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Blutsband 1

von

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Kapitel 1 Katy

Die großen Glastüren vor mir öffneten sich, mit einem breiten Grinsen auf meinem Gesicht bahnte ich mir meinen Weg durch die hereinströmenden Menschen, um nach draußen zu gelangen. Meine beste Freundin Zoe eilte an meine Seite und versuchte erst einmal wieder zu Atem zu kommen.

„Endlich sind wir hier, Zoe!“ Völlig überdramatisch, drehte ich mich um mich selbst. Zoe beäugte das Specktakel kopfschüttelnd. Ich konnte jedoch ein Lachen in ihrer Stimme erkennen.

„Du hast wirklich einen an der Klatsche, Katy. Musstest du so rennen? Ich hätte dich fast aus den Augen verloren!“

Ich konnte es noch immer nicht fassen, dass ich, Katherine „Katy“ Clarke nun wirklich hier stand. Ich hätte heulen können vor Freude. So lange war es schon mein Traum gewesen und nun wurde er tatsächlich zur Realität. Das große Leuchtschild über mir log nicht, ich befand mich tatsächlich in Moskau!

Die noch immer kalte Luft des beginnenden Frühlings umgab mich, ich atmete tief ein um mich selbst und Zoe zuliebe etwas zu beruhigen. Hinter mir konnte ich das Klackern der Kofferrollen auf dem Vinylboden des Flughafens hören, das sich mit dem Stimmengewirr der verschiedenen Menschen zu einer lauten Masse formte. So unglaublich lange schon hatte ich den Wunsch einmal nach Moskau zu reisen, die märchenhaften Gebäude faszinierten mich genauso sehr wie die russische Sprache. Ich hatte wirklich versucht sie zu lernen, doch musste mich schnell wieder geschlagen geben, nachdem Zoe mir erklärt hatte das meine Aussprache, wie eine ich zitiere: „Sich in Zeitlupe übergebende Ziege“ anhörte. Dafür war mein englisch umso besser. Mein Vater, geborener Brite, hatte darauf bestanden mich zweisprachig aufwachsen zu lassen. Damit würde ich es schon schaffen uns zu unserer Unterkunft und den Sehenswürdigkeiten zu führen.

Zoe hatte nicht viel für Moskau übrig und wäre lieber in ein sonniges Land im Süden geflogen, doch liebte sie mich viel zu sehr um mich alleine in eine riesige Weltstadt fahren zu lassen. Sie zog gerade die Karte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln aus ihrer Tasche und beäugte diese skeptisch.

„Ich bezweifle das wir jemals in unserem Hotel ankommen werden.“ Ich gesellte mich neben sie und starrte auf das Wirr Warr der bunten Striche, die Bus und Bahn der Ochotny Rjad widerspiegelten.

„Naja, also wir wissen schon mal das wir Hier sind.“ Mit meiner Fingerspitze deutete ich auf den Flughafen. „Und wir müssen da hin.“ Mein Finger wanderte zu dem roten Punkt, der den Standort unserer Hotels widerspiegelte.

„Weißt du Katy, ich habe genau wie du meinen Abschluss gemacht. So weit war ich auch schon aber, wie kommen wir von A nach B?“ Das war nun wirklich ein Problem, dem wir uns stellen mussten.

„Wir schaffen das schon, Zo. Lass uns einfach in…ähm… Rot einsteigen und sehen wohin sie uns führt. Zumindest scheint sie in Richtung Innenstadt zu fahren.“ Zoe seufzte und ließ den Plan wieder in ihrer Tasche verschwinden.

„Deinen Optimismus hätte ich gerne.“ Ich grinste ihr breit entgegen.

„Hey, wir sind in Moskau was kann jetzt noch schiefgehen?“

„Du und diese Art zu denken sind der Grund warum meine armen Eltern irgendwann einmal von der Polizei gesagt bekommen, das ihre Tochter spurlos verschwunden ist.“ Sie lachte und knuffte mich spielerisch in meine Schulter.

Mit viel Geduld bahnten wir uns unseren Weg zurück durch die ankommenden Menschen, die sonnengebräunt ihre Familien umarmten oder diese die in voller Eile zu ihrem Gate rannten und keinen Gegenverkehr duldeten. Ich hörte ein Baby weinen und sah einem Mann zu der wild gestikulierend mit seinem Partner am Telefon stritt, zumindest klang es so, sie könnten sich natürlich auch nur über das Abendessen unterhalten haben.

Russisch ist für mich eine sehr faszinierende aber auch verwirrende Sprache. So oft bekam ich Unterhaltungen mit, die klangen als ginge es um Leben und Tod und am Ende stellte sich heraus, dass es sich um ein Rezept für einen Nudelsalat handelte. Ich verlangsamte meinen Schritt, damit meine beste Freundin nicht doch noch aus Versehen unterwegs verloren ging. Eine lange Rolltreppe führte uns zu einem U-Bahn Gleis, von dem aus unsere Bahn fahren sollte. Wir hatten ziemliches Glück und mussten nicht lange auf unsere Bahn warten.

Vollkommen erschöpft ließ Zoe sich in einen Viersitzer fallen.

„Und jetzt?“ Fragte mich meine zerzauste beste Freundin.

„Gib mir doch noch mal den Plan.“ Sie kramte in ihrer Tasche und reichte mir den schon mittlerweile in Mitleidenschaft genommenen Fahrplan. Mehr mit Augenmaß als mit Wissen suchte ich die Haltestelle, die am nächsten an unserem Hotel lag und lernte den Namen der Haltestelle auswendig. Immer wieder sagte ich die Haltestelle vor mir her „Krasnaja Ploschtschad“.

„Was hast du gesagt?“ Zo, die sich gerade ihr langes, blondes Haar durchbürstete, sah mich verwirrt an.

„Nichts, das ist nur unsere Haltestelle. Zumindest die an der wir aussteigen und dann weitersehen.“

Sie runzelte die Stirn und widmete sich wieder ihrem Haar, das sie nun zu einem hohen Zopf zusammenband. Die Fenster der Bahn spiegelten sich, aber ich wusste auch ohne einen Spiegel das mein Haar grausam aussehen musste. Der Knoten auf meinem Kopf hatte auch schon bessere Zeiten erlebt, Strähnen meiner dunklen Locken fielen mir in mein Gesicht und ließen alles eher an ein Nest erinnern. Für mich gab es jetzt jedoch wichtigeres als meine Haare, denn unsere Haltestelle wurde aufgerufen. Eine erneute Rolltreppe beförderte uns an die Oberfläche. Die Sonne war schon fast untergegangen und um uns herum tobte der Moskauer Alltag. Ich entschied mich dazu dem Menschenstrom zu folgen und sog scharf die Luft ein, als ich erkannte wo wir waren.

Diesen Ort kannte ich bisher nur auf Bildern. Doch jetzt vor mir, mit der Dämmerung des Abends wirkte er noch imposanter! Vor uns lag der Rote Platz, ich konnte die Kathedrale sehen und musste erst einmal stehen bleiben um mein wild schlagendes Herz zu beruhigen.

„Wahnsinn!“ Hörte ich Zoe sagen. „Jetzt versteh ich, wieso dir Moskau so gefällt.“

Wir schossen unser erstes Urlaubsfoto und lachten über unsere völlig erschöpften Gesichter.

Eine Weile betrachteten wir einfach das Geschehen um uns herum, bis uns wieder einfiel das wir noch ein Ziel für heute hatten. Der Check-in in unserem Hotel. Ich sah mich um, ob ich vielleicht irgendwo einen Stadtplan finden würde, und wurde auch ein paar Meter von uns entfernt fündig. Ich lohtzte uns beide vor die große Tafel und wenn wir den Verkehrsplan schon verwirrend fanden, hatten wir hier das ultimativ, unlösbare Rätsel vor uns.

„Oh man, wie sollen wir das Hotel nur jemals finden Katy?“ Zoe ließ ihren Kopf auf die große Tafel fallen und seufzte hörbar laut. Mir ging es nicht anders, doch ich wollte ihr Mut zu sprechen und tat zumindest so, als würde ich wissen, was ich da sah. Mein Finger fuhr über die vielen Straßen und Kreuzungen, doch nichts. Kein Geistesblitz oder große Erkenntnis.

„Wir sind jetzt schon das Gespött Moskaus, sieh mal da rüber. Der Typ beobachtet uns und sein Freund lacht sich über uns kaputt.“ Ich konnte das Lachen hören und sah böse in die Richtung, die mir Zoe gedeutet hatte. Knapp drei Meter neben uns standen zwei großgewachsene Männer. Die unter anderen Umständen gar nicht mal so unattraktiv gewesen wären. Der kleinere von ihnen grinste uns frech entgegen und flüsterte seinem Begleiter etwas ins Ohr. Ich sah mir seinen Freund etwas genauer an, wenn er mich schon anstarrte, als wäre ich eine Circus Attraktion konnte ich das ja wohl auch genauso tun. In dem Moment, in dem ich in sein Gesicht sah, bereute ich es schon wieder. Er sah gut aus, nicht die Sorte gut, die man nett anlächelt. Wir reden hier von der Sorte verdammt heiß gut. Seine dunklen Haare passten Perfekt zu den grauen Augen in seinem markanten Gesicht, das durch einen leichten Bart noch schöner wirkte. Er war muskulös, nicht wie diese verrückten Fitness Junkies die jeden Tag ins Studio rennen und sich mit Steroiden vollpumpen. Nein. Es sah natürlich aus und doch konnte ich nur erahnen, wie sein Körper unter der schwarzen Lederjacke aussah. Sein Blick hielt direkt in meine Augen und ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen. Es machte mich wütend, wie sie einfach nur dastanden und uns bei unserem Versagen beobachteten. Schnaufend wendete ich mich wieder Zoe zu, die den blonden, kleineren nicht ganz so attraktiven Mann beäugte. Ich schnipste mit meinen Fingern vor ihrem Gesicht.

„Wenn diese zwei hohlen Schönlinge uns schon dabei beobachten wie wir den Plan studieren, können sie uns auch direkt helfen. Sie scheinen eh nichts Besseres zu tun zu haben.“

Noch bevor Zoe die Möglichkeit hatte mich aufzuhalten, machte ich mich auf den Weg die zwei Männer um Hilfe zu bitten. Hinter mir hörte ich ein Lautes „Warte, was?!“ Doch dafür war es jetzt zu spät. Ich stand direkt vor dem attraktiven Unbekannten mit den schwarzen Haaren. Jetzt wo ich genau vor ihm stand, wirkte er noch größer. Er lächelte und hielt seine Augen auf mich gerichtet. Obwohl ich wütend war, kam ich nicht umhin die Gänsehaut zu ignorieren, die seine Nähe in mir ausgelöst hatte. Ich kam mir so klein und zerbrechlich vor.

„Guten Abend, junge Frau.“ Mir blieb der Mund offen stehen. Der leichte Russische Akzent in seiner Stimme ließ mich zusammenzucken. Das Blut schoss mir in meine Wangen als ich bemerkte das er jedes Wort verstanden hatte das ich gerade zu Zoe gesagt hatte. Mein ganzer Mut war dahin. Ich wollte einfach wieder zurück kriechen und mich hinter der riesigen Tafel verstecken.

„Kann ich Ihnen vielleicht zufälligerweise helfen? Ich habe gerade nichts Besseres zu tun.“ Sein Deutsch war perfekt und sein russischer Akzent ließ mir erneut ein Schwall Gänsehaut über den Rücken jagen. Er hatte etwas Autoritäres in seiner Stimme, was unheimlich sexy war. Ich versuchte mich daran zu erinnern das ich eben noch wütend auf ihn und seinen Begleiter gewesen war und räusperte mich.

„Zufällig ja. Wenn Sie schon sehen, das wir Hilfe brauchen, dann bieten Sie, sie doch auch an. Das ist wirklich unverschämt.“ Ich stemmte meine Arme in die Hüfte und sah ihm fest in die Augen. Das Lächeln um seine Lippen wurde größer.

„Sie haben natürlich vollkommen Recht. Wie kann ich Ihnen und ihrer Freundin weiterhelfen?“ Es machte mich wahnsinnig, dass er so gut aussah und ich mich kaum konzentrieren konnte.

„W… Wir suchen unser Hotel.“ Ich reichte ihm den Flyer des Hotels und erschrak, als sich unsere Finger berührten. Sein Begleiter sah kurz auf den Namen des Hotels und antwortete in genauso gutem Deutsch.

„Ich weiß wo das ist, ich kann euch dorthin führen.“ Zoe kam freudestrahlend zu uns gestürmt.

„Wirklich? Das ist großartig! Lass uns gehen, komm Katy.“ Sie zog mich an meinem Arm doch mein Blick ruhte noch immer auf den grauen Augen des Fremden. Noch nie zuvor hatte ich so eine Farbe gesehen, sie wirkten fast silbern. Sein markantes Gesicht machten es schwer sein Alter einzuschätzen, aber allzu viel älter als wir konnte er nicht sein. Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie sein blonder Begleiter versuchte meine beste Freundin für sich zu gewinnen.

„Machen Sie sich keine Sorgen, wenn er es übertreiben sollte, werde ich ihn zurecht weißen.“ Ich erschrak erneut.

„Woher wussten Sie das?“ Er lächelte freundlich.

„Man hat Ihnen Ihre Sorge angesehen.“ Schüchtern fuhr ich mir mit meiner Hand durch meine Haare und erreichte damit nur das sich noch mehr Strähnen aus meinem Haar lösten. Ich gab es ganz auf und zog das Haargummi aus meinem Haarknäul und ließ mir meine Haare über die Schultern fallen.

„Sie… Sie haben sehr schönes Haar.“ Sein Blick hatte etwas sinnliches und auch seine leicht geöffneten Lippen ließen mich erröten.

„Komm jetzt Katy!“ Zoe riss mich aus dieser verzwickten Situation. Ich ließ mich von ihr mitziehen und folgte unseren zwei neuen Begleitern die belebte Straße entlang. Während wir an einer Ampel darauf warteten das sie auf Grün schaltete, gesellte er sich wieder zu mir.

„Ihre Tasche muss sehr schwer sein, ich nehme sie Ihnen ab.“ Ich sah zu ihm auf und versuchte nicht wieder ins Grübeln seiner Augenfarbe zu versinken.

„Nein, es geht schon aber danke.“ Meine Finger zitterten und ich hielt mich an den Trägern meines großen Reiserucksackes fest. Seine Hand legte sich sanft über meine. Ein Zucken, wie ein elektrischer Schlag durchfuhr die Stelle an der er mich berührt hatte.

„Ich bestehe darauf.“ Ich trat einen kleinen Schritt von ihm Weg und verschränkte meine Arme vor der Brust.

„Wer sagt mir, dass Sie nicht vorhaben meine Tasche zu stehlen?“ Ein amüsiertes Lächeln trat auf seine Lippen .

„Habe ich Ihnen bisher anlasse dazu geben, etwas Derartiges von mir zu denken?“ Mein Blick fiel auf Zoe, die ihre Tasche schon an den jungen, blonden Mann abgegeben hatte und sich freudestrahlend mit ihm unterhielt. Er schien nicht den Anschein zu machen gleich Wegrennen zu wollen. Ich seufzte und ließ den schweren Rucksack auf den Boden fallen.

Mit einer Leichtigkeit schwang er sich einen Träger über seine Schulter und beäugte die Ampel die gerade auf Grün geschaltet hatte. Ohne es groß zugeben zu wollen war es wirklich eine Erlösung das schwere Gewicht nicht mehr durch die Gegend tragen zu müssen. Am Anfang unserer Reise war ich noch überzeugt davon, dass es eine Super Idee wäre statt einem rollbaren Koffer einen riesigen Rucksack mit mir herum zu schleppen. Auf seiner Schulter sah er so leicht aus, dass ich mich wieder einmal schwach fühlte.

„Danke sehr aber Sie hätten das wirklich nicht tun müssen.“ Mein Blick war auf die gepflasterte Straße vor uns gerichtet.

„Vielleicht beantworten Sie mir im Gegenzug ein paar Fragen.“ Überrascht sah ich nach oben.

„Natürlich nur, wenn sie Ihnen nicht allzu privat sind.“ Ich nickte und automatisch verlangsamten wir unseren Schritt. Er zog eine kleine silberne Metallschachtel aus seiner Jacke und steckte sich eine Zigarette in den Mundwinkel.

„Stört es Sie, wenn ich rauche?“ Ich schüttelte den Kopf und sah ihm dabei zu, wie er sie mit einem teuer aussehenden Feuerzeug anzündete. Ich beobachtete die hell leuchtende Glut und den blauen Rauch, den er in die Nacht blies. Auch wenn rauchen etwas Ungesundes war, sah es an ihm doch auf irgendeine Weiße sehr erotisch aus.

„Sie scheinen nicht aus Russland zu kommen, was verschlägt sie in eine große Stadt wie Moskau?“

Ich überlegte kurz, was genau ich ihm sagen sollte.

„Moskau strahlt für mich etwas Magisches aus. All die alten, bunten Gebäude scheinen nicht aus dieser Welt zu stammen und na ja…“ Ich seufzte, als sich eine traurige Erinnerung in mein Gedächtnis stahl. „Vielleicht wollte ich dieser Welt zumindest für einen Moment entfliehen.“

Sein Blick verfinsterte sich unmerklich.

„Moskau ist eine dreckige Stadt.“

„Nicht schmutziger als andere Großstädte, die ich gesehen habe.“

„Es ist ein Dreck, der nicht für Ihre Augen bestimmt ist.“

Eine ungemütliche Stille hatte sich zwischen uns ausgebreitet, die ich nicht länger dulden wollte.

„Woher haben Sie gelernt so gut deutsch zu sprechen?“

„Ich spreche viele Sprachen.“

„Das erklärt nicht, woher Sie Ihr können haben.“ Der grimmige Blick verschwand aus seinen schönen Zügen und wich einem erneuten kleinen Lächeln, das ihn noch unwiderstehlicher aussehen ließ.

„Ich habe an vielen Orten auf der Welt gelebt und viele schöne Plätze gesehen.“

„Und was hat Sie dann wieder zurück nach Moskau gezogen?“

„Irgendetwas zieht einen doch immer zurück in die Heimat oder nicht?“

„Dann war es Ihre Familie, weshalb sie zurückgegangen sind?“

„Meine Familie ist schon sehr lange Zeit Tod, ich habe nur noch meinen Bruder.“

„Das tut mir sehr leid.“ Auch ich hatte geliebte Menschen verloren aber daran wollte ich jetzt nicht denken. Ich war hierhergekommen um endlich damit abschließen zu können.

„Es ist in Ordnung, es ist viel Zeit vergangen.“

Er sah zu dem blonden Mann und meiner besten Freundin.

„Die beiden scheinen großen Gefallen aneinander gefunden zu haben.“ Ich folgte seinem Blick und konnte ihm nur zustimmen. Zoe war eindeutig in Flirtlaune und mehr als vertieft in ihr Gespräch mit dem hübschen blonden Mann.

Ich seufzte, wie konnte man sich auch nicht sofort in sie verlieben. Zoe hatte es noch nie schwer gehabt die Aufmerksamkeit der Männer auf sich zu ziehen. Sie sah atemberaubend aus und hatte eine Figur, die jedes Model eifersüchtig gemacht hätte. Ihre blauen Augen wurden von langen, dichten Wimpern eingerahmt und ihre vollen, sinnlichen Lippen führten dazu, dass die Männer nur so daran hingen. Ich liebte Zoe seit dem Tag an dem sie neu in unsere Klasse, in der Grundschule kam und mich als ihre beste Freundin auserkoren hatte. Wir wurden zu Pech und Schwefel und verbrachten seither jeden Tag miteinander. Ich würde nicht sagen, dass ich hässlich bin aber im Gegensatz zu Zoe hatte ich, meiner Meinung nach an einigen Stellen ein paar Kurven zu viel.

„Alles in Ordnung? Sie scheinen in Gedanken verloren zu sein.“ Ich erwachte aus meinen Tagträumen und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf den gutaussehenden Mann neben mir.

„Nein, nein. Mir geht es gut. Ich habe nur gerade daran gedacht, dass es kein großes Wunder ist, das Ihr Bruder sich zu Zoe hingezogen fühlt. Ich meine jeder Blinde würde sehen, wie wunderschön sie ist.“ Er lächelte abermals.

„Hmm, hübsch ist sie aber ich fand brünette Frauen schon immer attraktiver.“ Meine Wangen liefen rot an und ich versuchte mein Gesicht vor ihm zu verstecken.

„Zum Glück haben mein Bruder und ich so einen unterschiedlichen Frauengeschmack, so kommen wir uns nie in die Quere.“ Er fuhr mit seiner Tortur fort. Ob er sich überhaupt bewusst war, was er da mit mir anstellte. Wir schlossen zu den anderen beiden auf und hielten vor einem großen, alten Gebäude an. Von außen machte es nicht besonders viel her aber das hatten wir bereits auf den Bildern im Internet gesehen.

„Wir sind da.“ Verkündete sein Bruder. Zoe und ich grinsten uns an.

Die beiden großen Männer hielten uns die Tür auf und sobald wir die Empfangshalle betreten hatten, stockte uns der Atem. Alles um uns herum war verziert mit Gold und Kristallen. Es war das einzige Hotel, das noch ein Zimmer für uns frei hatte und unser Geld reichte gerade so für die billigsten Doppelzimmer. Die Dame an der Rezeption sah zu uns auf und weitete ihre viel zu überschminkten Augen. Ihr Blick war nicht auf uns, sondern auf die Männer hinter uns gerichtet. Sofort eilte sie nach vorne, an uns vorbei, wobei sie mich auf ihrem Weg vollkommen übersehen hatte. Ich wurde unsanft zur Seite geschupst und spürte direkt eine starke Hand in meinem Rücken.

„Was für eine Ehre! Womit haben wir den Besuch der berühmten Kovalewskij Brüder verdient? Was kann ich für Sie tun?“ Ihr Blick verriet, dass sie nicht abgeneigt war, mit einem (oder beiden) in einer ihrer Hotelsuiten zu verschwinden. Zoe und Ich sahen uns sprachlos und fragend an. Die berühmten Kovalewskij Brüder? Keiner von Ihnen hatte auch nur etwas Derartiges angedeutet. Schweigend standen wir am Rand und beobachten das Szenario.

„Unsere Freundinnen hier haben ein Zimmer in ihrem Hotel gebucht, wir haben ihnen nur den Weg gezeigt.“ Zoe lief bei den Wort Freundinnen rot an und hielt sich an meinem Arm fest. Ein hasserfüllter Blick der Rezeptionistin legte sich über uns.

„Natürlich, ich werde sofort nachsehen.“

„Ich danke Ihnen.“ Sie verschwand hinter ihren Tresen und sah in ihren Computerbildschirm.

„Es tut mir sehr leid, es scheint wohl ein Fehler vorzuliegen, ich habe hier keine Reservierung.“

„Was? Das kann doch nicht sein. Sehen sie bitte noch einmal nach.“ Sie rümpfte ihre Nase.

„Junge Frau, wenn ich es ihnen doch sage, für ihre Preisklasse haben wir keine Zimmer mehr frei.“ Die Abfälligkeit in ihrer Stimme war kaum zu überhören, mit der sie unsere Preisklasse betonte.

„Sehen Sie bitte noch einmal unter Zoe Bauer nach.“ Genervt tippte sie den Namen erneut ein, sie wurde blass und schluckte.

„Gibt es ein Problem, gute Frau?“ Mein großer Begleiter stand hinter uns.

„Wie es aussieht, wurde ihr Zimmer doppelt vergeben.“

„Dann scheint es nicht an unseren zwei Freundinnen zu liegen.“ Schaltete sich Blondie ein.

„Da lässt sich doch sicher etwas machen.“ Sie sahen ihr tief in die Augen.

„Es tut mir sehr leid, wir haben keine Zimmer in dieser Kategorie mehr frei.“ Sie wirkte eingeschüchtert und zitterte leicht. „Aber ich kann Ihnen eine Suite anbieten.“

„Zoe, das können wir uns nicht leisten.“ Zoe nickte traurig. Erneut legte sich eine große Hand auf meinen Rücken. Ich sah nach oben in das Lächeln des Mannes der mir auf dem Weg hier her Gesellschaft geleistet hatte und dessen Berührungen ein ungewohntes Kribbeln in meinem Körper auslösten.

„Sie haben die Damen gehört, lässt sich da nicht irgendetwas Regeln, da es ja ganz offensichtlich nicht ihre Schuld war.“ Erneut sah er ihr fest in die Augen, ihr Blick wurde glasig.

„Natürlich. Sie bekommen die Suite für den Preis ihres eigentlichen Doppelzimmers.“

Zoe sprang mir um den Hals und bedankte sich bei unseren Rettern.

„Ich weiß nicht, wie wir Ihnen dafür danken können.“ Mein Blick richtete sich auf die grauen Augen, die mich so faszinierten.

„Ich hätte da eine Idee.“

„Oh welche denn Bruderherz?“ Für einen kurzen Moment hatte ich vergessen, das wir nicht alleine waren, bis sich sein Bruder in das Gespräch mit einbrachte.

„Ich… Wir würden Ihnen gerne unsere Stadt zeigen.“

„Das ist eine super Idee!“ Rief Zoe, ich lächelte ihr zu.

„Sehr gerne.“ Ein Räuspern hinter mir, weckte meine Aufmerksamkeit.

„Entschuldigen Sie bitte, ich bräuchte noch Ihre Daten.“ Ich nickte der Rezeptionistin zu und drehte mich von den anderen weg.

„Ich bräuchte auch nur ihren vollen Namen.“ Ich ließ Zoe alle Details klären.

„Katherine Clarke.“ Sie tippte auf ihrer Tastatur und entließ mich dann wieder zu meiner Gruppe.

„Nennt sie bloß niemals Katherine, sonst ist sie euch für Jahre sauer.“ Lachte Zoe herzlich.

„Wie möchten Sie denn dann genannt werden?“ Sein Blick fixierte mich.

„Katy und könnten wir vielleicht zum Du übergehen?“ Eine leichte Röte stieg mir ins Gesicht.

„Sehr gerne.“ Seine Stimme klang sanft und ein erneutes Kribbeln durchfuhr mich.

„Wir müssen jetzt los, Brat.“ Das russische Wort für Bruder, so viel wusste ich.

„Wir sehen uns um Neun!“ Erinnerte meine beste Freundin die beiden Männer zum Abschied.

Sie waren fast in der Tür verschwunden.

„Warte!“ Ich rannte meinem dunklen Begleiter hinterher.

„Du hast mir noch nicht deinen Namen verraten.“ Er lächelte wieder einmal so atemberaubend.

„Jurij. Jurij Kovalewskij.“

Kapitel 2 Katy

Die kleine Karte die Zoe in ihrer Hand vor den Sensor hielt, war der Schlüssel zu unserem Hotelzimmer. Wohl eher Hotelsuite, denn dank der Hilfe von zwei jungen attraktiven Männern hatten wir ein kostenloses Upgrade bekommen. Im Gegenzug dafür hatten wir ihnen versprochen uns von ihnen die Stadt zeigen zu lassen.

Das kleine Lämpchen an unserer Tür blinkte Grün auf und eröffnete uns einen Blick in unser neues Reich, das wir für die nächsten paar Tage behausen würden.

„Wow.“ Bezeichnete das was ich vor mir sah nur annähernd. Die Suite war riesig!

Vor uns befand sich ein kleines Wohnzimmer inmitten ein großes Sofa vor einem Kamin stand. Über diesem rustikalen Kamin hang ein hochwertiger Flachbildfernseher, der fast die ganze Wand einnahm. Gegenüberliegend stand ein großer Tisch aus massivem, edel verarbeitetem Mahagoniholz, über dem ein sehr teurer Kronleuchter hing.

Zwei Türen gingen von diesem Wahnsinns Raum ab. Wahrscheinlich zu unserem Bade- & Schlafzimmer. Ich schluckte schwer, ich wollte gar nicht daran denken, wie viele diese Suite normalerweise kosten würde. Die Rezeptionistin hatte bereits erwähnt das unsere zwei Retter einen gewissen Bekanntheitsgrad hatten aber, wenn ich das hier sah, dass wir nur dank ihnen bekommen hatten wurde mir ganz schummrig vor Augen. Die bekannten Kovalewskij Brüder… Ich hatte mir fest vorgenommen später nach ihnen im Internet zu forschen.

„Das ist der Wahnsinn, Katy.“ Zoe schmiss ihre Handtasche auf den Boden und ließ sich auf das gemütliche Sofa fallen.

„Also wenn die beiden so etwas schon fast geschenkt bekommen, will ich mir gar nicht erst vorstellen, wie ihr zuhause aussieht.“ Ich lachte und ließ mich ebenfalls neben sie fallen.

„Vielleicht besteht ihr Haus aus purem Gold.“ Scherzte ich.

„Mit diamantenbesetzten Badezimmern.“

„Nur das reinste Quellwasser aus den teuersten Wasserhähnen.“

„Die neueste Technik!“

„Und Dienstboten überall!“ Wir lachten kräftig und kuschelten uns, nachdem wir uns wieder beruhigt hatten aneinander. Zoe verschränkte ihre Finger mit meinen.

„Was glaubst du, wie wird unser Doppeldate?“

„Ist es ein Date? Ich dachte sie führen uns einfach ein bisschen umher.“

„Katy, also wirklich, tu nicht so unschuldig. Es sind zwei attraktive Männer und wir sind zwei sexy, junge, unabhängige Frauen.“ Ich musste lachen.

„So siehst du uns beide also? Sexy, jung und unabhängig?“

„Natürlich, also bitte hast du nicht bemerkt, wie Jurij dich die ganze Zeit angesehen hat? Er war vollkommen hin und weg von dir! Und wer kann ihm das verübeln.“ Die Röte bahnte sich ihren Weg zurück in mein Gesicht. Jurij Kovalewskij, der unheimlich gutaussehende große Mann mit den dunklen Haaren konnte die Augen nicht von mir lassen? Nein, das musste vollkommen unmöglich gewesen sein. Okay, es ist wahr, dass er den ganzen Weg über zum Hotel an meiner Seite war und sich mit mir unterhalten hatte aber das war bestimmt nur aus reiner Höflichkeit.

„Du spinnst doch Zoe! Nur weil du und sein Bruder ohne Ende geflirtet haben, heißt das noch lange nicht, dass ich das auch getan habe.“ Sie lachte und drückte meine Hand.

„Er hat einen Namen. Kirill. Und du solltest nicht immer so schlecht von dir denken, du bist eine sehr hübsche Frau. Hast du dich jemals richtig angesehen?“ Meine beste Freundin stand auf und zog mich mit sich in das Badezimmer, das kaum weniger luxuriös aussah. Sie stellte sich direkt hinter mich vor eine riesige Spiegelwand.

„Sie dich an, Katy.“ Ich tat was sie sagte und erkannte nur eine völlig erschöpfte Version von mir. Mein Tages-Make-up hatte sich schon lange von mir verabschiedet und mein wildes Haar wurde auch seit längerer Zeit nicht mehr gekämmt.

„Deine Figur ist sinnlich. Du besitzt Kurven an den richtigen Stellen und dein süßes, mädchenhaftes Gesicht lässt den Beschützerinstinkt in jedem Mann erwecken. Diese Kombination macht dich zu einem ultimativen Männermagneten.“ Ich fuhr mir durch meine langen braunen Locken und versuchte das zu sehen, was Zoe mir soeben beschrieben hatte. Meine großen dunklen Reh Augen, die kleinen wenigen Sommersprossen auf meiner Nase und die vollen Lippen in meinem sonst eher runden Gesicht. Am meisten an meinem Körper mochte ich meine langen Beine und meinen knackigen Po. Hatte Jurij das alles trotz meines zerzausten Äußeren gesehen?

„Wir sollten ihm zeigen, was wirklich in dir steckt.“ Kicherte Zoe. Ich wusste, was das bedeutete.

„Nein, bitte! Komm schon tu mir das nicht an. Ich kann nicht vollkommen aufgetakelt zu einer Stadtführung gehen.“ Sie schnaufte, der Sieg war mein.

„Du hast recht, das könnte schnell billig rüber kommen aber ein bisschen was muss sein!“ Ich ergab mich diesem Kompromiss und überließ Zoe das Badezimmer.

Während sie duschte, wollte ich schon einmal meine Reisetasche auspacken und sehen, was ich zu diesem „Date“ anziehen könnte. Ich weigerte mich, es als Verabredung zu sehen, und sah es, als dass was es war: eine Stadtführung. Nachdem ich so gut wie alles auf dem großen Doppelbett verteilt hatte entschied ich mich für eine einfache schwarze Jeans und einen Pullover, der mein Dekolleté nicht zu sehr in Szene setzte, darüber wollte ich meine dunkle Lederjacke anziehen. Den Rest meiner Kleidung verstaute ich in dem riesigen Wandschrank neben dem Bett. Die Aussicht aus dem Fenster im Schlafzimmer war nicht gerade atemberaubend aber zumindest konnte keiner zu uns hereinsehen. Zoe hatte gerade ihre Dusche beendet und trat nur in ein Handtuch gewickelt zu mir ans Fenster.

„Du bist dran meine Liebe.“ Sie beäugte das Bett auf dem ich meine Kleiderauswahl für diesen Abend platziert hatte und nickte zustimmend. „Das geht in Ordnung.“ Ich boxte ihr leicht auf die Schulter und machte mich dann auf den Weg in das, an eine Sauna erinnernde, Badezimmer. Zoe duschte immer in gefühlt 100 C heißem Wasser.

Das warme Wasser fühlte sich wunderbar auf meiner Haut an, es tat gut nach dieser langen Reise endlich wieder zu duschen. Ich zwang mich nicht noch länger unter der Dusche zu stehen, denn uns lief die Zeit davon. Wir hatten noch eine knappe Stunde, bis die beiden Männer uns wieder abholen würden. Ich bürstete mein Haar und föhnte sie kurz an, damit es etwas Schneller ging und ich meine Naturlocken behalten konnte. Zurück im Schlafzimmer hatte Zoe sich bereits angezogen und machte sich vor dem Spiegel zurecht. Sie brauchte nicht viel Make-up bei ihrer makellosen Haut. Schnell schlüpfte ich in mein erwähltes Outfit und ließ mir von meiner besten Freundin dezent schminken. Ich vertraute darauf das sie es nicht übertreiben würde und sie enttäuschte mich nicht. Ein schwarzer Lidstrich betonte meine Augen zu dem ich einen roten, nicht zu leuchtenden Lippenstift auftrug. Wir waren fertig und schossen noch ein paar Bilder, die Zoe direkt auf ihrer Seite postete.
 

Kurze Zeit später klopfte es an unserer Tür. Erschrocken sprang ich von der Couch, auf der wir uns breitgemacht hatten. Mit zitternden Fingern öffnete ich die Tür und sah in bekannte, graue Augen. Sein Blick wanderte über meinen Körper und sofort schoss das Blut in meine Wangen.

„Katy, Sie sehen wunderschön aus.“ Ich zwang mich zu klarem Verstand.

„Danke aber ich dachte, wir wären bereits beim Du angekommen.“ Er lächelte verschmitzt. Ich trat einen Schritt zur Seite, um die Herren eintreten zu lassen.

Kirill lächelte mich an und schritt direkt weiter auf Zoe zu, die er mit einem Handkuss begrüßte.

„Seid ihr zufrieden mit eurem Zimmer?“ Skepsis lag in Jurijs Stimme.

