt bescheuert, empfand Gin und bereute es ein wenig.

Akai wusste erst nicht, was und ob er überhaupt darauf antworten sollte, denn das war offensichtlich nicht der kaltherzige Gin, den er normalerweise kannte. Doch letztlich konnte er den Mörder nicht so niedergeschlagen sehen und wollte versuchen ihn mit Worten etwas aufzuheitern.

„Noch so jeder kaltblütige Mensch hat tief im Inneren ein warmes Herz.", sprach er und senkte dann ebenso seinen Kopf, als er fortfuhr. „Und ich habe nie an dem Guten in dir gezweifelt.“

Es stimmte, auch wenn viele es diesem unerbittlichen Mörder nicht zutrauen würden. Gin besaß Gefühle, sogar sehr verletzliche, und er konnte wie jeder Andere auch warmherzig sein. Der unschuldige Junge von damals hatte dies für Akai schlussendlich bewiesen. Er würde seine Meinung nicht mehr ändern, wenn vielleicht auch inzwischen blind vor Liebe.

“Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr…“, dachte er und lächelte leicht. Er sah wieder auf und sein Auge bohrte sich direkt in die bereits geweiteten von Gin.

Der Silberhaarige versuchte irgendwie zu verarbeiten, was er da eben klar und deutlich gehört hatte, auch wenn er es nicht glauben konnte. Noch weniger begreifen konnte er dieses Gefühl von Wärme und Glückseligkeit. Er schluckte und blinzelte zweimal.

„Shu-…ichi…“, war alles was Gin über die Lippen brachte.

„Ja, Gin?“, erwiderte Akai, dem aber klar war, dass von seinem Koibito nichts mehr kommen würde.

„Ah…nichts. Schon gut.“, kam es längst abweisend von diesem und er widmete sich wieder seiner Mahlzeit, die wohl inzwischen schon fast kalt war.

Akai setzte ein Lächeln auf. Zwar konnte er nicht erklären warum, doch er war so erst mal mit dem Ergebnis der kleinen Konversation zufrieden. Schließlich aß er ebenso weiter.

Ich liebe dich

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Rote Rosen

Langsam wachte Gin auf. Er fühlte sich seltsam entspannt und zufrieden und irgendwie gut gelaunt. Ohne die Augen zu öffnen, genoss er dieses Gefühl. Nach und nach tauchten Bilder der letzten Nacht vor seinem inneren Auge auf und obwohl er der Meinung war, dass ihn das aufregen und wütend machen sollte – sowohl auf den Agent, als auch auf sich selbst – stahl sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen und seine Gute Laune nahm sogar noch zu.

„Es war einfach nur schön...“, dachte Gin.

Er erinnerte sich an ein paar Szenen der letzten Nacht, die ihm eine leichte Röte ins Gesicht steigen ließ. Um sie mit seiner Hand zu verbergen und zugleich auch den letzten Rest seiner Müdigkeit zu vertreiben, hob Gin seine Hand und wollte damit gerade über sein Gesicht streichen, als er verdutzt inne hielt. Neben ihm lag niemand.
 

Sofort hellwach riss der Silberhaarige die Augen auf und setzte sich ruckartig im Bett auf. Um sich zu vergewissern, betrachtete er die leere Bettseite neben sich, bevor er angespannt anfing zu lauschen. Doch egal wie sehr er sich anstrengte, konnte er keine Geräusche in dem angrenzenden Bad oder der nicht sonderlich weit entfernten Küche hören.

Ein schreckliches Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus und auf einen Schlag war seine gute Laune hinüber. Den Mörder beschlich eine böse Vorahnung und er erinnerte sich an seine letzte Frage an Shuichi, bevor er eingeschlafen war. Ob er verschwinden würde, wenn er es ihm gestatten würde rauszugehen.

“Er wird doch nicht…“ Gin sprang eilig aus dem Bett und griff sich auf dem Weg zum Bad ein paar seiner Klamotten, die ordentlich zusammengelegt auf dem Stuhl lagen. Doch wie erwartet war das Bad leer.

Aufgebracht zog Gin sich in aller Eile auch die restlichen Kleidungsstücke an, bevor er in die Küche stürmte. Halb erwartete er den Agenten dort gutgelaunt am Küchentisch sitzen zu sehen, doch auch diese Hoffnung wurde Enttäuschung. Mit schwindender Hoffnung öffnete Gin noch die Türen der anderen Räume und mit jedem weiteren leeren Raum sank seine Stimmung mehr, während sein Gesichtsausdruck immer mehr zu dem des kaltblütigen Mörders zurückkehrte und seine Wut stieg.

Als auch der letzte Raum eindeutig leer war, griff Gin auf dem Weg zur Tür nach seinem Mantel und warf ihn sich über.

“Wenn ich den erwische kann er was erleben! Ich werde ihm nie wieder etwas glauben!“, schwor sich der Silberhaarige.
 

Gerade als er mit hastigen Schritten an der Tür angelangt war und seine Hand schon beinahe die Klinke berührte, geschah auf einmal etwas Unerwartetes. Die Türklingel läutete.

Gin hielt inne. Er fragte sich, wer das sein könnte, während ein unwohles Gefühl sich in ihm breit machte.

“Wer weiß, wie weit dieser Kerl schon gekommen ist…“, ging es Gin durch den Kopf und er bekam irgendwie den Verdacht, Akai könnte längst eine Gelegenheit gefunden haben, um seine FBI Kollegen zu informieren.
 

Plötzlich klingelte es ein weiteres Mal und somit wurde der Silberhaarige aus seinen Gedanken gerissen. Als seine Augen sich wieder nach vorn richteten, bemerkte er seine zitternde Hand über der Türklinke.

„Reiß dich zusammen…“, befahl er sich flüsternd. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er schließlich doch die Tür öffnete.

Gin wusste nicht, ob der darauffolgende Anblick ihn eher erleichtern oder wütend machen sollte.

Er starrte den schwarzhaarigen Agenten vor ihm sowohl fassungslos als auch verärgert an. Akais Blick konnte er dabei nicht deuten, und das wollte er momentan auch überhaupt nicht.

„Ich…“, begann sein Gegenüber vorsichtig, doch weiter kam er auch nicht mehr zu Wort, denn letztlich dominierte die Wut von Gin. Er zog Akai mit einer schnellen Bewegung zurück ins Haus und knallte daraufhin umgehend die Tür zu.

Als der Agent sich dem Silberhaarigen wieder zuwandte, um sich zu erklären, holte dieser zu einem Schlag aus. Die starke Faust traf den Agenten direkt in seine rechte Gesichtshälfte. Es war klar wie viel Erbitterung sich hinter dieser Geste schon gesammelt haben musste, da sie veranlasste, dass Akai dabei halb gegen die Wand neben sich prallte. Er konnte den Aufprall gerade so noch etwas mit seiner Hand dämpfen.
 

Gin interessierte es nicht wie viel Schmerzen der Schwarzhaarige in diesem Moment wohl erlitten hat, er war völlig außer sich. Dutzend Fragen schossen ihm durch den Kopf, gemischt mit Gefühlen von Hass. Er fühlte sich hintergangen. Doch als er Akai eigentlich anschreien wollte, blieb er stattdessen stumm. Er konnte es nicht. Stattdessen beobachtete er ihn nur, wie er sich an die Wange fasste und wieder versuchte einen festen Stand zu bekommen. Sein Blick schien währenddessen emotionslos, als hätte ihm der Schlag eben nichts ausgemacht und er hätte ihn genauso gut auch ignorieren können, wenn es ihn nicht gegen die Wand gehauen hätte.
 

