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A Medieval Night

von

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Prolog

Er war gerade auf dem Weg zurück zu ihrem Häuschen am Hafen, als er ein paar Mädchen aufgeregt reden hörte. Sie sprachen von dem Fest, das heute Abend auf den Wiesen außerhalb von Hafenfeld stattfinden würde, wie sie ihr Haar flechten wollten, wie sie sich kleiden könnten. Will musste schmunzeln bei all dem Tatendrang sich aufzuhübschen, ebenso auch über die Freude, die diese jungen Damen versprühten. An ihrer Kleidung schon alleine war zu erkennen, dass sie dem bäuerlichen Volk angehörten und sofort wuchs die Neugierde in ihm. Und nicht nur die. Er war nicht wie manch anderer Gelehrter, Händler oder Großgrundbesitzer. Will betrachtete die hart arbeitende Gesellschaft der Bauern nicht als minderwertig, er schätzte sie dafür, dass sie tagein, tagaus auf den Feldern schufteten – für ihr wohl. Sie ernährten sie, ganz gleich ob sie nun dafür bezahlten oder nicht. Ohne sie würden all die gebildeten Leute, die sich für diese Arbeit viel zu schade waren, auch nicht überleben können. In ihm keimte ein Gedanke auf, den vermutlich kein anderer Gelehrter je gedacht hatte.

 

Er wollte auf dieses Fest.

 

Will war schon auf vielen Festen gewesen, aber keines davon hatte jemals allzu viel Reiz auf ihn ausgeübt. Er mochte den Tanz, er mochte die Gesellschaft, aber all das war immer mit einem gewissen Zwang verbunden. Und dann gab es auch noch Dinge, die er in den Kreisen, in denen er sich umgab, nicht gutheißen konnte.

Ein Fest der Bauern allerdings hatte er noch nie gesehen. Er wusste, dass es sie gab, ja, aber das war auch schon alles. Oft genug hatte er gehört, dass es dort nicht gesittet zuging, schließlich sei es ja Gesindel, das nicht annähernd so kultiviert war, wie sie es waren, die Wohlhabenden, die Gelehrten. Sie konnten ja nicht einmal rechnen oder schreiben.

Ob es daran lag, dass es verboten war? Nein, eher nicht. Will war ein anständiger junger Mann und hatte kein Interesse daran, Dinge zu tun, die sich nicht gehörten. Jedenfalls nicht des Tuns wegen. Die Dinge, die ihn mehr und mehr zu einem jungen Mann machten, der Verbotenes tun wollte, waren anderer Natur. Es war ein aufrichtiges, reines Gefühl – ironisch, wenn man bedachte, was für Folgen es hatte.

 

Es war wegen ihm.

 

Dem jungen Bauern war Will begegnet, als er einmal eine lange Reise angetreten war, gemeinsam mit seinem Hoppspross. Ihr erster Kontakt war zwar zäh verlaufen und auch sonst kamen sie nur langsam in Fahrt, aber irgendwo zwischen den Reisen von Ort zu Ort, zwischen Aufbruch und Weltretten, war ihm Lucz sehr ans Herz gewachsen. So schroff und kühl er des Öfteren sein mochte, Will hatte festgestellt, dass er ein guter Mensch war. Und wenn jemand ein Held von ihnen war, dann er. Lucz hatte Dinge getan, die er selbst nie hätte tun können, ihn beschützt, sie alle beschützt. Das war aber nicht der Grund für seine Gefühle. Will war niemand, der sich in jemanden verliebte, nur weil er ein Held war. Es waren die kleinen Dinge, die kleinen Gesten, bei denen sich sein Herz zum ersten Mal überschlagen hatte – und danach noch so oft.

Nun, nachdem die Welt gerettet war und sie wieder größtenteils ihrem normalen Leben nachkamen, war der Kontakt zwar noch da, regelmäßig auch, aber nicht mehr so häufig, wie Will es sich wünschte. Diese Gelegenheit ihn einen ganzen Abend sehen zu können, war zu verlockend.

Falls Lucz denn überhaupt hingehen würde. War er der Typ für so etwas? Nein, eher nicht. Allerdings konnte er doch auch nicht nur arbeiten. Ein wenig Spaß und Ablenkung hatte noch niemandem geschadet. Wenn er nicht da sein würde, könnte er auch einfach wieder gehen, dachte er sich. Natürlich nur, nachdem er sich zuvor ein Bild von der Festlichkeit verschafft hatte.

 

Er konnte den Abend gar nicht mehr erwarten.

Dressed Up For Him

Dank der Arbeit, die ihn ablenkte, verging die Zeit für Will wie im Flug. Als er sich endlich bereit für das Fest machen wollte, stand er allerdings ratlos vor seinem Kleiderschrank. Er hatte gar nicht daran gedacht, was er anziehen sollte. Ohne schlecht gegen die bäuerliche Gesellschaft reden zu wollen, aber es war kein Geheimnis, dass es zwischen ihren Kleidern einen sichtbaren Unterschied gab. Die Art der Stoffe, ihre Qualität, ihre Farben und Schnitte. War es naiv, nicht auffallen zu wollen unter den Bauern? Irgendwer erkannte ihn sicher trotzdem, egal in was für Kleider er sich auch hüllen würde. Den feinen Zwirn, den er sonst zu Festen trug, konnte er gleich ausschließen. Und seine Alltagskleidung war... Sie fühlte sich so unfestlich an. Und auch nicht überall waren kleine oder große Flecken Blut wieder vollständig rausgegangen. Blutende Wunden waren eigentlich nicht einmal sein Gebiet, doch Will half natürlich, wo er konnte. Lucz hatte ihm schon das ein oder andere Kleidungsstück gekostet.

 

Seine Schwester half ihm schließlich etwas auszuwählen, das irgendwie tauglich aussah. In Wills Augen war es immer noch etwas zu viel, zu hübsch, zu edel, aber es half nichts. Er hatte nichts Anderes und er hatte schon auf die Jacke verzichtet, die normalerweise dazu getragen wurde. Das Hemd jedoch war schon auffällig genug, auch wenn es das schlichteste war, das er hatte. Und das, mit lediglich Rüschen an den Ärmelabschlüssen...

„Du siehst gut aus, Brüderchen!“, kommentierte seine Schwester stolz auf sich und ihre Kleiderauswahl. „Aber etwas fehlt noch.“

Will stutzte, als sie das Wühlen anfing. Schließlich entdeckte er die Haarnadeln, die sie zwischen den Fingern hielt.

„Was hast du vor?“ Die Unsicherheit war in seiner Stimme deutlich hörbar.

„Deine Haare, ich finde, du könntest sie heute einmal anders tragen.“

Oft trug er sie zu einem Zopf gebunden, selten ganz offen, aber das war dann auch schon alles an Varietät, die er zu bieten hatte. Er war eben ein Mann, und- Schon stellte seine kleine Schwester sich auf einen Schemel und begann, ein paar Haarsträhnen abzuteilen. Sein geplanter Protest schaffte es nicht über die Lippen.

