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Tochter Nicholas

von

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Prolog

Hoffnungsvoll warteten wir auf das Ergebnis. Auch ich blickte gespannt auf die Richter vor uns, drückte mir selbst die Daumen. Irgendwann musste ich schließlich auch ein Körnchen finden. Zumal Lina mir beim Styling geholfen hatte und sie bekam immer was sie wollte.

Die Richter nickten sich zustimmend zu und gaben ihren Entschluss an den Moderator weiter. Dieser lächelte weiterhin geübt in die Kamera, bedankte sich theatralisch und wandte sich schließlich uns zu. Wir, allesamt siebzehn Jahre alt, brünett, hübsch angezogen und – ganz wichtig – blauäugig, sahen ihn mit gemischten Gefühlen an. Nun ja. Alle bis auf ich. Schließlich könnte ich nicht beschreiben, wie Ashley – das Mädchen ganz links von mir – selbstsicher einen halben Schritt nach vorne machte, oder wie Mandy – das Mädchen neben Ashley – nervös an ihren hochgesteckten Haaren zupfte, wenn ich zu dem Moderator sehen würde. Ich könnte die ganz Reihe aufzählen, doch dazu fehlte mir die Zeit.
 

„Kommen wir zu der lang ersehnten Auflösung der großen Frage!“, rief der Moderator aus und drehte sich wieder zu der Kamera, jedochnicht ohne mit seiner Hand eine weiterleitende Bewegung zu uns zu machen. Die Kameramänner – wirklich allesamt Männer – verstanden den Wink mit dem Zaunpfahl und nahmen uns Mädchen ins Bild. Nachdem einige weitere Sekunden verstrichen waren und wir alle einmal als Großaufnahme gezeigt wurden, bei der nicht wenige – mich eingeschlossen – rot anliefen. Das konnte ich nur so gut sagen, da ich immer wieder einen Blick auf den Bildschirm hinter den Kameramännern warf, der die Live Übertragung anzeigte. „Wer von diesen elf bezaubernden jungen Damen wird ab morgen früh ein neues Leben bekommen? Wer von Ihnen wird nach Heiden fahren?“
 

Und genau darum ging es bei diesem Carsting auch nur. Wer würde nach Heiden fahren? Heiden war nicht nur irgendein Ort in Thor. Heiden war die Hauptstadt, die nur betreten werden durfte, wenn man reines Blut in sich trägt oder aber – nach Ansicht der Richter – würdig war den Prinzen zu treffen um seine vielleicht Geliebte zu werden. Doch um den Prinzen ging es in der Regel nicht. Er war attraktiv, keine Frage, aber auch Arrogant und ohne jede Gefühle. Ganz zu schweigen davon, dass er Frauen nur als Zofen betrachtet. Zumindest sagten das die Berichte über ihn aus. Sollte man mich fragen, wird der Kerl niemals heiraten. Aber wie gesagt ging es nur darum nach Heiden zu kommen. Wenn man vom Prinzen absah lebten dort viele Männer, die sehr viel besser in Frage kommen um zu heiraten. Was bei uns auch langsam Zeit wird, da wir ab achtzehn als untauglich für die Männer erachtet werden, sie gehen davon aus, dass wir zu schlecht seien eine gute Ehefrau zu sein. Innerlich verdrehte ich die Augen.
 

Jedes Jahr wurde dieses Carsting durchgeführt, was nun schon seit vier Jahren der Fall ist. Und jedes Jahr fällt dem Prinzen eine neue Form seiner Traumfrau ein. Dieses Jahr würde seine Beschreibung auch auf mich zutreffen, weshalb ich überhaupt hier stand.
 

„Und die Glückliche, die um den Prinzen werben darf, ist ...“, der Moderator wurde wieder ins Bild genommen. Kritisch betrachtete er jede noch einmal und sein Blick blieb schließlich an Miranda hängen. „Miranda Kolber! Mein herzlichen Glückwunsch. Sie haben die Richter von sich überzeugen können.“ Der Moderator ging eilig zu dem Mädchen, welches vor Freude anfing zu weinen und sich nicht bewegen konnte. Miranda schwankte kurz und das Mädchen neben ihr – ihr Name ist mir entfallen, aber irgendwas mit L am Anfang – trat einen Schritt zurück, richtete ihr Kleid und hielt abwehrend ihre Hände vor sich. Da auch ich neben Miranda stand und nicht wie L-irgendwas handeln wollte griff ich nach dem Arm der Glücklichen, um sie zu stützen. Auch der Moderator, der nach Vanille roch wie ich feststellen musste – etwas das ich überhaupt nicht ab konnte – und unter den Achseln langsam Schweißabdrücke bekam, griff auf der anderen Seite nach Mirandas Arm. War ich froh nicht diejenige zu sein, die ihm nun folgen musste, um ein kleines Gespräch mit ihm zu führen, was sie in Heiden vorhatte – abgesehen davon sich mit dem Prinzen zu treffen, dieser sie abweisen würde und dann in gespielten Bedauern sich einen anderen zu suchen.

Meine Mutter war enttäuscht von mir. Nicht nur, dass ich die Halbjährigen Heil-Prüfungen nicht bestanden hatte, nein ich bekam es nicht einmal hin die Richter davon zu überzeugen, dass ich dazu geeignet sei den Prinzen zu umwerben – nicht, dass ich Letzteres je vor gehabt hätte. Nun saß ich an meinem Schreibtisch und lernte nochmal fleißig die theoretischen Aufgaben, um die Nachprüfungen bestehen zu können. Die Klasse in Heilkunde wollte ich nicht wiederholen müssen. Warum um alles in der Welt musste ich bei Prüfungen auch immer so verdammt nervös sein und nichts auf die Reihe bekommen? Im Unterricht war es doch auch nicht so schwierig. Seufzend raufte ich mir die Haare und ließ mein Blick zum gefühlten tausendsten Mal über den Zauber gleiten. Eigentlich ganz einfach. Zuerst die Energie bündeln, dem Strom anpassen und schließlich die Wunde schließen. Mindestens vierunddreißig Mal hatte ich es schon getan und es hatte funktioniert. Warum um alles in der Welt also nicht auch in der bescheuerten Prüfung?
 

Genervt stand ich auf. Auf halben Weg in die Küche kam meine Mutter mir entgegen und verkündete, dass das Essen fertig sei. Lächelnd bedankte ich mich für die Information und tat so als wollte ich zur Toilette gehen, nicht das sie auch noch dachte ich würde nicht lernen. Im Bad angekommen verdrehte ich die Augen, während ich mich im Spiegel betrachtete. Meine braunen Haare, die einen leichten Rotschimmer hatten, fielen mir offen über die Schultern. Sie sahen in meinen Augen unnatürlich glatt aus, was sie auch waren, da ich sie geglättet und hochgesteckt hatte für das Carsting. Nun fingen sie an sich wieder leicht zu kräuseln, was einfach nur grässlich aussah. Wenn sie in ihrer ursprünglichen Form zurückgegangen waren würde ich erst wieder hinaus gehen. Sie wären dann zwar nur halb so lang und würden mir nur bis knapp zu den Brüsten reichen, doch das war vollkommen in Ordnung so. Was hatte der Prinz nur für ein Fittich mit Haaren, die bis zum Po-Ansatz gingen? Ich schüttelte den Kopf, blinzelte einige Male mit den Augen und entfernte den verschmierten Eyeliner, wozu ich erst jetzt Lust zu hatte. Ich hatte nicht geweint, weil ich nicht nach Heiden fliegen würde wie einige Andere, aber ich hatte die schlechte Angewohnheit mein Make-up immer mit den Händen zu verwischen – warum musste das Zeug beim trocknen auch so verdammt jucken?

Als ich fertig war und mein Gesicht wieder wie immer Aussah lächelte ich mir selbst zu und versprach mir im Mondschein zu den heißen Quellen zu gehen. Auch wenn meine Mutter der Meinung war, dass nur das Sonnenlicht positive Energie in den Körper fließen lies so war ich es nicht. Ich mochte die Nacht – vor allem wenn der Vollmond schien. Etwas entspannter ging ich in die Küche und setzte mich an den bereits gedeckten Essenstisch. Meine ältere Schwester und ihr Verlobter betrachteten mich missbilligend, was mir herzlich egal war. Ich mochte sie auch nicht besonders. Nun, meine Schwester schon, aber ihren Verlobten nicht. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich vermuten, dass er mit dem Prinzen verwandt ist – genau so kalt, genau so herzlos. Keine Ahnung, was meine Schwester an ihn findet. „Du könntest uns ruhig helfen, junge Dame“, tadelte mich der einzige Mann im Zimmer, den ich gekonnt ignorierte. Sollte er doch denken was er wollte. „Dein zukünftiger Ehemann wird sich dein Verhalten nicht lange ansehen wollen.“ Ich blickte zu ihm auf und klimperte mit den Augen. „Vielleicht komme ich aber auch einfach nach meinem Vater und bin mehr ein Reinblut als Fera“, erwiederte ich und erinnerte ihn somit daran, dass meine Schwester sich niemals verwandeln wird. Reinblüter konnten es von Geburt an, bei Halbblütern oder darunter würde die Gestallt niemals zum Vorschein kommen. Ich hatte noch vier Monate Zeit bis sich herausstellen würde, ob ich über den Halbblütern stand oder zu ihnen gehörte. An meinem achtzehnten Geburtstag würde ich wissen, welches Blut ich mehr in mir hatte. Das Blut meines Vaters, der im zehnjährigen Krieg gefallen war und ein Reiblüter war, oder nach meiner Mutter für die mein Vater alles aufgegeben hätte, auch wenn sie eine Nichtblüterin war.
 

Mein Vater gehörte der Garde des Königs an, weshalb er trotz der Heirat einer Nichtblüterin in Heiden bleiben konnte – mitsamt seiner Familie. Was damals, vor dem Krieg, ihn, meine Mutter, meine drei Jahre alte Schwester und mich als drei Monate altes Kind bedeutete. Nachdem er relativ am Anfang des Krieges gefallen war lebte meine Mutter mit uns noch zwei Monate in Heiden ehe sie ausgewiesen wurde. Schon zu der Zeit wurden die Heilmittel knapp, weshalb man Krankheiten vorbeugte indem man unreines Blut aus Heiden entfernte. Vier Jahre später brach eine Massen Hungersnot aus. Meine Mutter hatte ihren gesamten Schmuck verkauft, den sie von Vater bekommen hatte, um sich, meine Schwester und mich ernähren zu können. Nachdem nur noch zwei Ketten übrig gewesen waren kam der König von Vehalla unserem König zu Hilfe – Es gab wieder reichlich Essen und auch die Heilmittel waren zur Genüge vorhanden. Doch unsere Mutter konnte nicht wieder in das Haus unseres Vaters einziehen, da sie eine Nichtblüterin war. Sie zog meine Schwester und mich fern ab von Heiden auf, da die Preise um die Kuppel der Hauptstadt nicht zu zahlen waren.
 

Das alles hatte zwar nichts mit dem Verlobten meiner Schwester zu tun, aber ich hatte eine sehr gute Chance nach meinem Achtzehnten Geburtstag noch einen Mann zu finden, vor allem aber konnte ich darum bitten nach Heide gelassen zu werden, um dort einen Reinblüter zu heiraten. Es würde schwierig werden, aber nicht mehr so unmöglich wie es im Moment für mich schien. Auch wenn meine Mutter sich darum bemühte einen Ehemann für mich zu finden, so war es doch eigentlich der Vater der sich um diese Belange kümmern würde und Niemand meine Mutter für ernst nahm, wenn man ihr überhaupt glaubte, dass ihr Mann im Krieg gestorben war. Wir hatten keine Erinnerungen an ihn. Allesamt hatte sie sie verkauft. Auch den Nachnamen von meinem Vater wurde ihr abgenommen, als sie aus Heiden ausgewiesen wurde.

„Es wäre für dich zumindest eine Möglichkeit noch einen Ehemann zu finden.“ Oh man, wie ich diesen Typen verabscheute. Dabei lag es nun wirklich nicht an mir. Ich war eine wohl geformte junge Dame, die ihren Reiz hatte – sollte man den Blicken vertrauen, die mir zugeworfen wurden, wenn ich auf den Markt einkaufen ging. Und auch die Väter mit denen meine Mutter gesprochen hatte zeigten Interesse im Sinne ihrer Söhne, nur schreckte die Herkunft meiner Mutter ab und auch, dass meine Schwester eine Halbblüterin war – wenn sie nicht darunter lag. So gesehen hatte meine Schwester Glück gehabt, dass sie die Erstgeborene war. Bei mir kamen zu viele Vorurteile ins Spiel und so wurde ich immer abgewiesen.