„Versteh das bitte nicht falsch.“, begann Akai und unterbrach den kurzen Moment des Schweigens. Gin beschloss fürs Erste seinen Gegenüber Gehör zu schenken.

„Du weißt doch noch wie ich dir gestern gesagt habe, dass ich es hier drinnen nicht mehr aushalte… Und als ich heute Morgen meine Jacke entdeckt habe kam mir die spontane Idee vor dem Haus eine Zigarette zu rauchen.“ Der Agent setzte ein leichtes Lächeln auf, auch wenn er von Gin nebenbei gefährlich ernst angesehen wurde. Er ließ sich nicht einschüchtern.

„Nur zu blöd, dass ich vergessen hatte, dass ich keinen Hausschlüssel besitze. Da ist mir dummerweise die Tür zu gefallen.“, erklärte Akai sich weiter.

Den Silberhaarigen ließ das offensichtlich unbeeindruckt und dass er kein einziges Wort von dem glaubte, hätte man ihm auch an sein Gesicht ablesen können.

„Ein dummes Missgeschick, nicht wahr?“ Akai kratzte sich an den Hinterkopf.

„Und du denkst ernsthaft die Ausrede zieht?“, erwiderte Gin daraufhin kalt.

Der Agent hatte irgendwie schon mit so einer Reaktion gerechnet und hoffte zumindest doch etwas vorgesorgt zu haben. „Glaub mir.“, meinte er knapp und seufzte einen kurzen Augenblick später. „Ich habe schon vermutet, dass du wahrscheinlich sauer sein wirst... Also habe ich bei der Gelegenheit die hier gekauft.“

Immer noch lächelnd hielt er Gin plötzlich einen Strauß roter Rosen hin.

„Für dich.“, sagte er dann. Die Idee war ihm spontan gekommen, da er vermutete der Silberhaarige würde so oder so sauer sein und ihm wohl kaum glauben.
 

Gins Augen begannen sich zu weiten, als er die Rosen erblickte. Er hatte sie bis jetzt nicht einmal selbst wahrgenommen und es wirkte für ihn so, als wäre der Strauß gerade mitten aus dem Nichts aufgetaucht. Vielleicht hatte er ihn vor lauter Wut nicht bemerkt, zumindest versuchte er es sich so zu erklären.

„Es tut mir leid.“, fügte Akai noch hinzu, als würde er Gins Sprachlosigkeit nicht akzeptieren.

„Das entschuldigt nichts.“, erwiderte dieser nur kalt und drehte sich weg. Da krallte sich eine Hand in seinen Mantel.

„Aber-", setzte Akai an, doch anderweitige Versuche sich rauszureden waren wohl nicht geduldet.

„Was, wenn dich jemand gesehen hat?!“ Selbst wenn der Agent die Wahrheit sagte, so zog Gin ebenso diese Möglichkeit in Betracht, welche Probleme bereiten könnte.

„Unsinn.“, antwortete Akai ihm jedoch ruhig.

„Warum bist du dir da so sicher?“

„Ich habe schon darauf geachtet, dass mich niemand sieht.“

Gin zog unglaubwürdig eine Augenbraue nach oben. Hingegen war sein Gegenüber sich ziemlich sicher. Auch weil der Blumenladen, von welchem er die Rosen gekauft hatte, sich nur um die Ecke befand. In einem abgelegenen Stadtviertel bei dem kurzen Weg jemanden über den Weg zu laufen, den man kennt, hielt Akai für sehr unwahrscheinlich.

„Natürlich hast du das. Gerade weil du mit deinem übrigen Auge auch deine Umgebung so genau im Blick haben kannst!“, prahlte Gin ironisch. Dabei erinnerte er sich daran, wie leicht es war seinen Erzfeind damals zu entführen.
 

Aus irgendeinem Grund durchfuhr Akai ein Stich, als dieser Satz seine Ohren erreichte. Eigentlich war er sämtliche Kommentare und Wege von Gin verletzt zu werden bereits gewöhnt, doch diesmal war es anders. So eine ‘Beleidigung‘ hätte er nicht von Gin erwartet, gerade weil dieser nun längst die ganze Wahrheit kannte. Am liebsten hätte er es gesagt, dass er nur noch wegen ihm ein Auge besaß – dass er damals nur für ihn alles riskiert hatte und sogar bereit gewesen wäre zu sterben.

Doch alles was Akai entwich war ein stumpfes „Aha.“ und zurück blieb ein enttäuschendes, schmerzhaftes Gefühl. Er ließ die Rosen fallen. Mit gesenktem Kopf ging er einfach wortlos an Gin vorbei und suchte den Weg zu seinem alt gewohnten Schlafzimmer auf.
 

Gin sah den irgendwie wütend wirkenden Gesichtsausdruck von Akai nur flüchtig, und es verschaffte ihm ein mulmiges Gefühl.

“Was hat er denn jetzt…?“, fragte er sich. Kurz darauf hörte er, wie eine Tür recht unsanft geschlossen wurde.

Im Nachhinein überlegte der Silberhaarige doch, ob seine Wortwahl zuvor nicht vielleicht doch etwas unsanft ausgedrückt war. Bis jetzt war es ihm egal gewesen, was sein Mitbewohner zu seiner Verteidigung zu sagen hatte, doch nun würde er schon gern wissen was in Akai vorging.

“Ist er vielleicht angepisst, weil ich ihm nicht glaube?“ Je mehr Gin darüber nachdachte, so verstand er den Agenten schon ein wenig. Immerhin stimmte es, dass er dieses Haus seit ungefähr zwei Monaten nicht mehr verlassen hatte und wenn er vorgehabt hätte ihn zu verraten, wäre längst etwas passiert.

“Oder nicht?“ Letzten Endes hing es doch an ihm, ob er Akai dieses Vertrauen schenkte oder nicht.

Gin senkte den Kopf, womit auch die Rosen am Boden in sein Blickfeld gerieten. Etwas zögernd hob er sie auf.

“Mir hat noch nie jemand Rosen geschenkt...“, dachte er, während er sie mit niedergeschlagener Miene betrachtete. Er drückte sie fester an sich, schloss die Augen und atmete laut aus. Er hielt es erst mal für das Beste, sich irgendwie wieder zu beruhigen.

Hilflos

Ungefähr eine halbe Stunde suchte Gin nach einer Art Vase, nachdem er sich den Mantel wieder entledigt und die Rosen fürs Erste auf dem Tisch abgelegt hatte. Doch egal wie gründlich er die Schränke und andere Orte durchsuchte, er fand nicht wonach er gesucht hatte. Dabei war er sich sicher bestimmt irgendwo eine Vase im Haus zu haben.

"Allerdings...wofür sollte ich so etwas brauchen?" Gin seufzte und ließ sich auf einem Stuhl in der Küche nieder. Sein Blick wanderte durch den kleinen Raum, bis sich seine Stirn runzelte. Er stand auf, nahm eine Teekanne von der Küchentheke und füllte sie zur Hälfte mit Wasser. Da rein tat er dann die Rosen.

"So geht's auch.", dachte er zufrieden und belächelte sein Werk mit verschränkten Armen. Aber das Lächeln blieb nicht lang und verschwand mit den nächsten Sekunden wieder so schnell, wie es gekommen war. Jetzt waren schon über 30 Minuten vergangen, musste Gin erneut feststellen, als er zur Uhr sah. Bis jetzt hatte er nicht mehr mit dem Agenten geredet, der sich immer noch im Schlafzimmer befand und bisher keinen Laut mehr von sich zu hören gegeben hatte. Gin fragte sich, wie es Akai wohl ging und woran dieser jetzt vielleicht dachte.
 