„Mehr als zufrieden, noch einmal vielen Dank. Ohne euch müssten wir jetzt in einem überfüllten Hostel schlafen.“ Sein Blick lag auf meinen Lippen.

„Das Rot steht Ihnen… dir wirklich ausgesprochen gut.“ Ohne es groß zu merken, fuhr meine Hand durch mein Haar und da war es wieder, dieses sinnliche in seinem Blick.

„Wir sollten jetzt aufbrechen, ihr habt doch bestimmt Hunger, oder nicht?“ Kirill half Zoe in ihre Jacke und reichte seinem Bruder meine schwarze Lederjacke. Ich verstaute unsere Schlüsselkarte in meiner Handtasche und zog die Tür hinter mir zu.

Wir hatten den Weg zurück zum Roten Platz schnell erreicht, doch nicht wie erwartet, weiter Richtung Kreml zu laufen, bogen wir in eine Straße entgegengesetzt davon ab. Vor uns lag eine große, steinerne Brücke die sich über die Moskwa streckte. Der breite Fluss lag unter uns, während Autos an uns vorbei fuhren. Wir liefen noch ein kleines Stück, Zoe und Kirill schienen gar kein Ende ihrer Unterhaltungen zu finden, während Jurij und ich schweigend nebeneinander herliefen. Seine große Statur ließ mich jedes Mal aufs Neue erzittern.

„Unser Lieblingsrestaurant liegt direkt hier vorne.“ Kirill führte uns zu einem alten Gasthaus, das etwas Uriges an sich hatte. Es war klein und sah gemütlich aus. Ein etwas dickerer Mann mit lichtem Haar nahm uns in Empfang und sprach auf Russisch mit unseren Begleitern. Nach einer kurzen Unterhaltung wurden wir an einen Tisch geführt, der direkt neben einem großen Fenster lag. Von hier aus konnte man perfekt über die Moskwa auf den Kreml sehen, ich verlor mich in seiner Kunst. Von den vielen Lichtern, die ihn anstrahlten wurde er perfekt in Szene gesetzt. Mit großer Mühe riss ich mich von diesem märchenhaften Bau los und versuchte der Unterhaltung zu folgen.

„Wir haben schon ein paar russische Spezialitäten für euch bestellt, das essen dürfte bald da sein.“

„Was habt ihr denn bestellt?“ Fragte Zoe gerade neugierig an ihrem blonden Begleiter gewandt.

„Piroschki, Barszcz mit Uszka und zur Nachspeise Wareniki.“ Ich sah die Ahnungslosigkeit in den Augen meiner Freundin und versuchte mich selbst daran zu erinnern, was hinter diesen Namen steckte.

„Piroschki sind so etwas wie gefüllte Brötchen und Barszcs ist eine Suppe aus Roter Beete mit Teigtaschen.“ Klärte Jurij sie auf. Wir verzogen gleichzeitig das Gesicht. Rote Beete als Suppe? Das klang nun wirklich nicht appetitlich.

„Täuscht euch nicht, es schmeckt besser, als es klingt.“ Er lachte, was mein Herz zum Höherschlagen brachte. Wie konnte er, ein mir völlig fremder Mann, es schaffen das in meinem Bauch die Schmetterlinge verrücktspielten? Ich kannte ihn doch gerade erst seit ein paar Stunden.

Mein Blick fiel erneut auf die weiße Fassade der alten Burg, die den Mittelpunkt Moskaus darstellte.

„Er ist wunderschön, nicht wahr?“ Jurij hatte einen Arm über meine Stuhllehne gelegt und beugte sich zu mir herüber. Nur wenige Zentimeter trennten unsere Gesichter voneinander. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet.

„Du solltest ihn dir unbedingt von innen ansehen.“ Ein Kichern von unserem Gegenüber ließ uns herübersehen. Wir mussten feststellen, dass wir beobachtet wurden. Ich räusperte mich und versuchte die doch etwas peinliche Situation wieder in Ordnung zu bringen.

„Ich würde es mir unglaublich gerne ansehen nur haben wir nicht genügend Zeit.“

„Morgen ist eine Shoppingtour geplant und keine Museumsbesichtigung.“ Ergänzte Zoe.

Mit einer hochgezogenen Augenbraue beäugten mich Jurijs graue Augen.

„Ich hätte dich nicht so eingeschätzt, Katy. Du ziehst eine Shoppingtour der Kultur vor?“ Ich schnaufte.

„Was weißt du schon über mich? Wir haben nur ein paar Tage in Moskau und wieso sollten wir nur tun, was ich möchte? Zoe möchte eine Shoppingtour also bekommt sie sie. Ich werde es wohl nur schaffen mir all die Gebäude von außen anzusehen.“ Zwei überraschte Augenpaare sahen mich an, während das dritte mich belustigt musterte.

„Zoe? Würde es dir etwas ausmachen mit meinem Bruder einkaufen zu gehen, dann zeige ich Katy unsere prächtige Kultur.“ Jurijs Blick hielt dabei auf mir fest.

„Ehm… Natürlich, kein Problem. Ist das denn auch für dich in Ordnung, Katy?“ Mir schien, als hätte ich keine andere Wahl als Ja zu sagen. Das hieße auch Zeit alleine, mit diesem gutaussehenden Mann zu verbringen. Ich würde Zoe nicht in meiner Nähe haben und müsste sie mit diesem blonden Schönling alleine lassen. Zoe schien damit zufrieden zu sein, auch wenn ich wusste, dass sie sich gefreut hatte mit mir auf großen Kleiderraubzug zu gehen. Ich nickte.

„Na gut. In Ordnung. Aber…“ Ich wurde von dem kleinen, dicklichen Mann unterbrochen, der unser Essen servierte und uns leere Teller auf den Tisch stellte. Jurij beugte sich erneut zu mir herüber und flüsterte mir in mein Ohr, so dass nur ich es hören konnte. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren.

„Kein aber, Schönheit. Ich werde nichts tun, was dir nicht gefallen wird.“ Etwas Dunkles in seiner Stimme ließ mir mein Herz fast aus der Brust springen. Es war schwierig meine Gedanken wieder zu Ordnen. Die Stelle an der sein Atem mich an meinem Hals berührt hatte kribbelte noch immer.

„Etwas Suppe, Katy?“ Mit einem frechen Grinsen auf seinen Lippen füllte er meinen Teller.

„D-Danke.“ Vor mir stand eine dunkelrote Brühe, die sehr an Blut erinnerte, kleine Teigtaschen schwammen an der Oberfläche. Das war sie also, die Rote Beete Suppe. Der Löffel in meiner Hand zitterte. Jurijs Worte hallten weiterhin durch meinen Kopf, etwas daran klang wie eine Drohung, aber keine, um mir Angst einzujagen. Es hatte etwas Verführerisches und die Nervosität mit ihm alleine zu sein gewann die Überhand. Ich würde später noch unbedingt mit Zoe reden müssen.

„Es schmeckt eigenartig.“ Gestand Zoe der Runde. Vorsichtig nahm ich einen kleinen Schluck der Suppe. Sie hatte recht, es schmeckte tatsächlich eigenartig. Es schmeckte nicht schlecht aber dennoch war der starke Geschmack der roten Beete vorhanden. Die kleinen Teigtaschen waren gefüllt mit Kräutern und Fleisch und das Highlight in der blutroten Brühe. Kirill reichte uns zwei Pirogge. Die gefüllten Hefe Brötchen schmeckten köstlich! Ich aß direkt zwei davon. Zoe hatte ihren Suppenteller bereits zur Seite geschoben und widmete sich auch den gefüllten Brötchen.

„Seid ihr bereit für den Nachtisch?“ Ich war so vollgestopft mit Pirogge, dass mir der Gedanke an noch mehr Essen Übelkeit verursachte.

„Oh nein bitte nicht! Ich habe Angst zu platzen.“ Wir lachten und tranken gemeinsam Wodka. Ich hatte schon lange nichts mehr getrunken und spürte die Wirkung des Alkohols sofort. Meine Wangen glühten und die Welt um mich herum schien sich zu drehen. Ich bestellte mir ein großes Glas Wasser und stürzte es herunter. Draußen läutete eine große Glocke und verkündete, dass es bereits Mitternacht war. Zoe hatte sich eng an ihren Begleiter geschmiegt und das vorherrschende Thema unserer Unterhaltung bezog sich auf die Einkaufsmöglichkeiten. Da mich dieses Thema nicht interessierte, holte ich mein Telefon aus meiner Tasche und checkte meine Nachrichten. Eine Nachricht meines Vaters, der uns einen guten Urlaub wünschte und nachdrücklich betonte auf mich aufzupassen, ein paar Benachrichtigungen über die Kommentare von Zoes Bild und die Spieleanfragen der Apps auf meinem Handy waren schnell überflogen.

„Katy?“ Zoe rief meinen Namen, es war wohl nicht das erste Mal. Ich sah zu ihr herüber.

„In welcher Welt warst du nun wieder gefangen?“ Sie lachte und streichelte Kirills Arm.

„Ich… ehm … ich habe nur meine Nachrichten beantwortet.“ Zoe schüttelte den Kopf.

„Egal. Die Jungs haben vorgeschlagen noch irgendwo anders etwas Trinken zu gehen, möchtest du mit?“ Ich wusste, dass Zoe mitgehen wollte, aber fühlte mich nach dem langen Tag und dem Wodka sehr abgeschlagen und wollte nur noch in mein Bett. Sie sah mich mit ihrem wissenden Blick an und lächelte.

„Ich glaube, das wird nichts, Jungs. Wir müssen ins Bett und brauchen unseren Schönheitsschlaf.“

„Den hast du nicht nötig.“ Hauchte Kirill in ihr Ohr, was Zoe zum Kichern brachte.

„Möchtest du wirklich schon schlafen gehen?“ Nach einer längeren Pause war es das erste Mal, das Jurij mich wieder direkt ansprach.

„Es war ein wirklich langer Tag, entschuldige.“ Er lächelte und legte seine warme Hand auf meinen Arm. Diese kleinen Berührungen brachten mein Blut zum Aufwallen.

„Du musst dich nicht entschuldigen. Ich finde es sogar sehr gut. Ich möchte, dass du für morgen fit und ausgeruht bist.“ Ich erwiderte sein Lächeln und strich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Er folgte meiner Bewegung mit seinen mysteriösen, grauen Augen.

„Lasst uns aufbrechen. Das Essen geht selbstverständlich auf uns.“ Wir bedankten uns und machten uns auf den Weg zurück ins Hotel. Die kühle Luft, verstärkte den Schwindel durch den Alkohol nur noch mehr und ich musste aufpassen nicht umher zu wanken. Zoe und Kirill gingen ein paar Meter vor uns. Der Schwindel wurde so stark, dass ich kurz anhalten musste. Sofort war der schöne dunkelhaarige Mann an meiner Seite und stützte mich mit seinen kräftigen Armen.

„Alles in Ordnung?“ Ich nickte und ließ zu, dass er mich bei sich unterhakte.

Schweigend liefen wir nebeneinander her. Es war keine unangenehme Stille, wir genossen einfach die Nähe des anderen und waren in unseren eigenen Gedanken versunken.

Vor den großen Türen des Hotels war es dann so weit wir mussten uns verabschieden. Meiner besten Freundin war anzusehen das sie gerne noch mehr Zeit mit Kirill verbracht hätte. Ich machte mir große Sorgen, das sie sich in etwas sehr Kompliziertes stürzte. Unser Urlaub in Moskau würde nicht lange andauern und ich wollte nicht das sie mit Liebeskummer nach Hause fuhr. Es war unser letzter Urlaub, bevor unser Leben richtig beginnen würde. Zoe würde studieren und ich hatte versprochen eine Ausbildung in dem Betrieb meines Großvaters anzufangen. Niemand hatte mir bisher gesagt worum es sich dabei eigentlich handelte aber es war ein Versprechen das ich meinem geliebten Großvater gegeben hatte, kurz bevor er starb. Ich konnte mich nicht einmal von ihm verabschieden. Er war auf einer geschäftlichen Reise von der er nicht wieder zurückkam. Ich hatte ihn nicht noch einmal gesehen, die Einäscherung hatte bereits stattgefunden. Ich vermisste ihn sehr und wollte mit dieser Reise meinen Kummer etwas vergessen.

Der Schwindel war verschwunden. Jurij entließ mich aus seinem Griff und hielt meine Hand in seiner. Er führte sie zu seinen Lippen und küsste sie.

„Gute Nacht, Katy. Ich freue mich sehr auf den morgigen Tag.“ Jedes seiner Lächeln drang tief in meine Seele und ließ meine Welt erschüttern. Der Schmerz, den ich die letzten Wochen und Monate ertragen hatte, schien neben ihm zu verblassen. Ich fühlte mich wohl, während er meine Hand hielt, sie küsste oder mich einfach nur anlächelte. Noch nie zuvor hatte ein Mann mein Herz so berührt. Auch wenn ich ihn erst vor ein paar Stunden kennengelernt hatte, fühlte ich mich ihm verbundener als meinem letzten Freund. War ich zu naiv?

Zoe zog mich durch die große Tür in Richtung des Aufzugs. Jurij sah noch immer zu uns herüber. Seine grauen Augen brannten sich in mich und ich hätte nur zu gerne gewusst, was er gerade dachte. Der Aufzug öffnete sich und wir stiegen hinein, bis sich die Türen vor uns schlossen, konnte ich seinen Blick auf mir spüren.

Ich öffnete unsere Hotelsuite und ließ mich direkt auf das große Sofa in dessen Mitte fallen. Ein seufzten entfuhr mir. Zoe, die gerade im Badezimmer ihre Zähne putzte, kam mit der Zahnbürste im Mund heraus und sah mich eindringlich an.

„Was ist los Kitkat?“ Fragte sie mich bei meinem alten Spitznamen, den sie mir selbst gegeben hatte.

„Ich bin nervös.“ Ich schnappte mir eines der Kissen und drückte es in mein Gesicht.

„Wegen morgen und deinem Date mit sexy Jurij?“ Ich nickte.

„Wovor hast du Angst? Er ist verrückt nach dir!“

„Woher weißt du das?“

„Katy, ich habe gesehen, wie er dich ansieht. Als wärst du das Faszinierendste, was er jemals gesehen hat.“ Das Kissen wanderte von meinem Gesicht auf meinen Schoß.

„Ich fühle mich so komisch in seiner Nähe. Als könnte ich nicht mehr klar denken.“

„Das nennt man Liebe auf den ersten Blick, Süße.“ Erschrocken sah ich sie an.

„Liebe? Meinst du das etwa ernst?“

„Natürlich, daran ist doch auch nichts verwerflich. Wie lange bist du jetzt Single?“

Zoe war eindeutig verrückt geworden. Ich war nicht verliebt in Jurij, oder? Ich kannte ihn doch noch nicht einmal. Ich wusste nichts über ihn. Das erinnerte mich daran, dass ich noch etwas über die beiden Brüder im Internet stöbern wollte.

„Was hat es damit zu tun, wie lange ich Single bin? Außerdem weißt du das ganz genau.“

„3 Jahre und 7 Monate, wenn ich mich nicht verzählt habe.“ Ich murrte. „Siehst du, es ist mal wieder an der Zeit dich jemanden zu öffnen. Was ist also falsch daran verliebt zu sein?“

„Was falsch daran ist? Wir sind nur für ein paar Tage in Moskau und danach werde ich ihn nie wiedersehen. Was bringt es mir also mich in ihn zu verlieben?“

„Wer sagt das du ihn nie wiedersehen wirst? Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten und denk daran, dass er uns das hier beschert hat. Er wird es sich schon leisten können dich besuchen zu kommen.“

Sie strich mir über meinen Rücken und stand dann auf, um zurück ins Bad zu gehen. Könnte ich es mir wirklich erlauben mich in ihn zu verlieben? Hatte Zoe recht damit das es kein Problem werden würde? Nach unserem Urlaub werde ich nach London ziehen, in die Heimatstadt meines Vaters und Großvaters, um dort meine Ausbildung zu beginnen. Würde er sich diesen weiten Weg machen nur um mich zu sehen? Ich drückte mir das Kissen wieder in mein Gesicht. Es ist doch vollkommen schwachsinnig das ich jetzt schon über so etwas nachdenke. Ich hatte Angst vor dem morgigen Tag, wenn ich mit ihm allein sein würde und dachte über Dinge nach wie eine Fernbeziehung. Was hatte dieser Mann nur an sich das ich meinen klaren Verstand verlor.

Meine beste Freundin ließ sich in ihrem Schlafanzug gegenüber von mir fallen.

„Hast du von Kirill irgendetwas über die bekannten Kovalewskij Brüder erfahren?“

„Nein überhaupt nichts.“ Sie reichte mir mein Telefon aus der Tasche. Ich tippte ein paar Suchbegriffe ein und scrollte durch die Ergebnisse.

„Und? Was Brauchbares gefunden?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Nichts über unsere beiden Kovalewskijs. Es ist fast so als würden sie im Internet nicht existieren.“

„Das kann doch gar nicht sein über jeden steht etwas im World Wide Web.“

„Diese beiden sind wohl eine Ausnahme.“ Ich sah meiner besten Freundin in die Augen. „Der Blick der Empfangsdame war auch eher ehrfürchtig, nicht so als würden Stars vor ihr stehen.“

„Dann können wir Schauspieler schon mal ausschließen.“ Scherzte Zoe.

„Nein, nein. Sie wirkte von ihnen eingeschüchtert.“

„Katy du machst dir zu viele Gedanken. Hör auf damit und genieß einfach die Zeit. Sieh mich an, Kirill ist wunderbar und mir ist es egal, was sein Stand für eine Rolle spielt.“ Ich sah sie mit hochgebogener Augenbraue an. Sie log sich doch selbst etwas vor.

„Ach ja? Alles ganz locker und lässig?“

„Er ist ein Urlaubsflirt.“

„Bist du dir da sicher?“

„Ganz sicher und jetzt ab ins Bett mit dir du willst doch fit sein für deinen Traummann.“

Ich warf ihr das Kissen entgegen, sie wich lachend aus und verschwand im Schlafzimmer. Mein nächster Weg führte mich ins Badezimmer, in dem ich mich schnell für die Nacht fertig machte. Zoe war schon fast eingeschlafen, als ich mich an sie ankuschelte. Ich schlief ein während ich an die grauen Augen von Jurij Kovalewskij dachte.

Kapitel 3 Jurij

Der größte Teil der Nacht war bereits vorüber während mein Bruder und Ich auf dem Balkon saßen und den Sternenhimmel beobachteten. Die letzten Stunden waren sehr ereignisreich. Katy Clarke hatte meine Gedanken für sich eingenommen. Sie war die reinste Sünde. Ihr schien es nicht einmal bewusst zu sein, was für eine Ausstrahlung sie besaß. Ihr feines Gesicht das sich dank mir mit einer leichten Röte füllte und ihr mehr als attraktiver Körper mit diesen sinnlichen Kurven würden jeden Mann wahnsinnig machen. Ich kämpfte um meine Beherrschung, wenn ich ihren süßen Duft einatmete oder sie ihre Haare zurückstrich und mir so einen Blick auf ihren eleganten Hals ermöglichte. Die Wucht ihres Seins traf mich während sie hilflos mit ihrer blonden Freundin vor einer großen Tafel stand. Es war nicht schwer zu erraten, dass sie nicht aus Moskau kam. Ihr süßes Aussehen in Kombination mit ihrem frechen Mundwerk hatte mich beeindruckt und dazu geführt das ich noch mehr Zeit mit ihr verbringen wollte.

„Das Mädchen hat es dir wirklich angetan, Bruder.“ Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

„Sie hat etwas an sich, das ich noch bei keiner bisherigen Frau gespürt habe.“

„Jurij, du sprichst von Gefühlen?“ Er lachte laut. „Wie viele Jahrhunderte ist es her das du dich von einer Frau so angezogen gefühlt hast?“ Ich schwenkte das Weinglas in meiner Hand, gefüllt mit Blut aus einer der vielen Konserven der Kühlkammer. Die Jahrhunderte in denen wir beide nun am „Leben“ waren, vergingen schnell und unzählbar viele Frauen hatten unsere Betten geteilt. Viele davon hatten unser Haus nicht lebend verlassen, sie waren ein abwechslungsreicher „Snack“ neben den Blutkonserven. Katy konnte ich mir nicht als eine von ihnen vorstellen.

„Sag den anderen, dass sie unter meinem persönlichen Schutz steht.“

„Sie scheint wirklich etwas Besonderes zu sein.“ Seine Zunge fuhr über seine Mundwinkel an denen noch ein letzter Tropfen Blut klebte.

„Das ist sie. Und bis ich nicht herausgefunden habe, was es ist, rührt sie keiner an.“ Mein Bruder erhob sich und ließ mich alleine in der dunklen Nacht zurück. Ich konnte mich auf ihn verlassen, er würde die anderen Vampire darüber informieren das niemand von ihnen auch nur daran denken sollte Hand an Katy zu legen. Würde es einer von ihnen auch nur versuchen, hätte er damit sein Todesurteil unterschrieben. Sie gehörte mir.

Ihr Blut roch köstlicher, als alles, was ich bisher gerochen hatte, ich würde sie nicht einfach aussaugen wie ein billiges Flittchen. Sie berührte etwas in mir das ich schon lange verloren geglaubt hatte: meine Menschlichkeit. Ich befand mich nun seit mehr als 600 Jahren in diesem untoten Zustand. Mein Bruder Kirill und ich gehörten zu den mächtigsten Vampiren unter ihnen. Wir regierten ganz Russland und große Teile der sowjetischen Region. Die Verbindungen zu den anderen machtvollen Vampiren war mehr als sehr gut. Wenn ich gewollt hätte, könnte ich die ganze Vampirwelt regieren. Nichts und niemand kann mir etwas anhaben und nun ist mein seit Jahren verloren geglaubtes Herz durch eine kleine, zierliche Menschenfrau wieder zum Leben erwacht.

In ein paar Stunden würde ich sie bereits wiedersehen und den ganzen Tag mit ihr verbringen. Nur mit ihr alleine ohne meinen Bruder und seine neue Flamme. Es war kein großes Problem für uns tagsüber unterwegs zu sein, es schmerzte, aber nach all den Jahren hatten wir gelernt diesen zu akzeptieren und zu ignorieren. Zusätzlich schützte uns ein Ring der alten Alchemisten vor dem sicheren Tod. Solange die Sonne nicht gnadenlos auf uns herunter prallte, konnten wir uns mühelos darunter bewegen. Morgen würde ein perfekter Tag werden, da der Himmel sich jetzt schon zuzog. Katy würde jeden Schmerz für mich erträglich machen, um ihr Lächeln zu sehen, würde ich alles in Kauf nehmen. Ich trank einen weiteren Schluck des Blutes und versuchte mich an jedes kleine Detail von ihr zu erinnern. Jede Sommersprosse und jede kleine Falte die sich an ihren Wangen bildete, sobald sie zu lachen anfing, die kurzen Flüchtigen Berührungen und der Klang ihrer Stimme. Alles an ihr verzauberte mich.

Mein Bruder kam mit einem neuen Glas gefüllt mit Blut zurück und setzte sich wieder zu mir.

„Was genau hast du mit ihr vor, Bruder?“

„Wir sehen uns den Kreml von innen an.“ Mein Bruder lachte.

„Das meine ich nicht. Was planst du mit IHR zu tun?“ Ich wusste, worauf mein Bruder hinaus wollte.

„Früher oder später wird sie wieder aus Moskau verschwinden.“ Ich warf ihm einen bösen Blick entgegen, aber er hatte Recht. Katy würde nicht für immer hier sein. Abgesehen von ihrer Sterblichkeit. Sie war nur für einen kurzen Urlaub in meiner Stadt und hatte vor in wenigen Tagen wieder abzureisen.

„Ich weiß es nicht.“ Antwortete ich ehrlich.

„Du wirst sie einfach so gehen lassen?“

„Das werde ich wohl müssen. Was ist mit dir und dieser Blonden?“ Ich kannte diesen finsteren Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht. „Töte sie nicht.“ Ich drohte meinem geliebten Bruder nicht oft, aber dieses Mal musste es ein, es würde Katy zerstören, wenn sie ohne ihre Freundin zurückkehren müsste. Diese viel zu herzliche und nette Seite an mir, erschreckte mich und ließ mich selbst vergessen, wer ich eigentlich war.

„Gegen ein paar Spielchen wirst du ja nichts einzuwenden haben.“ Ich seufzte. „Sie hat dich jetzt schon in ihrer Hand. Pass auf.“ Er machte sich ernsthaft Sorgen um mich.

Schweigend sahen wir der Sonne beim Aufgehen zu, der Himmel erstrahlte in hellen Orange und Rot-Tönen. All diese Jahrhunderte wurde es zu unserem Ritual den Sonnenaufgang zu beobachten und jeder einzelne von ihnen war verschieden. Keiner glich dem anderen.

Es waren so viele Jahrhunderte vergangen, dass ich mich kaum mehr an mein menschliches Ich erinnern konnte. Eine der wenigen Erinnerungen, die mir geblieben waren, stammten von der Zeit kurz vor meiner Verwandlung in ein Wesen der Nacht. Wir gehörten einer armen Bauersfamilie an, unser Vater war gerade verstorben und unsere Mutter schwer krank. Mein Bruder und ich kümmerten uns um den Hof und sein Gut. Wir beackerten die Felder und fütterten die Tiere. Unsere Mutter wurde zusehends schwächer, sie brauchte so schnell wie möglich Medizin sonst würde auch sie an der Schwindsucht sterben. Ich war drei Jahre älter als mein Bruder Kirill und machte mich auf den Weg in die Stadt, ich überließ ihm die Verantwortung und wies ihn an sich gut um unsere Mutter zu kümmern während ich Weg war. Dann begann ich meine Reise von der ich nicht als ich selbst zurückkommen sollte. All diese Bilder in meinem Kopf waren eine halbe Ewigkeit her und verfolgten mich jeden Tag aufs Neue. Ich leerte mein Glas mit einem letzten Schluck und begab mich in unser üppiges Badezimmer. Wir besaßen eine dieser neuen hochmodernen Wohnungen, auch wenn ich mich in unserem alten Schloss wohler fühlte. Dieses bewohnten wir jedoch nur über die heißen Sommertage. Kirill liebte die Großstadt und das große Treiben, während ich den ganzen Tag in der Natur verbringen könnte. Er hatte sich schon immer schneller an die neuen Lebensbedingungen angepasst und folgte sofort jedem Trend. Ich blieb ein Mann der alten Schule und trainierte zusätzlich viel. Da die Gefahr irgendwann aufzufliegen stets gegeben war und die Jäger uns auf den Fersen waren.

Die Jäger oder auch Knights of the Night waren ein gut ausgebildetes System aus kampfbereiten Menschen, die eine geliebte Person an uns dunkle Geschöpfe verloren hatten. Ihren Anführer Gregor Darabont hatte ich vor wenigen Monaten getötet, nachdem er versucht hatte eine Gruppe junger Vampire auszulöschen. Trotz seines hohen Alters durfte man ihn nie unterschätzen, er war der stärkste Jäger, den die Welt je gesehen hatte. Seither wurde es ruhiger um sie, doch ich zweifelte nicht daran das sie uns beobachteten. Irgendwann würde ein erneuter Angriff kommen. Kirill besaß einen eher auffälligen Lebensstil, es blieb nie lange bei derselben Frau. Er beherrschte die Gedankenmanipulation mindestens genauso gut wie ich. Wir konnten die Menschen alles Glauben und vergessen lassen.
 

Es war nun bereits Morgen und der Tag hatte begonnen, mein Bruder und ich waren auf dem Weg zu dem Hotel der Mädchen. Ich klopfte an ihre Tür und sah in das Gesicht des schönsten Wesens, was ich in meinen ganzen Jahren gesehen hatte. Ihre braunen Reh Augen die interessiert in die meinen blickten. Sie war bereits fertig angezogen um mit mir die Schönheiten Moskaus zu bewundern. Ihre langen Haare trug sie offen über ihre Schultern fallend. Die enge Jeanshose, die sie bereits gestern Abend getragen hatte, passte sich vorteilhaft an jede ihrer Kurven an. Ich schluckte und konnte sie nur ansehen. Sofort färbten sich ihre Wangen in ein zartes Rosa. Sie war wunderschön.

Ich musste mich räuspern, bevor ich wieder sprechen konnte.

„Bist du bereit?“ Sie nickte zaghaft und umarmte ihre Freundin. Ich warf meinem Bruder zum Abschied einen warnenden Blick zu, den er mit einem Lachen kommentierte.

Katy stand schweigend neben mir, während wir auf einen der vielen Aufzüge warteten.

„Hast du gut geschlafen?“ Begann ich unsere Konversation.

„Fremde Betten sind immer etwas ungewohnt für mich, aber ich bin dennoch fit genug für unser Abenteuer.“ Ihr Lachen war herzlich und reichte bis zu ihren strahlenden Augen. Die Türen des kleinen Aufzugs öffneten sich. Sie war mir so nah das ich ihr Herz schlagen hören konnte. Ihr süßer Duft erfüllte den ganzen Raum, meine Fangzähne traten ungewollt heraus und ließ das Wasser in meinem Mund zusammen laufen. Um mir die Qual noch zu vergrößern entblößte sie mir ihren Hals. Es wäre ein Leichtes gewesen den Aufzug zu stoppen und jeden Tropfen aus ihrem sexy Körper zu saugen. Ich sprang aus den noch nicht ganz geöffneten Türen an ihr vorbei und rannte an die frische Luft. Ich war völlig außer Atem und hatte jedes Fünkchen meiner Kraft dafür benötigt sie nicht zu beißen, das der gedämpfte Schmerz der Sonnenstrahlen eine reinste Wohltat waren. Verwirrt und fragend sah sie mich an, sagte jedoch nichts. Wie dankbar ich ihr dafür war. Sie folgte mir, ohne groß zu fragen. Vor meinem schwarzen Mercedes, einer Luxus Limousinenklasse, blieben wir stehen. Ich hielt ihr die Tür zur Beifahrerseite auf und ließ sie einsteigen.

„Wir laufen nicht?“ Irritiert blickte ich in ihr fragendes Gesicht.

„Ich dachte, es würde dich vielleicht freuen vorher etwas durch Moskau zu fahren.“ Sie lächelte und erwärmte mein Herz.

„Du machst dir ja ziemlich viele Gedanken um unser treffen.“ Frech grinste ich ihr entgegen, wohl wissend, was dieses Lächeln mit ihren Wangen anstellen würde.

„Hast du deinen Mut wiedergefunden?“

„Ich hatte ihn nie ganz verloren.“ Sie ließ sich auf dem Sitz nieder und nachdem ich neben ihr auf der Fahrerseite Platz genommen hatte, sah sie sich in meinem Auto um.

„Getönte Scheiben?“ Ich zwinkerte ihr zu und fuhr los.

„Es soll doch nicht jeder direkt sehen mit was für einer Schönheit ich unterwegs bin.“

„Du hältst mich wirklich für schön?“ Ihre Frage kam so direkt und mit einer gewissen Traurigkeit das ich erst einmal zu überrascht war um zu antworten. Ihre braunen Augen hielten voll Interesse an mir fest. Wie konnte sie mich wirklich fragen, ob ich sie schön fand, sie war das Entzückendste, was ich jemals zu Augen bekommen hatte.

„Jurij?“ Ich hatte zu lange geschwiegen, sie war enttäuscht. Sie verschränkte ihre Hände, bis die Knöchel weiß hervortraten. Ich brauchte ihre Gedanken nicht lesen zu können, um zu wissen, dass sie von mir wegwollte.

„Entschuldige Katy, es ist nicht so leicht in Worte zu fassen.“

„Schon in Ordnung, ich habe das schon verstanden.“ Presste sie hervor. Ich wurde wütend.

„Nein ich glaube, du verstehst ganz und gar nicht. Du bist die erste Frau, das erste Mädchen, das mich nach sehr langer Zeit wieder berührt. Ich bin von dir fasziniert, seit ich dich das erste Mal gesehen habe, und habe seit gestern nur noch an dich denken können.“ Verdammt. Meine Wut hatte dazu geführt das ich ihr jetzt schon mein Herz vor die Füße warf.

„Jurij…“ Ich hielt an einem Seitenstreifen an und sah sie an. Sie lächelte. „Danke.“

Ich könnte mir die Haare ausreißen. Was war nur aus mir geworden?

Das Auto setzte sich wieder in Bewegung. Sie hatte es geschafft, nur durch einen traurigen Unterton in ihrer Stimme mich dazu zu bringen ihr meine „Gefühle“ zu offenbaren. Kirill hatte recht. Sie hatte mich bereits in der Hand.

Ich fuhr das letzte Stück schweigend und sah sie nicht einmal an, ich war wütend. Wütend auf mich selbst und wütend auf sie. Ich spürte ihren Blick auf mir, während wir über den kleinen Parkplatz zu der Ticketvergabe liefen. An der kleinen Warteschlange legte sie ihre Hand auf meinen Oberarm, der sich sofort anspannte.

„Was ist los, Jurij? Willst du mich jetzt den ganzen Tag anschweigen und wütend sein ohne mir zu sagen wieso?“ Was sollte ich ihr sagen? Ich konnte ihr ja schlecht hier in aller Öffentlichkeit die Wahrheit erzählen. Dass ich sauer auf sie war, dass sie, ein sterbliches Mädchen, mich den alten, mächtigen Vampirprinzen dazu gebracht hatte so weich zu werden. Ich wusste ja selbst das es nicht ihre Schuld war und das machte mich wütend auf mich selbst. Traurig nahm sie den Arm von meiner Schulter und wendete sich zum Gehen.

„Wo willst du hin?“ Zu viel Wut schwang in meiner Stimme.

„Weg.“ Sie drehte sich nicht einmal zu mir um.

„Bleib sofort stehen!“ Sie ignorierte mich und lief weiter. Ich eilte ihr hinter her und drehte sie zu mir herum. Tränen standen in ihren Augen. Meine Wut auf sie war verflogen. Ich wollte sie in meine Arme nehmen und nie wieder loslassen.

„Es tut mir leid, Katy.“ Meine Hand erhob sich um die einzelne Träne auf ihrer Wange wegzuwischen, ließ sie jedoch wieder sinken.

„Ich habe mich wirklich auf dieses Treffen gefreut, Jurij. Ich hatte sehr lange keine Verabredung mehr mit einem Mann. Schon gar nicht mit einem wie dir.“

„Einem Mann wie mir?“

„Ja, du siehst verboten gut aus. Bist charmant, zumindest meistens und hast mich behandelt wie eine begehrenswerte Frau.“

„Du bist eine begehrenswerte Frau.“ Ich nahm ihre Hand und drückte sie leicht. „Ich war ein Idiot, Katy. Bitte verbring diesen Tag mit mir.“ Das wunderschöne Lächeln trat auf ihre Lippen zurück. Noch immer hielt sie meine Hand und zog mich mit sich in die Warteschlange zurück.

„Weißt du Jurij…“ sie machte eine kleine Pause und sah mich an. „Ich mag dich wirklich schon viel zu sehr.“ Mehr brauchte ich nicht zu hören, um auch den letzten Funken leere in meinem Herzen zu füllen. Ich war ihr voll und ganz verfallen und sie mochte mich.
 