Ich nahm es nicht so schwer wie meine Mutter, da mir bisher nur einer der Männer annähernd gefallen hatte. Dabei suchte sie schon in den Unteren Schichten der Blüter. Gerade noch so, dass die Söhne sich verwandeln konnten oder es könnten. Bei Männern kam die Fähigkeit, sofern sie Halbblüter waren, die die Fähigkeit besaßen, zwischen Achtzehnten und Zwanzig. Das hatte irgendetwas mit ihren Testosteron zu tun. Diese Unterrichtsstunden würden aber erst im nächsten Halbjahr kommen – sollte ich die Halbjährlichen Prüfungen bestehen. Besser Gesagt die Halbjährliche Heil-Prüfungen.

„Mutter? Kann ich nach dem Abendessen zu den Heißen Quellen gehen?“, fragte ich meine Mutter statt Herrn Besserwisser zu antworten. Die Angesprochene stellte den Nudeltopf auf den Tisch und setzte sich neben mich. Mit einer kleinen Falte zwischen den Augenbrauen nickte sie. „Aber bleib nicht zu lange. Der Mond wird dir so oder so keine Kraft geben können für Morgen. Außerdem solltest du lieber ausgeschlafen sein, statt zu lange draußen rum zu rennen.“ „Natürlich Mama.“ „Und halte dich an meine Verbote.“ „Ja Mama. Ich werde schon nicht verloren gehen.“ Ich lächelte sie an, doch innerlich verdrehte ich die Augen. Sie war manchmal so überfürsorglich!
 

Nachdem ich das Essen überlebt hatte und mir noch einige Sachen anhören musste wie ungeeignet ich doch sei und mir ein Beispiel an meiner Schwester nehmen sollte, war ich kurz nach Sonnenuntergang auf dem Weg zu den heißen Quellen. Meinen Bikini hatte ich mir bereits unter gezogen und hatte mir ein Badelaken aus dem Schrank geholt. Der Weg war nicht weit und schon nach kurzer Zeit sah ich den Dampf in den Himmel aufsteigen. Auch würde es bald sehr dunkel sein, da die Sonne bereits unter gegangen war und der Mond noch eine Stunde auf sich warten lassen würde. Nur die Sterne glitzerten vor sich hin und erleuchteten den Kleinen Pfad.

Ein Mann war bereits in einer der heißen Quellen und döste vor sich hin. Aufgrund meines eigenen guten Verstandes setzte ich mich in die andere Quelle nachdem ich mich ausgezogen hatte. Nicht nur das meine Mutter durchdrehen würde, wenn ich meine so oder so schon geringen Chancen noch weiter verschlechtern würde indem ich mich zu einem Fremden setzte, sonder auch ich hatte meine bedenken bei dem Gedanken alleine bei einem Mann zu sitzen. Nur im Bikini. Nachts.
 

Ich seufzte leise und wohlig umgeben vom warmen Wasser. Es tat gut einfach mal all meine Probleme zu vergessen. Mir war ja selbst bewusst, dass ich es vergeigt hatte nach Heiden zu kommen – obwohl ich allein für mein Aussehen nicht viel konnte, da die Gene von meinen Eltern kommen – und stattdessen der Glücklichen halt gegeben habe statt sie einfach umkippen zu lassen, wie L-irgendwas. Meine Heiratschancen waren nicht besser, obwohl ich auch dafür nichts konnte. Einzig und allen meine Schuld war wirklich, dass ich die bescheuerte Heil-Prüfung in den Sand gesetzt hatte. Wobei … eigentlich war es auch nicht meine Entscheidung diesen Ausbildungsweg zu gehen. Meine Mutter war der Überzeugung gewesen, dass dies der richtige Weg für mich sei, da meine Schwester bereits den Medizinischen Weg eingeschlagen hatte. „Und dann sagt nochmal einer ich könnte was dafür.“ Okay, ich hätte auch fast jede andere Prüfung vergeigt. Ich konnte das einfach nicht. Wenn ich nicht wüsste, dass es eine wäre, dann hätte ich damit wirklich keine Schwierigkeiten. „Wer sagt, dass du für was etwas kannst?“ Ich schreckte aus meinen Gedanken auf und sah schockiert zu den Mann in der anderen Quelle. „Du denkst zu laut. Da kann ich ja alles mithören“, sagte er mit einem grinsen im Gesicht. Erst da bemerkte ich, dass ich wieder Selbstgespräche geführt hatte. Na super. Und das mitten in der Nacht vor einem Fremden im Bikini. Und nebenbei gesagt auch noch nicht vergeben. Oh und natürlich dass ich schlecht über alles mögliche geredet hatte. Aber sonst war alles super in mein Leben. Wenn man mal davon absah, dass Lina morgen auch noch nach Heiden ziehen würde um zu heiraten. Warum bekam sie eigentlich immer alles was sie wollte?

„Also meine Hübsche. Wie lautet deine Antwort.“ Ich ordnete meine Gedanken, dann blickte ich den Fremden in die Augen und antwortete: „Ich wüsste nicht, was Sie das angehen würde.“ Auf sein 'meine Hübsche' ging ich gar nicht erst ein. „Das ist aber keine zufriedenstellende Antwort. Dabei habe ich mich sogar benommen bis jetzt.“ Noch immer hielt ich Augenkontakt, was mir nicht leicht fiel, doch schließlich mochten die meisten Männer keine Dominanten Frauen, was ich nun mal war. „Ich hoffe doch sehr, dass Sie sich weiterhin benehmen werden.“ Seine Mundwinkel zuckten nach oben und ich wusste nicht, ob mir diese Geste gefiel. Nun um ehrlich zu sein gefiel sie mir und das wiederum gefiel mir nicht. Ganz und gar nicht. Ich atmete tief ein, dann nickte ich ihm höflich zu und wandte mich ab während ich entgegnete: „Wenn Sie so freundlich wären und mich wieder zu meinen Gedanken zurück kehren lassen?“ Es war als Frage gestellt, doch im Grunde genommen war es keine.

„Für was kannst du nichts, was man dir anhängt?“ Ich ignorierte seine Frage, konzentrierte mich auf meine Atmung und legte meinen Kopf auf den Rand der Quelle. „Ich rede mit dir. Es ist sehr unhöflich seinen Gesprächspartner zu ignorieren.“ Ich spürte kleine Wellen an meinem Körper und öffnete meine geschlossenen Augen. Er hatte kein Geräusch gemacht, als er die Quelle gewechselt hatte. Unheimlich. „Also?“ „Führen Sie immer einen Monolog, wenn sie mit Anderen sprechen möchten, die nicht mal ansatzweise etwas mit Ihnen zu tun haben möchten?“ „Ich führe Dialoge, wenn ich der Meinung bin, dass mein Gegenüber mir etwas zu sagen hat.“ Blinzelnd sah ich ihn an. Ich hatte verloren. Verdammt, warum musste ich auch blinzeln? „Und schon wieder vergeigt“, murmelte ich bevor ich eine grimmige Mine machte. „Ich führe keinen Dialog mit Ihnen.“ „Du antwortest mir. Also ist es ein Dialog. Kein Monolog.“ Verdammt! Warum musste er das bemerkt haben? Er war nicht so dumm wie ich gehofft hatte. Also gab ich mich geschlagen und erzählte ihm vom Carsting. Nur vom Carsting. Den Rest brauchte er nicht zu wissen.
 

„Ah du bist also Inea.“ Ich bestätigte seine Feststellung und rückte etwas von ihm ab. „Mein Bruder war ganz schön begeistert von dir, als du Miranda geholfen hattest. Obwohl du sie hättest fallen lassen können.“ „Und was hätte mir das gebracht?“ Der Fremde zuckte mit den Schultern. „Samanta hatte sich jedenfalls nicht in die Öffentlichkeit gerückt. Was du getan hast. Ich weiß nicht, ob das so gut für dich sein wird.“ Samanta? Wer zum Teufel war Samata? Oder ist L-irgendwas gar nicht L-irgendwas sondern Samanta? Naja L oder S … ist doch Beides ein Buchstabe! „Und was geht Sie das an, wenn ich Fragen darf?“

Der Fremde wollte meine Frage beantworten, schloss jedoch den Mund und erstarrte. Ich zog die Augenbrauen zusammen. Erst zwang er mich mit ihm zu kommunizieren und nun wurde er wie Stein. „Was haben Sie den je-“ Mit einer Handbewegung brachte er mich zum schweigen, was normalerweise nur meine Lehrer und meine Mutter konnten. Vielleicht auch noch meine Schwester, wenn sie wirklich wollte. Wut stieg in mir auf. Er konnte mich so einfach Dominieren, was ich so gar nicht mochte.

„Komm mit.“ Er griff nach meiner Hand, die ich ihm sofort wieder entzog. Ein knappes „nein“ war meine Antwort. Ein tiefes Knurren ertönte aus seiner Kehle und es war mit Sicherheit nicht Menschlich. Meine Nackenhaare stellten sich auf und mein Herzschlag erhöhte sich. Ich bekam Angst und auch dieses Gefühl behagte mir ganz und gar nicht. Ich war nicht leicht zu ängstigen! „Komm mit“, wiederholte er knurrend, stand auf und reichte mir seine Hand. Wie bescheuert musste ich sein diese anzunehmen? „Ich soll nicht mit Fremden reden, geschweige den mit ihnen gehen.“ Ich blieb sitzen, versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr ich von hier weg wollte. Nun nicht von hier aber von ihm. Mit vor der Brust verschränkten Arme blickte ich ihm in die Augen. Mein Gegenüber verzog das Gesicht, doch er blickte kurz darauf auf einen Punkt hinter mir. Ich drehte mich nicht um. Auf solche Spielchen ließ ich mich gar nicht erst ein. In seinen Augen funkelte Zorn auf, als er wieder mich fixierte. Dieser Mann wusste, wie man Menschen Angst einjagte. Ich biss mir auf die Unterlippe und versuchte mich wieder zu entspannen. „Beweg dich nicht“, wies er mich an. Verständnislos starrte ich in seine gelbgrünen Augen – waren sie nicht eben noch braun gewesen?

Noch bevor ich mir darüber Gedanken machen konnte, berührte etwas meinen Nacken, streifte daran entlang. Ich schluckte und zwang meinen Körper ruhig zu bleiben. Als das Etwas verschwunden war stand ich ruckartig auf. „Was war das?“ Meine Stimme war voller Panik. Dann steifte mich wieder Etwas, dieses Mal an meinem Bein.

Nicht wissend wie mir geschah kniff ich meine Augen zusammen und schrie auf. Mein eigener Schrei klang in meinen Ohren weit entfernt. Ich krallte mich in das weiche Fell unter mir und betete, dass ich das alles lebend überstehen würde. Moment mal – Fell? Tief durchatmend festigte ich meinen Griff und war froh nicht mehr im heißen Wasser der Quelle zu sein – dort wo dieses Ding war. Nur war jetzt die Frage auf welchen anderen Ding ich saß. Irgendwo in meinem Verstand sagte mir etwas, dass es der Fremde sein musste, da ich mich nicht verwandelt habe, falls ich es je können würde und Weit und Breit nur der Fremde in meiner Nähe war.

~Da du gegen eine deiner Regeln bereits verstoßen hast, kannst du es auch mit deiner Anderen tun und mitkommen.~ Die Worte schossen in meinen Kopf, doch wie war das möglich? Ich hatte weder meine Schilde gesengt, noch war ich in einer Beziehung mit diesen Mann. Ich zitterte. Dieser Fremde war unheimlich. Nicht nur weil er meine Schilde Umgehen konnte, sondern auch, weil er es schaffte mich unterlegen zu fühlen. Was ich ihm gegenüber wohl auch war. „Was war das in der Quelle?“, fragte ich mit noch immer verschlossenen Augen. ~Wehrschlangen. Von den Wehrwesen hast du hoffentlich schon gehört. Die Wehrschlangen sind sehr giftig und intelligent.~ Es gab also auch Schlangen unter den Wehrwesen … Das war mir nicht bekannt. Wehrwesen wandelten sich zwar in ihre Tiergestalt aber sie konnten es nicht kontrolliert tun. Zumeist wandelten sie sich im Mondschein.
 