"Ich muss mich entschuldigen.", ging es dem Silberhaarigen durch den Kopf. Mehr sein Gefühl als sein Wille suchte daraufhin den Weg zum Schlafzimmer auf. Aber seine Beine wollten ihn nicht mehr bis durch die Tür tragen. Er blieb einfach davor stehen.

"Nein." Gin zog seine Hand von der Türklinke zurück.

"Er ist doch selber Schuld. Wofür sollte ich mich entschuldigen?", versuchte er sich einzureden. Das vielleicht auch nur aus dem Grund, weil er nicht gut darin war sich zu entschuldigen, nicht etwa, weil es die Wahrheit sein könnte.

Er ging zurück zum Wohnzimmer.

"Der wird schon von allein wieder raus kommen, wenn er was braucht.", dachte er um seine Sorgen vergessen zu können. Gin zweifelte nicht an seiner Vermutung. Zumindest vorerst nicht.

Schließlich wartete er, bis die Stunde gefüllt war.

Zwei Stunden.

Drei Stunden.

Nichts. Kein Lebenszeichen.

Als hätte das Warten etwas bezwecken können.

Nun war Gin nur noch mehr besorgt als vorher und begann längst damit sich Vorwürfe zu machen, das war wiederum etwas, was er so gut wie fast nie tat.
 

Wieder ging er zum Schlafzimmer, als er das Gefühl von Schuld und der Einsamkeit, die durch grauenvolle Stille erzeugt wurde, nicht länger ertragen wollte. Wieder stand er vor derselben Tür.

Gin wusste nicht, weshalb er seinen Atem kurz unterdrückte während er die Tür öffnete und schließlich dann im Zimmer stand.

Dieser Vorgang verlief relativ leise. Akai lag auf dem Bett, kehrte ihm den Rücken zu und regte sich nicht. Wer weiß ob er nicht schon die ganze Zeit so in dieser Position verbracht hatte. Der Silberhaarige schluckte letztlich den Kloß in seinem Hals herunter, der ihm keinesfalls Worte verwehren sollte.

"Ich wollte dir nur sagen, dass es mir Leid tut...", brachte Gin mühevoll aus sich heraus. Es war wirklich nicht einfach.

"Vielleicht hätte ich meine Wortwahl vorher nochmal überdenken sollen.", fügte er hinzu und lehnte sich an die Wand.

"Was zur Hölle mach ich hier gerade...?!", hörte er dabei seine entsetzte Stimme in Gedanken. Jetzt war er sich wirklich sicher, sich noch nie bei jemanden ernsthaft entschuldigt zu haben. Doch er wollte seine Gedanken ignorieren und sprach weiter. Auch wegen der Tatsache, dass Akais Schweigen ihn nicht sonderlich befriedigte.

"Und...Danke für die Rosen... Sie sind sehr schön..", stammelte er beschämend leise, während sich Röte auf seine Wangen schlich. Am liebsten hätte er sich dafür eine rein gehauen, so bescheuert wie das gerade bestimmt geklungen hatte. Doch es sollte wohl noch schlimmer kommen. Nicht mal das regte den Agenten zu einer Erwiderung an. Immer noch lag er still auf dem Bett. Beinahe wie tot, wenn man nicht noch gesehen hätte, wie sich sein Brustkorb langsam auf und ab bewegte.
 

Gin glaubte, dass Akai wohl wirklich sauer sein musste. Dessen Ignoranz war demütigend, aber auch schmerzhaft. Eine letzte Idee hatte Gin noch, auch wenn es dafür nicht genügte nur einmal über seinen Schatten zu springen. Aber der Moment bot sich nun mal an und der Silberhaarige wusste, er würde mit Sicherheit nicht eher zufrieden sein bis Akai ihm wieder verzeihen würde.

"Ich l-..." Gin brach den Satz ab. Es war schwer etwas auszusprechen, was bisher nicht mal in seinen Wortschatz existiert hatte und bisher für ihn nur Fremdworte gewesen waren. Jedoch startete er einen neuen Versuch: "Ich liebe...dich übrigens auch...glaub ich.", sagte er und nahm seine Stimme dabei irgendwie heiser war. Kurz war es, als würde sein Herzschlag aussetzen. Dann aber verschnellerte sich sein Atem und er fühlte sich, als würde ihm sein Herz jeden Moment aus der Brust springen. Hitze breitete sich in seinem Körper aus.
 

Schlimmer war aber der Scham, der sich bemerkbar machte, als tatsächlich immer noch alles still war. Keine Reaktion. Nichts in seinem Leben war demütigender gewesen als dieser Augenblick. Seine Miene verfinsterte sich. Dann trat er ein paar Schritte vor.

"Dieser verdammte-" Gin blieb mit geweiteten Augen vor dem Bett stehen, als er erkannte, dass Akais Auge geschlossen war. Offensichtlich schlief er tief und fest.
 

Unentschlossen starrte er den schlafenden Agenten an.

Doch schnell wurde aus seiner Verwunderung Wut. Er überwand die verbleibende Distanz und streckte die Arme aus, um die Person zu wecken, die ihn dermaßen verärgert hatte.

Unmittelbar bevor er dessen Schultern jedoch ergriff und ihn gewaltsam weckte, erstarrten die Hände des Silberhaarigen mitten in der Luft.

"Er sieht wirklich erschöpft aus... Die letzten Tage und Wochen waren ja auch nicht gerade leicht…" Gin erinnerte sich plötzlich an verschiedenste Situationen aus der Zeit, die er jetzt mit dem Agenten schon zu zweit verbracht hatte.

Anstatt den Agenten zu wecken, senkte Gin leicht schuldbewusst den Kopf und legte dem Schwarzhaarigen vorsichtig eine Decke über.

"Er hat so viel für mich durchgemacht... und wie danke ich es ihm? Mit Gewalt."

Gin schloss kurz die Augen, doch sobald er den Agenten nicht mehr vor sich sah, meldete sich eine andere Stimme in seinem Kopf: "Was kümmere ich mich eigentlich um den? Er ist doch selbst schuld!"

Zusammen mit diesem Gedanken kehrte die Wut zurück. "Dieser Idiot wusste genau worauf er sich einlässt, also muss ich mir doch keine Gedanken um ihn machen! Das hat er alles selbst zu verantworten!"
 

Kaum öffnete der Silberhaarige seine Augen, war er wieder wie gefangen von dem Anblick des schlafenden Mannes. "Ich... habe ihn doch nie... darum gebeten…"
 

Beinah wäre Gin vor dem Bett zusammengesunken. Immer stärker und schneller machten sich die verschiedensten Gefühle in ihm breit. Wut wurde zu Mitgefühl und Verständnis, dann zu Schuldgefühlen und wieder zu Wut. Doch ein Gefühl blieb dabei ständig erhalten und verdrängte zunehmend die anderen.

"Ich liebe dich auch...", dachte Gin beinah verzweifelt, bevor er sich vom Bett wegdrehte. Dieser Agent brachte ihn mit den Gefühlen, die er in ihm auslöste, noch um den Verstand.

Denn die Liebe war mit einem weiteren Gefühl verbunden: dem Gefühl der Hilflosigkeit.
 

Je stärker die Gefühle in ihm wurden, umso weniger nahm Gin von seiner Umgebung wahr. Wie ferngesteuert betrat er das kleine Bad, schloss die Tür hinter sich, entkleidete sich und stellte sich unter den lauwarmen Wasserstrahl der Dusche. Er hielt sein Gesicht hinein und ließ die Wassertropfen die verräterische, salzige Nässe seiner Augen verbergen.
 

So, wie er es schon immer getan hatte.
 

Nein, das war nicht ganz richtig.
 

So, wie er es getan hatte, seit Rum ihm eingeprügelt hatte, dass Tränen Gefühle zeigen und Gefühle Schwäche. Eine Schwäche, die er sich nicht leisten durfte.
 