Mit zwei geflochtenen Strähnen, die an seinem Hinterkopf zusammenliefen und dort festgesteckt waren, stand er vor dem Spiegel und betrachtete sich. Ein paar frische Blumen steckten zwischen dem Flechtwerk, der Rest seiner Haare war offen – leicht gelockt wie üblich. Ob Lucz das gefallen würde? Er hoffte es inständig.

 

Unauffällig begab er sich an den Rand der Stadt, wo er schon von regem Treiben begrüßt wurde. Es waren noch Leute unterwegs, die Essen in Körben und Kisten bei sich trugen – Brote, Käse, auch Getränke und Fleisch waren dabei. Hocker wurden getragen oder ganze Sitzbänke. Jeder brachte etwas mit und er hatte nichts in seinen Händen. Schon kam er sich blöd vor.

Von weitem konnte Will eine Rauchfahne sehen, die nicht allzu weit entfernt empor stieg. Er war fast da. Und die Blicke der anderen Männer und Frauen töteten ihn jetzt schon innerlich so sehr, dass er kurz davor war, wieder umzudrehen... Sie waren nicht böse, so sahen sie jedenfalls nicht aus. Aber wann immer er angesehen wurde, hüpfte ihm sein Herz in die Unterhose. Er hatte Angst, dass sie etwas merkten, dass sie wussten, wer er war – keiner von ihnen und damit unberechtigt hier zu sein. Wieder kam ihm in den Sinn, wie dumm und verrückt diese Idee überhaupt erst gewesen ist. Trotzdem lief er nicht davon.

 

Am Platz angekommen, herrschte schon reges Treiben. Es standen Tische bereit, auf denen sich allerlei Essen befand. Von einem Karren wurden Bierfässer verladen, Wein konnte Will ebenfalls erkennen. Eine Feuerstelle war ein bisschen weiter hinten zu finden, über der Grillfisch gegart wurde. Fisch sah Will überhaupt sehr viel, aber das war kein Wunder, wo dieser einen Großteil der Ernährung in ihrer Hafenstadt ausmachte.

 

„Ich will unbedingt mit Lucz tanzen, heute wirklich!“, hörte Will eine Stimme ankündigen, ein Kichern, dann ein entsetzter Laut. Er drehte den Kopf und erblickte zwei junge Frauen, die sich tatsächlich herausgeputzt hatten, wie es von seiner Schwester angekündigt worden war.

„Was? Aber ich will!“

„Dann stell dich hinten an!“

 

Will lächelte müde, er hätte es ja wissen müssen. Lucz war tatsächlich beliebt bei den Bauerndamen. Er war eben ein Held, die waren bei Frauen immer sehr beliebt. Er war stark, groß, geheimnisvoll, mutig... Die Liste war lang und bevor sich Will noch komplett in seiner Schwärmerei verlor, begab er sich wieder ins Hier und Jetzt.

 

Er hatte ein Problem.

 

Würde er Lucz in diesem Aufzug vom Tanzen mit diesem Mädchen abhalten wollen, ginge das wohl nur, indem er ihn selbst dauerhaft belagerte. Als Mann konnte er allerdings nicht mit ihm tanzen, jedenfalls nicht, ohne groß für Aufsehen zu sorgen. Das wiederum war nichts, was er wollte. Will seufzte schwer. Vielleicht hatte er ja Glück und Lucz tanzte nicht, vielleicht konnten sie sich gemeinsam davor drücken, denn Will kannte keinen einzigen bäuerlichen Tanz.

Während er noch etwas verloren im Getümmel stand und scheinbar als einziger keine Aufgabe hatte, nichts zu tun wusste, erblickte er ihn. Lucz. Eilig, ganz von alleine, trugen seine Beine ihn zu ihm. Als er sich schließlich zu ihm drehte, ihn ankommen sah, wurde Will wirklich ein wenig nervös. Was würde er dazu sagen, dass er hier war? Würde er es gut finden? Oder würde er ihn wegschicken?

„Du?“, fragte Lucz erst einmal und blickte sich schließlich prüfend um. Will nickte wortlos, als er ihm wieder ins Gesicht sah. Er bemerkte den musternden Blick – es verunsicherte ihn nur noch mehr. Musste er so genau hingucken? Und was ging in seinem Kopf vor?

„Mut hast du ja...“

Gut. Oder schlecht? Will lächelte schwach bei dem Kompliment.

„Ich wollte dich sehen“, erklärte er und senkte den Blick. Ihm war das schwache Lächeln auf dem Gesicht festgefroren. „Ich wollte einen Teil deiner Welt sehen.“

 

Wieder schwieg Lucz. Will hob den Kopf, sah ihm ihm die Augen, suchte darin nach unausgesprochenen Worten. Finden tat er keine, stattdessen verlor er sich einen Moment in ihnen. Er bemerkte es erst, als er eine Hand an seinem Kopf spürte, die ihn kurz die Haare herunter strich und an einer der Blumen Halt machte.

„Es steht dir, Salat“, sagte Lucz ruhig, ließ das zierliche Pflänzchen wieder los, zog die Hand zurück. „Pflanzen und du passen zusammen.“

Da war er wieder, der Spitzname, den er schon eine ganze Weile nicht mehr gehört hatte. So wenig liebevoll er klang, so schnell hatte er sich damals daran gewöhnt, so genannt zu werden. Es war seine Haarfarbe, die ihm diesen Namen eingehandelt hatte und es beruhigte ihn schlagartig ungemein, war das doch ein Kompliment?

„Meine Schwester hatte die Idee. Ich dachte, es wäre ein bisschen zu...kitschig. Unpassend, irgendwie“, druckste er herum, kratzte sich an der Wange aus purer Verlegenheit.

„Sie hat ein gutes Händchen. Komm, ich besorg dir ein Getränk.“ Im gleichen Moment spürte er Lucz' Hand auf seinem Rücken, ihn sachte schiebend.

 

Die erste Hürde war überwunden. Will hoffte, dass der Rest des Abends ebenso gut verlaufen würde.

Dressed Up For Him [Special]

Dank der Arbeit, die ihn ablenkte, verging die Zeit für Will wie im Flug. Als er sich endlich bereit für das Fest machen wollte, stand er allerdings ratlos vor seinem Kleiderschrank. Er hatte gar nicht daran gedacht, was er anziehen sollte. Ohne schlecht gegen die bäuerliche Gesellschaft reden zu wollen, aber es war kein Geheimnis, dass es zwischen ihren Kleidern einen sichtbaren Unterschied gab. Die Art der Stoffe, ihre Qualität, ihre Farben und Schnitte. War es naiv, nicht auffallen zu wollen unter den Bauern? Irgendwer erkannte ihn sicher trotzdem, egal in was für Kleider er sich auch hüllen würde. Den feinen Zwirn, den er sonst zu Festen trug, konnte er gleich ausschließen. Und seine Alltagskleidung war... Sie fühlte sich so unfestlich an. Und auch nicht überall waren kleine oder große Flecken Blut wieder vollständig rausgegangen. Blutende Wunden waren eigentlich nicht einmal sein Gebiet, doch Will half natürlich, wo er konnte. Lucz hatte ihm schon das ein oder andere Kleidungsstück gekostet.