Langsam öffnete ich meine Augen und bemerkte erst jetzt, dass wir flogen. In der Luft. Natürlich flogen wir in der Luft, aber es kam so plötzlich, dass ich es nicht ganz verarbeiten konnte. Ich sah nach unten, wo ich einige schimmernde, längliche Dinge auf dem Boden sah. Die Wehrschlangen. Sie waren wirklich hübsch, wenn sie so im Mondlicht schimmerten. Dann erblickte ich eine Wehrschlange an der … Tatze meines Retters, alias Fremden.“Sagtest du nicht, dass die Schlangen giftig seien?“ Das war zwar nicht die Frage die ich stellen wollte, aber nun wartete ich auf eine Antwort. Wobei ich am liebsten gar keine bekommen wollte. Es war so unangenehm einen Fremden in meinem Kopf zu hören. ~Schlangen sind nicht so giftig wie Wehrschlangen. Und diese hier ist nicht betäubend. Ich werde uns etwas abseits der Quelle wieder auf den Boden bringen.~ Ruckartig hob ich den Kopf und starrte auf die volle Mähne des Adlerkopfes vor mir. Ein Greif, schoss es mir durch den Kopf, doch dieses Mal waren es nur meine eigenen Gedanken. Dann erinnerte ich mich an seine Worte. Wenn das Gift nicht betäubend wirkte, dann tötete es sofort. „Und wie kannst du dann so ruhig bleiben?“ Meine Stimme überschlug sich, doch ich hörte nur ein Knurren, als ich mich bewegte, um ihn zum landen zu zwingen. Erfolglos. ~Sollte ich vor Panik so reagieren wie du?~ Purer Sarkasmus in meinem Kopf, als er seine Frage stellte. „Was weiß ich. Ich kann mich nicht wandeln. Oder fliegen. Oder sonst irgendwas! Ich weiß nur, dass das Gift in deinen Zellen die Apoptose einleitet. Und das wird dich in kürzester Zeit umbringen! Ich jedenfalls möchte nicht abstürzen, wenn das Gift deine Lunge oder Herz erreicht.“ Ja ich hatte Panik. Zumindest ich würden den Sturz aus dieser Höhe nicht überleben und das dürfte Grund genug sein.
 

Der Fremde schien sich meine Worte zu Herzen genommen zu haben. Er ging in den Singflug – woher kannte ich dieses Wort? Ich war noch nie geflogen. Als ich wieder festen Boden unter mir spürte entspannte ich mich ein wenig und blickte zu dem Greifen. Die Wehrschlange war verschwunden. An der Stelle wo sie hätte sein sollen war das Fell feucht vom Blut, dass nun durch die Bisswunde fließen musste. Okay, wie war das nochmal? Energie bündeln, fokussieren, die Arterien entlang fließen lassen und das Gift langsam hinaus drücken. Vorzugsweise durch die bereits vorhandene Wunde. Anschließend die Wunde verschließen. Eigentlich ganz einfach, wobei die Betonung auf dem ersten Wort liegt. Eigentlich. Wir hatten das im Unterricht bisher nur theoretisch durch genommen.
 

Ich spürte wie der Greif mich mich musterte. Wie eine Katze, nur dass diese Katze die Augen eines Adlers hatten und auch diese sich in meinen Kopf zu bohren schienen. Nach kurzen zögern und mit der Gewissheit, dass ich etwas tun musste um das Gift aufzuhalten, trat ich einen Schritt auf den Fremden zu. Geschmeidig wich er zurück. Wie eine Katze – mit Adlerschwingen. Verwirrt blieb ich stehen, nicht weil er zurückgewichen war, nein das hatte ich mir schon fast gedacht, da Katzen normalerweise scheu sind. Ebenso wie Adler. Aber woher kam die Schwingen? Sagte man nicht Flügel dazu? Erst seine Stimme in meinem Kopf holte mich aus meinen Grübeleien hinaus. ~Welchen Jahrgang gehörst du an?~ Ich schluckte. „Das wird sich morgen raus stellen.“ Es war allgemein Bekannt, dass die Prüfungen bereits abgeschlossen waren und nun die Nachprüfungen anstanden. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich nichts erkennen, doch ich war mir sicher, dass er sich nun gut überlegte, was er tat. Einige Sekunden verstrichen schweigend, bis er sich schließlich entschieden hatte.

Geräuschlos ließ der Greif sich nieder, streckte die verletzte Tatze aus und sah mich abwartend an. ~Du hast Grundkenntnisse von Giften, also musst du bereits erste Schritte gelernt haben diese zu entfernen. Was wiederum bedeutet, dass du im fünften Jahr warst oder bleiben wirst. Ich werde ruhig liegen bleiben. Versuche es.~ Er sprach es nicht aus, aber er hatte nichts zu verlieren. Entweder machte ich einen fatalen Fehler und er würde schlimmstenfalls daran sterben oder ich machte gar nichts und das Gift würde ihn umbringen. Mit zitternden Händen ging ich auf ihn zu, kniete mich neben seine Tatze und betrachtete sie. Kaum zu glauben wie groß sie war. Ich berührte das Fell, welches sich feucht und stumpf anfühlte. Nicht so weich wie das an seinem Rücken, doch das war vielleicht das Gift, das sich mit dem austretenden Blut verteilte. „Ich sehe die Wunde nicht“, murmelte ich und rückte etwas zur Seite, damit ich wenigstens etwas Licht vom Mond hatte. Und ich war auch nicht im fünften Jahrgang gewesen. Ich war im Vierten.
 

Vorsichtig strich ich das Fell gegen den Strich, um nach dem Biss zu suchen. Als ich fündig geworden bin zuckte die Tatze minimal und ich bemerkte wie sie sich verkrampfte. „Tut mir Leid.“ Ich erhielt keine Antwort, doch sein Blick ruhte weiterhin auf mir. Nachdem ich tief durchgeatmet hatte bündelte ich meine Energie, fokussierte sie darauf das Gift ausfindig zu machen und ließ sie anschließend durch seine Arterien fließen. Es war ein ganz anderes Gefühl meine Energie durch seine Blutbahnen zu spüren als bei den praktischen Übungen im Unterricht. So viel mehr eigene Energie besaß er und ich merkte auch wie er sich bemühte diese zu unterdrücken um meiner platz zu machen. Als ich schließlich das Gift soweit identifiziert hatte um es hinaus zu drücken merkte ich wie meine Energie die von dem Fremden dominierte und ein Lächeln legte sich auf meine Lippen. Zwar wusste ich, dass ich es nur schaffte weil er es zuließ, aber es war ein gutes Gefühl die Energie eines Reinblüters leiten zu können. Ich war mir sicher, dass er ein Reinblüter war. Schließlich war seine Energie so machtvoll, dass es bei weiten alle unsere Testpersonen, bei denen ich einmal einen Blüter bekommen hatte, der zu dreiviertel rein war, übertraf.

Nachdem ich das Gift hinaus gedrückt hatte schloss ich die Bisswunde und blickte auf mein Werk. Die Tatze hatte einen schwarzen Schimmer angenommen und das Fell war verfilzt. Das Gift hatte ganze Arbeit geleistet und ich war froh, dass es nicht im Flug passiert war. ~Ist es normal, das Gift schwarz austritt?~ Bei der Stimme in meinem Kopf zuckte ich zusammen und sah in die gelbgrünen Augen des Greifen. Sein Blick war auf seine Tatze gerichtet auf der noch immer meine Hände lagen. „In den meisten Fällen schon“, antwortete ich, stand auf und betrachtete meine Finger. Sie waren voller Gift durchzogenen Blut und ich hatte keine Möglichkeit sie zu waschen. Angewidert schmierte ich die klebrige Flüssigkeit in das Gras unter mir um das meiste ab zu bekommen, was mir auch ganz gut gelang. „Meinst du wir können zurück zu der Quelle? Meine Mutter dreht durch, wenn ich nicht bald nach Hause komme.“ Es war eine Lüge, aber ich war auf einmal müde und ausgelaugt. Zudem wurde es wirklich langsam spät.

Zuhause angekommen, nachdem mich der Fremde wieder zu der Quelle geflogen hatte und ich meine Sachen eingesammelt hatte, wartete meine Mutter bereits in der Küche auf mich. „Du kommst spät.“ Ich nickte einfach nur und entschuldigte mich. Auf eine Diskussion hatte ich keine Lust, obwohl ich gerade mal zweieinhalb Stunden fort gewesen war. „Wann musst du morgen los?“ „Um Zwei ist meine Prüfung. Ich muss eine Stunde vorher da sein und werde wohl gegen elf losgehen um auf jeden Fall pünktlich zu sein.“ Meine Mutter hatte ich mit dieser Antwort zufrieden gestellt und konnte ohne weiteres in mein Zimmer gehen. Dort angekommen zog ich mir noch meine Schlafsachen an und fiel erschöpft in mein Bett. Das war eine ganz neue Erfahrung für mich. Bisher hatte ich bei einer Heilung nie so viel Energie verbraucht – konnte es daran liegen, dass der Fremde ein Reinblut war? Doch lange dachte ich nicht darüber nach, da der Schlaf mich überrannte.

Mein Wecker klingelte viel zu früh und riss mich förmlich aus dem Schlaf. Dabei hatte ich so schön geträumt – zumindest bis im Traum der Kuckuck der Kuckucksuhr wie mein Wecker piepte. Seufzend drückte ich auf die Ruhefunktion meines Weckers und drehte mich noch einmal für zehn Minuten um, versank in meinen Traum ein wenig. Bis die Kuckucksuhr wieder piepte. Natürlich war es nicht der Vogel der Uhr sondern mein Wecker, aber ich bekam langsam eine Abneigung gegen diese Tiere. Ich stand auf, zog mich an, aß etwas zum Frühstück, machte mir einen Dutt – nein ich hatte keine Lust mir die Haare zu kämmen –, putzte meine Zähne und ging aus dem Haus. Meine Schwester schlief noch und unsere Mutter war bereits auf dem Weg zur Arbeit.
 

Wie geplant kam ich eineinhalb Stunden vor meiner Prüfung in der Universität an. Die Professoren nahmen mich im Empfang und brachten mich in einen Raum in dem ich mit einen der Prüfer theoretische Aufgaben durch ging. Es waren fast die selben Fragen wie in der Prüfung davor. Mein Gegenüber war begeistert von meinem wissen und nickte nach kurzer Zeit. „Gut. Im theoretischen haben Sie zum letzten Mal besser abgeschnitten. Sollten Sie in der Praxis die Hälfte der Punktzahl zu erreichenden Punkte erhalten, haben Sie bestanden.“ Er lächelte mir aufmunternd zu, doch ich war nicht ganz so zuversichtlich wie der Prüfer. „Kann ich Ihnen eine Frage stellen?“ Zögerlich blickte ich ihn in die Augen. „Ich kann Ihnen keine Prüfungsrelevanten Details nennen.“ Ich schüttelte den Kopf und beteuerte, dass es nicht um die Prüfung gehen würde. Gifte entfernen würde erst im nächsten Halbjahr durch genommen werden. Doch ich hatte auf den gesamten Weg zur Prüfung an den Fremden denken müssen. Ob er das überlebt hatte? Ich war mir nicht sicher, ob ich das gesamte Gift entfernt hatte und er war danach noch geflogen. „Wie giftig sind Wehrschlangen?“ Der Prüfer verzog das Gesicht, doch er fing sich schnell wieder. „Wehrschlangen? Wie sahen sie aus?“ Ich beschrieb ihm die Wesen die ich in Erinnerung hatte so gut wie möglich, schließlich hatte ich sie nicht richtig gesehen. Er schluckte und fragte, ob jemand gebissen wurden war. „Ich weiß es nicht. Ich bin davongelaufen als ich die Dinger gesehen hatte.“ Absichtlich ließ ich den Fremden aus dem Spiel, da ich nicht wollte, dass mein kleiner Heileingriff herauskam. Wir Schüler sollten uns nicht ohne Aufsicht daran versuchen. „Wo war das, Kind?“ „An den heißen Quellen wo ich wohne.“ Ohne ein weiteres Wort stürmte der Mann aus dem Raum und ließ mich sitzen. Eine Antwort hätte er mir ja schon geben können …

Da der Prüfer nicht wiederkommen würde wartete ich schweigend auf meinen Professor. Er würde mich zu der praktischen Prüfung führen. Mit einem auf und ab wippenden Fuß starrte ich aus dem Fenster, hing meinen Gedanken nach und bemerkte gar nicht, wie die Tür aufging.“Inea Weis. Folgen Sie mir bitte.“ Zwar zuckte ich bei der unbekannten Stimme hinter mir zusammen, doch ich schrie nicht auf. Wie befohlen folgte ich dem Mann aus dem Zimmer hinaus ins Freie. Es standen einige Menschen in Grüppchen zusammen und flüsterten aufgeregt miteinander – wann waren die denn alle gekommen? „Wo ist Professor Ji?“, fragte ich verwirrt und betrachtete eine der Gruppen. „Deine praktische Prüfung wurde verschoben.“ Diese Aussage half mir überhaupt nicht weiter, doch ich kam nicht dazu noch einmal nachzufragen. Ich erblickte den Fremden von gestern und musste gestehen, dass er mir in seiner Badehose deutlich besser gefallen hatte als in seinen nun makellosen Gewand. Ja es war ein Gewand, dass ein Adeliger im Mittelalter getragen hätte. Es freute mich ungemein, dass er hier war. Das bedeutete, dass er noch lebte, oder nicht? Mit einem selbstgefälligen Lächeln wandte ich den Blick ab. „Auf welche Urzeit wurde meine Prüfung verschoben?“, wollte ich wissen. „Sobald Sie mit dem Prinzen gespropchen haben.“

Ich stutzte und starrte den Fremden an meiner Seite mit offenem Mund an. „Bitte?“ Ich bekam keine Antwort, doch als ich wieder zu den Menschengruppen sah bemerkte ich, dass der Fremde von gestern auf mich zu kam. „Das ist nicht Ihr Ernst“, flüsterte ich zu dem Mann an meiner Seite, doch er schwieg, verbeugte sich vor dem Prinzen und ließ mich anschließend mit ihm alleine.
 