Das Leuchten ihrer Augen während sie durch die großen Flure und Hallen des alten Palastes lief, war unbezahlbar. Sie bewunderte die hohen Räume, die vergoldeten Wände und großen Kronleuchter. Minutenlang betrachtete sie die Gemälde auf den Säulen und schien von jedem weiteren Raum noch faszinierter. Ich versuchte sie mir in den Kleidern der damaligen Zeit vorzustellen, wie sie mit einem fest geschnürten Korsett und langem Rock durch die großen Hallen auf mich zu schritt. Wie sich ihr prall gefülltes Dekolleté bei jedem Atemzug hob und wieder senkte. Sie wäre in jeder Epoche eine Schönheit ihrer Zeit gewesen. Jetzt gerade lächelte sie mich an, ihr braunes Haar bekam durch die einfallende Sonne einen rötlichen Schimmer und ließ sie noch umwerfender aussehen.

„Es ist wunderschön hier.“ Sie strahlte über das ganze Gesicht.

„Das stimmt.“ Wir liefen nebeneinander her. „Der dazugehörige Park ist ebenfalls sehr sehenswert.“

„Ist das deine Art zu fragen, ob ich mit dir in den Park gehen möchte?“

„Das ist es wohl.“ Während wir die großen Treppen hinter uns ließen und in Richtung des grünen Gartens gingen, harkte sie sich bei mir unter.

„Darf ich dich etwas fragen, Jurij?“ Im vorbei gehen streifte sie mit ihren Fingern über die bereits blühenden Blumen.

„Natürlich, alles was du möchtest.“

„Ich möchte dich noch besser kennenlernen. Du hattest erzählt, dass du an sehr vielen Orten gelebt hast, wo überall war es denn?“ Ihre zierliche Hand lag auf meinem Arm und ich genoss jede einzelne ihrer Berührungen.

„Oh, da muss ich kurz überlegen. Lange Zeit habe ich in Paris gelebt und bin von dort aus weiter nach Bayern. Später habe ich eine gewisse Zeit in London und Rom verbracht. Die längste Zeit habe ich aber in St. Petersburg und Moskau verbracht.“ Ich verfiel in alte Erinnerungen und bemerkte erst später das sie mich lächelnd ansah.

„Vermisst du die Zeiten dort?“

„Ich reise oft nach St. Petersburg, mein Bruder und Ich haben dort gute Freunde.“

„Ich bin schon sehr gespannt auf St. Petersburg.“ Ich blieb stehen und sah sie überrascht an.

„Wie meinst du das?“

„Übermorgen geht unsere Reise dorthin weiter.“ Übermorgen verließ sie Moskau bereits?

„Oh.“ War alles, was ich dazu sagen konnte. Ich würde Vladimir informieren müssen, dass er auf sie Acht gab. Nur noch zwei Tage hatte ich mit dieser Schönheit.

„Lass uns bitte noch nicht an unseren Abschied denken, ich will diesen Tag mit dir genießen.“

Der Wind fuhr durch ihre braunen Locken, ich strich ihr eine verirrte Strähne zurück hinter ihr Ohr.

„Du hast die schönsten Augen, die ich jemals gesehen habe.“ Sie errötete und sah mir tief in meine Augen. Vorsichtig näherte ich mich ihr und zog sie sanft näher zu mir heran. Meine Hand verweilte an ihrem Nacken. Ich konnte den Herzschlag unter meinen Fingern spüren, es schlug schnell und kräftig. Nur eine kurze Distanz trennten ihre Lippen noch von meinen, ich wollte sie spüren, sie schmecken.

Ein grollender Donner dröhnte über uns und ließ die Welt um uns herum blitzschnell verdunkeln. Schlagartig begann es kräftig zu regnen. Katy griff nach meiner Hand und rannte quer durch den Garten auf einen Pavillon zu, unter dem wir Schutz vor dem Regen fanden. Wir waren vollkommen durchnässt. Die Tropfen rannen über ihr Gesicht und ich fragt mich, ob sie es schaffen könnte noch schöner auszusehen. Sie zitterte und rieb sich ihre Arme.

„Das was du gerade tun wolltest.“ Sie riss mich aus der Bewunderung für sie. „Tu es bitte nicht.“

„Wieso?“

„Ich habe Angst, das ich dich dann noch mehr vermissen werde.“

„Diese Worte bringen mich nur dazu, es noch mehr zu wollen.“ Sie lächelte und griff nach meiner Hand. Ich wollte sie an mich ziehen und gegen eine dieser Säulen pressen. Sie Küssen und meine Hände über ihren Körper gleiten lassen, während meine Finger in ihre Haare greifen…

„Lass uns gehen.“ Der Regen hatte etwas nachgelassen, vereinzelte Tropfen suchten sich noch ihren Weg durch die dichten Wolken. Unsere Finger fest ineinander verschränkt begaben wir uns auf den Rückweg zu meinem Auto. Die Wärme ihrer Hand übertrug sich auf mich und ich war mir sicher, ich würde überall mit ihr hingehen.

Kapitel 4 Katy

Ganz Gentleman hielt er mir die Tür seines mattschwarzen Mercedes auf. Meine Kleidung war völlig durchnässt und ich zitterte am ganzen Leib.

„Zieh deine Jacke aus.“ Hin und wieder bekam Jurij etwas sehr Dominantes in seiner Stimme, was seinen russischen Akzent noch verstärkte. Auf einer Seite war es wirklich erotisch ihn so reden zu hören, auf der anderen Seite veranlasste es mich, genau das Gegenteil zu tun. Dieses Mal tat ich was er sagte und zog meine kalte Lederjacke aus. Er legte sie auf den Rücksitz und betätigte ein paar Knöpfe an seinem Wagen. Sofort blies mir warme Luft entgegen und auch der Sitz unter mir begann sich aufzuheizen. Ich zog meine Beine eng an mich und konnte spüren, wie das Zittern langsam nachließ.

„Ist es besser?“ Ich nickte und lächelte in seine wunderschönen grauen Augen. Sein Blick veränderte sich sofort. Er hatte mir bereits gestanden, wie er über mich dachte, auch wenn es mehr aus einer Wut heraus entstanden war. Dieses Wissen ließ mein Herz schwer werden, denn auch ich musste mir eingestehen, das er mir mehr bedeutete als irgendein kurzer Bekannter. Irgendetwas an ihm ließ mich nicht los und sorgte dafür, dass ich alles über diesen Mann erfahren wollte. Er war das Interessanteste, was mir seit längerem begegnet war. Erneut strich seine Hand über meine Wange und führte eine Strähne meines störrischen Haares zurück hinter mein Ohr. Mein Herzschlag beschleunigte sich und ich wollte ihn, wollte seine Lippen auf meinen Spüren, aber das hätte unseren Abschied nur noch schwerer gemacht. Übermorgen würde die Reise von Zoe und mir bereits weitergehen.

Er ließ von mir ab und startete das Auto. Wir bogen auf eine der Schnellstraßen und fuhren ein kleines Stück.

„Wir fahren nicht zum Hotel zurück?“ Fragte ich überrascht.

„Nein oder möchtest du bereits wieder zurück?“ Sein Blick war auf die Straße gerichtet.

„Nein.“ Ich musste ihn mir einfach immer wieder ansehen. Sein kantiges Gesicht, das ihn älter aussehen ließ, der schattige Bart und seine schönen Lippen. Er war der wohl schönste Mann, dem ich je begegnet war. „Aber wo fahren wir dann hin?“ Sein Lächeln ließ mein Herz jedes Mal höherschlagen.

„Wir brauchen doch etwas Trockenes zum Anziehen.“

„Und wieso fahren wir dann nicht ins Hotel?“

„Weil ich dir etwas Neues kaufen möchte.“

„Gefällt dir mein Kleidungsstil etwa nicht?“

„Es ist egal, was du trägst, du wirst mir immer gefallen.“ In seiner Gegenwart wurde es zur Normalität, dass ich rot anlief. Er wusste genau, was eine Frau hören wollte.

„Gerade noch so gerettet Kovalewskij.“ Sein Lachen erfüllte das Auto und ließ mein Herz einen Schlag aussetzen.

Er bog bereits wieder ab, auf den Parkplatz eines kleineren Einkaufszentrums mit dem Namen „Galerie Aktjor“. Von außen sah es aus, wie ein altes Hotel doch sein inneres zeigte, das es sehr wohl zum Einkaufen geeignet war. Ein Geschäft reihte sich neben das andere. Ich überließ Jurij die Führung und lief neben ihm her. Wir hatten bereits ein paar Geschäfte besucht aber noch nichts gefunden, was uns überzeugte. Jurij machte nicht den Anschein, als würde er ebenfalls für sich suchen. Am Ende des langen Ganges erkannte ich ein sehr modisches Geschäft für junge Leute, ich zog Jurij hinter mir her und eilte direkt in die Männerabteilung. Seine Hochgezogene Augenbraue bestätigte, dass er nicht gerade begeistert darüber war. Ich reichte ihm verschiedene T-Shirts und Hemden und schickte ihn in die Umkleidekabinen. Nach dem dritten Outfit fing er an aufzutauen und präsentierte sich in verschiedenen Modelposen. Dieser Mann konnte einfach alles tragen. Vorbeilaufende Frauen und auch Männer warfen ihm beeindruckte Blicke zu, doch er hatte nur Augen für mich und schien die anderen nicht einmal zu bemerken. Der Vorhang öffnete sich erneut. Dieses Mal trug er eine graue, enge Hose mit einem weißen Shirt das einen leichten V-Ausschnitt besaß das seine Muskeln in Szene setzte. Darüber ein offenes, helles Jeanshemd, dessen Arme er hochgekrempelt hatte. In Kombination mit seinen dunklen Haaren, die ihm wirr ins Gesicht vielen sah er einfach umwerfend aus. Nicht mehr ganz so düster mit seinem sonst dunklen Kleidungsstil.

„Das ist es!“ Rief ich aus und zupfte an seinem Oberteil.

„Das? Bist du dir da sicher?“ Ich lächelte und wusste, dass ich damit gewinnen würde.

„Zu 100% sicher.“ Skeptisch beäugte er sich im Spiegel.

„Na ja, es ist etwas sehr Neues.“ Ich lachte und er strich mir über meinen Kopf. „Wenn es dir gefällt, behalte ich es an.“ Seine Hand legte sich an meine Wange und hob mein Gesicht ein wenig an. „Und jetzt suchen wir etwas für dich.“ Jurij behielt die Kleidung tatsächlich an und ließ die Preisschilder von einer Mitarbeiterin des Geschäftes abschneiden.

„Warte hier, ich suche dir etwas aus.“ Sein breites Grinsen brachte die kindliche Seite in ihm zum Vorschein. Ich setzte mich also auf einen der Sessel vor den Umkleiden und wartete auf seine Rückkehr. Mit was er wohl zurückkommen würde? Was würde einem Mann wie Jurij wohl an einer Frau am besten gefallen. Ich vertrieb mir die Zeit damit, auf Zoes Nachricht zu antworten. Es war ein Bild von ihr und Kirill vollbepackt mit Tüten. Jurij war bereits auf seinem Rückweg und hielt einen Stapel Kleidung auf seinen Armen. Er hang sie in eine der freien Kabinen und überließ mir das Feld. In der hell beleuchteten Kabine betrachtete ich erst einmal seine Ausbeute. Ein weinrotes Kleid mit langen Armen, eine schwarze Lederhose zusammen mit einem weißen Strickoberteil und ein grünkariertes Hemd zu einer zerrissenen dunklen Jeans. Nicht schlecht. Ich zog mich aus und stand in meiner Unterwäsche vor den vielen Spiegeln, jetzt hasste ich das helle Licht. Es ließ einen mehr als nur unvorteilhaft aussehen. Schnell zog ich das rote Kleid über den Kopf und zupfte es zurecht. Es war etwas kurz und ging mir bis zu der Mitte meiner Oberschenkel, ohne eine Strumpfhose würde sich das wohl nicht tragen lassen. Ich zog den Vorhang auf und grinste über die weit aufgerissenen Augen, die mich ansahen.

„Darin siehst du viel zu gut aus.“ Ich konnte sehen das er schluckte, während er jeden Zentimeter meines Körpers betrachtete. Ich zog mich in die Kabine zurück und probierte das nächste Outfit an. Es gestaltete sich schwieriger als gedacht in die schwarze, zerrissene Hose zu steigen. Immer wieder blieb ich in den Löchern hängen. Sie saß etwas locker auf meinen Hüften. Ich knöpfte die grüne Bluse zu und trat erneut heraus. Jurij schüttelte den Kopf, nun war das letzte Outfit an der Reihe. Die Lederhose lag hauteng an meinen Beinen und ließ meinen Po noch runder wirken. Das weiße, gehäkelte Oberteil fiel mir über eine Schulter. Ich strich mir meine Haare über die andere, bedeckte Schulter und trat ein letztes Mal aus der Kabine. Jurij staunte nicht schlecht, als ich mich vor ihm drehte und meine hintere Seite präsentierte. Spielerisch schlug ich mir selbst auf den Po. Er sagte nichts, nickte nur und stand auf. Mit seiner Hand an meiner Taille zog er mich zu sich heran und fuhr mit der anderen Hand meinen Hals entlang.

„Wie findest du es?“ Ich war ihm so nah, dass ich meine Hände auf seine Brust legen musste um ihn etwas von mir zudrücken.

„Ich versuche gerade meine Beherrschung nicht zu verlieren.“ Meine Wangen glühten auf. Eine ältere Dame räusperte sich hinter uns. Neben ihr stand ein kicherndes, junges Mädchen. Jurij ließ mich gehen und trat aus den Umkleiden, nur um kurze Zeit später mit einem Paar Ankle Boots wieder zu kommen. Ich zog sie an und betrachtete mich erneut im Spiegel, meine Beine erschienen endlos lang. Jurij schnappte sich meine Tasche und gab die restliche Kleidung an die Mitarbeiterinnen weiter, die bereits unsere Preisschilder abgeschnitten hatten. Er reichte mir seine Hand, die ich sofort ergriff und lief gemeinsam mit mir zu den Kassen.
 

Draußen schien bereits wieder die Sonne, sie hatte die Luft um uns herum etwas erwärmt. Zurück im Auto hörte ich das Surren meines Telefons. Zoe hatte mir erneut ein Bild geschickt diesmal mit einer Pizza und der Frage wollt ihr auch? Ich lächelte Jurij an und zeigte ihm das Foto.

„Hast du Hunger?“

„Hast du denn Hunger?“

„Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten ist nicht besonders nett.“

„Ich würde lieber noch etwas Zeit mit dir alleine verbringen aber, wenn du mit deiner Freundin Pizza essen möchtest, ist das auch kein Problem für mich.“ Mein Lächeln wurde nur breiter.

„Und was wäre deine nächste Option für unser Date?“ Jetzt lachte auch er.

„Wie wäre es, wenn wir etwas Essen gehen?“

„Sehr einfallsreich, Kovalewskij.“ Er zwinkerte mir zu und fuhr los.

„Ich habe mich lediglich inspirieren lassen.“ Ich gab ihm einen kleinen Schlag auf den Oberarm, den er gar nicht gespürt hatte.

„Und darf ich raten? Du hast an einen Italiener gedacht?“

„Kannst du Gedanken lesen?“

„Gute Menschenkenntnis würde ich sagen.“

„Und was für ein Mensch bin ich?“ Die Unterhaltung hatte eine gewisse Ernsthaftigkeit bekommen.

„Hmm.“ Ich überlegte. „Ich denke, du bist ein sehr dominanter Mensch mit einem guten Herzen.“

Er ließ meine Antwort unkommentiert und schwieg. Ich mochte das Schweigen nicht, es hatte etwas Bedrohliches an sich, das mir eine Gänsehaut verursachte. Nervös rutschte ich auf meinem Sitz hin und her. Jurij sah zu mir herüber und legte eine Hand auf mein Bein.

„Wie alt bist du eigentlich?“ Begann ich schließlich ein neues Thema.

„Viel zu alt.“ Er lachte.

„Komm, jetzt sag schon.“

„25“

„Na siehst du, geht doch und so alt ist das doch nicht.“

„Was ist mit dir?“

„19“ Seine Lippen formten ein freches Grinsen.

„Also mache ich mich nicht strafbar.“ Ich versetzte ihm einen erneuten Schlag. Sanft drückte er mein Bein. „Und was machst du, sobald du wieder zurück zu Hause bist?“

„Ich werde nach England ziehen, um dort eine Ausbildung zu beginnen.“ Ein Stich durchfuhr mein Herz. Ich wollte nicht von ihm fort und doch wollte ich das Versprechen an meinen Großvater halten.

„Was ist das denn für eine Ausbildung?“

„Ich weiß es nicht.“ Überrascht sah er mich an.

„Du weißt es nicht?“

„Nein.“ Gab ich zu. Mein Großvater hat mir nie erzählt wobei es sich darum handelt, nur das er wollte, dass ich die Familientradition weiter führte. Selbst mein Vater hatte mir nie verraten, worum es dabei ging. Er schien nur nie begeistert davon zu sein und hatte mir gesagt, dass ich genau darüber nachdenken sollte. Die Ausbildung zu beginnen würde heißen, das ich meine Freunde und mein bisheriges Leben verlassen müsste. Der Gedanke alles zurückzulassen tat weh aber ich wollte meinen Großvater nicht enttäuschen. Er war immer ein wichtiger Teil meiner Familie, besonders nachdem meine Mutter verstorben war. Ich war noch sehr klein und hatte nicht verstanden wieso sie auf einmal nicht mehr da war. Jetzt hatte ich nur noch meinen Vater.

„Was ist los? Du siehst so traurig aus.“ Jurijs Finger strichen über meine Hand und verschränkten sich mit meinen Fingern.

„Ich weiß wie es sich anfühlt nur noch ein Familienmitglied zu haben.“ Mein Blick war auf unsere Hände gerichtet.

„Das tut mir sehr leid, Katherina.“ Überrascht sah ich zu ihm auf.

„Katherina?“ Mir fehlte der russische Akzent, um es genauso schön auszusprechen, wie Jurij es gerade getan hatte.

„Ich… ähm … es tut mir leid.“

„Nein, mir gefällt der Name.“ Jurij lächelte und strich mit seinem Daumen über meine Hand.
 

Wir betraten das Restaurant eines kleinen Italieners und staunten nicht schlecht als wir Zoe und Kirill an einem der Tische sahen. Als Kirill seinen Bruder erkannte, verschluckte er sich an seinem Getränk. Zoe, die sich schnell zu uns rumdrehte, sog scharf die Luft ein.

„Wusstest du, dass sie hier sind?“ Fragte ich an Jurij gerichtet.

„Ich hatte wirklich keine Ahnung. Lass uns ein anderes Lokal suchen.“ Er war gerade dabei sich wieder zum Gehen zu wenden, als ich ihn zurückzog.

„Sie haben uns schon gesehen, wir können jetzt nicht einfach gehen.“ Er seufzte und legte seinen Arm um meine Taille. Gemeinsam gingen wir auf die beiden zu. Sie starrten uns noch immer an, als könnten sie nicht glauben, wer da vor ihnen steht. Kirill grinste, während er den neuen Kleidungsstil seines Bruders betrachtete.

„Was ist denn mit dir passiert, Bruder?“ Zoe versetzte ihm einen Schlag auf den Arm.

„Mir gefällt es sehr gut und wow Katy! Du siehst aus wie eine Granate! So hast du unser Hotel aber nicht verlassen.“ Schüchtern strich ich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr.

„Wir waren einkaufen.“ Gestand ich.

„Wolltet ihr nicht eigentlich die Kultur bewundern?“

„Uns hat ein kleiner Regenschauer erwischt.“

„Und dann dachtet ihr euch, dass ihr ein komplett neues Styling braucht?“ Lachte Zoe.

„Katy hat die Sachen für mich ausgesucht.“ Brachte sich nun auch Jurij mit ein.

„Das habe ich mir fast gedacht.“ Kirill betrachtete seinen Bruder aufs Neue. „Schick und so… hell.“

„Kirill…“ drohte Jurij seinem Bruder.

„Was hast du nur mit meinem Bruder getan Katy.“ Erschrocken sah ich Kirill an.

„Ist es so schlimm?“ Jurij strich mich über den Rücken.

„Es ist alles in Ordnung. Mein Bruder hat auch beschlossen, jetzt zu schweigen, nicht wahr?“

„Ich habe nicht gesagt das es negativ ist, nur das ich dich so einfach nicht kenne.“

„Kirill!“ Jurij sah seinen Bruder eindringlich an. „Es reicht jetzt.“

Es herrschte eine bedrohliche Stimmung bis Zoe, als erste ihr Wort wiederfand.

„Setzt euch doch zu uns.“ Sie deutete auf die freien Plätze neben sich.

„Vielleicht sollten wir wieder gehen.“ Jurijs Akzent war wieder stärker geworden, er grollte die Worte in Richtung seines Bruders. Beschwichtigend legte ich meine Finger auf seine starke Brust.

„Nein, es ist alles in Ordnung. Lass uns etwas Essen.“

„Entschuldige mich, ich werde nach draußen gehen und eine rauchen.“ Ich nickte und sah ihm hinter her. Zoe klopfte auf den Stuhl neben sich. Ich nahm Platz und bestellte ein Nudelgericht mit Pilzen.

„Katy, was ich eben gesagt habe meinte ich in keinster Weise bösartig.“ Begann Kirill. „Du hast sehr großen Einfluss auf meinem Bruder und ich glaube, das er das nicht gerne von anderen hört.“

„Was meinst du mit großem Einfluss?“ Kirill beugte sich zu mir über den Tisch.

„Ich habe meinen Bruder noch nie etwas anderes als seine schwarzen Klamotten tragen sehen. Normalerweise meidet er auch die Öffentlichkeit und ist lieber für sich alleine.“

„Vergiss nicht die Blicke, die er ihr zuwirft.“ Ergänzte Zoe ihn und lächelte mich an.

„Das er sich überhaupt auf ein Gespräch mit einer Frau einlässt, ist schon ein wirkliches Wunder.“

Ich errötete und dachte über die letzten beiden Tage nach in denen ich ein kleines Bild von diesem tollen Mann bekommen konnte. Die Tür öffnete sich und Jurij trat durch sie hindurch. Sofort lag sein Blick wieder auf mir. Mein Herz machte einen Sprung.

„Hast du schon bestellt?“ Ich nickte. „Weißt du was du als Nächstes machen möchtest?“

„Wir könnten doch etwas zu viert unternehmen.“ Fragte Zoe vorsichtig.

„Nein.“ War die einzige Antwort, die sie von Jurij bekam.

„Jetzt sei doch bitte nicht mehr böse auf mich.“

„Du hast es zu weit getrieben Kirill.“ Seine Stimme hatte sich noch nicht ganz wieder beruhigt.

„Und dafür möchtest du jetzt unsere zwei schönen Begleiterinnen bestrafen?“ Der Gentleman in Jurij erwachte. Eindringlich sah er mir in die Augen, während seine Finger sich ihren Weg zwischen meine suchten.

„Was möchtest du?“ Mal wieder blieb es an mir zu entscheiden. Ich wollte noch mehr Zeit alleine mit diesem wunderbaren Mann verbringen, aber es war auch Zoe und mein letzter gemeinsamer Urlaub bevor wir uns für lange Zeit nicht mehr sehen würden. Ich sah zu meiner besten Freundin, die mich beschwichtigend anlächelte und mir damit sagte das jede Antwort für sie in Ordnung wäre.

„Ich würde noch gerne die Basilius Kathedrale näher betrachten.“ Antwortete ich leise.

„Also wieder zurück zum Roten Platz.“ Lachte Kirill.

„Aber erst nach dem essen.“ Setzte Zoe mit ein. Jurij sah mich noch immer an. Ich hatte das Gefühl ihn enttäuscht zu haben. Mein Essen kam und wurde mir von einem jungen Kellner serviert, der mir zuzwinkerte. Jurij legte einen Arm um meine Schulter und zog mich zu sich heran. Der Kellner verschwand und ließ uns alleine. Ich spürte Jurijs Atem an meinem Ohr.

„Hätte er dich weiter so angesehen, wäre ich aufgesprungen und hätte ihm den Hals umgedreht.“

„Jurij. Sag sowas bitte nicht.“ Er zog mich noch enger zu sich. „Ich kann so nicht essen.“

„Ich möchte dich aber noch nicht gehen lassen.“ Er vergrub sein Gesicht in meinem Haar.

„Ist es für dich okay, wenn die anderen mitkommen?“

„Ich würde es immer vorziehen mit dir alleine zu sein aber wenn es dein Wunsch ist füge ich mich.“

Er entließ mich aus seiner Umarmung und aß zusammen mit mir die riesige Portion Nudeln auf.
 

Die gemeinsame Zeit in seinem Auto war schnell vorüber, wir parkten die Autos und liefen den altbekannten Weg über den Roten Platz. Vorbei an der Tafel an der wir uns kennengelernt hatten. Jurij, der sein Jeanshemd gegen seine Lederjacke eingetauscht hatte, sah aus wie ein Model. Meine eigene hatte er mir über die Schultern gelegt. Zoe strahlte uns an.

„Ihr seht aus wie ein Starpärchen.“ Kirill gesellte sich zu ihr und legte ihr seinen Arm um die Schulter.

„Das liegt nur an seiner entzückenden Begleiterin.“ Mir stieg wie schon so oft die Röte ins Gesicht.

„Lasst mich schnell ein Foto von euch machen!“ Rief Zoe begeistert. Jurij zog mich an meiner Taille noch enger zu sich heran und lächelte. Nachdem Zoe mir das Bild gezeigt hatte, blieb mir der Mund offen stehen. Jurij sah nicht in die Kamera, sondern hatte seinen Blick auf mich gerichtet. Neben ihm sah ich umwerfend aus und hatte eine ganz andere Ausstrahlung. Ich fühlte mich sexy. Jurijs Hand suchte sich ihren Weg über meinen Rücken, während wir weiter über den großen Platz zur Basilius Kathedrale liefen. Von weitem erkannte man bereits die bunten Zwiebeltürme, die das Erkennungszeichen der Kirche waren. Sie sah von Nahen noch viel märchenhafter aus.

Die Menschen an denen wir vorbei kamen, warfen uns interessierte Blicke zu. Einige musterten uns von oben bis unten, andere flüsterten leise miteinander. Wir zogen mehr Aufmerksamkeit auf uns als die farbenfrohe Kathedrale vor uns. Ich warf Kirill die Kamera zu und zog meine beste Freundin mit mir, wir umarmten uns während Kirill ein paar Bilder von uns Schoss.

Die Kathedrale hatte nur noch für kurze Zeit geöffnet, also beeilten wir uns, um noch ihr Inneres sehen zu können. Von innen war sie genauso bunt wie von außen, neben den üblichen Bildern der heiligen Geistlichen sah man viele blaue und rote Verzierungen. Zoe staunte und fotografierte unauffällig in die große Kuppel. Ich schritt an den Wänden entlang und berührte sie vorsichtig mit meinen Fingerspitzen. Jurij hatte sich auf eine der Bänke gesetzt und verfolgte mich mit seinen grauen Augen.

„Ich könnte dir den ganzen Tag dabei zusehen, wie du vor mir her schreitest.“ Ich zwinkerte ihm zu und lief bewusst nah an ihm vorbei. Er packte mich und zog mich auf seinen Schoß.

„Das ist eine Kirche Jurij.“ Tadelte ich ihn und versuchte von ihm herunter zu klettern. Er hatte bereits wieder sein Gesicht in meinen Haaren vergraben.

„Die Sünde ist aber so viel interessanter.“ Mein Atem wurde schneller, als ich seine Lippen an meinem Hals spüren konnte. Die Sanftheit seiner Berührung ließ mich erzittern. Er war kein Junge mehr der seine Grenzen austestete, er war ein erfahrener Mann der wusste was den Frauen gefiel. Dennoch respektierte er mich und würde nicht zu weit gehen. Seine kräftigen, grauen Augen sahen in meine und ich verlor mich in ihnen. Dieser sinnliche Blick mit, dem er mich ansah, ließ mich verrückt werden.

„Красивая (Krasivaya)“ hauchte mir dieser atemberaubende Mann entgegen.

„Was bedeutet das?“ Langsam strich ich über seinen schattigen Bart. Er schloss die Augen und genoss meine Berührungen.

„Es bedeutet Schöne.“ Ich lächelte und gab ihm einen kleinen Kuss auf seine Wange.

„Du sorgst dafür das ich mich schön fühle.“ Sein Griff um mich wurde fester.

Hätte Kirill uns nicht mit seinem Räuspern unterbrochen, hätte ich alles mit diesem Mann getan. Jurij Kovalewskij schaltete meinen Verstand aus und sorgte dafür, dass meine Hormone mich steuerten. Ich bestand nur noch aus der Begierde für diesen Mann und das Feuer, das er in mir auslöste. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich an diesem Feuer verbrennen würde. Auf dieser Welt könnte es nur einen Menschen wie Jurij geben. Diese sanfte, beschützende Art die er mir entgegenbrachte in der ich mich, wie das Wichtigste dieser Welt fühlte. Seine kleinen, machtvollen Berührungen, die mich um den Verstand brachten. Ich fühlte mich, als würde mir das Herz nur bei dem Gedanken daran, ihn zu verlassen, in 1000 Teile zerspringen. Wenn es für jeden Menschen nur ein Gegenstück gäbe dann, wäre meines Jurij Kovalewskij.

Jurij ließ nicht von mir ab, auch als sein Bruder näher zu uns herantrat.

„Stör uns nicht, Kirill.“ Befahl er seinem Bruder.

„Ich sehe das ihr beschäftigt seid, aber die Kathedrale schließt in wenigen Minuten.“

„Dann bleiben wir eben die ganze Nacht hier.“ Ich drückte diesen wunderschönen Mann etwas von mir.

„Ich möchte die Nacht aber nicht in einer kalten Kirche verbringen.“

„Mach dir darüber keine Gedanken, meine Schöne. Ich werde mir etwas einfallen lassen, um dich warm zu halten.“ Er grinste frech, was es mir schwer machte ernst zu bleiben.

„Jurij. Lass mich los.“ Widerwillig löste er seine Arme von mir und ließ mich von ihm absteigen.

„Hinter jedem dominanten Mann steht eine noch dominantere Frau, nicht wahr Bruderherz?“ Ich rollte mit den Augen und eilte zu meiner besten Freundin, die das ganze Spektakel aus der Ferne beobachtet hatte. Sie grinste und harkte sich bei mir unter.

„Weigerst du dich immer noch, zuzugeben, dass er es dir angetan hat?“

„Nein.“ Ich seufzte. „Können wir nicht einfach für immer hierbleiben?“ Zoe lachte, gemeinsam verließen wir das Innenleben der Basilius Kathedrale.

„Das ist nicht die Katy, die ich kenne, aber sie gefällt mir.“ Ich stimmte in ihr Lachen ein.

Draußen dämmerte es bereits, die Zeit war schnell vergangen.

„Ich habe herausgefunden, das unser Hotel eine Sauna hat, na Lust?“ Sanft stieß sie mich zur Seite. „Sofern du dich von deinem Göttergatten trennen kannst.“

„Er ist nicht mein Göttergatte…“

„Natüürlich.“ Wir liefen ein paar Schritte. „Und was sagst du zu meiner Idee?“

„Klar, warum nicht.

Unsere beiden Männer schlossen zu uns auf, während wir zurück zu den Autos liefen.

Kapitel 5 Katy

„So jetzt ist es wohl an der Zeit sich für heute zu Verabschieden.“ Verkündete Zoe unserer Truppe, nachdem wir die Autos der beiden Jungs erreicht hatten. Im Gegensatz zu Jurij, der mit seinem schwarzen Mercedes eine wahre Limousine fuhr, hatte Kirill sich einen weißen Sportwagen zugelegt. Ungläubig sahen uns die zwei Männer an.

„Jetzt schon? Die Nacht ist doch noch jung.“ Protestierte Kirill. Zoe ging zu ihm und ließ sich von ihm in eine Umarmung ziehen.

„Vergesst nicht, Jungs. Dieser Urlaub ist eigentlich für uns zwei Freundinnen gedacht. Schenkt uns wenigstens einen Abend zusammen.“ Zoe schenkte ihm eines ihrer zauberhaften Lächeln.

„Ich möchte nicht das dieser Tag schon endet.“ Jurij wirkte enttäuscht, mir wurde das Herz schwer. Ich wollte jede Sekunde mit diesem einzigartigen Mann verbringen, aber musste meiner Freundin recht geben, dies war unser Urlaub. Es sollte wenigstens einen Abend geben, den wir alleine verbrachten. Wir hatten zwar noch St. Petersburg für uns aber wer weiß, was uns dort erwartete.

„Es war ein wundervoller Tag.“

Kirill zog Zoe erneut zu sich heran und küsste sie. Ich konnte nur überrascht zu den beiden herübersehen. Plötzlich empfand ich es als unangenehm einfach so neben Jurij zu stehen. Er lächelte mich an und trat näher zu mir heran. Mein Herz raste und war kaum zu beruhigen, während er sich mir immer weiter näherte. Seine Hand legte sich um meine heiß glühende Wange. Sanft hob er mein Gesicht an und sah mir tief in die Augen. Dieses Mal würde ich mich nicht wehren. Ich schloss meine Augen und wartete darauf das es passierte. Sanft drückte er seine Lippen gegen meine Stirn. Überrascht öffnete ich meine Augen und sah in sein lächelndes Gesicht.

„Wenn ich dich Küsse dann sicher nicht auf einem Parkplatz.“ Ich warf mich in seine Arme und drückte ihn fest an mich. Er hätte nichts Schöneres sagen können.

„Danke.“ Hauchte ich gegen seine muskulöse Brust, er schloss seine Arme um mich und hielt mich einen Moment lang fest.

„Nicht dafür.“ Ich konnte spüren wie er an meinem Haar roch und sein hübsches Gesicht darin vergrub. In diesen Momenten erschien es mir nicht so, als würde ich ihn erst kurze Zeit kennen. Ich fühlte mich, als hätte ich bereits ein ganzes Leben mit ihm gelebt. Durch ihn hatte ich wieder gelernt, wie es sich anfühlt glücklich und sorglos zu sein. Ich hätte für immer in seine Armen bleiben können, doch war es jetzt an der Zeit sich wirklich voneinander zu Verabschieden. Widerwillig lösten wir uns voneinander.

„Gute Nacht, schöne Frau.“

„Gute Nacht, Kovalewskij.“

Zoe griff nach meiner Hand und zog mich von ihm weg. Jurij lehnte an seinem Auto und sah uns hinterher, während wir Hand in Hand in der Menschenmenge verschwanden.
 

Wir waren bereits ein paar Meter gelaufen, als Zoe begann mich auszufragen.

„Wieso hat er dich denn nicht geküsst?“

„Ich habe ihm gesagt, das es mir dann nur noch schwerer fallen würde mich von ihm zu verabschieden.“

„Was? Katy! Wieso denn das?“

„Na weil es so ist.“

„Willst du denn gar nicht wissen, wie es sich anfühlt ihn zu küssen?“ Natürlich wollte ich das! Ich dachte die ganze Zeit daran wie sich seine vollen Lippen auf meinen Anfühlen würden. Ich dachte nicht nur daran wie sie sich auf meinen Lippen anfühlten, sondern wie er meinen ganzen Körper damit liebkoste. Dieser Mann brachte mich dazu an meine tiefsten Gelüste zu denken aber ein Kuss würde alles nur noch schlimmer machen. Ich würde mehr wollen. Mehr von etwas das ich nicht bekommen konnte, da sich unsere Wege bald trennen würden.

„Katy. Macht er dich glücklich?“

„…Ja, mehr als das.“ Sie lächelte.