 

Seiner Mutter sei Dank – oder besser gesagt ihrem Kleiderschrank – fand Will schließlich doch noch etwas zum Anziehen. Es war sowieso sicherer, als Frau zu gehen, denn wenn er als Mann dort auftauchte, könnte er in aller Öffentlichkeit kaum etwas mit seiner Anwesenheit anfangen. Sich mit Lucz unterhalten, das könnte er, aber er wollte viel mehr als nur das. Er wollte den Abend mit ihm verbringen und das beinhaltete auch, mit ihm tanzen zu können. Mit niemand anderem wollte Will das. Seine kleine Schwester half ihm dabei, seine Haare zu flechten, so wie es bei den Mädchen und Damen gerade angesagt war. Bei Schminke allerdings hörte es dann auf. Die Frauen auf den Festen, die er sonst besuchte, gaben sehr viel darauf, sich zu schminken und herauszuputzen, aber Will bezweifelte, dass die verarmten Bauern sich davon viel leisten konnten. In dem Moment hatte das Mädchen aber schon Mamas Kommode geplündert.

 

„Ich denke, das brauchen wir nicht“, sagte Will betont bei dem Anblick der Schminke, was seine Schwester eine Schmollschnute auf das Gesicht malte.

„Natürlich brauchen wir das!“, verkündete sie trotzig und war offensichtlich bereit dazu, ihn als lebende Schminkpuppe zu missbrauchen. Verunsichert blickte er noch einmal die Schminke an. Er hatte zugegeben keine Ahnung, was sich in all den Tiegeln verbarg. „Die Mädchen auf den Feldern wissen sich doch zu helfen. Ich habe gehört, sie benutzen Blut, um ihre Wangen zu färben und Kohlestückchen für die Augen. Mama hat das mal gesagt.“

Und wenn Mama das sagte, dann stimmte das.

Eher skeptisch sah er auf die Schminke – würde das nicht albern sein? Was würde Lucz darüber denken? Was, wenn er das abstoßend fand? Er kam gar nicht mehr zum protestieren, als das Mädchen anfing, ihm mit dem Pinsel die Wangen rosig zu pudern. Dann gab es kein Zurück mehr.

Als er sich schließlich aus dem Haus schlich, war er hübsch zurecht gemacht, allerdings anders, als er sich das vorher vorgestellt hatte. Unsicher griff er an eine der Blumen, die in sein Haar gesteckt worden waren. Ob ihn Lucz erkennen würde? Ein bisschen hoffte er ja, dass das nicht der Fall wäre...

 

Unauffällig begab er sich an den Rand der Stadt, wo er schon von regem Treiben begrüßt wurde. Es waren noch Leute unterwegs, die Essen in Körben und Kisten bei sich trugen – Brote, Käse, auch Getränke und Fleisch waren dabei. Hocker wurden getragen oder ganze Sitzbänke. Jeder brachte etwas mit und er hatte nichts in seinen Händen. Schon kam er sich blöd vor.

Von weitem konnte Will eine Rauchfahne sehen, die nicht allzu weit entfernt empor stieg. Er war fast da. Und die Blicke der anderen Männer und Frauen töteten ihn jetzt schon innerlich so sehr, dass er kurz davor war, wieder umzudrehen... Sie waren nicht böse, so sahen sie jedenfalls nicht aus. Aber wann immer er angesehen wurde, hüpfte ihm sein Herz in die Unterhose – oder eher in die seiner Mutter... Er hatte Angst, dass sie etwas merkten, dass sie wussten, wer er war. Viel schlimmer noch: Dass sie wussten, dass er ein Mann war. Und wieder kam ihm in den Sinn, wie dumm und verrückt diese Idee überhaupt erst gewesen ist. Trotzdem lief er nicht davon.

 

Am Platz angekommen, herrschte schon reges Treiben. Es standen Tische bereit, auf denen sich allerlei Essen befand. Von einem Karren wurden Bierfässer verladen, Wein konnte Will ebenfalls erkennen. Eine Feuerstelle war ein bisschen weiter hinten zu finden, über der Grillfisch gegart wurde. Fisch sah Will überhaupt sehr viel, aber das war kein Wunder, wo dieser einen Großteil der Ernährung in ihrer Hafenstadt ausmachte.

 

„Ich will unbedingt mit Lucz tanzen, heute wirklich!“, hörte Will eine Stimme ankündigen, ein Kichern, dann ein entsetzter Laut. Er drehte den Kopf und erblickte zwei junge Frauen, die sich tatsächlich herausgeputzt hatten, wie es von seiner Schwester angekündigt worden war.

„Was? Aber ich will!“

„Dann stell dich hinten an!“

 

Will lächelte müde, er hätte es ja wissen müssen. Lucz war tatsächlich beliebt bei den Bauerndamen. Er war eben ein Held, die waren bei Frauen immer sehr beliebt. Er war stark, groß, geheimnisvoll, mutig... Die Liste war lang und bevor sich Will noch komplett in seiner Schwärmerei verlor, begab er sich wieder ins Hier und Jetzt.

 

Er hatte ein Problem.

 

Würde er Lucz in diesem Aufzug vom Tanzen mit diesem Mädchen abhalten wollen, ginge das wohl nur, indem er ihn selbst dauerhaft belagerte. Nur, so sehr er sich das auch wünschte, er konnte nicht tanzen – jedenfalls nicht diese bäuerlichen Tänze. Ob sie schwierig waren? Ob sie sich so sehr unterschieden von denen, die er gewohnt war? Er würde es schneller herausfinden, als ihm lieb war, befürchtete er, doch bevor es dazu kam, sah er ihn. Lucz. Er schluckte und sein Herz fing an zu rasen, schlimmer als sonst. Viel schlimmer. Will zögerte, doch dann straffte er die Schultern und ging auf den jungen Mann zu. In seinem Kopf kreisten so viele Fragen durcheinander umher, dass er keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ihm wurde beinahe schwindelig, schlecht war ihm schon.

Als sich Lucz' Blick und seiner trafen, schluckte er, bekam den Mund im ersten Moment nicht auf und wich aus, indem er auf den Boden sah. Er bemerkte eine Bewegung seines Gegenübers, presste die Lippen kurz zusammen – und musste feststellen, dass Lucz sich weggedreht hatte und gegangen war. Das... war so nicht geplant gewesen. Hastig und in Panik machte er ein paar Schritte, um zu ihm aufzuschließen, griff seinen Arm.

„Warte!“

Das war sein erster Impuls gewesen und als Lucz dann tatsächlich stehen blieb und sich zu ihm wendete, kam kein Ton mehr von ihm. Von dem jungen Bauern kam auch nichts, das verwunderte Will aber auch nicht. Lucz war immer sehr schweigsam gewesen. Es war trotzdem nicht weniger beunruhigend mit diesem Gedanken, denn dass er nichts dazu sagte, dass er hier war, wie er aussah... Und er war einfach gegangen, hatte ihn stehen lassen. Das war, nicht einmal für Lucz, ein gutes Zeichen gewesen.