Der Prinz sah mich auffordernd an bevor er anfing mich zu mustern. Nicht wissend was ich tun sollte oder wie ich mich verhalten sollte hob ich eine Augenbraue. Er kannte mich schließlich. Sollte er sich dazu entscheiden die gestrige Nacht einfach auszulöschen, dann würde ich es eben auch tun. „Sie haben eine interessante Art mich zu begrüßen“, sagte der Prinz herablassend. Das selbe konnte ich von ihm sagen. Doch da er anscheinend gestern vollkommen ignorieren wollte … „Ich wüsste nicht, warum ich zu der Ehre komme Sie persönlich und außerhalb Heidens zu sprechen.“ Das war nicht gelogen ich hatte tatsächlich keine Ahnung warum er hier war. Er hob den Kopf und blickte mir in die Augen. Ich tat es im gleich. „Wie geht es Ihrer Hand?“ Okay ich brach gerade, wieder einmal, meine Regel und fragte ihn nach gestern, aber er lebte noch und ich würde mir es nicht entgehen lassen ihm unter die Nase zu reiben, dass ich dafür verantwortlich war. Der Prinz blinzelte – ich hatte gewonnen, aber meine Mine blieb ruhig. „Ich kann Ihnen nicht folgen.“ Seine Stimme klang beherrscht und berechnend. „Ich hatte noch von keinem Gift gehört, dass das Gedächtnis auslöscht“, entgegnete ich eisig und verschränkte meine Arme vor der Brust. „Zudem wäre es vielleicht besser, wenn Sie sich nicht zu viel bewegen. Immerhin bin ich noch in der Ausbildung und könnte Reste der Gifts übersehen haben.“ „Sie haben nicht einmal die Erlaubnis gehabt meinen Bruder zu heilen“, antwortete der Prinz. Ich starrte ihn fassungslos an. Seinen Bruder? Ich war verwirrt und blinzelte einige Male. „Und“, betonter er, „hast keine Ausbildung in Giften, nur einige Kenntnisse die beängstigend gering sind. Geschweige den haben Sie ihre Prüfung bestanden.“ Ich holte Luft um etwas zu erwidern, wurde jedoch von seiner erhobenen Hand unterbrochen. „Was nicht heißt, dass ich mich nicht bei Ihnen bedanken wollte. Ich bin hier, da Sie meinem Bruder gerettet hatten. Es war ein glücklicher Zufall, dass Sie nach dem Kampf zu Ergon gestoßen sind um ein Bad zu nehmen. Wer weiß was er sonst getan hätte.“ Der Prinz neigte den Kopf und fuhr fort: „Nun denn ich möchte mich bei Ihnen bedanken, dass Sie meinem Bruder gerettet haben. Da ich bezeugen kann, dass Sie Wunden verschließen können, haben Sie damit automatisch dieses Halbjahr abgeschlossen.“

Wie lange ich den Prinzen mit offenen Mund angestarrt hatte wusste ich nicht mehr, aber es war ziemlich lange gewesen. „Was?“, fragte ich und konnte seine Worte nicht begreifen. Der Prinz musterte mich erneut. Diesmal einiges interessierter als zuvor. „Wie meinen Sie das?“ Würde ich heute eigentlich überhaupt Antworten auf meine Fragen bekommen? Mein Gegenüber sah wieder in meine Augen. „Sie haben die Halbjährigen Heil-Prüfung bestanden.“

Das musste ich erst einmal verarbeiten. Ich machte einen Schritt zurück und wich seinen Blick aus. „Ich habe bestanden?“, fragte ich mich selbst, bekam dieses mal aber eine Antwort von dem Prinzen die ich nicht erwartet hatte. „Ja. Und ich würde gerne wissen, warum Sie mich für meinen Bruder gehalten haben. Es ist allgemein bekannt, dass Reinblüter immer Zwillinge sind.“ Ach war es das? Ich zumindest hatte dieses Allgemeinwissen nicht. „Was wissen Sie über Reinblüter und die verschiedenen Arten?“ Kopfschüttelnd versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. „Wie kommen Sie auf dieses Thema? Es tut mir wirklich Leid, aber ich kann nicht so einfach von meiner Prüfung zu Reinblütern wechseln.“ Der Prinz nickte. „Ich werde mich erneut danach erkundigen wenn Sie sich und Ihren Geist beruhigt haben. Nicht dass Sie Ihre Energie ungewollt frei lassen.“ Meinen Geist? Was hatte meine Energie damit zu tun? Nun noch verwirrter sah ich dem Prinzen hinterher wie er wieder zu seiner Gruppe ging. Das war so absurd.
 

Jemand berührte mich an der Schulter und ich drehte mich um. Professor Ji stand hinter mir, im Gesicht ein breites Lächeln. „Ich freue mich für Sie, dass Sie dieses Halbjahr weiterhin zu meinen Schützlingen gehören.“ Er beugte sich noch etwas vor und senkte bei seinen nächsten Worten die Stimme: „Und unter uns – mein Kollege der dieses Halbjahr die vierte Klasse leitet ist nicht sehr kompetent.“ „Ich habe bestanden?“, fragte ich zum wiederholten mal und bekam dieses Mal eine klare Antwort. „Sie haben die halbjährliche Heil-Prüfung mit voller Punktzahl bestanden.“ Auch auf meinem Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Auch wenn mir schleierhaft ist wie der Prinz zu dieser Annahme kommt,“ beendete Professor Ji seine Antwort. „Das ist doch auch vollkommen egal“, antwortete ich ihm und er nickte. Mir war bewusst, dass er es trotzdem gerne gewusst hätte.

Als ich mit meinem Mittagessen fertig war kam der Prinz erneut auf mich zu. Ich machte Anstalten aufzustehen, doch mit einer Handbewegung bedeutete er mir sitzen zu bleiben. „Nun erklären Sie mir mal, warum Sie nicht wussten, dass Reinblüter immer Zwillinge sind. Und wenn wir schon dabei sind … auch alles andere was sie über Reinblüter wissen.“ Nach kurzem Überlegen gestand ich, dass ich nicht viel Wissen über Reinblüter hatte. Insgesamt wussten die Leute in meinem Umfeld wenig über sie. Im Unterricht wurde es nicht durch genommen, da es nach Ansicht der Lehrer nicht wichtig für uns sei. Schließlich waren wir alle keine Reinblüter und die meisten von uns sogar nur Halbblüter oder darunter. Unsere Eltern sprachen nur selten über ihre Herkunft.

„Interessant ...“ Der Prinz schien nachzudenken und ließ den Blick erneut über mich gleiten. Könnte er damit mal aufhören? „Eure Unterrichtsstunden müssen umgestaltet werden. Es kann nicht sein, dass nicht ganz Thor weiß wer die Reinblüter sind.“ Der Prinz stand erzürnt auf und wandte sich zum gehen. Kurz hielt er noch einmal inne, um mir mitzuteilen, dass ich in drei Monaten nach Heide aufbrechen werde. „Ich werde das Carsting noch einmal selbst durchführen, da die Richter untauglich sind. Miranda war eine Nichtblüterin und hatte das Reinigungsritual nicht überstanden. Ich weiß, dass deine Mutter ebenfalls eine Nichtblüterin ist, genau wie deine Schwester, aber laut den Stammbäumen müsstest du zumindest ein tropfen reines Blut in dir tragen.“ Sollte mich sein letzter Satz beruhigen? Das tat es ganz und gar nicht. Es war bekannt, dass ein Reinigungsritual durchgeführt wurde um Heiden betreten zu können, aber was geschah mit denjenigen die es nicht überstanden? Waren sie tot? „Ist Miranda zurück zu ihrer Familie gebracht worden?“ „Sie wurde auf kosten der Richter begraben.“ Oh. … OH! Nicht wissend was ich sagen sollte öffnete ich den Mund, doch der Prinz hatte sich bereits umgewandt und schritt davon.
 

Die letzten zwei Wochen bis zu den nächsten Unterrichtsstunden verbrachte ich damit über den Prinzen und seinem Bruder nachzugrübeln. Sein Bruder schien ganz anders zu sein wie der Prinz und doch musste er auf seinen Bruder gehört haben, schließlich war er zu mir gekommen um sich in dem Namen seines Bruders zu bedanken. War der Prinz dann wirklich so schlimm wie es immer den Anschein hatte?

Schulterzuckend betrat ich den Unterrichtsraum, legte meine Sachen ab und setzte mich. Ich entschied mich dazu das ganze zu vergessen – zumindest bis ich mich wieder damit beschäftigen musste.

Der Raum füllte sich rasch und genau zum Unterrichtbeginn trat ein Fremder Mann ein, knallte seine Bücher auf das Pult und hatte somit die gesamte Aufmerksamkeit der Schüler. „Drachen“, sagte er und schrieb das Wort an die Tafel. „Was wisst ihr über diese Wesen?“ Er drehte sich zu uns um, dann verzog er das Gesicht. „Holt eure Schreibutensilien raus und macht euch Notizen.“ Sofort wurde dem Befehl folge geleistet. Auch ich nahm schnell einen Stift zur Hand und übertrug die Überschrift des Fremden in meinen Notizblock. Nachdem es wieder ruhiger wurde ertönte erneut die Stimme des Fremden – keinen Deut freundlicher als zuvor. „Noch einmal. Was wisst ihr über Drachen?“ „Es ist das Symbol Thors“, sagte einer in das Schweigen hinein. „Auch wenn eine Meldung angebracht wäre, ist die Antwort korrekt.“ Wirklich? Wir müssen uns Melden? Was für ein Kinderkram soll das denn nun werden? „Gibt es noch weiteres Wissen darüber?“ Stille folgte, bis ich mich schließlich dazu durch rang mich zu melden. „Inea.“ Ich holte tief Luft und sagte dann: „Drachen sind Reinblüter.“ Der Fremde nickte. „Korrekt.“ Als es wieder still wurde wandte er sich dassum und schrieb die Punkte an die Tafel. Ließ jedoch viel Platz dazwischen. War eigentlich nur mir aufgefallen, dass er meinen Namen wusste ohne mich zu kennen?