Ohne es zu merken, lehnte sich Gin gegen die kalten Fliesen der Dusche und sank langsam daran herab. Er spürte weder die Kälte der Wand, noch wie die Wassertropfen über sein Gesicht liefen und die Tränen fortspülten, die unaufhörlich flossen.
 

Gin, der kaltblütige Mörder der Organisation, konnte seine Gefühle nicht länger unterdrücken. Es tat weh. Seit wer weiß wie vielen Jahren hatte Gin angefangen sich seinen Gefühlen zu öffnen. Für einen Verräter. Einen elendigen, schwarzhaarigen FBI-Agenten, den er aus ganzem Herzen liebte.

Und er wusste nicht, wie er es ihm sagen sollte.

Engel

Langsam wachte Akai auf.

Irgendetwas hatte ihn geweckt, doch im Halbschlaf konnte er nicht gleich zuordnen, was es war. Er bemerkte die angenehme Wärme, die ihn dazu verführen wollte, einfach weiter zu schlafen. Doch sein Verstand würde keine Ruhe geben, bis er nicht erkannt hatte, was ihn störte.

Widerwillig befahl der Agent seinem Auge, sich zu öffnen und während er sich den Schlaf weg blinzelte erkannte er, was die Störung seines kurzen Mittagsschlafes verursacht hatte. Die Dusche in dem kleinen Bad nebenan war angestellt worden.

Mit einem Seufzen überlegte Akai kurz, ob er noch etwas weiterschlafen sollte, doch dann erinnerte er sich, dass sie noch nicht gefrühstückt hatten. Und Gin war bereits durch sein kleines Missgeschick schlecht gelaunt...

Erst als er sich aufrichtete, fiel dem Schwarzhaarigen die Decke auf, die nun von seinen Schultern fiel. Ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. "Scheinbar ist Gin doch nicht mehr ganz so sauer, wie ich gedacht habe."

Aber sicher war er sich nicht. Die Gefühlsschwankungen, die sich nur angedeutet hatten, als sich Gin noch mit seinen vollständigen Erinnerungen im Körper des Kindes befunden hatte, waren offensichtlich schlimmer geworden. Zwar traute sich der Agent zu, damit umgehen zu können, aber er musste es ja nicht schwerer für sie beide machen, als es ohnehin schon war.
 

Etwas schwerfällig durch den letzten Rest Müdigkeit, der sich noch nicht vollständig vertreiben ließ, setzte sich Akai auf den Bettrand, bevor er aufstand und die Decke ordentlich gefaltet auf dem Bett ablegte.

Auf dem Weg in die Küche überlegte er, was er zum Frühstück machen sollte. Obwohl es längst Mittagszeit war, hatten sie ja noch nichts gegessen.

"Rühreier mit Schinken und Speck wäre zwar schön aber...", überlegte Akai und öffnete die Kühlschranktür. Auf dem Weg dorthin schweifte sein Blick auf die Rosen, die in einer Art Vase auf dem Tisch standen. Er lächelte.

"Gin brauch nie lange zum Duschen und er wird Hunger haben. Außerdem sollte ich wohl besser wieder im Schlafzimmer sein, wenn er rauskommt. Also gibt es erstmal ein paar Sandwiches, die sind schneller fertig", beschloss er.

Durch die gewohnten Handgriffe war er schnell fertig und nahm die Teller mit zurück ins Schlafzimmer.
 

Dort war er verwundert, dass sich nichts verändert hatte. Anders gesagt, man hörte immer noch das Wasser im Badezimmer rauschen.

Mit einem misstrauischen Blick starrte Akai auf die Badtür und stellte dabei die Sandwiches auf dem Nachtschrank ab. Auch sonst war nichts zu hören.

Der Agent setzte sich auf das Bett und wartete, oder zumindest versuchte er das. Nach einer Weile begann er leicht nervös auf dem Bett herum zu rutschen, während sein Atem immer unruhiger wurde.

"Beruhig dich...du machst dir mal wieder zu schnell Sorgen.", versuchte er sich einzureden, um die einkehrende Nervosität zu vertreiben, was aber auch nichts nützte.

Der Agent kreiste seine Daumen, starrte nach unten, und ließ dann seine Finger knacken. Für gewöhnlich hasste er dieses Geräusch, doch anders wusste er sich nicht abzulenken. Aus dem Raum gehen wollte er auch nicht mehr.
 

Als er es schließlich nicht mehr aushielt, stand er vom Bett auf und bewegte sich mit kurzen Schritten zur Tür des kleinen Nebenraumes. Er hoffte nebenbei, das jetzt vielleicht doch endlich die Dusche abgestellt werden würde, jedoch wurde er was das betrifft enttäuscht.
 

Er klopfte erstmals nur mit leichter Kraft an die Tür.

"Gin, alles in Ordnung?" Er wollte in diesem Moment jetzt einfach die Stimme seines Koibitos hören, dabei war es ihm so ziemlich egal was die Antwort beinhaltete, so lange überhaupt eine Reaktion erfolgen würde. Doch es passierte nichts. Das Wasser lief unentwegt weiter.

Akai schluckte, versuchte es aber noch einmal. Wieder änderte sich nichts. Immer noch das Wasserrauschen.

"Ich kann doch nicht einfach da rein spazieren...", dachte der junge Agent beschämend und kannte sich inzwischen so gut, dass er genau wusste, er würde Gins Anblick unter der Dusche nicht ertragen können, wenn doch nichts sei und er sich irrte.

"Aber wenn was passiert ist..." Er wusste aber auch von sich selbst, dass er niemals wollen würde, dass Gin etwas passiert. Er würde ihm immer helfen.
 

Akai setzte einen ernsten Blick auf und öffnete die Badezimmertür.

Sofort kam ihm eine unangenehme Wärmewelle entgegen, die er in diesem Moment als unerträglich empfand. Ein wenig weißer Dampf war im kleinen Raum verbreitet, die Wände der Dusche waren vollkommen beschlagen. Darin saß ein zu Boden gesunkener, regungsloser Gin.
 

Geschockt eilte Akai zu der Duschkabine, öffnete hastig die Schiebetüren und stellte das Wasser ab. Der Silberhaarige bewegte sich währenddessen immer noch kein Stück. Er hatte den Kopf gesenkt und seine in Wasser getränkten Haare verdeckten fast sein komplettes Gesicht.
 

"Ich kann seine Stimme hören... Sie klingt so angenehm, wie ein sanftes, beruhigendes Streichen... Als würde ein Engel auf mir herab sehen..."
 

Das Erste, was sich Gins Augen offenbarte, als er sie öffnete, war ein unklares, verschwommenes Bild, und doch erkannte er Shuichis Antlitz vor sich.
 

"Gin?! GIN!!"

Akai bemerkte wie sich die Augen von Gin hinter den Lücken der silbernen Haarsträhnen, langsam öffneten. Daraufhin weiteten sie sich vor Schreck.

"Gott sei dank, geht es dir gut?", fragte er Gin besorgt und legte seine Hände auf dessen Schultern.

"Fass mich nicht an!', ertönte es plötzlich vom Silberhaarigen, als das Bild vor seinen Augen klarer wurde und er die Situation zu realisieren begann. Da Gin aber keine Anstalten machte den Agenten mit Gewalt von sich weg zu schieben, hörte dieser auch nicht sofort darauf

"Was machst du denn?...Bist du eingeschlafen?", erkundigte er sich stattdessen, doch Gins ängstlich wirkendes Verhalten verriet ihm, dass dies nicht der Fall gewesen war.

Er ließ einer seiner Hände über den Hals seines Koibitos gleiten und stoppte bei dessen Wange.