 

Will schaute ihm tief in die Augen. Sehr tief, eindringlich, ein stummer Schrei nach einer Reaktion von ihm.

„Warum trägst du ein Kleid?“, war die erst einmal einzige Frage, die er von Lucz hörte. Dann spürte er, dass er rot anlief.

„Hat- Hat sich so ergeben“, murmelte er und löste den Blick direkt wieder. Er hätte es wissen müssen. Es war eine ziemlich dumme Idee gewesen und jetzt musste Lucz weiß Gott was von ihm halten. Und wieder sagte der Bauer nichts, es war eine viel zu harte Probe für Wills Nerven. Dann bemerkte er, wie Lucz die Hand hob, zuckte ein bisschen zusammen, als sie sich seinem Kopf näherte und nach einer der Blumen griff, die in seine Flechtfrisur gesteckt waren.

„Passt zu dir, Salat.“

Da war er wieder, der Spitzname, den er schon eine ganze Weile nicht mehr gehört hatte. So wenig liebevoll er klang, so schnell hatte er sich damals daran gewöhnt, so genannt zu werden. Es war seine Haarfarbe, die ihm diesen Namen eingehandelt hatte und es beruhigte ihn schlagartig ungemein, war das doch ein Kompliment?

„Ich hab dich gar nicht erkannt, so wie du zurecht gemacht bist.“

„Das war der Plan, irgendwie. Ich wollte nicht... du weißt schon“, druckste er herum, wie könnte er es hier auch aussprechen? Dann hätte er sich die Mühe gar nicht machen müssen, wenn er heraus posaunte, dass er nicht als Will erkannt werden wollte.

„Verstehe. Dann komm, ich besorg dir ein Getränk.“ Im gleichen Moment spürte er Lucz' Hand in seiner und sein Herz machte einen Satz.

 

Herzukommen war wirklich die beste Entscheidung gewesen.

Loving Him

Sie standen mit ihren Getränken da und schwiegen. Es war immer schwierig mit Lucz, weil er kein großer Redner war. Dann hieß es in der Regel sehr viel selbst zu reden, um die Stille fern zu halten, doch momentan suchte auch Will hartnäckig nach einem Gesprächsthema. Er fand keins. Noch einmal nippte er an seinem Bier, das er gar nicht so gerne mochte, aber er wollte nichts sagen, wo ihm Lucz das Getränk doch besorgt hatte. Alkohol war nicht so sein Ding, doch auf diesem Fest schien es kaum etwas Anderes zu geben und wenn, dann war es für die Kinder, die ganz kleinen. Sie würden ihn sicher auslachen, würde er das trinken. So ohne jeglichen Wortwechsel kam es ihm vor, als würden sie schon Stunden dastehen, dabei mochten es Minuten sein. Es war erdrückend.

Die Musik, die zu spielen begann, machte es etwas angenehmer, wie er fand. Sie war heiter und stimmungsvoll, vor allem aber schneller als die, die er von seinen Festen gewohnt war.

Ein paar Kinder liefen hastig und lachend an ihnen vorbei, kreischten vergnügt. Er stolperte ein wenig zur Seite und stieß unabsichtlich gegen Lucz, schaute ihnen dann aber mit einem Lächeln nach, als der erste Schreck verflogen war.

„Tut mir leid“, sagte er vorsichtig und machte einen Schritt zur Seite.

„Macht nichts“, offenbarte Lucz, dann herrschte wieder Stille. Es war unfassbar unangenehm, doch er fand nichts, was er sagen konnte, ohne zu lügen. Und sich über das Bier zu unterhalten klang ohnehin nach einem furchtbaren Gesprächsthema.

 

„Lucz!“

Der Ausruf des Namens reichte, um böses zu verkünden. Es waren zwei Mädchen, die auf sie zu kamen. Will dachte im ersten Moment, es wären die jungen Frauen, die er vorher gesehen hatte, aber sie waren es nicht. Stattdessen sahen sie noch jünger aus.

„Tanz mit uns!“, forderte eine von ihnen und die andere nickte freudestrahlend. An Lucz' Blick konnte Will keine Regung feststellen, aber das schien die Mädchen nicht davon abzuhalten, die Hand des Bauers mit beiden Händen zu ergreifen und ihn mitzuziehen.

Sein kleiner Alptraum war eingetreten, nun würde er mit irgendwelchen Mädchen tanzen, die um seine Gunst buhlten und er konnte nichts dagegen machen. Eifersucht stieg in ihm auf, aber er wollte sie einfach nur verdrängen. Nicht, weil es ein unangenehmes Gefühl war – oder zumindest nicht nur deswegen. Er kam sich dabei noch so albern und ekelhaft vor, so einer wollte er gar nicht sein. Abstellen ging aber nicht, da hatte er jedenfalls noch kein Rezept für gefunden.

„Du kommst auch mit!“, beschloss das andere Mädchen und zerrte ihn am Arm mit, den anderen hinterher zu einem großen Kreis tanzender Leute.

Da war sie, seine kleine Katastrophe.

„Aber ich kann nicht-“, wollte er protestieren, doch dann fand er sich schon in der Mitte wieder und stand verloren da, während alles um ihn herum tanzte, im Takt hüpfend, Schrittfolgen, die er noch nie gesehen hatte.

„Keine Angst, es ist ganz leicht!“

Es war nicht leicht. Hilflos sah er sich um, suchte Lucz, fand ihn. Er tanzte tatsächlich. Er konnte es, auch wenn er nicht so aussah, als hätte er Spaß dabei.

„Du musst den anderen zusehen, schau, was sie machen“, sagte seine Tanzpartnerin, die vor ihm hin und her hopste. Immer noch überfordert sah er zu seinen Nachbarn. Die Schritte der Männer waren tatsächlich ruhiger, einfacher. Manchmal wurde er angerempelt, wenn er nicht schnell genug wusste, was er als nächstes tun musste, oder dann, wenn sich plötzlich unvorhersehbar das Muster änderte. Er musste ein klägliches Bild abgeben und dann war der Tanz auch noch mit Partnertausch. So blamierte er sich also nicht nur vor seiner Tanzpartnerin, die zugegeben selbst Schuld war, sondern auch vor allen anderen, die das Pech hatten, mit ihm tanzen zu müssen. Peinlich berührt und hilflos wie ein Rehkitz blickte er ihnen in die Augen, sobald er patzte.

 

Es war eine dumme Idee gewesen.

 

Will musste auf die harte Tour lernen, wie unterschiedlich die Art zu tanzen war – die der Bauern und die seines Standes. Ihre Tänze waren ruhig, behäbig, die Bewegungen waren langsam und würdevoll. Es war einfach ihnen zu folgen, solange man wusste, wo man hingehen musste. Im zweifel folgte man eben seinem Nebenmann. Aber das hier... Hier war es alleine schon schwierig sich auf die flotten Schrittfolgen zu konzentrieren, dann noch darauf, wo man hingehen musste, mit wem man gerade tanzte. Es war sicherlich die Art zu tanzen, die mehr Lebensfreude versprühte, das sah Will an den anderen Gesichtern, sie waren alle heiter und voller Spaß.