„Drachen sind sehr komplizierte Reinblüter, die allesamt von der Bildfläche verschwunden sind. Sie sind unser Wappensymbol gerade weil es schon immer wenige von ihnen gab. Es besteht aber Hoffnung, dass Drachen ihre Gene auch in nicht-Reinblütern haben. Dies wird sich in fünf Monaten herausstellen. Doch dazu kommen wir später.“ Der Fremde blickte sich in der Klasse um. „Drachen sind geborene Heiler oder Heilerinnen, neigen aber zu Übermut und geben sich völlig dieser Aufgabe hin. Zumindest eine der Arten. Die Andere ist etwas zurückhaltender und heilt nur diejenigen die er oder sie für würdig halten. Die erstgenannten sind die weißen Drachen. Die anderen die Schwarzen.“ Er krakelte wieder etwas an die Tafel, kaum zu entziffern war, doch ich reimte mir meinen Teil zusammen von dem was er erzählt hatte. „Drachen sind sehr dominante Wesen, die sich nicht gerne unterwerfen, was bei den Männern kein Problem darstellt. Die Frauen jedoch sind sehr … kompliziert.“ Wieder schrieb er an der Tafel alles auf. „Doch was wohl das wichtigste dabei ist“ der fremde musterte jeden Schüler eingehend bevor er weiter sprach. „... dass Drachen sich nur bewusst fortpflanzen. Und selbst wenn das Elternteil ein weißer Drache ist, kann der Nachkomme ein schwarzer sein. Wir vermuten, dass die Form des Drachen sich mit seinem Lebensstil verändert. Wenn der Drache in guten Händen aufwächst ist er weiß, andernfalls schwarz. Die Weißen werden als Ordnung bezeichnet. Schwarze als Chaos. Was nicht bedeutet, dass sie schwarzen Drachen Chaos anrichten. Sie lernen auf ihre Eigenen Wegen, was nicht immer das Beste für sie oder Andere ist, doch im Grunde sind die schwarzen Drachen wertvoller und haben größere Kräfte.“ Alle im Raum hörten dem Fremden fasziniert zu. Meine Nachbarin hob ihre Hand und wurde mit Namen aufgerufen. „Warum kann man erst in fünf Monaten wissen ob es noch Drachen gibt, wenn es Reinblüter sind?“ Der Mann vorne nickte, schnippte mit dem Finger und schrieb wieder an die Tafel. „Wer von euch kann sich bisher noch nicht verwandeln?“ Die Hälfte der Klasse hob die Hände und er pickte sich zwei scheinbar willkürliche von ihnen heraus. „Kommt hinunter. Du gehst dorthin und du … stell dich hier hin.“ Meine Mitschüler vorne taten wie geheißen und sahen den Fremden anschließend an. „Sehr schön. Ihr beiden könntet Drachen sein. Ihr liebt das heilen?“ Die angesprochenen nickten. „Bei Drachen ist es anders als bei den anderen Reinblütern. Bei ihnen muss sich erst eine Persönlichkeit entwickeln, um ihre Endgültige Form zu erhalten. Jim bitte komme hinunter und wandle dich.“Jim ging hinunter und änderte seine Form – hatte ich schon erwähnt, dass meine Mutter wollte, dass ich ihn heirate? Sein Vater hatte dem zugestimmt und heute würde der erste Tag sein an dem ich mit ihm etwas unternehmen sollte. Der junge Mann hatte pechschwarze Haare, braune Augen und einen wirklich tollen Körper – zumindest das was man davon unter seiner Kleidung sah. Und er war ein Falke. Ein ausgesprochen hübscher Falke, wenn man ihn so betrachtete. Goldbraune Federn schmückte ihn und sein Bauch war makellos weiß.

„Wie ihr sehen könnt, ist er ein farbintensiver Vogel, aber das war bei ihm schon vorbestimmt. Egal welche Entscheidungen er getroffen hätte wäre er in dieser Form geblieben. Drachen hingegen können es erst mit Achtzehnten mit Sicherheit sagen welchen Weg sie gehen.“ Er nickte Jim dankend zu und bedeutete ihm sich wieder zu setzen. „Liam ist dir schon einmal aufgefallen, dass dir etwas gelingt in der Heilung, was du gar nicht können kannst?“ Liam schüttelte den Kopf. „Nein. Ich bin eher im Durchschnitt.“ „Und bei dir Tatjana?“ Das Mädchen zuckte mit den Schultern und antwortete: „Ich bin schon sehr gut im Heilen, aber das ist auch das einzige was ich wirklich kann.“ Der Fremde ging auf Tatjana zu und legte ihr die Hände auf die Schultern. „Bist du dominant?“ Die Klasse fing an zu kichern. Es war bekannt, dass Tatjana Niemanden auch nur ansatzweise dominieren konnte. Sie war der typische zurückhaltende Typ. Was nicht hieß, dass sie keine Freunde hatte. „Ruhe!“ Sofort war es still im Raum und hätte eine Stecknadel fallen hören können. Tatjana schüttelte den Kopf, biss sich auf die Unterlippe und blickte zu Boden. „Dann kann ich euch beiden sagen, dass ihr keine Drachen seid.“ Ich bin mir nicht sicher, ob sie das hören wollten, aber sie schienen es gelassen zu nehmen.

Die Pause wurde eingeläutet und sofort wurden die Notiztblöcke eingepackt. Der Fremde schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Habe ich etwas von Unterrichtsschluss gesagt?“ Wir hielten kurz inne und sahen zu ihm. „Wie schön, dass ich eure Aufmerksamkeit wieder habe. Ich beende den Unterricht und nicht die Zeit. Ihr werdet heute nach Unterrichtsende erneut in diesen Klassenraum kommen.“ Ein ungläubiges Stöhnen ging durch den Raum, doch der Fremde ging zu dem Pult und sammelte seine Unterrichtsutensilien ein. „Ihr dürft nun gehen.“
 

Die Schlange bei der Essensausgabe war bereits ziemlich lang und ich stellte mich mit meiner Sitznachbarin in die Reihe. Vor uns wartete Jim mit seinen Freunden und unterhielt sich über den heutigen Vormittagsunterricht. „Ich habe Gerüchte gehört“, unterbrach Kim mein lauschen und ich zwang mich freundlich zu ihr zu sehen. „Welche Gerüchte“, fragte ich wirklich verwirrt. „Du und Jim.“ Sie nickte nach vorne wo mein geplanter Ehemann noch immer gestikulierte und Argumente entgegen brachte. Er fand den Fremden gar nicht so schlimm – sofern ich es beurteilen konnte. „Woher hast du das gehört?“ In diesem Moment traf mich eine Hand im Gesicht und ich japste auf. Das hatte wirklich weh getan. „Oh nein. Tut mir leid, Inea.“ Jim sah mich besorgt an, seine Kumpels sahen ihn stirnrunzelnd an. „Ich habe wohl die Kontrolle verloren.“ Ich rieb mir über die schmerzende Wange, verzog das Gesicht und lies es zu, dass er sanft meine Hand nahm und sich seinen Schlag anzusehen. „Manchmal passiert das, wenn ich mich in etwas rein steigere. Eine schlechte Angewohnheit von mir.“ Noch immer betrachteten seine Freunde ihn als sein Jim verrückt geworden. In seinem Blick stand echter Widerwille und ich beschloss seine Entschuldigung anzunehmen. Nickend entzog ich ihm meine Hand und lächelte. „Es geht schon wieder.“ Tatsächlich pochte meine Wange und ich würde mit Sicherheit einen blauen Fleck bekommen. „Wollt ihr euch zu uns setzen heute Mittag?“ fragte Jim lächelnd und seine Freunde starrten ihn fassungslos an, wovon er sich aber nicht aus der Ruhe bringen lies. Schließlich war er noch der mächtigste Gestaltwandler in unserer Klasse. „Eigentlich sollten wir heute nach der Schule was essen, aber da wir jetzt nachsitzen müssen dachte ich mir wir können das in der Mittagspause machen? Ich muss nachher noch trainieren gehen.“ Kim nickte schnell und übernahm das Antworten für mich, da ich ihn nur mit offenen Mund ansehen konnte. „Super.“ Jim wandte sich zu seinen Freunden um, nahm meine Hand wieder und zog mich zu sich. „Mein Vater würde dich morgen gerne zum Abendessen einladen. Hast du schon etwas vor? Ich mein mein Vater ist vielleicht etwas voreilig, aber ich würde mich freuen.“ Blinzelnd nickte ich. „Bisher habe ich noch nichts vor, aber ich muss meine Mutter noch um Erlaubnis bitten.“ Verständnisvoll nickte Jim.
 

Seit diesem Mittagessen saßen wir immer zusammen und er ignorierte die Blicke und Kommentare seiner Freunde. Sie hielten nicht viel von mir, doch solange Jim es nicht so sah waren mir seine Freunde herzlich egal. Schließlich mussten sie mich nicht mögen, auch wenn es schön gewesen wäre, wenn sie mich akzeptieren würden.

Der Unterricht wurde nicht viel besser mit unserem neuen Lehrer, einzig und allein die Heilstunden waren wirklich interessant. Professor Ji war ein toller Lehrer! Wohingegen Professor Went einfach nur anstrengend war. Keine Zwischenrufe waren erlaubt, tadelloses Benehmen wurde von ihm vorausgesetzt und bei nicht Einhaltung seiner Vorstellungen musste die gesamte Klasse nachsitzen. Dies sollte die Gemeinschaft stärken.
 

Die Zeit verging wie im Fluge, bis ich schließlich ein Schreiben des Königs bekam. Meine Mutter war ganz aufgebracht von der Nachricht, dass ich nach Heiden fahren sollte. Ich war da anderer Meinung. Nicht nur, dass ich einen Freund hatte mit dem ich, sobald ich achtzehn werden würde, verheiratet werde, sondern hatte ich schlichtweg einfach kein Interesse an den Prinzen. Naja zumindest nicht an den einen der Beiden. Nachdem wir alles mögliche über Drachen gelernt hatten, wovon ich mir höchstens die Hälfte merken konnte, wurde nun das Thema Könige und Prinzen durch genommen. Eigentlich fand ich es recht interessant, dennoch kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass Reinblüterzwillinge komplett gleich sein sollen. Ich vermute eher, dass sie gleich erzogen werden und sich einander anpassen müssen, damit die Eltern nach dem Tot des einen immer noch den Anderen haben, ohne den Anderen vermissen zu müssen – was natürlich völliger Blödsinn ist, wenn man es genau betrachtet. Nur weil sie gleiche Interessen haben und sich gleich verhalten heißt es nicht, das sie auch gleich sind. Außerdem wird man sich bestimmt an den Verstorbenen erinnern!

„Hier ist auch ein Verhaltensschreiben beigelegt, dass du lernen sollst“, sagte meine Mutter während sie den Brief vom König auseinander faltete und alles genau betrachtete. „Oh und du musst eine Blutuntersuchen durchführen. Dein Blut soll nach Heiden geschickt werden.“ Knapp nickte ich und griff nach dem Einladungsschreiben. „Nun sei doch nicht so schlecht gelaunt. Vielleicht bekommst du ja ein besseren als Jim.“ „Ich will gar keinen besseren als Jim!“, rief ich genervt aus und starrte meine Mutter an. Ich wollte wirklich nicht nach Heiden, da ich Jim wirklich lieben gelernt habe. Zwar hatte er Nachmittags kaum Zeit und musste das bisschen davon lernen, doch die Abendessen mit seiner Familie und ihm waren immer sehr angenehm gewesen und auch in der Schule mit ihm zusammen zu sein war ein wahr gewordener Traum.

„Hier steht, dass zeitnah ein Schneider vorbei kommt, um deine Maße zu nehmen, damit du passend angezogen bist, wenn du dem König gegenüber trittst.“ Sie hatte mir also nicht zugehört. „Oh und du wirst auch sämtliche Pflegemittel für deine Haut gestellt bekommen.“ Genau, weil ich das ja auch so sehr liebe mich mit Cremes einzuschmieren. Ich verdrehte die Augen und legte das Schreiben wieder auf den Küchentisch. „Das ist ja alles so aufregend!“ „Wenn du meinst“, antwortete ich meine Mutter wenig begeistert und wandte mich dann ab. „Ich muss noch für einen Test morgen lernen.“ Es war eine Lüge aber die einzig mögliche Ausrede die mir einfiel um von meiner Mutter weg zu kommen.
 

Als ich Jim von dem Schreiben am nächsten Tag in der Schule erzählte wirkte er nicht gerade begeistert davon – genau so wie ich. Er küsste mich und meinte, dass ich das Schreiben einfach ignorieren sollte. Mit einem traurigen Lächeln sah ich zu Boden. „Das kann ich nicht. Meine Mutter würde durchdrehen.“ „Oh. Stimmt ja. Du liebst sie wirklich sehr, nicht wahr?“ Nickend lehnte ich mich an ihn. Seine starken Arme umfassten mich und drückten mich noch näher an sich. Kurz darauf kamen meine beiden Sitznachbarinnen auf uns zu. Wütend. Was hatte ich denn nun schon wieder getan? Seitdem ich mit Jim offiziell zusammen war, rieten sie mir davon ab, beleidigten ihn und beschuldigten mich. Keine Ahnung was sie hatten, da wir nie wirklich Freundinnen waren und wir sonst auch nicht viel zusammen unternehmen. „Lass sie los!“, keifte Kim lauthals über den Schulhof, zeigte auf Jim und lief beinahe rot an. „Das du es wagst sie überhaupt noch anzusehen.“ Die Beiden blieben vor uns stehen. Jim sah sie ausdruckslos an, fragte was denn los sei und rieb mit seinen Daumen über meinen Arm. „Gestern Abend“, Fjonna spuckte die Worte förmlich aus, holte ihr Handy hervor und tippte darauf herum. „Was war gestern Abend?“, fragte Jim ruhig, ließ mich jedoch los und rückte auf den Wunsch von Kim etwas von mir ab. „Du warst in der CB.“ Er blinzelte einige Male. „Ja und?“ Nun wirkte er etwas verunsichert, doch ich mischte mich in das Gespräch ein: „Nur weil er in der CB war müsst ihr ihn doch nicht gleich anfahren. Jeder geht da mal hin. Ich halte mich davon nur fern, da sie keine Alkoholfreien Getränke anbieten.“ Etwas das ich überhaupt nicht verstand. Die Cocktail Bar in unserer kleinen Stadt wurde von allen Jugendlichen ab sechzehn Jahren gut besucht, da sie die einzige Möglichkeit war abzuschalten und der Alkoholkonsum wird stets überwacht, sodass die Jugendlichen nur so viel zu sich nahmen wie ihre Eltern erlaubten. „Das könnt ihr ihm nun wirklich nicht anhängen.“ Kim nickte zustimmend. „Das stimmt, aber wir können ihm etwas anderes anhängen, was er im CB gemacht hat.“ „Alkohol getrunken?“, fragte ich augenverdrehent. Fjonna wurde auf ihrem Handy fündig, hielt es hoch und drehte es zu uns um. Sie hatte ihre Fotos aufgerufen und das, das gerade aufgerufen war ließ mir meine weitere Antwort im Hals stecken bleiben. Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber es kam nichts heraus. Jim, der noch immer neben mir saß, nahm mich in seine Arme und zog mich zu sich. „Ich hatte einfach zu viel getrunken. Mein Vater erlaubt mir so viel ich möchte und ich habe mich einfach übernommen.“ Sehr betrunken sah er auf dem Bild nicht aus. Und auch heute Morgen sah er nicht so aus, dass er gestern viel getrunken hätte. „Lass sie los, du … du ...“ „Arsch, Betrüger, Idiot“, half Fjonna Kim aus und reichte mir die Hand.