"Sag mir was los ist." Wieder schwang in dieser Tonlage Besorgnis mit, die sich meistens immer gezeigt hatte, als er damals den ängstlichen Jungen beruhigen wollte.
 

"Nimm endlich deine Hände von mir weg!", entgegnete es jedoch kalt von Gin und somit verblasste die Erinnerung von Akai auch wieder.

Der Silberhaarige zog seinen Kopf zur Seite. Gedanklich seufzend beschloss der Agent, wenn auch widerwillig, es dabei zu belassen. Es schien momentan nicht so, dass Gin ihm erzählen wollte was los sei, geschweige sich von ihm helfen zu lassen.

"Na schön. Bist du dann fertig?", fragte er, wobei er sich sicher war, dass Gin definitiv lange genug geduscht hatte. Akai richtete sich auf und hielt dem Silberhaarigen seine Hand hin, um ihm aufzuhelfen.
 

Auch diese Hilfestellung lehnte Gin ab und beachtete die Hand über ihm gar nicht, stattdessen versuchte er sich irgendwie alleine wieder aufzurappeln und stütze sich dabei an den Fliesen ab. Was er vergessen hatte: die Fliesen waren noch feucht und vor allem sehr rutschig, so dass er mit der Hand ausrutschte und wieder gefallen wäre, wenn Akai ihn im letzten Moment nicht noch aufgefangen hätte.

"Pass auf...", meinte der Agent leise, erkannte dann, dass Gin sich in seinen Armen nicht mehr regte.
 

Besorgt sah Akai den Silberhaarigen an. Er wusste im ersten Moment allerdings nicht, was er tun sollte.

„Er ist wohl bewusstlos...“, flüsterte der Agent zu sich selbst und versuchte mit Mühe Gin nicht fallen zu lassen.

Er seufzte und beschloss Gin erst mal aus dem Bad zu tragen und dann ins Bett zu legen. Das wäre gerade bestimmt die beste Entscheidung. Er trug Gin daraufhin zurück und legte ihn auf das Bett. Dabei erklang nicht das leiseste Geräusch, man konnte vielleicht gerade mal die beiden Männer atmen hören.

Ruhig betrachtete Akai Gins stillen Körper, seine Auge wollte sich einfach auf nichts anderes fixieren. Zögernd strich er daraufhin über Gins Narbe und lächelte leicht merklich. In diesem Augenblick erinnerte er sich an den kleinen und unschuldigen Gin zurück, diese Situation erinnerte ihn zu sehr daran.

Geständnis

Die nächsten zwei Stunden verbrachte Gin schlafend. Als er aufwachte, öffnete er vorsichtig seine Augen. Er sah verschwommen. Den Kopf anheben, oder sich generell aufsetzen, wollte er nicht, da ihm der Schädel wirklich brummte.

"Was ist passiert...?", fragte er sich im Stillen, dann krallte er seine Hand in das Bettlaken unter sich. Diese kleine Bewegung genügte, um die Aufmerksamkeit der Person auf ihn zu lenken, die gerade bei ihm war. Bis eben glaubte Gin, er wäre allein gewesen.

"Bist du also aufgewacht?", erklang eine Stimme, die seine Ohren inzwischen am liebsten hörten, und es würde ihm fehlen, wenn er sie nicht mehr hören würde.

"Moment mal..." Gin befreite sich aus dem letzten Rest seiner Trance und drehte seinen Kopf zur Seite. Auf der Bettkante neben ihm saß Shuichi und sah auf ihn herunter. Gin schwieg den Agenten an. Seine Augen weiteten sich.
 

"Geht's wieder?", erkundigte sich Shuichi daraufhin, da Gin nicht reagierte.

"W-Was machst du hier??", fragte dieser verwirrt. Gedanklich stellte er sich jedoch noch die Frage, wie lange der Schwarzhaarige dort schon saß.

"Ich habe gewartet, bis du aufwachst.", meinte Shuichi ruhig.

"Du meinst du hast mich die ganze Zeit beim Schlafen beobachtet!", entgegnete Gin etwas laut und zugleich peinlich berührt.

"So musst du das doch nicht ausdrücken." Ein schelmisches Lächeln zierte Shuichis Lippen, aber nur bis Gin versuchte sich aufzusetzen.

Dem Silberhaarigen wurde sofort schwindelig und er fasste sich an die Stirn.

"Bitte sei vorsichtig, du hattest wahrscheinlich einen kleinen Kreislaufzusammenbruch.", warnte Shuichi, beugte sich zu seinem Koibito und legte seine Hände auf dessen Schultern.
 

"Lass gut sein.", kommentierte Gin die fürsorgliche Geste des Agenten und drückte seine Hände gegen dessen Brust. Eigentlich wollte er ihn von sich wegschieben, doch stattdessen krallten sich nur seine Hände in das blaue Hemd. Gin senkte den Kopf.

"Er war die ganze Zeit hier, bei mir...an meiner Seite...", ließ der Silberhaarige sich Shuichis Verhalten nochmal durch den Kopf gehen, da wurde ihm plötzlich warm ums Herz.

"Tut mir leid." Er nutzte sein Empfinden und zwang sich nochmal eine zweite Entschuldigung heraus.

"Was?", offenbar wusste sein Gegenüber nicht mal, was er meinte.

"Das vorhin.", erklärte Gin so kurz wie möglich. Es war für ihn jetzt noch schwerer als davor.
 

"Ich glaube eher, dass ich mich bei dir entschuldigen sollte - nicht andersrum." Akai war von Gins plötzlicher Entschuldigung überrascht. "Wofür entschuldigt er sich?", fragte er sich erstaunt. "Weil er zusammengebrochen ist?"

Er verstand nicht, woher diese....Sanftmut des ehemals kaltblütigen Killers plötzlich kam. Doch der Mann vor ihm schüttelte nur leicht den Kopf.

"Du machst nichts falsch...", murmelte dieser dann leise. Akai stockte der Atem.

"Aber ich-", setzte er schließlich an, doch verschluckte den Rest des Satzes als sich Gins Hände noch fester in sein Hemd krallten.
 

"Sag mal...Warum hasst du mich nicht einfach?" Gin sah auf. Der Blick in den Augen dieses seltsam verkrampften Gesichtes wirkten, als würden jeden Moment Tränen aus ihnen fließen. Er merkte gar nicht, dass er bereits dabei war wieder in das Stimmungstief zurückzusinken, dass er unter der Dusche hatte loswerden wollen. Ihm wurde immer elendiger zumute und er musste an die vielen Male denken, die er Shuichi gequält und wie den letzten Dreck behandelt hatte. Seine Schuldgefühle bildeten einen beinahe unüberwindbaren Klos in seinem Hals.
 

"Warum sollte ich dich jetzt auf einmal hassen?" Gin hörte Akais Frage überhaupt nicht mehr, oder anders gesagt: Er wollte sie nicht hören.

"Ich bin so furchtbar..." Dieser Satz war noch leiser als der vorherige, doch noch verständlich. Gin senkte nebenbei erneut seinen Kopf und zog dabei den Stoff in seinen Händen ebenso weiter mit runter.
 

Akai entwich ein Seufzen. Er wusste nicht genau, woher dieses Verhalten plötzlich kam und warum sein Koibito nun so niedergeschlagen war, doch was er wusste: Diesen Anblick wollte und konnte er nicht länger ertragen.

"Gin.", begann er ernst. Dieser reagierte jedoch nicht, weshalb er weitersprach.

"Sieh mich an.", kam es in einem freundlich befehlendem Tonfall. Die einzige Erwiderung von Gin war ein Schniefen.