„Dann ist das doch Beweis genug das du es wagen solltest.“

„Nein Zoe, es würde mich am Ende nur noch schwerer verletzten.“

Meine beste Freundin hielt an und drückte meine Hand während sie mir eine Träne von der Wange wischte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen.

„Ich bin immer für dich da egal was kommt, hörst du?“ Ich nickte. „Und ich finde, du solltest nicht vor deinem Glück davonrennen. Eure Zeit mag kurz sein und du wirst ihn vermissen aber wenn du es nicht tust, könntest du es bereuen. Willst du dich wirklich fragen müssen, wie es gewesen wäre? Hab keine Angst davor es zu versuchen, mehr als schiefgehen kann es nicht und wenn es klappt… na ja … dann hast du einen ziemlich attraktiven Freund an deiner Seite.“ Zoe brachte mich immer wieder zum Lächeln. Sie war nicht umsonst meine beste Freundin.

„Du hast recht aber ich hab Angst.“

„Die brauchst du aber nicht zu haben. Wenn er dir das Herz bricht, mache ich ihn fertig und bin im Anschluss für dich da.“ Mit Tränen in den Augen fing ich an zu lachen.

„Du bist verrückt.“ Sie zog mich in ihre Arme.

„Und genau deswegen bin ich deine beste Freundin.“

Uns war es egal das die vorbeilaufenden Menschen uns fragwürdige Blicke zuwarfen. Dieser Moment gehörte nur mir und meiner besten Freundin. Es war schwer mir ein Leben ohne sie vorzustellen. Aber ich wusste, dass sie nicht ganz aus meinem Leben verschwunden war, sie würde immer erreichbar für mich bleiben. Ich bräuchte sie nur anzurufen und sie wäre für mich da.

„Lass uns weitergehen, die Sauna wartet.“
 

Den restlichen Weg zum Hotel hatten wir schnell hinter uns gelassen und waren gerade dabei uns nach unten in den Wellness Bereich zu begeben. Nur in ein Handtuch gewickelt betraten wir die vorbereitete Sauna. Die schwüle, heiße Luft trieb mir direkt Schweißperlen auf die Stirn. Gott sei Dank waren wir alleine hier unten und hatten die ganze Sauna für uns.

„Tut das gut.“ Stöhnte Zoe. Ich goss noch etwas Zitronenwasser auf die heißen Steine und sah dem Dampf beim Aufsteigen zu.

„Wie war eigentlich dein Tag mit Kirill?“ Fragte ich meine Freundin, während ich mich auf der Holzbank ausstreckte.

„Wir haben eine ganze Menge eingekauft. Es war schön. Er ist ein ziemlicher Charmeur und macht Komplimente, wo es nur geht.“

„Hört sich nach einem ziemlichen Weiberhelden an.“

„Das kann schon sein, aber irgendwie finde ich das ganz amüsant.“ Sie lächelte.

„Also bleibt es beim Urlaubsflirt?“

„Ich schätze schon.“ Der Schweiß rann an unseren Körper herunter. „Schon nervös vor dem großen, unbekannten Abenteuer?“ Wechselte sie das Thema.

„Zurzeit ist jedes Tag ein neues Abenteuer.“ Lachte ich.

„Ich werde dich vermissen KitKat.“

„Bitte nicht jetzt schon Zo. Du hast mir versprochen mit solchen Sprüchen bis nach dem Urlaub zu warten.“ Ich konnte sie seufzten hören. Langsam richtete ich mich auf und sah sie an.

„Was ist los?“

„Ich kann einfach nicht verstehen, wie du dich darauf einlassen kannst.“

„Du weißt doch das ich es meinem Großvater versprochen habe.“

„Ja aber es ist so weit weg von mir und selbst dein Vater ist nicht davon begeistert.“

„Wir haben das jetzt schon so oft diskutiert. Ich werde gehen.“

„Aber du weißt doch rein gar nichts darüber!“ Ihre Stimme wurde lauter.

„Mein Großvater wird mich schon nicht in gefährliche Situationen bringen.“

„Sonst bist du immer so vorsichtig und hier stürzt du dich einfach so in ein Land, das du nicht kennst und fängst eine Ausbildung an, über die du rein gar nichts weißt.“

„Es ist zu ehren meines Großvaters.“ Ich schnaubte. Ich hasste dieses Thema, es war immer dieselbe Leier und nichts änderte mein Vorhaben.

„Ich dachte, dafür sei das Tattoo Katy. Das wird doch wohl reichen.“ Ich strich über den Pfeil mit der Mondsichel, der unter meinem Schlüsselbein tätowiert war.

„Z, es reicht jetzt. Ich weiß, dass du nicht begeistert von der Idee bist, aber es ist mein Wunsch und du solltest ihn endlich akzeptieren. Du willst, dass ich mich in eine Liebesbeziehung mit einem Mann stürzte, den ich erst seit wenigen Tagen kenne, aber regst dich darüber auf das ich für eine Ausbildung in ein anderes Land ziehe.“

„Ich rege mich nicht darüber auf das es ein fremdes Land ist, sondern das du dich nicht dafür interessierst, um was es sich dabei eigentlich handelt.“

„Ich vertraue meinem Großvater und du solltest mir vertrauen.“

„Ich vertraue dir, ich mache mir einfach nur Sorgen um dich.“

„Zoe, ich muss das tun.“

„Ich weiß.“ Sie griff nach meiner Hand. „Schreib mir jeden Tag, versprochen?“

„Versprochen.“

Mein Kreislauf machte schlapp und um mich herum begannen dunkle Flecken aufzublitzen.

„Ich muss raus, das wird zu viel für mich.“ Bei dem Versuch aufzustehen wurde mir schwindelig. Zoe stützte mich und brauste mich mit kaltem Wasser ab. Ich lehnte mich gegen die kühle Wand der Dusche und wartete auf meine beste Freundin. Der Schwindel hatte sich gelegt und mein Kreislauf kam wieder zu Kräften, nur die Hitze wollte nicht aus meinem Körper verschwinden.

Mir war warm und kalt zur selben Zeit. Ich schlotterte vor Kälte und schwitzte aufgrund meiner Temperatur.

In unserer Suite angekommen, half mir Zoe mich umzuziehen und ich ließ mich von ihr ins Bett bringen.

„Du solltest etwas trinken Katy.“ Sie kam mit einem großen Glas Wasser zurück. Ich trank es aus und kuschelte mich in die warme Daunenbettdecke. Es war eine der unruhigsten Nächte, die ich seit langem hatte.

Kapitel 6 Jurij

Wir hatten zwar keinen Termin mit den Mädchen vereinbart, trotzdem wollte ich so schnell wie möglich wieder zurück zu Katy. Mein Bruder stand gerade in der Küche und drückte die letzten Tropfen Blut aus einer Konserve in sein Glas. Natürlich hätten wir auch direkt aus den Beuteln trinken können aber selbst bei Vampiren isst das Auge mit. Er reichte mir eines der Gläser und setzte sich dann an unseren Esstisch.

„Gedulde dich etwas. Sie schlafen bestimmt noch.“ Ich setzte mich zu ihm und ließ das Blut umherschwenken. „Keinen Appetit?“

„Sehr witzig, Bruder.“ Vampire kannten etwas wie Appetit nicht, nur Lust und Drang. Wir konnten mehrere Tage auf Blut verzichten, aber je länger wir darauf verzichteten, desto wilder wurden wir. Wir mutierten zu tödlichen Monstern, die keine Beherrschung mehr kannten. In meinen 600 Jahren war ich noch keinem Vampir begegnet, der komplett auf menschliches Blut verzichtete. Manchmal frage ich mich was passieren würde, wenn wir keines mehr zu uns nehmen würden.

Ich trank einen Schluck aus dem Glas. Es war etwas völlig anderes Blut direkt aus einem lebenden Menschen zu trinken. Die Blutkonserven waren ein Mittel zum Zweck. Es schmeckte kalt und irgendwie alt, im Gegensatz zu der warmen Köstlichkeit aus dem Hals einer jungen Frau. Hin und wieder biss Kirill eine Frau, die er am Abend zuvor verführt hatte, er löschte ihre Erinnerung sorgfältig und sorgte dafür, dass sie nicht einmal mehr wusste, wer wir waren. Ich hatte schon seit einigen Jahrzehnten keinen Menschen mehr gebissen. Seit es Krankenhäuser und Blutspenden gab, versorgte ich mich damit. Ich manipulierte Ärzte, so das sie es mir freiwillig lieferten. Es war ebenfalls nicht die feine Art aber das Blut der heutigen Menschen schmeckte unrein. All die Medikamente und Drogen in ihrem Blut ließen es fad schmecken. Ich hatte nicht mal mehr das Bedürfnis einen Menschen zu beißen, bis ich Katy begegnet bin. Ihr Blut roch so unglaublich köstlich. Süß und fruchtig. Normalerweise hatte ich kein großes Problem damit meine Beherrschung nicht zu verlieren, aber bei Katy sorgte ein einfaches zurückstreichen ihrer Haare schon dafür, dass sich meine Fangzähne ihren Weg nach draußen bahnten. Trotzdem konnte ich meine Finger nicht von ihr lassen. Ich musste sie berühren, sie ansehen, ihr zuhören und sie beobachten bei allem, was sie tat.

„Denkst du schon wieder an sie?“ Mein Bruder Kirill lächelte mich an.

„Ich tue nichts anderes mehr.“

„Ich habe Vladimir angerufen.“ Überrascht sah ich meinen Bruder an.

„Wieso das?“ Vladimir war ein sehr alter Vampir. Er hatte uns damals nach unserer Verwandlung unter seine Fittiche genommen und war wie ein Vater für uns. Er machte uns zu den Männern, die wir heute waren. Sein Sitz lag in St. Petersburg, vor langer Zeit gab er uns sein Einverständnis über sein Land zu wachen.

„Ich dachte mir, du möchtest bestimmt das er ein Auge auf die beiden Mädchen wirft.“

„Ich danke dir Bruder.“ Kirill prostete mir mit seinem Glas zu und trank es leer.
 

Unter der Dusche ließ ich das heiße Wasser über meine Haut laufen. Sobald ich meine Augen schloss, sah ich ihr Gesicht vor mir. Ich wollte nicht das sie ging, sie sollte für immer an meiner Seite bleiben. Vielleicht könnte ich ihr irgendwann mein Geheimnis preisgeben und sie zu einer von uns machen. Wir wären bis in alle Ewigkeit zusammen. Ich müsste mir keine Gedanken um einen Abschied machen. Wir könnten in unserem alten Schloss leben und zusammen unser Reich regieren. Sie wäre meine Zarin der Vampire. Das warme Wasser war verbraucht und wurde durch eiskaltes ersetzt. Ich verließ die Dusche und sah in den großen Spiegel. Mein Körper war von den vielen Kämpfen mit Narben überseht, aber die größte Narbe würde ihr gehen verursachen.

Kirill wartete bereits auf mich um die Mädchen zu überraschen. Wir fuhren mit nur einem Auto, nach einem Münzwurf hatte er gewonnen. Sein Sportwagen war schnell und überholte jedes Auto das sich vor uns auftat. Angst vor dem Tod brauchten wir keine zu haben. Kirill war ein guter Fahrer und liebte es sich schnelle Autos zu kaufen. Ich vertraute seinem Können und lehnte mich zurück, es würde keine lange Fahrt werden.

Das Hotel der Mädchen war schnell erreicht. Wir klopften an ihre Tür und mussten nicht lange auf den Einlass warten. Überrascht blickte uns Katys blonde Freundin an.

„Oh, was macht ihr denn hier?“ Ihre Stimme klang nicht so begeistert wie erwartet.

Kirill gab ihr einen Kuss auf die Wange und trat ein. „Hast du mich etwa nicht vermisst?“ Ich folgte meinem Bruder und sah mich in dem Wohnzimmer der Suite um.

„Wo ist Katy?“ Ihre Freundin zuckte zusammen. Ich musste aufpassen um nicht zu bedrohlich zu wirken. Zoe war ihre beste Freundin und hatte zu viel Einfluss auf Katy. Sie könnte ihr sagen, dass sie mich nicht mehr sehen sollte. „Was ist mit ihr?“ Irgendetwas stimmte hier nicht. Panik stieg in mir auf. Wenn irgendjemand Katy etwas angetan hatte, würde ich ihn finden und zur Rechenschaft ziehen.

„Sie ist hier, sie schläft noch.“ Zoe griff nach ihrer Jacke und zog sie sich an.

„Was ist hier los?“ Ich sah sie eindringlich an.

„Euer Regenspaziergang und die Sauna gestern waren etwas zu viel für sie. Sie liegt mit Fieber im Bett.“ Ich hatte Schuld an Katys zustand? Ich musste sie sehen!

„Und du lässt sie einfach so alleine?“ Wütend funkelte das blonde Mädchen mich an.

„Ja, um ihr Medikamente zu holen.“ Medikamente… Damit würde sie nur Katys Köstliches Blut verderben. „Sie muss morgen wieder fit sein. Du erinnerst dich das wir noch weiter nach St. Petersburg wollten oder hast du das einfach gekonnt ignoriert?“ Ihre schnippische Art machte mich wütend. Kirills Blick fiel zwischen uns hin und her.

„Lass uns die Medikamente holen Zoe.“ Er zog sie von mir weg. Die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss.

„Zoe?“ Katy stand in der Tür des Schlafzimmers. Nicht nur ihre Stimme war schwach. Ihre Wangen glühten rot und Schweißperlen rannen über ihr wunderschönes Gesicht. Sie sah so zerbrechlich aus. Ihr Blick flog durch den Raum und blieb an mir hängen. Überrascht riss sie die Augen auf.

„Jurij.“ Sie wollte einen Schritt auf mich zugehen und kippte dabei fast in sich zusammen. Ich eilte zu ihr und legte ihr stützend meinen Arm um die Taille. Sie fühlte sich kochend heiß an.

„Du musst zurück ins Bett. Sofort.“ Ihre dünnen Finger griffen halt suchend an meinen Arm.

„Was tust du hier Jurij?“ Ich musste sie einfach berühren. Ihr Haar fühlte sich so samtig weich an das ich ein paar Mal darüber strich. „Shh. Du musst jetzt erstmal zurück ins Bett.“ Sie nickte und ließ sich von mir ins Schlafzimmer helfen. Ihre knappe Hose ermöglichte mir einen Blick auf ihre langen Beine und auch auf ihren knackigen Hintern, während sie über das Bett kletterte. Ich musste mich zwingen den Blick von ihr abzuwenden. Sie zog die langen Ärmel ihres Oberteiles nach unten und kuschelte sich unter die dicke Bettdecke. Ich setzte mich auf die andere Seite des Bettes und zog sie zu mir. Ihr Körper schmiegte sich an mich, während sie ihren Kopf auf meine Brust legte.

„Wieso bist du hier?“ Fragte sie erneut.

„Ich wollte dich sehen.“ Sanft strich ich über ihre langen, braunen Haare.

„Du solltest wieder gehen, sonst steckst du dich noch an.“ Ich lächelte, wenn sie nur wüsste.

„Möchtest du das ich gehe?“ Mein Herz hörte auf zu schlagen.

„Nein.“ Ich griff um sie und zog sie noch näher an mich heran.

„Ich wäre auch nicht gegangen.“ Ein Lächeln zeichnete sich auf ihren lieblichen Zügen ab. Selbst jetzt war sie wunderschön. Ihre Atmung wurde langsam und gleichmäßiger. Sie war in meinen Armen eingeschlafen. Ich hatte sie ganz für mich allein, es wäre ein Leichtes für mich gewesen sie jetzt zu packen und das Blut aus ihrem schönen Hals zu trinken. Stattdessen küsste ich ihre Stirn.

Die Vordertür öffnete sich nach einem leisen Piepen, herein kamen mein nur so vor Charme strotzender Bruder und seine blonde, zickige Flamme.

„Was machst du in unserem Bett?“ War das erste was sie sagte als sie Katy und mich gemeinsam in dem großen Bett liegen sah. Ich deutete ihr an still zu sein und sie verließ Augenrollend das Schlafzimmer. Kurze Zeit später kam sie mit einem Glas Wasser und Tabletten wieder zurück.

„Wenn sie aufwacht, soll sie die Tabletten nehmen, sie senken das Fieber.“ Ich nickte.

„Und was macht ihr?“ Ich wollte nur das sie wieder von hier verschwand. Ich duldete ihre Anwesenheit nur, wenn Katy es wollte und diese schlief gerade. Sie waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Zoe war biestig und viel zu aufgedreht, sie wirkte wie ein Mädchen, das leicht zu haben war und damit schon vollkommen uninteressant für mich wurde. Katy hingegen war süß und unschuldig. Sie freute sich über die kleinsten Dinge im Leben und brachte meine Welt mit ihrem Lächeln zum Strahlen.

„Möchtest du wirklich das ich mich noch dazu lege?“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich mit hochgezogener Augenbraue an. Ich atmete tief durch, um ihr nicht die Kehle zu zerreißen. So viel zu meiner Jahrzehnte langen Selbstbeherrschung.

„Verschwinde Blondie.“ Ein erneutes Augenrollen und sie verließ das Zimmer wieder. Ich hatte schon immer ein Problem mit blonden Frauen gehabt. Sie waren nervige Anhängsel, die einem das Leben zur Hölle machten. Ich wusste, wovon ich sprach. Vladimir hatte, nachdem wir bereits 300 Jahre bei ihm verbracht hatten, eine Jungvampirin aufgenommen. Ihr Name war Casandra, sie war in Katys Alter, als sie verwandelt wurde. Ein wirkliches Biest. Sie wurde an einen alten, notgeilen Mann verheiratet der sie jede Nacht aufs Neue vergewaltigte und sich jetzt an allen Männern rächen wollte. Aus irgendeinem Grund hatte sie aber gefallen an mir gefunden und umgarnte mich mit ihren Reizen, von denen sie nicht zu wenige besaß. Ich hatte nicht weiter darüber nachgedacht und mir viele Nächte das Bett mit ihr geteilt. Mir wurde schnell langweilig und so dauerte es nicht lang, dass ich ihrer überdrüssig wurde. Sie hatte versucht mich umzubringen und war kläglich daran gescheitert. Vladimir hatte mich für eine gewisse Zeit fortgeschickt, um sie weiter ausbilden zu können. Sie war ein Jungvampir und hatte noch keinerlei Beherrschung oder Kontrolle über ihre Kräfte. Hätten wir sie einfach so gehen lassen, hätte sie wahrscheinlich ganze Dörfer zerstört. Ich ließ St. Petersburg also hinter mir und machte mich auf nach Moskau. Katharina die Große war gerade an die Macht gekommen und war bekannt für ihre vielen Liebhaber. Ich schlich mich bei Hofe ein und machte ihr eine Zeit lang den Hof, bis auch das mich langweilte. Ich beschloss die Welt zu sehen und reiste viel umher. Zwei ganze Jahrhunderte verbrachte ich damit umher zu reisen und schloss viele Bündnisse mit anderen mächtigen Vampiren, die bis heute nicht an Bedeutung verloren hatten. Vor Hundert Jahren kam ich zurück zu Vladimir, Casandra hatte seinem Schloss den Rücken gekehrt und ich frage nicht nach, wo sie sich aufhielt. Ich war mir sicher, dass sie irgendwelchen unschuldigen Männern das Herz herausriss. Vladimir übertrug meinem Bruder und mir die Verantwortung für sein Reich. Jetzt lag es an uns sich um junge, unwissende Vampire zu kümmern und dafür zu sorgen das die Jäger uns in Ruhe ließen.

Katy schlief tief und fest, sie in meinen Armen zu halten war das schönste Gefühl, das ich seit langem verspürt hatte. Sie hatte nichts mit meinen anderen Geliebten gemeinsam. Die anderen Frauen hatte ich für meine Lust benutzt, es war nur Sex. Bei ihr reichte es aus sie einfach nur ansehen zu können. Natürlich würde ich sie gerne Küssen, ihren Körper liebkosen und mit ihr schlafen aber ich würde so lange warten, bis sie bereit dafür wäre. Wenn ich sie denn wiedersehen darf.

Ihr schönes Gesicht zog kleine Grimassen, ich strich über jede einzelne Sorgenfalte. Sie legte ihren Arm um mich und presste sich fest an mich. Ich war mir nicht einmal sicher, ob sie überhaupt noch wirklich schlief.

„Geh nicht.“ Ihre Augen waren noch geschlossen während sie im Schlaf sprach. Was hatte sie gesagt? Geh nicht? Mein altes Herz wurde schwer. Ich konnte sie nicht einfach NUR wiedersehen, ich würde bei ihr bleiben, solange sie mich wollte. Ich würde nach St. Petersburg mitgehen.

Kapitel 7 Katy

Ich wachte in den starken Armen von Jurij auf, während er meine Haare immer wieder durch seine Finger gleiten ließ. Langsam erhob ich mich und sah in seine traumhaften Augen.

„Guten Morgen Schönheit.“ Ich lächelte. „Hier, Zoe hat gesagt du sollst diese Tabletten nehmen.“

„Was ist das?“ Ich schluckte sie, ohne auf eine Antwort zu warten, herunter.

„Sie sollen dein Fieber senken. Wie fühlst du dich?“

„Besser.“ Es stimmte, der Schlaf hatte Wunder vollbracht. Meine Kräfte waren fast wieder komplett hergestellt. Ich bemerkte erst jetzt das ich mehr auf Jurij als auf dem Bett lag. Mein Bein war um ihn geschlungen und der größte Teil meines Oberkörpers lag auf ihm. Ich errötete und rutschte von ihm weg. Er grinste und stand auf.

„Ich werde dir mal etwas zu essen besorgen.“ Ich schlüpfte in eine Jogginghose und folgte ihm. Er hatte gerade telefoniert und legte das Hoteltelefon zur Seite.

„Ist Hühnersuppe okay?“ Ich nickte. Jurij nahm mich in seine starken Arme.

„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Es tut mir so Leid, das ist alles meine Schuld.“ Ich weiß nicht, was er in meinen Haaren sah, aber er verbarg sein Gesicht immer wieder darin.

„Was meinst du mit deine Schuld?“

„Der Parkspaziergang. Es hat angefangen zu regnen und du hast dich erkältet.“ Er machte sich wirklich große Vorwürfe aber, wie konnte er nur? Dieser Tag gestern war einer der schönsten, die jemals hatte. Diesen Moment im Regen würde ich gegen nichts in der Welt eintauschen und bereute ihn schon gar nicht. Ich nahm seine schönen markanten Züge in meine Hände und blickte in seine traurigen Augen.

„Jurij…“ Er sah mich nicht an. Wie konnte sich dieser wunderbare Mann nur so viele Gedanken machen. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und zog ihn zu mir herunter. Ich musste auf meine Zehenspitzen steigen, um ihn umarmen zu können. „Mach dir deswegen keine Vorwürfe. Mir geht es gut und du bist ganz sicher nicht der Grund für meine Erkältung.“

„Es tut mir trotzdem leid das es dir so schlecht geht.“ Er zog mich fester in die Umarmung und ich verlor den Boden unter den Füßen.

„Hör auf dich zu entschuldigen, es ist doch nur ein bisschen Fieber.“

„Früher sind Menschen daran gestorben.“ Seine Stimme klang verzehrt und von Schmerz erfüllt.

„Oh Jurij.“ Er setzte mich wieder ab und verbarg sein Gesicht vor mir. „Diese Zeiten sind lange vorbei.“ Meine Hand suchte den Weg zu seiner Wange und drehten sein Gesicht zu mir. „Sieh mich an, es geht mir gut und ich könnte nicht lebendiger sein.“ Seine Augen fanden meine und erneut baute sich diese berauschende Stimmung zwischen uns auf.

„Lass mich mit nach St. Petersburg kommen.“ Warte, was hatte er gesagt?! War das sein ernst? Wollte er wirklich mit mir nach St. Petersburg kommen? Ich müsste mich nicht von ihm verabschieden. Der Schmerz des frühen Abschieds blieb uns verschont. Auch wenn wir ihn nur ein paar Tage verschoben. Ich wollte jede Minute die mir mit ihm blieb gemeinsam verbringen.

„Wirklich?“ Die Tür der Suite öffnete sich und Zoe kam zusammen mit Kirill herein. Hinter ihnen folgte ein Angestellter des Hotels der uns die Suppe hereinbrachte.

„Katy dir geht es besser!“ Stürmisch umarmte mich meine beste Freundin.

„J-Ja.“ Ich sah Jurij an. „War das wirklich ernst gemeint?“ Verwirrt blickte Zoe zwischen uns hin und her.

„Habe ich etwas verpasst?“ Wir beachteten sie nicht. „Was ist hier los?“ Sie bekam immer noch keine Antwort und wurde wütend. Mit finsterem Blick ging sie auf Jurij los. Ohne groß von ihm beachtet zu werden, stieß sie ihre Hände gegen seine Brust. „Was hast du ihr getan?!“ Kirill versuchte sie zu beruhigen, doch vergebens. Immer wieder schlug sie nach Jurij.

„Zoe es reicht.“ Nun endlich drehte sie sich zu mir um und hörte damit auf, auf Jurij einzuschlagen.

„Du solltest etwas essen Katy.“ Er ließ Zoe hinter sich stehen und trat auf mich zu. Wie konnte er jetzt übers Essen reden, nachdem er gesagt hatte, das er mit mir kommen möchte.

„Erst will ich eine Antwort, dann esse ich alles was du willst.“

„Alles was ich will?“

„Hör auf mit den Späßen, es ist mit ernst.“

„Ja.“

Mein Herz machte einen Sprung. Ich fühlte mich so unendlich glücklich. Ich sprang in seine Arme und ließ mich von ihm hochheben.

„Ja?“ Fragte Zoe irritiert an Kirill gewannt, der nur mit den Schultern zuckte.

„Wir haben hier wohl wirklich etwas verpasst.“ Jurij sah seinen Bruder an und lachte, was mein Herz nur noch weiter zum Schmelzen brachte.

„Heute Abend müssen wir unsere Sachen packen Bruder. Wir unternehmen eine kleine Reise nach St. Petersburg.“ Kirill und Zoe sahen sich überrascht an. Sofort schlüpfte Kirill in seine übliche Rolle des Charmeurs und griff nach Zoes Hüfte. „Zwei weitere Tage Baby.“

„Zwei?“ Jurijs Blick ruhte auf mir. Ich hatte mich bereits an den Tisch gesetzt und wollte gerade beginnen die Suppe zu essen. „Du sagtest ihr würdet ein paar Tage dortbleiben.“

„Na ja … also … genau genommen sind 2 Tage ein Paar.“ Ich klopfte auf den Platz neben mich und wartete, bis Jurij sich hingesetzt hatte. „Es sind immerhin 2 Tage mehr als ohne St. Petersburg.“

Jurij seufzte. „Wir benötigen fast einen ganzen Tag für die Anreise.“

„Deswegen nennt man es Kurztrip.“ Zoe stachelte Jurij bereits wieder an.

„Aber die direkt Bahnen sind doch relativ schnell.“

„Wir fahren nicht mit der Bahn.“ Verkündete mein großer attraktiver Freund. Wenn ich ihn denn so nennen konnte, denn offiziell waren wir… Was waren wir eigentlich?

„Nicht?“ Sprach Zoe die kurze Frage aus die mir auf der Zunge lag.

„Nein. Wir fahren mit unseren Autos.“

„Aber das dauert doch viel länger.“ Kirill legte einen Arm um meine beste Freundin.

„Nicht wenn wir die Sportwagen nehmen.“ Er zwinkerte seinem Bruder zu der das freche Grinsen von ihm übernahm. Sie wollten also mit ihren schnellen Autos quer durch Russland fahren anstatt bequem in der Bahn zu sitzen? Moment.

„Die Sportwagen? Wieso sprichst du von der Mehrzahl?“ Jurij drückte mir den Löffel in meine Hand und wies mich damit an keine weiteren Fragen zu stellen. Ich seufzte laut und sah die beiden Männer an. „Ihr seid unmöglich.“

„Nein wir sind Reich.“ Verkündete Kirill und küsste Zoe. „Du fährst natürlich bei mir mit.“

Ich konnte mir Jurij und Zoe auch nicht gemeinsam in einem kleinen Auto vorstellen. Wer weiß, ob überhaupt einer von ihnen lebend am Ziel ankäme.

„Na gut, wann geht es morgen los?“ Dass Jurij mich nicht fütterte, war alles. Immer wieder ermahnte er mich und wies mich an zu Essen. Ich kam mir vor wie ein kleines Kind.

„Wir müssen sehr früh aufbrechen. Keine Sorge wir regeln alles mit dem Hotel. Seid einfach um 4 Uhr abfahrbereit.“ Sie würden also wieder Geld für uns ausgeben. Es war mir unangenehm das sie alles bezahlten, auch wenn sie viel Geld besaßen. Ich wollte nicht wiedersprechen. Jurijs warnende Augen lagen auf mir, bis ich die Suppe komplett aufgegessen hatte.
 

Die Männer hatten sich verabschiedet, damit wir unsere Sachen packen und früh schlafen gehen konnten. Ich hatte bereits den ganzen Tag geschlafen und fühlte mich hell wach. Zoe hatte beschlossen, dass ich mich schonen sollte, und packte auch meine Sachen zusammen. Ich musste mich beruhigen, der Gedanke an zwei weitere Tage mit Jurij Kovalewskij ließ mich verrückt spielen. Einen ganzen Tag davon würden wir in einem kleinen Auto verbringen. Ich musste jetzt kalt duschen. Das kühle Wasser beruhigte meine überhitzte Haut und ließ mich etwas zur Ruhe kommen. In ein Handtuch gewickelt schlich in an Zoe vorbei die sich ihre Zehnägel lackierte. Ich zog mir gerade ein weites T-Shirt an, als es an der Tür klopfte. Meine verschwitzen Sachen hatte ich ausgewaschen und hängte sie über die Heizung, als es wieder klopfte.

„Zoe kannst du bitte nachschauen, wer das ist?“

„Ich kann nicht, mein Nagellack trocknet noch.“ Ich stöhnte und ging zur Tür.

Jurij stand mit weit aufgerissenen Augen vor mir.

„Ehm … entschuldige.“ Er drehte sich um und ging zurück zu den Aufzügen. Schüchtern trat ich aus der Tür und eilte ihm hinterher.

„Jurij?“ Ich griff nach seinem Arm und drehte ihn zu mir um. Sein Blick war so intensiv, dass ich wegsehen wollte… oder nie wieder etwas Anderes sehen wollte. Ich konnte mich nicht entscheiden. Das Grau seiner Augen strahlte hell und war voller Begierde. Wir waren alleine auf dem Flur. Sein Blick wanderte meine langen Beine hinauf zu dem Oberteil, das mir gerade so bis über den Po reichte. Er schluckte und griff nach mir. Seine Hände wanderten über meinem Rücken und zogen mein Oberteil nach oben. Seine langen Finger fuhren über meine nackte Haut und streiften mein Höschen. Immer weiter suchten sich seine Hände ihren Weg bis sie auf meinem Po zum stillstand kamen. Mit wilden Augen sah er mich an. Mir gefiel es seine Hände auf mir zu spüren, aber doch nicht hier. Nicht auf dem Flur eines Hotels. Ich versuchte ihn von mir zu schieben doch er rührte sich nicht.

„Jurij, Jurij!“ Verzweifelt versuchte ich ihn wieder zu Besinnung zu bekommen. Aber jeder Versuch prallte von ihm ab. Es war, als wäre er nicht er selbst. „Hör auf!“ Ich hörte das Knallen, das meine Hand auf seiner Wange verursachte. Jurij schüttelte sich und sah mich perplex an. Sofort ließ er von mir los und stolperte einige Schritte nach hinten.

„Es tut mir so leid.“ Er kämpfte mit seinen Worten. „Ich … Ich weiß nicht, warum ich das getan habe. Entschuldige.“ Ich sah zu, wie er zum Aufzug rannte. Völlig verzweifelt griff er sich in sein Haar. Ich konnte ihn so nicht gehen lassen. Er machte sich schon viel zu viele Vorwürfe, dies sollte nicht noch ein Weiterer werden. Ich rannte ihm hinterher und holte ihn ein, bevor der Aufzug seine Türen öffnen konnte. Ich stellte mich vor ihn und sah in sein gequältes Gesicht. Mein Herz durchfuhr einen Stich, als ich dabei zusah wie er sich selbst dafür hasste. Er konnte mich nicht einmal ansehen.

„Jurij. Alles ist in Ordnung.“ Meine Finger strichen über seine schönen Wangenknochen. Immer wieder drehte er sich von mir. Ich musste ihn von diesem Schmerz erlösen nur, wie sollte ich das anstellen? Mein erster Versuch war es ihn abzulenken.

„Weswegen warst du eigentlich hier?“ Völlig außer Atem sah er mich endlich an. Er öffnete den Mund und schloss ihn schnell wieder. Wieder betätigte er den Knopf, auf das die Türen des Fahrstuhls sich ein weiteres Mal öffneten. Ich trat nicht zur Seite, ließ ihn nicht durch.

„Du wirst jetzt nicht einfach so verschwinden, Kovalewskij.“ Wieder wendete er den Blick von mir ab.

„Ich dachte, du wärst ein wahrer Mann und kein feiger Angsthase. Wenn ich jetzt keine Antwort von dir bekomme, fahre ich morgen direkt nach Hause.“ Überraschung und Panik standen in sein Gesicht geschrieben. „Rede! Das ist deine letzte Chance.“ Jurij griff sich in sein Haar und ich hatte angst, das er es sich heraus reißen könnte. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und wartete auf eine Antwort von ihm. Wenn sie nicht bald kommen würde, würde ich meine Drohung wahr machen und von hier verschwinden. Der Gedanke tat weh und ließ mir Tränen in die Augen treiben, aber ich wollte mir das nicht gefallen lassen. Ich wollte nicht einfach so ohne einen Grund stehen gelassen werden. Jurij seufzte, es war das erste Geräusch seit langem das von ihm kam.

„Sag etwas Jurij. Irgendwas!“ Ich durfte nicht so laut werden, sonst würde Zoe aus unserer Suite kommen und ich wollte nicht das sie das alles hier mitbekam. Es würde schon schwer genug werden ihr zu erklären warum ich nicht mit nach St. Petersburg kam. Jurij machte immer noch keine Anstalten etwas zu sagen. Ich trat von der Aufzugtür weg und ging zurück zur Suite. Es war hart die Tränen zu unterdrücken aber ich wollte ihm keine Schwäche zeigen. Ich hatte mich in ihm getäuscht und wurde nun für meine Naivität bestraft. Der größte Teil des Flures lag hinter mir und ich rechnete nicht mehr damit, das Jurij Kovalewskij sich dazu begnadigte mir zu antworten. Ich drehte mich ein letztes Mal um, ich wollte ihm sagen was ich für ihn empfunden hatte und wie schade ich es fand das es nun so endete, doch so weit kam ich gar nicht. Er stand direkt hinter mir. Seine starken Arme packten mich und drückten mich gegen die Wand. Ich spürte seinen heißen Atem an meinen Hals.

„Wag es ja nicht, mich jetzt zu küssen.“ Fauchte ich und spürte, wie er seinen Griff lockerte.