Da ich nicht in der Lage war irgendetwas zu tun, nahm ich die gereichte Hand nicht an und auch als die Beiden gegangen waren – und Jim mit gezerrt hatten – saß ich noch lange auf der Bank vor dem Schulgebäude.

Noch immer tief getroffen saß ich wartend auf meiner Reisetasche und wartete auf die Dienstboten der Prinzen zu dem ich heute fahren würde. Auch nach drei Wochen nach der geplatzten Verlobung trauerte ich meinem Glück hinterher. Auch wenn ich eigentlich stink sauer sein sollte. Wie konnte er es überhaupt in Betracht ziehen mich zu betrügen? Und dann auch noch so offensichtlich! Aber Tatsache war, dass ich Jim wirklich angefangen habe zu lieben.
 

In der Ferne tauchte ein Wagen auf, das schnell näher kam. Aufgeregt wandte sich meine Mutter zu mir um, die neben mir stand. "Nun steh schon

auf, Kind. Der Erste Eindruck zählt." Sie hatte leicht reden. Soweit ich weiß hatte mein Vater sie von Anfang an geliebt und hätte den Teufel getan um sie zurück zu lassen. Er hatte auf sein Anrecht verzichtet im Palast zu leben nur um mit ihr zusammen zu sein. Auch wäre er bestimmt aus Heiden gezogen, wenn er nicht der Garde angehört hätte. Zumindest hatte meine Mutter mir das erzählt. Doch ich stand auf und zwang mich ein Lächeln aufzusetzen.

Das Gefährt hielt einige Zeit darauf vor uns. Es war gar kein Wagen sondern ein Kutschenähnliches Ding mit Pferden, die Räder statt Hufe hatten. Verrückt. Achja und natürlich hatte es auch ein Dach, was gut war, da es wohl bald anfangen würde zu regnen. "Inea Weis?" Ich nickte dem Mann in Buttleruniform freundlich zu. "Bitte steigen Sie ein." Er hielt mir die Tür auf, doch ich griff mir meine Tasche und hielt sie hoch. "Wo soll ich die Einpacken?" "Ich werde mich darum kümmern." Nachdrücklich zeigte er auf die noch immer offene Tür und ich umrundete die Tür und stieg unbeirrt ein. Die Tür wurde geschlossen und ich saß den beiden Prinzen gegenüber. Na super.
 

„Wir freuen uns dich in unseren Kutschto willkommen zu heißen." Kutschto? Wirklich. Hätten sie sich kein besseren Namen hierfür einfallen lassen können? "Ganz meinerseits", entgegnete ich jedoch nur und blickte durch das Fenster nach draußen. Meine Mutter winkte mir zum abschied noch einmal - ich hasste Verabschiedungen vor anderen, weshalb wir das ganze schon im Haus abgezogen hatten. War ich froh, dass meine Mutter mich verstand und mich nicht noch einmal in den Arm genommen hatte bevor ich eingestiegen war. "Können wir dir irgendwie behilflich sein dein Unwohlsein zu vertreiben?" Wieder blickte ich zu den beiden Männern vor mir. Wer von den beiden war wer? "Wir können dir alles bieten, was du wünscht." Ich schüttelte den Kopf. "Das bezweifle ich. Aber ihr könntet mir eine Frage beantworten." Synchron beugten sie sich interessiert vor. Der selbe Gesichtsausdruck, die selbe Geste. Alles an ihnen war gleich. Selbst die Kleidung. "Wen von euch habe ich an der Quelle getroffen und wen bei meiner Nachprüfung?" Sie sahen sich an, dann lächelten sie. "Das ist vollkommen irrelevant", sagte einer der Beiden. "Warum?" "Natürlich ist es das", sagte der Andere und ich blickte verwirrt von einem zum Anderen. "Und warum?", fragte ich und fing an an meiner Unterlippe zu knabbern - eine schlechte Angewohnheit, aber ich hatte sie nun einmal. Zwei Augenpaare verfolgten meine Reaktion interessiert, doch eine Antwort bekam ich nicht. Seufzend wandte ich mich von den Prinzen ab und sah wieder nach draußen.

„Wir sind gleich. In jeder Hinsicht. Es macht keinen Unterschied wen du wann wo getroffen hast." Eine Kurze Pause. "Zudem würde es dich beeinflussen und das darf nicht geschehen." Mich beeinflussen? Natürlich beeinflusst mich das. Den Einen fand ich ganz in Ordnung - der Andere sollte mir bloß aus dem Weg gehen. Außerdem konnten sie gar nicht zu 100% gleich sein! Das war Genetisch gar nicht machbar. "Inwiefern beeinflussen?" Wieder sah ich zu den Prinzen, die mich eingehend musterten. "An der Quelle sagte mir Einer von euch, dass der Andere von meiner Reaktion auf Miranda fasziniert war. Das impliziert, dass er selbst es nicht so sah." Die Brüder schauten sich gegenseitig an. Lange Zeit sagte keiner etwas. "Ist dir das wirklich so wichtig?" "Ja.“ Sie seufzten, doch eine Antwort bekam ich dennoch nicht. Auch gut – dann muss ich es eben selbst herausfinden. Somit hätte ich wenigstens die nächsten zehn Tage etwas zu tun.
 

Bei der Ankunft vor der Kuppel von Heiden, die durchsichtig war, schwiegen wir noch immer, da ich kein Interesse daran hatte mit zwei Leuten zu diskutieren, dass man nicht vollkommen gleich sein konnte. Zumal ich schon damit bestätigt worden war, dass einer von den Beiden Dominanter sein musste – ab und an passe ich im Unterricht wirklich auf. Ein paar Mal versuchen sie ein anderes Gesprächsthema zu finden, doch ich blockte ab, da sie mir auch keine Antwort gaben. Die anderen Mädchen vom Carsting waren alle schon vor der Kuppel und wurden von Anderen umwirbelt. Wahrscheinlich Bedienstete des Königs. Laut dem Schreiben, das ich ich bekommen hatte, stand, dass ich für den König hergerichtet werden würde. Ich unterdrückte mein so typisches Augenverdrehen und wandte mich zu den Prinzen um. „Habt ihr alle persönlich abgeholt und seid mit ihr her gefahren?“ Sie nickten synchron. Oh wie mir das jetzt schon auf die Nerven ging, aber ich hielt den Mund und wartete auf eine weiterführende Antwort. Als ich keine Bekam und die Tür aufging schüttelte ich den Kopf.

Nachdem ich ausgestiegen war zählte ich nach wie viele vom Carsting bereits hier waren und stellte ein bisschen gekränkt fest, dass ich die Letzte war. „Und … was passiert jetzt?“ „Du wirst für unseren Vater hergerichtet.“ Einer tauchte links von mir auf und der Andere rechts. Ist ihnen bewusst, dass dies auch Einfluss haben könnte? Vielleicht mag ich links lieber als rechts? Aber ich behielt meine Überlegung lieber für mich und verzog nur das Gesicht. „Es sind vier Kleider angefertigt worden von denen du eins tragen wirst.“ „Anschließend werden deine Haare und dein Gesicht etwas hervorgehoben“, führte der Andere die Erzählung weiter. „Kann nicht einfach einer von euch sprechen? Das würde Erklärungen um einiges einfacher machen. Und kommt jetzt bloß nicht wieder mit dem aufteilen davon, da ihr mich nicht beeinflussen wollt. Denn dann müsstet ihr nämlich alles doppelt sagen.“ Das war eines der Themen die sie versucht haben im Gefährt – ja ich werde dieses dämliche Wort Kutschto nicht verwenden! - an zuschneiden, um es mir noch einmal zu erklären. Zu meiner Überraschung sind ihre Stimmen wirklich sehr ähnlich, wobei Einer von ihnen immer ein klein wenig tiefer redet als sein Bruder. „Ich hoffe wirklich, dass du so etwas nicht zu unserem Vater sagst.“ „Das werde ich nicht, keine Sorge.“ Ich hatte keine Lust im Gefängnis zu landen oder wieder aus Heiden ausgewiesen zu werden. Ich würde nach diesem Carsting einfach noch vier Tage Lina besuchen! Das wusste meine Mutter zwar noch nicht, aber das würde ich ihr noch früh genug schreiben – genauer gesagt heute.
 

Die Prinzen verabschiedeten sich von mir und kurz darauf wurde ich von einer der Bediensteten angesprochen, zu meinem Platz geführt und zugetextet. Das meiste was sie sagte verstand ich gar nicht, da sie viel zu schnell sprach. „Oh und Priya möchte dich noch einmal sehen bevor du die Stadt betrittst“, sagte sie gerade – zumindest glaubte ich das. Dann drehte sie sich um und winkte eine weitere Frau heran, die eine Kleiderstange mit vier Kleidern daran zu uns schob. Bei uns angekommen blieb sie stehen und ich betrachtete die Kleider eingehend. Sie waren alle wunderschön, aber sie unterschieden sich nur in den Farbvarianten. Alle samt würden mir bis zu den Knöcheln reichen und sie waren alle trägerlos – das würde ja noch super werden. Zu meinem Glück waren sie trotz allem sehr schlicht gestaltet und nur ein hellerer Streifen der Hauptfarbe ging von meiner Schulter, bis er sich einmal um meine Taille legen würde. Um die Farben abzutrennen waren kleine weiße Steinchen in den Stoff eingenäht worden. Wenn die Kleider nicht trägerlos wären würde ich sagen, dass so ein perfektes Kleid aussah. „Welche Farbe möchten Sie, Miss Weis?“ Blinzelnd wandte ich den Blick von der Kleiderstange ab und bemerkte eine Frau mittleren Alters neben mir, die bis eben noch nicht da war. „Rot, Blau, Grün oder das Schwarze?“ „Schwarz“, sagte ich ohne lange darüber nachzudenken. Es hatte etwas einfacheres an sich und der dunkle Grauton für den Streifen erinnerte mich an mein erstes Kleid, dass ich von meiner Mutter bekommen hatte. Damals war ich sechs gewesen und hatte das Kleid zu meiner Einschulung bekommen. Die Frau lächelte mir zu und reichte es mir. „Sie sind also Inea Weis. Ich bin wirklich froh Sie nun in Heiden zu haben.“ Verwirrt lächelte ich freundlich zurück. „Ganz … meinerseits“, antwortete ich und betrachtete das Kleid noch einmal. „Nur an diesem Kleid sind echte Diamanten eingearbeitet. Ich wusste, dass Sie es nehmen würden.“ „Was?“ „Ich wusste, dass Sie das schwarze Kleid wählen würden, also sagte ich, dass die Diamanten in dieses eingearbeitet werden sollen.“ Noch immer mit offenen Mund starrte ich das Kleid an und hing es behutsam wieder in die Stange. „Das kann ich nicht tragen“, sagte ich und wollte gerade das rote Kleid greifen, als ein Wachmann zu uns kam. „Ich bitte um Entschuldigung, Miss Weis. Ich hätte Priya nicht zu Ihnen lassen dürfen. Bitte lassen Sie sich nicht von ihr beeinflussen.“ Die Wache kam ein Stückchen näher und senkte die Stimme. „Seit dem Krieg ist sie nicht mehr die Selbe und redet viel Unsinn.“ Er wich wieder ein Stück zurück und fuhr dann fort: „Und natürlich können Sie das Kleid tragen welches Sie möchten.“ Kopfschüttelnd verneinte ich. Auf keinen Fall würde ich echte Diamanten an einem Kleidungsstück tragen, dass ich anzog. Bei meinem Glück würden sie mir einen nach dem anderen abfallen. „Sollten Sie erwählt werden von dem Prinz, dann werden Sie es sogar müssen“, sagte die Wache, bevor er Priyas Arm ergriff und sie zu der Kuppel brachte. Das er von dem Prinz gesprochen hatte machte mir Sorgen, da es die Einzahl war und sie bisher noch zu zweit sind.