 

Er wünschte sich, dass er auch einmal so mit Lucz tanzen könnte...

 

Ein alberner Wunsch, der nicht zu erfüllen war. Dieses hier würde sein einziges Bauernfest werden, ein kleines Abenteuer, das er spontan angetreten war – so wie damals. Beim Anblick der Leute um ihn herum, wie sie tranken, hemmungslos, wie sie aßen, feierten, wie sie tanzten. Ihm wurde nur noch einmal stärker bewusst, dass sie in zwei völlig unterschiedlichen Welten lebten, in die der jeweils andere nicht gehörte. Der Gedanke stach in seiner Brust. Er gehörte hier nicht hin und Lucz gehörte nicht zu ihm. Warum dann fühlte es sich so richtig an, wenn er mit ihm zusammen war?

Warum könnte er ihn nicht einfach mitnehmen, zu einem seiner Feste, ihn allen anderen vorstellen, so wie ihm immer die Verlobten und Ehepartner seiner Bekannten vorgestellt wurden. Er wollte auch eingehakt mit ihm den Saal betreten und als Paar entlang schreiten. Will wollte, dass es jeder wusste, dass alle sie sahen, wie sie glücklich waren. Umso mehr schmerzte das Wissen, dass er diese Momente im Leben nie bekommen würde, nicht bekommen könnte in dieser Gesellschaft, in der sie lebten.

Hinzu kam die Angst, dass Lucz irgendwann heiraten würde, dass er selbst heiraten müsste.

 

Die Musik hatte aufgehört, hatte ihn aus dem wilden Tanz befreit, die trübseligen Gedanken allerdings blieben. Zurück am Tisch, wo er sein Bier abgestellt hatte, suchte er nach Lucz, doch der kam nicht vom Tanzen los – sicher nicht, weil er unbedingt tanzen wollte, aber die jungen Damen und Mädchen schienen Schlange zu stehen. Einen Tanz lang stand Will ganz alleine mit seinem Bier in der Hand, von dem er kaum etwas getrunken hatte. Sein Magen knurrte. Er holte sich alleine etwas zu essen, probierte das Fleisch, das Brot. Appetit hatte er nicht so sehr. Am Tisch nebenan wurde fürchterlich gegrölt, als ein Mann den anderen im Armdrücken niedergerungen hatte.

Mittlerweile fühlte er sich auch mit seiner traurigen Miene fehl am Platz.

„Was ist denn, Jungchen, schmeckt dir das Essen nicht?“, fragte ihn eine ältere, füllige Dame. Will senkte den Blick kurz, schüttelte den Kopf dann.

„Es schmeckt sehr gut.“

„Hast du etwas auf dem Herzen?“

Will fühlte sich ertappt. Er war scheinbar wirklich schlecht darin, etwas geheim zu halten. Schon als Kind hatte seine Mutter immer alles von seinem Gesicht ablesen können, egal ob er Kummer oder etwas Ausgefressen hatte. Schwach lächelte er. Es war Antwort genug für die Dame.

„Die Liebe ist schon eine aufregende Reise“, kommentierte sie beiläufig und drückte ihm einen gegrillten Spieß in die Hand. „Hier, iss das. Gutes Essen macht glücklich. … Ich kann dir einen Rat geben, falls du einer alten Frau zuhören möchtest.“

„Natürlich“, bestätigte er höflich und warf einen Blick auf den Grillspieß. Er sah wirklich lecker aus und duftete so gut.

„Wenn du das Glück hast, wahre Liebe zu erleben, dann darfst du sie nicht einfach loslassen. Du musst hartnäckig bleiben, denn sie ist ein seltenes Gut. Die Grenzen setzen wir uns selbst.“

 

Will lauschte ihren Worten aufmerksam. Natürlich klangen sie gut und er wollte ihnen Glauben schenken. Die Frau wusste sicher, wovon sie sprach. Sie hatte die Lebenserfahrung und auch, wenn sie keine Gelehrte war, so sprach sie in dieser Hinsicht wie eine. Manche Dinge lehrte einem eben nur das Leben selbst und die Liebe war eines davon.

„Vielen Dank, ich werde mir ihre Worte zu Herzen nehmen“, bedankte sich Will und schenkte ihr noch ein Lächeln, drehte sich dann um, um nach Lucz zu sehen. Er erblickte ihn nirgends. Sein Magen wurde flau.

 

Mit dem Spieß in der einen Hand und dem Brot in der anderen ging er ein Stück, wohin, das wusste er selbst nicht genau. Er war verloren auf diesem Fest ohne Lucz, ebenso wie in seinen Gefühlen.

„Da bist du“, sprach es plötzlich von hinten. Will erkannte die Stimme sofort, es war Lucz. Er drehte sich zu ihm um und sah in seine tiefbraunen Augen. Lucz sah überraschend heiter aus, ein Anblick, den er selten gesehen hatte. Und er hatte keine Ahnung, warum er es war.

„Tanzen liegt dir nicht so“, stellte Lucz fest und Will senkte den Blick, lief rot an und wollte am liebsten im Erdboden versinken. Dieses Mal war er es, der schweigsam war.

„Komm mit“, forderte Lucz schließlich und ging voran, vorbei am Essen, um etwas davon mitzunehmen. Sie landeten schließlich etwas ab vom Geschehen an einen Baum gelehnt sitzend und essend. Noch immer schwiegen sie, aber Will war wieder glücklicher. Er war mit Lucz alleine. Für diesen Moment gehörte er ganz ihm.

„Es ist so anders“, bemerkte Will schließlich und sah über seine Schulter zurück zum Fest. Lucz sah ihn an, als er den Kopf zurückdrehte, irgendwie fragend. So als wollte er ihm sagen: „Das war doch klar, was hast du erwartet?“

„Ich meine...ich wusste, dass es anders wird, aber...“, versuchte er sich zu erklären. „Ich gehöre hier nicht her. Werde ich nie. Das ist mir jetzt so richtig klar geworden.“

 

„Dann willst du also aufgeben?“

 

Die Frage ließ Wills Herz rasen. Nein, natürlich wollte er nicht! Wie könnte er Lucz aufgeben wollen, so sehr wie er ihn liebte? Es war schwer, aber es würde sich ein Weg finden. Sie mussten nur intensiv danach suchen.

 

„Ich könnte dich niemals aufgeben.“

 

Stille. Gewohnte Stille, die bei Lucz schon irgendwie so etwas wie Bestätigung war.

Will biss ein Stück Brot ab, nur um sich daran im nächsten Moment fast zu verschlucken.

„Dann tu es nicht.“

Er hustete, sah mit großen Augen zu Lucz, spürte eine Hand an seiner Wange. Und schon hasste er sich dafür, dass er Brot im Mund hatte. Will drehte das Gesicht weg, griff seine Hand, kaute. Er hätte einen Kuss bekommen können, aber dahin war der Moment – fast. Will spürte Lucz' Lippen an seiner Hand, sie küssten seinen Handrücken, seine Finger. Hastig schluckte er den Brotklumpen herunter, drehte das Gesicht wieder zu ihm, schaute ihm zu. Er wurde ein wenig rot um die Nase, verlegen.