„Ich kann in deiner Gegenwart nicht klar denken.“ Ich erschrak vor seinen plötzlichen Worten. „Schon gar nicht wenn du so aussiehst.“ Er deutete auf meine knappe Bekleidung. „Ich habe die Beherrschung verloren, von der ich seit Jahren überzeugt war sie zu haben.“ Wieder griffen seine Finger in sein dichtes Haar. „Und dann kommst du und mein ganzes Leben steht auf dem Kopf. Du brauchst mich nur anzusehen und ich würde dich am liebsten Küssen und nie wieder damit aufhören.“ Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Dieser Mann hatte mich gerade tief verletzt und mich an allem geschehenem Zweifeln lassen und jetzt sagte er diese bezaubernden Worte.

„Du sagtest, wenn du mich küssen würdest dann nicht auf einem Parkplatz. Findest du den Flur eines Hotels denn angebrachter?“ Ich grinste ihn an und war froh, zu sehen, dass der Schmerz endlich von seinem Gesicht verschwand.

„Nein. Du hast recht, wie immer.“ Seine Finger passten so perfekt in meine, dass es mir schien, als würden sie zu einem werden. Sein Daumen strich über meine Hand und ich fragte mich, wie ich ihm jemals hatte böse sein können. Er trat einen kleinen Schritt näher und legte seine Hand an meine Taille. Diesmal nicht so Wild, sondern sanft und vorsichtig. Ich wusste, dass er dieses Mal sofort aufhören würde, wenn ich ihn darum bitte würde.

„Wieso warst du eigentlich hier? Ich denke nicht, dass es dein Plan war mich auf dem Flur zu begrabschen.“ Er verdrehte die Augen.

„Bitte lass uns das vergessen.“ Ich lachte und strich eine verirrte Strähne seines Haares zurück. Es sah ziemlich in Mitleidenschaft genommen aus.

„Also was war es dann?“

„Kirill lässt fragen, ob es für euch auch in Ordnung wäre nach St. Petersburg zu fliegen.“

„Ich weiß nicht ob Zoe und ich uns das leisten können.“ Jurij drückte meine Hand.

„Um das Geld solltest du dir keine Sorgen machen.“ Ich zog die Nase kraus. Wieso hatten diese beiden Männer das Bedürfnis so viel Geld für uns auszugeben.

„Wir hätten mehr Zeit zusammen, um uns die Stadt anzusehen.“ Er wusste ganz genau das er mich damit locken konnte. Die Zeit zu zweit in einem Auto war schon sehr verführerisch aber die Zeit mit ihm zu verbringen, während wir St. Petersburg erkundeten, war viel verführerischer. Ich stimmte zu.

„Na gut. Du hast gewonnen.“ Jurij lachte. Ich hörte ihn so gerne lachen.

„Wenigstens einmal.“ Er beugte sich zu mir herunter um mir einen Kuss auf meine Wange zu geben.

„Dann sehe ich dich morgen um 7.“

„Ihr habt den Flug schon gebucht?“ Ein verschmitztes Grinsen huschte über sein Gesicht.

„Natürlich.

Kapitel 8 Jurij

Katy lag schlafend in meinem Arm. Sie war sofort eingeschlafen, als das Flugzeug begann in die Höhe zu steigen. Ihr Kopf ruhte an meiner Schulter, ihre regelmäßigen Atemzüge beruhigend mich. Auch wenn ich mich für das was ich ihr gestern Abend angetan hatte hasste, hatte sie mir einfach so vergeben. Ich konnte mir nicht einmal ansatzweiße vorstellen wie ich eine Frau wie sie nur verdient hatte? Nicht nur ihr Blut, das für mich köstlicher roch als alles Bisherige, nein auch ihr sündhafter Körper zwangen meine Beherrschung in die Knie. Sie sah so wunderschön aus während sie neben mir schlief. So rein und unschuldig, so zerbrechlich. Ihre Lippen sahen so weich aus, ich musste mich zusammen reißen sie nicht zu küssen. Stattdessen strich ich ihr sanft mit meinen Fingern über ihre zarten, vollen Lippen. Sie fühlten sich genau so weich an, wie sie aussahen. Sie war mit Abstand das zarteste Wesen, das mir je begegnet war. Als ich sie gestern nur in diesem T-Shirt bekleidet gesehen hatte, verlor ich meinen Verstand und damit die Beherrschung. Ich wollte jeden Millimeter ihres Körpers spüren, ich wollte sie mir einfach nehmen. Ihr Körper hatte unter meinen Händen gezittert, ihre Wangen waren heiß und glühend rot, das hatte mich nur noch weiter angestachelt. Ich konnte sowohl Lust als auch die Angst in ihren Augen sehen. Sie wollte mich, das war mir klar, aber sie wollte mich nicht so. Ihr Körper regte sich neben mir und presste ihre wundervollen Brüste gegen meinen Arm, den sie umklammert hielt. Die Lust in mir stieg ins Unermessliche. Ich war froh, als sich mein Bruder zu mir herumdrehte. Er saß mit Zoe, Katys bester Freundin auf den Platz vor uns. Ein silberner Flachmann glänzte in seiner Hand.

„Möchtest du einen Schluck?“ Ich wusste, dass er darin etwas Blut für uns mitgenommen hatte. Dankbar nahm ich das silberne Fläschchen und kontrollierte das Katy auch wirklich fest schlief. Schnell aber dennoch vorsichtig goss ich mir die rote Flüssigkeit, die für mein und auch ihr Überleben sorgte, in mein bereits vorhandenes Weinglas. Das Blut, linderte mein Verlangen auf die wunderschöne Frau neben mir nur gering, aber ich nahm jede Hilfe, die ich bekommen konnte. Ich wollte mein Leben nicht mehr ohne sie verbringen, immerhin hatte ich 600 Jahre auf jemanden wie sie gewartet.

Gestern Abend hatte ich noch genügend Zeit darüber nachzudenken und wurde mir nur noch bewusster, dass sie das Einzige war, das ich in all den Jahren wirklich wollte. Ich würde mit ihr mitgehen egal wohin sie wollte. Für mich war es egal wo ich lebte, solange sie bei mir war.

Ich war der mächtigste Vampir unter meinem Volk und nichts und niemand hatte es je geschafft mich zu bezwingen und jetzt lag diese kleine Frau neben mir. Sie hatte es geschafft das ich mich schwach und wehrlos fühlte. Sie war mein wunder Punkt. Meine Achilles Ferse.

Ich konnte ein seufzten nicht unterdrücken. Kirill strich Zoe über ihr goldenes Haar, auch wenn es den Anschein machte, das ihm wirklich etwas an ihr lag, kannte ich ihn besser. Sie war ein Zeitvertreib, wie schon so viele andere Frauen. Er genoss es, dass die Frauen in seinen Händen dahin schmolzen. Mein Bruder und ich waren so unterschiedlich, er war in menschlichen Jahren nur 2 Jahre vor mir geboren, aber in Vampirjahren war er genauso alt wie ich. Er jedoch, hatte seine Zeit damit verbracht Frauen aufzureißen, sie als Maitressen zu halten und sobald er genug von ihnen hatte, löschte er ihre Erinnerungen. Ich hingegen hatte die meiste Zeit damit verbracht zu trainieren. Ich musste stark sein, stärker als jeder andere, denn an mir lag es, unser Reich zu beschützen. Vladimir Dubrovnik hatte mir sein Reich anvertraut und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Es war meine Aufgabe dafür zu Sorgen, dass die Vampire unerkannt blieben, Jungvampire nicht sinnlos töteten, sondern sie anzuleiten und ihnen alles zu erklären. Ebenso gehörte es zu meinen Aufgaben mich, um die Jäger zu kümmern. Das alles war viel für eine Person. Ich wusste, dass mein Bruder immer hinter mir stand, aber jetzt mit Katy an meiner Seite konnte ich mich auf nichts anderes mehr konzentrieren. Ich trank mehr Blut und hatte mich seit ihrer Ankunft in Moskau nicht mehr darüber informiert, wie es um mein Reich stand. Es fühlte sich an, als hätte mein Leben jetzt erst begonnen und das obwohl ich nicht wusste, was auf mich zukommen würde und ob sie mich überhaupt weiter bei sich haben wollte. Ich hatte in meinem Leben noch nie geliebt und wusste nicht ob das, was ich empfand, wirklich Liebe war oder einfach nur ein Beschützerinstinkt des Blutes, was köstlicher Roch als alles, was ich jemals gerochen hatte. Wie sollte ich auch wissen was es ist, wenn ich es nicht kannte. Es war etwas völlig Neues für mich. Noch nie zuvor war ich abhängig von einer Person gewesen, es gab immer nur mich und meinen Bruder. Wobei mein Bruder eher neben mir her lebte als mit mir zu leben. Klar wir waren eine Familie, aber auch in einer Familie hatte jeder sein eigenes Leben. Er genoss das Leben eines jungen, gutaussehenden Mannes, während ich die Rolle des Königs übernommen hatte.
 

Das Flugzeug setzte zum Landeanflug an, sanft versuchte ich Katy zu wecken. Sie gab ein paar wirklich entzückende Laute von sich und rollte sich noch enger an mir zusammen. Wie so oft, wenn ich Zeit mit ihr verbrachte, huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Ich strich ihr eine Strähne ihres wunderschönen Haares hinter ihr Ohr und flüsterte.

„Wir sind gleich da, Katherina.“ Sie lächelte ebenfalls und öffnete verschlafen die Augen.

„Ich steh immer noch total auf den Namen.“ Ein lautes Lachen grollte aus meinen Lungen, so dass sich einige Passagiere zu uns herum drehten. Katy lief sofort Rot an und legte mir ihre warme Hand auf den Mund. „Pscht, jeder sieht uns an.“ Es schien ihr peinlich zu sein und dennoch strahlte sie über ihr ganzes Gesicht. Ich zog sie näher zu mir heran und drückte sie fest gegen meine Brust.

„Sollen sie doch. Es kann ruhig jeder sehen, das du zu mir gehörst.“ Ich genoss es ihr Herz schnell schlagen zu hören. Sie wusste nicht einmal wie sehr sich der Geruch ihres lieblichen Blutes verstärkte, wenn sich ihre Wangen damit füllten. Es war, als würde sie eine Wolke aus ihrem eigenem Parfüm umgeben. Berauschend und hinreißend. In genau diesen Momenten musste ich mich am aller meisten beherrschen. Ich wollte mich auf sie stürzen, ihre Lippen fest auf meine Pressen und ihren ganzen Körper nah an meinem spüren. Ich atmete tief durch und ließ sie aus meiner Umarmung frei.

Katy stürzte sich über mich und sah mit leuchtenden Augen aus dem kleinen Fenster des Flugzeuges. Die Sonne ging gerade über St. Petersburg auf. Die Lichter der Stadt strahlten mit dem aufgehenden Morgen um die Wette und ließen alles in einem zarten Rosa erleuchten. Ihr Körper war mir so nah…

Nachdem sie lange genug hinausgesehen hatte, und meine Beherrschung zum Zerreißen gespannt war, ließ sie sich zurück in ihren Sitz sinken. Ich trank schnell und ohne groß darüber nachzudenken direkt aus dem silbernen Flachmann und stürzte den übrigen Inhalt hinunter. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Katy mich an. Verdammt, was hatte ich nur gerade getan? Wie sollte ich ihr das Blut erklären? Ich verspürte eine Panik wie diese nur einmal zuvor in meinem Leben und das war kurz vor meiner Verwandlung!

„Ich…“ versuchte ich zu beginnen, doch Katy unterbrach mich sofort.

„Alkohol so früh am Morgen?!“ Sie war wütend und ich erleichtert. Es war gemein aber ich konnte nur lächeln, als ich sie ansah mit ihren verschränkten Armen.

„Das ist kein Alkohol keine Sorge. Es ist eine Art Medizin.“ Sofort verschwand die Wut aus ihrem Gesicht und wurde durch einen Sorgenvollen ersetzt. „Mach dir keine Sorgen, es ist nichts Schlimmes. Eine Reisekrankheit mehr nicht. Fliegen schlägt mir immer etwas auf den Magen.“

Vor mir begann mein Bruder herzhaft zu Lachen. Es war vielleicht nicht die beste Ausrede aber die Einzige, die mir auf die Schnelle einfiel. Nach ein paar Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkamen, fing auch Katy an zu grinsen und strich mir mit ihren zarten Fingern über meine tief dunklen Haare. Jede ihrer Berührungen glich einem Stromschlag, nach dem ich Süchtig wurde.

„Der große Jurij Kovalewskij ist also reisekrank?“

„So scheint es wohl.“ Unsere Blicke hielten aneinander fest und verloren sich, während die ersten Passagiere bereits das Flugzeug verließen. Auch Zoe und Kirill waren bereits aufgestanden und bahnten sich ihren Weg durch das Getümmel nach draußen. Mir war all das egal, solange ich nur noch etwas länger in Katys wunderschöne Augen sehen konnte. Ich wollte ihre Gedanken lesen, wissen was gerade in ihr vorging. Sie beendete diesen intimen Moment mit ihrem Lächeln.

„Wir sollten wohl auch aufstehen.“

„Sollten wir?“ Sie griff nach meiner Hand und zog mich widerwillig aus meinem Sitz. Gemeinsam, mit ihr an meiner Hand, verließen wir das Flugzeug und warteten an der Gepäckausgabe. Kirill war bereits mit Zoe vorgegangen um uns ein Taxi zu besorgen, das uns zu dem gebuchten Hotel bringen sollte. Unsere Koffer ließen auf sich warten, Katy lief Kreuz und quer durch die Ausgabe und starrte durch jedes Fenster, das sie finden konnte. Sie war sofort von allem fasziniert und man sah ihr an, dass sie jede Kleinigkeit in sich aufnahm. Mir ging es genauso, wenn ich sie beobachtete. Sie war so faszinierend und ich wollte jede Faser ihres Körpers in mich aufnehmen. Als wäre sie ein Traum und ich könnte jeden Moment aufwachen.

Freudestrahlend kam sie mir mit einem unserer Gepäckstücke entgegen. Das leuchten in ihren Augen mit ihren leichten Sommersprossen und diesem verboten heißen Körperbau riss die Aufmerksamkeit aller Männer auf sie. Ich hasste jeden von ihnen und war gleichzeitig Stolz, das diese Traumfrau auf mich zu kam und mir ihre volle Aufmerksamkeit zu teil schenken ließ. Irgendwann würde jeder Mensch auf dieser Welt wissen, dass sie zu mir gehörte.
 

Im Taxi saß ich nun hinten zusammen mit Katy und ihrer besten Freundin Zoe. Ich hatte Glück, Zoe war noch zu Müde um gegen mich zu Keifen und Katy war bereits wieder nach wenigen Minuten in meinen Armen eingeschlafen. Ihr Haar fiel in Strähnen über ihr Gesicht und verdeckte es nur leicht. Ich hätte es nur zu gern weggestrichen doch konnte ich mich, durch meine Größe, nicht richtig bewegen. So musste ich also damit vorliebnehmen ihr Gesicht durch die braunen Strähnen zu bewundern. Die Fahrt dauerte nicht sehr lang und schnell hatten wir unser Hotel erreicht. Katy schlief tief und fest, nicht einmal Zoe hatte sie wach bekommen. Ich nahm Katy auf meine Arme und trug sie durch die Lobby in das Zimmer das Kirill für sie reserviert hatte. Natürlich wollten die beiden zusammen bleiben und keine getrennten Zimmer haben. Vorsichtig legte ich sie auf das riesige Bett und ließ meine Traumfrau ohne mich zurück. Mein Bruder wartete bereits vor der Tür auf mich und legte gerade ein Gespräch am Telefon auf. Sein Blick richtete sich ernst auf mich.

„Vladimir will uns sehen.“ Ich seufzte, hatte es so schnell die Runde gemacht, dass wir in St. Petersburg waren? Dem Ruf Vladimirs sollte man lieber Folge leisten, auch wenn er eine Vaterfigur für uns war, war er doch auch der Ehemalige und Jahrhunderte langer regend des größten Vampirreiches der Welt. Ich nickte und folgte meinem Bruder in die Tiefgarage. Er hatte uns bereits zwei Wagen gemietet, Sportklasse natürlich. Gemeinsam fuhren wir zu dem großen Anwesen, auf dem Vladimir Dubrovnik sich niedergelassen hatte.

Kapitel 9 Jurij

Alles sah wie früher aus. Das dunkle Gemäuer an denen sich Efeuranken ihren Weg nach oben bahnten, die immer verschlossenen Fenster und das große Eingangstor, das an eine weit entfernte Zeit erinnerte. Vladimirs Villa lag etwas abseits auf einem Berg umringt von einem großen Park, der sich über viele Kilometer streckte. Natascha seine Haushälterin und gute Freundin wartete bereits auf uns. Kirill schloss sie in eine Umarmung und flirtete sofort mit der schwarzhaarigen Schönheit.

„Tascha mein Engel der Nacht! Wie geht es dir?“ Natascha schlug ihm spielerisch auf die Schulter und umarmte mich ebenfalls zur Begrüßung. Auch das Innenleben des Hauses sah bis auf ein paar moderne Neuerungen genauso aus wie vor all den Jahrhunderten als ich es das erste Mal betreten hatte. Ich ließ die beiden ihr Gespräch alleine führen und folgte ihnen schweigend die langen Gänge entlang. Auch ohne sehen zu können wusste ich wohin wir gingen, ich war diesen Weg schon so oft entlanggegangen. Er führte direkt in das große Büro von Vladimir. Ich konnte viele Vampire in diesem Haus spüren, wenn mich meine Sinne nicht betrogen, befanden sich gerade 20 Vampire hier. Sowohl Jung- als auch alte bereits ausgebildete Vampire. Diese Villa war zu einer Art Zufluchtsstelle für alle Vampire geworden, egal ob sie Schutz oder einfach ein Training brauchten, Vladimir bot ihnen jede Hilfe, die er aufbringen konnte. Er war mein großes Vorbild, während seiner Regentschaft hatte es niemals einen Krieg zwischen Mensch und Vampir gegeben, er war ein Streitschlichter auf jeder Ebene und strahlte etwas Weißes aus das nicht viele Vampire oder Menschen besaßen, die ich kennengelernt hatte. Vladimir war vor seiner Verwandlung mit seinen fast 60 Jahren bereits lange Zeit König, zudem ist er der Älteste unserer Art. Keiner weiß genau wie lange seine Verwandlung zum Vampir her ist aber Schätzungen gehen auf über 800 Jahre zurück. Vladimir hatte mich viel gelehrt um mich zu einem genauso starken Herrscher wie ihn zu machen. Mir war klar dass ich niemals so gut wie er sein könnte aber ich wollte ihn nicht übertrumpfen, ich wollte nur dass er stolz auf das war was ich tat.

Der Dunkle, mit Kerzen behangene Gang neigte sich dem Ende und führte uns zu einer großen, uralten Holztür hinter der sich Vladimirs Büro befand. Natascha ging voraus und wies uns an ihr zu folgen. Vladimir saß an seinem massiven Tisch aus purem Stein und blickte verzweifelt in seinen Computer. Sein bereits grauendes Haar und der dichte Bart sahen wie erwartet unverändert aus.

Als er uns erblickte, sprang er von seinem Ledersessel auf und eilte zu uns.

„Juroschka, Kirill meine Söhne!“ Er schloss uns in eine Umarmung und hielt jeden von uns einen kurzen Moment an den Schultern fest. „Es ist immer eine Freude euch bei uns zu haben.“

„Die Freude ist wie immer ganz auf unserer Seite.“ Ich hielt es immer noch für angebracht, mich vor ihm zu verbeugen.

„Ach nicht förmlich. Setzt euch, setzt euch.“ Er deutete auf die große, rote, samt Couch. Natascha schenkte uns allen ein volles Glas Blut ein und gemeinsam nahmen wir Platz.

„Ich will alles über sie erfahren Jurij.“ Vladimir sprach nie lange um den heißen Brei und kam direkt auf den Punkt. Ich erzählte ihm alles über Katy. Wie sie aussah, welche Wirkung sie auf mich hatte und wie ihr Blut mich zum Verzweifeln brachte. Ich ließ nichts aus, nicht einmal meinen Überfall von letzter Nacht. Vladimir hörte gespannt zu und unterbrach mich kein einziges Mal. Nachdem ich meine Geschichte beendet hatte, leerte er sein Glas und sah mich eindringlich an.

„Ich will sie kennenlernen. Ich muss das Mädchen kennenlernen das Meinen starken Sohn und Erbe meines Reiches so aus der Fassung bringt.“

„Es tut mir sehr leid aber ich werde sie nicht hier her bringen. Mit all diesen Jungvampiren ist es zu gefährlich für sie.“ Wieder nickte er.

„In Ordnung. Heute Nacht findet mein allseits bekannter Maskenball statt. Du wirst sie dorthin mitbringen.“ Ich wusste, dass dies keine Bitte war. Ich hatte die Wahl, entweder müsste ich sie mit in die Villa nehmen oder zu diesem Ball ausführen. Meine Entscheidung war leicht. Auf dem Ball würde es zwar auch von Vampiren wimmeln aber immerhin hatten diese genug Beherrschung und Respekt vor mir um Katy kein leid anzutun.

Es war Vladimirs Berühmter Maskenball, den er jedes Jahrzehnt stattfinden ließ um die Bande zwischen den Vampiren zu stärken. Aus jedem Reich würden die wichtigsten und höchsten ihres Standes kommen. Und mit Sicherheit würde es Katy besser gefallen als in dieser dunklen Villa vor einem alten Mann zu sitzen. Ein guter Grund sprach ebenfalls für den Ball. Es war leichter, sie dorthin zu locken, als ihr zu erklären, was sie in den alten Gemäuern dieses Grundstückes machte.

Ich nickte und besprach noch weitere Details mit Vladimir. Die Anzahl der neuen Jungvampire und die Geschehnisse mit den Jägern. Sein Stolz schien kein Ende mehr zu finden, als ich ihm vom Tod des Anführers Gregor Darabont erzählte. Er wusste ebenso wie ich, dass es nicht hieß das wir jetzt vor ihnen in Sicherheit waren. Es war eher eine Erholungspause, in denen sie planten wie sie uns und besonders mich zur Strecke bringen konnten. Aus Insiderkreisen hatten wir erfahren, das sie an neuen Waffen arbeiteten, die uns durch die UV-Strahlen töten sollten. Nicht jeder von uns besaß einen Ring der Alchemisten, was ebenfalls ein Verdienst Vladimirs war. Er hatte vor vielen Jahren mit den Alchemisten verhandelt und sie dazu gebracht uns einen Ring zu erschaffen der uns erlaubte auch tagsüber aus dem Haus zu gehen. Es lag ein magischer Zauber auf ihnen, der uns mit einem Schutz umgab und die gefährlichen Sonnenstrahlen dämpfte, so dass wir nur noch lernen mussten mit den Schmerzen umzugehen. Er selbst besaß so einen Ring nicht. Er lebte gerne im Dunkeln und genoss die Gemäuer um ihn herum. Wie viele Ringe genau existierten, wusste ich nicht, aber jeder höhergestellte den ich kennengelernt hatte trug einen dieser besagten Alchemistenringe. So entwickelten sich also verschiedene Arten von Vampiren. Die Nachtwesen die unseren Gesetzen folgten, aber nicht immer darauf achteten, Wen sie töteten. Sie tranken sehr selten nur von einem Menschen und ließen ihn dann wieder gehen, es war sehr gefährlich da sie die Gedankenmanipulation nicht sehr gut beherrschten. Viele von ihnen wurden zu Abtrünnigen, die sich nicht an unsere Gesetzte hielten und Menschen nur zu gerne in Vampire verwandelten. Sie wollten sich ihr eigenes Reich aufbauen um gegen uns, die Höhergestellten zu rebellieren. Wir waren das Fundament der Vampire und hielten alles in Stand.

Vor Jahren hatten sich ein Paar zu Truppen zusammen getan um Abtrünnige zu eliminieren und die Jungvampire zu Vampiren wie Vladimir zu bringen um sie auszubilden und zu beobachten. Wir kümmerten uns um die Nachtwesen, halfen ihnen, wenn doch einmal ein Mensch überlebt oder jemand etwas gesehen hatte. Die Höhergestellten klang, wie die High Society des Vampirismus doch in Wahrheit war es nur mehr Verantwortung. Manchmal arbeiteten wir Hand in Hand mit den Jägern, ohne dass sie es wussten. Wir trieben Abtrünnige in ihre Fänge und ließen sie die Arbeit tun. So konnten wir die Jäger beobachten und wussten, mit welchen Waffen sie arbeiteten oder wie sie kämpften. Ihr früherer Anführer Gregor Darabont wusste sehr viel über uns, sowohl über die Abtrünnigen als auch über die Höhergestellten. Es schien fast so, als hätte er uns während diesen Missionen beobachtet. Ich war immer fest davon überzeugt das, wenn mich jemand hätte töten können, dann er. Viele Vampire hatten ihn aufgrund seines Alters unterschätzt. Er war in seinen jungen Jahren der schnellste und stärkste Jäger den ich jemals gesehen hatte und selbst als er ein stattliches Alter erreicht hatte, war er noch immer äußerst gefährlich. Ich hatte ihn niemals unterschätzt.

Vladimir plauderte über den anstehenden Ball, der das einzige Ereignis war, bei dem er sein geliebtes Haus verließ. Er hatte viele Vampire eingeladen die von weit her kamen um neue Bündnisse zu bilden oder alte aufzufrischen. Sie kamen aus allen Teilen der Welt.

Alexander Wagner ein enger Freund von uns hatte seinen Sitz in den Alpen und kümmerte sich um die Länder, die an Deutschland grenzten, Louis Beaumont und Miguel Gonzales hatten ihre Augen über die südlichen Länder Europas. Hellin war eine der wenigen Frauen, die sich in die Kreise der Beschützer gesellt hatte, ihr Gebiet umfasste die skandinavischen Länder. Australien, ein sehr heißes Land, hatte nicht viele abtrünnige Vampire aber sollte sich doch einmal jemand dorthin verirren wurden sie von Athan Smith zur Strecke gebracht, ebenso wie Azikiwe es in Afrika tat. Honoka Kobayashi eine weitere Frau hatte eine große Gefolgschaft und bewachte den ostasiatischen Bereich. Nord- und Südamerika teilten sich Jackson Parker und Silio Sanchez, wobei sie mehr Zeit in Kanada verbrachten. Ihr Gebiet war eines der beliebtesten für abtrünnige Vampire. Viele Menschen und viele Möglichkeiten sich vor der Sonne zu verstecken. Las Vegas zählte mit zu den Hauptmetropolen für die blutlustigen Monster, die uns unser dasein schwer machten. Aber jeder von ihnen würde auf den morgigen Ball von Vladimir kommen. Ich hatte zwar Angst Katy so vielen Vampiren auszusetzen, aber ich vertraute ihnen und freute mich meine alten Freunde einmal wieder zu sehen. Viele von ihnen hatte ich seit mehreren Jahrhunderten nicht mehr gesehen. Ich wusste, was für einen hohen Stand ich bei ihnen hatte, sie alle sahen mich als eine Art oberen Anführer, bei schweren Situationen wendeten sie sich zuerst an mich und ich war mir ihrer Loyalität in jeder Hinsicht sicher. Niemand würde sich wagen Katy etwas anzutun.

Oh Katy… Ich wollte zurück zu ihr, sehen ob sie noch schlief oder ob sie bereits auf mich wartete. So sehr ich Vladimir auch respektierte und seinen Geschichten gerne lauschte, ich musste weg von hier und zurück zu der Frau, die mich in kurzer Zeit vollkommen aus dem Konzept gebracht hatte

Kapitel 10 Katy

Ich wachte in einer Landschaft aus Kissen auf und blickte irritiert in dem noblen Zimmer umher, Zoe schlief noch tief und fest neben mir. Mein Blick auf die kleine Uhr an meinem Handy zeigte, das es bereits Mittag war. Leise, um Zoe nicht aufzuwecken, erhob ich mich und ging in das benachbarte Badezimmer. Der Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich eine Dusche mehr als nötig hatte. Unter dem warmen Wasser schweiften meine Gedanken zu Jurij. Wo war er gerade? Was tat er in diesem Augenblick? War er bereits wach? Ich vermisste ihn, auch wenn es erst ein paar Stunden her war, seitdem ich ihn das Letzte mal gesehen hatte. Uns blieb so wenig Zeit, wie hatte ich den halben Tag nur verschlafen können? Ich wollte wirklich nicht daran denken, wie es sein würde mich von ihm zu verabschieden, wie die Zeit werden würde ohne ihn…

Ich ließ das warme Wasser über meine Haut gleiten und genoss das Kribbeln, das es auf meinem Körper auslöste. Das hoteleigene Shampoo roch nach Orangen und Zitronen, schön fruchtig und genau nach meinem Geschmack. Die Minuten vergingen bis ich mich dazu entschloss aus der Dusche zu steigen. Ich schlüpfte in ein gemütliches Outfit und trocknete meine Haare mit dem Handtuch ab, bis sie nicht mehr tropften. Den Föhn zu benutzen wäre jetzt einfach viel zu laut gewesen. Ich suchte nach den Zimmerschlüsseln und begab mich auf den Weg nach unten in die große Lobby. Es strahlte in hellen Grüntönen mit vielen Pflanzen, ich konnte mich an rein gar nichts daran erinnern. Das letzte an das ich mich erinnerte, war, dass Jurij mich in seinen Armen hielt, während wir mit dem Taxi über die langen Autobahnen fuhren. Ich war wohl wieder eingeschlafen wie bereits den größten Teil im Flugzeug. Hatte mich Jurij nach oben getragen? Der Gedanke daran ließ mich erröten, hoffentlich hatte es keiner von den hier Anwesenden gesehen oder würde mich wieder erkennen.

Ich steuerte direkt auf den langen Empfangstresen zu und wartete, bis der nette Herr sein Gespräch beendet hatte.

„Entschuldigen Sie bitte, könnten Sie mir sagen, in welchem Zimmer Jurij Kovalewskij wohnt?“ Der junge Mann lächelte und sah in seinem Computer nach. Er war definitiv freundlicher als die Empfangsdame in Moskau.

„Zimmer 447, Madame.“ Ich bedankte mich und machte mich zurück zu den Aufzügen, darin stand beschriftet, auf welche Ebene ich fahren musste um Jurijs Zimmer zu erreichen. Die Türen öffneten sich und ich folgte den größer werdenden Zahlen bis ich vor Zimmer 447 stand. Mein Herz raste und meine Finger zitterten, während ich leise an der Tür klopfte. Meine Atmung stand still, während ich darauf wartete, dass die Tür sich öffnete. Ich hatte schon damit gerechnet, dass niemand da war, und wollte mich gerade umdrehen um zurück in mein eigenes Zimmer zu gehen, als sich die Tür doch einen Spalt öffnete.

„Katy.“ Ein Lächeln erfüllte Jurijs strenge Gesichtszüge. Mir blieb die Luft erneut aus, als ich sah, das er kein Oberteil trug. Sein Oberkörper bestand aus ausgeprägten Muskeln, die Hose die er trug hang ihm locker auf der Hüfte und ließen ihn nur noch heißer aussehen. Er hätte locker als Unterwäschemodel durchgehen können. Ich konnte nur Wetten, dass er gerade geschlafen hatte, denn seine dunklen Haare fielen ihm verstrubbelt in sein wunderschönes Gesicht, das mich immer noch anstrahlte, als wäre ich das besonderste der Welt.

„Oh.“ War alles was ich sagen konnte, während meine Augen immer wieder über seinen traumhaften Körper glitten. Sein Lächeln veränderte sich in ein schelmisches und er öffnete die Tür noch etwas weiter.

„Möchtest du vielleicht hereinkommen?“

„Ich … ehm … ich wollte nur sehen, ob du noch schläfst.“ Stotterte ich dumm vor mir her.

„Wie du siehst, bin ich wach.“ Jurij strich durch mein immer noch feuchtes Haar und hielt meinen Kopf so, das ich ihn ansehen musste. Wie erwartet füllten sich meine Wangen mit Blut und glühten ihm Rosa entgegen. „Was möchtest du jetzt machen, Katherina?“ Mit diesem Namen hatte er mich, sobald er ihn aussprach, mit seinem sexy russischen Akzent, war es um mich geschehen. Mein Herz schlug wild in meiner Brust und meine Beine schienen unter mir nachgeben zu wollen. Ich musste mich zusammenreißen. Ich musste ihm widerstehen.

„Stadt.“ Brachte ich heraus. „Du wolltest mir die Stadt zeigen.“ Jurij grinste und bat mich in sein Zimmer. Die Vorhänge waren zugezogen und verdunkelten das Zimmer, ich konnte trotzdem erkennen, das es größer war als unseres. Ein Kovalewskij gab sich wohl nicht mit einem einfachen Einzelzimmer zufrieden. Das große Doppelbett in der Mitte war zerwühlt, er hatte also wirklich geschlafen. Jurij verschwand im Bad und kam nach kurzer Zeit wieder heraus, leider angezogen. Erneut strichen seine langen Finger durch mein Haar.

„Sie sind nass.“ Stellte er fest. Ich fuhr ebenfalls durch meine langen, braunen Haare und fühlte, wie feucht sie noch waren. Ich hatte sie in unserem Zimmer nicht föhnen wollen, um Zoe nicht zu wecken. Jurij zog mich auf meine Füße und hielt mich fest an seiner Hand, während er mit mir zusammen, ins Badezimmer ging. Er stellte den Föhn an und trocknete mir meine Haare. Ich war zu überrascht, um groß reagieren zu können. Jurij Kovalweskij föhnte meine Haare…
 

Nachdem er zufrieden mit seinem Werk war, drehte er mich zu sich herum und schloss seine Arme hinter meinem Rücken.

„Möchtest du die Tourismus Tour oder lieber Spazieren gehen?“ Ich fuhr mit meinem Finger kleine Kreise auf seiner Brust und spürte die starken Muskeln unter seinem dünnen, schwarzen Oberteil.

„Ein Spaziergang klingt gut.“ Sein Grinsen vergrößerte sich während er mich von oben bis unten begutachtete. Meine Wangen erröteten jedes Mal aufs Neue sobald seine grauen Augen über meinen Körper wanderten. Ich konnte mir nicht erklären wieso, aber es hatte etwas Intimes und sehr Sexuelles. Nicht das seine ganze Präsenz schon genug wären, er schaffte es einfach immer wieder, mein Herz wie wild schlagen zu lassen.

„Es könnte etwas kalt werden in diesem Aufzug.“ Gespielt beleidigt drehte ich mich von ihm weg, sofort hatte er mich von hinten in seine Arme geschlossen und drückte mich fest an sich. Es schien, als könnte ich ihn überall an meinem Körper spüren. Seine Nase vergrub sich in meinem Haar.

„Ich steh auf dich egal, was du trägst, ich mach mir nur Sorgen um deine Gesundheit Katherina.“ Ich bekam Gänsehaut und konnte nur stoßweise atmen, seine Nähe trieb mich in den Wahnsinn.

„Du hattest erst so hohes Fieber, ich möchte nicht wieder Schuld daran sein das du es erneut bekommst.“

„Jurij ich habe dir doch gesagt, dass du keinerlei Schuld an meiner Erkältung hattest. Mach dir deswegen bitte keine Vorwürfe mehr, mir geht es wieder gut und das ist auch dein Verdienst.“ Er seufzte dicht an meinem Ohr, sein Atem auf meiner Haut verstärkte die Gänsehaut nur noch mehr.

„Ich kann nur leider nicht in mein Zimmer. Zoe schläft noch und ich will sie nicht wecken.“

Jurij lachte und löste unsere innige Umarmung. Leider.