Viel Zeit darüber nachzudenken hatte ich aber nicht, da eine der Bediensteten wieder kam – wo waren sie eigentlich gewesen? „Ich habe Ihre Schuhe geholt. Ich hoffe wirklich, dass Priya Sie nicht belästigt hat? Sie darf ihr Labor eigentlich nicht verlassen ...“ Kurz herrschte Stille zwischen uns, da ich keine Ahnung hatte, was ich antworten sollte. „Haben Sie sich für ein Kleid entschieden?“ Freundlich lächelnd zeigte sie auf die Kleiderstange und bemerkte, dass das schwarze Kleid nicht mehr an seinem eigentlichen Platz hing. „Ah, das Schwarze also? Das ist super, da die Schuhe am besten dazu passen!“
 

Ich fügte mich meinem Schicksal und hatte letzten Endes das schwarze Kleid und die silbernen Highheels an. Zusätzlich war ich geschminkt und meine Haare wurden hoch gesteckt. Zu meinem Glück aber nicht geglättet. Alles im Allen gefiel mir mein Äußeres, doch ich selbst würde mich niemals so herrichten.

Wir warteten alle vor dem Abendsaal, in dem wir dem König vorgestellt werden würden und unser Abendessen zu uns nehmen sollen. Schon jetzt hatte ich bestimmt ein Drittel der Verhaltensregeln vergessen – ich würde mich einfach an die Anderen halten.

Nun gut, das mit an die Anderen halten war wohl nichts, da wir zu der Begrüßung einzeln aufgerufen worden waren und ich hoffte einfach, dass ich mich nicht zu dumm angestellt hatte – sowohl bei der Begrüßung als auch beim Essen. Nachdem das alles hinter mir war, wurde ich einfach zu meinem Zimmer geführt, dass natürlich das letzte im Gang war, und mit den Worten „Ihr Frühstück wird um acht Uhr auf Ihr Zimmer gebracht“, verabschiedet. Seufzend zog ich die Schuhe aus, die mich umgebracht hätten, wenn ich sie noch zehn Minuten länger anhaben müssen. Auch das Kleid zog ich aus und schlüpfte in mein Nachthemd, dass ich in meiner Tasche fand. Zwar wusste ich nicht wie meine Tasche in das Zimmer gekommen war, aber da es sich um mein Hab und Gut handelte machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber.
 

Die nächsten sieben Tage verliefen ruhig, doch ich konnte wirklich nicht herausfinden wer von den Prinzen wer war und das wurmte mich ungemein. Im Palast war es üblich, dass das Frühstück alleine eingenommen wurde und auch zum Mittag versammelten sich nur wir vom Carsting – Die Prinzen kamen hinein nachdem wir fertig waren und baten eine von uns mit ihnen zu gehen. Gegen späten Nachmittag wurde eine Andere ausgewählt und sie verbrachte einige Zeit mit den Prinzen. Nach dem heutigen Mittagessen war einer der Beiden verhindert, aber dennoch wurde ich ausgewählt mit dem verbleibenden etwas zu unternehmen. Auch wurde ich gefragt, ob ich ein Veto dagegen einlegen würde, da die Anderen Mädchen beide hatten. Wobei ich wirklich nicht verstand warum mich das stören sollte – laut den Prinzen, und allen anderen Reinblütern, waren Zwillinge komplett gleich. Warum sollte es mich als, rein Theoretisch, stören?

Wir beide saßen im Palastgarten. Der Prinz saß entspannt neben mir und blickte in den Himmel. „Was ist mit deinem Bruder?“, fragte ich um die nicht ganz unangenehme Stille zu durchbrechen. „Bei Priya. Anscheinend hast du das Gift nicht komplett entfernen können.“ Bitte was? Ich öffnete den Mund um etwas zu erwidern, doch der Prinz hob nur die Hand und sprach dann weiter: „Ergon war dagegen, dass wir dir sagen wer wer ist. Aber ich bin der Meinung, dass es wichtig ist es dir zu sagen. Wir sind tatsächlich nicht gänzlich gleich.“ Ein triumphierendes Lächeln legte sich in meine Züge. „Ich weiß, dass es für mich dadurch wahrscheinlich zu Nachteilen kommen würde, aber ich nehme das gerne in Kauf.“ „Und … warum?“ Der Prinz lächelte leicht und wandte den Blick von dem Himmel ab und sah mich an. „Ergon würde Samanta gerne heiraten. Ich selbst würde es nicht wollen. Ich gehe im übrigen immer links von dir.“ Okay. Gut zu wissen. Ich würde es mir merken. „Danke“, sagte ich und sah zu Boden. Das war eine Information mit der ich arbeiten konnte. „Bitte überdenke noch einmal deine Denkweise über uns. Darüber würde ich mich wirklich freuen.“ Dann stand er auf und ging davon, ohne dass ich ihm antworten konnte. Ja, wenn man diese Szene auf meine Nachprüfungen überträgt war er wirklich der Selbe. Zählte Fakten auf und verschwand. Wirklich super!

Die nächsten zwei Tage beobachtete ich die beiden Prinzen genau und fand immer mehr Unterschiede, die mich immer wieder zu der selben Antwort führten. Ergon – der Prinz dem ich an der Quelle getroffen hatte war der nettere der Beiden. So wie es aussah auch der Dominantere der Beiden, da er immer zuerst sprach und scheinbar auch immer ein halben Schritt vor seinem Bruder ist. Verrückt, dass es mir erst jetzt auffällt, nachdem – wie hieß der andere der Prinzen eigentlich? - der Prinz mir gesagt hatte wer von den Beiden wer war.
 

Meine Tür wurde geöffnet, ohne dass jemand angeklopft hatte. Ich sprang von meinem Bett auf, auf dem ich gesessen hatte, und wollte gerade zu meckern anfangen, als ich sah, wer in der Tür stand. Der König musterte mich eingehend, lächelte kurz und wurde dann wieder ernst. „Komm mit.“ Okay … Das ist seltsam. Seit wann kam der König, um solche Befehle zu erteilen? Doch ich gehorchte sofort, zog mir Schuhe an – alle Schuhe die ich bekommen hatte waren Highheels, was mir so gar nicht passte – und folgte ihm nach draußen. Er führte mich in einen Teil des Gartens, den wir nicht betreten durften und dort sah ich auch schon die beiden Prinzen sich gegenüberstehen. Beide sahen wütend aus und hatten die Hände zu Fäusten geballt. Samanta stand auf der anderen Seite des Gartens neben einer Bediensteten.
 

Unsicher was ich tun sollte stellte ich mich gerade hin und beobachtete die Szene vor mir. Ergon warf seinen Bruder einiges vor, dass er falsch gemacht hatte und dieser blieb stumm stehen, bis Ergon fertig war. Insgeheim feuerte ich Ergon an, damit er seinem Bruder mal gehörig die Meinung geigte, bis mir wieder einfiel, dass, wenn es nach Ergon ginge, ich noch immer nicht wüsste wer wer ist.

Dann passierte etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet hätte. Die Prinzen verwandeln sich blitzschnell und liefen aufeinander zu. Ein Schrei erfüllte die ungewöhnliche Stille, die ausgebrochen war, nachdem sie sich verwandelt hatten, und ich begriff erst dass ich es war, als die beiden Greifen zu mir sahen. Der König stand gefasst, schweigend und vollkommen ernst neben mir. „Warum tut ihr das? Ihr seid Brüder!“, rief ich und machte einen Schritt auf die Beiden zu. Der König hielt mich fest. „Sie werden kämpfen um herauszufinden wer der Dominantere von ihnen ist. Da dieser die nächsten vier Tage überleben wird.“ Einige Male blinzelte ich, bis ich verstand was der König gerade gesagt hatte. „Aber ...“, begann ich, wurde dann unterbrochen, als sich die Greifen mit den Klauen gegenseitig aufschlitzen wollten. „Sie werden in vier Tagen einundzwanzig. Der Dominantere wird den Tag überleben. Der Andere wird so oder so sterben und seine Kraft an den Anderen übertragen.“ Das war zu viel. Mir wurde schlecht und ich starrte zu Boden, um mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Ich hörte zwar noch immer die Kampfgeräusche und wollte meine Hände auf meine Ohren pressen – oder einfach hier weg – aber ich hielt mich davon ab. „Sollte Ergon gewinnen, wird Samanta Prinzessin. Sollte Eran gewinnen, wirst du Prinzessin“, sagte der König neben mir. Das ich gar keine Prinzessin werden wollte verschwieg ich ihm. Mein Herz gehörte bereits Jemanden, der mich mit einer Klassenkameradin betrogen hatte und es anschließend vehement abgestritten hatte – trotz Beweisfotos.

Tränen sammelten sich in meinen Augen als ich an das Foto dachte, dass Fjonna mir gezeigt hatte und ich schluckte den Klos in meinem Hals wieder hinunter. „Die Prinzessin wird eine hervorragende Ausbildung erhalten und wird mir hoffentlich wunderschöne Enkelkinder schenken.“ Das brachte das Fass zum Überlaufen. Ich würde keine gute Prinzessin abgeben – nicht einmal wenn mir drei Prüfer auf die Finger schauten konnte ich vernünftige Sätze von mir geben, wie soll es dann mit einem ganzen Volk werden? Bei allem was ich tun würde, würde ich bewertet werden, das konnte ich einfach nicht. Auch wenn Ergon sich nicht für mich entscheiden würde, wäre er ein besserer König. Außerdem würde ich dann auch keine Prinzessin werden und später keine Königin, wo ich mich nur blamieren würde.
 

Ich zog die Highheels aus, ignorierte den Ruf des Königs und rannte zu den beiden Greifen hinüber. Sie stoppten ihren Angriff aufeinander. Vor Ergon blieb ich mit ausgestreckten Armen stehen und öffnete den Mund um etwas zu sagen, kam aber nicht dazu. Er konnte seinen Angriff auf Eran nicht mehr umlenken und durchbohrte meine rechte Brust.

Ein stechender Schmerz durchflutete meinen Körper. Etwas anderes spürte ich nicht mehr und auch das Blut, dass durch meinen offenen Brustkorb spritzte nahm ich nicht wirklich wahr. Ohne nachzudenken war ich losgelaufen und würde nun endgültig für meine Fehlentscheidungen, die ich schon immer getroffen hatte, bezahlen. Langsam senkte ich den Kopf und blickte zu der Blutlache zu meinen Füßen. Ergon musste zurück gewichen sein, da ich seine Füße nicht sehen konnte. Es war so viel Blut, dass aus mir kam, was vollkommen verrückt war, da mein Herz nicht betroffen zu sein schien. Ich konnte fühlen wie es schlug.