 

„Ich liebe dich“, sagte Will leise. Lucz' Antwort folgte in Form von feuchtwarmen Lippen auf seinen eigenen.

Loving Him [Special]

Sie standen mit ihren Getränken da und schwiegen. Es war immer schwierig mit Lucz, weil er kein großer Redner war. Dann hieß es in der Regel sehr viel selbst zu reden, um die Stille fern zu halten, doch momentan suchte auch Will hartnäckig nach einem Gesprächsthema. Er fand keins. Noch einmal nippte er an seinem Bier, das er gar nicht so gerne mochte, aber er wollte nichts sagen, wo ihm Lucz das Getränk doch besorgt hatte. Alkohol war nicht so sein Ding, doch auf diesem Fest schien es kaum etwas Anderes zu geben und wenn, dann war es für die Kinder, die ganz kleinen. Sie würden ihn sicher auslachen, würde er das trinken. So ohne jeglichen Wortwechsel kam es ihm vor, als würden sie schon Stunden dastehen, dabei mochten es Minuten sein. Es war erdrückend.

Die Musik, die zu spielen begann, machte es etwas angenehmer, wie er fand. Sie war heiter und stimmungsvoll, vor allem aber schneller als die, die er von seinen Festen gewohnt war.

Ein paar Kinder liefen hastig und lachend an ihnen vorbei, kreischten vergnügt. Er stolperte ein wenig zur Seite und stieß unabsichtlich gegen Lucz, schaute ihnen dann aber mit einem Lächeln nach, als der erste Schreck verflogen war.

„Tut mir leid“, sagte er vorsichtig und machte einen Schritt zur Seite.

„Macht nichts“, offenbarte Lucz, dann herrschte wieder Stille. Es war unfassbar unangenehm, doch er fand nichts, was er sagen konnte, ohne zu lügen. Und sich über das Bier zu unterhalten klang ohnehin nach einem furchtbaren Gesprächsthema.

 

„Lucz!“

Der Ausruf des Namens reichte, um böses zu verkünden. Es waren zwei Mädchen, die auf sie zu kamen. Will dachte im ersten Moment, es wären die jungen Frauen, die er vorher gesehen hatte, aber sie waren es nicht. Stattdessen sahen sie noch jünger aus.

„Tanz mit uns!“, forderte eine von ihnen und die andere nickte freudestrahlend. An Lucz' Blick konnte Will keine Regung feststellen, aber das schien die Mädchen nicht davon abzuhalten, die Hand des Bauers mit beiden Händen zu ergreifen. Lucz ließ sich nicht mitziehen.

Wills Augen weiteten sich, als er sich los machte, genau wie die Augen der Mädchen.

„Ich tanze schon mit ihr“, sagte Lucz trocken und es dauerte daraufhin einen Moment, bis Will realisierte, wen er meinte. Ihn. Kurz stockte er, dann entgleiste ihm das Gesicht. Die beiden Mädchen sahen ihn böse an. Da war er jetzt in etwas hereingerutscht, das er so gar nicht geplant gehabt hatte. Entschuldigend sah er zu den beiden Mädchen, die mit beleidigter Miene und einer Schmollschnute davon stampften.

Wortlos starrte Will Lucz an, der völlig unbekümmert von seinem Bier trank.

„Das war aber ganz schön gemein“, merkte Will verunsichert an, lächelte ein wenig schief und blickte auf sein Bier. Natürlich hatte er das nur gesagt, damit die Mädchen abzogen, nicht wahr?

In Lucz' Augen sah Will förmlich Fragezeichen Tanzen.

„Ich meine das ernst“, erklärte er schließlich, als wäre es selbstverständlich. Wills Herz fing an einen Takt schneller zu schlagen. Er meinte das wirklich ernst? Er wollte mit ihm tanzen?

„Du willst tanzen? Mit mir?“

„Mit wem denn sonst?“, fragte Lucz amüsiert, nahm noch einen Schluck von seinem Bier und stellte den Krug dann auf dem Tisch nebenan ab. Bestimmend nahm er auch Will den Krug aus der Hand, stellte ihn dazu und griff dann seine Hand.

„Aber ich kann doch gar nicht tanzen. Jedenfalls nicht-“

 

Es half nicht. Lucz zog ihn längst mit in Richtung der tanzenden Menschen, hatte seine Hand fest gedrückt. Hilflos kam Will ihm nach. Er musste zugeben, dass es nach sehr viel Spaß aussah, wie sie tanzten, aber er wusste doch gar nicht, was er tun musste. Am Kreis angekommen sah Lucz ihn mit festem Blick an.

„Ich pass auf dich auf. Schau einfach, was die anderen Mädchen neben dir machen, wenn ich nicht da bin.“

Ihm lief ein Schauer den Rücken herunter, heiß, kalt, ein Kribbeln zog sich durch seine Bauchgegend. Es war unfassbar anziehend, wenn Lucz so war. Trotzdem besorgten ihn seine Worte auch. Wenn er nicht da war?

Lucz reihte sich zwischen zwei Männern ein und folglich dessen musste er sich zwischen zwei jungen Frauen einreihen. Hilflos sah er zu, was die Damen machten, versuchte Schritt zu halten, wenn sie im Kreis herum tänzelten. Will hatte Schwierigkeiten, die Schrittfolgen zu kopieren, stockte manches Mal, wurde leicht angerempelt, wenn er zu langsam verstand, in welche Richtung er musste. Die Wechsel an Schritten und Tanzrichtung kamen immer so unerwartet, dass er zu Beginn gar kein Muster erkennen konnte. Er musste ein klägliches Bild abgeben. Plötzlich spürte er Hände an seiner Hüfte – Lucz' Hände, so stark. Sie führten ihn, schon wurden seine Bewegungen geschmeidiger. Es fühlte sich unglaublich schön an, in seinen Armen zu liegen und zu tanzen, besser noch, als er es sich vorgestellt hatte. Will hatte sich das tatsächlich gewünscht.

Es war wundervoll, aber in dem Moment, wo er auf Wolken schwebte, kam die Ernüchterung hinzu, im selben Moment, wo der Tanz einen Partnerwechsel forderte, er der jungen Dame vor ihm folgen musste und Lucz zurückließ.

 

Er hätte gerne ewig so mit ihm getanzt.

 

Ein alberner Wunsch, der nicht zu erfüllen war. Dieses hier würde sein einziges Bauernfest werden, ein kleines Abenteuer, das er spontan angetreten war – so wie damals. Beim Anblick der Leute um ihn herum, wie sie tranken, hemmungslos, wie sie aßen, feierten, wie sie tanzten. Ihm wurde nur noch einmal stärker bewusst, dass sie in zwei völlig unterschiedlichen Welten lebten, in die der jeweils andere nicht gehörte. Der Gedanke stach in seiner Brust. Er gehörte hier nicht hin und Lucz gehörte nicht zu ihm. Warum dann fühlte es sich so richtig an, wenn er mit ihm zusammen war?