„Du bist viel zu gut für diese Welt.“ Er verließ das Badezimmer, ich konnte hören, wie er die Reisverschlüsse seines Koffers öffnete. Neugierig linste ich um die Ecke und sah gerade noch, wie er einen großen schwarzen Kapuzenpullover herauszog.

„Ich weiß eh das du hier her siehst, also komm doch direkt wieder zu mir.“ Jurij drehte sich zu mir um und grinste. Ich versuchte so unertappt wie nur möglich auszusehen.

„Vielleicht ist es mir nicht geheuer dir so nahe neben einem Bett zu kommen.“ Sein Grinsen wurde breiter.

„Das Wiederrum ist sehr berechtigt.“ Ich fing den auf mich zufliegenden Pullover auf und betrachtete ihn. Er war wirklich groß. Jurij war aber auch ein großer Mann. Große Männer tragen große Pullover. Etwas unsicher zog ich ihn über meinen Kopf.

„Darin kann ich zelten gehen.“ Jurijs Pullover reichte mir fast bis zu den Knien, die Arme waren etwas zu lang ließen sich aber zurückschieben, doch das Beste an diesem Kleidungsstück war, das er nach Jurij roch. Ich sog den Geruch tief in mich ein und versuchte, in mir so gut es ging einzuprägen. Er roch immer etwas nach Zigarette, was aber nicht weiter schlimm für mich war, außerdem hatte er selten eine geraucht, wenn er mit mir unterwegs war. Dieser leichte Geruch nach Rauch und ein Duft, den ich nicht wiedererkannte, machten ihn aus. Ich hätte stundenlang einfach dasitzen und seinen Duft in mich aufnehmen können doch Jurij sah mich bereits eindringlich an. Manchmal war er so ungeduldig das es schon wieder süß war. Er griff nach den Autoschlüsseln auf dem Tisch und ließ sie in seine Hosentasche gleiten. Ganz Gentleman hielt er mir die Tür auf und verschränkte seine Finger mit meinen, während wir nach unten in die Garage liefen. Wir standen vor einem neuen Sportwagen, ich starrte erst Jurij und dann das Auto vor uns an. Ich konnte mir nicht mal ein Auto leisten und sie hatten wie viele? 4?! Und dann direkt die neueste Sportklasse. Diese Männer hatten definitiv zu viel Geld. Doch statt angeberisch dazustehen wie man es von einem Mann mit Geld erwartet hätte, stand Jurij fast schüchtern neben mir.

„Kirill hat sie ausgesucht.“

Mit hochgezogener Augenbraue blickte ich ihn an. „Natürlich.“

„Ich wollte eigentlich Vorschlagen mit dem Motorrad zu fahren aber wenn dir der Sportwagen besser gefällt können wir auch diesen nehmen.“ Mir fiel die Kinnlade herunter.

„Ein Motorrad gibt es auch noch?“

Nervös griff Jurij in sein dunkles Haar und lächelte mich an, das es mir schwerfiel ihm zu widerstehen. Ich seufzte und grinste ihn an.

„Immer diese reichen Schnösel.“ Man sah, wie die Nervosität von ihm abfiel, er griff erneut nach meiner Hand und zog mich eilig hinter sich her.

Vor uns stand eine mattschwarze Maschine, die schon tödlich schnell aussah. Jurij reichte mir einen der beiden Helme, und half mir ihn aufzuziehen. Er schwang sich mit einer unglaublichen Eleganz auf das Motorrad und sah nun noch attraktiver aus. Der absolute Bad Boy. Nicht ganz so elegant hob ich mich auf die große Maschine. Automatisch rutschte ich nach vorne und wurde an Jurijs Rücken gepresst. Er wies mich an, mich gut festzuhalten, und legte meine Arme um seinen Bauch. Jurij startete und ließ ein lautes Röhren los, bevor sich die Maschine in Bewegung setzte. Wir fuhren aus der Tiefgarage heraus und über die Straßen St. Petersburg. Ich genoss die kühle Brise und betrachtete die hohen Häuser, die an uns vorbei rasten. St. Petersburg war eine wunderschöne Stadt voller Flüsse, die neben uns an den Straßen ruhig entlang flossen. Wir folgten ihnen, während Jurij sich seinen Weg durch die im Stau stehenden Autos bahnte. Hinter uns wurde viel gehupt und geflucht, das russische Temperament. Wir hatten Glück, das uns keiner mit seinem Auto rammte um sich daran zu rächen. Jurij fuhr schnell aber sicher, ich verspürte keinerlei Angst mit ihm diese gefährlichen Manöver zu fahren. Es schien, als wäre er in seinem Element. Sobald ein neues Auto wegen ihm anfing zu hupen lachte er, was ich nicht hören aber spüren konnte. Ich lehnte mich noch enger an ihn und schloss die Augen. Mit diesem Mann war jeder Tag ein neues Abenteuer, was ich bereit war einzugehen. Wir bogen ein weiteres Mal ab, die Straßen wurden immer leerer und Jurij gab noch mehr Gas. Meine Haare peitschten mir um die Ohren.

Ich konnte immer noch nicht glauben, dass er meine Haare geföhnt hatte, er überraschte mich immer wieder aufs Neue.

Kapitel 11 Katy

Wir hielten vor den Toren eines großen Parks an. Jurij half mir von seinem Motorrad herunter und verstaute unsere Helme, während ich mich umsah. Es war ziemlich ruhig hier. Direkt vor uns tat sich ein hohes Gitter, auf das sich weit in beide Richtungen entlang zog. Das grüne Innere schien unendlich zu sein, verschiedene Kieswege gingen von dem großen Gold Tor ab. Jurij ließ seine Finger zwischen meine Gleiten und langsam begannen wir unseren Spaziergang. Ich blickte nach oben in die hohen Baumspitzen, die bereits in vollem Grün blühten, vereinzelt traten ein paar Sonnenstrahlen hindurch und gaben ein wunderschönes Lichtspektakel auf dem Boden ab. Hier und da huschten ein paar Eichhörnchen durch die dichten Äste.

„Wo sind wir hier?“ Wendete ich mich an meinen dunklen Begleiter, der etwas abwesend schien.

„Das ist der Sommergarten.“ Ich nickte und ließ Jurij weiter in seine Gedanken versinken. Nachdem wir bereits ein paar Meter gelaufen waren, gab es erneute Abzweigungen, die von griechischen Staturen bewacht wurden. Je weiter wir liefen, desto häufiger tauchten sie auf. Mal umkreisten sie bunte Blumenbeete und andere Male einfach weitere Wege. Ich konnte mich überhaupt nicht sattsehen und doch huschte mein Blick immer wieder zu Jurij, den irgendetwas zu belasten schien. Sobald er bemerkte, dass ich ihn ansah, lächelte er mich an und war dann doch wieder komplett in seinen Gedanken versunken. Ich blieb an seiner Hand und lief schweigend neben ihm her. An einer neuen Abzweigung hielt Jurij plötzlich an.

„Lass uns hier entlanggehen, ich denke, das könnte dir gefallen.“ Überrascht folgte ich seinem schnellen Schritt in eine der seitlichen Wege. Schon von weitem konnte ich das Wasser rauschen hören, das hatte mich jedoch nicht auf das vorbereitet, was sich jetzt vor meinen Augen auftat. Ein wunderschöner und riesiger Springbrunnen, dessen Fontänen hoch in die Luft sprangen. Das Licht der Sonne ließ die abspringenden Wassertropfen wie kleine Diamanten aussehen. Ich konnte nur staunen. Es sah umwerfend aus und kein Mensch außer uns war hier, es gehörte nur uns allein. Jurij setzte sich an den Rand des Brunnens und zog mich neben sich, ich ließ das kalte Wasser durch meine Finger rinnen und betrachtete die unzähligen Münzen auf seinem Grund. Wer weiß wie viele Menschen bereits hier waren und sich etwas gewünscht hatten.

„Du hast nicht zufällig 2 Münzen dabei?“ Strahlte ich Jurij zuckersüß entgegen. Überrascht sah er mich an und suchte dann in seinem Geldbeutel. Er reichte mir eine Fünf-Rubel-Münze und nahm sich ebenfalls eine. „Du musst sie über die Schulter in den Brunnen werfen und dir dabei etwas wünschen.“ Ich schloss meine Augen und wurde mir erst dann bewusst, dass ich nicht wusste, was ich mir wünschen sollte. Es gab so vieles was in meinem Kopf herum spukte. Ich holte tief Luft und warf.

Lass nicht zu das Jurij und ich uns nie wiedersehen.

Langsam öffnete ich wieder meine Augen und blickte in die mysteriösen grauen Augen von Jurij. Er war mir so nah gekommen, dass unsere Lippen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt waren. Ich wollte es, mein Herz raste wie wild aber ich hatte Angst. Angst ihn noch mehr zu vermissen als eh schon. Angst nachts aufzuwachen und von seinen Lippen geträumt zu haben. Angst ihm komplett zu verfallen und mich wirklich und wahrhaftig in ihn zu verlieben. Er kam nicht näher, entfernte sich aber auch nicht. Er sah mich einfach nur an.

„J-Jetzt … Jetzt du.“ Stammelte ich und schluckte. In mir herrschte ein Krieg Engelchen und Teufelchen die sich gegenseitig anschrien „Tu es!“ – „Nein bitte, tu es nicht!“

Quälend langsam entfernte sich Jurij von mir und schloss die Augen. Ich griff an mein Herz, um es irgendwie zu beruhigen. Jurij atmete tief durch und war seine Münze.

„Ich wünsche mir, das du mit mir auf den Ball gehst.“

Ich erschrak über seine Worte, was hatte er gerade gesagt? Jurij nahm meine Hand fest in seine beiden und blickte mir tief in die Augen.

„Mein Vater gibt heute Abend einen Ball und er möchte dich gerne kennenlernen. Bitte geh mit mir dorthin.“

„Dein Vater? Ich dachte, es gäbe nur noch Kirill und dich.“

„Er war für Kirill und mich da als es niemand anderes tat. Er ist für uns wie ein Vater.“

„Aha.“ Ich war immer noch überrascht und wusste nicht, was ich sagen sollte.

„Gehst du mit mir dorthin?“ Er drückte meine Hand und sah mich bittend an.

„Ich… Ich habe doch gar nichts zum Anziehen für einen Ball.“ Jetzt lächelte Jurij wieder sein verschmitztes Grinsen.

„Lass das mal meine Sorge sein.“ Ich seufzte, er würde also wieder einmal Geld für mich ausgeben.

„Kommt Zoe auch mit?“ Jurij wirkte etwas zerknirscht, lächelte aber dennoch weiter.

„Wenn du das möchtest.“ Ich nickte. „Das heißt, du kommst mit?“ Wieder nickte ich und stimmte in Jurijs freudestrahlendes Lächeln ein. Er zog mich in eine Umarmung und hielt mich fest an sich gedrückt. Ich spürte seinen Atem in meinem Haar und die Wärme, die von seinem Körper ausging. Da war er wieder dieser unwiderstehliche Duft nach Jurij.

Worauf hatte ich mich nur eingelassen?
 

Wir waren nach einem weiteren kurzen Spaziergang in dem Jurij mir alles über die weitere Abendplanung erzählte zurück ins Hotel gefahren. Er meinte, ich solle mich ausruhen und ihm alles überlassen. Es ist ja nicht so das ich ihm nicht vertraue, aber ich war noch nie auf einem Maskenball, ich war noch nie auf irgendeinem Ball abgesehen von meinem Abschlussball aber das würde wahrscheinlich nicht unter die Kategorie Ball fallen zu denen Jurij eingeladen wurde. Frustriert warf ich mich auf das zerwühlte Bett und unterdrückte einen kleinen Sorgenschrei. Zoe fand die Idee natürlich großartig und verschwand sofort in Kirills Zimmer. Ich wünschte wirklich, ich hätte Jurijs Handynummer und könnte ihm schreiben, ich war einfach zu neugierig darauf was er mir für ein Kleid kaufen würde.

Wie hatte dieser Urlaub nur solche Ausmaße nehmen können. Wir hatten einen schönen Kurztrip zu zweit geplant, nur Zoe und ich und jetzt verbrachten wir unsere Zeit mit Zwei High society Männern Russlands. Zoe wollte shoppen und ich wollte einfach nur die Sehenswürdigkeiten sehen, mehr nicht. Sobald ich wieder Zuhause sein würde, blieben mir nur wenige Tage um genau zu sein 1 Woche bis ich nach London ziehen würde. Hinein in das Unbekannte. Einerseits war ich extrem gespannt auf das, was vor mir lag. Ein anderes Land, eine neue Stadt, neue Leute und einfach mal von vorne anfangen. Andererseits machte mir auch genau das eine Heiden angst. Ich kannte niemanden, weder die Stadt noch die Menschen, alles war neu. Diese vollkommene Ahnungslosigkeit ließ mich verrückt werden, natürlich hatte ich niemanden davon erzählt und behielt es lächelnd für mich. Ich wollte, nicht dass sich Zoe oder mein Vater noch mehr Sorgen als eh schon machten. Ich versuchte, mich zu beruhigen und noch etwas die Augen zu schließen, doch jedes Mal wenn ich sie schloss sah ich mich inmitten von London stehen, ohne zu wissen wo ich überhaupt war oder wohin ich wollte. Ständig beschlich mich dieses Gefühl verfolgt zu werden, doch niemand war zu sehen. Nach einer guten Stunde gab ich auf und schrieb Zoe eine Nachricht.

„Hey, wo bleibst du denn so lange?“

Ich musste nicht lange auf eine Antwort warten, Zoe hatte ihr Handy fast immer griffbereit, egal wann und egal wo sie gerade war.

„Du glaubst doch nicht das ich zulasse das Kirill mir irgendein Kleid aussucht.“

Ich musste seufzen, natürlich war Zoe mitgefahren.

„Ist Jurij bei euch?“

„…Nein.“

Irgendetwas stimmte nicht. Zoe war selbst im Nachrichten schreiben schlechte Lügnerin.

„Zo…?“

„Ja?“

„Raus mit der Sprache.“

„Na gut du darfst aber nicht sagen, dass du es von mir hast.“ Manchmal war sie etwas zu Blond. Von wem sollte ich es denn sonst wissen, aber na gut spielen wir einfach mal mit.

„Natürlich, Ehrenwort.“

„Er war gerade am Bezahlen, als wir kamen. Ich konnte nicht viel von dem Kleid erkennen aber das, was ich gesehen habe, sah atemberaubend aus.“

Meine Neugier war geweckt. Hoffentlich hatte Zoe noch ein paar weitere Informationen für mich.

„Einzelheiten! Ich will alles wissen was du gesehen hast!“

„Es ist schwarz und lang und es sah sehr enganliegend aus das könnte aber auch getäuscht haben.“

Das klang doch schon mal nach nichts allzu Auffälligem.

„Du konntest nicht zufällig sehen, wie viel es gekostet hat oder?“

„Katy mach dir keine Gedanken sie werden es sich schon leisten können.“

Und wieder musste ich seufzen. Für Zoe war es einfach zu akzeptieren, dass jemand für sie so eine hohe Summe Geld ausgab, ihre Familie war selbst sehr wohlhabend und sie kannte so etwas wie Geldprobleme gar nicht. Mein Vater und ich hingegen hatten nach dem Tod meiner Mutter viele Schulden, zuerst die Beerdigung und dann verloren wir auch noch unser schönes Haus. Und wäre das nicht schon schlimm genug gewesen verlor mein Vater auch noch seinen Job. Er war leider viel zu Stolz um meinen Großvater um Hilfe zu bitten. Ich weiß nicht, was zwischen den beiden vorgefallen war, aber es herrschte eine kontinuierliche Spannung zwischen den beiden. Ich liebte sie beide und war heilfroh, dass sie mir niemals das Gefühl gaben zwischen ihnen stehen zu müssen.

Doch jetzt gerade war ich einfach nur gespannt auf das Kleid. Ich wollte es sehen! Die Zeit schien gar nicht vergehen zu wollen, bis Zoe endlich wieder hier war. Voller Stolz präsentierte sie mir ihr weinrotes Kleid. Es war bodenlang mit einem langen Schlitz an der Seite, viel zu gewagt für mich aber ihr würde es hervorragend stehen. Gerade als wir damit beginnen wollten Zoe’s Haare zu machen, klopfte es an der Tür.
 

Jurij stand mit 2 Kartons bepackt vor unserer Tür. Allein die schwarze Verpackung sah schon so edel aus, das ich mich kaum traute, sie ihm abzunehmen. Mit einem sanften Lächeln übergab er sie in meine Hände.

„Ich freue mich schon sehr darauf dich in diesem Kleid zu sehen.“ Meine Wangen waren bloß durch seinen Anblick gerötet und wie jedes Mal war ich fasziniert von seinen grauen Augen. Sie schienen jedes Mal strahlender zu werden.

„Jurij … Ich … Danke. Das hättest du wirklich nicht tun müssen.“ Elegant strich er mir eine lose Strähne meines Haares hinter mein Ohr.

„Ich habe es gern getan. Bis später.“

Sofort, als Jurij verschwunden war, riss Zoe mir die Kisten aus der Hand. Zuerst fiel sie über die Kleinere her. Es war ein schwarzes paar High Heels, schlicht und nicht zu halsbrecherisch.

„Schick.“ War alles, was Zoe dazu sagte. Nun widmete sie sich dem anderen Paket, das sie zu mir auf die andere Seite des Bettes schob.

„Los, mach schon auf!“ Auch wenn es albern klingt, ich war nervös. So nervös das meine Hände zu zittern begannen. Vorsichtig entfernte ich die schwarze Seidenschleife und hob den Deckel an. Zoe hatte recht behalten, es war schwarz. Ich nahm das Kleid heraus und war erst einmal verwirrt, wie rum es denn überhaupt gehörte. Mit Hilfe meiner besten Freundin fanden wir dann heraus, dass es einen extrem tiefen Rückenausschnitt besaß. Mir blieb die Luft stecken. Das war wirklich gewagt, was hatte sich Jurij nur dabei gedacht? Sah ich aus wie das Typ Mädchen das solche Kleider trug?

„Nur Mut Katy, du wirst, bestimmt wahnsinnig schön darin aussehen.“ Ich musste seufzen, das war nun wirklich nicht meine Art von Kleid, aber ich würde es für Jurij tragen. Eine Ausweichmöglichkeit hatte ich ja auch nicht. Zoe half mir in mein Kleid und mir stockte der Atem mindestens genauso sehr wie ihr als ich mich in dem großen Spiegel betrachtete. Das schwarze Kleid war überzogen von weicher Spitze und schmiegte sich wie eine zweite Haut um meine Hüften. Es besaß vorne keinen Ausschnitt und hatte lange Ärmel, während fast mein kompletter Rücken frei von Stoff war. Der bodenlange Rock besaß ebenfalls einen Schlitz an der Seite, der aber nicht zu sehr auffiel, sondern nur mehr Bewegungsfreiheit zuließ. Ich fühlte mich unglaublich sexy.

„Oh, was ist denn das?“ Zoe zog eine weitere kleinere Box aus dem großen Karton, sie musste unter dem ganzen Papier versteckt gewesen sein. Neugierig hielt sie, sie mir entgegen. Fast schon zaghaft öffnete ich sie nur um sie vor schrecken fallen zu lassen.

„Ach du meine Güte.“ Auch Zoe war die Überraschung anzusehen. Auf unserem Boden lag eine sehr teuer aussehende Halskette. Die kleinen Steine funkelten um die Wette.

Meine beste Freundin hob sie auf und drehte sie zwischen ihren Fingern.

„Katy, das sind echte Diamanten!“ Mir stand der Mund offen, ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Noch nie hatte ich so teuren Schmuck auch nur aus der Nähe gesehen. Sie fühlten sich schwer auf meiner Brust an, während Zoe mir die Kette um meinen Hals legte. Ich wollte gar nicht wissen, wie viel Jurij dafür bezahlt hatte. Sie muss ein Vermögen gekostet haben. Panisch sah ich meine beste Freundin an, die mir beruhigend mein noch feuchtes Haar nach hinten streifte.

„Es ist in Ordnung, mach dir keine Gedanken. Okay es wirkt vielleicht etwas verrückt, aber hey sie sind auch keine normalen Männer, wie wir sie sonst kennen.“ Ich nickte noch immer außerstande etwas zu sagen. Zoe nahm eine Flasche Sekt aus der Minibar und schenkte mir ein Glas ein.

„Trink und setz dich hin. Ich mach dir deine Haare, vielleicht beruhigt es dich etwas.“ Hastig stürzte ich das volle Glas Sekt herunter und schenkte mir direkt ein zweites ein. Ich beobachtete Zoe dabei wie sie den Föhn und die anderen Gerätschaften in die Steckdosen steckte und danach ihre Schminksammlung vor mir ausbreitete. Mein Herz und meine Atmung beruhigten sich wieder etwas, aber noch immer spürte ich die Halskette stark auf meiner Brust. Bildete ich mir ihr Gewicht nur ein oder war sie wirklich so schwer? Vielleicht war es einfach nur ihre wahnsinnige Präsenz. Ich würde alleine nur durch die Kette auffallen. Jurij musste wirklich viel Geld besitzen, wenn er sich solch ein Schmuckstück einfach so leisten konnte. Während Zoe mir meine Haare föhnte und danach zu großen Locken eindrehte, stellte ich mir Jurij in einem schicken schwarzen Anzug vor. Sofort begann mein Herz wieder wie wild zu schlagen, was hatte dieser Mann nur an sich, das er es schaffte mir so sehr den Kopf zu verdrehen. Sollte ich wirklich auf Zoe hören und aufs Ganze gehen? Hatte sie recht, dass ich ihn wieder sehen könnte? Das es kein Abschied für immer sein würde…

„Dreh dich zu mir, damit ich dich schminken kann.“ Gehorsam drehte ich mich zu meiner Freundin und versuchte nicht mehr darüber nachzudenken wie es sein würde mich von ihm zu verabschieden. Ich sollte, wie Zoe gesagt hatte, einfach versuchen es zu genießen.
 

Nachdem auch Zoe mir ihren Vorbereitungen fertig war, erhielt sie eine Nachricht von Kirill das er und sein Bruder in der Hotellobby auf uns warten würden. Schnell stürzte ich den letzten Rest Sekt aus meinem Glas herunter und schloss hinter uns die Tür. Mein Puls beschleunigte sich ins Unermessliche während wir mit dem Aufzug nach unten fuhren. Die Türen öffneten sich und noch bevor sie uns bemerkten, sahen wir sie. Jurij sah einfach umwerfend aus in seinem schwarzen Anzug. Sein seidenes Hemd war nicht komplett zugeknöpft und ließ einen leichten Blick auf seine muskulöse Brust zu. Seine strahlenden Augen wurden von einer schwarzen Maske umrahmt, die das Grau seiner Augen nur noch mehr betonten. Kirill trug ebenfalls einen schwarzen Anzug mit einem weinroten Hemd passend zu Zoe’s Kleid. Mit zitternden Fingern ergriff ich die Hand meiner besten Freundin und ließ mich von ihr zu unseren zwei Begleitern führen.

„Wow. Ihr seht fantastisch aus!“ Begrüßte uns Kirill. Er gab Zoe einen schnellen Kuss auf die Wange und nahm mich ihr ab. Jurij dessen Blick ich durch die Maske nur erahnen konnte hang auf mir, während er fast bewegungslos da stand. Erst als mich sein Bruder in seine Hände übergab, drehte er sich etwas mehr zu mir.

„Ich muss meinem Bruder zustimmen. Du raubst mir den Atem Katherina.“ Meine Wangen füllten sich mich Blut. So etwas hatte noch niemand zu mir gesagt.

„Du hast die Kette also gefunden. Gefällt sie dir?“ Ich musste schlucken, bevor ich Antworten konnte.

„Ja aber war sie wirklich notwendig?“ Sanft fuhren meine Fingerspitzen über die vielen kleinen Steine. Jurij lächelte und strich mein Haar zurück.

„Ich habe sie gesehen und an dich gedacht. Sie erinnert mich an dich. Du strahlst mindestens genauso sehr wie jeder einzelne Diamant.“ Sein russischer Akzent machte diesen Satz noch verführerischer. Ich lehnte mich an seine Brust und ließ mich von diesem atemberaubenden Mann in eine Umarmung ziehen. Wie hatte ich nur jemanden wie ihn verdient? Er war mehr als alles, was ich mir hätte erträumen können.

„Ich habe noch etwas für dich.“ Sanft drückte ich mich von ihm weg.

„Noch etwas?“ Und da war es wieder dieses verschmitzte Lächeln, das ich selbst durch die schwarze Maske sehen konnte.

„Nur eine Kleinigkeit aber essenziell wichtig für einen Maskenball.“ Er hielt eine schwarze Maske aus reiner Spitze in seiner Hand. Sie bestand aus der gleichen Spitze, mit der mein Kleid überzogen war. Ich seufzte und drehte mich so, dass er mir die Maske anziehen konnte.

„Seid ihr bereit?“ Kirill öffnete uns die Tür, vor der eine riesige Limousine wartete. Zoe quietschte vor Freude und zog mich mit sich.

Von innen sah sie noch größer und pompöser aus. Halbe Sachen gab es bei diesen Brüdern wohl nicht. Alles war bedeckt mit Gold und veredeltem Holz. Die Sitze aus schwarzem Leder fühlten sich kühl unter dem dünnen Stoff meines Kleides an. Wiedereinmal erschien mir das alles als ein wahrgewordener Traum. Ich fühlte mich, wie eine Prinzessin auf dem Weg zu einem Ball nur ohne Kutsche aber dafür hatten wir ja diese riesige Limousine und der perfekte Prinz saß neben mir. Jurij lächelte mir entgegen und nahm meine Hand. Es fühlte sich schön an, wie seine Finger kleine Kreise auf meiner Hand fuhren. Kirill und Zoe kuschelten innig miteinander. Ich fragte mich, wie es ihr nach dieser Reise ergehen würde und ob die beiden sich wiedersehen würden, oder ob das alles wirklich nur ein Urlaubsflirt für sie war. Wie weit sie miteinander gegangen waren, wollte ich gar nicht wissen. Sie war alt genug und würde schon die richtigen Entscheidungen treffen.

Die Sonne war bereits schon lange untergegangen und draußen herrschte die dunkle Nacht. Im Vorbeifahren betrachtete ich die hell leuchtenden Lichter der Stadt. Es sah wunderschön aus. St. Petersburg war eine wirklich traumhafte Stadt mit all den Flüssen und Brücken. Alles wirkte so märchenhaft und nicht aus dieser Welt und ich war mitten darin. Ich konnte spüren, wie Jurij mich ansah, und versuchte nicht schon wieder ein komplett rotes Gesicht zu bekommen. Die Maske verdeckte zwar etwas mein Gesicht, doch ich war mir sicher, das er es selbst mit der Maske sehen konnte.

„Wir sind gleich da.“ Verkündete Jurij. Sein Griff festigte sich um meine Hand.

Wir fuhren eine riesige Allee entlang. Links und rechts von uns waren, in regelmäßigen Abständen, hohe Bäume gepflanzt, die von wild flackernden Fackeln beleuchtet wurden. Nachdem das Auto zum stehen kam und Jurij mir ganz Gentleman aus dem Auto half, blieb mir die Luft im Halse stecken. Vor mir tat sich ein riesiges Schloss auf. Es erinnerte mich sehr an Schloss Versaille in Frankreich. All die großen Fenster und Bögen. Es muss die gleiche Epoche gewesen sein. Hinter uns lag ein riesiger Springbrunnen, dessen Wasserfontänen Meterhoch in die Luft schossen. Rings um die weißen Mauern des Schlosses standen Fackeln und wiesen den ankommenden Gästen den Weg in sein Inneres.

Jurij stand hinter mir und legte mir zärtlich seine Hand auf die Taille, während er sich zu mir herunter beugte.

„Bist du bereit?“ Noch immer geblendet von der Imposants und Schönheit des Gebäudes sah ich zu ihm auf.

„Ich bin mir nicht sicher.“ Gab ich ehrlich zu.

„Komm.“ Sanft schob er mich nach vorne in Richtung der Fackeln. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass Zoe und Kirill bereits vorgegangen waren. Mein Herz schlug mit jeder Stufe die wir erklommen immer schneller. So schnell das ich glaubte, es würde mir aus meiner Brust springen.

Die großen Türen des Palastes standen weit offen und ließen einen ersten Blick auf das was mich dort erwartete erahnen. Wir liefen einen langen Flur entlang, der mit Porträts von damaligen Adeligen geschmückt war. Auch hier hielt sich alles sehr in Gold und sah fast unheimlich edel aus. Eine weitere Tür tat sich vor uns auf. Sie war verschlossen, doch neben ihr standen 2 in Uniform gekleidete Wachmänner. Ich konnte Musik und lautes Gelächter hören, der Maskenball schien schon in vollem Gange zu sein. Nachdem die Wachmänner uns, oder eher gesagt Jurij, gesehen hatten, verbeugten sie sich vor ihm. Was auch immer Jurij berühmt machte, er schien selbst hier ein wirklich hohes Tier zu sein. Fast quälend langsam öffneten sie die Tür. Das Erste was ich erblickte, waren die riesigen Kronleuchter, die den ganzen Saal beleuchteten. Sie funkelten wie tausend Sterne. Ich stand alleine vor einer riesigen Treppe, die hinab zu den tanzenden Paaren führte. Jurij sprach auf Russisch mit einem der Wachmänner, der nickte und direkt danach verschwand. Ich überflog die Menge und versuchte Zoe und Kirill darin zu entdecken doch das war hoffnungslos, dort unten tanzten bestimmt 50 Paare und weitere 100 standen an den Seiten in Gespräche vertieft. Nachdem Jurij zu mir aufgeschlossen hatte und mich mit festen Griff an seiner Seite hielt, stoppte abrupt die Musik. Alles sah zu uns auf. Sah zu Jurij und verneigte sich. Ein ganzer Saal voller Menschen verneigte sich vor ihm. Verwirrt sah ich zu ihm auf. Sein Blick hielt streng auf die Menschenmasse vor uns, bis er meinen Blick auf ihm spürte.

„Was ist los Katherina?“ Nachdem sein Blick so streng gewesen war, erschrak es mich, wie sanft er nun mich ansah. Ich erkannte sogar etwas Sorge darin.

„Wer bist du?“ Ich trat einen kleinen Schritt von ihm weg. Überrascht ließ er mich los.

„Ich bin Jurij Kowaleskij. Du brauchst keine Angst zu haben meine Schöne.“ Noch immer lagen die Blicke aller auf uns. Wer auch immer er war, er wollte es mir noch nicht sagen und so bescheuert es klang, ich vertraute ihm. Jurijs sanfte graue Augen, die in meine blickten, ließen mich all die Menschen dort unten vergessen. Er hielt mir seine Hand entgegen, nach einem weiteren tiefen Atemzug legte ich meine in seine. Eine weitere einfache Handbewegung von Jurij reichte aus, um die Musik wieder beginnen zu lassen. Zwar schauten uns noch alle an, aber wenigstens knieten sie nicht mehr vor ihm. Langsam schritten wir die lange Marmortreppe hinunter. Fast schon direkt nachdem unsere Füße den Boden des Saales berührt hatten, hörten wir eine Stimme.

„Juroschka!“ Ich spürte, wie Jurij neben mir zusammen zuckte.

Ein etwas älterer Mann mit grauem Bart und noch helleren Augen als Jurij kam mit offenen Armen auf uns zu. Sein Anzug sah edel aus. Schwarz mit silbernen Verzierungen. Sie glänzten bei jeder seiner Bewegungen im Licht des Kronleuchters.

„Vladimir.“ Begrüßte er den älteren Mann und ließ sich von ihm in eine freundschaftliche Umarmung ziehen. Danach wanderte sein Blick zu mir.

„Und du musst Katy sein.“ Sein Akzent war viel deutlicher als der von Jurij oder Kirill. Ich musste mich sehr Konzentrieren, um überhaupt zu verstehen, was er sagte.

„Ich habe schon einiges von dir gehört mein Kind.“ Überrascht blickte ich zu Jurij, der mich nur entschuldigend ansah.

„Das ist Vladimir, der Mann, von dem ich dir erzählt habe. “ Beantwortete mir Jurij meine unausgesprochene Frage. Er war also der Mann der für Jurij und Kirill wie ein Vater gewesen war. Er sah nett aus. Irgendwie etwas eigen aber sein freundliches Lächeln führte dazu, das man sich in seiner Nähe sehr wohl fühlte.

„Freut mich Sie kennenzulernen.“ Der ältere Mann lachte und zog mich ebenfalls in eine Umarmung.

„Nenn mich bitte Vladimir. Wenn mein Juroschka dich mag, tu ich es ebenfalls.“ Seine Umarmung fühlte sich schön an und erinnerte mich an meinem Großvater. Er war genauso herzlich, sie hätten sich wahrscheinlich wunderbar verstanden.

„Entschuldige Vlad, aber ich würde ihr gerne alles zeigen.“ Vladimir entließ mich aus seiner Umarmung und übergab mich Jurij.

„Aber natürlich mein Junge. Wir werden uns bestimmt später noch einmal Unterhalten können Katy.“ Während Jurij mich mit festen Griff weiterzog, hörten wir noch im Hintergrund ein lautes: „Habt Spaß auf dem Ball meine Kinder!“

Jurijs Griff wurde immer enger, während er mich schnell durch den Saal zog.

„Jurij … du tust mir weh.“ Sofort blieb er stehen und ließ meine Hand nur los um sie Sekunden später sanft in beide seiner Hände zu legen.

„Es tut mir Leid Katherina.“ Er wirkte so besorgt. Ich strich eine aus seinem Haar herausfallende Strähne zurück.

„Was ist los Jurij?“ Er seufzte.

„Nichts, wirklich. Lass uns weiter gehen.“ Gerade als wir weitergehen wollten, hörten wir hinter uns erneut eine Stimme.

„Jurij Kovalweskij. Immer eine Freude dich zu sehen.“ Mit einer gekonnten Drehung stand ich hinter Jurij und konnte kaum einen Blick auf die mysteriöse Stimme erhaschen.

„Casandra.“ Presste Jurij aus zusammen gebissenen Zähnen hervor.

„Oh schön, du kannst dich noch an mich erinnern.“ Lachte die Frau vor uns.

„Was willst du hier?“ Jurij klang nicht weniger boshaft. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Meine Neugier stieg ins Unermessliche und irgendwie hatte ich es geschafft mich aus seinem Griff zu befreien.

„Wen haben wir denn da? Dein neues Spielzeug?“ Die blonde Frau vor mir konnte nicht viel älter als ich sein. Sie verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust, was ihren üppigen Busen nur noch mehr betonte. Er schien so schon, nur gerade so nicht aus ihrem Kleid zu fallen, denn viel Stoff bedeckte ihre Oberweite nicht.

„Casandra. Ich warne dich.“ Jurij versuchte mich wieder hinter sich zu schieben, doch ich wich seinem Versuch aus. „Katy… bitte nicht.“

„Was denn Jurij, wir wollen uns nur kennenlernen.“ Der Sarkasmus in ihrer Stimme war kaum zu überhören. Die blonde Frau war die reinste Versuchung. Sie hatte ein wunderschönes, zartes Gesicht das ganz und gar nicht zu dem Unterton in ihrer Stimme passte. Sie tat einen Schritt auf mich zu. Automatisch wisch ich etwas zurück.

„Du bist also sein neues Spielzeug, es wird viel über dich geredet.“ Ihre hellblauen Augen musterten mich von oben bis unten. Spielzeug… das hatte sie nun schon zum zweiten Mal gesagt. Was hatte das zu bedeuten.