Jemand sagte etwas, doch ich konnte es nicht verstehen. Dann wurden mir Hände auf meinen Rücken gelegt. Kurz darauf fühlte ich wie Energie in mir gebündelt wurde und ich sah zu, wie meine Wunde sich schloss. Ganz einfach – Die Energie bündeln, den Strom anpassen und die Wunde schließen. Wieso kam ich auf die Idee, dass ich sterben würde? Mein Blutverlust war zwar hoch, aber es hätte mir bewusst sein müssen, dass es hier jemanden gab der nach dem Kampf den Sieger heilen würde. Also würde die Wunde nicht weiter schlimm sein. „Inea?“ Eran stand vor mir, hob mein Kinn an und sah mir in die Augen. „Das war eine sehr dumme Entscheidung“, tadelte er – konnte er überhaupt etwas anderes? Ich sah zu Ergon, der sich zu Samanta zurückgezogen hatte und mit ihr leise sprach. „Er muss der Prinz werden.“ „Was?“ „Ergon muss Prinz werden. Er ist die bessere Wahl.“ Eran ließ mein Kinn los, wich einen Schritt zurück, öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Dann senkte er den Blick auf das Blut und sah kurz darauf wieder auf. „Sie brauch eine Bluttransfusion.“ Die Person hinter mir antwortete: „Priya sag, dass es nicht möglich sein. Es gibt kein Spenderblut für sie.“ Eran schnalzte mit der Zunge und Ergon kam auf uns zu. „Dann wird sie sich eben ausruhen müssen. Bringt sie auf ihr Zimmer.“ Er wandte sich zu seinem Bruder um. „Und wir sind noch nicht fertig.“
 

Irgendwann musste ich Ohnmächtig geworden sein, als man mich in mein Zimmer brachte, da ich mich nicht daran erinnern konnte gewaschen worden zu sein – und ich hoffe doch sehr, dass es von einer weiblichen Person durchgeführt worden war! Als ich soweit wieder wach war, dass ich meine Gliedmaßen spüren konnte realisierte ich, dass ich auf etwas weichen lag und es warm um mich herum war. Ich kniff meine Augen zusammen, damit ich sie anscheinend öffnen konnte, doch ich hielt inne als ich Eran sagen hörte – ich wusste einfach, dass es Eran war: „Du bist wieder wach. Wie geht es dir?“ In Anbetracht, dass meine rechte Brust aufgeschlitzt worden war und ich Ohnmächtig geworden bin würde ich sagen nicht so gut … „I-ich weiß nicht“, antwortete ich stattdessen, weil ich einfach nicht die Kraft hatte so viel zu sagen. Außerdem wäre es wohl auch nicht so gut angekommen wie ich es vorgehabt hätte. „Vielleicht solltest du Erstmal etwas essen.“ „Nein.“ Essen würde ich jetzt nichts können. Mein Magen fühlte sich aufgebläht an und in meinem Mund schienen sich Fusseln eingenistet zu haben. Ich öffnete die Augen und sah, wie Eran am Bettende auf und ab marschierte. Vor einem Bett, dass ich nicht kannte. „Wo bin ich? Und wie spät ist es?“ Er blieb stehen. „Du bist in meinem Gemach und e-“ „Was!?“ Schnell sprang ich aus dem Bett, taumelte und fiel wieder auf das Bett. „Langsam, Inea. Die Heiler sagten, dass du noch mindestens eine Woche im Bett bleiben sollst.“ „Von mir aus“, lenkte ich ein. „Aber bitte in meinem.“ Blinzelnd betrachtete Eran mich. „Du … bist in deinem Bett.“ Ich bin in meinem Bett? Was für ein Scherz sollte das denn nun sein? „Nein, dass bin ich nicht.“ „Natürlich. Mein Vater hat uns gestern verheiratet.“ Oh nein. Hatte ich denn kein Mitspracherecht? Ich war Bewusstlos! Wie konnte man mich dann verheiraten? „Sag dass das ein schlechter Scherz ist.“ „Ergon ist in der Nacht von vorgestern auf gestern verstorben. Dies hatte zur Folge, dass ich eine Frau nehmen musste, da ich der Kronprinz bin.“ „Schon klar. Aber Ashley ist bestimmt eine bessere Wahl als ich.“ Eran lachte leise. „Nein, dass ist sie nicht. Zumindest nicht für mich.“ „Du kennst mich doch gar nicht!“ Mühsam setzte ich mich auf. „Woher willst du das wissen?“ „Ich weiß es nicht“, gab er zu.

Da ich viel zu müde für so ein Gespräch war atmete ich tief durch und legte mich wieder hin. „Ich hoffe doch, dass es hier ein Sofa gibt?“ „Ja es ist im Zimmer nebenan.“ „Perfekt. Dann weißt du ja auch wo dein Schlafplatz ist die nächste Woche.“ „Dein Ernst?“ Seine Stimme hörte sich amüsiert an, doch ich gab nur ein knappes „ja“ von mir, bevor ich in meine Träume abdriftete.
 

Als ich wieder aufwachte bekam ich kaum Luft und der Prinz – der Kronprinz – stand mit besorgtem Gesicht über mir. Neben ihm zwei weitere Personen. Ich öffnete meinen Mund um etwas zu sagen, doch es kam nur Blut heraus. Schockiert sah ich der roten Flüssigkeit zu wie sie in die Decke gesogen wurde. „Aus dem Weg ihr Möchtegernheiler!“ War das Priya? Die Tür zum Zimmer wurde geöffnet und Priya stürmte in den Raum. Auf mich zu. „Setzt sie auf“, befahl sie, setzte sich auf die Bettkante und schloss meinen noch immer geöffneten Mund aus dem ich das Blut hustete, um wieder atmen zu können. Sie legte mir eine Hand auf die rechte Brust. Dann schloss sie die Augen. Meine waren weit aufgerissen und trotzdem sah ich nur wie Eran mich ansah als würde ich schon längst tot sein müssen. „Wie lange geht das schon so?“, fragte Priya und ich spürte ihre Energie in mir. Eran atmete tief durch, gewann ein wenig seiner Fassung wieder und antwortete: „Seit ungefähr fünf Minuten. Ich habe … gespürt, dass ihre Atmung aus den Takt gerät und habe sofort die Heiler gerufen.“ Priya schnaubte verächtlich. „Und du dachtest wirklich, dass Heiler sie retten können? Ihr Herz wurde regelrecht zerfetzt von deinem Bruder.“ Verwirrung stand Eran offenkundig ins Gesicht geschrieben. Mein Herz? Ich wusste, dass ich daran gedacht hatte, dass ich sterben würde, aber mein Herz wurde doch gar nicht beschädigt. Zudem wurde meine rechte Brust durchbohrt und nicht die Linke – warum sollte mein Herz also zerfetzt sein? Priya klopfte mir kräftig auf den Rücken. Reflexartig beugte ich mich weiter nach vorne, öffnete den Mund und spuckte Blut auf das Bett. „Besser?“, fragte sie während sie mich musterte. Erstaunlicherweise ging es mir wirklich besser. „Dein Herz braucht Zeit um wieder zu heilen. Keine Anstrengungen, kein Streit mit deinem Mann und vor allem solltest du im Bett bleiben.“ Verwirrt blickte ich sie an. „Mein Herz?“ „Ich weiß, dass es gebrochen ist und seit dem mit Ergon ist es nun auch noch zerstört worden. Es wird sich wieder regenerieren, aber es braucht Zeit.“ Eran trat hinter Priya. Skeptisch betrachtete er sie eine Zeitlang ehe er fragte: „Woher willst du das wissen?“ „Du bist mit ihr verbunden. Ich habe es gesehen, aber ihr Herz ist noch nicht bereit dazu. Vielleicht wird es nie dazu in der Lage sein.“ „Moment mal“, schaltete ich mich ein. „Mein Herz ist auf meiner linken Seite, das weiß jedes Kind. Wieso redest du immer zu von meinem Herzen?“

Epilog

Priya schüttelte leicht den Kopf bevor sie mich an sich zog. „Ich gebe dir vollkommen recht. Aber du bist nicht wie jedes Kind. Dein Vater hatte mir damals, bevor der Krieg begann, gesagt, dass er uns nicht aufgeben würde.“ Uns aufgeben? Meines Wissens nach war er Zeit seines Lebens nur mit meiner Mutter zusammen gewesen … „Er sagte, dass er mich nicht alleine lassen könnte.“ Er hatte sie nie besessen. Er liebte meine Mutter! „Schon vor dem Krieg wusste er, dass es keine Hoffnung für uns gab.“ Nun schüttelte ich den Kopf, wandte mich aus Priyas Armen und wich vor sie zurück, doch sie sprach unbeirrt weiter. „Also wollte er eine Tochter haben, die er zwar nur beobachten kann -“ „Nein!“ Ich zog meine Beine an meinen Körper, legte die Arme darum und legte meine Stirn darauf. „Papa liebte meine Mutter.“ Natürlich benahm ich mich wie ein Kleinkind, aber diese Geschichte wollte ich nicht hören.

Ich war die Tochter meiner Mutter und mein Vater hatte sie bis zu seinem Ende geliebt. Eran setzte sich zu mich auf das Bett. Ein bestimmtes „Abführen“ kam von ihm und die Wachen, die an der Tür gewartet hatten, traten auf Priya zu. „Er liebte deine Mutter“, sagte Priya so leise, dass ich dachte ich hätte es mir nur eingebildet. „Das ist das schöne an ihm gewesen er konnte lieben und sie behalten. Du musst erst einmal alles falsch machen, bis du deine Aufgabe schaffen kannst.“ Sie stand auf und lies sie widerstandslos von den Wachen an den Armen fassen. „Ich sollte es dir nicht jetzt sagen, gerade weil es hier auch noch andere gibt, aber du solltest es wissen und da ich bezweifle, dass man mich jemals wieder mit dir reden lässt ...“ Kurz verstummte sie, bis die Wachen sie Richtung Tür zogen. „Drachen haben ein zweites Herz auf der rechten Seite – auch im Menschlichen zustand. Weiße Drachen bekommen schwarze Drachen als Nachkommen. Und schwarze Drachen weiße. Er wollte keine Kinder haben. Deine Mutter wollte es, also lies er zu, dass deine Schwester geboren wurde. Vor dem Krieg … Vor dem Krieg, als die Anzeichen deutlich genug waren, war er der einzige der schaffen konnte unser Blut weiter zu vererben. Ich hätte mein Kind nicht aufziehen können wenn ich gestorben wäre. Die Anderen hatten ihre Partnerin noch nicht gefunden oder sie waren zu jung.“ Priya lächelte schwach. „Nicholas wusste was er dir und seiner Frau mit deiner Geburt antat, weshalb er sich bis zu dem Zeitpunkt vor dem Krieg geweigert hatte unsere Linie weiterzuführen. Du bist ein Drache, Inea. Ein schwarzer Drache. Nur durch viele glückliche Zufälle bist du überhaupt noch am leben, da ihr schwarzen dazu neigt verloren zu gehen, sich in tödlicher Gefahr zu bringen oder einfach von eurem Pech erdrückt zu werden.“

Priya war schon fast aus dem Zimmer gebracht worden, doch bevor die Türen zugeschlagen worden waren sagte sie noch: „Ich habe so lange auf dich gewartet, Inea Weis, Tochter Nicholas, schwarzer Drache.“
 

Eran murmelte etwas davon wie verrückt Priya sei, doch ich hörte ihm nicht zu. Ich bin ein Drache. Ein schwarzer Drache – ich würde mich wandeln können und ich würde mit meinem Vater sprechen können sobald ich sein Ei gefunden hätte. Auf einmal machte so vieles in meinem Leben Sinn. Die Worte, die mir einfielen, obwohl ich sie nicht kennen sollte. Die ewige Pechsträhne. Die vielen Rückschläge.

Nachdem Priya ihre letzten Worte sagte wusste ich, dass sie Recht hatte – ich wusste es einfach.
 

Ich bin ein schwarzer Drache.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Sooo nachdem ich endlich Zeit hatte auch den Epilog hoch zu laden ...
Bin ich fertig ^_^

Vielleicht kommt noch ein zweiter Teil, aber ich möchte nichts versprechen ... Komplett anzeigen

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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von: abgemeldet
2016-10-14T16:21:10+00:00 14.10.2016 18:21
Hallo -Tetsuki-,
hier kommt endlich mein Kommentar. Ich kann mich nur entschuldigen für die Verspätung.

Also die Geschichte fand ich großartig, vor allem da ich Drachen und magische Handlungen liebe. Da hast du genau meinen Geschmack getroffen, also ich kann ich mich nur dafür bedanken. Mein Herz schlägt für Fantasy :3 kein Wunder das ich solche Geschichten gerne lese, aber jetzt kommentiere ich mal zum Prolog. ;D

Der spannende Einstieg ist dir sehr gelungen. Bei den ersten Sätze dachte ich nur, wo bin ich den jetzt gelandet XD bei einer Show? Genau der Gedanke machte mich relativ neugierig und las mit Freude den Prolog weiter. Die Ich-Perspektive war zu der Handlung passend. Ich konnte richtig mit dem weiblichen Charakter mitfiebern. Anscheint ging es um die Fahrt nach Heiden und ein persönliches Gespräch mit den Prinzen. Das Mädchen war ja nicht von ihm begeistert, ein sehr interessanter Charakterzug. Solche Bescheidenheit bei Charakteren mag ich, natürlich sind nicht alle so =P Oh Miranda hat also gewonnen. Da hatte das Mädchen anscheint Glück und Pech zu gleich. Gerne würde sie nach Heiden wollen, aber nicht wegen dem Prinzen. Die letzten Sätze waren Oh HO! Da bin ich mal gespannt weiter zu lesen ;D

LG^^Alien^^


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