Warum könnte er ihn nicht einfach mitnehmen, zu einem seiner Feste, ihn allen anderen vorstellen, so wie ihm immer die Verlobten und Ehepartner seiner Bekannten vorgestellt wurden. Er wollte auch eingehakt mit ihm den Saal betreten und als Paar entlang schreiten. Will wollte, dass es jeder wusste, dass alle sie sahen, wie sie glücklich waren. Umso mehr schmerzte das Wissen, dass er diese Momente im Leben nie bekommen würde, nicht bekommen könnte in dieser Gesellschaft, in der sie lebten.

Hinzu kam die Angst, dass Lucz irgendwann heiraten würde, dass er selbst heiraten müsste.

 

Es wäre schön gewesen, könnten sie ewig tanzen, ohne Sorgen. Sie könnten für immer zusammen sein. Der nächste Partnerwechsel brachte ihn in Lucz' Arme zurück und ließ sein Herz erneut vor Freude schneller schlagen. Für diesen Abend konnten sie das Paar sein, dass er sich immer vorgestellt hatte. Nun, nicht ganz. In seiner Vorstellung trug er keine Frauenkleider.

Als ihm Lucz in die Augen sah, badete er vollends in Glück.

 

Leider endete der Tanz doch, natürlich tat er das. Er hakte sich sofort bei Lucz ein, als hätte er Angst haben müssen, ihn nach diesem Tanz wieder zu verlieren. Natürlich war das nicht der Fall, zumindest nicht sofort. Sie zogen vorbei an den eifersüchtigen Blicken der Mädchen, zurück zu ihren Bierkrügen. Lucz nahm einen großen Schluck, während Will sich ebenfalls dazu durchrang, einen größeren Schluck zu nehmen als sonst. Tanzen machte eben durstig, da war es egal, ob es schmeckte oder nicht, solange es die Kehle befeuchtete.

 

„Mit ein bisschen mehr Übung kannst dus beim nächsten Mal bestimmt“, sagte Lucz und sofort wäre Will gerne beschämt im Boden versunken. Er war nicht gut gewesen, das wusste er. Und natürlich hatte Lucz es auch bemerkt. Wie hätte er es auch übersehen können.

„Beim nächsten Mal...“, murmelte er, den Blick senkend. „Es wird kein nächstes Mal geben.“

Lucz schwieg, ebenso tat er es.

Eine Hand strich über Wills Wange, ließ ihn den Blick heben. Er sah Lucz ins Gesicht, in seine Augen, lehnte sich sachte gegen die Berührung.

 

„Dann machen wir daraus einen Abend, der unvergessen bleibt“, schlug Lucz vor – wobei oft Vorschläge von Lucz eher Gesetz waren als die Suche nach Zustimmung. Nicht, weil er ein tyrannischer Herrscher war, sondern weil seine Vorschläge einfach sinnvoll und richtig erschienen. Auch jetzt konnte ihm Will nicht widersprechen.

„Das wäre schön“, sagte er leise, aber fest entschlossen. Er würde diesen Abend nie vergessen wollen. Seine Augen fielen ein Stück zu, sein Blick fiel auf Lucz' Lippen. Er hörte das dumpfe Geräusch des Bierkrugs, der auf Holz abgestellt wurde, spürte eine Hand an seiner Hüfte, die zu seinem Rücken wanderte. Lucz zog ihn näher. Will schloss die Augen, während er sich an ihn schmiegte, blind ebenfalls den Krug abstellte, spürte Lucz' Lippen auf seinen. Eine Hand strich durch seine Haare im Nacken. Sie küssten sich in aller Öffentlichkeit, erst zart, gefühlvoll, dann leidenschaftlicher. Und niemand sagte etwas dagegen.

 

Für diesen einen Abend konnte er das sein, was er die ganze Zeit über wollte, immer wollen würde. Er war an Lucz' Seite, ohne Heimlichtuerei. Und er war glücklich.



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Kommentare zu dieser Fanfic (10)

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Von:  SuperCraig
2019-03-25T01:18:25+00:00 25.03.2019 02:18
So trocken - ich kann mir Lucz' gut vorstellen, und erst die anderen Mädels. :D

Aber mal im Ernst: Diese Sehnsucht, die so hauchzart angedeutet ist, diese Freude, die mit dem Kummer einhergeht - irgendwie hast du es geschafft, Ying und Yang durch eine dritte Komponente zu ergänzen, für die mir persönlich die Worte fehlen.

Ich kenne die Chars zwar nicht mal ansatzweise so wie ihr, aber, es liest sich wunderschön, und ein ganz kleiner Teil von mir bedauert es jetzt, dass Godric ihn so mit seinem Glaubensfimmel belagert hat. Gnihi


Von:  SuperCraig
2019-03-25T01:12:31+00:00 25.03.2019 02:12
Der eine Moment, wenn das Brot dein Feind wird...:D

Das Tanzen, das Essen, die Gedanken - irgendwie liest es sich so, als würde er sich wie ein Parasit fühlen, ein, ich weiß nicht so recht.

Ein Fremdkörper, der sich krampfhaft an seinen Wirt klammert, und dabei selbst irgendwie so dahinsiecht.

Die alte Frau hat natürlich die Jahre, die Erfahrung UND Essen! Dass einen das wieder aufbaut, ist eh klar. ;)

Am Anfang total nachdenklich und düster, und gegen Ende hin lustig-romantisch. War echt schön zu lesen.
Von:  SuperCraig
2019-03-25T01:04:39+00:00 25.03.2019 02:04
Also da hätte ich mir persönlich schon die Kugel gegeben - waren es fünf Sätze, die Lucz gesagt hat? :D

Ich stelle mir grade so vor, wie er, gepudert und bestrichen, da auftaucht...und die Größe. :D Tolles Mädchen - wenn er jetzt noch einen Reifrock trägt, hat er es geschafft. xD

Es ist total süß, so der Liebesbeweis, in dem Aufzug aufzutauchen, und dann sowas Dröges wie Lucz' Worte. Gemein!
Von:  SuperCraig
2019-03-25T00:59:20+00:00 25.03.2019 01:59
Aaaah, ist das süß.

Die Kleine richtet den Bruder noch her, und er geht, wie ein Leuchtfeuer in der Finsternis auffallend, in seinen Augen zumindest aufs Fest.

Dass ihm nicht einfach das Herz komplett in die Hose gerutscht ist bei den Worten der Mädchen. Auffallen wird er aber sicher, wenn er vom Held begleitet wird, oder nicht?
Von:  Pink-Spider
2018-01-10T11:05:52+00:00 10.01.2018 12:05
Ich hatte schon Angst vor den Inhalt , als du mal sagtest ich würde das Garantiert nicht lesen wollen. XD
Und ja Raban würde in die Decke sehen, wenn er hören würde wie sehr Lucz als Held gefeiert und von den Mädels umgarnt wird. ;)
Ich wiederum finde es ziemlich niedlich und gut geschrieben. ♥

Von:  Puppenspieler
2017-12-28T15:29:40+00:00 28.12.2017 16:29
♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥♥

Irgendwie hätte ich ja gern Ausartung gehabt. *hust*

Aber so, jetzt ordentlich.
Es ist wunderschön, immer noch. ♥ Ich bin wirklich verzückt von dem ganzen Fest und finde, du hast es von Anfang bis Ende wunderbar beschrieben und ich habe mich hervorragend reinfühlen können! ;w; Es war ein tolles Erlebnis! Und auf jeden Fall unvergesslich.