„Casandra. Ich warne dich ein letztes Mal. Hör auf und verschwinde.“ Lachend drehte sie sich zu Jurij und kam ihn für meinen Geschmack etwas zu nah. Jurijs Angewidertem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass es ihm nicht anders erging.

„Du wirst schon wieder zu klarem Verstand kommen und wenn es soweit ist, weißt du wo du mich findest.“ Und damit verschwand dieses blonde Miststück in der Menge.

Ich wusste nicht, ob ich wütend oder traurig sein sollte. Das hässliche Gefühl von Eifersucht machte sich in meiner Brust breit während in meinem Kopf immer wieder ihre Worte wiederhalten: „Neues Spielzeug.“. War ich wirklich nur ein Spielzeug für ihn? Ein kleiner Zeitvertreib? Tat er sowas öfter und wussten bereits alle davon…

„Katy…“ Seine Stimme erklang in meinem Kopf. Ich blickte zu ihm auf nicht wissend, was mein Gesicht gerade für ein Gefühl wiederspiegelte. Ich hoffte, es war neutral. Ich wollte nicht wie das kleine verletzliche Mädchen wirken.

„Es tut mir Leid. Ich wollte nie, dass du ihr begegnest. Ich wusste nicht einmal, dass sie hier ist.“ Sanft strich er über meine Wange und hob mein Kinn so an, das ich ihm in seine Augen sehen musste.

„Alles was diese Frau von sich gibt, sind Lügen. Bitte glaube nichts von dem, was sie gesagt hat. Du bist kein Spielzeug für mich.“ Ich ließ mich von ihm in eine Umarmung ziehen und schluckte all die unbeantworteten Fragen in meinem Kopf herunter. Ich wollte diesen Abend nicht durch einen Streit zerstören, denn genau das wollte Casandra. Es war nicht zu übersehen, dass sie lieber an Jurijs Seite gestanden hätte.

„Sei nicht böse auf mich, bitte.“ Dieser große Mann konnte so verletzlich wirken das es mir fast das Herz Zeriss.

„Ich bin dir nicht böse Jurij, wie könnte ich das auch.“ Erneut nahm er mein Gesicht in seine Hände und küsste mich sanft auf meine Stirn.

„Lass uns Zoe und Kirill suchen.“ Jurij grinste.

„Sicher? Möchtest du nicht lieber etwas tanzen?“ Noch bevor ich antworten konnte, zog er mich auf die Tanzfläche zwischen die anderen Paare.

Seine Hand lag auf meinem Rücken, während er mit der anderen meine fest in seiner hielt. Passend zum Takt der Musik führte er mich über das Parkett. Jurij wusste was er tat, er tanzte wohl nicht zum ersten Mal. Er drehte und fing mich jedes Mal wieder auf. Schnell hatten wir die Aufmerksamkeit der Gäste, die um uns herum standen, für uns gewonnen. Immer weniger Paare tanzten neben uns bis wir schließlich vollkommen alleine über den Boden wirbelten. Ich wusste nicht einmal, was ich tat, sondern verließ mich voll und ganz auf mein Gefühl und das Vertrauen zu Jurij.

Ein Lied nach dem anderen spielte und ich wollte gar nicht mehr aufhören bis ich Zoe alleine am Rand stehen sah. Jurij folgte meinem Blick und ließ mich gehen. Sofort eilte ich zu Zoe, die etwas verloren an einer Säule lehnte.

„Hey Zo alles okay?“ Ich legte den Arm um meine Freundin und führte sie nach draußen auf einen der Balkone, auf denen es etwas ruhiger war.

„Klar alles gut.“

„Wo ist Kirill?“ Fragte ich und wollte wissen, wie lange meine beste Freundin schon alleine war.

„Er sollte mit einem älteren Mann mitgehen. Seit dem habe ich ihn nicht mehr gesehen.“

„Hmm ... trug der Mann einen wirklich auffälligen Anzug?“

„Schwarz mit silbernen Oranmenten?“ Hakte Zoe nach. Ich nickte.

„Ja mit ihm und ein paar anderen ist er in einem der Nebenräume verschwunden.“ Ich lächelte.

„Das war Vladimir. Er ist so etwas wie Jurijs und Kirills Vater.“ Meine Freundin seufzte.

„Aber er ist schon so lange weg, ich konnte bisher gar nicht tanzen, aber wie läuft dein Abend bisher?“ Ein Blick genügte, um Zoe alles zu sagen.

„Bis auf eine kleine Ausnahme alles perfekt.“ Zoe wurde neugierig.

„Was denn für eine Ausnahme?“ Ich lehnte mich an das Geländer des Balkons und genoss die kühle Luft der Nacht.

„Ich schätze, es war eine von Jurijs Verflossenen. Sie schien nicht besonders erfreut darüber zu sein, mich mit ihm zu sehen.“ Das breite Grinsen war mir nicht aus dem Gesicht zu wischen.

„Und das macht dir gar nichts aus?“ Ich seufzte.

„Gar nichts würde ich nicht sagen aber wieso, sollte er so einen Aufriss für mich machen, wenn ich nur ein kleiner Zeitvertreib wäre?“

„Da hast du Recht und dann wäre da noch dieser verliebte Blick mit, dem er dich ständig ansieht.“

Als hätte Jurij uns gehört kam er geradewegs auf uns zu. Dieser unwiderstehliche Mann der mit dieser Maske noch geheimnisvoller aussah.

„Ist bei euch alles in Ordnung?“ Die Frage war an Zoe und mich gerichtet doch richtete sein Blick sich nur auf mich. War dies der verliebte Blick, von dem Zoe gesprochen hatte?

„Natürlich, ich werde mal wieder rein gehen und nach Kirill suchen.“ Meine beste Freundin hinterließ mir noch ein freches Zwinkern, bevor sie durch die Türen in die Massen verschwand.

Jurij schlang seine Arme um meine Taille und zog mich enger zu sich heran.

„Hab ich dir schon gesagt, wie atemberaubend schön du aussiehst?“

„Ich kann es nicht oft genug hören.“ Sein verschmitztes Grinsen ließ mein Herz höher schlagen.

„Du bist die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe.“ Jurijs warme Hand an meiner Wange brachte die Haut an der er mich berührte zum Kribbeln. Er war mir so nah, das es mir unmöglich erschien etwas anderes zu sehen und zu spüren als ihn. Ich wollte in seinen Augen ertrinken. Nie wieder etwas anderes sehen als dieses Grau, das seine Augen so mysteriös wirken ließ.

„Katy…“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. So sinnlich und Verboten.

Ich schmiegte mein Gesicht in seine Hände und ließ zu, das er mir immer näher kam. Es würde passieren und ich würde mich nicht dagegen wehren. Voller erwarten, schloss ich meine Augen und wurde erfüllt von dem Gefühl seiner weichen Lippen auf meinen. Er war sanft und vorsichtig und schmeckte so süß. Das Gefühl, das sein Kuss in mir auslöste, raubte mir den Atem und schien mich zu zerreißen. Er löste sich viel zu schnell von mir, hielt mich aber dennoch fest in seine Armen.

„Es tut mir Leid.“. Noch immer übermannt von dem Kuss musste ich erst einmal meinen Verstand wieder zusammen setzen.

„Was?“

„Es tut mir Leid das ich dich geküsst habe. Ich konnte nicht mehr widerstehen.“ Lächelnd legte ich meinen Kopf auf seine Brust. Dieser Mann war einfach zu perfekt um wahr zu sein, und jetzt entschuldigte sich dafür mich geküsst zu haben.

„Es braucht dir ganz und gar nicht leidzutun. Es war wunderschön.“ Sanft strich er mir über mein Haar und hielt mich weiter eng bei sich. Nie wieder wollte ich diese Arme verlassen. Ich hätte alles gegeben um weiterhin einfach diesen Moment leben zu können. Ich wollte nichts bereuen, wenn ich wieder Zuhause wäre, und würde jede noch so kleine Sekunde mit ihm verbringen. Ich wollte ihn.

Kapitel 12 Katy

Jurij und ich tanzten noch viele weitere Stunden, selbst nachdem Zoe und Kirill sich schon lange von uns verabschiedet hatten. Keiner von uns wollte, dass der Abend zu Ende ging. Es sollte für immer so weiter gehen. Nur er und ich. Niemand konnte uns voneinander lösen selbst Vladimir nicht.

Als die Nacht schon fast vorüber und die ersten Vögel zu singen begannen, brachen wir auf zurück in unser Hotel. Ich wollte mich noch nicht von Jurij trennen. Wie könnte ich mich, nach diesem Abend, einfach seelenruhig neben meine beste Freundin schlafen legen? Jurij schien es zu spüren, denn während wir auf den Aufzug warteten, lagen seine Augen voller Hoffnung auf mir.

„Wenn du möchtest, kannst du bei mir im Zimmer schlafen.“ So wie seine Finger über meiner Hüfte kreisten, schien er genauso wenig wie ich wirklich schlafen zu wollen. Zur Bestätigung drückte ich den Knopf, der auf seine Etage führte. Noch während die Türen des Aufzugs sich schlossen, zog ich ihn zu mir herunter und drückte meine Lippen auf seine. Dieser Kuss war keineswegs so zaghaft wie der letzte. Jurij presste mich gegen die Wand des Fahrstuhls und hob mich auf seine Arme. Ich schlang meine Beine und Arme um ihn und vergrub meine Hände in seinem vollen, schwarzen Haar. Ich wollte ihn. Ich wollte ihn so sehr!

Auf seinem Stockwerk angekommen setzte er mich nicht ab, sondern trug mich weiter auf seinen Armen bis in sein Zimmer. Ich rechnete schon jeden Moment damit auf das Bett geworfen zu werden und war daher sehr überrascht, als er mich ganz vorsichtig vor sich absetzte. Seine Hand strich über meinen Kopf, meinen Arm hinunter und kam auf meiner Hüfte zum stehen. Jeden Millimeter meines Körpers betrachtete er mit seinen vor verlangen glühenden Augen.

„Ich will dich Betrachten, jeden Zentimeter Haut genießen.“ Sanft drehte er mich so, dass er hinter mir stand, während er mir mein volles dunkles Haar auf eine Seite meiner Schultern strich. Seine weichen Lippen liebkosten meinen Hals und brachten mein Blut zum Kochen. Alles was ich fühlen konnte, war das Verlangen und verzehren nach ihm. Ich wollte seine Lippen überall auf meiner Haut spüren. Ganz langsam zog er mir mein Kleid über die Schultern und befreite meine Arme daraus. Seine Küsse hinterließen brennende Spuren auf meinem Körper bis ich nur noch in meinem Höschen vor ihm stand. Ich ließ meine dunklen Locken über meine Brüste fallen und stand ohne jede Scheu vor ihm. Sein Blick huschte über meinen Körper, während ich langsam auf ihn zuschritt und ihm die restlichen Knöpfe seines Hemdes öffnete. Mir blieb die Luft weg, als ich seinen muskulösen Oberkörper sah. Jede seiner Muskeln war so präsent und hart das ich nicht anders konnte als mit meinen Fingern darüber zu streichen. Sein Hemd gesellte sich zu meinem Kleid auf den Boden. Er sah aus wie ein Gott. Zu perfekt um mich zu wollen, doch sein Blick lag voller Lust und Begierde auf mir.

Unsere Lippen trafen erneut aufeinander und das Feuer entfachte von neuem. Jurij hob mich auf seine Arme und legte mich unter sich auf das riesige Bett. Sein Gewicht lag auf mir, aber war in keinsterweiße unangenehm. Durch seine Hose konnte ich seine Erregung spüren, die er immer wieder qualvoll gegen mich presste und damit zum Verzweifeln brachte. Niemals wollte ich einen Mann so sehr wie ihn. Ich hätte ihm am liebsten seine Hose vom Leib gerissen und mich rittlings auf ihn gesetzt. Mein kompletter Körper war auf Sex gestellt. Ich konnte und wollte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Wie hätte ich das auch tun können mit seinen Händen die meinen Körper erkunden und seinen Lippen, die meinen Hals küssen. Gerade als er mir mein Haar von der Brust strich und seinen Weg nach unten bahnen wollte, passierte es. Er sprang von mir Weg und bevor ich überhaupt realisieren konnte, was passiert war, war er auch schon am anderen Ende des Raumes.

Verwirrt sah ich zu ihm auf und musste mit schrecken feststellen, dass sein Blick nichts Liebevolles mehr hatte. Er sah mich mit solch einem Hass an, dass der Schmerz in meiner Brust kaum zu ertragen war.

„Jurij…“ Meine Stimme ertrank in dem Schmerz, den sein Blick in mir auslöste.

„Sei still!“ Er schrie mich an und grollte das er kaum mehr menschlich klang.

„Du bist eine von ihnen. Eine Jägerin.“ Ich verstand nichts, von dem er sprach und erkannte den Jurij an den ich mein Herz verloren hatte nicht wieder.

„Wovon sprichst du?“ Ich wollte ihn nicht aufgeben müssen. Ich wickelte mir die Decke um und wollte gerade aufstehen.

„Bleib wo du bist!“ Abrupt blieb ich sitzen. „Ich muss zugeben, du warst eine wirklich ausgezeichnete Lügnerin. Ich wäre niemals auf die Idee gekommen, dass du eine Jägerin bist.“ All das machte keinen Sinn. Wovon sprach er? Was für eine Jägerin?

„Jurij ich weiß nicht, wovon du redest.“ Er lachte und es klang nicht nach dem herzlichen Lachen, das mich mit Freude erfüllt hatte. Es klang dunkel und bösartig.

„Du willst das Spiel also weiterführen obwohl die Beweise auf der Hand liegen? Sag mir, wie hast du es geschafft in meiner Nähe zu sein? Hat dich dein Ekel und der Hass auf mich nicht zerfressen? War der Wunsch mich zu töten nicht dein ständiger Begleiter?“ Er hatte sämtliches Leuchten aus seinen Augen verloren. Jetzt wirkten sie einfach nur noch gefährlich.

„Jurij du machst mir Angst. Bitte hör auf damit.“ Tränen hatten begonnen sich in meinen Augen zu sammeln. Wie konnte er nur auf einmal so gemein sein und solche Dinge sagen? Wieso hätte ich ihn töten wollen? Wieso musste er diesen Abend ruinieren.

„Tu doch nicht so Katy. Du trägst das Zeichen der Jäger auf deiner Haut.“ Die Abscheu in seiner Stimme wurde unerträglich.

„Ich weiß nicht, wovon du redest, aber ich werde jetzt gehen.“ Ich stand auf und wollte gerade zur Tür als mich Jurij brutal gegen die Wand warf und meine Arme fest über meinem Kopf hielt.

„DU gehst nirgendwohin. Hast du mich verstanden?“ Wer war er? Ich hatte solche Angst, das ich die schmerzen in meinem Arm gar nicht wahrnahm.

„Lass mich los Jurij.“ Aus purem Überlebenssinn versuchte ich mich zu befreien, doch kam nicht gegen ihn an. Er war einfach viel zu Stark. „Dann erklär mir wenigstens wovon du sprichst, denn ich verstehe nicht ein einziges Wort, das du sagst!“ Ich schrie ihn unter Tränen an. Einerseits hatte ich panische Angst vor ihm und wollte nur so schnell wie möglich aus diesem Zimmer und weit weg von ihm, aber andererseits brach es mir das Herz ihn einfach so gehen zu lassen ohne zu Wissen wieso er sich so verhielt. Jurijs griff wurde etwas sanfter und ich sah die Verwirrung in seinen Augen.

„Du… Du weißt wirklich nicht, wovon ich rede… aber… aber dein Tattoo…“ Er ließ mich nun komplett los und ich kam hart auf dem Boden auf. Ich rieb mir meine Handgelenke und beobachtete Jurij, der nach ein paar tiefen Atemzügen wieder zu seinem harten Ich zurückgekehrt war.

„Erklär es mir.“ Presste er heraus.

„Was?“ Ich war so verzweifelt ihn so zu sehen.

„Dein Tattoo. Warum hast du es?“ Jurij baute sich vor mir auf und schien noch größer als sonst zu sein. Seine ganze Präsenz hatte sich verändert. Sie wirkte bedrohlich und bereit alles zu tun.

„Jurij es ist doch nur ein Tattoo.“ Ich versuchte wirklich, ihn zu beruhigen, und schien nur noch alles schlimmer zu machen.

„Das ist es eben nicht! Es ist das Zeichen der Jäger! Der Pfeil durch die Mondsichel das Symbol der Knights of the Night.“ Sein Brustkorb hob und senkte sich bedrohlich. Ich fühlte mich wie die Beute vor dem großen bösen Wolf. Eine falsche Bewegung oder ein falsches Wort und es wäre vorbei mit mir. Ich war mir sicher, dass Jurij vor nichts zurückschrecken würde.

„Ich weiß nicht, wovon du redest. Ich habe mir das Tattoo zum Gedenken an meinen Großvater machen lassen. Er ist vor kurzem gestorben und ich konnte mich nicht einmal von ihm verabschieden. Ich dachte ich…“ Ich wusste ja selbst wie dumm es klang aber es war die Wahrheit.

„Du dachtest was?“ Ich sah Jurij tief in die Augen.

„Ich dachte, ich hätte so etwas, das mich mit ihm verbindet. Ich weiß nicht wieso er dieses Symbol tattoowiert hatte, aber es war schon immer da, solange ich denken konnte. Ich hatte gehofft, so wäre er für immer bei mir.“ Jurijs Blick wurde weicher. Ich musste den alten Jurij in ihm geweckt haben.

„Gehörte dein Großvater zu den Jägern?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, also ich glaube nicht. Ich habe noch nie etwas von den Jägern gehört. Mein Großvater lebte in England und war Chef einer großen Hilfsorganisation.“ Jurij lief verwirrt durch das Zimmer und versuchte sich selbst immer wieder zu beruhigen. Ich wickelte mich erneut in das Laken neben mir und setzte mich auf sein Bett. Dort unten am Boden kam ich mir vor wie seine Beute und das wollte ich einfach nicht wahrhaben. Er würde mich noch nicht gehen lassen bis er alle Informationen hatte die er wollte. Ich sah ihm dabei zu, wie er immer wieder kopfschüttelnd durch sein Zimmer lief.

Nachdem er nach einer gefühlten Stunde endlich zum stehen kam, stand er wieder groß aufgebaut vor mir. Noch immer gefährlich aber ich erkannte den Jurij wieder, der mein Herz zum rasen gebracht hatte.

„Katy. Wie war der Name deines Großvaters?“ Ich war verwirrt, Wiedereinmal. Was würde ihm diese Information nützen? Aber gut wenn er es unbedingt wissen musste, wollte ich ihm nicht im Weg stehen.

„Gregor. Gregor Darabont.“ Jurijs Augen weiteten sich und sahen mich erschreckend an.

„Das… das kann nicht sein.“ Er musterte mich. „Du siehst ihm nicht ähnlich.“

„Du kanntest meinen Großvater?“ Ich hatte ein mehr als schlechtes Gefühl aber musste die Antwort wissen.

„Ja ich kannte ihn.“ Jurijs Blick verfinsterte sich. „Er war nicht nur der Anführer der Jäger, er war auch der Beste, den ich jemals gesehen hatte, deswegen war es mir eine Ehre ihn zu töten.“

Ich wollte mich verhört haben, ich wollte nicht glauben, was er gerade gesagt hatte. Meine Welt wie ich sie kannte, zerbrach in 1000 kleine Teile.

„Du hast was getan?“ Es war nicht mehr als ein Flüstern, unter den Tränen die drohten aus mir heraus zu brechen. Jurijs dunkles Lachen war Antwort genug, zumindest für mich.

„Ich habe ihn getötet. Ich habe ihn mit meinen Zähnen die Kehle aus dem Hals gerissen und zugesehen wie das Blut aus seinem Körper floss.“ Seine Augen leuchteten grell während sich unter ihnen dunkle Schatten bildeten. Er lachte und ich konnte nicht glauben, was ich sah. Nein… Nein… Nein… NEIN! Mein Körper drohte zu zerspringen. Der Schmerz, die Wut, der Verlust all das drohte mich zu überwältigen.

„Du bist ein Monster!“ Schrie ich diesem Etwas mit Fangzähnen entgegen. Es war nicht mehr Jurij. Es gab niemals meinen Jurij, er war schon immer das Monster gewesen das meinen Großvater getötet hatte. Ich sprang von dem Bett und mir war es egal, das ich kaum Kleidung an mir trug, ich musste einfach hier weg. Ich sprang zur Tür und wollte sie gerade aufreißen, als ich Jurijs Körper hinter mir spürte.

„Du hast ihn getötet! Du bist ein Mörder! Ein Monster!“ Jurij hielt mich nicht fest aber ich konnte nirgendwohin ausweichen. Er hatte sich in seiner vollen Größe vor mir aufgebaut und hielt die Tür fest zu. Es gab kein Entkommen für mich. Ich sah mein Ende kommen.

„Sei still!“ Brüllte er mich an. Ich wollte wenigstens nicht als Feigling sterben. Mit festem Blick sah ich in seine wilden Augen.

„Was jetzt Jurij? Wirst du mich genauso töten wie meinen Großvater?“ Irgendetwas in Jurijs Blick veränderte sich. Sein Griff gegen die Tür ließ nicht locker und auch sonst bewegte er sich keinen Zentimeter aus seiner Position aber er… er dachte nach.

Jurij blickte zu mir herunter.

„Nein.“

Das Nächste das ich spürte, war Schmerz. Ein stechender Schmerz in meinem Hals. Er hatte mich gebissen! Ich konnte fühlen, wie er die Kraft aus meinem Körper saugte und ich immer schwächer wurde bis ich schließlich in seinen Armen zusammenbrach.

Kapitel 13 Katy

Mama! Mama!“ Ich sprang durch den großen Garten unseres Hauses auf meine Mutter zu, die auf unserer Veranda einen Tee trank. „Sieh mal, was ich gefunden habe!“ Ich zeigte ihr meine neueste Errungenschaft. Eine kleine Schnecke, die vorsichtig aus ihrem Schneckenhaus herausschaute.

„Das ist ja großartig mein Kätzchen, aber nun setz sie wieder zurück, damit sie nach Hause zu ihrer Familie kann.“ Ich strahlte in das schöne Gesicht meiner Mutter. Ihre langen, dunklen Locken hangen ihr über ihre dünnen Schultern. Ich tat wie sie sagte und kuschelte mich danach zu ihr auf die Hollywoodschaukel. Sie war so eine schöne Frau und wenn ich einmal groß war, wollte ich genauso sein wie sie.

„Was machen meine zwei hübschen Damen denn hier draußen?“ Mein Vater kam in Begleitung meines Großvaters zu uns auf die Veranda. 

„Wir kuscheln.“ Klärte ich meinen Vater auf, der sich direkt danach zu uns gesellte. Meine kleine, glückliche Familie war beisammen. Großvater besuchte uns für ein paar Tage und verbrachte viel Zeit mit meinem Vater in seinem Büro. 

„Da mach ich doch direkt mal mit oder vielleicht Kitzel ich dich auch lieber.“ Er hob mich auf seinen Schoß und kitzelte mich an den Seiten das ich laut lachend und strampelnd auf ihm saß. Meine Mutter beobachtete das Ganze mit einem ihrer freundlichen Lächeln. 

 

Ich war gefangen in den Erinnerungen an meine Kindheit, in den sorglosen Tagen meiner glücklichen Familie. Meine Mutter lebte noch, mein Vater und mein Großvater verstanden sich und ich ahnte noch nichts von dem, was auf mich zukommen würde…

Es waren Erinnerungen, an die ich mich teils sehr gut und teils gar nicht mehr erinnern konnte. Manches schien mir wie ein Schleier vor den Augen.

 

Ich sollte eigentlich schon längst im Bett liegen und hatte mich aus meinem Zimmer gestohlen um noch ein bisschen bei den Erwachsenen zu sein. Ich wollte mit ihnen aufbleiben und fernsehen! Meine Eltern und mein Großvater saßen an dem großen Tisch, an dem wir immer aßen und unterhielten sich. Ich versteckte mich hinter der Tür und sah ihnen dabei zu, wie sie miteinander diskutierten. 

„Sie muss es erfahren Peter.“ Großvater sah meinem Vater scharf in die Augen.

„Nein Vater. Du hältst Katy aus dieser Angelegenheit raus.“ Mein Vater hielt seinem Blick stand.

„Peter sie ist eine Darabont. Es ist unsere jahrelange Pflicht dafür zu Sorgen, dass die Menschen in Sicherheit sind. Willst du sie durch ihre Unwissenheit in Gefahr bringen?“

„Gregor, sie ist noch zu jung dafür, sieh sie dir doch an. Sie ist gerade einmal 5 Jahre alt.“ Nun versuchte auch meine Mutter, auf meinen geliebten Großvater einzureden.

„Je früher desto besser. Sie muss mit dem Wissen, das wir haben, aufwachsen.“ 

„Ich habe nein gesagt!“ Schrie mein Vater seinen Vater an, während er wutentbrannt aufstand und damit seinen Stuhl zum Fallen brachte. Beruhigend legte meine Mutter ihre Hand auf den Arm meines Vaters.

„Gregor, lass sie wenigstens eine normale Kindheit und Schulzeit haben. Sie soll aufwachsen wie jedes andere Kind auch. Sobald sie alt genug ist, darfst du ihr davon erzählen.“ 

„Isabelle!“ Überrascht blickte mein Vater meine Mutter an. „Ist das dein ernst?“ Meine Mutter nickte.

„Na gut. Katy wird für ihre Ausbildung zu mir kommen, sobald sie mit der Schule fertig ist.“

„Wenn Katy alt genug ist, werden wir sie fragen, was sie will. Wir werden sie zu nichts zwingen hast du mich verstanden Vater?“ So bestimmend hatte ich meinen Vater selten gehört.

Es war knapp ein Jahr später, als mein Großvater wieder einmal zu Besuch kam um auf mich aufzupassen, während meine Eltern ihren Hochzeitstag feierten.

„Schlafenszeit Katherine.“ Großvater trug mich auf seinen Armen die Treppe nach oben in mein Zimmer. 

„Ich will noch nicht schlafen Opi.“ Jammerte ich, während er mich in mein Bett legte und zudeckte.

„Es ist schon spät, deine Eltern werden böse auf mich sein, wenn ich dich so lange wachbleiben lasse.“ Ich setzte meinen Hundeblick ein und hielt meinen Großvater an seiner Hand fest.

„Erzähl mir noch eine Gute-Nacht-Geschichte, bitte.“ Mein Großvater seufzte und ließ sich neben mich auf das Bett nieder. 

„Na gut du hast gewonnen mein kleiner Engel.“ Ich kuschelte mich in meine Decke und lauschte der Geschichte meines Großvaters.

„Vor langer, langer Zeit lebte einmal ein Mann, der König über eine große Stadt war. Er liebte seine Stadt und wollte seine Bewohner vor allem Beschützen, was sie zu gefährden drohte. So kam es das eines Nachts, viele Menschen seines Volkes von einem bösen Wesen angegriffen wurden. Ihr ganzes Blut wurde aus ihren Körpern gesaugt und die Töten schienen nicht lange Tod zu bleiben. Immer wieder wurden sie nachts, von anderen Bewohnern, durch die Stadt schleichen sehen. Der König wusste, dass er etwas dagegen unternehmen musste und trommelte viele seiner Krieger zusammen, die nachts mit ihm gegen sie kämpfen sollten, denn sie waren keine Menschen mehr. Sie wurden zu etwas Bösem das versuchte andere Menschen zu töten…“ 

Mein Vater kam zusammen mit meiner Mutter in mein Zimmer gestürmt, erschrocken sah ich in das wütende Gesicht meines Vaters.

„Du hast es uns versprochen Vater!“ Die beiden Männer verließen das Zimmer, während meine Mutter sich zu mir an mein Bett setzte.

„Hat dir diese Geschichte angst gemacht meine Kleine?“ Ich schüttelte den Kopf.

„Nein aber ich will wissen, wieso sie so etwas Böses machen.“ Meine Mutter streichelte mir über meinen Kopf. 

„Mach dir keine Gedanken, es war nur eine Geschichte von deinem Großvater. Du solltest jetzt schlafen.“ Meine Mutter verließ ebenfalls mein Zimmer und ich konnte meinen Vater und meinen Großvater draußen streiten hören. Ich war jedoch zu müde, um etwas zu verstehen, und schlief direkt ein. 

 

Nach diesem Abend kippte das Verhältnis zwischen meinem Vater und meinem Großvater. Er besuchte mich noch, sprach aber kaum mehr ein Wort mit meinem Vater. Es machte mich traurig, sie so zu sehen. Wir waren doch eine Familie.

Alles wurde noch schlimmer, nachdem meine Mutter starb…

 

Ich spielte im Garten mit meinen Puppen, als Mama einen schrecklichen Hustenanfall bekam. Sie krümmte sich vor Schmerzen und hörte gar nicht mehr auf zu husten. Vater hatte mich ins Haus geschickt um ein Glas Wasser zu holen, doch als ich wieder nach draußen kam, sah ich, wie meine Mutter weinend in den Armen meines Vaters lag. Ich trat näher zu ihr heran, um ihr das Wasser zu geben. Sie lächelte mich trotz ihrer Tränen an und trank das Wasser aus. Als sie ihre Hände samt dem Glas in ihren Schoß legte, konnte ich die Blutstropfen auf ihrem Rock erkennen. 

„Mama…“ wimmerte ich. Ihre Hand griff an meine Wange und wie so oft versuchte sie stark für mich zu sein.

„Alles gut mein Kätzchen, mir geht es gut.“ 

 

Damals war ich mit meinen 9 Jahren noch zu jung um es zu verstehen aber heute, zehn Jahren später, weiß ich, dass dies der Moment war, als ihr Krebs zurückkam. 

 Wir verbrachten viel Zeit bei Ärzten und in Krankenhäusern. 

 

Wir waren wieder einmal in der Arztpraxis von Dr. Hoffenheimer, er hatte viele Tests mit Mama durchgeführt und hatte nun eine Antwort für uns.

Ich saß auf dem Schoß meines Vaters und verstand nichts von dem, was meine Eltern und er sprachen.

„Frau Darabont, es tut mir leid ihnen sagen zu müssen, dass ihr Karzinom, das wir dachten besiegt zu haben, Metastasen gestreut hat.“ Meine Mutter schluckte und sah zu mir. 

„Können wir irgendetwas tun?“ Fragte mein Vater den kahlköpfigen Doktor.

„Ihre Ehefrau hat Metastasen in der Lunge und in den Knochen. Es ist schon sehr weit fortgeschritten. Natürlich können wir eine Chemotherapie und Bestrahlung versuchen aber ich kann ihnen nicht versprechen, dass sie dadurch mehr Zeit haben. Die Chancen das die Therapie anschlägt, sind sehr gering.“ Ich sah, dass mein Vater mit den Tränen kämpfte, während meine Mutter mich weiter anlächelte.

„Katy, geh doch bitte kurz raus und warte dort auf uns.“ Mein Vater hob mich von seinem Schoß und widerwillig ging ich zur Tür.

„Wie lange habe ich noch?“ Die Stimme meiner Mutter brach.

„Vielleicht 2 Jahre.“ Das was das Letzte, dass ich von ihrer Unterhaltung mitbekam.

Meine Mutter hatte sämtliche Therapieversuche verweigert, am Anfang bekam ich nicht einmal etwas davon mit, wie krank sie eigentlich war. Sie war wie immer. Wir unternahmen viel zu dritt und lachten sehr viel miteinander. Sie half mir bei den Hausaufgaben und alberte danach mit mir herum. Doch ein Jahr später ging es ihr immer schlechter, man konnte stetig dabei zusehen, wie der Krebs sie für sich einnahm. Irgendwann wurde es so schlimm, dass sie nicht mehr bei uns Zuhause leben konnte. Sie wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, das was ich später erfahren hatte, in Wirklichkeit ein Hospiz gewesen war. Sie kam dorthin um in Ruhe zu sterben. Wir besuchten sie täglich wie auch an diesem Tag…

Ich mochte den sterilen Geruch des Krankenhauses überhaupt nicht. Es brannte in meiner Nase, aber sobald man in das Zimmer meiner Mutter kam, roch es nach Blumen und ganz wie Zuhause. Mein Vater hatte ein paar Gegenstände von Zuhause hier her bringen lassen um es wohnlicher und nicht ganz so nach Krankenhaus aussehen zu lassen. 

Heute war einer der guten Tage meiner Mutter. Sie lächelte und hielt mich fest an ihrer Seite. Das einzige was an diesem Bild störte, war der kleine Plastikschlauch in ihrer Nase, über den sie kontinuierlich Sauerstoff bekam. 

„Ich hab dich vermisst mein kleines Kätzchen.“ Sie drückte mich fest an sich und ich genoss die Nähe meiner Mutter. 

„Ich dich auch Mama, aber ich bin nicht mehr klein. Ich bin schon fast 11!“ Meine Mutter lachte.

„Ich weiß aber du wirst immer mein kleines Kätzchen bleiben.“ Ihre weichen Lippen drückten einen Kuss auf meine Stirn. Mein Vater saß auf dem Sessel gegenüber von Mamas Bett und beobachtete das ganze. „Wie war die Schule? Passt du auch gut auf, damit du mal nicht so endest wie dein Vater und ich.“ Mein Vater lachte.

„Ich glaube, wir haben das ganz gut hinbekommen.“ Ich musste mitlachen.

„Die Schule ist langweilig, aber meine neue Freundin Zoe ist toll. Sie ist so witzig und jeder mag sie.“ Sie strich mir durch mein Haar und lächelte wie fast immer. Ich sah meine Mutter nur sehr selten nicht Lächeln. 

„Das freut mich. Sie soll bloß gut auf dich aufpassen.“ Ich drückte mich fest an sie.

„Vielleicht kann ich sie dir bald mal vorstellen.“ 

„Das würde mich sehr freuen.“ 

Wir verbrachten noch den ganzen Nachmittag bei meiner Mutter, bis wir wieder nach Hause fuhren. Ich machte meine Hausaufgaben und versuchte noch etwas zu lernen, bis das Telefon klingelte. Mein Vater ging ran, und fing nach wenigen Momenten an laut zu schluchzen. Ich trat aus meinem Zimmer und stieg die Treppe zu ihm herab. 

„Papa..?“ Fragte ich vorsichtig. Er drehte sich um und wischte sich die Tränen ab, die jedoch nicht zu trocknen waren. Immer wieder sammelten sich neue Tränen in seinen Augen, die seine Wange herabflossen.

„Katy.“ Er kam auf mich zugestürmt und drückte mich ganz fest an sich. Mir stiegen ebenfalls Tränen in die Augen und ich klammerte mich an meinen Vater. Ich wusste, was passiert war und wollte es gar nicht hören. Ich wollte es nicht wahrhaben.

„Mama… ist sie…“ begann ich und konnte nicht weiter sprechen. Der Schmerz in mir wurde unerträglich. 

„Sie ist jetzt an einem besseren Ort.“ Ich schrie und stieß meinen Vater von mir weg.

„Sie ist Tod! Sie ist nicht mehr hier! Bei uns wäre der beste Ort! Sie sollte bei uns sein!“ Mein Vater zog mich wieder zu sich und hielt mich fest an sich gedrückt. Ich schrie und weinte und konnte all das nicht begreifen. Sie war weg. Sie war einfach nicht mehr hier und trotzdem drehte sich die Welt weiter. Der beste Mensch auf dieser Welt war nicht mehr hier und sie drehte sich einfach weiter.