"Bitte.", fügte der Agent nach einigen Sekunden noch hinzu. Dann endlich überwand Gin sich den Kopf zu heben, doch mit dem darauf folgendem hätte er nie gerechnet: Akai gab ihm eine Backpfeife. Die Tränen, die sich in seinen Augen schon zuvor gebildet hatten, entwichen dabei und flogen auf die Bettdecke.

Gerade als Gin sich vom Schlag erholte und mit einer seiner Hände auf seine Wangen fassen wollte, krallte sich Akais Hand unter sein Kinn und zog ihn zu sich heran. Im nächsten Augenblick trafen ihre Lippen aufeinander und der Schwarzhaarige begann seinen Koibito innig zu küssen.
 

Gin wollte es erst nicht wahr haben: Shuichi hatte ihn tatsächlich geschlagen, vielleicht auch zu Recht. Wahrscheinlich hätte er so etwas niemals erwartet. Jedoch als sein Gegenüber ihn dann näher an sich heranzog und plötzlich einen Kuss begann, setzte Gins Verstand aus. Mit geweiteten Augen starrte er auf das geschlossene von Shuichi. Allmählich verschwanden Gins negative Gedankengänge und machten wieder Platz für seine wahren Gefühle für Shuichi. Doch als er den Kuss erwidern wollte, löste sein Partner sich. Der Silberhaarige betrachtete ihn nachtragend.
 

"Du bist nicht furchtbar.", begann Akai und legte seine Hand um Gins Wange. "Aber dein jetziges Verhalten ist für mich furchtbar.", ergänzte er danach.

Gin schien sprachlos. Er hatte Angst etwas falsches zu sagen, deshalb neigte er dazu einfach wieder nach unten zu sehen.

"Ich mag es nicht, wenn du traurig bist oder gar weinst, und ich habe seit jenem Tag versucht das zu vermeiden." Akai lächelte, als sich die Erinnerung vor seinem inneren Auge zeigte. Doch als Gin seine verkrampften Hände wieder aus dem Hemd des Agenten löste, wurde dieser aus seinen Gedanken gerissen. Akai bemerkte, dass der Silberhaarige den nächsten Versuch starten wollte, das Bett zu verlassen und umfasste daher erneut dessen Schultern, diesmal verstärkt.

„Ich hab doch gesagt, du sollst liegen bleiben!“
 

Gin hingegen war die Situation zunehmend peinlich.

“Das passt nicht zu mir!“, warf er sich gedanklich vor, ließ sich aber dennoch zurück auf das Bett drücken. Dabei drehte der Silberhaarige aber den Kopf so, dass der Agent sein Gesicht nicht sehen konnte. Akai lächelte erneut. So erinnerte ihn Gin erst recht an den schmollenden Jungen, der sich lieber im Bett vergrub als seine Tränen zu zeigen.

Wie automatisch hob sich eine von Akais Händen und steuerte auf den Kopf seines Liebsten zu, um ihm durch die langen Haare zu fahren.

Gin spürte nur eine leichte Berührung an seinem oberen Haaransatz, bevor er sich keuchend und mit vor Schreck geweiteten Augen am anderen Ende des Bettes wiederfand. Shuichis Hand hatte er weggeschlagen.

Erstaunt und auch ein klein wenig verletzt sah der Agent ihn an.
 

"Was ist denn plötzlich los?", wollte der Schwarzhaarige auch schon sofort wissen.

"Du...Das....Mach das einfach nicht nochmal! Hörst du?", stammelte Gin daraufhin. Akai versuchte zu lächeln, seufzte allerdings nur. Der schöne Moment war nun dahin.

„In Ordnung", meinte er. Enttäuscht und mit einem Stich im Herzen stand Akai auf, drehte sich vom Bett und Gin weg und ging zur Tür. Gin hatte ihm immerhin gestattet, sich frei im Haus zu bewegen und nach dieser Enttäuschung konnte er einfach nicht mit dem Silberhaarigen im gleichen Raum bleiben.

"Ich dachte wirklich... Ach was!" Akai schüttelte gedanklich den Kopf. "Wem habe ich eigentlich versucht etwas vorzumachen? Habe ich wirklich geglaubt, Gin könnte sich in mich verlieben?"

Offensichtlich war sein Wunsch danach so stark gewesen, dass er die Reaktionen des Silberhaarigen falsch interpretiert hatte.

Sein Geliebter befand sich nur unter den Nebenwirkungen des Giftes... nichts von dem, was er glaubte zwischen ihnen gespürt zu haben, war real.

"Nur... eine Illusion..." Akai fühlte sich leer. Wie sehr hatte er sich gewünscht, dass Gins Gefühle echt waren...
 

Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend beobachtete Gin wie Shuichi Richtung Zimmertür ging. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er etwas wichtiges verlieren würde, wenn der Schwarzhaarige das Zimmer jetzt verließ.

"Aber warum? Wegen gerade eben? Aber... wieso? Das schien ihn bisher ja auch nicht zu stören!" Viel Zeit zum grübeln hatte Gin jedoch nicht. Der Agent war schon fast an der Tür.
 

Schnell sprang Gin aus dem Bett und schlang seine Arme von hinten um seinen Geliebten. Er konnte ihn so nicht gehen lassen. Während er leicht mit der Nase durch die kurzen, schwarzen Strähnen glitt und den Duft einatmete, der ihn mittlerweile so beruhigte wie nichts anderes, versuchte Gin die Anspannung des Körpers in seinen Armen zu ignorieren und überlegte, was er sagen könnte.

"Ich muss es ihm wohl erklären. Aber ich habe es nie jemandem gesagt... Nur Wodka wusste davon und..."

Erneut atmete Gin tief den Duft seines Geliebten ein und ihm wurde langsam bewusst, dass es ihm nichts ausmachen würde, wenn Shuichi davon erfuhr. "Nein. Ich will es ihm auch sagen."
 

In dieser Position konnte er Shuichis Gesicht nicht sehen, also richtete er seinen Blick auf die schwarzen Strähnen und das Ohr, welches ihm wohl unbewusst leicht zugedreht worden war.

"In der Zeit meiner Ausbildung wurde ich oft geschlagen, getreten oder verprügelt.", begann Gin mit leiser Stimme seine Erklärung. Von welcher Ausbildung er sprach, musste er dem Agenten nicht erklären. Auch die Art der Behandlung sollte nicht sonderlich überraschend sein. "Rum war der beste Ausbilder. Aber auch der Strengste. Kaum einer seiner Schützlinge hat überhaupt lange genug überlebt um an der Prüfung teilzunehmen."

"Du warst unter seiner Aufsicht."

Die Unterbrechung war keine Frage, aber dennoch bestätigte Gin die Vermutung des Agenten. "Ja," sagte er mit ruhiger, fester Stimme.
 

Akai lief ein kalter Schauer über den Rücken. Vermutungen und Mutmaßungen waren eine Sache. Doch es in dieser ruhigen Tonlage von Gin selbst zu hören, als wäre das alles eine Selbstverständlichkeit... Dennoch änderte das alles nichts an Akais Gefühlen. Er wusste schon seit einiger Zeit, dass der ehemals kaltblütige Mörder eine etwas andere Kindheit erlebt hatte.
 

"Rum legt großen Wert darauf, dass nichts die Erfüllung einer Mission behindert.",

"Legte," betonte Akai und hob die Vergangenheitsform bewusst hervor. Wiedereinmal wünschte er sich, er hätte den Kerl selbst erledigt.

Ein kleines Lächeln zuckte kurz um Gins Mundwinkel, bevor er leicht nickte. Rum war Geschichte. Es war vorbei.