Der immer präsente traurige Unterton tut natürlich weh, aber trotzdem war es schön!!!;w; (Es hat mir sehr weh getan, dass Will das "nächste Mal" nicht angenommen hat. Es war ohne Frage erwachsen und vernünftig von ihm, und ich bin ganz froh, dass er so viel Reife erlangt hat, aber... hach. :'D Er hätte sich genauso gut drauf stürzen können, der dumme kleine Trottel.
Wenigstens hat er eine wundervolle Erinnnerung aus dem Fest gemacht. Das ist die Hauptsache. ♥)

Ich liebe es. Die Geschichte ist wunderschön, und die Beziehung der Beiden ist wunderschön. Ich wünschte, die FF würde einfach nie enden, aber hey. Wir haben auch so noch genug Gelegenheit, mehr Geschichte mit den zwei zu schreiben, auf die eine oder andere Art. Und ich freue mich schon sehr darauf. ♥

Tausend Dank für dieses unbezahlbare, wunderschöne Weihnachtsgeschenk. Ich werde es immer in Ehren halten! ♥
Von:  Puppenspieler
2017-12-27T00:55:18+00:00 27.12.2017 01:55
Ich kann nicht mehr!!!!!!;w;
Ich bin sprachlos. Es ist so schön!
Es tut vor allem echt weh :"D Ich hab mit ganz viel Selbstkontrolle jetzt ganz knapp kein Tempo gebraucht, aber ich bin kurz davor!!!
Dieses fiese Gefühl von Hoffnungslosigkeit und Unüberwindbarkeiten... schon beim Lesen macht es so dermaßen schwermütig, dass ich beeindruckt bin, wie die Kerlchen sich da durchbeißen! Völlig zu Recht. ;_; Die alte Dame hat sowas von Recht!!!!!
(Übrigens finde ich sie sehr niedlich! xD Gute Statistin!)

Es ist schön. Und es ist so niedlich, all die peinlichen, kleinen Details. Das Brot. :"DDD Hach Will. Das war nicht gerade elegant. |D

Ich weiß nicht ganz, was schreiben. Es ist wunderschön gewesen und ich überlaufe vor Gefühlen, und ich finde das Fest immer noch wunderschön beschrieben.
Ich hab ein tolles, wirklich tolles Kopfkino beim Lesen, das mich unfassbar glücklich macht. ;w; Du bist einfach zu gut zu mir, danke!!! ♥♥♥♥♥♥♥♥
Von:  Puppenspieler
2017-12-26T03:12:45+00:00 26.12.2017 04:12
Ich geh so ein. X'DDDDDDDD
MEINE GÜTE DAS IST SO ABGEDREHT UND SO NIEDLICH UND GLEICHZEITIG DENKE ICH DARAN WIE VERDAMMT GROSS WILL IST UND WAS FÜR EIN NICHT GERADE KLEINES MÄDCHEN ER MIT SEINEN 1,77m ABGIBT UND MEINE GÜTE DAS IST HERRLICH XDDDDDDDDDDDDDD
Immerhin weiß ich ganz genau, wie man sich als Frau auf dieser Höhe fühlt. ûwû hach.
ES IST AMAZING. x'DDDD ICH GEHE EIN. WIESO IST DAS SO LUSTIG?!?!?!
Es ist herrlich. :"D Will ist herrlich. xDDD Du hast ihn wirklich gut getroffen!!!! So viel Blödheit... ja. Das passt zu ihm. Aber dass Lucz immer SO VERDAMMT WENIG SAGT. DAS IST FOLTER. DER ARME JUNGE. SEID NICHT SO GRAUSAM ZU WILL UND REDET MIT IHM!
(War kurz versucht, einfach nur "Siehe RPG" als Kommentar zu schreiben, aber das war mir irgendwie zu blöd. X'DDDD)
Ich find es toll ;w; Abgedreht, aber toll! ♥
Von:  Puppenspieler
2017-12-26T02:48:22+00:00 26.12.2017 03:48
Oh mein Gott!!!!
Es ist so dämlich, aber ich hatte beim Lesen wohl genauso Herzklopfen wie Dummkopf Will auf dem Fest. Meine Güte, dieser Junge!!!! So schrecklich unvorbereitet und- Man sollte meinen, als Gelehrter wäre er in der Lage, Informationssammlung zu betreiben! Aber neiiiiiiin... lieber Hals über Kopf in die nächste Dummheit stolpern. |D
Passt zu ihm. //D
Lucz ist so ein Schatz, dass er ihn nicht gleich wieder wegschickt. X'D Irgendwie hätte er es verdient für seine verknallte Impulsivität.
Und ein großes Yay fürs Schwesterherz! Die Flechtfrisur ist sicher wunderschön!!!;w; Magst du mir mal ne Vorlage raussuchen...? So. Natürlich nur, damit ich mir das vorstellen kann. Keine bösen Pläne oder so. °3°~

Ich finde es toll!!! Und bisher finde ich das Fest großartig beschrieben!*^* Du bist klasse! Dankedankedankedankedanke!!!;w; So viel Danke!!!
Ich hab jetzt ein bisschen Angst vor dem Special, aber lesen werde ich trotzdem! Natürlich! xD ♥

Und... Irgendwie haben wir den Salat ja vermisst. ♥
Von:  Puppenspieler
2017-12-25T02:14:05+00:00 25.12.2017 03:14
Oh mein Gott, es fängt schon so wunderbar an!;___________;
Ein Fest!!! Das ist so cool, damit hätte ich gar nicht gerechnet! Und es klingt wunderschön! Ich bin genauso gespannt wie Will, wie das Fest aussehen wird! *hibbelt*
Und Will. ;w; So ein süßer Tropf. :"D Und so hoffnungslos! xD Das ist echt spot-on. Du bist super ♥

Mein Herz überschlägt sich gleich auch - vor Glück. Danke, jetzt schon. Tausend Dank, und ich freue mich SO SEHR auf die weiteren Kapitel, egal ob glücklich oder grausam, es wird in jedem Fall garantiert wundervoll werden. ;v; Danke, mein Darling. Danke!
Antwort von:  Aphrodi
26.12.2017 02:00
Ja, ein Fest. Deshalb hab ich vorher schon so viel rumgeweint, weil die Herausforderung groß ist und ich nicht weiß, wie gut ich dem gewachsen bin XD Also erwarte bloß nicht zu viel! Der Druck wächst XD
Hach, ich bin froh, dass ich ihn bis jetzt gut erwischt habe. Ist ja nicht so leicht bei einem so neuen RPG, aber Suou hilft mir dabei ganz gut :'D

Gerne. Ich wollte das unbedingt schreiben und hoffe, du hast genau so viel Freude daran wie ich in meiner Vorstellung. (Und dass ich all das rüberbringen kann, was ich mir an dem Abend überlegt habe.) ♥


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