„Ich weiß Katy aber wir müssen jetzt stark sein, für sie. Sie hätte nicht gewollt, dass wir weinen.“ Ich wusste, wie schwer es meinem Vater müsste mir gut zuzureden, wenn doch gerade die Liebe seines Lebens gestorben war, aber ich wollte nicht stark sein. Ich hatte meine Mutter verloren, wie konnte ich da stark sein?!

„Wieso…“ Wimmerte ich und ließ mich voll und ganz in die Arme meines Vaters fallen. Wieso musste man sie uns nehmen. Was hatten wir getan um so ein Leid ertragen zu müssen. 

Sie war fort und würde niemals wieder kommen…

Kapitel 14 Katy

Mein Kopf dröhnte und mein Körper fühlte sich merkwürdig taub an. Ich öffnete meine Augen und sah in eine finstere Dunkelheit. Panisch tastete ich um mich herum. Der Boden unter mir war hart und feucht. Es fühlte sich an wie kalter Stein. Je mehr ich mich Bewegte desto schummriger wurde mir. Was war mit mir passiert? Ich versuchte mich daran zu erinnern, was passiert war und erschrak, als meine Erinnerung mit einmal wieder in meinen Kopf traf.

Jurij! Er hatte mich gebissen. Nach diesem wunderschönen Abend auf dem Maskenball war er völlig ausgerastet und hatte sich in dieses Monster verwandelt. Seine Augen hatten dunkle Schatten bekommen und Fangzähne, die sich dann in meinen Hals bohrten. Ich glaubte nicht, an das Übernatürliche aber ich hatte es mit meinen eigenen Augen gesehen.

Mit aller Mühe versuchte ich aufzustehen, ein Klirren, das den ganzen Raum erfüllte ließ mich zusammen fahren. Ich tastete mein Bein entlang und musste mit schrecken feststellen, das ich angekettet wurde. Es war einfach viel zu dunkel dort unten und viel zu Still. Die Panik stieg immer weiter in mir auf. Wo war ich? Was hatte er mit mir gemacht?

Das Knarzen einer Tür weckte meine Aufmerksamkeit. Durch das kleine Fenster in der Tür, das mit Gitterstäben verschlossen wurde, sah ich das Flackern einer Flamme, die immer größer wurde. Schritte waren zu hören, sie näherten sich mir und ohne wirklich zu wissen was ich tun sollte, versteckte ich mich so weit in der Dunkelheit wie nur möglich. Wer auch immer das war, stand bestimmt nicht auf meiner Seite.

Ein junger Mann Anfang 20 sah durch das kleine Fenster zu mir in die Zelle.

„Sie ist wach Meister.“ Er verschwand und kurze Zeit später hörte ich das Rascheln eines Schlüsselbundes. Jemand schloss die Tür auf und trat zu mir in die Dunkelheit. Ich konnte nicht erkennen, wer es war. Das seichte Licht der Fackel ließ mich nur seine Umrisse erkennen.

„Katherina.“ Ich erschrak, als ich die Stimme erkannte. Es war Jurij. Seine Stimme klang noch immer bösartig und ganz und gar nicht nach dem Jurij, den ich in Moskau kennengelernt hatte. Vielleicht gab es diesen Jurij auch nie.

„Komm zu mir.“ Forderte mich die allzu bekannte Stimme auf.

„Verschwinde du Monster!“ Meine kratzige Stimme hallte in den Fluren des Gemäuers wieder. Jurij tat ein paar Schritte auf mich zu und blieb dann wieder stehen.

„Du musst durstig sein.“ Er drehte sich um, im nächsten Moment kam der junge Mann mit einem Becher voll Wasser zu mir herein und reichte ihn mir. Vorsichtig roch ich daran, doch konnte keinen gefährlichen Geruch ausmachen. Ich trank einen kleinen Schluck und stürzte dann den gesamten Inhalt hinunter.

„Und jetzt komm zu mir.“ Ich blieb weiter sitzen und funkelte Jurij aus zornigen Augen an.

„Du hast meinen Großvater ermordet. Ich werde nirgendwo mit dir hingehen!“

Ich vernahm ein Grollen aus Jurijs Brust. Er atmete schnell und drehte sich zum Gehen.

„Wenn das so ist, dann bleib weiterhin hier unten.“ Die Tür schlug zu und die Flamme verschwand. Ich war wieder allein. Hier drinnen war es so dunkel, das ich nicht einmal meine eigene Hand vor Augen erkennen konnte. Ich zog meine Beine eng an meinen Körper und umklammerte sie fest. Wie konnte ich nur in solch eine Situation geraten?

Kapitel 15 Jurij

Wutentbrannt warf ich mein Glas voll mit Blut gegen die Wand. Mein ganzer Körper bebte und ich war kaum mehr zu beruhigen. Katy machte mich wahnsinnig. Ich wusste nicht ob sie log oder wirklich nichts von den Jägern und den Vampiren wusste. Und jetzt hielt ich sie in unserem Schloss gefangen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht sie zu beißen und zu entführen. Wieso hatte ich nicht einfach ihre Erinnerungen gelöscht. Ich musste mir eingestehen, dass egal was sie war, ob Jägerin oder nicht ich sie liebte. Sie hingegen hasste mich das sah ich ihr an. Ich hatte ihren Großvater getötet, aber wieso war auch ausgerechnet sie die Enkelin von Gregor Darabont dem Anführer der Jäger.

Gerade jetzt saß sie da unten in einer der dunklen Kerkerzellen und war vollkommen alleine. Ich wollte sie da rausholen, aber hatte nur erreicht, dass sie mich noch mehr verachtete. Ich hatte ihr Blut gekostet, was köstlicher war, als alles, was ich bisher kannte, ich hatte meine ganze Beherrschung aufbringen müssen um sie nicht bis auf den letzten Tropfen leer zu saugen. Jetzt viel es mir umso schwerer in ihrer Gegenwart zu sein. Ich wollte sie nicht töten weder jetzt noch irgendwann, sie sollte mir gehören. Aber ich wollte dass sie mich ebenfalls wollte. Nicht so. Nicht wie jetzt. Nicht als eine Gefangene von mir.

Mein Bruder kam herein und begutachtete meinen Wutausbruch an der Wand.

„Ich weiß nicht, was du dir dabei gedacht hast und will deine Entscheidungsfähigkeit gar nicht in Frage stellen aber DAS? Jurij. Wie gedenkst du das Problem zu lösen?“ Ich brauchte nicht noch ihn der mir im Nacken saß. Ich hatte keine Antwort auf diese Frage. Seit Tagen zerbrach ich mir den Kopf darüber, was ich mit Katherine tun sollte.

„Ich weiß es nicht!“ Schrie ich meinen Bruder an. Meine Selbstbeherrschung schien lange hinter mir zu liegen, wenn ich selbst meinem Bruder gegenüber die Beherrschung verlor.

„Finde eine Lösung, sonst tu ich es und ich weiß, dass sie dir nicht gefallen wird.“ Damit ließ er mich wieder mit meinen Gedanken alleine. Ich musste zu ihr, sie sehen, es ihr erklären aber würde sie mir überhaupt zuhören? Es würde einen Versuch wert sein.
 

Ich lief die langen Korridore unseres Schlosses entlang hinab zu unserem Verlies. Vitali, der von den Toren des Verlieses Wache hielt, stand auf und verbeugte sich vor mir.

„Meister. Wollt Ihr erneut zu ihr?“ Ich nickte und er öffnete mir die Türen, bereit hinter mir her zu gehen.

„Schon in Ordnung du kannst hier warten. Ich möchte sie alleine sprechen.“

Vitali sah nicht begeistert aus aber hörte auf mein Wort und ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder. Ich nahm mir eine der Fackeln und betrat die dunklen Gänge auf dem Weg zu meiner Schönheit. Sobald es um Katy ging, spürte ich, dass ich immer noch ein Herz besaß, denn es schlug wie wild in meiner Brust und schmerzte bei dem Hass den sie mir gleich entgegen bringen würde. Ich hörte das Rascheln ihrer Ketten und ihren Puls, der sich immer weiter beschleunigte. Sie hatte Angst, das konnte ich spüren. Sie hatte Angst vor mir.

Ich öffnete die massive Holztür und stieg zu ihr in die Dunkelheit. Sie saß vollkommen verängstigt in einer der Ecken der Zelle. Ich spürte ihren Blick auf mir, während ich die anderen beiden Fackeln entflammte und in die Halterungen an der Wand platzierte.

Sie sah trotz des Schmutzes und Blutes wunderschön aus. Noch immer trug sie nur mein Hemd an ihrem Körper. Katherine Clarke war wirklich das entzückendeste Wesen, das ich jemals kennenlernen durfte. Ich setzte mich an die gegenüberliegende Seite des Raumes und beobachtete sie einfach nur.

„Was willst du hier?“ Sie durchbrach die Stille und zeigte mir erneut, das rein gar nichts zwischen uns in Ordnung war.

„Mit dir reden.“ Ich wollte ehrlich sein und vor allem nett. Ich gab mein bestes, ich nutze jedes Fünkchen an Beherrschung, das ich finden konnte.

„Ich möchte aber nicht mit dir reden.“ Fauchte sie mir entgegen.

„Ich befürchte das, wenn wir nicht reden, ich dich nicht gehen lassen kann.“

„Du hast vor mich gehen zu lassen?“ Sie lachte sarkastisch. Mein Herz stach.

„Ja das habe ich. Ich werde dich nicht töten.“ Ich sprach ruhig und versuchte, ihr damit ein sicheres Gefühl zu geben, doch ich stieß auf taube Ohren.

„Du vielleicht nicht aber einer deiner Handlanger.“

„Katherina, du stehst unter meinem Schutz.“ Sie lachte wieder.

„Deinem Schutz? Sieht dein Schutz vor das ich in einer nassen Zelle, wer weiß wo, verrotte?“ Sie machte es mir wirklich schwer. Ich wollte schreien, toben, sie zurecht weißen und zur Vernunft bringen aber sie hatte recht.

„Ich gebe zu, mein Plan ist noch nicht ganz ausgereift, aber du wirst nicht sterben.“

Das Mädchen, das mein Herz so schnell für sich gewonnen hatte, sah mir fest in die Augen.

„Vielleicht will ich gar nicht Leben, wenn es bedeutet weiterhin bei dir zu bleiben.“ Erneut stach sie einen harten Dolch in mein Herz. Ich hatte nie erfahren, dass Worte so verletzen konnten.

„Sag so etwas bitte nicht…“ Ich atmete tief durch. Ich durfte ihr keine Schwäche zeigen, noch immer wusste ich nicht, ob sie nicht doch eine Jägerin war. Würde ich Schwäche zeigen, wäre es leichter für sie mich zu töten. „Katy. Ich möchte dir nichts Böses. Hätte ich das gewollt, hätte ich Zoe…“ Ich konnte nicht aussprechen, sie unterbrach mich direkt.

„Was ist mit Zoe?! Was hast du ihr angetan?!“ Ihr Hass auf mich schien sich noch zu verstärken.

„Nichts. Ihr geht es gut. Wir haben ihre Erinnerungen gelöscht.“ Entgeistert sah sie mich an.

„Ihr habt was?“

„Wir haben ihre Erinnerung gelöscht, an Russland, an diese Reise… und an dich.“ Katy sog scharf die Luft ein und Tränen sammelte sich an ihren Augenwinkeln.

„Sie erinnert sich nicht mehr an mich.“ Es war kaum mehr als ein Flüstern. Ich nickte zur Bestätigung. Ich wusste wie sehr sie das Verletzte aber ich wollte ehrlich sein.

„Du hast also nicht nur meinen Großvater ermordet, sondern auch meine beste Freundin vergessen lassen, das ich existiere?“ Ich konnte dabei zusehen, wie sich ihre Gefühle von Trauer zu Wut veränderten. Was hätte ich schon sagen können, um sie zu beruhigen. Eine Entschuldigung wäre nicht ehrlich gewesen, denn es tat mir nicht leid. Ich hallte es immer noch für die richtige Entscheidung.

„Was habe ich dir getan, das du mir so etwas antust? Was habe ich verbrochen, dass du mich hier festhältst, wie eine Gefangene?“ Ich schwieg, denn ich hatte keine Antwort darauf. „Antworte mir Jurij!“ Sie stand auf und wankte auf mich zu. Kurz vor mir blieb sie stehen, ihre Ketten ließen es nicht zu, dass sie sich mir weiter näherte. „Sie mich an Jurij. Sieh dir die Wunde an, die du mir zugefügt hast. Sie dir all den Schmutz und den Dreck an mir an.“ Ich sah sie an. Ihre Beine waren voller Schürfwunden von dem harten Steinboden auf dem sie, seit Tagen lag. Die Kette an ihrem Fuß hatte ihr tiefe Schnittwunden zugefügt, an denen jetzt noch das alte Blut haftete. Ihr Haar klebte an ihrem wunderschönen Gesicht, das ich trotz all des Dreckes noch erkennen konnte und auch wenn es offen über ihre Brust fiel, wusste ich, das sich darunter das Tattoo der Jäger befand.

„Du bist vielleicht eine Jägerin…“ begann ich, doch wurde wieder von ihr unterbrochen.

„Ich bin ein Mensch Jurij. Was ich von dir nicht behaupten kann.“ Ihre Stimme bekam ein Wimmern, das mein Herz brechen ließ. Ich wollte sie in den Arm nehmen, sie trösten und ihr erklären das alles gut werden würde aber das wäre gelogen. „Was bist du?“ Fragte sie nun endlich die Frage der Fragen.

„Ich bin ein Vampir.“

Kapitel 16 Jurij

Katys Blick wurde glasig. Ausdruckslos sah sie mich an. Ich konnte kein Zeichen von Überraschung oder Angst in ihren Augen erkennen. Ihr merkwürdiges Verhalten verstärkte mein Glauben daran, das sie doch eine Jägerin war nur noch mehr.

Ich beobachtete sie minutenlang, doch nichts veränderte sich an ihrem Blick. Sie starrte mich einfach an oder eher noch durch mich hindurch. Als wären ihre Gedanken ganz wo anders, nur nicht bei mir. Es machte mich so unfassbar wütend, das ich meine Hände zu Fäusten ballte bis meine Knöchel weiß hervortraten. Die gleiche Wut, wie am Abend des Maskenballes als ich das Tattoo der Jäger auf ihrer Haut entdeckt hatte, durchflutete mich.

Ich erinnerte mich daran zurück wie sie erschrocken und bleich, nackt auf meinem Bett lag und mich mit weit aufgerissene Augen angesehen hatte. Ihr Körper, der nur durch ein dünnes Bettlacken verdeckt wurde, sah aus wie die Sünde selbst, während ihr Blick voller Panik auf mir lag. Ich war nicht nur wütend auf sie. Ich war vor allem wütend auf mich selbst, dass ich auf eine von ihnen, auf eine Vampirjägerin hereingefallen war und doch wollte ich sie. Ich wollte sie so sehr. Sie sollte nur mir allein gehören. Als sie plötzlich aufsprang, um das Zimmer zu verlassen, durchströmte mich eine dunkle Macht. Sie durfte nicht gehen. Sie durfte nie wieder gehen!

Ich wollte, nein, ich musste sie besitzen.

Die gleiche dunkle Macht durchflutete nun erneut mein Körper und zeigte mir die Erinnerung an ihr zuckersüßes Blut. Wie leicht meine Zähne ihre dünne Haut durchbohrt hatten und ihr köstliches Blut in meinem Mund strömte. Ich konnte nicht aufhören. Noch nie zuvor hatte ich solch eine explodierende Kraft in meinen Mund gespürt. Auch als ich merkte, dass ihr Körper immer schlaffer in meinen Händen wurde, konnte ich mich nicht stoppen. Erst als ihr Herzschlag nicht mehr als ein leises, flaches Pochen war, hörte ich auf. Ich wollte sie noch nicht umbringen. Dafür war ihr Blut viel zu kostbar.

Sie saß nicht allzu weit von mir entfernt und ich konnte das Blut durch ihre Adern strömen hören. Es vernebelte meine Sinne und das dunkle in mir, versuchte mich erneut zu übermannen.

Immer wieder hatte ich mir die letzten Tage eingeredet das es Liebe war, die mich bei ihr hielt. Ich wollte mir nicht eingestehen, dass ich der Dunkelheit doch so sehr verfallen war. Ich war Jurij Kovalewskij Vampirprinz aus Russland und kein dummes Geschöpf der Nacht, das durch das Blut einer Menschenfrau zu einer Bestie mutierte. Doch gerade war es nur die Lust die meinen Körper beherrschte. Ich wollte ihr Blut schmecken, ihren weiche Haut auf mir spüren und mir ihren Körper nehmen.

Mein Gesicht nahm ein fieses Lächeln an und bösartig funkelte ich sie an.

»Du scheinst nicht sehr überrascht zu sein.« Ich konnte spüren, wie meine Fangzähne sich bereits ihren Weg nach draußen bahnten.

Mit hartem Blick sah sie mir in meine finsteren Augen. Ich wusste, wie ich aussah, wenn mich der Blutdurst zu einer gefährlichen Kreatur formte. Meine grauen Pupillen strahlten hell, während der Rest meiner Augen von dunklen Schatten unterlegt war. Ich verzog meine Mundwinkel zu einem schrägen Lächeln und gewährte ihr einen Blick auf meine scharfen Eckzähne. Noch immer hatte sich ihre kühle, unbeeindruckte Aura nicht verändert.

Katy ging ein paar Schritte zurück, wodurch sie ihre Ketten am Bein laut zum Klirren brachte. Ihr Blick war auf meine Fangzähne gerichtet.

»Die Geschichten, die mir mein Großvater als Kind erzählt hatte, sind also war.« Sie klang zu monoton damit ich ihr es hätte abkaufen können, dass sie nicht mehr über mich und meine Rasse wusste.

»Hast du Angst Katherina?« Ich benutzte mit Absicht den Spitznamen, den ich ihr selbst gegeben hatte.

Sie lachte. »Nein.«

»Die solltest du haben.« Blitzschnell war ich bei ihr und drückte sie gegen die kalte Wand der Zelle. Sie versuchte sich gegen meinen Griff zu wehren, doch ich hielt ihre Hände fest, während meine Beine zwischen ihr standen und sie leicht nach oben hoben. Ihr Atem ging schnell und selbst wenn sie vor wenigen Sekunden noch behauptet hatte, keine Angst vor mir zu haben, so hatte sie sie aufjedenfall jetzt gerade.

»Was hast du mit mir vor, Monster?« Blaffte sie mich an. Ihr war gar nicht bewusst, in was für einer tödlichen Lage sie sich gerade befand.

Mein Atem lachte gegen die dünne Haut hinter ihrem Ohr, was ihr eine Gänsehaut bescherte.

»Wirst du mich jetzt töten? So wie du meinen Großvater bereits getötet hast?« Ihre Stimme verlor, trotz ihrer misslichen Lage nicht an Kraft. Ich wollte sie nur umso mehr.

»Nein...« Flüsterte ich gegen ihren Hals. »Ich werde mit dir spielen.« Und damit rammte ich ihr meine Fangzähne durch ihre dünne Haut. Ich spürte, wie sie mit Leichtigkeit unter meinem Biss zerriss. Ein leiser Schrei trat aus ihrer Kehle und ihr süßes Lebenselixier floss in meinen Mund, berauschte meine Sinne und nahm mir meinen Verstand.

Als ich spürte, das sie kurz davor war wieder in Ohnmacht zu fallen, ließ ich von ihr ab und sah zu, wie sie unsanft auf dem Boden aufschlug. Ihre Knie platzen erneut auf, während sie sich mit letzter Kraft versuchte aufzufangen.

In meiner vollen Größe stand ich vor ihr und sah sie aus glühenden Augen an.

»Du gehörst mir.«

Kapitel 17 Katy

Ich weiß nicht wie viele Tage es her war, seit dem ich das Letzte mal etwas richtiges gegessen hatte. Seit Jurij mir sein, nicht ganz so überraschendes Geheimnis verraten hatte und er vollkommen ausgerastet war, hielt er mich hier unten weiterhin gefangen. Es war noch schlimmer als zuvor. Ich erkannte nichts mehr von dem Jurij den ich in Moskau kennengelernt hatte in ihm wieder. Täglich, oder zumindest glaube ich, dass es täglich war, kam dieses Monster hier runter und trank von mir. Er kam herein, grinste mich finster an und drückte mich unsanft gegen eine der harten Wände, während er mir seine widerlichen Fangzähne in den Hals rammte. Jedes Mal glaubte ich, dass ich nun sterben würde, dass er mir meinen letztenTropfen Blut aus dem Körper saugen würde, aber er schaffte es immer, mich gerade so am Leben zu lassen. Ich hasste es wie er gegen meinen Hals stöhnte und sich an meinem Körper rieb, wie seine großen Hände unter das dreckige Shirt griffen und meinen Hintern umfassten, aber am aller meisten hasste ich es, das ich nichts dagegen tun konnte. Ich war viel zu schwach, selbst ohne das fehlende Blut hatte ich keine Chance gegen ihn. All die Gefühle die ich dachte für ihn zu gehabt zu haben, sind weg. Das einzige was ich für dieses widerliche Monster noch empfinden konnte, waren Abscheu und Hass. Reichte es ihm nicht das er mir meinen Großvater und meine beste Freundin genommen hatte, musste er mich auch noch wie eine billige Sklavin in seinem Kerker halten. Wieso ließ er mich nicht einfach gehen. Ich wollte nur so weit wie möglich von ihm fort. Nach Hause zu meinem Vater der sich bestimmt schreckliche Sorgen um mich machte.

Heiße Tränen rollten über meine Wangen und ich zog meine Beine eng an meinem Körper. Ich versuchte den Schmerz, den mir meine eigenen Berührungen auf meiner geschundenen Haut verursachten, so gut es ging zu ignorieren und weinte bitterlich in die Stille der Dunkelheit. All das musste doch nur ein schrecklicher Albträume gewesen sein, doch jedes Mal wenn ich mich zwingen wollte aufzuwachen, wurde mir um so mehr bewusst, dass dieser Horror Wirklichkeit war.

Eine schwere Tür quietschte leise, bevor das Licht einer brennenden Fackel immer näher kam. Ich wusste, dass es nicht Jurij war, er war nie so leise. Er riss die Tür auf wie ein Irrer und kam direkt auf mich zugestürmt, packte mich an meinen Armen und schmiss mich durch die dunkle Zelle. Manchmal auch so weit, dass ich hart von den Ketten an meinem Bein zurückgerissen wurde. Ich war froh, das hier unten nie genügend Licht war um meine Wunden komplett zu sehen.

Vorsichtig klopfte jemand an die Tür, bevor er hereintrat. Es war Vitali. Er redete nicht viel, aber hatte mir irgendwann seinen Namen verraten. Schweigend stellte er mir einen Teller mit Brot und einen großen Becher Wasser in Reichweite.

Kurz bevor Vitali aus der Tür verschwunden war, erhob ich meine Stimme.

»Er wird bald wieder kommen, hab ich recht?«

Vitali blieb stehen und sah mich mitleidig an. Sein junges Gesicht sah so unschuldig aus. Traurig nickte er und ließ mich wieder in meiner Stille alleine. Die kleine Kerze, die er immer wieder erneuerte, war meine einzige Lichtquelle in der sonst finsteren Zelle. Sie erhellte gerade mal so viel das ich mein Essen und den Eimer als provisorische Toilette finden konnte. Mittlerweile fühlte ich mich in der Dunkelheit auch wohler. Ich kam mir sicherer vor auch wenn das kompletter Blödsinn war. Ich war nirgends in dieser Zelle vor ihm sicher...

Mein Magen knurrte und ausgehungert machte ich mich über das kleine Stück Brot her, bevor ich den Becher voller Wasser in einem Zug leerte. Wütend schmiss ich ihn gegen die Tür, als ob das irgendetwas bringen würde.

Um die dunklen Flecken an meinem Körper nicht weiter sehen zu müssen, verschwand ich zurück in meine dunkle Ecke, in die mir Jurij gnädigerweise ein Kissen gebracht hatte.

Kurz nachdem ich gerade wieder in meine Gedanken versinken wollte, sprang die Tür auf und knallte laut gegen eine der Wände. Ich hatte ihn gar nicht kommen hören, was mir nur noch mehr Angst vor ihm machte. Er stand in dem Loch, in dem bis gerade eben noch die verschlossene Tür war und hielt eine helle Fackel in der Hand. Langsam trat er herein und steckte sie in eine der Halterungen. Irgendetwas an ihm war heute anders. Sonst warf er sie lieblos bei Seite und kam sofort zu mir geeilt um mir seine dreckigen Zähne in meine Haut zu rammen. Ich sammelte meine ganze Kraft, um ihm wenigstens etwas Mut entgegenzubringen. Er trat näher an mich heran und starrte mich aus seinen dunklen Augen an. Mit einem Ruck zog er an der Kette an meinem Fuß und ich wurde unsanft über den Boden geschliffen bis ich vor ihm zum halten kam. Sofort durchzuckte mich das Brennen frischer Wunden an meinem Rücken. Er packte mich an meinem Unterarm und riss mich nach oben bis ich auf meinen eigenen Füßen stand. Sein Oberteil war aufgeknöpft und ließ seine Muskeln, in dem matten Licht der Fackel, Schatten auf seinen Körper werfen.

Bösartig funkelte er mich an. Ich konnte die Reißzähne erkennen, die mich auffordernd anlächelten.

»Hast du mich vermisst?«

Er machte mich heute noch wütender als sonst. Er hatte irgendetwas vor und das gefiel mir ganz und gar nicht.

»Es gibt bessere Gesellschaft als dich.« Überrascht zog er eine Augenbraue nach oben.

»Ach ja? Du meinst doch nicht etwa den kleinen Jungen vor der Tür.« Seine Augen formten sich zu gefährlichen Schlitzen. »Er hat doch nicht etwa mit dir gesprochen. Du gehörst mir und nur mir, verstanden?« Wütend funkelte ich ihn ebenfalls an.

»Ich rede, mit wem ich will.« Ich wusste, dass ich einen riesen Fehler begangen hatte, als Jurij sich von mir löste und nach draußen eilte. Die Tür stand immer noch offen, doch selbst jetzt konnte ich nicht fliehen. Die Ketten an meinem Fuß hielten mich davon ab loszurennen. Viel zu schnell war Jurij wieder bei mir und schleifte den armen Vitali hinter sich her.

Jurij bewegte sich viel zu schnell, dass ich gerade noch sehen konnte, wie Vitali queer durch den Raum flog und hart gegen eine der Wände prallte. Benommen lag er auf dem Boden, während ihm Schutt über den Körper rieselte.

»Wieso tust du das?!« Schrie ich Jurij an. Sein Blick lag weiter auf dem sich aufrichtenden Vampir.

»Es gefällt mir nicht, wie er dich ansieht.« Auch wenn Vitali selbst ein Vampir war, so hatte er mir doch nie etwas böses getan. Ich versuchte, zu ihm zu eilen, doch kam hart mit meinem Gesicht auf dem Boden auf, als Jurij erneut an meiner Fußkette zog. Ich spürte, wie mir ein kleines Rinnsal an Blut über die Stirn lief.

Bedrohlich kam er auf mich zu und schritt an mir vorbei zu Vitali, der sich bereits seiner Gefahr bewusst war. Gerade als ich ihm ein »Lauf weg!« zurufen wollte, sah ich wie Jurij ihn erneut gegen die Wand warf und ihm danach noch einen harten Tritt in den Bauch verpasste.

»Du Monster! Hör auf!« Brüllte ich ihn an. Jurij lachte und hob Vitali vom Boden auf.

»Er ist genauso ein Monster wie ich.« Auch wenn Jurij recht hatte, wollte ich Vitali verteidigen. Immerhin erlitt er all das nur wegen mir.

»Nein! Er begrabscht mich nicht jeden Tag und saugt mich bis zur Bewusstlosigkeit aus.«

»Oh, das würde er aber gerne. Nicht wahr Vitali?« Jurijs Irres Grinsen nahm immer gefährlichere Form an. Wild schüttelte Vitali den Kopf, doch es war zu spät.

Ein lautes Knacken ertönte und Vitalis Kopf flog abgetrennt von seinem Körper durch den Raum. Ich schrie und sah in seine weit aufgerissenen Augen, die direkt vor mir zum stehen kamen.

Kapitel 18 Katy

Starr vor Angst blickte ich auf den abgetrennten Kopf vor mir. Jurij hatte ihn einfach getötet, obwohl er nicht einmal einen Grund dafür besaß. Er war verrückt geworden!

Hart schlug Vitalis schlaffer Körper auf den Boden auf. Mein Blick sprang zu dem bedrohlichen Monster, zu dem Jurij geworden war. Finster und mit einem verschwörerischen Lächeln auf den Lippen sah er mich an und schritt bedeutungslos über den leblosen Körper vor seinen Füßen. Er kam direkt auf mich zu. Mein Puls beschleunigte sich und ich bekam Todesängste.

Ich wollte weg, wollte schreien und mich vor ihm verstecken aber mein Körper gehorchte mir nicht. Zitternd und mit rasendem Herzen sah ich zu, wie er mir immer näher kam. Mit hartem Griff packte er mich und hielt mich nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt.

»Ich habe Lust zu spielen.« Ertönte seine dunkle Stimme und fuhr mir durch Mark und Bein. Sein Kopf verschwand in meinem strähnigen Haar und leckte an den alten Bisswunden, die er mir bereits zugefügt hatte. Ich rechnete damit das er mir jeden Augenblick erneut seine Fangzähne in den Hals rammen würde, doch nichts passierte, nur sein warmer Atem, der stetig gegen meine empfindliche Haut blies. Ich wich nach hinten zurück, doch wurde sofort von seinen starken Armen eng zurück an seinen Körper gepresst.

»Weißt du eigentlich, wie verdammt lecker dein Blut riecht?« Ich spürte erneut, wie seine Zunge meinen Hals entlang glitt. Jeder Versuch, ihn von mir weg zu drücken, schlug fehl.

»Geh weg.« Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch lauter brauchte ich auch nicht zu sprechen, da Jurij mir so nah war. Der Ekel den seine Hände auf meiner Haut verursachten, ließ mir die Galle nach oben steigen, diese Hände hatten vor wenigen Minuten ein Leben genommen und fuhren jetzt ungeniert über meine nackte Haut.

Wie hatte ich mich in ihm nur so täuschen können.

Jurij lachte und ließ seine Finger weiter über meinen Körper wandern bis er vor mir auf dem Boden kniete und die metallene Kette in seinen Händen hielt. Dies war meine Chance, ich musste es einfach versuchen. Schnell schoss mein Knie nach oben, in der Hoffnung sein Kinn zu erwischen, doch noch bevor ich überhaupt in die Nähe seines Gesichts kam, hatte er mein Bein schon gepackt und zog mich ruckartig auf den Boden. Hart und schmerzhaft kam mein Hinterkopf auf den Steinboden auf. Schwarze Flecken flackerten vor meinen Augen, bevor ich einen stechenden Schmerz an meinem Fuß verspürte. Jurij hielt meinen Knöchel in seiner Hand, die Innenseite zu sich gedreht und biss ohne Vorwarnung in ihn hinein. Ich biss mir auf die Lippe um nicht laut loszuschreien und ihm dieses Vergnügen zu gönnen. Dieses schreckliche, bösartige Lachen das aus Jurijs Kehle drang erfüllte den Raum und schien ihn immer kleiner werden zu lassen. Er löste seine Zähne von mir und leckte sich über seine blutverschmierten Lippen.

»Einfach köstlich.« Er griff nach meinem anderen Bein und und fuhr über den kalten Eisenring, der um mein Fuß gelegt war. Unerwartet und mit einer Leichtigkeit riss er sie in zwei und mein Bein war frei. Es zeigte mir nur wieder einmal, welche Kraft dieses Monster besaß.

Jurijs Blick war weiter auf die Wunden an meinem Fuß gerichtet.

»Lauf.« Sagte er unbeteiligt. Ungläubig starrte ich ihn an. Meinte er das Ernst? War ich wirklich frei?

Misstrauisch stand ich auf und schritt langsam um ihn herum, doch Jurij machte keine Anstalten sich zu bewegen. Mein Knöchel schmerzte und jeder Schritt brannte wie Feuer, aber all das war mir egal. Zum aller ersten Mal hatte ich die wirkliche Chance fliehen zu können!

Ich rannte durch die Tür, die mich all die Zeit gefangen gehalten hatte und stürzte die Flure entlang. Immer wieder stolperte ich und musste mich an den Steinen der Wände abfangen. Es war ein einziges großes Labyrinth, doch ich versuchte mich daran zu erinnern, aus welchen Ecken das Licht der Fackeln zuerst zu sehen war. Die Flure schienen kein Ende mehr zu nehmen. Ich wollte nicht aufhören zu rennen aber meine Beine ließen es nicht mehr zu das ich sie so sehr beanspruchte. Die wenige Nahrung und das fehlende Blut waren nicht gerade hilfreich bei meinem Entkommensversuch. Jurijs lautes, böses Lachen das von überall zu kommen schien, ließ mich zusammen fahren.

Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag ins Gesicht.

Er hatte nie vor mich gehen zu lassen.

Ich hörte seine Schritte schon von weitem. Es hatte keinen Sinn weiter zu rennen, er würde mich so oder so einholen. Ich kratzte all meine letzte Kraft zusammen und brach eine der Fackeln aus ihrer Verankerung.

Das tappen seiner Schuhe auf dem Boden kam näher und schutzsuchend versteckte ich mich in einer der engen seitlichen Gänge.

Jurijs Schatten flackerte vor mir. Ich nutzte den Überraschungsmoment und sprang auf ihn zu. Für eine Millisekunde sah ich die Verblüffung in seinen Augen. Doch dann schnellte sein Arm nach oben und hielt die Fackel davon ab, seine Kleidung zu verbrennen. Mein Atem ging schnell und noch immer hielt ich den Stiel der Fackel fest in meinen Händen.

Amüsiert sah er mich an.

»Gar nicht mal so übel.«

»Wieso tust du das?« Blaffte ich ihm entgegen. Er zog an der Fackel und mich direkt mit in seine Arme. Frech grinste er mir in mein Gesicht.

»Ich sagte doch das ich spielen will.«

Verachtung erfüllte mein Gesicht und wütend funkelte ich ihn an.

»Bastard!« Ich holte aus und spuckte ihm in sein Gesicht. Doch nicht wie ich erwartet hatte, dass sein freches Grinsen verschwinden würde, wurde es nur umso amüsierter.

»Das hättest du nicht tun sollen.«

Er packte mich am Hals und hob mich unsanft nach oben. Mir blieb die Luft weg. Ich strampelte und kratze an seinen Händen, doch sein Griff lockerte sich keinen Zentimeter. Hart schleuderte er mich gegen die Wand und drückte meinen Kopf zur Seite. Mit einer Wucht wie noch nie zuvor rammte er mir seine Fangzähne tief in mein Fleisch. Ich konnte förmlich spüren, wie die Haut zerriss und eine riesige, klaffende Wunde an meinem Hals entstand. Der fehlende Atem und der starke Blutverlust ließ alles schwarz vor meinen Augen werden. Schlaff fiel ich in seine Arme. Das letzte das ich vernahm, war Jurijs finsteres Lachen. »Tu das nie wieder Katy.«.



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