"Alles was er tat, diente einzig und allein dem Zweck, perfekte Werkzeuge zu erschaffen. Körperliche Schwäche konnte Versagen bedeuten, also wurde trainiert. Unaufmerksamkeit führt zu Fehlern, also muss ständig höchste Konzentration möglich sein. Nervosität, Unsicherheit und allgemein alle Gefühle sind Schwächen, die die Leistungsfähigkeit beeinflussen, also müssen sie unterdrückt werden. Schlafen bedeutet angreifbar sein, also wurde solange trainiert, bis jede Abwehrbewegung saß und die Reaktion schnell genug war."

Mit jedem weiteren Wort von Gin wurde Akais Hass auf Rum größer.

"Der hat keinen so einfachen Tod verdient," dachte er. "Er hätte viel länger leiden sollen."

Am liebsten würde Akai ihn aus der Hölle zerren, foltern und wieder zurück schicken. Aber was genau bezweckte Gin?

Er würde ihm das alles nie ohne einen Grund erzählen, wurde Akai plötzlich bewusst. Also schwieg er und lauschte weiter mit schwerem Herzen den Worten seines Geliebten.
 

"Tag oder Nacht spielte keine Rolle. Wenn Rum kam, ging das Training los, ob ich bereit war oder nicht. Jeder Fehler wurde schwer bestraft. Mit Prügeln, Tagen ohne Nahrung oder Schlaf, unmöglichen Aufgaben... Er ließ sich ständig etwas Neues einfallen.",

"Um das perfekte Werkzeug zu erschaffen," sagte Akai tonlos.

Wieder nickte Gin und bestätigte die Aussage des Agenten im gleichen, ruhigen Tonfall, als würde er nur die Geschichte einer anderen Person erzählen, die er irgendwo mal gehört hatte: "Rum hasste Zeitverschwendung und Strafen begannen in dem Moment, in dem er einen Fehler erkannte. Oft war sein auserkorenes Medium zur Bestrafung aber nicht direkt greifbar, also zerrte er mich immer dorthin. Da auch der Weg bereits Teil der Bestrafung war und ich schnell gelernt hatte, wie ich verhindern konnte, dass er mich an den Arm fassen konnte, zerrte er mich im wahrsten Sinne des Wortes an den Haaren heran."

Obwohl sich Gin bei seiner Erzählung nichts hatte anmerken lassen, verstärkte sich jetzt die Umarmung um den Agenten leicht. Akai spürte, dass dies alles dem Silberhaarigen viel näher ging, als er zugeben wollte. Oder konnte.

"Alles dank dieser angeblichen Ausbildung!", fluchte er innerlich. Während sich eine seiner Hände unbewusst zur Faust ballte, legte der Schwarzhaarige die andere Hand beruhigend auf die Arme, die ihn umschlangen.
 

"Rums Plan hat funktioniert," fuhr Gin in seiner Erzählung fort. "Es gab nichts, was mich daran hinderte eine Mission nach der anderen erfolgreich abzuschließen. Egal ob es darum ging jemanden zu foltern oder zu töten oder unauffällig zu beobachten. Es gab nur eine Schwierigkeit: Berührt jemand meine Haare am Kopf, insbesondere oberhalb der Ohren..." Gin unterbrach sich und atmete tief den beruhigenden Duft des Schwarzhaarigen ein, bevor er weiter sprach. "...Dann passiert, was du eben gesehen hast. Ich schlage entweder um mich oder schieße automatisch auf die nächste Person. Egal wo oder auf wen."
 

Nach dieser Aussage war Akai zunächst einfach nur überrascht. "Das war alles?"

Doch je länger er darüber nachdachte, um so klarer erkannte er, warum das so ein Problem war. Bei geheimen Missionen, wo es absolut entscheidend war, nicht entdeckt zu werden, konnte das kleinste Geräusch den erfolgreichen Ausgang verhindern oder sogar unmöglich machen. Besonders, wenn jemand davon erfuhr und es ausnutzte... "Aus Rum‘s Sicht hätte das Gin zu einem fehlerhaften Produkt gemacht, das beseitigt werden muss…"

"Aber mir ist nie etwas aufgefallen...," sprach der Agent langsam noch seine letzten Bedenken aus, obwohl er Gin absolut glaubte. Doch sie hatten einige Missionen zusammen ausgeführt und nie... "Darum setzt du nie deinen Hut ab!", wurde Akai plötzlich klar.

Erneut schlich sich ein leichtes Lächeln auf Gins Gesicht. "Das war Wodkas Idee," gab er zu.

"Der Idiot hatte ne‘ Idee?", fragte Akai ungläubig.

"Ja, hin und wieder hatte er doch mal was nützliches auf Lager. Er hat es auf einer unserer Missionen mitbekommen. Die erste, die mir dadurch fast nicht gelungen ist. Am nächsten Tag kam er mit zwei Hüten an und hat irgendwas von Partnern gelabert."

"Eine einfache, aber gute Lösung," musste auch Akai zugeben. Er lehnte sich mittlerweile entspannt gegen die Brust seines Hintermannes. Die Spannung war gebrochen.
 

"Aber warum habe ich auch... dabei nichts bemerkt?", fragte er und mied es genau zu benennen, was er meinte. Gin würde ihn hoffentlich auch so verstehen. Einen kurzen Moment herrschte Stille, dann setzte Gin langsam an: "Du... Bei dir..." Geduldig und auch gespannt wartete Akai auf die nächsten Worte.
 

"Bei dir ist es etwas anderes... du... löst in mir nicht die gleiche Stärke der Reaktion aus und... wenn ich mich auf etwas anderes konzentriere kann ich es bei dir ignorieren, solange es nicht über meine Ohren geht."

Akai stutze und überlegte einen Moment. Jetzt wo er so darüber nachdachte... Er hatte Gin, zumindest dem erwachsenden Gin, wirklich nicht weiter als bis auf Ohrenhöhe durch die Haare gestrichen. Das erste Mal, dass er das tun wollte, war vor ein paar Minuten gewesen. Er verengte unzufrieden die Augen. Sollte das jetzt heißen, dass er Gin nicht durch die Haare fahren konnte? Nur weil dieser Rum da seinen Abdruck hinterlassen hatte?
 

Langsam drehte sich Akai in Gins Armen herum.

"Rum ist tot," sagte er und sah seinem Geliebten in die Augen.

"Ja," war die schlichte Antwort.

"Du hast ihn überwunden und besiegt," sprach Akai weiter während er die Hände hob und mit ihnen über Gins Wangen strich.

"Mit deiner Hilfe." Gins überraschende Aussage erfolgte im gleichen, ruhigen Tonfall, wie alles andere bisher.

Aber Akai war nicht bereit sich dadurch von seinem Vorhaben abbringen zu lassen.

"Dann lass uns zusammen auch diesen letzten Rest von ihm auslöschen." Akais Hände wanderten von Gins Wangen über dessen Ohren und in die silbernen Haare. Gin spannte sich an.

"Shuichi...", fing er an, wurde jedoch sofort unterbrochen.

"Du hast gesagt bei mir ist es anders." Akai beobachtete die Reaktionen seines Gegenübers genau. Gin schloss die Augen und ein kleiner Schauer schien durch ihm zu laufen.

"Sieh mich an!", verlangte Akai und sobald sich Gins Augen öffneten, küsste er ihn. Akai presste ihre Lippen fest aufeinander, während er seine Finger weiter in den silbernen Strähnen vergrub. Er bemerkte, wie sich Gins Körper trotz der Ablenkung weiter anspannte. Jedoch hatte er nicht vor aufzugeben. Er fuhr mit seinen Fingern weiter durch die silbernen Haarsträhnen und führte sich und Gin wieder in Richtung des Bettes.
 

Gin ließ sich einfach von Shuichi führen und trat weiter nach hinten, bis plötzlich das Bett ihn stoppte und er gezwungen war, sich durch den Stoß darauf zu setzen. Dann löste er sich kurz von Shuichis Lippen um Luft zu holen, was ihm sein Liebhaber jedoch nicht lange gewährte und sich nach kurzer Zeit ihre Lippen erneut trafen.
 

Akai ließ seine Hände langsamer durch Gins Haare gleiten und nutzte den Moment einfach aus. Sie fühlten sich an wie Seide zwischen den Fingern und dem Agenten war fast so, als hätte er nie etwas weicheres berührt.
 

Allmählich konnte Gin sich entspannen und versuchte sich an die Berührungen zu gewöhnen, dabei konzentrierte er sich zunehmend mehr auf den Kuss. Er bat mit seiner Zunge um Einlass, welcher ihm schnell gewährt wurde. Daraufhin begann er Shuichis Mundhöhle auszukundschaften und umschmeichelte dessen eigene Zunge, als er auf diese traf.
 

Akai biss mit seinen Zähnen auf Gins Unterlippe, bevor er sich mühselig komplett von den Lippen seines Koibitos löste. Er richtete sein Auge auf den scharfen Blick seines Gegenübers, welcher auch irgendwie erwartend wirkte.
 

"Sag mir, dass du mich liebst...", flehte Gin gedanklich, doch traute sich keinesfalls das so Shuichi ins Gesicht zu sagen. Seit er diese Worte gestern Nacht zum ersten Mal gehört hatte, war in ihm das Bedürfnis gestiegen, sie immer wieder hören zu wollen. Sie lösten in ihm so ungewohnte, aber auch unbeschreiblich schöne Gefühle aus.
 

Vorsichtig ließ Akai seine Hände wieder nach unten, um Gins Wangen wandern. Nur um ihm darauffolgend einen Kuss auf die obere Stirn zu geben. Gin schlang seine Arme um den Agenten, welcher sich dann weiter zu ihm herunterbeugte, so dass sie sich wieder ungefähr auf Augenhöhe befanden. Der Silberhaarige schmiegte seinen Kopf fest an Akais Brust und lauschte daraufhin dessen gleichmäßigem Herzklopfen, was er außerdem als beruhigend empfand.
 

"Ich...", begann Gin leise, zögerte jedoch und sprach erst mal nicht weiter. Kurz herrschte Stille. Jetzt vermischte sich sein eigenes Herzklopfen mit dem seines Liebhabers und er konnte nicht länger unterscheiden, welches Pochen von wem stammte.

"Was ist...?", fragte Shuichi mit leiser Stimme nach. Gin schluckte.

"Vergiss es.", bedrückte er einfach, was er eigentlich sagen wollte. Doch so leicht kam er dem Agenten nicht davon, welcher nun seine Schultern packte und ihn gerade richtete. Ihre Blicke trafen sich, worunter Gins Blick jetzt erschrocken wirkte.

"Nein, werde ich nicht.", sagte Shuichi. "Sag es mir.", fügte er bestimmt hinzu.

Doch Gin sah nur verlegen zur Seite, weshalb Shuichi unter dessen Kinn fasste, um seinen Kopf wieder zu ihm zu richten. Der Silberhaarige sah tief in das smaragdgrüne Auge vor sich, das wirkte als würde es nach etwas verlangen. Während sich die Sekunden zu sehr in die Länge zogen.
 

"Ich... ich liebe dich...glaube ich...", überwand Gin sich schließlich zu den Worten, die er eigentlich schon lange hatte los werden wollen. Auch wenn es aus seinem Mund ungewohnt klang, so übermannte ihn doch ein Gefühl von Wärme und Erleichterung.

"Du glaubst?", erwiderte Shuichi, welchem das noch etwas zu undeutlich klang. Gin schloss für einen Moment die Augen.

"Nein...es ist so.", meinte er dann entschlossen, als er sie wieder öffnete. "Ich liebe dich.", wiederholte er nochmals für Shuichi seine vorherigen Worte, küsste diesen daraufhin und zog ihn mit zu sich auf das Bett.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Das nächste Kapitel wird wieder +18...und seehr lang. (wahrscheinlich das Längste der gesamten Geschichte :D)
Wir haben auch dementsprechend lang dran geschrieben, weshalb ich irgendwie auch froh war, als es fertig war.
Wünsche euch dann, wenn es so weit ist, viel Spaß beim leisen ^^ Komplett anzeigen
Nachwort zu diesem Kapitel:
Damit ist der zweite Teil der Geschichte abgeschlossen :)
...und wenn ich das so sage, dann wird es noch einen dritten Teil geben :D (welcher zugegeben eigentlich erst nicht geplant war)
Aber keine Angst, der dritte Teil wird dann auch der Letzte sein ^^ meine Co-Autoren und ich haben schon angefangen mit schreiben und planen weiter voraus - es kann jedoch noch ein Weilchen dauern, bis ich den dritten Teil hier veröffentliche. Ich kann schon mal soviel verraten, dass es wieder etwas Aktion geben wird und weniger Slice of Life.

Hoffe ihr hattet Spaß beim lesen und werdet beim nächsten Teil noch dabei sein,
das war's erst mal von mir *winkt* Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (5)

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Von:  Luzie_
2019-02-04T13:34:20+00:00 04.02.2019 14:34
Tolles Kapitel. Gin hat es nicht leicht und Akai erst recht nicht. Bin gespannt was da noch alles passiert in der nächsten ff. Ich freue mich schon richtig darauf.
LG Luzie_
Antwort von:  ginakai
04.02.2019 16:54
Schön, dass es dir gefallen hat ^^ danke für deinen Kommentar :)
Von:  Araja0
2019-01-26T10:32:37+00:00 26.01.2019 11:32
So vor 2 Tagen bin ich über den ersten Teil deiner Geschichte gestolpert und hab sie gleich verschlungen und jetzt den 2ten teil gleich hinter her. Ich finde es super wie sich die beiden im Laufe der Geschichte verändern und Entwickeln. und ich bin so Gespannt wie es weiter geht.
LG Araja
Antwort von:  ginakai
26.01.2019 18:39
Danke für dein Review. Es freut mich, dass dir die Geschichte gefällt :)
Von:  Luzie_
2019-01-25T18:10:44+00:00 25.01.2019 19:10
Oje, bin mal gespannt, wie es weiter geht. Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel
LG
Luzie_
Antwort von:  ginakai
26.01.2019 18:39
Vielen Dank <3
Von:  callen
2019-01-20T06:27:33+00:00 20.01.2019 07:27
Deine Fanfic ist genial.Ich schreibe selber Geschichten,auch wenn ich sie nicht öffentlich mache.Der Übergang von 'böse' zu 'gut' ist echt nicht einfach und du hast ihn super umgesetzt.Sie Story fesselt einen total,man kann einfach nicht aufhören sie zu lesen.

PS:da ich leider noch minderjährig bin würde ich mich freuen die altersbeschränkungs-kapitel lesen zu dürfen.du hattest in deine beschreibung geschrieben ich solle dich privat kontaktieren.ich weis aber nicht,wie 'privat' gemeint ist?
Antwort von:  ginakai
25.01.2019 17:03
Vielen dank für dein Kommentar :) Freut mich, dass dir die Geschichte gefällt.

Also privat meinte ich, per direkt message. Wenn du die kapitel lesen möchtest werde ich sie dir schicken ^^
Von:  Shu_Akai
2018-09-22T12:45:20+00:00 22.09.2018 14:45
Dein neues Kapitel fängt ja gut an! Bin gespannt wie es weiter geht und ob Gin wirklich vor hat Akai zu töten.


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